Die mittlere Hirnschlagader (a. cerebri media)
ist die größte Hirnarterie und versorgt die seitlichen Gehirnregionen
(Frontal-, Parietal-, Temporallappen, Thalamus, Basalganglien, Insel,
capsula interna). Perfusionsstörungen äußern sich in motorischen
(Lähmung) und sensorischen (Neglect, Gesichtsfeldstörungen) Ausfällen,
Sprachstörungen und Apraxien.
Die vordere Hirnschlagader (a. cerebri anterior)
versorgt (meist - individuell verschieden) Basalganglien, vorderen
Hypothalamus und mediale Teile des Frontal- und Parietallappens.
Ausfälle äußern sich vor allem in motorischen Defiziten.
Die hintere Hirnschlagader (a. cerebri posterior)
versorgt den Okzipitallappen und Hippokampus sowie posteriore Teile des
Thalamus und Hypothalamus. Perfusionsstörungen äußern sich vor allem
als "Rindenblindheit"
Man
sagt, das Gehirn ist glucoseabhängig; ein Absinken des
Blutzuckerspiegels (und der Sauerstoffversorgung, d.h. der
Durchblutung) ist für das Gehirn, das ja sehr stoffwechselintensiv ist
und keine Glykogenreserven anlegt, eine akute Bedrohung.
Sauerstoffbedarf (graue Substanz: ~7 ml O2/min/100g) und Durchblutung (graue Substanz: ~100 ml/min/100g, gesamtes Gehirn ~55 ml/min/100g) des Gehirns sind hoch - auf relativer
Basis vergleichbar dem Herzmuskel bei körperlicher Ruhe. Das erklärt auch das Aufwärmen des Blutes in der Jugularvene um ~0,3°C
durch das Gehirn. Die Durchblutung einzelner Gehirnregionen passt sich
sehr rasch dem jeweils aktuellen Bedarf an, was mittels Neuroimaging-Methoden nachweisbar ist.
Geringe Hypoxietoleranz. Wie
lange kann das Gehirn eine Unterbrechung der arteriellen Sauerstoff-
und Glucosezufuhr tolerieren? Bereits Sekunden nach einem totalen
Zufuhrblock (z.B. bei einem Hirninfarkt: Ischämie ) beginnt sich das Bewusstsein einzutrüben (Mangeldurchblutung in der Netzhaut führt zu "Röhrensehen" und Black-out - z.B. bei orthostatischer Synkope),
und nach einer Minute ist der Sauerstoff in der grauen Substanz
vollständig verbraucht. Bei Bestehen der Blutleere für ~5 Minuten ist
(bei normaler Körpertemperatur) mit dem
Auftreten irreversibler Gewebeschäden zu rechnen, obwohl zu diesem
Zeitpunkt im Gehirngewebe noch etwas Glucose verfügbar ist.
Kühlt man das Gehirn ab (Hypothermie), erhöht sich die Toleranzzeit. Es
sind Fälle beobachtet worden, wo eine Reduktion der Hirntemperatur um
mehr als 20°C (z.B. durch massive Unterkühlung bei Unfällen in
winterlicher Umgebung) trotz längeren Kreislaufstillstands eine
zerebrale Überlebenszeit von mehr als einer Stunde ermöglicht hat.
Chirurgisch und intensivmedizinisch ergibt sich die Möglichkeit, durch
Abkühlung längere Ischämiephasen (Durchblutungsstop) zu erzielen, ohne
dass das Gehirn Schaden nimmt.
Insbesondere bei physiologischer Körpertemperatur ist die Versorgung
mit ausreichend Sauerstoff (z.B. 2-4 Liter O2/min
über Nasensonde, gegebenenfalls Beatmung und möglichst rasche
Wiederherstellung der arteriellen Durchblutung) von akut kritischer
Bedeutung.
Durchblutung
Die
zerebrale Perfusion beträgt global ~55 ml/100g/min (insgesamt ~750 ml/min oder ~15% des Ruhe-Herzzeitvolumens) und ist ziemlich konstant (zerebrale Autoregulation, Abbildung). Die Kapillardichte der grauen Substanz ist mit ~3000-4000 pro mm2
sehr hoch (ähnlich wie im Herzmuskel), dadurch sind die
Diffusionsstrecken im Gewebe mit <10 µm gering. Die sehr dichte
Ausstattung mit tight junctions verleiht den Gehirnkreislauf die Eigenschaft einer extrem gut ausgebildeten Diffusionsschranke. Auch die Sauerstoffextraktion der grauen Substanz ist mit ~35% höher als der Körperdurchschnitt in Ruhe (~25%).
Abbildung: Autoregulation der Gehirndurchblutung
Nach einer Vorlage in Heistad
DD, Kontos HA, in Geiger SR, Shepherd JT, Addoud FM, eds: The
Cardiovascular System, Vol. 3, Peripheral Circulation and Organ Blood
Flow. Bethesda, MD: American Physiological Society 1983
Zerebrale Perfusion als Funktion des arteriellen Mittleldruckes. Rote Kurve: Autoregulation unter Normokapnie (Stern: Referenzblutdruck). Die Gefäße kontrahieren mit steigendem
Blutdruck (Bayliss-Effekt),
der
Strömungswiderstand nimmt mit dem Druck zu, die Durchblutung bleibt
weitgehend konstant (6% Perfusionsänderung pro 10 mmHg Druckänderung).
Außerhalb des Autoregulationsbereiches (~50-150 mmHg) verhalten
sich die Gefäße druckpassiv. Bei starker Hypotonie (links) ist die
zerebrale Durchblutung so gering, dass Verwirrtheit und
Bewusstseinsverlust auftreten.
Lokale sympathische Reizung beeinflusst die Kurve nur im hypertonen Bereich (blaue Kurve): Der Autoregulationsbereich wird zu höheren Druckwerten hin gedehnt.
Erhöhter pCO2 (Hyperkapnie) führt
zu Vasodilatation und druckpassivem Verhalten mit hoher Durchblutung,
Hypokapnie hingegen bewirkt Vasokonstriktion und senkt die
Durchblutung, was zu Schwindelgefühl und Synkope führen kann (grüne Kurven).
Die Autoregulationskurve ist bei Neugeborenen linksverschoben (zu niedrigeren Druckwerten), bei Anpassung an chronischen Bluthochdruck nach rechts (zu höheren Druckwerten)
Durch
Autoregulation hält das Gehirn seine Perfusion im Bereich zwischen etwa
50 und 150 mmHg ziemlich konstant (sie steigt pro 10 mmHg Druckerhöhung
nur um ca. 6%). Im Bereich eines physiologischen arteriellen pCO2 (35-45 mmHg) stellt die Autoregulation eine Durchblutung von etwa 60 ml/min/100g sicher ( Abbildung).
Anders bei CO2-Abweichungen: Bei ausgeprägter Hyperkapnie
(infolge verminderten Atemgasaustausches) erschlaffen die Gefäße und
verhalten sich weitgehend druckpassiv, d.h. mit steigendem Druck werden
sie zusehends geweitet, die zerebrale Perfusion nimmt immer weiter zu.
Bei Hyperventilation andererseits bewirkt die daraus resultierende Hypokapnie Vasokonstriktion und Minderdurchblutung des Gehirns ( Abbildung).
Erhöhter lokaler Sympathikuseinfluss schließlich verlängert (ausgehend
von der normalen Autoregulationskurve) den Bereich stabilisierter
Perfusion zu höheren Blutdruckwerten hin.
Über zerebrale Perfusion s. auch dort
Graue Substanz wird stärker durchblutet (~100
ml/100 g/min) als weiße
(~25 ml/100 g/min), da der Stoffwechselaufwand der Nervenzell-Somata
(wie für Proteinsynthese, Vorgänge im Zellkern, Transportfunktionen) im
Vergleich zu dem von Nervenfaserfortsätzen (wie Erhaltung des
Membranpotentials) höher ist.
Abbildung: Durchblutungsregulation in der Hirnrinde
Nach Iadecola C, Neurovascular regulation in the normal brain and in Alzheimer's disease. Nature Rev Neurosci 2004; 5: 347-60
Erhöhte Aktivität thalamischer Afferenzen bewirkt kortikale
Vasodilatation. Diese wird von der angeregten Stelle an größere
Widerstandsgefäße propagiert (strichlierter Pfeil). Interneurone
beteiligen sich wahrscheinlich an der Fokussierung der Mehrdurchblutung
auf aktive Rindengebiete
Die Regulation der Hirndurchblutung beruht vorwiegend auf metabolischen Faktoren. Veränderte neuronale Aktivität
führt zu lokaler
Änderung der Durchblutung. Der Mechanismus beruht auf mehreren Faktoren:
Adenosin: Steigt die Aktivität einer Hirnregion, wird hier vermeht Adenosin gebildet, das über Adenosintransporter
aus den Zellen in das Interstitium gelangt. An glatten Muskelzellen der
umliegenden Blutgefäße bindet es an G-Protein-gekoppelte Adenosinrezeptoren. Dadurch steigt in den Gefäßmuskelzellen cAMP, es erfolgt Vasodilatation.
Kalium- und Wasserstoffionen: Auch diese werden von aktivem Hirnareal vermehrt in das zerebrale Interstitium freigesetzt; erhöhtes [K+] bewirkt direkt, pH-Abfall über verminderte Aktivität spannungsgesteuerter Calciumkanäle indirekt Dilatation der Gefäße und damit Durchblutungssteigerung.
Steigender pCO2
(Normwert in arteriellem Blut: 40 mmHg) führt - über Wasserstoffionen: CO2 + H2O <-> H2CO3 <-> H+ + HCO3- - zu Gefäßerweiterung und
damit Perfusionssteigerung im entsprechenden Gebiet. Hypokapnie bewirkt
umgekehrt zerebrale Vasokonstriktion und Durchblutungsabfall
(systemisch: forcierte Hyperventilation kann zu Bewusstlosigkeit führen).
Stickstoffmonoxid (NO) wird in Abhängigkeit von der Aktivität von Neuronen ebenfalls freigesetzt und wirkt vasodilatatorisch.
Myogene Komponenten stabilisieren die zerebrale Perfusion in einem Blutdruckbereich zwischen ~50 und ~150 mmHg (Autoregulation, Abbildung oben) und beruhen auf dem Bayliss-Effekt.
Neurogene Komponenten sind nur schwach ausgeprägt und tragen kaum zur Regulation der Hirndurchblutung bei.
Was geschieht bei Unterdurchblutung des Gehirns?
Bei <50 ml/100g/min werden die Hirnzellen azidotisch
Bei <40 ml/100g/min leidet die Proteinsynthese
Bei <30 ml/100g/min kommt es zu Zellschwellung (zelluläres Ödem)
Bei <20 ml/100g/min kommt es zu einem Funktionsverlust der Ionenpumpen (Zusammenbruch des Membranpotentials)
Zerebraler Energieverbrauch
Das
Gehirn hat etwa den gleichen Sauerstoffbedarf wie die
Leber (jeweils als ganzes Organ genommen). Es schöpft
etwa 1/3 des ihm mit dem arteriellen Blut angebotenen Sauerstoffs aus, der
Rest wird mit dem venösen Blut wieder abtransportiert, das also eine O2-Sättigung des Hämoglobins von etwa 65% aufweist, entsprechend einem pO2 von ~35 mmHg (arterio-venöse
Sauerstoffdifferenz 6-7 ml/100 ml Blut).
Das Gehirn beteiligt sich zu mindestens 20% am Ruhe-Energieumsatz des Körpers
|
Der Sauerstoff dient der Produktion von ATP - in der (mitochondrialen)
Atmungskette werden Elektronen aufgenommen, die im
Zellstoffwechsel entstanden sind, und über mehrere Redox-Stufen
schließlich auf Sauerstoff übertragen, der dadurch zu Wasser reduzíert
wird. Bei Sauerstoffmangel ist diese Übertragung behindert, die
Zellen erleiden Energiedefizit und funktionelle Einbußen.
Der
spezifische Sauerstoffverbrauch
des Gehirns beträgt im Schnitt ~4 ml/100 g/min. Durchblutungswerte
unter 1
ml/100 g/min können schon in kurzer Zeit (~10 Minuten) irreversible
Zellschäden
verursachen. Allerdings kann auch eine länger dauernde
durchblutungsleere Phase ohne bleibende Folgen für die zerebrale
Intaktheit bleiben, soferne der Kreislauf ausreichend rasch wieder
restituiert und die Gewebetemperatur niedrig gehalten wird.
Graue
Substanz (stark aktives Gewebe) verbraucht mehr (~10 ml/100g/min), weiße (schwach aktives Gewebe) weniger (~1 ml/100g/min) Sauerstoff.
Insgesamt ergibt sich (~1300 g Gehirngewicht) ein durchschnittlicher O2-Verbrauch von 50-60
ml/min (~20% des Sauerstoffverbrauchs des ganzen Körpers in Ruhe - dieser beträgt beim Erwachsenen ~250-300 ml O2/min).
Beispiel: Gehirndurchblutung 800 ml/min, arterio-venöse Sauerstoffdifferenz (AVDO2) 6 ml O2/100 ml Blut; der Sauerstoffverbrauch errechnet sich als 6 (AVDO2) mal 8 (8 mal 100 ml) = 48 ml/min.
Substratnutzung, "Selfish-brain"-Theorie
Das
Gehirn besteht aus unterschiedlichen Strukturen mit spezifischen
Stoffwechselansprüchen. Generell ist es stark durchblutet und empfängt
ein dementsprechend hohes Substratangebot; dieses dient vor allem der
Erhaltung der elektrophysiologischen Funktionen (Aufbau von
Membranpotentialen). Der wichtigste "Kraftstoff" für das Gehirn ist Glucose (Neuronen nehmen diese über GLUT3 auf), die fast vollständig zu CO2 abgebaut wird; in Ausnahmefällen (Hungerzustand) nutzt es Ketonkörper. Das Gehirn benötigt für seinen Energiestoffwechsel im Wachzustand 5-6 Gramm Glucose pro Stunde, in 24 Stunden mindestens 100 Gramm (die Leber kann ~150 g Zucker speichern).
Gliazellen (ihre Zahl ist ~9-mal höher als die von Nervenzellen im Gehirn) nehmen ebenfalls Glucose auf (via GLUT1); Astrozyten bauen diese glykolytisch zu Laktat ab und reichen es an Neuronen weiter, die es dann vollständig metabolisieren (astrocyte-neurone lactate shuttle).
Fettsäuren
(eine ergiebigere Energiequelle) können vom ZNS
nicht genutzt werden, da die Blut-Hirn-Schranke deren Austritt aus den
Kapillaren nicht zulässt. Allerdings spielen Lipide eine tragende Rolle
für das Gehirn (Bausubstanz für Zellmembranen), und das Nervengewebe
hat einen hohen Bedarf an ungesättigten Fettsäuren; wie deren Aufnahme
(über die Blut-Hirn-Schranke) erfolgt, ist unklar.
Das "egoistische" Gehirn: Mit
etwa 2% der Körpermasse verbraucht das Gehirn des Menschen ~20% der Energie, die der Körper
(bei körperlicher Ruhe) umsetzt. Dazu konsumiert es mehr als 60% der Glucose (~130 g/d), die im Kreislauf zirkuliert.
Abbildung: Informations- und Transportketten
Nach Peters A, Kubera B, Hubold C, Langemann D. The selfish brain: stress and eating behavior. Front Neurosci 2011; 5
Der retrograde Informationsfluss vom Verbraucher zum Versorger (z.B. von Gehirn zum Körper) wird als pull (gelbe Pfeilanteile), der Nachschub vom Versorger zum Verbraucher (z.B. Substratfluss von Körper zu Gehirn) als push bezeichnet (blaue Pfeilanteile).
Das Gehirn stellt seine Versorgung mit Energie sicher: Es ruft aus dem Körper die für den zerebralen Energiestoffwechsel benötigten Ressourcen mittels Steuersignalen ab (brain pull), der Körper seinerseits versorgt sich aus seiner Umgebung mit entsprechenden Substraten (body pull). Ähnliches
gilt für die links angedeuteten Versorgerkomponenten. Die Kreise
skizzieren die betreffenden Substratspeicher, die roten Flächen deuten
den jeweiligen Speicherstand an (dieser schwankt um den physiologischen
Optimalwert)
Die "Selfish-Brain-Theorie"
geht von einer zerebralen Sonderposition bei der Glucoseverwertung aus:
In Konfliktsituationen (bei begrenzten Ressourcen) erzwingt das Gehirn
seine - ungeschmälerte - Glucoseversorgung, auch wenn andere Gewebe
dabei Energiemangel erleiden und es zu katabolen Vorgängen kommt
(Abnahme der Organmasse, z.B. in Fett- und Muskelgewebe bei
Nahrungsmangel oder chronischem Stress - das Gehirnvolumen bleibt
praktisch unverändert). Der Vorteil ist kontinuierliche zerebrale
Funktion, auch wenn diese auf Kosten der Reserven in anderen Teilen des Organismus
bewerkstelligt wird.
Tatsächlich verhindert Hypoglycämie die Sekretion von Insulin, und Zielgewebe des Insulins (Adipozyten, Myozyten) lagern
weniger GLUT4 in ihre Membranen ein. Dadurch wird hier weniger Glucose
utilisiert, und es bleibt mehr für das Gehirn übrig (dessen
GLUT3-Transporter insulinunabhängig sind).
Abbildung: Physiologische Mechanismen der zerebralen Substratversorgung
Modifiziert nach A. Peters
Die
zentrale Verfügbarkeit von Energie (ATP) beeinflusst die
limbisch-hypothalamisch-hypophysäre Achse: Sie kann über den
Sympathikus und über ACTH den Energienachschub aus der Peripherie
sicherstellen.
GLUT1 garantiert die insulin-unabhängige Versorgung mit Glucose,
gehemmte Insulinausschüttung minimiert die periphere Glucoseaufnahme
über GLUT4
Anregung der sympathischen Funktionsachse spielt eine Rolle: Katecholamine hemmen α-adrenerg die Insulinausschüttung
( Abbildung) und fördern gleichzeitig ß-adrenerg die Glykolyse u.a.
in der Muskulatur.
Dadurch wird der Blutzuckerspiegel stabilisiert
(weniger Insulin bedeutet geringeren Glucoseeinbau in der Peripherie),
und das Gehirn kann mittels des GLUT 1-Mechanismus weiter Glucose verbrauchen, während die insulinabhängigen (GLUT 4) peripheren Gewebe darben müssen.
Weiters kann das Gehirn über die CRH - ACTH - Cortisol
- Achse Glucose mobilisieren. Auch Laktat (der Laktatspiegel steigt bei
psychosozialem Stress deutlich an, das Gehirn kann Laktat über einen Monocarboxylattransporter aufnehmen) und Ketonkörper
werden zur Stabilisierung seiner Energieversorgung herangezogen (der
Sympathikus veranlasst im viszeralen Fettgewebe die Abgabe freier
Fettsäuren, die Leber verwandelt diese in Ketonkörper).
Der Sympathikus sorgt im Bedarfsfall (noradrenerg)
für vermindertes Einschleusen des Laktats in die Mitochondrien der
Muskelzellen sowie die Mobilisierung von Fettsäuren aus Adipozyten.
Man sagt in Anlehnung an den Jargon der Logistik, dass das Gehirn einen "brain pull"
auf den Körper ausübt, während es vom Körper mit Energieträgern
versorgt wird ( Abbildung oben). Der Körper bezieht wiederum Ressourcen
aus seiner Umgebung und bewirkt einen "body pull".
Herausforderungen für den Gehirnstoffwechsel: Orthostase, Hungerzustand, Hypokapnie
Präsynkope: Bei einem Absinken
der Hirndurchblutung auf unter die
Hälfte des Normwertes
beginnen Symptome des Unwohlseins, Schweißausbruch, Übelkeit,
Hautblässe, schließlich Bewusstlosigkeit. Eine Präsynkope geht einer Synkope
(plötzliche Bewusstlosigkeit) unmittelbar voraus und ist ein akutes
Zeichen - Bewusstseisverlust und dadurch bedingter Kollaps können
in Sekundenschnelle eintreten.
Eine Synkope kann durch eine primär eingeengte Hirndurchblutung bewirkt
sein (zerebrovaskulär), durch plötzliches Überwiegen der
parasympathischen Aktivität (vasovagal) - wobei oft eine orthostatische
Überforderung Ursache ist, aber auch ein Schockerlebnis
Auslöser dieser "Umschaltung" sein kann.
Sie kann auch durch starken
Blutverlust (hypovolämisch) oder Funktionsversagen des Herzens (kardiogen, z.B. bei Infarkt ) bedingt sein.
Bei einem kalorischen Äquivalent von 20 kJ/l O2 ergibt ein O2-Verbrauch von 60
ml/min einen Energiebedarf von ~1,2 kJ/min. Dem entspricht ein Glucosebedarf von ~70 mg/min (physiologischer Brennwert 17 kJ/g Glucose) oder 100-120 g/d. Das Gehirn beansprucht damit 25-30% des Ganzkörper-Glucoseverbrauchs (bei körperlicher Ruhe).
Bei Neugeborenen beträgt der Anteil des zephalen Energieverbrauchs mehr als 60% des gesamten Ruheumsatzes.
Abbildung: Veränderte Glucoseaufnahme als Effekt von Muskelaktivierung durch Langlaufen
Nach Heinonen I, Kari K. Kalliokoski KK, Hannukainen JC, Duncker DJ,
Nuutila P, Knuuti J. Organ-Specific Physiological Responses to Acute
Physical Exercise and Long-Term Training in Humans. Physiology 2014;
29: 421-36
Die
- mittels Positronen-Emissionstomografie (PET) ermittelte - Erhöhung
der Glucoseaufnahme zeigt sich nicht nur in Skelett- und
Herzmuskulatur, sondern auch im Gehirn
Ein wichtiger Einfluss auf die zerebrale Energieversorgung stammt aus dem Faktor körperliche Belastung: Zwar nimmt die Gehirndurchblutung insgesamt infolge akuter physischer Belastung kaum zu, es kommt allerdings zu Umverteilung
in Gehirnregionen, die mit motorischer Steuerung und Koordination (z.B.
vestibulär) sowie der Transportsysteme befasst sind (Atmung,
Kreislauf).
Muskelaktivität - insbesondere leichte bis mittelschwere
Belastung - steigert die zerebrale Utilisation von Glucose ( Abbildung).
Über die Ausstattung von Nerven- und Gliazellen mit Glucosetransportern s. dort
Langzeiteffekte körperlichen Trainings auf das Gehirn schließen höheres
Gehirngewicht und gesteigerte Funktion ein - ein gesunder, körperlich
aktiver Lebensstil trägt wesentlich zur Beibehaltung guter zerebraler
Leistungsfähigkeit bei. Vermutlich sind Faktoren wie der brain-derived neurotrophic factor (BDNF) in die dahinterliegenden Mechanismen involviert.
Im Hungerzustand
stellt das Gehirn von fast ausschließlicher Glucoseabhängigkeit auf
Verwertung von Ketonkörpern
(Acetoacetat, ß-Hydroxybutyrat) um - die entsprechende
Verwertungskapazität steigt innerhalb weniger Tage des Hungerns bis zu ~20-fach an.
Ketonkörper entstehen in der Leber aus ß-oxidativem Fettsäureabbau. Es fällt vor allem ß-Hydroxybuttersäure
an, deren Konzentration im
Blut viel höher ist als die der Acetessigsäure. Die Ketonkörper werden
vom Nervengewebe über Acetyl-CoA wieder in den Zitratzyklus
eingeschleust (oxidative Energiegewinnung). Der zerebrale Glucoseverbrauch nimmt dabei von ~120 g/d um bis zu zwei Drittel (auf ~40
g/d) ab, d.h. das Gehirn kommt mit einem Drittel des sonst üblichen Glucoseangebotes aus.
In ähnlicher Weise ist der Säugling
in der Lage, Ketonkörper zu verwerten und damit den hohen Fettanteil
der Muttermilch optimal zu nutzen (Säuglinge können Blutglucose-Spiegel
bis herunter auf ~1,5 mM ohne neurologische Ausfälle tolerieren - Toleranzschwelle bei Erwachsenen <3,0 mM).
Einflüsse auf zerebrale Perfusion und Substratutilisation
Die zerebrale Perfusion wird hauptsächlich über
metabolische Faktoren geregelt (Autoregulation, Abbildung), der Sympathikus hat vergleichsweise geringeren
Einfluss.
Die zerebral-vaskuläre Autoregulation hält die
Gehirndurchblutung in einem arteriellen Blutdruckbereich zwischen
ungefähr 60 und 160 mm Hg weitgehend konstant.
Abbildung: Details neurovaskulärer Steuerung von Gefäßweite und Hirndurchblutung
Nach Dunn KM, Nelson MT. Neurovascular signaling in the
brain and the pathological consequences of hypertension. Am J Physiol
2014; 306: H1-14
Das Bild zeigt netzwerkspezifische Mechanismen der neurovaskulären Kopplung. Links sind neuronale Komponenten gezeigt, rechts vaskuläre (parenchymale Arteriolen). Viele
tausend Projektionen eines Astrozyten enden an "tripartiten" Synapsen
(präsynaptisch, postsynaptisch. astrozytär), wo sie synaptische
Aktivität mitverfolgen und beeinflussen.
A (oben) Vasodilatation und Durchblutungssteigerung im Frontalhirn über cholinerge (ACh = Acetylcholin) basal-kortikale Afferenzen durch Anregung des basalen Vorderhirns
B (unten) Aktivierung glutamaterger thalamokortikaler Afferenzen durch somatosensorische Stimulierung (Reizung des Parietalhirns)
Afferenzen (links):
Oben, cholinerg durch das basale Vorderhirn (ACh = Acetylcholin) in der Frontalhirnrinde (A) Unten, glutamaterg in der Parietalhirnrinde (Glu = Glutamat) über thalamamokortikale Afferenzen (B)
Eine Vielzahl zwischengeschalteter Zellen vermittelt
Vasodilatation und Durchblutungssteigerung (NO, GABA, VIP, Epoxyeikosatetraensäure) oder lokale Vasokonstriktion
(SOM)
Nervengewebe (links):
Von oben: Blau, Somatostatin (SOM)-Interneuron Grün, Astrozyt Rotbraun, GABA-Interneuron Orange, NO-Synthase / NPY-Interneuron Gelb, VIP / Cholinacyltransferase-Interneuron
AMPA, α-Amino-Hydroxy-5-Methyl-4-Isoxazolpropionsäure BK, Ca++-aktivierter Kaliumkanal COX, Cyclooxygenase EET, Epoxyeikosatetraensäure EP, PGE2 -Rezeptor Kir, inward rectifier Kaliumkanal muskarinischer Ach-Rezeptor metabotroper Glutamat (Glu)-Rezeptor nikotinischer ACh receptor NMDA, N-Methyl-d-Aspartat NO, Stickstoffmonoxid NPY, Neuropeptid Y P2YR, P2Y-Rezeptor SOM, Somatostatin VIP, vasoactive intestinal peptide
Glatte Muskelzelle s. auch dort Endothelzelle s. auch dort
Regulation der Hirndurchblutung: Starken Einfluss auf die zerebrale Gefäßweite hat der CO2-Partialdruck im durchströmenden Blut:
Dies erklärt sich über die Verknüpfung von Kohlendioxid (das die Blut-Hirn-Schranke passieren kann) und Wasserstoffionenkonzentration. Ist der Bedarf an Sauerstoff größer ist als das
Angebot, muss Energie anoxidativ gewonnen werden. Die dabei entstehenden Wasserstoffionen (pH sinkt) erweitern die Gefäße über Bremsung spannungsgesteuerter Ca++-Kanäle
(pH-Senkung → geringere intrazelluläre Calciumkonzentration → Vasodilatation → Perfusionssteigerung).
Hyperventilation senkt umgekehrt die H+-Ionenkonzentration (pH steigt) durch Abatmung von Kohlensäure und Hypokapnie, führt zu zerebraler Vasokonstriktion und kann daher zu Schwindelgefühl bis hin zu
Bewusstlosigkeit führen (wenn die Gehirndurchblutung um >50%
reduziert ist).
Sauerstoffmangel (Hypoxie)
hat (wie Hyperkapnie) einen vasodilatierenden (und damit
durchblutungssteigernden) Effekt. Umgekehrt wirkt sich ein Anstieg des
Sauerstoffpartialdrucks (z.B. bei Atmung von reinem Sauerstoff) kaum
auf die zerebrale Durchblutung aus.
Weitere Mechanismen der Steuerung zerebraler Perfusion:
Vermehrte Aktionspotentialtätigkeit in aktiven Gehirnteilen bedingt
Kaliumfreisetzung in den Extrazellulärraum, was lokal Dilatation der Hirngefäße auslöst.
Auch
Adenosin, das bei erhöhtem Energieverbrauch von Nervenzellen freigesetzt wird, bewirkt Vasodilatation und Durchblutungssteigerung.
Ebenfalls produzieren aktivierte Nervenzellen
NO,
was die Gefäße weiter stellt (in der
Abbildung oben orange gezeigte
Nervenzellen mit
metabotropen Acetylcholin- sowie NMDA-Rezeptoren).
Der
Bayliss-Effekt stabilisiert die Gehirndurchblutung in einem Druckbereich zwischen ~50 und ~120 mmHg (
zerebrale Autoregulation
Abbildung
oben). Die Autoregulation ermöglicht die Stabilisierung des Blutflusses zum Gehirn bei wechselndem Blutdruck.
Mehr zur
Gehirndurchblutung s.
dort
Zur Messung der Hirndurchblutung werden verschiedene Methoden
verwendet. Nichtinvasive Möglichkeiten bestehen in transkraniellem
Doppler (Ausnützung des Doppler-Effekts), NIRS
(Nah-Infrarotspektroskopie) und MRI (Magnetresonanz-Angiographie).
Abnahme des pCO2
(Hypokapnie) - bedingt durch übertriebene Atmung (Hyperventilation),
wie sie z.B. bei Panikanfällen auftreten kann - führt zu Konstriktion
der zerebralen Gefäße und damit zu Minderdurchblutung des Gehirns bis
hin zur Bewußtlosigkeit (bei Reduktion der zerebralen Perfusion auf
unter ~50% des Normalwerts). Zumischung von CO2 zur Atemluft (z.B. Rückatmung ausgeatmeter Luft) mindert die Symptomatik.
Akute
Gefäßverschlüsse im Versorgungsbereich des Gehirns führen zu einem
ischämischen Schlaganfall (Hirninfarkt), was zu neurologischen
Ausfällen (Sprachstörungen, Bewußtseinsausfälle,
Sensibilitätsstörungen, Paresen ) und im schlimmsten Fall zum Tod führen
kann.
Hoher Druck in den Hirngefäßen führt zur Filtration von Flüssigkeit in das Gewebe (Hirnödem).
Dadurch steigt der intrakranielle Druck (wegen des Schädelknochens sehr
geringe Dehnbarkeit) und dies komprimiert die Hirngefäße, sodass es zu
sinkender Durchblutung und damit Sauerstoffmangel kommt, was die
Nervenzellen schädigt und über längere Zeit unbehandelt zum Tod führen
kann.
Das Gehirn (2% der Körpermasse) verbraucht 15% des Herzzeitvolumens (~0,75 l/min) und 20% des Energieumsatzes (5-6 g Glucose / h); es hat geringe Hypoxietoleranz, die relative Durchblutung beträgt global ~50 ml/100g/min (graue Substanz ~100, weiße ~25 ml/100 g/min). Die a. cerebri media
(größte Hirnarterie) versorgt die seitlichen Gehirnregionen,
Perfusionsstörungen können Lähmung, Neglect, Gesichtsfeldausfall,
Sprachstörungen und Apraxien bewirken. Die a. cerebri anterior
versorgt Basalganglien, vorderen Hypothalamus und mediale Teile des
Frontal- und Parietallappens, Ausfälle bewirken motorische Defizite.
Die a. cerebri posterior
versorgt Okzipitallappen, Hippokampus, posteriore Teile des Thalamus
und Hypothalamus, Ausfälle äußern sich u.a. als "Rindenblindheit". Das
Gehirn ist glucoseabhängig, über GLUT3 tritt Glucose aus dem Blut in das Hirngewebe über
Arterielle zerebrale Gefäße verhalten sich <50 mmHg druckpassiv; im Autoregulationsbereich (~50-150 mmHg) kontrahieren sie mit
steigendem Innendruck und stabilisieren die Durchblutung; über ~150 mmHg werden sie (maximal kontrahiert)
durch weiter steigenden Druck aufgedehnt. Die Regulation der
Hirndurchblutung erfolgt vorwiegend metabolisch, beruhend auf Adenosin, Kalium- und Wasserstoffionen, Stickstoffmonoxid (Vasodilatation bei erhöhter neuronaler Aktivität). Das Gehirn
schöpft 1/3 des arteriellen Sauerstoffs aus (arterio-venöse
Sauerstoffdifferenz 6-7 ml/100 ml). Der spezifische
Sauerstoffverbrauch des Gehirns beträgt im Schnitt ~4 ml/100 g/min
(graue Substanz / aktives Gewebe ~10, weiße Substanz ~1 ml/100g/min).
Für das gesamte Gehirn ergibt sich 50-60 ml/min (~20% des Ruhe-
Sauerstoffverbrauchs des Körpers).
Das Gehirn beansprucht 25-30% des Ganzkörper-Glucoseverbrauchs (körperliche Ruhe). Bei begrenzten
Ressourcen erzwingt es seine Glucoseversorgung ("selfish
brain"): Es kann mittels GLUT 1 weiter Glucose verbrauchen, während
insulinabhängige (GLUT 4) periphere Gewebe von der Glucoseversorgung
wegen niedriger Insulinwirkung abgeschnitten werden. Auch kann das
Gehirn über die CRH - ACTH - Cortisol - Achse Glucose mobilisieren;
Ketonkörper stabilisieren im Hungerzustand seine Energieversorgung
(sympathikusbedingte Abgabe freier Fettsäuren
in viszeralem Fettgewebe, Ketogenese in der Leber). Das Gehirn übt
einen "brain pull" auf den Körper aus, während es von diesem mit
Energieträgern versorgt wird; der Körper bezieht wiederum Ressourcen
aus seiner Umgebung und bewirkt einen "body pull"
Bei Absinken
der Hirndurchblutung auf unter die Hälfte des Normwertes beginnen
Symptome der Präsynkope. Diese geht einer Synkope (plötzliche
Bewusstlosigkeit) unmittelbar voraus und kann u.a. durch plötzliches
Überwiegen der parasympathischen Aktivität (vasovagal) bedingt sein.
Oft ist die Ursache orthostatische Überforderung, ein Schockerlebnis, oder auch starker Blutverlust, Funktionsversagen
des Herzens (z.B. Infarkt). Muskelaktivität steigert die zerebrale
Utilisation von Glucose; körperliches Training erhöht Masse und Leistungsfähigkeit des Gehirns (BDNF?)
|
Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen:
Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie
sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und
Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.