"Knochenmarker"

Der Knochen setzt verschiedene Stoffe in die Blutbahn frei, deren Konzentrationen Aufschluss geben über den Zustand der aktiven Teile des Skeletts. Man unterscheidet Neubildungs- und
Abbaumarker (Biomarker: Ein Indikator für die Anwesenheit bzw. Schwere einer Erkrankung), allerdings sind einige davon durch beide Vorgänge beeinflusst und / oder für den Knochenstoffwechsel nicht sehr spezifisch.

   
Neubildung von Knochensubstanz

Aufbaumarker: Als 'Marker' für die Neubildung von Knochen können folgende im Blut(plasma) zu bestimmende Peptide gelten:

  Alkalische Phosphatase (BALP = 'bone-specific' alkaline phosphatase); sie wird von Osteoblasten als zweite Stufe deren Reifung gebildet und löst die Einlagerung von Kalziumphosphatkristallen aus, vermutlich durch Abbau von (lösungsstabilisierendem) Pyrophosphat. Der Serumspiegel an knochenspezifischer alkalischer Phosphatase korreliert mit der Osteoblastentätigkeit.
  Alkalische Phosphatase
(AP) Serum: 20-90 U/l (methodenabhängig, evt. bis 170 U/l)
Knochenspezifische AP: 12-41 U/l
  Osteokalzin; dieses Vitamin-K-abhängige Protein bindet Kalzium, wird von reifen Osteoblasten gebildet und in die Knochenmatrix eingelagert (15% der neu gebildeten Menge 'entweichen' in die Zirkulation und sind dort nachweisbar). Osteokalzin wird allerdings auch beim Abbau des Knochens wieder freigesetzt und gelangt (zu 70%) in den Kreislauf.

  Prokollagen-I-Propeptide ('Extensionspeptide') - karboxy - und aminoterminal, abgekürzt PICP und PINP - Bruchstücke aus Kollagen-Vorläufermolekülen, von Osteoblasten während ihrer ersten Reifungsstufe gebildet. Ihre Spezifität als Indikatoren der Knochenbildung ist umstritten.

Knochenabbau

Abbaumarker: Für die Abschätzung des Knochenabbaus können mehrere Indikatoren herangezogen werden (teils deren Konzentration im Blutplasma, teils die Ausscheidung mit dem Harn, s. Tabelle), von denen jedoch nur wenige ausreichend spezifisch sind, wie die Desoxypyridinoline. Es handelt sich um

  Hydroxyprolin (HYPRO), aus dem Knochenkollagen zu rund 13% besteht; es fällt beim Knochenabbau an und wird zu 90% abgebaut, zu 10% mit dem Harn ausgeschieden und ist dort nachweisbar. Verschiedene Gründe schränken die Spezifität als Resorptionsmarker stark ein.
   Hydroxyprolinausscheidung
mit dem Harn / 24 Stunden: 4,8-25 mg/h

  Pyridinolin-Querverbindungen: Zusammen mit Desoxy-Pyridinolinen ermöglichen sie die Stabilisierung reifen Kollagens und Elastins (posttranslationale Bearbeitung von Lysin und Hydroxylysin). Diese Querverbindungen fallen beim Knochenabbau an, und sie werden zu 60% an Plasmaeiweiß gebunden, zu 40% in der Niere filtriert und mit dem Harn ausgeschieden.
   Pyridinolin-Crosslinks
Relative Konzentration im Urin: m 33±16 nM/mM Kreatinin, f 44±19 nM/mM Kreatinin*

* Der Bezug auf die Kreatininkonzentration kompensiert den Effekt osmoregulatorischer Konzentrationsschwankungen - bei negativer Freiwasserclearance (Harnkonzentrierung) steigen, bei
positiver Freiwasserclearance (Wasserausscheidung) sinken die Konzentrationswerte im Harn gelöster (ausgeschiedener) Stoffe. Die Produktion von Kreatinin ist über die Zeit weitgehend konstant und hängt von der Muskelmasse des Organismus ab
  Telopeptide: Während der Resorption des Knochens erzeugen die Osteoklasten kleine C- und N-terminale Kollagen-Bruchstücke (CTX, carboxy-terminal collagen crosslinks; NTX, N-terminal collagen crosslinks), die rasch über den Kreislauf in renale Tubuli und Harn gelangen.
   C-Telopeptid
Relative Konzentration im Urin: m 207±128 µg/mM Kreatinin, f 220±128
µg/mM Kreatinin
  Hydroxylysinglykoside: Hydroxylysin ist eine kollagenspezifische modifizierte Aminosäure. Die Galaktosylform wird wahrscheinlich nicht wieder verwendet und kaum aus der Nahrung aufgenommen, so dass sich diese Glykoside als Resorptionsmarker eignen.

  Tartratresistente saure Phosphatase (TRAP, Tartrate-resistant acid phosphatase): Aus dem Knochen stammende saure Phosphatase - eine von 5 Isoformen (Knochen, Prostata, Plättchen, rote Blutkörperchen, Milz) - erhält ihre Aktivität auch nach Behandlung mit L(+)-Tartrat.

  Kalzium im Harn: Nachdem Kalzium zu 99,9% im Knochensystem gespeichert wird, kommt es bei Knochenabbau zu vermehrter Ausscheidung (etwa zur Hälfte mit Harn und Stuhl). Die im Gastrointestinaltrakt resorbierte Kalziummenge muss bei der Bilanz berücksichtigt werden.
   Kalziumausscheidung mit dem Harn / 24 Stunden: 100-400 mg/d (~2,5-10 mM/d)

© Helmut Hinghofer-Szalkay