Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

     
Transport im kardiovaskulären System (Kreislauf, Blut, Lymphe)

Perfusion von Organen und Geweben
© H. Hinghofer-Szalkay

Autoregulation: αὐτός = selbst, regula = Latte, Leiste, Maßstab, Regel
barinogen: βάρος = Gewicht, Druck; γένεσις = Ursprung
Bayliss-Effekt: William Bayliss
Cushing-Reflex: Harvey Cushing
Euler-Liljestrand-Mechanismus: Ulf von Euler, Göran Liljestrand
Hämorrhagie: αἱμορραγία = Rissblutung (αἷμα = Blut, ραγάδα = Einreißung)
Hüfner'sche Zahl: Gustav v. Hüfner
Hypertonie, Hypotonie: ὑπέρ = über(mäßig), ὑπό = unter, τείνειν = spannen



Teilkreisläufe konkurrieren um Durchblutung. So benötigt bei sportlicher Aktivität einerseits die Muskulatur viel Blut (bis zum Mehrfachen des Ruhe-Herzzeitvolumens), andererseits die Haut eine für ihre Kühlungsaufgabe ausreichende Perfusion. Gewebe wie Herzmuskel oder Gehirn tolerieren keine Einbuße ihrer Blutversorgung, ihre Perfusion muss unter allen Umständen gesichert sein.

In kritischen Situationen haben (über)lebenswichtige Gewebe Vorrang vor anderen, die vorübergehend auch mit wenig Sauerstoff auskommen. Der Sympathikustonus ist dann meist hoch, inaktive Muskulatur und Splanchnicusgebiet (Darm, Pankreas, Nieren..) werden kaum durchblutet (gut für das Herz). In aktiven Teilen des Bewegungssystems wird sympathisch bedingte Vasokonstriktion über Autoregulation überspielt und ihre Perfusion durch "kollaterale Vasokonstriktion" gesichert.

100 ml Blut können ~20 ml Sauerstoff transportieren (1,34 ml/g Hämoblobin: Hüfner'sche Zahl). Davon schöpft das Gewebe je nach Bedarf einen gewissen Anteil (Sauerstoffextraktion), der Rest wird zur Lunge retourniert. Der Unterschied zwischen arterieller und venöser O2-Menge heisst arteriovenöse Sauerstoffdifferenz (AVDO2). Sie ist z.B. hoch im Herzmuskel (der viel O2 für seine Energieproduktion braucht) und gering in der Niere (die im Dienst der durchblutungsintensiven Harnproduktion steht).

Die spezifische Durchblutung ist auf 100g Gewebemasse normiert (z.B. kühle Haut 10, Gehirn 55, Myokard 80, Niere 400 ml/100 g/min). Stoffwechselintensive Organe haben hohen spezifischen Sauerstoffverbrauch.

Sehr rasch (Sekunden) wirken z.B. Autoregulation, die dehnungsgetriggerte Gefäßkontraktion (Bayliss-Effekt) oder der Baroreflex; langsamer (Minuten bis Stunden) durch Hormone gesteuerte Adaptationen; Stunden bis Tage brauchen z.B. Veränderungen der Gefäß- und Gewebsdehnbarkeit (Compliance), des Flüssigkeitshaushaltes und der Nierenfunktion.



Auswurfleistung des Herzens Sauerstoffextraktion AVDO2 Spezifische Durchblutung Regulationsmechanismen Organdurchblutung Reaktive Hyperämie

    Autoregulation
    Euler-Liljestrand-Mechanismus

Praktische Aspekte         Core messages
 

Unterschiedliche Organe und Gewebe werden unterschiedlich stark durchblutet, je nach dem jeweiligen Bedarf. Dieser kann sich am Stoffwechsel (z.B. Sauerstoffverbrauch) oder auch an der Funktion orientieren (z.B. Kühlung). Die Steuerung der Perfusion eines Gewebeabschnitts erfolgt über den Durchmesser der versorgenden arteriellen Gefäße (insbesondere Arteriolen); Vasokonstriktion reduziert, Vasodilatation erhöht das Blutangebot. Die spezifische Durchblutung sagt aus, wie viel Blut eine bestimmte Masse an Gewebe (z.B. 100 g) pro Zeiteinheit (z.B. Minute) beansprucht. Alle peripheren Durchblutungswerte zusammengenommen ergeben das Herzzeitvolumen (z.B. 6 l/min).
 
Das arterielle "Hochdrucksystem" versorgt alle Körpergebiete mit Blut
  
Das Herzzeitvolumen (HZV - cardiac output, CO) wird auf die Körpergebiete entsprechend dem Bedarf aufgeteilt. Der periphere Widerstand wird so eingestellt, dass die Gewebe ausreichend durchblutet werden, andererseits der arterielle Blutdruck aufrechterhalten bleibt. Das Ruhe-HZV des Erwachsenen beträgt drei Liter pro Minute und Quadratmeter Hautoberfläche (cardiac index) - z.B. bei 2 m2 Haut 6 l/min.
 

Abbildung: Kreislaufschema
Nach einer Vorlage in L. Rowell, Human Circulation - Regulation During Physical Stress. Oxford University Press 1986


Widerstandsgefäße symbolisch als Wasserhähne gezeigt.
 
Besonders speicherfähig sind die Venen der Bauchorgane (versorgt durch den N. splanchnicus) sowie die Venengeflechte der Haut


Unter Basisbedingungen (körperliche Ruhe, Indifferenztemperatur) verteilt sich das Herzzeitvolumen etwa so:

       ~30% für das Verdauungssystem - der größte "Verbraucher" von Durchblutung im Zustand körperlicher Ruhe

       ~20% für die Nieren - notwendig für die "Blutwäsche"

       ~15% für das Gehirn - die Gehirndurchblutung ist insgesamt weitgehend konstant (0,55 ml/min/g)

       ~15% für die Muskulatur - das steigt bei körperlicher Belastung um bis zum Zigfachen des Ruhewertes

       ~10% für das Fettgewebe - die Durchblutung entspricht hier etwa dem Anteil am Körpergewicht

       ~5% für den Herzmuskel - das Myokard hat dabei weniger als ein halbes Prozent der Körpermasse

       ~5% für andere Gewebe (dieser Anteil kann stark steigen, z.B. nimmt die Haut bei extremer Wärmebelastung bis zur Hälfte des - dann erhöhten - Herzminutenvolumens in Anspruch).

Diese Zahlen inkludieren das Immunsystem, das insgesamt ≥10% des gesamten Herzzeitvolumens beansprucht und dessen Anteile an den genannten Organen / Geweben in dieser Aufschlüsselung nicht eigens berücksichtigt sind.



Diese Verteilung ändert sich insbesondere

      bei körperlicher Arbeit: Die Perfusion der arbeitenden Muskulatur nimmt bis zigfach zu, das Herzminutenvolumen steigt bis zum Vier- bis Fünffachen des Ruhewertes an.

Vasodilatatorische Mediatoren häufen sich, bedingt durch die Muskelaktivität, im Gewebe an und entspannen die glatte Gefäßmuskulatur, woraufhin der Blutdruck die Arteriolen weitet und Blut leichter in die Mikrozirkulation einströmt: Autoregulation, s. weiter unten

 
      bei Hitzeeinwirkung: Die Durchblutung der Haut nimmt enorm zu, das Herzminutenvolumen kann sich verdoppeln.

Kommt es systemisch (d.h. insgesamt im Kreislauf) zu einem Konflikt zwischen dem Bedarf für Muskelaktivität und Abkühlung, wird die Hautdurchblutung zugunsten einer Maximierung der Muskeldurchblutung gedrosselt. So können z.B. jagende / gejagte Tiere kurzfristig maximale Muskelleistung vollbringen (bis die Verfolgungsjagd wegen Hyperthermie abgebrochen werden muss).

Abnahme des Sympathikustonus, dadurch Vasodilatation etc, s. auch dort
 
      bei erhöhter Beanspruchung des Immunsystems (z.B. Sepsis), in solchen Fällen nimmt der Stoff- und Energiebedarf und damit die Perfusion der Immungewebe anteilsmäßig deutlich zu.

Sauerstoffextraktion (arteriovenöse Sauerstoffdifferenz)
 

Ein zentrales Konzept für die Beurteilung von Sauerstoffversorgung und -verbrauch des Gewebes ist die arterio-venöse Sauerstoffdifferenz (AVDO2) bzw. Sauerstoffextraktion. Sie gibt den Unterschied zwischen arteriellem und venösem O2-Gehalt des Blutes an, das durch ein Organ bzw. Gewebe fließt. Die Sauerstoffausschöpfung (A) gibt an, wie hoch der Anteil der arteriell angebotenen O2-Menge (100%) ist, die vom Gewebe konsumiert wird (venös bleibt die Differenz 100-A übrig).

Ein Gramm Hämoglobin kann 1,34 ml Sauerstoff binden (Hüfner'sche Zahl ); 100 ml Blut enthalten etwa 15 Gramm Hämoglobin. Daher können in 100ml Blut ~20 ml O2 transportiert (und dem Gewebe angeboten) werden (15 mal 1,34 = 20). Kennt man die Durchblutung eines Organs und die AVDO2, errechnet sich daraus der Sauerstoffverbrauch.
 
Beispiel: Gehirndurchblutung 800 ml/min, AVDO2 = 6 ml/100 ml. Der Sauerstoffverbrauch errechnet sich als 6 mal 8 = 48 ml/min (1/5-1/6 des gesamten Sauerstoffbedarfs des Körpers, der in Ruhe 250-300 ml/min beträgt).
 
Bei einem arteriellen O2-Gehalt von 20 ml/100 ml Blut (15 g/l Hämoglobin, vollständig sauerstoffgesättigt) würde sich in diesem Beispiel ein verbleibender venöser O2-Anteil von 14 ml/100 ml ergeben (20 - 6). Das Blut hat also ~30% seines (arteriell angelieferten) Sauerstoffs abgegeben; ~70% sind am Hämoglobin verblieben und gelangen zu Herz und Lunge zurück.

Dazu ist anzumerken, dass ein um 30%, d.h. auf 70 Sättigungs-% desoxigeniertes Blut bereits bläulich ("venös") aussieht
(blaue Lippen!), im Gegensatz zu (kirschrotem) voll oxigeniertem ("arteriellem") Blut.

Der Herzmuskel wird durch den Koronarkreislauf (Koronarien = Herzkranzgefäße) versorgt. Die Koronarperfusion wird bedarfsorientiert eingestellt (Autoregulation ), sie hängt weiters ab von Herzfrequenz, Aortendruck und Sympathikustonus. Bei körperlicher Belastung nimmt die Durchblutung des Herzmuskels bis auf das Fünffache des Ruhewertes zu, nimmt aber immer etwa 5% des HZV in Anspruch: Das heißt, die Koronarperfusion ändert sich proportional zum Herzzeitvolumen.

Eine besondere Situation ist für den linken Ventrikel gegeben, er drückt während der Systole seine submyokardialen Gefäße zu und wird in den inneren Schichten nur während der Diastole durchblutet (
vgl. dort).

Einen Vergleich verschiedener Organe bezüglich Sauerstoffbedarf, Perfusion und Sauerstoffausschöpfung bietet die folgende Tabelle:
 

Sauerstoffbedarf

(µM/min/g)
Durchblutung

(ml/min/g)
Sauerstoffausschöpfung
(% der arteriell angebotenen Menge)
Herz (Ruhe)
4,0
0,8
57  (AVDO2 12 Vol-%)
Nieren
2,4
4,0
(AVDO2 1,5 Vol-%)
Leber
2,5
1,0
28  (AVDO2 ~6 Vol-%)
Gehirn
1,5
0,5
34  (AVDO2 ~7 Vol-%)
Skelettmuskel (Ruhe)
0,1
0,04
28  (AVDO2 ~6 Vol-%)
Skelettmuskel (Arbeit)
bis 8
bis 1,6
bis 90  (AVDO2 19 Vol-%)
Haut
0,04
0,1
(AVDO2 1 Vol-%)
 
Man erkennt, dass die O2-Ausschöpfung in einer Spanne
 
    von nur wenigen % der arteriell angebotenen Menge (Haut - AVDO2 etwa 1 Volumsprozent, von z.B. arteriell 21 Vol-% - bei einer Hämoglobinkonzentration von ~150 g/l - zu venös 20 Vol-%)
 
    bis zu etwa 90% der arteriell angebotenen Menge (maximal aktive Skelettmuskulatur - AVDO2 etwa 19 Volumsprozent)
 
liegen kann. So erklärt sich der scheinbare "Luxus", dass das Blut im Zustand der körperlichen Ruhe mit etwa 75% Sauerstoffbeladung wieder zum rechten Herzen zurückkehrt: Die Transportkapazität ist nachfrageoptimiert, die Reserve kann von stoffwechselaktivem Gewebe unmittelbar mobilisiert werden. Wieviel Sauerstoff vom Hämoglobin im Gewebe tatsächlich "abgerufen" wird, hängt vom lokalen O2-Partialdruck und der Lage der Bindungskurve des Hämoglobins ab (s. dort).
 
Spezifische Durchblutung
 
Wie groß die Perfusion bezogen auf eine bestimmte Organmasse ist, drückt den Blutbedarf des jeweiligen Gewebes aus und wird als spezifische Durchblutung angegeben (z.B. in ml Blut pro Minute pro 100 Gramm Organ).


Abbildung: Spezifische Durchblutung verschiedener Gewebe (ml/min pro Gramm)
Nach einer Vorlage in Herring / Paterson, Levick's Introduction to Cardiovascular Physiology, 6th ed. 2018

Höchste Ruhewerte (blaue Säulen) in der Nierenrinde (Salztransport), gefolgt vom Myokard (Pumpfunktion). Die spezifische Durchblutung des Myokards ist wesentlich höher als die des Skelettmuskels.
 
Die Maximalwerte der spezifischen Durchblutung (bezogen auf jeweils 1 g Gewebe) sind in aktivierten Speicheldrüsen am höchsten, gefolgt von Nieren, Myokard, Verdauungssystem. Die Durchblutung der Haut kann in heißer Umgebung über das Zehnfache des Wertes in kühler Umgebung zunehmen, die des Skelettmuskels auf mehr als das 20-fache. Der geringste Unterschied besteht in der Niere.
 
Die höchste spezifische Durchblutung (das ~40-fache der mittleren zerebralen Werte, hier nicht gezeigt) haben die Glomuskörperchen (glomera carotica und aortica). Dadurch ändern sich in diesen Organen die Blutgaswerte während der Perfusion so gut wie gar nicht, bleiben also auf arteriellem Niveau, das von diesen Organen (periphere Chemorezeptoren) ermittelt wird.
 
Alle Teilkreisläufe können nicht gleichzeitig maximal perfundiert sein, die Summe von 38 l/min ist hypothetisch (das maximale Herzminutenvolumen eines mäßig trainierten Erwachsenen beträgt etwa 20 l/min, s. dort). Die hier angegebenen Werte beziehen sich auf eine durchschnittlich trainierte 70 kg schwere Person (nach Mellander S, Johansson B. Control of resistance, exchange, and capacitance function in peripheral circulation. Pharmacol Rev 1968; 20: 117-96)


Der Betrag der Perfusion einer Organs oder Gewebes hängt von dessen metabolischem Aufwand ab: So beträgt sie
 
 
   für die Haut (Gesamtdurchblutung ≤0,4 l/min) ~10 ml/min/100g, wenn sie "kühl" ist und nicht für die Wärmeabgabe genutzt wird (dann steigt diese Zahl auf das Zehnfache und mehr - bis auf ~5 l/min)

 
   für das Gehirn global 55 ml/min/100g - wesentlich weniger in der weißen Substanz (~20) und fast das Doppelte in der Hirnrinde (~100 ml/min/100g)

 
   für den Herzmuskel ~80 ml/min/100g, allerdings kann diese Zahl bis auf das 4-5fache steigen (320-400 ml/100g/min), wenn der Körper maximal ausbelastet wird

 
   Leber und Milz haben einen spezifischen Blutbedarf wie die Hirnrinde (~100 ml/min/100g)

 
   Spitzenreiter ist die Niere, die global ~400 ml/min/100g benötigt, noch mehr die Rinde mit ~530 ml/min/100g ( Abbildung).
 
  Zum spezifischen Sauerstoffverbrauch verschiedener Gewebe s. dort
 
  Zur Blutdruckregulation s. dort

Bei niedrigem Blutdruck (Herzzeitvolumen mal peripherer Widerstand) sinkt die Aktivität der parasympathischen Fasern zum Herzen, während der Sympathikus Herz und Blutgefäße anregt - Prinzip der negativen Rückkopplung: Die Senkung des Blutdrucks setzt einen Mechanismus in Gang, der den Fehler korrigiert.

Für die Kreislaufregulation können verschiedene Aspekte im Vordergrund stehen:

       Blutdruck - Durchblutung des ganzen Körpers
 
       Perfusion einzelner Organe (Eigenbedarf)
 
       Blutvolumen - Voraussetzung für das Funktionieren des Kreislaufs
 
       Zustand der Gefäße und des Herzens (Anregung, Herzinsuffizienz usw.).
    
Wie wird die Aufteilung der Durchblutung reguliert?
 
Blutgefäße - insbesondere Arteriolen und größere Arterien - weisen im "Nomalzustand" einen aktiven Gefäßtonus (myogenic tone) auf, bedingt durch einen mäßigen Kontraktionszustand der glatten Muskulatur der Gefäßwand. Myogene (lokale vasoaktive Substanzen, Ca++) und neurogene (sympathisch-adrenerge) Einflüsse beeinflussen den Gefäßtonus, und dieser bewirkt einen bestimmten Gefäßquerschnitt (Leitfähigkeit nimmt mit der 4. Potenz des Innenradius zu) und damit ein bestimmtes Ausmaß an Durchblutung des vom Gefäß versorgten Gewebeareals.

Die Durchblutung steigt mit einer Erweiterung (Vasodilatation) und sinkt mit einer Verengung (Vasokonstriktion) der versorgenden Arteriolen:

     Vasodilatatorische Einflüsse steigern die Durchblutung
 
 
  Metabolisch (lokal): Purine (Adenosin, ADP, ATP), pCO2-Anstieg, pO2-Abfall, pH-Senkung, Anstieg extrazellulären [K+]
 
    Endothelial: Prostazyklin, NO
 
    Humoral: Kinine, Histamin
 
    Nerval: ß-adrenerg

     Vasokonstriktorische Einflüsse senken die Durchblutung
 
    Endothelial: Endotheline
 
    Humoral: Vasopressin, Angiotensin u.a.
 
    Nerval: α-adrenerg
 
    Myogen: Bayliss-Effekt (Druckanstieg → Dehnung → Konstriktion: Barinogene Kontraktion)
Die Faktoren, die auf den Gefäßtonus einwirken, unterscheiden sich je nach Gefäßhierarchie: Der Kontraktionsgrad von Arterien - bis zu großen Areriolen - wird weitgehend durch den sympathischen Tonus kontrolliert. An kleinen Arteriolen wirken vorwiegend myogene Mechanismen (auch NO). Im Bereich der terminalen und Metarteriolen dominiert der Einfluss von humoralen (inklusive Gewebshormone) und metabolischen Faktoren (s. oben).
 

Abbildung: Doppelter Rückkopplungskreis für die Blutdruckregulation
Nach einer Vorlage in Katzung / Masters / Trevor, Basic & Clinical Pharmacology, 11th ed, McGraw Hill 2009

Der vegetativ-nervöse Kreis funktioniert über Baroreflex, hämodynamische Prinzipien und venöse Rückstromdynamik, der hormonelle über das Renin-Angiotensin - Aldosteron-System


Einige wenige Blutgefäße reagieren vorwiegend druckpassiv, wie diejenigen vom Typ P im Pulmonalkreislauf:

    Lungengefäße lassen sich durch erhöhten Blutdruck widerstandslos weiten, sodass die Nachlast für den rechten Ventrikel bei zunehmender Förderleistung abnimmt.
 
Nimmt die Durchblutung der Lunge zu (erhöhtes Herzminutenvolumen), sinkt automatisch der pulmonale Gefäßwiderstand (druckpassiv)


Die meisten Gefäße stehen unter lokalen und / oder neuronalen und humoralen Einflüssen, verhalten sich also nicht (nur) druckpassiv. Man kann die dahinterliegenden Regulationsmechanismen nach ihrem Zeitverlauf einteilen:

  Im Sekundenbereich wirkende Mechanismen ( Abbildung oben), wie Autoregulation: Auf lokaler Ebene (ohne Einfluss des Nervensystems) gibt es bedarfabhängige und durchblutungsstabilisierende Effekte.
 
   Autoregulation ist besonders bedeutsam für Organe, die sehr empfindlich gegenüber Ischämie (Unterdurchblutung) oder Hyperämie (Überdurchblutung) sind - insbesondere Gehirn, Herzmuskel und Nieren.

     Unter Autoregulation versteht man die Fähigkeit von Blutgefäßen, ihren Widerstand selbst zu regulieren - meist durch Anstieg des Gefäßtonus in Reaktion auf erhöhten Innendruck (und vice versa).

Bedarfgesteuerte Regulation: Lokale autoregulative  Mechanismen bleiben örtlich begrenzt und wirken hier bedarfsorientiert, d.h. bei erhöhtem Energie- und Substratanspruch des durch sie versorgten Gewebes in diesem Bereich vasodilatierend. Dabei spielen verschiedene kurzlebige Biomoleküle eine Rolle, wie Prostaglandine, Monoamine oder Gasotransmitter (CO, NO).

Stickstoffmonoxid (NO)
wurde ursprünglich als Endothelium-derived relaxing factor (EDRF) bezeichnet, als seine chemische Struktur noch nicht klar war. Stickstoffmonoxid wird bei gesteigerter Scherung (Schubspannung) der Gefäßinnenwand aus Endothelzellen freigesetzt; in deren Membran werden mechanosensible Ca++-Kanäle aktiviert, in das Zytoplasma einströmende Calciumionen aktivieren eine NO-Synthase, NO diffundiert in den Extrazellulärraum und wirkt auf direkt benachbarte glatte Muskelzellen. (NO vermittelt auch parasympathisch vermittelte - cholinerge - Dilatation der Herzkranzgefäße - dieser Effekt tritt auch bei Infusion von Acetylcholin auf.)

Durchblutungsstabilisierung: Mit dem myogenen Mechanismus reagieren kleinere Arterien und Arteriolen auf Änderungen des Blutdrucks mit einer Wandreaktion, die dem passiven Effekt entgegenwirkt und so die Perfusion stabilisiert. Ort der myogenen Regulation sind die glatten Muskelzellen; bei Druckerhöhung kontrahieren, bei Druckerniedrigung erschlaffen sie. Dehnungsempfindliche Ionenkanäle in ihrer Membran bewirken dehnungsabhängige Depolarisation (und Kontraktion).
 
Myogene (autoregulatorische) Vasokonstriktion wirkt über Aktivierung mechanosensitiver Ionenkanäle


Die Durchblutung kann so in einem bestimmten Regulationsbereich ziemlich konstant gehalten werden, und zwar autonom (ohne neuralem Einfluss). Das trifft auf zahlreiche Organe zu, vor allem das Gehirn (Autoregulationsbereich zwischen 50 und 120 mmHg - die Gehirndurchblutung muss bei Änderungen von Körperlage oder Systemblutdruck stabil bleiben), die Nieren (zwischen 70 und 160 mmHg ist die glomeruläre Filtration ziemlich unempfindlich gegenüber Blutdruckschwankungen) und die Skelettmuskulatur.
Der Bayliss-Effekt ( Abbildung s. dort) beruht auf so einem myogenen Gefäßmechanismus: Er beschreibt den Zeitverlauf der myogenen Reaktion nach einem Blutdruckanstieg in arteriolär-präkapillären Gefäßen. Dehnung führt zu Kontraktion und Widerstandserhöhung - trotz zunehmendem Druck behält das Gefäß einen etwa konstanten Durchmesser oder wird sogar enger. Zweck ist die Stabilisierung der Durchblutung.
 

Abbildung: Steuerung des Kreislaufsystems
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Oben: Lineare Darstellung der Stabilisierung des Blutdrucks durch den Barorezeptorreflex

Mitte: Steuerung des Herzzeitvolumens durch Regulierung des Schlagvolumens einerseits, der Herzfrequenz andererseits

Unten: Der arterielle Blutdruck ergibt sich aus Herzzeitvolumen einerseits, preipherem Strömungswiderstand (hauptsächlich Arteriolen) andererseits. Rote Pfeile: Rückkopplungsschleifen.

ANS = autonom-nervöse Einflüsse




      Der Barorezeptorreflex wirkt kurzfristig; bei längerdauernder Abweichung (Stunden bis Tage) des arteriellen Ruheblutdrucks (Hypotonie: zu niedriger Blutdruck, Grenzwerte definitionsabhängig, etwa <100 mmHg systolisch und <60 mmHg diastolisch; Hypertonie: zu hoher Blutdruck, systolisch >140 mmHg, diastolisch >90 mmHg) nimmt seine Wirksamkeit stark ab (Adaptation)

      Kardio-pulmonale Reflexe, ausgelöst von Dehnungsrezeptoren in oder nahe den Herzvorhöfen.
 

  Im Minutenbereich wirkende Mechanismen. Hierher zählen kurzfristige hormonelle Einstellungen ( Abbildung unten), z.B. über Katecholamine, Aldosteron und Vasopressin (ADH). Vasopressin erhöht die Rückgewinnung von Wasser in der Niere; es wirkt in höherer Konzentration vasokonstriktorisch und damit blutdrucksteigernd.


  Im längerfristigen Zeitbereich (Stunden, Tage und länger) wirkende Mechanismen, welche - lokal, neural und humoral gesteuert - Nierenfunktion und Flüssigkeitshaushalt sowie schließlich morphologische Anpassungen (Gefäßwand, Muskelstärke..) betreffen. Sie beeinflussen das Blutvolumen in Relation zur Aufnahmefähigkeit (Compliance) von Gefäßen und Interstitium.


Kleines Molekül, große Ehren: 1998 erhielten Robert Furchgott, Louis Ignarro und Ferid Murad "für ihre Arbeiten über die Rolle von Stickstoffmonoxid als Botenstoff im Herz-Kreislauf-System" den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Murad wies nach, dass die Wirkung vieler gefäßerweiternder Medikamente durch Guanylatzyklase vermittelt wird (Freisetzung von Stickstoffmonoxid). Furchgott stellte unabhängig davon fest, dass Blutgefäße selbst einen "endothelium-derived relaxing factor" bilden können. Murad und Ignarro zeigten unabhängig voneinander, dass dieser Faktor Stickstoffmonoxid ist. Murad's Arbeitsgruppe gelang es später auch, die NO-Synthase zu  isolieren.


 
Perfusionscharakteristik verschiedener Organe und Gewebe
 
Das Herzzeitvolumen (HZV) wird so auf die einzelnen Organe und Gebiete aufgeteilt, dass diese einerseits adäquat versorgt sind, die Summe aller Perfusionswerte andererseits mit der Herzleistung in Einklang steht. Der große Kreislauf beginnt mit der Aorta (Druck: pA) und endet mit dem Zufluss zum rechten Herzen (Zentralvenendruck ZVD), der führende Strömungswiderstand im Kreislauf ist der periphere (TPR). Nach dem Strömungsgesetz gilt sinngemäß:
 
HZV = (pA - ZVD) / TPR
 
Umgekehrt heißt das: Der arterielle Perfusionsdruck entspricht dem Produkt aus HZV und TPR (der Betrag des ZVD schwankt kaum und ist vernachlässigbar).
  

Abbildung: Mechanismen der Vasokonstriktion (VC) und Vasodilatation (VD)
Nach einer Vorlage bei Roger TannerThies: Physiology - An Illustrated Review. Thieme 2012

Neuronale Faktoren oben (blaues Feld), lokale Mitte (rosa), hormonelle unten.
 
Der nervöse Einfluss auf den Gefäßtonus erfolgt durch den Sympathicus.
 
Lokale Faktoren sind Gaspartialdrucke und myogene Faktoren: Endothelin (über ETA-Rezeptoren), Prostaglandin F und Thromboxan wirken anregend (VC), ADP, AMP, Adenosin, Kaliumionen, NO, Prostaglandine E und I sowie Kinine entspannend auf die Gefäßmuskulatur (VD).
 
Vasopressin (=ADH), Angiotensine und α-adrenerger Einfluss wirken vasokonstriktorisch, während ß-adrenerge und muskarinerge Einflüsse, Histamin sowie Endothelin (über ETß-Rezeptoren) die Gefäße erweitern.
 
Vasokonstriktion erhöht den Strömungswiderstand (aktiv: Durch Kontraktion der Gefäßwand) und verringert die Durchblutung, Vasodilatation lässt den Blutdruck das Gefäß weiten (passiv: durch "Erschlaffung" der Gefäßwand) und verstärkt die Perfusion


Der regionale Blutfluss wird durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren adjustiert ( Abbildung):
 
Neuronale Mechanismen, insbesondere durch sympathische Fasern
Myogene Mechanismen, d.h. die autonome Antwort auf (durch den transmuralen Druck bedingte) Dehnung der Arterien- und Venenwände. Die Folge ist Autoregulation - insbesondere in Skelettmuskulatur, Myokard, Gehirn, Nieren
Metabolische Mechanismen, welche das Ausmaß lokalen Stoffwechselbedarfs signalisieren - wie Veränderung des pH-Wertes, der Blutgaswerte, der extrazellulären [K+] usw.
Endotheliale Mechanismen, wie z.B. die Freisetzung von NO (das die Gefäßwand relaxiert und der Anlagerung von Leukozyten vorbeugt) in Reaktion auf das Einwirken von (strömungsabhängigen) Scherkräften.
 

Lungen Herzmuskel Gehirn Nieren Skelettmuskel Haut Splanchnicusgebiet Leber
 
Lungen: Pulmonalkreislauf
  Der Lungenkreislauf weist Besonderheiten auf:
 
     Seine Blutgefäße haben einen niedrigen Ruhetonus, sie verhalten sich dehnungs- bzw. druckpassiv.
 
     Die Strömung ist wegen des geringen Fließwiderstandes der (besonders kurzen und dünnwandigen) Arterien und Arteriolen hoch (Herzminutenvolumen!).
 
     Wegen der im Verhältnis zur Gewebemasse enorm hohen Perfusion gibt es weder metabolische noch Autoregulation, aber:
 
     Bei Sauerstoffmangel erfolgt hypoxische Vasokonstriktion (um Blut in besser belüftete Lungenabschnitte umzuleiten).
 
     Sympathische Fasern haben kaum Einfluss auf den Gefäßtonus.

   Mehr zur Lungendurchblutung s. dort
 

Abbildung: Blutversorgung der Luftwege und Alveolen
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Pulmonalarterien führen desoxygeniertes (aus dem rechten Herzen zur Lunge), Pulonalvenen oxygeniertes Blut (aus den Alveolen zum linken Herzen). Bronchialgefäße versorgen die Wand der Luftwege mit arteriellem Blut


Die Lungen haben zwei Gefäßsysteme, Bronchial- und Pulmonalgefäße (Abbildungen): Die Arterialisierung des venösen Blutes aus dem rechten Herzen erfolgt über den Pulmonalkreislauf, die Bronchien haben ihre eigene arterielle Blutversorgung.

Neben der Arterialisierung des Blutes und der Versorgung des Lungengewebes spielt der Lungenkreislauf auch eine Rolle für enzymatische Modifikation: Das Endothel (
zusammengenommen ~100 m2) verwandelt mittels ACE (angiotensin-converting enzyme) ATI zu ATII, und baut Bradykinin im Kreislauf ab. Außerdem entfernt das Alveolarendothel zahlreiche vasoaktive Stoffe, wie Prostaglandin E, Leukotriene, Serotonin.

     Das System der Bronchialarterien versorgt das Lungengewebe mit arteriellem Blut. Zwischen Pulmonal- und Bronchialkreislauf gibt es geringgradige Querverbindungen.

     Das Blut aus dem rechten Herzen gelangt in die Pulmonalarterien (Lungenschlagadern) und von hier in die Alveolarkapillaren, wo der Gasaustausch stattfindet und das Hämoglobin auf ~97% mit Sauerstoff gesättigt wird. Durch diese Gefäße fließt das gesamte Herzminutenvolumen.

Der Quotient prä- zu postkapillärer Widerstand beträgt im Alveolarkreislauf lediglich
~1 (im "großen" Kreislauf ~4), was bedeutet, dass der Betrag des Kapillardrucks mit 9-18 mmHg etwa in der Mitte zwischen dem arteriellen (a. pulmonalis) und venösen Druck (vv. pulmonales) liegt.

Die Passagezeit von ~1 Sekunde reicht für die vollständige Äquilibrierung der Atemgase in der alveolären Mikrozirkulation aus. Bei körperlicher Belastung steigen die Drucke und sinkt die Passagezeit (auf ~0,3 s); die Äquilibrierung ist dennoch so gut wie komplett.

Zahlreiche Einflüsse können den aktiven Tonus und damit die Weite der Pulmonalgefäße verändern. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Effekte des Sauerstoff- und
CO2-Partialdrucks sowie des pH-Wertes denjenigen auf Gefäße im systemischen Kreislauf entgegengesetzt sind. Sauerstoffmangel bewirkt hypoxische Vasokonstriktion; der Mechanismus ist unklar, der Zweck leicht einzusehen: Welchen Sinn hätte die starke Durchblutung eines hypoxischen Lungenabschnittes? Änaloges gilt für Kohlendioxidpartialdruck und Wasserstoffionenkonzentration (hoher pCO2 und niedriger pH-Wert wirken an Pulmonalgefäßen vasokonstriktorisch).

Eine Übersicht gefäßaktiver Einflüsse auf den Lungenkreislauf gibt die folgende Tabelle:
 

Faktoren, welche den pulmonalen Gefäßwiderstand beeinflussen

Nach Boron / Boulpaep, Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Vasodilatatorisch
Vasokonstriktorisch
↑ alveolärer pO2
alveolärer pO2
alveolärer pCO2 ↑ alveolärer pCO2
↑pH pH
H2-histaminerge
Agonisten
H1-histaminerge Agonisten
PGI2, PGE1
Thromboxan, PGF2, PGE2
ß-adrenerge Agonisten
α-adrenerge Agonisten
Bradykinin
Serotonin
Acetylcholin
Angiotensin II
NO

 
Insgesamt hat der Pulmonalkreislauf - mit seinen kurzen, weiten, dünnwandigen und sehr zahlreichen Gefäßen - niedrige Druck- und Widerstandswerte (geringer Ruhetonus der Arteriolen), und seine Compliance ist hoch. Das Blut fließt also trotz des geringen Drucks leicht durch den Gefäßbaum, der sehr gut dehnbar (und durch externe Kräfte leicht verformbar) ist; der Strömungswiderstand hängt stark von der Atemtiefe ab (s. weiter unten).

Die Zahl der alvolären Kapillaren wird auf 280 Milliarden geschätzt (300 Millionen Alveolen mit jeweils an die 1000 Kapillarsegmenten bieten eine kapilläre Austauschoberfläche von
~100 m2). Im Zustand der körperlichen Ruhe ist ein Teil dieser Kapillaren durchblutet, ein anderer zwar offen, aber nicht durchblutet, und wieder ein anderer Teil ist kollabiert. Mit zunehmendem Herzminutenvolumen und steigenden Drucken (Belastung) nimmt die Zahl der perfundierten Kapillaren zu, die Zahl kollabierter Kapillaren ab (recruitment), bis das Blut schließlich durch den gesamten vorhandenen Kapillarraum fließen und den Gasaustausch (Luft - Blut) maximieren kann.

Das linke Herz hat ein um ~1% höheres Herzzeitvolumen als das rechte, da ein wenig Blut aus dem Bronchialkreislauf direkt in die vv. pulmonales (tiefe Bronchialvenen) mündet ( Abbildung).
 

Abbildung: Gefäßsystem der Lunge mit thorakalen Anastomosen und Kurzschlüssen
Nach einer Vorlage
in Lumb AB, Nunn's Applied Respiratory Physiology, Elsevier 2016

Parallel zum Pulmonalkreislauf (sauerstoffarmes Blut über Pulmonalarterie, sauerstoffreiches über Pulmonalvenen) bringen Bronchialarterien arterielles Blut zu Bronchialkapillaren. Kollateralen und Anastomosen schaffen schmale Verbindungswege zwischen diesen Teilkreisläufen.
  
Der Bronchialkreislauf versorgt die Luftröhre, Bronchien, die pleura visceralis und Teile des Ösophagus (zusammen: Extra-alveolärer Teil des Pulmonalkreislaufs). Thebesische Gefäße perfundieren den Herzmuskel


Die Alveolarwände sind feucht. Wie wird aus den Alveolarkapillaren - angesichts des niedrigen hydrostatischen Drucks - Flüssigkeit filtriert? Der Blutdruck in den Kapillaren (aufrecht stehend, Herzhöhe) beträgt ~9 mmHg (Tabelle unten). Das Interstitium der Lunge hat eine hohe Eiweißkonzentration, sodass der kolloidosmotische Druck der Proteine in der Blutbahn ziemlich ausbalanciert wird und ein positiver Netto-Filtrationsdruck besteht (sonst würde die Alveolaroberfläche austrocknen).

Das Lymphsystem transportiert überschüssiges Filtrat ab. Andererseits resorbieren Alveolarepithelzellen Natriumionen mittels ENaCs (apikal) und Na/K-Pumpe (basolateral) aus der freien Alveole, und Wasser folgt osmotisch nach; so wird eine Flüssigkeitsansammlung in den Alveolen verhindert.
Apikale / basolaterale Membran s. dort

Dieses Na-Transportsystem wird mit der Geburt aktiviert (intrauterin wandert Wasser mit Chlorid in die Alveolen).

Die folgende Tabelle gibt typische Druckwerte im Lungenkreislauf an - im Ruhezustand (Rückenlage und aufrecht: Effekt der Orthostase) sowie bei körperlicher Ausbelastung (aufrecht). Die Tabelle zeigt Blutdruckwerte auf Herzhöhe; Beispielsweise beträgt der Mitteldruck in der a. pulmonalis 14 mmHg. Dazu kommt die hydrostatische Druckschichtung im Lungengefäßsystem; so ist der arterielle Druck in der Lungenspitze auf ~3 mmHg reduziert (aufrechte Körperposition), in der Lungenbasis beträgt er ~21 mmHg (Druckdifferenz 18 mmHg entsprechend einer Höhendifferenz von ~24 cm). Analoge Druckunterschiede von ähnlichen Ausmaßen ergeben sich in Seitenlage entlang der Transversalachse, oder in der Sagittalachse bei Rücken- oder Bauchlage.
 
Typische Druckwerte im Lungenkreislauf (Herzhöhe)

Nach Herring / Paterson, Levick's Introduction to Cardiovascular Physiology, 6th ed. 2018


a. pulmonalis (mm Hg)
Kapillare
v. pulmonalis

systolisch
diastolisch
Mittelwert
mm Hg
mm Hg
Ruhe, liegend
25
12
17
13
9
Ruhe, aufrecht
22
9
14
9
5
Schwere Arbeit
(aufrecht)
40
24
30
18
6


Atmung und pulmonales Blutvolumen: Das Blutvolumen im Lungenkreislauf beträgt etwa 600 ml. Forcierte Einatmung kann das Volumen auf 1000 ml erhöhen (erniedrigter intrathorakaler Druck), Pressen kann es auf
~300 ml halbieren (Valsalva-Versuch).

Der Druck in den Lungenarterien beträgt im Schnitt etwa 2 kPa (systolisch 20-25 mmHg, diastolisch ~10 mmHg, Angaben in der Literatur unterschiedlich). Dementsprechend beträgt der Arbeitsaufwand (Druck-Volumen-Arbeit) des rechten Ventrikels ~1/6 desjenigen des linken Ventrikels (Aortendruck im Schnitt ~12 kPa).
 
In der Pulmonalarterie herrscht ein mittlerer Druck von 12-16 mmHg (~2 kPa)

Die Blutdruckamplitude beträgt 10-15 mmHg (diastolisch ~10, systolisch 20-25 mmHg)
 
Die Atemtiefe bestimmt den Strömungswiderstand im Lungenkreislauf ( Abbildung):
 
     Bei tiefer Ausatmung sind die Blutgefäße im Lungengewebe ("extraalveoläre" Gefäße im Schnittpunkt mehrerer Alveolarsepten) nur gering aufgespannt (kleiner Innenradius) und bieten einen relativ hohen Strömungswiderstand (blaue Kurve).
 
     Bei tiefer Einatmung andererseits sind die Alveolarkapillaren abgeflacht und komprimiert und bieten nun ihrerseits einen hohen Strömungswiderstand (grüne Kurve).

 
 
Abbildung: Pulmonaler Gefäßwiderstand als Funktion des Lungenvolumens
Nach Cortes-Puentes GA, Oeckler RA, Marini JJ. Physiology-guided management of hemodynamics in acute respiratory distress syndrome. Ann Transl Med 2018; 6: 353-66

Der Widerstand der Lungengefäße (PVR: pulmonary vascular resistance) ist der wichtigste Faktor für die Höhe der rechtskardialen Nachlast (afterload). Sein Betrag nimmt sowohl bei sehr geringer als auch sehr hoher Luftfüllung (inspiratorisch und exspiratorisch) zu (rote Kurve):
 
Bei tiefer Ausatmung (links) sind die (extraalveolaren) Widerstandsgefäße eng (geringe Aufdehnung) und bieten einen erhöhten Strömungswiderstand (blaue Kurve). Mit zunehmender Inspiration werden die extraalveolären Gefäße gedehnt, aber die Alveolarkapillaren werden abgeflacht (grüne Pfeile), nun bieten sie einen hohen Strömungswiderstand (grüne Kurve).
 
In einer gesunden Lunge ist der Gesamtwiderstand im mittleren (Normal-) Bereich und damit die Nachlast für den rechten Ventrikel am geringsten


Da die größeren Versorgungsgefäße und die Alveolarkapillaren in Serie geschaltet sind, addieren sich die beiden Widerstandskurven zu einer Gesamtkurve (rot), die im Bereich der normalen Atemlage einen Minimalwert aufweist. Das bedeutet, dass der rechte Ventrikel bei Atem-Mittellage die geringste Nachlast zu überwinden hat; tiefe Inspiration oder tiefe Exspiration erschweren dem rechten Herzen die Überwindung des pulmonalen Gefäßwiderstandes.

Neben diesem passiven Einfluss auf den Lungengefäßwiderstand wirkt sich vor allem der Sauerstoffpartialdruck auf die pulmonalen Widerstandsgefäße aus: Nimmt der [pO2] ab, kontrahieren die Gefäße und der Widerstand nimmt im betreffenden Lungenabschnitt zu (s. weiter unten: Hypoxische Vasokonstriktion). Dadurch sinkt die Durchblutung schlecht belüfteter Lungenregionen.

Neben dem Sauerstoffpartialdruck spielen auch Stickstoffmonoxid (NO) und Prostazyklin eine steuernde Rolle auf den pulmonalen Gefäßtonus. Beide wirken vasodilatatorisch; mechanische Reizung (starke Strömung) stimuliert endotheliale NO-Synthase, diese kann auch durch Acetylcholin, Bradykinin, Substanz P, Serotonin und ATP angeregt werden.

Kommt es zu generellem Sauerstoffmangel, kontrahieren alle pulmonalen Gefäße gleichzeitig, und der Strömungswiderstand in der Lunge steigt global an (pulmonale Hypertonie). Das kann den Kapillardruck so stark erhöhen, dass es zu Filtration von Flüssigkeit in die Alveolen kommt (Höhenödem). Erhöhung des pO2 der Inspirationsluft - durch Sauerstoffbeatmung und wenn möglich rasches Verbringen in geringere Höhe - schafft Abhilfe.
 
Atmung und venöser Rückstrom: Inspiration erniedrigt den intrapleuralen Druck (Sogeffekt), steigert die Strömung in der vena cava unmittelbar unterhalb der Leber (stärkerer venöser Rückstrom aus den unteren Körperpartien), und blockiert den Ausstrom von Blut aus der Leber. Bei der Exspiration dreht sich dieses Muster in etwa um (vgl. dort). Mit der Atmung pendelt der venöse Rückstrom zwischen wechselseitiger Bevorzugung der beiden venösen Zustromgebiete (aus der Leber einerseits, aus "extrasplanchnischen" Gebieten andererseits) zum rechten Herzen.
 

Abbildung: Pulmonale Vasokonstriktion infolge Hypoxie (hypoxic pulmonary vasoconstriction HPV)
Nach Lumb AB, Slinger P, Hypoxic Pulmonary Vasoconstriction: Physiology and Anesthetic Implications. Anesthesiology 2015; 122: 932-46

A: Idealisierter Normalfall: Belüftung und Durchblutung in allen Regionen gleich groß, arterielles Blut voll (99%) sauerstoffgesättigt
 
B. Belüftung in einem Lungenabschnitt eingeschränkt, dadurch mismatch: Das Blut aus diesem Lungenabschnitt ist sauerstoffarm, die Sauerstoffsättigung des dem linken Herzen zuströmenden Hämoglobins sinkt (hier auf 93%)
 
C: Kompensation durch hypoxiebedingte Vasokonstriktion (HPV): Blutstrom (hier 1,25 l/min) zu schlecht belüftetem Abschnitt eingeschränkt (zugunsten des gut belüfteten: hier 3,75 l/min), der Sauerstoffpartialdruck des dem linken Herzen zuströmenden Blutes nimmt zu, die Sauerstoffsättigung steigt (hier auf 98%)
 
Die Angaben "ml/dl" beziehen sich auf ml Sauerstoff pro Deziliter Blut


Lungengefäße sind vorwiegend sympathisch innerviert und reagieren auf Dehnung sowie auf Sauerstoffmangel atypisch ( Abbildung):

    Bei Anstieg des Drucks in den Pulmonalgefäßen reagieren diese dehnungspassiv (nicht mit einem Bayliss-Effekt), was zur Folge hat, dass es zu Erweiterung und vermehrter Blutaufnahme kommt. Dadurch sinkt der Strömungswiderstand, die Perfusion steigt, wie in unten gelegenen Lungenabschnitten bei aufrechter Körperlage (hydrostatische Druckschichtung im Gefäßsystem s. dort). So werden gut belüftete Lungenpartien auch gut durchblutet (Venilations-Perfusions-Abgleich).
 
Der pulmonale Gefäßwiderstand beträgt ~10% des systemischen (peripheren) Gefäßwiderstandes
 
    Die glatte Muskulatur der Pulmonalgefäße reagiert jedoch aktiv auf niedrigen Sauerstoffpartialdruck (Hypoxie) mit Konstriktion: Man nennt dieses Phänomen hypoxic pulmonary vasoconstriction (HPV). Die Pulmonalarterien sind vom Typ P - "P" für pulmonal -; ihr Verhalten ist deswegen sinnvoll, weil schlecht belüftete Lungenabschnitte nur gering durchblutet werden (Euler-Liljestrand-Mechanismus ). Dafür werden gut belüftete Lungenabschnitte (mit hohem [pO2]) stärker durchblutet. An anderen Stellen im Körper bewirkt Hypoxämie an Arteriolen Vasodilatation, um auf diese Weise die Perfusion zu steigern und mehr Sauerstoff an das Gewebe zu bringen. Das Verhalten der pulmonalen Gefäße ist eine Besonderheit.
 
     Hypoxische pulmonale Vasokonstriktion wird als Euler-Liljestrand-Mechanismus bezeichnet. Kleine arterielle Gefäße in der Lunge kontrahieren bei alveolärer Hypoxie im betreffenden Lungenabschnitt. 



Rasche, reversible primäre Phase: Hypoxie hemmt sauerstoffsensitive Kaliumkanäle in den Pulmonalarterien. Der verringerte Kaliumausstrom führt zu Depolarisierung, und diese zu Aktivierung spannungsabhängiger Calciumkanäle; die Muskelzellen der Gefäßwand kontrahieren, und die Perfusion nimmt ab. Dies erklärt die rasche Reaktion der Lunge auf Sauerstoffmangel (voller Effekt innerhalb weniger Minuten), die auch schnell reversibel ist.
 
Bei einem Sauerstoffpartialdruck unter 9,3 kPa bilden Endothelzellen in der Lunge Stickstoffmonoxid. Alveoläre Hypoxie verstärkt die NO-Produktion, was zu Vasokonstriktion im betreffenden Lungenabschnitt führt.

Verzögerte, langanhaltende sekundäre Phase: Eine zweite, langsamere Phase (nach >40 min Hypoxie) hat andauernde Wirkung (Strömungswiderstand in der Lunge bleibt nach Beendigung der Hypoxie länger bestehen) und beruht wahrscheinlich auf der veränderten Expression betreffender (Langzeit-Anpassung). Wahrscheinlich involviert der Mechanismus den Transkriptionsfaktor GeneHIF (Hypoxia-inducible factor). Dieser wirkt (als Dimer) auf ein HRE (Hypoxia-responsive element) der DNA, welches die Expression hunderter Gene reguliert, einschließlich solcher für Erythropoese, Angiogenese und Metabolismus.

Die zweite Phase der Hypoxieantwort scheint übrigens durch Applikation von Eisen unterdrückt zu werden. Darin zeigt sich ein Zusammenhang zwischen der physiologischen Wirkung von Sauerstoff und der von Eisen - vielleicht über den HIF (dessen Aktivität in der Lunge durch Eisenmangel erhöht wird). Eisengabe bei Probanden, die sich an chronische Hypoxie (>4000 m Seehöhe) akklimatisiert haben und bei denen der systolische Pulmonalarteriendruck von ~24 auf ~40 mmHg angestiegen ist, senkt den Druck (z.B. auf ~30 mmHg) über Wochen wieder ab.
 
Zusammengefasst: Die Funktionen des Pulmonalkreislaufs sind
 
     Atemgasaustausch, Arterialisierung des Blutes

     Füllungsreserve für den linken Ventrikel

     Aktivierung / Abbau hormoneller Substanzen. Die Lungengefäße inaktivieren Acetylcholin, Noradrenalin, Serotonin, Bradykinin; sie aktivieren Angiotensin I (mittels ACE - Angiotensin II passiert die Lunge unverändert, so wie auch Adrenalin oder Vasopressin)

     Synthese von NO, Heparinen, Surfactant

     Bildung, Speicherung und Freisetzung proinflammatorischer Stoffe (Histamin, Endothelin, Eikosanoide, PAF, Adenosin)

     evt. Filterung von Emboli im Pulmonalblut - Gerinnseln (Thromben), Fett-Tröpfchen nach Knochenbrüchen (Fettemboli), Gasbläschen (Gasemboli). Emboli bleiben in der Mikrozirkulation der Lunge stecken und werden anschließend resorbiert bzw. abgebaut.
 
Herzmuskel: Koronarkreislauf
  Die Perfusion des Herzmuskels - die Koronardurchblutung - beträgt in Ruhe 70-80 ml/100 g Myokardgewebe (4-5% des Herzzeitvolumens; das Herz einer mäßig trainierten erwachsenen Person wiegt ~300 Gramm). Der Sauerstoffbedarf des Myokards beträgt etwa 25 ml/min (ca. ein Zehntel des Gesamt-O2-Verbrauchs von ~250 ml/min) bei körperlicher Ruhe. Herzmuskelzellen enthalten ~3,4 g/l Myoglobin, das bei einem pO2 von 5 mmHg noch zur Hälfte oxygeniert ist und so einen kleinen Sauerstoffvorrat für die oxidative Phosphorylierung bereithält sowie die rasche Diffusion von Sauerstoff durch das Sarkoplasma begünstigt.

Bei körperlicher Belastung steigen die Verbrauchswerte an. Die Sauerstoffextraktion beträgt schon in Ruhe 65-75%, d.h. es bleiben venös kaum mehr als 30% des angebotenen
O2 übrig (→ Sauerstoffbindungskurve: dies entspricht - bei normalen CO2-Werten - einem Partialdruck von etwa 20 mmHg (!). Im sinus coronarius (der das Blut aus dem Herzmuskel nach dem O2-Konsum in den rechten Vorhof leitet) beträgt der pO2 deutlich weniger als 40 mmHg (~5 kPa).

Die O2-Extraktionsrate des Myokards beträgt bereits bei körperlicher Ruhe 60-70% des arteriellen Angebots. Der pO2 im sinus coronarius liegt unter 40 mmHg
 
Bei Belastung kann die Extraktion daher nur um höchstens 20% (bis auf 90%) zunehmen; die Mehrversorgung mit Sauerstoff erfolgt im Wesentlichen über eine Steigerung der koronaren Perfusion: Bis ~400 ml/100g (eine Steigerung um das mehr als 5-fache des Ruhewertes).
 
Der Sauerstoffverbrauch des Herzmuskels kann bei schwerer körperlicher Belastung auf das Vierfache des Ruhewertes ansteigen
 
Die Differenz zwischen maximaler und basaler koronarer Perfusion bezeichnet man als koronare Reserve; als Quotient angegeben, sollte sie einen Wert über 3,5 ergeben (bei Gesunden findet sich ein Wert von etwa 5, d.h. die Durchblutung der Herzkranzgefäße kann unter Belastung fünffach ansteigen).

     Der Sauerstoffbedarf des Myokards steuert seine Durchblutung. Die Koronardurchblutung wird durch lokale metabolische Mechanismen reguliert: Adenosin, K+, H+ häufen sich mit zunehmender Muskelaktivität im Myokard an und bewirken Vasodilatation und bessere Blutversorgung; Abnahme von [ATP] und eine Ansammlung von AMP spielt wahrscheinlich ebenfalls eine Rolle. Auch endotheliale Wirkstoffe wie Prostazykline, NO wirken gefäßerweiternd.
 
Adenosin steigert die Myokarddurchblutung
 
     Zwischen einem Perfusionsdruck (Aortendruck minus enddiastolischer Ventrikeldruck) von 60 bis 180 mmHg wirken Mechanismen der Autoregulation; dadurch wird die Durchblutung des Herzmuskels gegenüber Blutdruckschwankungen stabilisiert. Bei 60 mmHg sind die Arteriolen maximal dilatiert, weitere Drucksenkung führt zu entsprechend verringerter Perfusion.

     Autonom-nervöse Einflüsse auf die Koronargefäße: Koronararterien sind dicht mit sympathischen Fasern versorgt, und Noradrenalin wirkt über α1-Adrenozeptoren auch an deren Arteriolen vasokonstriktorisch.

Auch in der Wand von Koronargefäßen wirkt Noradrenalin durch Aktivierung von α1-Adrenozeptoren vasokonstriktorisch
 
Dennoch reagieren Herzkranzgefäße auf sympathische Aktivität meist mit Vasodilatation. Der Grund: Der Sympathikus steigert Kontraktionskraft und Herzfrequenz und damit den Sauerstoffverbrauch des Myokards, was einen stärkeren (autoregulativ-vasodilatierenden) Einfluss auf die Gefäße hat als die α-Rezeptor-vermittelte Konstriktion. (Der Effekt kommt bei experimenteller Blockade der α-Rezeptoren noch deutlicher zum Ausdruck.)
 
Die verschiedenen dilatatorisch wirkenden Faktoren wirken bei Steigerung des myokardialen Blutbedarfs so zusammen, dass die weicher gewordene Wand der Koronararterien durch den Blutdruck stärker aufgedehnt wird (wodurch sich ihr Innenradius erhöht und der Strömungswiderstand - nach Hagen-Poiseuille - entsprechend dem Faktor 1/r4 sinkt - s. dort). Man sagt, die Koronargefäße werden bei Belastung des Körpers druckpassiv gedehnt.
 
Bei körperlicher Belastung sinkt der Strömungswiderstand in den Koronargefäßen. Die Durchblutung des Myokards nimmt im Ausmaß der Steigerung der Herzleistung zu
 
     Der linke Ventrikel komprimiert während der Systole seine eigenen Versorgungsgefäße, insbesondere die subendokardialen; die linksmyokardiale Perfusion konzentriert sich auf die Diastole, wo der arterielle Druck über dem im Muskelgewebe liegt. Die Herzfrequenz beeinflusst die Durchblutung des linken Ventrikels entsprechend dem Zeitanteil, den die Systole in Anspruch nimmt. Bei Tachykardie sind die Äste der a. coronaria sinistra insgesamt länger komprimiert, was die Durchblutung erschwert. (Die Perfusion des rechten Ventrikels ist durch die Schlagfrequenz ziemlich unbeeinflusst.)

  Mehr zur koronaren Durchblutung s. dort

Bei eingeschränkter Durchblutung der Herzkranzgefäße (koronarer Herzkrankheit) leiden die subendokardialen Muskelschichten am meisten, Myokardinfarkte treten am häufigsten in den inneren Schichten des linken Ventrikels auf.
 
  ß-Blocker senken die Herzfrequenz und erhöhen dadurch Diastolendauer und linksventrikuläre Perfusion.
 
Nitrate senken durch ihren allgemeinen vasodilatatorischen Effekt (NO) sowohl die Vorlast als auch die Nachlast des Herzens, der myokardiale Sauerstoffbedarf sinkt und die Koronarperfusion nimmt ab.
 
Calcium (kanal) blocker dilatieren Koronargefäße (Perfusionssteigerung) und periphere Gefäße (sinkende Nachlast für das Herz) und senken damit den myokardialen Sauerstoffbedarf.
 
Gehirn: Zerebrale Perfusion

    Das Gehirn hat etwa 2% der Masse des gesamten Körpers, beansprucht aber ~15% des Ruhe-Herzzeitvolumens. Gleichzeitig hat es von allen Geweben die geringste Ischämietoleranz: Vollständige Unterbrechung der Gehirndurchblutung für nur einige Sekunden führt zu Bewusstlosigkeit, für einige Minuten (bei Körpertemperatur) zu bleibenden Schäden (bei Abkühlung des Kopfes erweitert sich diese Zeitspanne). Außerdem ist das Gehirn für seinen Energiestoffwechsel vollständig abhängig vom Blutzucker: Der Glucoseverbrauch beträgt etwa 100 Gramm pro Tag (der Glykogenvorrat der Leber beträgt maximal ~150 g).

Nerven-, Glia- und Gefäßwandzellen arbeiten bei der Steuerung der lokalen Durchblutung im Sinne
neurovaskulärer Einheiten (neurovascular units) zusammen: Bei synaptischer Aktivität setzen Neurone und Glizallen Vasodilatoren frei, gleichzeitig werden lokale Interneurone angeregt, die auf die entsprechenden Gefäße projizieren. Dadurch wird die Vasodilatation auf die jeweils aktiven Gebiete fokussiert.

Reflexe sorgen normalerweise durch Anpassung von Herzzeitvolumen und peripherem Widerstand zur Stabilisierung des arteriellen Blutdrucks und damit der globalen Durchblutung des Gehirns. Das ist auch insoferne wichtig, als das Gehirn - das bei aufrechter Körperhaltung am weitesten vom hydrostatischen Indifferenzpunkt entfernte "oben" liegende Organ - eine gefährdete Position hat. Das merkt man sofort, wenn es zu orthostatischen Regulationsstörungen kommt. Tatsächlich sinkt die Gehirndurchblutung beim Aufrichten des Körpers etwas ab, trotz der sofort einsetzenden Gegenregulation.
 
 
Abbildung: Gehirndurchblutung in Abhängigkeit von arteriellen O2- und CO2- Partialdrucken sowie arteriellem Blutdruck
Nach einer Vorlage in Stoelting's Pharmacology & Physiology in Anesthetic Practice, 5ed. 2014. Lippincott Williams&Wilki

Die Abszisse gibt Werte für Blutdruck (rote Kurve), Sauerstoffpartialdruck (strichlierte Kurve) und pCO2 (grüne Kurve) an.
 
  Mit steigendem Kohlendioxidwert (normal ~40 mmHg) nimmt die Gehirndurchblutung zu
 
  Sauerstoffpartialdruckwerte unter ~50 mmHg steigern die Gehirndurchblutung
 
  Zwischen ~50 und ~150 mmHg arteriellem Blutdruck bleibt die zerebrale Perfusion weitgehend konstant (Autoregulation)

Die Durchblutung des Gehirns ( Abbildung) ist insgesamt recht konstant (~55 ml/min/100g), regional aber unterschiedlich (graue Hirnsubstanz ist stoffwechselintensiver und daher stärker durchblutet als weiße) und je nach aktuellem Energieumsatz wechselnd (gesteigert bei hohem Aktivitätslevel neuronaler Schaltkreise, stark erhöht bei epileptischen Massenentladungen).
 
15% des Ruhe-Herzzeitvolumens beansprucht das Gehirn (zerebrale Perfusion)
 
Die Regulation der zerebralen Perfusion erfolgt durch neuronale, metabolische und myogene Mechanismen:

Neuronal: Die Versorgung der Gehirngefäße durch sympathische postganglionäre Fasern aus dem ggl. cervicale superius erfolgt über a. carotis interna und aa. vertebrales, circulus arteriosus Willisii und deren Gefäßäste; sie wirken vasokonstriktorisch. Es gibt auch parasympathische Versorgung über den N. facialis, diese Fasern bewirken moderate Vasodilatation. Schließlich verfügen die Gehirngefäße über sensorische Fasern mit Zellkörpern in den Ganglien des N. trigeminus, die CGRP freisetzen können (der auf molarer Basis am stärksten wirksame Vasodilatator) und auf diese Weise gefäßerweiternd wirken (und Migraine auslösen können).

Myogen: Die richtige Adjustierung der Gehirndurchblutung ist in erster Linie durch lokale Mechanismen gewährleistet; myogene Autoregulation durch den Bayliss-Effekt sorgt für weitgehend konstante Gesamtdurchblutung über einen Bereich etwa zwischen 50 und 150 mmHg arteriellem Druck (auf Kopfhöhe).
 
Die Gehirndurchblutung unterliegt myogener Autoregulation - steigt der Druck in einer kleinen Arterie, kontrahiert ihre Wand
 
Metabolisch: Durch den Abbau von ATP ensteht Adenosin, das gefäßerweiternd wirkt. Abnahme des pH und des pO2 wirken ebenfalls durchblutungssteigernd. Hyperkapnie (arterieller pCO2>45 mmHg) führt zu Erweiterung der Widerstandsgefäße und Durchblutungssteigerung im Gehirn; umgekehrt führt Hypokapnie (arterieller pCO2<35 mmHg) zu Vasokonstriktion und Absinken der zerebralen Perfusion (übertriebene Atemtätigkeit kann zu CO2-Mangel und Bewusstlosigkeit führen).
 
Hypokapnie (sinkender pCO2) oder hoher pO2 bewirken zerebrale Vasokonstriktion und senken die Gehirndurchblutung
 
Intensive Hyperventilation kann zu Schwindel und Bewusstlosigkeit führen
  
Weiters nimmt der Gefäßwiderstand mit steigendem Liquordruck zu, die Gehirndurchblutung ab: Der erhöhte intrakranielle Druck verengt die Gefäße. Das Gehirn reagiert mit systemischer Steigerung des Blutdrucks (Cushing-Reflex, Ischämiereflex, Cushing effect, C. response, C. phenomenon, C. reaction, C's Law). Vermutlich wird das Vasomotorenzentrum der medulla oblongata durch den erhöhten Hirndruck stimuliert.

Der Hirndruck nimmt auch bei Gehirnerschütterung / Schädel-HirnTrauma zu und
die zerebrale Perfusion infolgedessen ab.

Die Körperposition hat deutliche Auswirkung auf die Gehirndurchblutung, trotz der Autoregulation: Der Perfusionsdruck nimmt beim Wechsel von liegender zu aufrechter Stellung aus hydrostatischen Gründen ab (z.B. von ~85 mmHg im Liegen auf ~55 mmHg in Stehen), die Perfusion nimmt ab (bis 20%, bei schwacher orthostatischer Regulation auch stärker). Im Liegen ist die Hirndurchblutung höher als im Sitzen oder Stehen. Außerhalb des Autoregulationsbereichs ist der Effekt des Lagewechsels auf die Hirndurchblutung intensiver: So kann es bei starker Hypotonie beim Aufstehen zu orthostatisch bedingter Synkope kommen.

Mehr zur Gehirndurchblutung s. dort

Nieren: Renale Durchblutung
    Die Nieren erhalten pro Minute etwa einen Liter Blut (20% des Ruhe-HZV). Beide Nieren wiegen etwa 300 g, ihre spezifische Durchblutung beträgt damit ca. 330 ml/min/100g, einer der höchsten Werte im Organismus (hohe funktionelle Perfusion).
 
Die Nieren beanspruchen etwa 20% des Ruhe-Herzzeitvolumens bei Indifferenztemperatur
 
Innere Blutungen aus renalen Arterien können leicht unbemerkt bleiben und rasch zu lebensbedrohlichem Kreislaufschock führen
 
Etwa 90% der renalen Perfusion geht in die Nierenrinde, wo der Großteil der stoffwechselintensiven Transportvorgänge vor sich gehen (z.B. die Rücjresorption der meisten Salze in den proximalen Tubuli). Das Nierenmark nimmt nur 10% der Durchblutung in Anspruch, und nur 1-2% des Blutflusses gelangt in die Zone der Nierenpapillen. Hier ist der Stoffwechselaufwand gering, und die niedrige Perfusion schützt das Nierenmark vor osmotischem "Auswaschen", was seine Konzentrierungsaufgabe erschweren würde (s. dort).

Ein Mindest-Blutdruck von 70 mm Hg ist für einwandfreie Nierenfunktion und ausreichende Harnbildung notwendig. Die Nierendurchblutung wird durch Autoregulation stabilisiert und autonom-nervös gesteuert.
Die Nierendurchblutung ist bei Kreislauf- oder psychischem Stress herabgesetzt, z.B. bei körperlicher Belastung, im Stehen, bei Hitzebelastung, auch bei Lärmeinfluss.
 
  Zur Struktur der Nierengefäße s. dort
 
  Über die Steuerung der Nierendurchblutung s. dort
 
  Über die Messung der Nierendurchblutung (renale Perfusion) s. dort
  
Durchblutung der Skelettmuskulatur
 
  Zur Steuerung der Muskeldurchblutung s. auch dort
 
  Der Sauerstoffbedarf des Organismus ist im Wesentlichen von der Muskelaktivität bestimmt: Er beträgt bei einer erwachsenen Person im Ruhezustand etwa 0,3 l/min. Mit zunehmender physischer Belastung nimmt der Sauerstoffbedarf zu; steigt er um 1 l/min, erhöht sich das Herzzeitvolumen um ~6 l/min, also etwa um den Betrag des Ruhe-Herzzeitvolumens.

Pro 100 g Muskelgewebe beträgt die Ruhedurchblutung im Schnitt 5-10 ml/min. Die funktionelle Bandbreite ist enorm und hängt vom Muskeltyp ab: Die spezifische Ruhedurchblutung phasischer (Typ II-) Muskeln beträgt 3-5, diejenige tonischer (Typ I-) Muskeln
~15 ml/min/100g (dieser Muskeltyp hat eine höhere Kapillardichte als der phasische). Bei Belastung steigt der Wert bei Typ II auf bis zu 250, bei Typ I bis zu 400  ml/min/100g.


Abbildung: Aufteilung des Herzminutenvolumens bei Ruhe und maximaler Ausbelastung - bei untrainierten und maximal trainierten Personen
Nach Joyner MJ, Casey DP. Regulation of Increased Blood Flow (Hyperemia) to Muscles During Exercise: A Hierarchy of Competing Physiological Needs. Physiol Rev 2015; 95: 549-601

Werte für gesunde erwachsene Personen (links), einen gesunden untrainierten jungen Mann (Mitte) und einen Elite- Ausdauersportler (rechts).
 
Die Muskeldurchblutung kann ~40fach ansteigen (das Herzminutenvolumen bis 8-fach). Die renale Durchblutung sowie die der Leber und des Gastrointestinaltrakts (Splanchnicusgebiet) nimmt bei Muskelbelastung stark ab, die des Herzmuskels (Koronarperfusion) proportional zur Belastung zu.
Der Betrag der zerebralen Perfusion (global) bleibt im Wesentlichen unverändert.
 
Die maximale Herzfrequenz unter Belastung ist bei hochtrainierten Menschen praktisch gleich wie bei untrainierten, der entscheidende Faktor ist daher das Schlagvolumen, das bei Spitzensportlern extrem zunimmt - geschuldet einer hohen diastolischen Füllungscompliance


Die Umstellung des Kreislaufs bei körperlicher Belastung schließt u.a. eine Kontraktion venöser Gefäße ein, was deren Volumendehnbarkeit verringert und Blut Richtung Herz mobilisiert, das auf diese Weise die Stabilität des arteriellen Blutdrucks unterstützt. Diese Vasokonstriktion wird - wie bei den Arteriolen - über  α1-Adrenozeptoren vermittelt, die auf das von sympathischen Fasern freigesetzte Noradrenalin intensiv ansprechen. Die venösen Gefäßgeflechte, aus denen besonders viel Blut entspeichert werden kann, befinden sich im Splanchnicusgebiet und in der Haut.
 
Die Vasokonstriktion von Haut- und Splanchnicusgefäßen erfolgt über α1-Rezeptoren
 
Arteriolen in der Skelettmuskulatur werden zusätzlich von cholinergen sympathischen Fasern versorgt; diese setzen insbesondere bei Stresseinwirkung Acetylcholin frei (Wirkung auf muskarinische Rezeptoren), auch Stickstoffmonoxid (NO) und vasoaktives intestinales Peptid (VIP), und wirken vasodilatatorisch und somit durchblutungsfördernd - was in einer fight or flight-Situation vorteilhaft ist.

In solchen Situationen kommt es zu genereller Vasokonstriktion außer im Skelettmuskel bei gleichzeitig erhöhter Arbeitsleistung des Herzens, und der systemische Blutdruck wird trotz des Widerstandsverlusts im Bereich der Arteriolen der Skelettmuskulatur (die maximal durchblutet werden muss) stabil gehaltem.
  


Abbildung: Mikrovaskuläre Einheit
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016

Nach mehreren Aufzweigungen ziehen terminale Arteriolen senkrecht zur Längsachse der Muskelfasern und geben Kapillaren zur Versorgung der Muskerlfasern ab. Diese leiten das Blut in Venen weiter, die parallel zu den terminalen Arteriolen angeordnet sind.
 
Die Zone zwischen zwei solchen Venen nennt man eine mikrovaskuläre Einheit, sie ist ≤1 mm lang


Mikrovaskuläre Einheiten (microvascular units) nennt man das Versorgungsgebiet terminaler Arteriolen im Skelettmuskel, die entlang der Querachse der Muskelfasern laufen und (als funktionelles Äquivalent zu präkapillären Sphinkteren) Blut in Kapillaren enlassen. Diese zweigen quer (in Längsrichtung der Faserrn) ab und leiten das Blut in Venen weiter, die wiederum senkrecht zur Längsachse ziehen ( Abbildung). Mikrovaskuläre Einheiten im Skelettmuskel sind höchstens einen Millimeter lang und liegen jeweils zwischen zwei Venenästen.

Mikrovaskuläre Einheiten beinhalten etwa 15-20 Kapillaren und stellen für die Regulation der Durchblutung eine basale Größe dar: Die Weite der sie versorgenden Arteriole bestimmt das Ausmaß ihrer Perfusion. Verstärkt eine Muskelfaser ihre Aktivität (stärkere Entladung ihrer motorischen Einheit), müssen sämtliche sie versorgenden m
ikrovaskulären Einheiten ihre Durchblutung steigern (koordinierte Vasodilatation).
 
Die Ruhedurchblutung der Skelettmuskulatur ist relativ gering (insgesamt deutlich weniger als 1 l/min), die Maximaldurchblutung hingegen enorm hoch (bis etwa das Vierfache des gesamten Ruhe-Herzminutenvolumens, bei Hochtrainierten noch mehr). Das Verhältnis von maximaler zu Ruheperfusion ist besonders hoch.
  
Bei der Skelettmuskulatur ist das Verhältnis von maximal möglicher zu Ruhedurchblutung am höchsten (vgl. dort)

Maximal belastete Muskeln verbrauchen
~20-mal mehr Sauerstoff als unbelastete
 
Bei einer untrainierten Person ist bei einer 3-4fachen Erhöhung des Herzzeitvolumens Schluss ( Abbildung oben); hochtrainierte Sportler kommen auf wesentlich höhere Maximalbeträge, und ihr Sauerstoffkonsum kann dementsprechend auf mehr als das Zwanzigfache des Ruhewertes ansteigen.
 
Steigt die Sauerstoffaufnahme um 1 l/min, bewirkt das eine eine Steigerung des Herzzeitvolumens um ~6 l/min.
 
Der Skelettmuskel ist das Organ mit dem größten Anteil an Kapillaren am Organgewicht (besonders dicht ist die Kapillarisierung der Typ-I-Muskeln).
    
Bei Sauerstoffmangel (plötzliche Mehrdurchblutung, Ischämie bei Stenose) kann das Muskelgewebe die Sauerstoffausschöpfung aus dem Blut bis auf ~90% steigern
 
Belastung des Muskels führt lokal zu mehreren metabolischen Faktoren, die hier eine Vasodilatation und damit reaktive Hyperämie hervorrufen. Dazu gehören Abfall des Sauerstoffpartialdrucks, Zunahme des Kohlendioxidpartialdrucks, lokale Azidose, extrazelluläre Anreicherung von Adenosin und Kaliumionen; Details über das Muster der beteiligten Vasodilatatoren sind nach wie vor strittig.
 

 
     Sympathische Kontrolle: Die Arteriolen in der ruhenden Muskulatur (40-45% des Körpergewichts - der größte "Verbraucher" im Kreislauf) stehen unter starkem Einfluss des sympathischen Tonus. Dieser ist im Ruhezustand niedrig, fällt er aber weg (experimentell), nimmt die Durchblutung (ohne Muskelarbeit!) auf das Doppelte zu (Ausfall der Noradrenalinwirkung an α-Rezeptoren → arterioläre Vasodilatation).

Einerseits übt der Sympathikustonus einen konstriktorischen Effekt auf die Arteriolen der Skelettmuskulatur aus. Andererseits bewirken Scherkräfte am Endothel die Freisetzung von NO und somit Vasodilatation. Der gemeinsame Effekt dieser Gegenspieler ergibt den basalen Tonus der Widerstandsgefäße (und damit das Ausmaß der Durchblutung).

Bei maximaler Aktivität der sympathischen Fasern reduziert sich die Durchblutung in inaktiven Muskeln auf ~25% des normalen Ruhewertes (Noradrernalinausschüttung → arterioläre Vasokonsriktion → Widerstandserhöhung). Der sympathische Tonus zur Skelettmuskulatur ist in den arteriellen Baroreflex eingebunden, d.h. Blutdruckabfall erhöht die vasokonstriktorische Komponente und den peripheren Widerstand in der Skelettmuskulatur, und stabilisiert damit den arteriellen Blutdruck (auf Kosten der Durchblutung der Skelettmuskulatur - diese kann z.B. bei starkem Blutverlust bis auf 20% der normalen Perfusion abnehmen).

Bei Muskelarbeit steigt der Anteil der Durchblutung der gesamten Skelettmuskulatur von ~15% des (Ruhe-) Herzminutenvolumens auf bis >80% des (nunmehr stark erhöhten!) Herzminutenvolumens (Verhältnis etwa 1 zu 30). Die regulative Bandbreite ist also sehr groß: Die maximale Perfusion eines Muskels liegt beim Zigfachen seiner Ruhedurchblutung.

Die adrenerge Steuerung der Skelettmuskelgefäße ist unterschiedlich
: Die glatten Muskelzellen dieser Gefäße verfügen sowohl über α- (Kontraktion) als auch ß2-Rezeptoren (Dilatation). ß2-Rezeptoren reagieren empfindlicher auf Adrenalin als α-Rezeptoren. Normale Adrenalinspiegel bewirken im Skelettmuskel Dilatation und Perfusionssteigerung (weil dann die ß2-adrenerge Komponente überwiegt), bei hohem Adrenalinspiegel hingegen überwiegt die α-adrenerge Komponente, es kommt zu Vasokonstriktion (ceteris paribus). Aktive Muskeln werden hauptsächlich durch autoregulatíve Mehrdurchblutung versorgt.

Je stärker der Muskel belastet wird, desto mehr Sauerstoff extrahiert er aus dem Kreislauf, und die
arterio-venöse Sauerstoffdifferenz (AVDO2) steigt an. Das tut sie auch nach schwerer Muskelbelastung, um die zu Beginn der Arbeit eingegangene "Sauerstoffschuld" wieder zu kompensieren, d.h. so lange O2 für den Aufbau der Ruhereserven zu konsumieren, bis der Ausgangs-Ruhezustand wieder hergestellt ist.
 
Die Sauerstoffsättigung des gemischt-venösen Blutes sinkt bei körperlicher Belastung, die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz (AVDO2) nimmt zu
 
Die
AVDO2 ist auch nach Belastung über der Dauerleistungsgrenze einige Minuten lang erhöht (Abdecken der "Sauerstoffschuld")
 
Ausgeprägte Autoregulation sichert den aktiven Muskeln ausreichende Durchblutung, während unbeteiligte Muskelpartien durch den Einfluss des Sympathikus weniger Blut erhalten.

  
  Muskelarbeit: Das Herzzeitvolumen steigt bei Ausbelastung und mäßigem Trainingszustand bis zum 4-5fachen des Ruhewertes an, vorwiegend durch Steigerung der Herzfrequenz (die Kreislaufantwort auf beginnende Muskelbelastung wird von der hinteren Insel koordiniert). Die Muskelpumpe gewährleistet effizienten Rückstrom zum Herzen; die Durchblutung von Nieren und Gastrointestinalsystem wird gedrosselt (und, wenn möglich, auch die der Haut).
 
Das Herzzeitvolumen steigt bei körperlicher Belastung vor allem durch Steigerung der Herzfrequenz, das Schlagvolumen nimmt nur geringgradig zu
 
Bei hochtrainierten Athleten sind infolge kurzer Höchstleistung Herzminutenvolumina bis zu ~40 l/min gemessen worden ( Abbildung oben).
   
Bei Erreichen der Dauerleistungsgrenze verbraucht aktive Muskulatur ~20-mal mehr Sauerstoff als im Ruhezustand
  
Die Kontraktionen des Skelettmuskels fördern die Entleerung der Venen (was der Füllung des Herzens entgegenkommt), andererseits behindern sie auch die arterielle Durchblutung; für kurze Perioden springt die Sauerstoffreserve des Myoglobins ein, allerdings nur für eine Dauer von 5-10 Sekunden, bei längerer Kompression muss der Stoffwechsel des Muskels auf anaerobe Energiegewinnung (und Laktatbildung) ausweichen - und der Muskel ermüdet rasch.
 
  Über die Muskeldurchblutung im Zusammenhang mit dem Herzminutenvolumen s. dort
 
  Über die Steuerung des Kreislaufs bei körperlicher Belastung s. dort
 
  Über Muskelarbeit und venösen Rückstrom ("Muskelpumpe") s. dort
 
  Über die Steuerung der Atmung bei körperlicher Belastung s. dort
 
Die Mikrostruktur der Blutgefäße im Skelettmuskel sichert die Durchblutung trotz starker mechanischer Verformungen (Verkürzung der Kapillaren bei Muskelkontraktion). Die kleinste funktionell steuerbare Perfusionseinheit besteht aus einer terminalen Arteriole, die sich in einige parallel zu den Muskelfasern laufende Kapillaren aufteilt (wo der Stoffaustausch stattfindet), das Blut in eine postkapilläre Venole weiterleitet und als microvascular unit bezeichnet wird.
  
Verstärkte kapilläre Filtration bewirkt ein Anschwellen des arbeitenden Muskels. Bei starker Belastung kann das Plasmavolumen auf diese Weise um 10-15% abnehmen (was den Hämatokrit entsprechend erhöht).
  
Aktivierung der Muskelfasern (physische Belastung) ist ein Reiz zur Gefäßneubildung (angiogener Stimulus) - eines der wenigen Beispiele für physiologische Angiogenese auch nach Abschluß der körperlichen Entwicklung. Die bei Belastung auftretende Hypoxie im Muskelgewebe führt zur Sekretion von Wachstumsfaktoren, z.B. VEGF. VEGF wird in den Muskelzellen vesikulär gespeichert und wird bei Belastung in den Extrazellulärraum abgegeben. Hier wirkt er anregend auf Zellen, die in die Gefäßneubildung involviert sind. Dabei korrespondieren Satellitenzellen (Stammzellen der Muskulatur) und Endothelzellen (und Leukozyten) eng miteinander und beteiligen sich auch an Reparaturvorgängen nach Gewebeschädigung. Involvierte Signalstoffe sind außer VEGF FGF, IGF, HGF, PDGF u.a.
 
Haut: Kutane Perfusion
    Die Haut (Gewicht 2-3 kg, Dicke 1-2 mm, Oberfläche 1,6-2,0 m2 - Werte für erwachsene Personen) hat bei Thermoneutralität (~27°C) eine spezifische Durchblutung von 10-20 ml/min/100g (Mindestwert ~1, Maximalwert 150-200 ml/min/100g). Die 0,1 mm dicke Epidermis hat keine Gefäße, sie wird über Diffusion mit Sauerstoff versorgt.

Der Sauerstoffbedarf des Gewebes (Epidermis + Dermis) ist recht konstant und relativ niedrig; die Perfusion nimmt umso stärker zu, je mehr Wärme abgegeben werden muss, bis zum Betrag des Ruhe-Herzzeitvolumens (dieses steigt dann bis auf das Doppelte des Ruhewertes an). Die Hautdurchblutung kann zwischen 0,1 l/min (niedrigster Wert) und 5 l/min (z.B. bei längerem Aufenthalt in einer Sauna) liegen; die Haut ist ein Instrument der Thermoregulation.

 
Die Hautdurchblutung kann sich bei Hitzeeinfluss auf den Betrag des Ruhe-Herzzeitvolumens erhöhen (dabei verdoppelt sich das Herzzeitvolumen)
 
Die hohe Hautperfusion dient auch der Durchblutung der Schweißdrüsen. Der Abtransport von Wärmeenergie wird durch Verdunstung unterstützt. Je stärker die Haut durchblutet wird, desto mehr Blut speichern die Venennetze der Haut, und der Blutrückstrom zum Herzen nimmt ab.

Bei Indifferenztemperatur (unbekleidet 27-28°C) ist die Haut etwas kühler (
~33°C) als der Körperkern (37°C). Sie veträgt - zumindest für kürzere Zeitspannen - Temperaturen zwischen 0°C und 45°C (sie selbst ist poikolotherm, nicht homöotherm). Das Durchblutungsmuster der Haut übernimmt auch Signalfunktion (non-verbale Kommunikation über Erröten, Erblassen).

Im Schockzustand ist die Durchblutung der meisten Körpergebiete stark herabgesetzt, auch die der Haut, die dann blass und kühl erscheint.
 
  Mehr zur Durchblutung der Haut s. dort
 
Verdauungsapparat: Gastrointestinale Perfusion
 
Die Bauchaorta versorgt das gastrointestinale System (a. coeliaca, aa. mesenterica superior & inferior) sowie die Nieren (aa. renales) mit Blut - bei körperlicher Ruhe gibt sie dabei etwa die Hälfte des gesamten Herzzeitvolumens an die betreffenden Organe ab; die obere Mesenterialarterie, die rechte und linke Renalarterie jeweils etwa 10%. Ausgeprägte Kollateralen zwischen den Versorgungsgebieten der intestinalen Arterien dienen als Ischämieschutz - sie stellen sicher, dass alle Teile des Systems adäquat perfundiert werden, selbst wenn eines der Hauptgefäße eingeengt wäre.
 

Abbildung: Gefäßversorgung des intestinalen Systems
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016

Oben: Magen, Leber, Pankreas und Milz werden von der a. coeliaca versorgt, die Mesenterialarterien bringen Blut zum Dünn- und Dickdarm sowie zu Teilen des Magens und der Bauchspeicheldrüse - die Gefäßversorgung ist vernetzt. Die Pfortader bringt den Großteil des Blutes aus dem Intestinalsystem zur Leber.
 
Unten: Arterielle Verzweigungen gelangen durch die Wand des Darms in die innerste Gewebeschicht des Darmrohres. Hier verzweigen sie sich in Arteriolen, von denen einige einen submukösen Gefäßplexus bilden. Andere versorgen die Darmzotten, wo ein brunnenförmiges Kapillargeflecht eine große Resorptionsoberfläche für die Aufnahme resorbierter Stoffe bietet. Die zentrale Arteriole pumpt Blut in dieses Gefäßgeflecht, eine parallel laufende Venole transportiert das Blut (Richtung Pfortader) ab.
 
Ein zentrales Chylusgefäß übernimmt den Transport resorbierter Lipide in den systemischen Kreislauf

Die Durchblutung des Verdauungsapparates beansprucht mit etwa 1,5 Litern pro Minute einen großen Anteil (in Ruhe 30-35%) des Herzzeitvolumens (Ruhe) und ist damit stark kreislaufwirksam.

Das Splanchnicussystem steuert die sympathische Versorgung der Baucheingeweide und damit die Perfusion des Gastrointestinaltrakts. Bei Erhöhung des Sympathikustonus (Stress, körperliche Belastung) verstärkt sich der vasokonstriktorische Effekt, die Durchblutung der Baucheingeweide wird (zu Gunsten der Perfusion der Muskulatur) reduziert.
 
Der Gastrointestinaltrakt (inklusive Leber) beansprucht etwa 30% (24-35) des Ruhe-Herzzeitvolumens bei Indifferenztemperatur
 
Gesteigerter Sympathikustonus bewirkt Vasokonstriktion, reduziert die Perfusion und führt zu Entspeicherung von Blut aus venösen Darmgefäßnetzen. Dadurch wird Blut für das Herz mobilisiert, der venöse Rückstrom verbessert und die Vorlast des Herzens erhöht. Herzminutenvolumen und arterieller Druck können so durch Verringerung der Darmdurchblutung und intestinal-venöse Konstriktion unterstützt und die Kreislaufsituation stabilisiert werden.
 
Bei körperlicher Belastung steigt der Sympathikustonus und verengt über adrenerge (α1-) Rezeptoren Arteriolen im Splanchnicusgebiet und der Haut
 

Abbildung: Zeitverlauf hämodynamischer Änderungen nach Einnahme einer Mahlzeit
Nach Matheson PJ, Wilson MA, Garrison RN. Regulation of intestinal blood flow. J Surg Res. 2000; 93: 182-96

Der erste Reiz zur Änderung intestinaler Durchblutungsgrößen sind Anblick, Geruch und Geschmack von Speisen (Antizipation: zephale Phase), gefolgt von Wirkungen des Chymus auf sensorische Zellen im Darm (gastrische / intestinale Phasen).
 
Der Sympathikus mediiert Effekte während der ersten 30 Minuten nach Ingestion (der Blutdruck nimmt um ~10%, das Herzminutenvolumen um ~20, die Herzfrequenz um ~25% zu), die Resorption von Nahrungsstoffen während der darauf folgenden 1-3 Stunden bewirkt den sequentiellen Anstieg der Durchblutung im Dünndarm auf das Doppelte bis Dreifache der Nüchtern-Ruhewerte (metabolische Mediation)


     Die Regulationsbreite der gastrointestinalen Perfusion ist sehr hoch:

Die spezifische Perfusion des Darms beträgt im Nüchternzustand etwa 30 ml/100g/min. Postprandiale Vasodilatation bewirkt eine erhebliche Perfusionssteigerung (vgl. dazu spezifisch-dynamische Wirkung): Eine umfangreiche Mahlzeit kann die Durchblutung je nach Umfang und Zusammensetzung der aufgenommenen Nahrung auf bis zu ~250 ml/100g/min steigern - das entspricht einer Erhöhung bis auf das Achtfache (in der Abbildung auf das 2-3fache).

Dabei ändert sich die Perfusion lokal unterschiedlich, z.B. segmental je nach Fortschreiten der Vorgänge (Aufbereitung, Transport, Resorption) im Darm. Ein wesentlicher Adressat für die postprandiale Perfusionssteigerung ist die glatte Darmmuskulatur (Transport). Die Durchblutung der Mucosa bleibt für 2-4 Stunden nach einer Mahlzeit erhöht (Sekretion, Resorption).

An der Durchblutungssteigerung im Darm sind folgende Faktoren beteiligt:
 
     Im Rahmen der "zephalen Phase" der Verdauung erfolgt die entsprechende Vasodilatation antizipatorisch (bevor überhaupt Nahrung in das Intestinum gelangt).
 
     Die Resorptionsaktivität der Schleimhaut führt zur Freisetzung von Vasodilatantien wie Adenosin und CO2 (der Parasympathikus wirkt indirekt durchblutungsfördernd, indem er Transport und Sekretion - und damit die Resorption - anregt)
 
     Die Resorption erhöht die Osmolalität in den Gefäßen der Darmzotten, dies alleine wirkt schon perfusionssteigernd.
 
     Einige Verdauungshormone (CCK) sowie Kinine wirken lokal vasodilatatorisch.
 
     Gallensäuren und partiell verdaute Fette steigern ebenfalls die Durchblutung.

Vasokonstriktion und Ischämie: Umgekehrt kann erhöhter Sympathikustonus (Stress, Muskelarbeit) die Durchblutung des Darms von ~30 auf etwa 10 ml/100g/min - im Extremfall sogar bis auf ein Fünftel des Ausgangswertes - reduzieren. Die Vasokonstriktion ist α-adrenerg bedingt und erstreckt sich auf die Muscularis wie die Mucosa gleichermaßen (keine Umverteilung von Blut zwischen diesen beiden Schichten).

Die vasokonstriktorische Wirkung im Splanchnicusgebiet führt zu Entspeicherung von Blut aus venösen Gefäßen im Bauchraum, was den venösen Rückstrom zum Herzen in Belastungssituationen unterstützt (zentrales Blutvolumen) und der Durchblutung der Muskulatur zugutekommt.
 
Mehrdurchblutung nach Mangeldurchblutung: Reaktive Hyperämie
  

Reaktive (postischämische, postokklusive) Hyperämie ( Abbildung): Gewebe, die schwächer durchblutet werden als dies ihrem Stoffwechselbedarf entspricht, reagieren mit Erweiterung ihrer Widerstandsgefäße und erleichtern dadurch ihre Perfusion. Zeitlich gesehen bedeutet dies, dass auf eine Minderperfusion eine entsprechende Korrektur (Perfusionssteigerung) folgt. Da diese Hyperämie als Reaktion auf eine Störung (mangelnde Perfusion) erfolgt, spricht man von reaktiver Hyperämie.
 

Abbildung: Reaktive Hyperämie

Roter Pfeil: Durchblutung (Perfusion) im Kontrollzustand. Nach Beendigung der Blutleere (die in diesem Beispiel 2 Minuten dauert) steigt die Perfusion vorübergehend bis zum ~3-fachen des Kontrollwerts, um ca. 5 Minuten nach Ende der Ischämiephase wieder auf den Kontrollwert zurückzukehren.
 
Die Ischämieperiode bringt Hypoxie und Substratmangel (Folge: Lokale Azidose, Laktatanstieg etc). Diese metabolische Krisensituation wird in der "reaktiven" Hyperämiephase wieder behoben


Dieser Mechanismus ist sinnvoll, da er ein metabolisches Manko durch vermehrtes Sauerstoff- und Substratangebot wieder wettmacht. Die Reaktion entspricht dem typischen Zeitverlauf, der sich ergibt, wenn eine aus dem Gleichgewicht geratene Regelgröße durch ein Regelsystem wieder in den optimalen Bereich zurückgebracht wird. Dabei ergibt sich ein "Overshoot", bis sich die Regelgröße wieder auf den Sollwert eingependelt hat ( Abbildung).



Die reaktive Hyperämie ist ein kurzzeitiges Phänomen: Sie dauert einige Sekunden bis Minuten an. Ursache ist die lokale Anhäufung humoraler Faktoren (Metaboliten) im Gewebe, die während der vorausgegangenen Phase der Unterdurchblutung / Hypoxie ins Interstitium freigesetzt werden;
reaktive Hyperämie funktioniert unabhängig von neuralen Mechanismen. Dauert die vorausgehende Ischämiephase höchstens eine halbe Minute an, dominiert eine myogene Reaktion der Gefäßwand, bei längerdauernder Ischämie spielt auch der Abfall des Sauerstoffpartialdrucks eine Rolle. In jedem Fall spielt die Bildung von Stickstoffmonoxid eine Rolle.



Beispiel: Drückt man eine Zeit lang fest auf die Haut, werden hier die Blutgefäße komprimiert und die Haut wird unterdurchblutet - ein weißer Fleck ist sichtbar. Wird der Druck beendet, bleibt das Gewebe hypoxisch zurück, und das vorübergehend unterversorgte Gewebe - das in dieser Situation Vasodilatantien angereichert hat - wird nun vermehrt durchblutet, an Stelle des weißen bildet sich ein roter Fleck aus (beliebte Demonstration in manchen Physiologie-Übungen).
 
Eine alternative Vorgangsweise ist, Adrenalin in die Haut einzubringen - es führt zu intensiver Vasokonstriktion, und auch hier tritt ein weißer Fleck auf. Nach einiger Zeit verschwindet die "Störgröße" Adrenalin, und durch die jetzt aktive Vasodilatation entsteht ein roter Fleck.

Reaktive Hyperämie lässt sich in mehreren Geweben / Organen nachweisen - so wurde z.B. gezeigt, dass auch die Leber zu reaktiver Hyperämie fähig ist, und zwar schon unter alltäglichen Bedingungen (wie orthostatische Einflüsse), die vorübergehend
zu reduzierter hepatischer Perfusion führen.
 



 
Erhöhter Druck in den Pulmonalgefäßen beeinflusst das rechte Herz und kann eine Hypertrophie verursachen (cor pulmonale), bedingt durch Lungenfibrose nach intensiver Strahlentherapie, Lungenemphysem, Lungentuberkulose u.a.
 
Hämorrhagie

Intensiver Blutverlust senkt das Blutvolumen und den venösen Rückstrom zum Herzen. Damit nimmt der Blutdruck und die Versorgung der Gewebe ab; der Kreislauf reagiert mehrphasig, mit einer sofortigen, einer frühen und einer späten Antwort:
  Die Sofortreaktion erfolgt in Sekundenschnelle. Ihr Ziel ist die Stabilisierung der Perfusion lebenswichiger Organe. Druckrezeptoren (venös und arteriell) regen eine sympathische Reaktion an: Das Herz schlagt rascher und kräftiger (Tachykardie, positive Inotropie), die Widerstandsgefäße kontrahieren (zunächst generell, Autoregulation stellt aber rasch die Perfusion von Hirn, Herz und Nieren sicher, während Haut, Darm und Muskeln hypoperfundiert werden), und die Kapazitätsgefäße (Venen) kontrahieren, was den venösen Rückstrom unterstützt.
  Die frühe Antwort erfolgt Minuten bis Stunden nach dem Blutverlust. Ihr Ziel ist die interne Restitution des Blutvolumens. Dies erfolgt durch kapilläre Resorption (Autotransfusion - bis zu 500 ml in 30 Minuten), Steigerung des Blutzuckerspiegels (sympathisch angeregte hepatische Glykogenolyse und Glukoneogenese mit entsprechendem osmotischem Effekt), Konservierung von Salz und Wasser (aktiviertes Reninsystem, inhibierte natriuretische Peptide, Vasopressinfreisetzung, Cortisolsekretion).
  Im Rahmen der späten Reaktion - weitere Restitution des Blutvolumens - steigt das Plasmavolumen in den folgenden zwei Tagen durch vermehrte Aufnahme von Wasser und Elektrolyten. Innerhalb von 4-6 Tagen wird verlorengegangenes Albumin von der Leber nachgebildet. Die Hämoglobinkonzentration normalisiert sich im Zuge einige Wochen gesteigerter Hämatopoese (vorausgesetzt, es ist genügend Eisen verfügbar).
 
Kreislaufschock
 Bei den meisten Schockformen ist  das Herzminutenvolumen herabgesetzt, entweder weil das Herz selbst geschädigt ist (kardiogener Schock), oder weil zu wenig Blut aus der Kreislaufperipherie zuströmt.

Angemessene Durchblutung aller Körpergebiete ist im Schock nicht mehr gewährleistet. Gehirn und Herzmuskel werden im Zustand der Zentralisation noch ausreichend mit Blut versorgt, nicht aber die Baucheingeweide, insbesondere die Nieren (die Durchblutung im Splanchnicusgebiet kann bei starker sympathischer Reizung um ~80% sinken). Das führt bei längerer Schockdauer zu Schädigungen, die schließlich nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Auch die Haut wird auf Grund des hohen Sympathikuseinflusses kaum durchblutet, ihre Temperatur kann deutlich sinken und sie erscheint wegen des geringen Blutgehaltes blass.

 
Im Schockzustand wird reflektorisch der periphere Widerstand erhöht - die Durchblutung der Haut (Blässe) und des Splanchnicusgebietes ist reduziert
 
Entscheidend sind rechtzeitige Gegenmaßnahmen. Diese müssen entsprechend der Schockursache erfolgen. Die Harnausscheidung zeigt an, ob die Nieren noch ausreichend mit Blut versorgt sind; sie soll nicht unter 0,5-1,0 ml pro kg Körpergewicht und Stunde betragen.

Folgende Ursachen bzw. Arten des Schocks können unterschieden werden:


      Volumenverlustschock: Blutverlust (Unfall; Blutung nach außen oder nach innen) führt zu ungenügendem Rückstrom zum Herzen und herabgesetztem Herzzeitvolumen. Volumenverlustschock behandelt man durch Auffüllen des fehlenden Volumens. Man verwendet u.a. Plasmaersatzstoffe, Infusionslösungen mit kolloidosmotischer Wirkung: Sie bleiben im Kreislauf und “saugen” interstitielle Flüssigkeit an.

      Kardiogener Schock: Schädigung des Herzens (meistens Herzinfarkt) bedingt ungenügendes Herzzeitvolumen. Kardiogenen Schock behandelt man durch  Entlastung und Stärkung der Herzfunktion, notfalls Herzmassage, Kardioversion (Defibrillation).

      Schock durch Fehlregulation des Gefäßtonus (z.B. infolge einer Verletzung von Hirnstamm oder Rückenmark: neurogener Schock) mit niedrigem peripherem Widerstand ("Fehlverteilungsschock", “Widerstandsverlustschock”) geht mit funktionell ungünstiger Verteilung des Blutvolumens (peripheres Pooling), Blutdruckabfall und Absinken des Herzzeitvolumens einher. Fehlverteilungsschock kann durch kreislaufwirksame Mittel und (auch) horizontale Lagerung behandelt werden.
 
Zur Akuttherapie des Kreislaufschocks gehören die Sicherung des Gasaustausches (Atmung), Bekämpfung von Azidose (Puffer) und Stabilisierung des Blutdrucks (Vasopressoren).
 

 
      Das Herzzeitvolumen (HZV) beträgt bei körperlicher Ruhe und Indifferenztemperatur ~3 l/min/m2 Hautoberfläche (cardiac index) und wird auf die Körpergebiete bedarfsgemäß aufgeteilt. Der periphere Widerstand wird so eingestellt, dass einerseits die Durchblutung ausreichend ist, andererseits der arterielle Blutdruck stabil bleibt. Die größte Blutmenge (>80%) enthält das Niederdrucksystem, besonders speicherfähig sind die Venen der Bauchorgane (N. splanchnicus) und die Venengeflechte der Haut (Thermoregulation). Unter Basisbedingungen erhalten das Verdauungssystem ~30%, die Nieren ~20%, das ZNS ~15%, die Skelettmuskulatur ~15%, das Fettgewebe ~10%, das Myokard ~5% und andere Gewebe ~5% des HZV. Diese Verteilung ist veränderbar, insbesondere bei körperlicher Arbeit. Im Schockzustand steigt der periphere Widerstand, die Durchblutung der Haut (Blässe) und des Splanchnicusgebietes (Verdauungssystem) ist erniedrigt, beide Gebiete entspeichern ihre Venen
 
      Die Sauerstoffextraktion (arterio-venöse Sauerstoffdifferenz AVDO2) gibt an, wieviel der mit dem Blut angebotenen O2-Menge ein Gewebe ausschöpft (arteriell angeboten minus venös abtransportiert). Die O2-Ausschöpfung liegt zwischen wenigen % (gut durchblutete Haut, Niere) bis >90% (hochaktive Muskeln) der arteriell angebotenen Menge. Die hohe (~75%) O2-Sättigung des gemischt-venösen Blutes bei Körperruhe bedeutet eine funktionelle Reserve für körperliche Belastung. 100 ml Blut können ~20 ml O2 transportieren (Hämoglobingehalt 15 g/100 ml, Hüfner'sche Zahl 1,34 ml O2/g Hb). Aus Durchblutung und [AVDO2] errechnet sich der O2-Verbrauch
 
      Die Perfusion der Gewebe hängt von ihrem metabolischem Aufwand ab. Die spezifische Durchblutung (ml/min/100g Gewebe) ist im angeregten / aktiven Zustand am höchsten in Speicheldrüsen und der Nierenrinde (Salztransport), gefolgt vom Myokard (die spezifische Durchblutung des Myokards ist generell höher als die des Skelettmuskels) und Verdauungssystem (postprandial). Starke Erhöhungen finden sich auch in Haut und Skelettmuskel. Die höchste spezifische Durchblutung im Basiszustand haben Nieren, Myokard und Gehirn
 
      Blutgefäße haben einen aktiven Gefäßtonus, bedingt durch myogene (lokale vasoaktive Substanzen, Ca++) und neurogene (sympathisch-adrenerge) Faktoren. Resultat ist ein bestimmter Gefäßquerschnitt und damit Strömungswiderstand (Leitfähigkeit nimmt mit der 4. Potenz des Innenradius zu). Vasodilatation steigert, Vasokonstriktion senkt die Perfusion. Vasodilatation kann erfolgen durch Purine, pCO2-Anstieg, pO2-Abfall, pH-Senkung (metabolisch); Prostazyklin, NO (endothelial); Kinine, Histamin (humoral); ß-adrenerg (nerval). Vasokonstriktion erfolgt durch Endotheline (endothelial), Vasopressin, Angiotensin u.a. (humoral), α-adrenerg (nerval), Gefäßwanddehnung (myogen - Bayliss-Effekt). Der Kontraktionsgrad größerer arterieller Gefäße unterliegt dem sympathischen Tonus, der von Arteriolen weitgehend myogenen Mechanismen. Im Sekundenbereich wirken Autoregulation (Aktivierung mechanosensitiver Ionenkanäle), Stickstoffmonoxid (bei gesteigerter Schubspannung am Endothel freigesetzt) und andere lokale Mechanismen; weiters der Barorezeptorreflex (Druckstabilisierung) und kardio-pulmonale Reflexe (Volumensteuerung). Im Minutenbereich wirken Katecholamine, Aldosteron, Vasopressin. Längerfristig wirken Umstellungen des Flüssigkeitshaushalts sowie morphologische Anpassungen (Gefäßwände: Compliance)
 
      Der Pulmonalkreislauf (alveolärkapilläre Passagezeit ~0,3-1 s) liefert eine Füllungsreserve für den linken Ventrikel (~600 ml, atmungsabhängig), bearbeitet Hormone und filtert Thromben (allenfalls Fett- und Gasemboli). Seine dünnwandigen Gefäße haben einen niedrigen Ruhetonus (kaum sympathischer Einfluss) und sind dehnungspassiv. Bei Sauerstoffmangel kontrahieren sie (K+-AusstromDepolarisierung  Ca++-Einstrom), um das Blut in besser belüftete Regionen umzuleiten. ~100 m2 Endothel aktivieren Angiotensin über ACE, inaktivieren Serotonin und Eikosanoide. Prä- und postkapillärer Widerstand sind gleich groß, der Kapillardruck liegt in der Mitte zwischen dem arteriellen (~2 kPa) und venösen. Das Interstitium ist eiweißreich (hoher extravasaler kolloidosmotischer Druck), der Filtrationsdruck bleibt positiv und die Alveolaroberfläche feucht. Flüssigkeit sammelt sich aber nicht in der Alveole an: Alveolarepithel resorbiert Natrium, Wasser folgt nach. Gut belüftete Lungenpartien sind gut durchblutet (Euler-Liljestrand- Mechanismus: Venilations-Perfusions- Abgleich). Luftröhre, Bronchien, pleura visceralis und Teile des Ösophagus haben mit dem Bronchialkreislauf eine eigene Blutversorgung
 
      Die Koronardurchblutung (in Ruhe 70-80 ml/100 g, Sauerstoffextraktion ~70%) ist in erster Linie durch lokale metabolische Mechanismen (auto-) reguliert, sie steigt durch Adenosin, K+, H+, Prostazykline, NO (Vasodilatation). Bei Belastung steigt die Extraktion bis auf 90%, die Mehrversorgung mit Sauerstoff erfolgt in erster Linie über erhöhte Perfusion (bis ~400 ml/100g). Die Differenz zwischen basaler und maximaler Perfusion ist die koronare Reserve, sie sollte >3,5 betragen (um diesen Faktor kann die Durchblutung ansteigen). Koronararterien reagieren auf sympathische Aktivität meist mit Vasodilatation: Erhöhte Kontraktionskraft und Herzfrequenz steigern den myokardialen Sauerstoffverbrauch und damit autoregulativ die Durchblutung. Der linke Ventrikel komprimiert während der Systole seine Versorgungsgefäße (insbesondere subendokardial), die Perfusion erfolgt vor allem diastolisch
 
      Zwischen ~50 und ~150 mmHg arteriellem Druck wird die zerebrale Perfusion (~15% des Ruhe-HZV) myogen autoreguliert (~55 ml/min/100g), steigt aber mit steigendem pCO2 (normal ~40 mmHg; Hypokapnie bewirkt zerebrale Vasokonstriktion und sinkende Gehirndurchblutung, intensive Hyperventilation kann zu Schwindel und bis zu Bewusstlosigkeit führen) oder pO2-Werten <50 mmHg. Orthostase senkt die zerebrale Perfusion (bis ~20%, bei Regulationsschwäche auch stärker). Graue Hirnsubstanz ist stärker durchblutet als weiße, je nach aktuellem Energieumsatz
 
      Die adrenerge Steuerung der Skelettmuskelgefäße ist unterschiedlich: Diese verfügen sowohl über α- (Kontraktion) als auch ß2-Rezeptoren (Dilatation). Der Sympathikustonus zur Muskulatur ist meist niedrig; maximale Aktivität, wie bei starkem Blutdruckabfall (Baroreflex), reduziert die Durchblutung auf ~25% des normalen Ruhewertes. Bei Muskelarbeit steigt der Anteil der Durchblutung der gesamten Skelettmuskulatur von ~15% (Ruhe) auf bis >80% des (erhöhten) HZV. Steigt der O2-Bedarf um 1 l/min (Ruhe ~0,3 l/min), erhöht sich das HZV um ~6 l/min (Ruhe ~6 l/min). Hochtrainierte Sportler können ihren O2-Konsum verzwanzigfachen, die Muskeldurchblutung kann lokal bis zu ~40fach ansteigen (aktive Muskeln werden hauptsächlich durch autoregulatíve Mehrdurchblutung versorgt). Die O2-Sättigung des gemischt-venösen Blutes sinkt bei körperlicher Belastung, die Sauerstoffextraktion nimmt zu. Verstärkte kapilläre Filtration bewirkt ein Anschwellen des arbeitenden Muskels, das Plasmavolumen kann um 10-15% abnehmen (der Hämatokrit steigt an)
 
      In thermoneutraler Umgebung beträgt die spezifische Durchblutung der Haut ~10 ml/min/100g (insgesamt ~0,3 l/min). Die Perfusion dient auch der Durchblutung der Schweißdrüsen und kann zwischen ~1 und ~100% des Ruhe-HZV liegen. Je mehr Blut arteriell zuströmt, desto mehr speichern die Venennetze
 
      Das Verdauungssystem erhält ≥30% des Ruhe-HZV (~1,5 l/min). Erhöhter Sympathikustonus reduziert die Perfusion, führt zu Entspeicherung und Verbesserung des venösen Rückstroms zum Herzen. Körperliche Belastung steigert den Sympathikustonus und reduziert die intestinale Perfusion (α1-Rezeptoren). Eine umfangreiche Mahlzeit kann die Durchblutung des Darms verdoppeln (vasodilatatorische Autoregulation), maximaler Sympathikustonus (Stress, Muskelarbeit) bis auf ~20% des Normalwertes reduzieren
 
      Reaktive (postischämische, postokklusive) Hyperämie tritt nach Unterdurchblutung auf. Sie dauert einige Sekunden bis Minuten an, bedingt durch Metabolite, die während Hypoxie in das Interstitium freigesetzt werden. Für die Vasodilatation spielt Stickstoffmonoxid eine Rolle
 

 




  Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen: Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.