Die mittlere Hirnschlagader (a. cerebri media)
ist die größte Hirnarterie und versorgt die seitlichen Gehirnregionen
(Frontal-, Parietal-, Temporallappen, Thalamus, Basalganglien, Insel,
capsula interna). Perfusionsstörungen äußern sich in motorischen
(Lähmung) und sensorischen (Neglect, Gesichtsfeldstörungen) Ausfällen,
Sprachstörungen und Apraxien.
Die vordere Hirnschlagader (a. cerebri anterior)
versorgt (meist - individuell verschieden) Basalganglien, vorderen
Hypothalamus und mediale Teile des Frontal- und Parietallappens.
Ausfälle äußern sich vor allem in motorischen Defiziten.
Die hintere Hirnschlagader (a. cerebri posterior)
versorgt den Okzipitallappen und Hippokampus sowie posteriore Teile des
Thalamus und Hypothalamus. Perfusionsstörungen äußern sich vor allem
als "Rindenblindheit"
Man
sagt, das Gehirn ist glucoseabhängig; ein Absinken des
Blutzuckerspiegels (und der Sauerstoffversorgung, d.h. der
Durchblutung) ist für das Gehirn, das ja sehr stoffwechselintensiv ist
und keine Glykogenreserven anlegt, eine akute Bedrohung.
Sauerstoffbedarf (graue Substanz: ~7 ml O2/min/100g) und Durchblutung (graue Substanz: ~100 ml/min/100g, gesamtes Gehirn ~55 ml/min/100g) des Gehirns sind hoch - auf relativer
Basis vergleichbar dem Herzmuskel bei körperlicher Ruhe. Das erklärt auch das Aufwärmen des Blutes in der Jugularvene um ~0,3°C
durch das Gehirn. Die Durchblutung einzelner Gehirnregionen passt sich
sehr rasch dem jeweils aktuellen Bedarf an, was mittels Neuroimaging-Methoden nachweisbar ist.
Geringe Hypoxietoleranz. Wie
lange kann das Gehirn eine Unterbrechung der arteriellen Sauerstoff-
und Glucosezufuhr tolerieren? Bereits Sekunden nach einem totalen
Zufuhrblock (z.B. bei einem Hirninfarkt: Ischämie
) beginnt sich das Bewusstsein einzutrüben (Mangeldurchblutung in der Netzhaut führt zu "Röhrensehen" und Black-out - z.B. bei orthostatischer Synkope),
und nach einer Minute ist der Sauerstoff in der grauen Substanz
vollständig verbraucht. Bei Bestehen der Blutleere für ~5 Minuten ist
(bei normaler Körpertemperatur) mit dem
Auftreten irreversibler Gewebeschäden zu rechnen, obwohl zu diesem
Zeitpunkt im Gehirngewebe noch etwas Glucose verfügbar ist.
Kühlt man das Gehirn ab (Hypothermie), erhöht sich die Toleranzzeit. Es
sind Fälle beobachtet worden, wo eine Reduktion der Hirntemperatur um
mehr als 20°C (z.B. durch massive Unterkühlung bei Unfällen in
winterlicher Umgebung) trotz längeren Kreislaufstillstands eine
zerebrale Überlebenszeit von mehr als einer Stunde ermöglicht hat.
Chirurgisch und intensivmedizinisch ergibt sich die Möglichkeit, durch
Abkühlung längere Ischämiephasen (Durchblutungsstop) zu erzielen, ohne
dass das Gehirn Schaden nimmt.
Insbesondere bei physiologischer Körpertemperatur ist die Versorgung
mit ausreichend Sauerstoff (z.B. 2-4 Liter O2/min
über Nasensonde, gegebenenfalls Beatmung und möglichst rasche
Wiederherstellung der arteriellen Durchblutung) von akut kritischer
Bedeutung.
Gehirndurchblutung
Die
zerebrale Perfusion beträgt global ~55 ml/100g/min (insgesamt ~750 ml/min oder ~15% des Ruhe-Herzzeitvolumens) und ist ziemlich konstant (zerebrale Autoregulation,
Abbildung). Die Kapillardichte der grauen Substanz ist mit ~3000-4000 pro mm2
sehr hoch (ähnlich wie im Herzmuskel), dadurch sind die
Diffusionsstrecken im Gewebe mit <10 µm gering. Die sehr dichte
Ausstattung mit tight junctions verleiht den Gehirnkreislauf die Eigenschaft einer extrem gut ausgebildeten Diffusionsschranke. Auch die Sauerstoffextraktion der grauen Substanz ist mit ~35% höher als der Körperdurchschnitt in Ruhe (~25%).

Abbildung: Autoregulation der Gehirndurchblutung
Nach einer Vorlage in Heistad
DD, Kontos HA, in Geiger SR, Shepherd JT, Addoud FM, eds: The
Cardiovascular System, Vol. 3, Peripheral Circulation and Organ Blood
Flow. Bethesda, MD: American Physiological Society 1983
Zerebrale Perfusion als Funktion des arteriellen Mittleldruckes. Rote Kurve: Autoregulation unter Normokapnie (Stern: Referenzblutdruck). Die Gefäße kontrahieren mit steigendem
Blutdruck (Bayliss-Effekt),
der
Strömungswiderstand nimmt mit dem Druck zu, die Durchblutung bleibt
weitgehend konstant (6% Perfusionsänderung pro 10 mmHg Druckänderung).
Außerhalb des Autoregulationsbereiches (~50-150 mmHg) verhalten
sich die Gefäße druckpassiv. Bei starker Hypotonie (links) ist die
zerebrale Durchblutung so gering, dass Verwirrtheit und
Bewusstseinsverlust auftreten.
Lokale sympathische Reizung beeinflusst die Kurve nur im hypertonen Bereich (blaue Kurve): Der Autoregulationsbereich wird zu höheren Druckwerten hin gedehnt.
Erhöhter pCO2 (Hyperkapnie) führt
zu Vasodilatation und druckpassivem Verhalten mit hoher Durchblutung,
Hypokapnie hingegen bewirkt Vasokonstriktion und senkt die
Durchblutung, was zu Schwindelgefühl und Synkope führen kann (grüne Kurven).
Die Autoregulationskurve ist bei Neugeborenen linksverschoben (zu niedrigeren Druckwerten), bei Anpassung an chronischen Bluthochdruck nach rechts (zu höheren Druckwerten)

Durch
Autoregulation hält das Gehirn seine Perfusion im Bereich zwischen etwa
50 und 150 mmHg ziemlich konstant (sie steigt pro 10 mmHg Druckerhöhung
nur um ca. 6%). Im Bereich eines physiologischen arteriellen pCO2 (35-45 mmHg) stellt die Autoregulation eine Durchblutung von etwa 60 ml/min/100g sicher (
Abbildung).
Anders bei CO2-Abweichungen: Bei ausgeprägter Hyperkapnie
(infolge verminderten Atemgasaustausches) erschlaffen die Gefäße und
verhalten sich weitgehend druckpassiv, d.h. mit steigendem Druck werden
sie zusehends geweitet, die zerebrale Perfusion nimmt immer weiter zu.
Bei Hyperventilation andererseits bewirkt die daraus resultierende Hypokapnie Vasokonstriktion und Minderdurchblutung des Gehirns (
Abbildung).
Erhöhter lokaler Sympathikuseinfluss schließlich verlängert (ausgehend
von der normalen Autoregulationskurve) den Bereich stabilisierter
Perfusion zu höheren Blutdruckwerten hin.
Über zerebrale Perfusion s. auch dort
Graue Substanz wird stärker durchblutet (~100
ml/100 g/min) als weiße
(~25 ml/100 g/min), da der Stoffwechselaufwand der Nervenzell-Somata
(wie für Proteinsynthese, Vorgänge im Zellkern, Transportfunktionen) im
Vergleich zu dem von Nervenfaserfortsätzen (wie Erhaltung des
Membranpotentials) höher ist.

Abbildung: Durchblutungsregulation in der Hirnrinde
Nach Iadecola C, Neurovascular regulation in the normal brain and in Alzheimer's disease. Nature Rev Neurosci 2004; 5: 347-60
Erhöhte Aktivität thalamischer Afferenzen bewirkt kortikale
Vasodilatation. Diese wird von der angeregten Stelle an größere
Widerstandsgefäße propagiert (strichlierter Pfeil). Interneurone
beteiligen sich wahrscheinlich an der Fokussierung der Mehrdurchblutung
auf aktive Rindengebiete

Die Regulation der Hirndurchblutung beruht vorwiegend auf metabolischen Faktoren. Veränderte neuronale Aktivität
führt zu lokaler
Änderung der Durchblutung. Der Mechanismus beruht auf mehreren Faktoren:
Adenosin: Steigt die Aktivität einer Hirnregion, wird hier vermeht Adenosin gebildet, das über Adenosintransporter
aus den Zellen in das Interstitium gelangt. An glatten Muskelzellen der
umliegenden Blutgefäße bindet es an G-Protein-gekoppelte Adenosinrezeptoren. Dadurch steigt in den Gefäßmuskelzellen cAMP, es erfolgt Vasodilatation.
Kalium- und Wasserstoffionen: Auch diese werden von aktivem Hirnareal vermehrt in das zerebrale Interstitium freigesetzt; erhöhtes [K+] bewirkt direkt, pH-Abfall über verminderte Aktivität spannungsgesteuerter Calciumkanäle indirekt Dilatation der Gefäße und damit Durchblutungssteigerung.
Steigender pCO2
(Normwert in arteriellem Blut: 40 mmHg) führt - über Wasserstoffionen:
CO2 + H2O
H2CO3
H+ + HCO3-
- zu Gefäßerweiterung und
damit Perfusionssteigerung im entsprechenden Gebiet. Hypokapnie bewirkt
umgekehrt zerebrale Vasokonstriktion und Durchblutungsabfall
(systemisch: forcierte Hyperventilation kann zu Bewusstlosigkeit führen).
Stickstoffmonoxid (NO) wird in Abhängigkeit von der Aktivität von Neuronen ebenfalls freigesetzt und wirkt vasodilatatorisch.
Myogene Komponenten stabilisieren die zerebrale Perfusion in einem Blutdruckbereich zwischen ~50 und ~150 mmHg (Autoregulation,
Abbildung oben) und beruhen auf dem Bayliss-Effekt.
Neurogene Komponenten sind nur schwach ausgeprägt und tragen kaum zur Regulation der Hirndurchblutung bei.

Vermehrte Aktionspotentialtätigkeit in aktiven Gehirnteilen bedingt
Kaliumfreisetzung in den Extrazellulärraum, was lokal Dilatation der Hirngefäße auslöst.

Auch
Adenosin, das bei erhöhtem Energieverbrauch von Nervenzellen freigesetzt wird, bewirkt Vasodilatation und Durchblutungssteigerung.

Ebenfalls produzieren aktivierte Nervenzellen
NO,
was die Gefäße weiter stellt (in der
Abbildung oben orange gezeigte
Nervenzellen mit
metabotropen Acetylcholin- sowie NMDA-Rezeptoren).

Der
Bayliss-Effekt 
stabilisiert die Gehirndurchblutung in einem Druckbereich zwischen ~50 und ~120 mmHg (
zerebrale Autoregulation
Abbildung
oben). Die Autoregulation ermöglicht die Stabilisierung des Blutflusses zum Gehirn bei wechselndem Blutdruck.

Mehr zur
Gehirndurchblutung s.
dort