Der Energiehaushalt des Körpers wird zentral reguliert: Nervenzellen im Hypothalamus regulieren die Abstimmung von Nahrungsaufnahme, Energieabgabe und körpereigenen Energiereserven. Periphere Signale - aus
Sinnesorganen, Darm, Pankreas, Muskel- und Fettgewebe - informieren
über den Istzustand (Nahrung in Sicht? postprandial? postresorptiv?),
und appetitsteigernde / appetithemmende Zentren steuern die Peripherie
über neuronale (somatomotorische, autonome) sowie hormonelle
Komponenten. Diese beeinflussen Aufnahme,
Digestion, Absorption, Verteilung, Verwertung und Speicherung von Nährstoffen. Orexigene Faktoren / Substanzen regen die Nahrungsaufnahme an, anorexigene bewirken Sattheitsgefühl und hemmen die Nahrungsaufnahme. Die Wirkung des jeweiligen Faktors kann vorübergehend (episodisch) oder fortdauernd (tonisch) sein. Dadurch ergibt sich unterschiedliche zeitliche Dynamik der Hunger-Sattheits-Regulation. Die hypothalamischen Kerne steuern u.a. den nucleus tractus solitarii (dieser empfängt gleichzeitig Signale aus der Peripherie und meldet an hypothalamische und andere Kerne zurück) und den dorsalen motorischen Vaguskern, der wiederum die Darmtätigkeit fördert. Über stoffwechselwirksame Hormonsysteme (z.B. ACTH, hGH, TSH) mischt sich der Hypothalamus in das metabolische Geschehen ein. Über das vegetative Nervensystem wirkt er direkt auf Verdauung, Kreislauf, Stoffwechsel, Substratverwertung und Wärmeregulation. All dies ist eng mit Funktionen des limbischen Systems verknüpft: Dadurch steht die Motivationslage und emotionale Situation des Menschen unter dem Einfluss der Steuerung von Aufnahme, Verwertung und Speicherung der Nahrung (Belohnungseffekt des Essens). |
Hormone, die das Essverhalten regulieren Nach Ritter / Flower / Henderson / Loke / MacEwan / Rang, Rang & Dale's Pharmacology, 9th ed. Elsevier 2020 |
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Hormone |
Quelle |
Freigesetzt |
Ziel |
Wirkung |
CCK |
GI-Trakt |
vor / während Mahlzeit |
vagale Afferenzen |
beschränkt Nahrungs- aufnahme |
Amylin, Insulin, Glucagon |
Pankreas |
vor / während Mahlzeit | vagale Afferenzen | beschränkt Nahrungs- aufnahme |
PYY3-36 |
Ileum, Colon |
postprandial |
Hirnstamm, Hypothalamus |
verzögert nächste Nahrungs- aufnahme |
GLP-1 |
Magen |
postprandial | Hirnstamm, Hypothalamus | verzögert nächste Nahrungs- aufnahme |
Oxynto- modulin |
Magen |
postprandial | Hirnstamm, Hypothalamus | verzögert nächste Nahrungs- aufnahme |
Leptin |
Fettgewebe |
entsprechend Fettspeichern |
Hirnstamm, nucl. arcuatus |
Langzeit- redulierung der Nahrungs- aufnahme |
Ghrelin |
Magen |
bei Hunger |
N. vagus, Hypothalamus |
steigert Portion und Zahl der Mahlzeiten |
Nesfatin-1 |
Hypothalamus, Pankreas, Fettgewebe, GI-Trakt |
Nahrungs- aufnahme |
orexigene NPY-Neurone |
reduziert den Appetit |
Für die Regulation der Nahrungsaufnahme bedeutsame Transmitter / endokrine Signale | |||
episodisch |
tonisch |
sonstige |
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orexigen |
Ghrelin, Orexin |
Progesteron |
NPY, AgRP, Galanin, ß-Endorphin, Endocannabinoide u.a. |
anorexigen |
CCK, PYY, Amylin, GLP-1, Pankreatisches Polypeptid u.a. |
Leptin, Östrogene |
CART, Melanocortine (POMC), Serotonin, Noradrenalin, Dopamin |
Leptin fördert die hypothalamische Freisetzung von α-MSH und hemmt diejenige von NPY |
Hormon / Zytokin |
Herkunft |
subkutan (SC) / intra- abdominell (IA) |
Reiz für Freisetzung |
primäres Ziel |
Wirkungen |
Leptin |
Adipozyten |
SC > IA |
erhöhte Fettmasse |
Hypothalamus ↓NPY, AgRP ↑POMC |
Appetit↓ Energieumsatz↑ Insulin- empfindlichkeit↑ Ghrelin↓ |
Adiponektin |
Adipozyten |
SC > IA | Gewichtsverlust |
Muskel Leber Blutgefäße Herz Makrophagen |
Oxidation freier Fettsäuren↑ entzündungs- hemmend, antioxidativ Insulin- empfindlichkeit↑ kardiovaskuläre Fitness↑ |
Tumornekrose- faktor |
weißes Fettgewebe Makrophagen |
IA > SC |
Vergrößerung der Adipozyten (Fettansammlung) |
Leber Muskel Adipozyten weitere Organe |
Fettmasse↓ entzündungs- fördernd Insulin- empfindlichkeit↓ |
Interleukin 6 |
weißes Fettgewebe Makrophagen |
IA > SC | andere entzündungs- fördernde Zytokine |
Leber Muskel Adipozyten weitere Organe |
Insulin- empfindlichkeit↓ Akutphasen- proteine↑ entzündungs- fördernd |
Ghrelin |
Magen (P/D1-Zellen) Inselzellen (ε) Hypothalamus |
- |
leerer Magen |
Hypothalamus Hypophyse vagale Afferenzen |
Appetit↑ Wachstums- hormon↑ Insulin- empfindlichkeit↓ Metabolismus↓ Leptinfreisetzung↓ |
Insulin |
Pankreas (ß-Zellen) |
- |
Blutzucker- spiegel↑ Arginin. Leuzin, Fettsäuren↑ GIP, GLP1 |
Hypothalamus |
Appetit↓ Energieumsatz↑ |
CCK |
Duodenum (I-Zellen) |
- |
Peptide, Aminosäuren↑ Fette, Fettsäuren↑ |
vagale Afferenzen |
Appetit↓ Magenentleerung↓ |
Fettgewebe bildet Adipokine, die trophisch wirken: Leptin,
Resistin, Adiponektin, Visfatin; auch Zytokine.
Endokrine Sättigungssignale vermitteln CCK, Peptid YY und
Endocannabinoide; Ghrelin regt die Nahrungsaufnahme an, Nahrungsaufnahme unterdrückt die Ghrelinausschüttung. Insulinanregend wirken GLP-1 und GIP (mit Gastrin und Sekretin); Adiponektin
fördert die Insulinsensitivität. Das Gehirn überprüft die Verfügbarkeit von Nährstoffen und reagiert auf hormonelle Signale aus der Peripherie Der laterale Hypothalamus regt die Nahrungsaufnahme an ("Hungerzentrum": Läsionen führen zu Appetitverlust und Anorexie), der ventromediale drosselt die Nahrungsaufnahme ("Sattheitszentrum": Läsionen führen zu Gewichtszunahme). α-MSH / CART-Neurone hemmen das Hungerzentrum, regen sympathische Neurone und den Stoffwechsel an, was längerfristig gewichtsreduzierend bis anorektisch wirkt. NPY / AgRP-Neurone regen das Hungerzentrum und den Parasympathikus an, senken den Energieverbrauch, fördern den Appetit und wirken längerfristig gewichtssteigernd Der Nucleus accumbens im basalen Vorderhirn "belohnt" Nahrungsaufnahme. Er hat dopaminerge und opioiderge Neurone und beeinflusst Energiestatus, -homöostase, Motivation und Essverhalten. Beteiligt an Belohnungseffekten der Nahrungsaufnahme sind weite Teile des limbischen Systems (insbesondere die Amygdala), die mit dem Frontalhirn reziprok verknüpft sind. Der nucleus arcuatus hat sowohl α-MSH- und CART- als auch NPY- und AgRP-Neurone. Signale aus Hunger- und Sattheitszentrum gelangen zum nucleus paraventricularis und weiter zum nucleus tractus solitarii; dieser erhält Afferenzen aus dem Verdauungssystem und hat parasympathische Efferenzen Endokrine Signale, die Appetit und Nahrungsaufnahmeverhalten beeinflussen, wirken orexigen (appetitanregend) oder anorexigen (appetitzügelnd). Kurzfristig wirken die Plasmaspiegel von Substraten (Glucose, Fettsäuren) und Hormone (CCK), langfristig Signale, die dem Bestand an Speicherfett entsprechen (Leptin). Das Melanin concentrating hormone (MCH) aus dem lateralen Hypothalamus wirkt appetitanregend (MCH-Rezeptoren im limbischen System). AgRP / NPY-Neuronen werden durch Ghrelin angeregt, durch Leptin, Insulin, Cholezystokinin gehemmt. Orexin (Hypocretin) aus dem lateralen und posterioren Hypothalamus reguliert neben Appetit auch Wachheit und Aufmerksamkeit. - Anorexigene Faktoren unterstützen das Sättigungsgefühl. POMC / CART-Nervenzellen im nucl. arcuatus werden durch Leptin, Insulin, CCK angeregt Episodische Faktoren beeinflussen die Nahrungsaufnahme kurzfristig. Appetithemmend sind CCK (Blutspiegel steigt innerhalb einer halben Stunde nach Beginn der Nahrungsaufnahme und bleibt für ~3 Stunden erhöht), GLP-1 (angeregt durch Kohlenhydrate), PYY (angeregt durch Fette, Fasern, Gallensäuren), Amylin, Insulin, Ghrelin (Spiegel steigt bei Hunger an, meist 1-2 Stunden vor der nächsten Mahlzeit, sinkt postprandial rasch auf Minimalwerte ab) Tonische Faktoren wirken längerfristig und korrelieren mit gespeicherter Energie. Glucocorticoide, Insulin, Östrogene regen die Freisetzung von Leptin an, der Blutspiegel korreliert mit der Menge des Fettgewebes im Körper. Leptin hemmt orexigene Zellen (NPY / AgRP) im Hypothalamus, führt zur Freisetzung von α-MSH und CART, und hemmt diejenige von NPY |