Der Muskel ist ein endokrin aktives Organ
Körperliche Aktivität wirkt sich auf die Expression
zahlreicher Komponenten des Genoms aus; dies optimiert den Stoffwechsel
und schützt vor chronischen Erkrankungen. Beispielsweise
wird die Endothelfunktion durch regelmäßige Muskeltätigkeit erhalten /
verbessert und bremst den altersbedingten Verlust endothelabhängiger
Vasodilatation (damit auch die Tendenz zu arterieller Hypertonie).
Auch eine mit dem Alter oft zu beobachtende Steigerung des
Sympathikustonus kann durch körperliche Fitness hintangehalten werden
(Muskeltraining erhöht den parasympathischen Einfluss auf die
Herzaktivität, senkt den Ruhepuls und steigert die Herzfrequenzvariabilität).
Regelmäßige Belastung des Bewegungsapparates erweist sich insbesondere
in einer industrialisierten Welt (mangelnde Bewegung, ungesunde
Ernährung,
unphysiologische Herausforderungen, chronischer Stress) als
vorteilhaft.
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Je mobiler zu Fuß, desto größer der Gesundheitseffekt: So reduziert
sich die Mortalität bei einer regelmäßig wöchentlich zurückgelegten
Wegstrecke von 50 km um ~50%. Übrigens verbrennt man pro Kilometer zu
Fuß etwa 70 Kalorien zusätzlich (N Engl J Med 314: 605)
Körperliche Belastung hat zahlreiche metabolische und endokrine Auswirkungen, z.B. steigt die Glucoseutilisation (damit sinkt der Blutzuckerspiegel), nimmt die Sekretion von Wachstumshormon zu usw.
Ausreichende Muskelaktivität
führt zu einer umfassenden Veränderung im
System von Botenstoffen, was u.a. durch die Bildung entzündungshemmender (wie IL-10) und Hemmung entzündungsfördernder Zytokine (TNF-α) insgesamt gesundheitsfördernde
Wirkung hat.
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Die Muskulatur emittiert zahlreiche hormonartige Substanzen (Myokine).
Über Follistatin, Interleukine, Irisin, Myonectin, Myostatin, Visfatin s. Text
AMPK, AMP-aktivierte Proteinkinase, hemmt energieverbrauchende Enzyme und schützt die Muskelzelle vor ATP-Mangel
BDNF,
brain-derived neurotropic factor ist ein Wachstumsfaktor, der vor allem
im Gehirn, aber auch in der Peripherie (u.a. aktivierte Muskelzellen)
gebildet wird, den Muskelaufbau anregt und u.a. mit trkB interagiert.
Seine Bildung wird schon durch mäßige Muskelaktivität besonders stark
angeregt, der Blutspiegel steigt dabei akut an und sinkt danach
rasch wieder auf Ruhewerte ab
Calprotectin, ein S-100-Protein
CREB, cAMP response- element- binding protein, ein Transkriptionsfaktor
C-X-C R2, C-X-C -Rezeptor 2, ein Interleukinrezeptor (IL-8)
FGF21,
fibroblast growth factor 21, hemmt die Lipolyse-Aktivität und
schützt vor Lipotoxizität bei chronisch erhöhten zellulären
Fettsäurewerten
FNDC5, fibronectin type III domain- containing 5 protein (wird als Irisin sezerniert)
Fstl1, follistatin-like 1, ein extrazelluläres Glykoprotein auf Muskelzellen, das Endothelfunktion und Revaskularisierung anregt
IGF, insulin-like growth factor, ein Wachstumsfaktor, der auch (missbräuchlich) zum "Muskeldoping" eingesetzt wird
IL-1ra, IL-1-Rezeptor- Antagonist
IL, Interleukin
Insl6, Insulin-like 6 Wachstumsfaktor, aktiviert Myosatellitenzellen und fördert die Muskelregeneration
LIF, leukemia inhibitory factor, freigesetzt von intensiv arbeitenden Muskelzellen, fördert parakrin Wachstum und Satellitenzell-Proliferation
Musculin (auch Osteocrin) wird hauptsaächlich von Typ-II- (fast-twitch) Fasern gebildet, es hemmt die Glucoseaufnahme in Muskelzellen
NO, Stickstoffmonoxid, wirkt gefäßerweiternd und erhöht die Glucoseaufnahme in Muskelzellen
NOS, nitric oxide synthase, bildet NO
PGC-1α, Peroxisome proliferator-activated receptor-γ coactivator 1α, steuert Entwicklung und Energieutilisation in Muskelfasern
PI3K, Phosphatidylinositol 3-Kinase, beeinflusst u.a. Wachstum und Proliferation
SIRT1, Sirtuin 1, beteiligt sich an der Energie-Utilisation
SPARC, secreted protein acidic and rich in cysteine (=Osteonectin)
sTNF-R, soluble TNF receptors
trkB, tropomyosin receptor kinase
UCP1, uncoupling protein 1 (=Thermogenin)
VEGF, vascular endothelial growth factor
Myokine
sind Hormone, die von Muskelzellen
produziert werden; sie spielen in diesem Rahmen eine zentrale Rolle.
Zahlreiche Zytokine und andere Faktoren werden durch (intensive) Muskelaktivität vermehrt
gebildet:
Myostatin (GDF-8,
growth differentiation factor 8) war das erste Myokin, das entdeckt wurde; es wirkt bremsend auf das Muskelwachstum.
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Myostatin wird seinerseits durch das Glykoprotein
Follistatin
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(zuerst aus Follikelflüssigkeit isoliert) antagonisiert, d.h.
Follistatin fördert das Muskelwachastum. Hemmung der Myostatinwirkung
reduziert Adipositas
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, wirkt
gegen Muskelschwäche und regt die Umwandlung von weißem zu
braunem Fettgewebe
an.
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Auch
Irisin
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ist ein Zytokin, das von aktiven Muskelzellen in den Kreislauf
abgegeben wird. Irisin regt die Produktion brauner Adipozyten in
Fettdepots an
("browning").
Dadurch verlagert sich der Stoffwechsel von Energiespeicherung zu
Wärmeproduktion. (Körperliche Arbeit steigert den Irisinspiegel und
hilft bei der Bekämpfung von Adipositas.) Auch Herzmuskelzellen können
Irisin bilden; aktives Muskelgewebe sendet also endokrine Signale an das Fettgewebe.
Visfatin 
ist sowohl ein Adipo- als auch ein Myokin. Es hat
mehrere Effekte, wie Steigerung der
Insulinempfindlichkeit, Behebung
biochemischer Schäden (z.B. von Radikalen), Mitochondrienvermehrung; es
wirkt über den
Sirtuin-Mechanismus: Sirtuine sind Enzyme, welche u.a. die Differenzierung von Muskelzellen bremsen und den Stoffwechsel auf Fettverbrennung umschalten.
Myonectin
stammt ebenfalls aus Muskelzellen; es stimuliert die Aufnahme freier
Fettsäuren in Leber- und Muskelzellen ("Muskel- Leber- Fettgewebe-
Crosstalk").
Interleukin 3 aktiviert Reservezellen und kann
Muskelhypertrophie verursachen, IL-4 fördert die Reifung von Myotubuli und damit das
Muskelwachstum.
Interleukin 6 (IL-6) war
das erste Zytokin, von dem nachgewiesen wurde, dass es von sich
kontrahierenden Muskelfasern in die Blutbahn freigesetzt wird.
Muskelarbeit erhöht - belastungsproportional - den IL-6-Spiegel im
Blut. IL-6 hat
leptinähnliche
Wirkungen: Über Muskel- und Fettzellen erhöht es Glucoseaufnahme und
Fettoxidation. IL-6 regt Lipolyse, Mobilisierung von Glucose aus der
Leber, sowie Muskel- und Gefäßwachstum an. Vermutlich regt es bei
Muskelarbeit die Freisetzung von Glucose aus der Leber an, vielleicht
auch die Lipolyse im Fettgewebe.
Über IL-6 und die endokrine Achse Muskel - Knochen - Muskel s. dort
IL-7 steigert das Muskelwachstum,
IL-8 fördert die Kapillarisierung,
IL-13 erhöht Muskelwachstum und fördert die Heilung nach Muskeltraumen.
Interleukin 15
stammt ebenfalls aus aktiven Muskelfasern, es bremst den Fetteinbau und
wird mit der antiadipösen Wirkung körperlicher Arbeit in Zusammenhang
gebracht. IL-15 fördert Muskelaufbau und wirkt gegen Muskelschwund bei chronischen Erkrankungen und im Alter.
BDNF
wird vor allem
im Nervensystem, aber auch von aktivierten Muskelzellen
gebildet. Es fördert den Muskelaufbau; schon durch mäßige
Muskelaktivität stimuliert seine Freisetzung, der Blutspiegel steigt
deutlich an, sinkt nach Belastung auch
rasch wieder auf Ruhewerte ab.
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Resultat konsequenter Muskelaktivität ist eine verringerte Inzidenz von
Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Bluthochdruck, Schlaganfall, metabolischem Syndrom,
Typ-2-Diabetes,
Brustkrebs, Colonkarzinom, depressiver Verstimmung, Sturz- und
Knochenbruchhäufigkeit. Regelmäßige
Muskelbelastung verleiht höhere protektive Wirkung als z.B.
Supplementierung mit
mehrfach ungesättigten omega-3-Fettsäuren. Schon mäßige körperliche
Belastung
ergibt gesundheitsfördernde Effekte im kardiovaskulären
(Kreislauffitness), respiratorischen (Atemleistung), Skelett-
(Knochendichte) und Immunsystem (Abwehrkräfte). Die
(insulinunabhängige) Glucoseutilisation durch Muskelaktivität nimmt zu,
Diabetiker benötigen weniger Medikamente.
Zeitdimension: Faktoren wie Tageszeit (zirkadiane Rhythmen) und Wiederholungsfrequenz (Trainingsprogramm) beeinflussen die Effizienz gesundheitswirksamer Faktoren. Regelmäßige körperliche Belastung hat zahlreiche Auswirkungen: Stärkung des Herzmuskels, Reduktion der Ruhefrequenz;
Senkung des Cholesterinspiegels im Blutserum; verringerte Blutgerinnungstendenz;
Endorphinausschüttung im Gehirn; Gewichtsreduktion; Zunahme der
Muskelmasse, Funktionssteigerung des Bewegungsapparats; bessere
Stresskontrolle.
Ein Metabolisches Äquivalent (MET) entspricht dem Energieumsatz, den eine Person in Ruhe
aufweist (Ruheumsatz).
Als körperlich fit gilt, wer eine Belastung von
>8 MET toleriert. Die Mortalitätsrate nimmt zu, je stärker die maximale Belastbarkeit
der Muskulatur unter einen Pegel sinkt, der einem Sauerstoffverbrauch
von ~34 ml / Minute / kg Körpergewicht entspricht (also z.B. ~2,4 l/min
bei einem 70 kg schweren jungen Mann; Ruhewert ~0,3 l/min; 0,3 x 8 = 2,4). Ein geringerer Wert deutet auf
eine unzureichende Fitness der Muskulatur, mit damit verbundenen Risikofaktoren. Der Ruheumsatz sollte um den Faktor 8 steigerbar sein.