Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

  
Integration der Organsysteme
 
Atemgase, hypo- und hyperbare Umgebung
© H. Hinghofer-Szalkay
Argon: αργον = faul, untätig (reagiert nicht)
Helium: ἥλιος = Sonne (besteht zu 8,9% aus He)

Hyper-, hypobar: βαρύς = schwer, ὑπέρ = über, ὑπό = unter
Krypton: κρυπτός = das Verborgene
Neon: νέος = neu (1898 neu entdecktes Element
Paul Bert-Effekt: Paul Bert
Xenon: ξένος = fremd


Höhenanpassung hat mehrere Anteile:
 
   -- Fibroblasten in der Nierenrinde reagieren auf Hypoxie mit erhöhter Transkription des Erythropoetin-Gens

   -- Erythropoetin verstärkt die Blutbildung im Knochenmark, Eisen wird benötigt

   -- Zur Verbesserung der Eisenversorgung reduziert die Leber die Hepcidinsynthese (Hepcidin bremst die Eisenresorption)

   -- Damit wird Ferroportin im Darm und in Makrophagen aktiviert und Eisen besser verfügbar

   -- Das gewonnene Eisen gelangt in das Blut (Transferrin) und zum Knochenmark

   -- Die Bildung neuer Erythrozyten wird angeregt, der Hämatokrit steigt an

Hypoxie erhöht den intrakraniellen Druck, wofür mehrere Mechanismen verantwortlich sind; hyperventilationsbedingte Hypokapnie reduziert die Hirndurchblutung. Lungengefäße reagieren auf Hypoxie mit Vasokonstriktion (Euler-Liljestrand-Reflex), was den Widerstand im Lungenkreislauf steigert und zu verstärkter kapillärer Filtration mit Flüssigkeitsansammlung im Lungengewebe führen kann (Höhenödem).

Beim Tauchen bewirkt die Druckerhöhung (je 10 Meter Tiefenzunahme um 1 bar) stärkere Lösung von Atemgasen in den Körperflüssigkeiten. Für kurze Zeit (Apnoetauchen) spielt das keine Rolle, bei längerer Dauer (Sättigungstauchen) hingegen können die Gase bei Druckreduktion (Auftauchen) im Körper ausperlen, Gasembolie und Dekompressionskrankheit bewirken. Das wird durch Einhalten von Zeit-Tiefen-Protokollen (Zeit für allmähliches Abatmen gelöster Gase) verhindert.

Atemgase in hoher Konzentration haben Eigenwirkungen; beispielsweise hat Stickstoff ab einem Partialdruck von etwa 4 bar einen narkotischen Effekt.


Höhe, Tiefe, Druck und Sauerstofftransport
Hypobarie / Höhenaufstieg Hypoxie und Kreislauf Hyperbarie / Tauchen Sauerstofftoxizität Tauchreflex
  HIF, HRE

Begleitgase  CO2 CO        Core messages
   
Der menschliche Organismus ist auf Umweltbedingungen angepasst, die dem Aufenthalt an Land und einem relativ engen Höhenbereich - 0 (Meeresspiegel) bis etwa 5000 Meter - entspricht. Verlässt man diesen Bereich (größere Höhen einerseits, Aufenthalt unter Wasser andererseits), reicht physiologische Anpassung für das Aufrechterhalten von Gesundheit und Überleben nur für kurze Zeit, nicht auf Dauer. Bei der Anwendung künstlicher life support systems ist das Verständnis für, und die Interpretation und Anwendung von, physikalische(n) und physiologische(n) Rahmendaten von entscheidender Bedeutung.
 
Höhe, Tiefe, Druck und Sauerstofftransport
 
Die Erdatmosphäre besteht zu 21% aus Sauerstoff. Das bedeutet, der Sauerstoffpartialdruck beträgt 21% des atmosphärischen Druckes - das gilt auch für die Partialdrucke in Flüssigkeiten, die mit Luft äquilibriert sind (Henry-Gesetz). Bei 1 bar (~100 kPa) Gesamtdruck auf Meereshöhe beträgt der pO2 ~21 kPa.
 

Abbildung: Druck und Höhe / Tiefe
Kombiniert nach Vorlagen in dreamstime.com, exploringnature.org

Der Luftdruck nimmt mit der Höhe nichtlinear ab; mit etwas mehr als 5 km Aufstieg ist er um die Hälfte reduziert, bei weiteren ~5 km nochmals um die Hälfte, d.h. etwa 1/4 Atmosphäre.
  
Im Wasser nimmt der Druck linear mit der Tiefe zu: Um 100 kPa (=Luftdruck auf Meereshöhe) pro 10 Meter. In 50 Meter Tiefe beträgt der Druck 6 (5+1) Atmosphären (bar)


In den Lungenalveolen ergibt sich aufgrund der Mischung im Totraum ein pO2 von ~13 kPa (~100 mmHg). Bei diesem Partialdruck ist das Hämoglobin praktisch zur Gänze mit Sauerstoff gesättigt (Bindungskurve des Hämoglobins). Mit abnehmendem pO2 sinkt auch die Sauerstoffsättigung - entsprechend der Bindungskurve (z.B. 50% bei ~3,5 kPa pO2).

Ein Hauptproblem bei der Wahl von Atemgasgemischen bei hypobaren (Höhenaufenthalt: Fliegen, Bergsteigen) oder hyperbaren Umständen (Tauchen, Tunnelbau, Druckkammer) ist der richtige Sauerstoffanteil. Ist er zu hoch, wirkt Sauerstoff toxisch (er ist sehr reaktionsfreudig); ist er zu niedrig, treten Hypoxiesymptome und Gefahr des Erstickens auf.

Auch Wasserdampf ist in Atemgasen vorhanden - der Anteil hängt stark von Temperatur und Luftdruck ab. Der Wasserdampfdruck über einer freien Wasserfläche - also bei vollständiger Sättigung der Luft mit H2O - beträgt bei 0°C 0,6 kPa (4,8 mg
H2O pro Liter Luft), bei 100°C 101,3 kPa (598 mg H2O pro Liter Luft), nimmt also nichtlinear mit der Wärmebewegung zu. Bei Körpertemperatur (37°C) lauten die Zahlen 6,3 kPa (47 mmHg), ein Liter Luft (z.B. in der Lunge) enthält dann 44 mg H2O (das großteils kondensiert, wenn man in kalte Umgebung ausatmet).

Die Druckabhängigkeit des Siedepunkts ist ebenfalls beträchtlich: Wenn der atmosphärische Druck 760 mmHg beträgt, kocht Wasser bekanntlich bei 100°C. Sinkt der Druck, nimmt auch der Siedepunkt ab; Wasser kocht z.B. bei einem Druck von 2,34 kPa (etwas mehr als 1/50 des Drucks auf Meereshöhe) bereits bei 20°C. Bei einem völlig ungeschützten Körper würden Körperflüssigkeiten (bei 37°C) ab einer Höhe von ca.
19 km - hier herrscht ein Luftdruck von nur noch 47 mmHg, also entsprechend dem pH2O - zu kochen beginnen: Die Lungen wären mit Wasserdampf gefüllt, für Stickstoff oder Sauerstoff bliebe kein Platz.

        Zur Anpassung an veränderte Atemgaspartialdrucke s. dort
 
Höhenanpassung / abnehmender Umgebungsdruck
 
Mit zunehmender Höhe nimmt der Luftdruck ab. Dementsprechend sinken auch der alveoläre Sauerstoffpartialdruck und die Sauerstoffsättigung des Hämoglobins.


Abbildung: Luftdruck als Funktion der Meereshöhe
Nach verschiedenen Quellen kompiliert

Mittlerer Luftdruck in kPa (Ordinate) als Funktion der Höhe in Relation zum mittleren Meeresspiegel in km (Abszisse).
 
Ganz links: Orte mit einer Lage unter "Normalnull" (rotes Meer: 428 m unter dem Meeresspiegel) haben mittlere Luftdruckwerte, welche denjenigen auf Meereshöhe (
101 kPa) übertreffen (totes Meer etwa 105 kPa).
 
Rechts: Etwa in 5500 m Höhe beträgt der Luftdruck (und damit die Partialdrucke von Sauerstoff, Stickstoff, Argon etc) nur mehr die Hälfte der Werte, die auf Meereshöhe bestehen.
 
Auf 8.849 m (Spitze des Mt. Everest) beträgt der mittlere Luftdruck nur noch ca. 31 kPa

In etwa 5,5 km Höhe hat der atmosphärische Druck die Hälfte des Wertes auf Meereshöhe (50 kPa bzw. 500 hPa, Abbildung), am Gipfel des Mount Everest (8849 m) ein Drittel (33-34 kPa, je nach Wetterlage).

Die Sauerstoffbindung an Hämoglobin nimmt ab -
unakklimatisiert auf ~70% in 5 km Höhe und auf <40% in 8,8 km Höhe. Unakklimatisierte Personen können schon ab Höhen von wenigen tausend Meter über dem Meeresspiegel deutliche Symptome der Höhenkrankheit entwickeln.

Durchgehend bewohnte Orte finden sich generell unter etwa 5000 m Höhe (der Luftdruck / pO2 beträgt auf 5500 m nur mehr die Hälfte der Werte auf Meereshöhe)..

 

Ab ~3000 m Höhenaufenthalt ist der alveoläre pO2 merklich reduziert
 
Die hypoxiebedingte Mehratmung verursacht Hypokapnie und respiratorische (Höhen-) Alkalose
 
Kompensatorisch sinkt nach einiger Zeit die Pufferbasenkonzentration, der Base excess wird negativ
 
Weiters bedingt der Sauerstoffmangel  Hyperventilation mit den damit verbundenen metabolischen Komplikationen (respiratorische Alkalose, Bremsung des Atemantriebs durch die Hypokapnie). Daher hielt man es lange für ausgeschlossen, ohne Atemgerät (zusätzlicher Sauerstoff) auf den höchsten Berg der Welt zu steigen (Mount Everest: 8849 m, mittlerer pO2 der Atemluft etwa 6,6 kPa - s. Tabelle - oder knapp 50 mmHg). Sorgfältige Höhenakklimatisierung macht dies jedoch möglich.

Sauerstoffpartialdruck in verschiedenen Höhen

Nach Dejours: Principles of Comparative Physiology 2nd ed. Elsevier 1981
Höhe üb. Meeresspiegel (m)
Fraktion Standard- atm. Druck
O2-Partialdruck (kPa)
0
1,00
21,2
1.000
0,89
18,8
2.000
0,78 16,7
3.000
0,69
14,7
4.000
0,61
12,9
5.000
0,53
11,3
5.500
0,5
10,6
6.000
0,47
9,9
7.000
0,40
8,6
8.000
0,35
7,5
9.000
0,30
6,4
10.000
0,26
5,5

 

Abbildung: Zusammensetzung der Alveolarluft als Funktion von Höhe und Atemgas
Modifiziert nach einer Vorlage in Ganongs's Review of Medical Physiology, 24th ed. Lange Basic Science 2012

Mit zunehmender Höhe sinkt der Luftdruck und damit auch der Sauerstoffpartialdruck. Bei plötzlicher Exposition an 6000 Meter Höhe tritt - bei fehlender Anpassung - Bewusstlosigkeit auf (bei sorgfältiger Anpassung und ausgezeichneter Konstitution sind Aufstiege bis 8848 m möglich).
  
Atmet man reinen Sauerstoff, verschiebt sich die obere Toleranzgrenze auf knapp 14 km, der alveoläre pO2 sinkt dabei auf ~40 mmHg. Spätestens ab dieser Höhe muss die Kabine druckstabilisiert werden oder es müssen Druckanzüge getragen werden.
  
Ungeschützt nähert sich in noch größeren Höhen (ab ~19 km) der Gesamtdruck dem Wasserdampfpartialdruck an (47 mmHg bei Körpertemperatur), es besteht die Gefahr des Verdampfens ("Kochen") von Körperflüssigkeiten




Die Höhenanpassung beruht auf verschiedenen Komponenten - vor allem

     Normalisierung der zunächst auftretenden respiratorischen Alkalose (vermehrter CO2-Verlust, dadurch hypokapniebedingte Atemdrosselung) durch vermehrte Bicarbonatausscheidung der Nieren ("metabolische Kompensation"). Dadurch wird die Atemdrosselung wieder aufgehoben, es kann mehr Sauerstoff geatmet werden. Dieser Mechanismus tritt innerhalb einiger Tage in Kraft
  
     Über längere Zeiträume steigt die Ausschüttung von Erythropoetin, dadurch steigt die Sauerstofftransportkapazität des Blutes (erhöhtes Hämoglobin, gesteigerter Hämatokrit)

Einen wesentlichen Beitrag zur Höhenakklimatisierung liefert der Eisenstoffwechsel. Transferrin versorgt die Erythropoese mit Eisen; es ist normalerweise zu 15-45% eisengesättigt (d.h. mehr als die Hälfte der verfügbaren Bindungsstellen ist unbesetzt). Dieser Prozentsatz wird durch das Hepcidin / Ferroportin-System reguliert: Das aus der Leber stammende Hepcidin kontrolliert Eisenaufnahme und die Eisenfreisetzung aus Makrophagen. Zielmolekül des Hepcidins ist der Eisenexporter Ferroportin, dessen Endozytose und Abbau es befördert. Auf diese Weise sorgt Hepcidin dafür, dass Eisen in der Zelle (Enterozyt, Makrophage) verbleibt, und senkt den extrazellulären Eisenspiegel.

Der Hepcidinspiegel selbst unterliegt mehreren Steuerungsfaktoren (wie die Eisenverfügbarkeit). Einer dieser Faktoren ist Hypoxie: Aufstieg in größere Höhen senkt den Hepcidinspiegel und steigert dadurch die Eisenverfügbarkeit. Wie das funktioniert? Offenbar spielt Erythropoetin eine (indirekte) Rolle, womit dieses nicht nur für die Anregung der Blutbildung, sondern - über Senkung der hepatischen Hepcidinbildung - auch für bessere Verfügbarkeit des dazu benötigten Eisens verantwortlich wäre.

 

Abbildung: Rolle des Eisens für die Sauerstoff- Homöostase
Nach Gassmann M, Muckenthaler MU. Adaptation of iron requirement to hypoxic conditions at high altitude. J Appl Physiol 2015; 119: 1432-40

Niere:  Mit dem Aufstieg in große Höhe bedingt der niedrige Umgebungsdruck artetrielle Hypoxämie (über den Mechanismus s. dort: Prolylhydroxylasen PHD, hypoxie-induzierbarer Faktor HIF-2α, Aryl hydrocarbon receptor nuclear translocator  ARNT, Erythropoetin (Epo).
  
Ein zweiter eisenabhängiger Mechanismus knüpft die Erythropoetinsynthese an die Eisenverfügbarkeit: HIF-2α enthält eine IRE (iron-responsive element) genannte RNS-Sequenz. Bei Eisenmangel - und reduzierter Hämoglobinsynthese - bindet diese an ein iron regulatory protein-1 (IRP1), was die Translation von HIF-2α hemmt.
  
Knochenmark:  Erreicht Epo das rote Knochenmark, regt es dort die Hämatopoese an - Eisen wird verbraucht. Um die Fe-Versorgung zu sichern, wirken hypoxie-induzierte Faktoren wie das Epo-kontrollierte Erythroferron (ErFe) - das die Hepcidinsynthese in der Leber blockiert - oder der growth differentiation factor 15 (GDF15) - beide werden in Erythroblasten synthetisiert, wie auch der platelet-derived growth factor BB (PDGF-BB) u.a.
  
Leber:  Diese Faktoren erreichen die Leber und vermindern die Expression von Hepcidin, das Ferroportin (Fpn) bindet und zu seiner Internalisierung (und Inaktivierung) führt ( s. dort).
  
Makrophagen / Darm:  Reduziertes Hepcidin erhöht die Verfügbarkeit und Aktivität von Ferroportin, Eisen wird vermehrt aus internen Speichern (z.B. Makrophagen, die Erythrozyten abbauen) und aus der Nahrung gewonnen (Duodenum). Zusätzlich fördern Hypoxie und Eisenmangel die intestinale Eisenresorption: Ähnlich wie in der Niere stabilisiert Sauerstoff- oder Eisenverfügbarkeit HIF-2α, das die Transkription von Faktoren anregt, welche die Eisenresorption kontrollieren: Ferrireduktase (dcytb), den apikalen divalenten Metalltransporter DMT-1 und den Eisenexporter Ferroportin.
  
Blut:  Das aus Makrophagen und Darm gewonnene Eisen wird dann an Transferrin (Tf) gebunden zum Knochenmark gebracht

    CFU-E, colony-forming unit-erythroid    HRE, hypoxia response element


"Stress-Erythropoese": Bei Eisenmangel triggert Erythropoetin in (Pro)Erythroblasten die Expression von Erythroferron (ERFE). Dieses Protein (es wird auch in Muskelzellen synthetisiert) hemmt die Hepcidinbildung und erhöht damit die Aktivität des Eisenexportkanals Ferroportin - und dadurch die Eisenmobilisierung aus Darm und körpereigenen Speichern. Vermutlich spielen auch noch weitere Faktoren eine Rolle bei der hypoxiebedingten Reduktion der Hepcidinsynthese in der Leber.
 
     Hypoxie und Lungengefäße: Sauerstoffmangel in großer Höhe reduziert das arterielle O2-Angebot (Kritische Sättigung 12 Vol-%, Normalwert 19-20 Vol-%) und erhöht über pulmonale Vasokonstriktion (Pumonalgefäße - Typ P - kontrahieren bei sinkendem pO2: Euler-Liljestrand-Mechanismus) und Widerstandsteigerung den Blutdruck in der Lunge.

Es kann dazu kommen, dass der Kapillardruck so stark ansteigt, dass Flüssigkeit ins zuerst in das Interstitium, dann - bei noch höherem Druck - in die Alveolen
austritt ("Höhenödem").
 
Niedriger Luftdruck (große Höhe) bedingt niedrigen pO2 (Hypoxie) und pulmonale Vasokonstriktion
 
 Dadurch steigt der Blutdruck im Lungenkreislauf, es kann zu Flüssigkeitsaustritt aus den Alveolarkapillaren ("Höhenödem") kommen

 
     Hypoxie und Hirndruck: Zahlreiche Mechanismen sind an der hypoxisch bedingten Erhöhung des intrakraniellen Drucks bei Höhenaufenthalt verantwortlich. Mechanische Faktoren erhöhen den intravasalen Druck und können so Flüssigkeitsaustritt (Ödeme) und Gefäßwandschäden verursachen.



Atemgas-Partialdrucke wirken wahrscheinlich unmittelbar vasoaktiv: Hypoxämie wirkt gefäßerweiternd, Hypokapnie gefäßverengend; die Atemregulation beeinflusst wiederum die Partialdruckwerte.

Hypoxämie belastet die Na-K-Pumpe, freie Radikale beschädigen die Basalmembran; diese leidet vermutlich zusätzlich unter der Wirkung von VEGF, das durch Akkumulierung von HIF-1α - einem hypoxiebedingt auftretenden Steuerungsprotein, dessen Bildung von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird - hinaufreguliert wird.

    Hypoxie-induzierte Faktoren (HIF, hypoxia-inducible factors) sind (aus
α- und ß-Untereinheiten bestehende) Transkriptionsfaktoren, welche bei Reduktion der Sauerstoffverfügbarkeit von betroffenen Zellen vermehrt gebildet werden und mehrere Gene - z.B. für Wachstumsfaktoren (Angiogenese) oder glykolytische Enzyme (ATP-Synthese ohne Sauerstoff) - hinaufregulieren, die für die Funktion unter hypoxischen Bedingungen notwendig sind.

HIF-1 bindet an Hypoxia-response elements (HREs), das sind Nukleotidsequenzen in Promotorbereichen der DNA, welche die Methylierung von Histonen beeinflussen und Chromatinanschmitte "umprogrammieren" können.
 
Höhenanpassung führt zu Erhöhung des 2,3-DPG-Gehalts in den roten Blutkörperchen und dadurch zu Rechtsveschiebung der
O2-Bindungskurve des Hämoglobins und verbesserter Sauerstoffversorgung des Gewebes.
 
Längerer Aufenbthalt in großer Höhe führt zu vermehrter Bildung von 2,3-DPG
 
Schließlich könnte lokaler Kaliumrückstau die Freisetzung von Stickstoffmonoxid anregen, was vasodilatierend wirkt, ebenso wie unter neuronaler Wirkung freigesetztes Adenosin ( Abbildung).
 

Abbildung: Mechanismen, die an der Erhöhung des intrakraniellen Drucks bei Hypoxie beteiligt sind / sein dürften
Nach Wilson M, Newman S, Imray CH. The cerebral effects of ascent to hih altitudes. Lancet Neurol 2009; 8: 175-91

Verlauf vom arteriellen zum venösen Ast. Vasodilatation erfolgt durch Adenosin und Stickstoffmonoxid (NO). Ödeme steigern den intrakraniellen Druck, sie entstehen infolge Membrandefekten (freie Radikale!) und hypoxiebedingter Schädigung der Natrium-Kalium-Pumpe

    HIF, Hypoxia-Inducible Factor    ICP, Intrakranieller Druck (=Hirndruck)   VEGF, Vascular Endothelial Growth Factor


Vasodilatation liegt wahrscheinlich auftretenden Kopfschmerzen zugrunde. Mikrohämatome entstehen teils druckbedingt, teils unter Wirkung zusätzlicher Wirkstoffe.

In Passagierflugzeugen wird der Kabinendruck so eingestellt, dass er dem Druck auf ~2 km Meereshöhe entspricht ("Kabinenhöhe"). Je höher das Flugzeug steigt, umso größer wird der Druckunterschied zwischen innen (z.B. 80 kPa) und außen (z.B. 20 kPa in ~11 km Höhe).

Kommt es zu einer Verletzung der Druckhülle (Dekompression), nimmt der Luftdruck entsprechend ab und damit auch die Sauerstoffsättigung des Hämoglobins; die Sauerstoffversorgung des Gehirns sinkt und damit auch seine Leistungsfähigkeit.
 
 
Hypoxiewirkungen auf den Kreislauf
 
Der Blutdruck ist durch mäßige Hypoxie bzw. Höhe unbeeinträchtigt, steigt jedoch (systolisch und diastolisch) bei starker Hypoxie bzw. extremer Höhe als Folge der Anregung des Sympathikus und damit einhergehenden erhöhten Katecholaminwerten (periphere Vasokonstriktion) - trotz hypoxiebedingter Gefäßerweiterung vor allem in der Skelettmuskulatur, die aber durch Noradrenalinwirkung übertrumpft wird. Körperliche Belastung steigert den systolischen Druck weiter, der diastolische Druck sinkt leicht ab (das normale Reaktionsmuster).

Kleine arterielle Lungengefäße (<0,8 mm) reagieren auf Hypoxie mit Vasokonstriktion (Euler-Liljestrand-Mechanismus), was den pulmonalen Fließwiderstand erhöht und zu Lungenödem führen kann.


Rascher Aufstieg führt zu einer generellen Gefäßreaktion in der Lunge; Gefäße des P-Typs reagieren auf Hypoxie mit Konstriktion, der Druck im Pulmonalkreislauf nimmt zu, und der steigende Filtrationsdruck kann zu Höhenödem führen. Dieses lebensbedrohliche Zustandbild kann durch Erhöhung des Sauerstoffpartialdrucks in der Atemluft (Druck- bzw. Sauerstoffbeatmung) rückgängig gemacht werden.


Die Herzfrequenz ist ebenfalls höhenabhängig:
 
      Einerseits nimmt die Ruhefrequenz von etwa 60/min auf Meereshöhe hypoxiebedingt auf ~90/min auf 8000 m Höhe zu
(das Schlagvolumen nimmt leicht ab);
 
      andererseits sinkt die maximale Herzfrequenz bei längerem Höhenaufenthalt (nicht bei akuter Hypoxie!) von etwa 190/min auf Meereshöhe auf ~130/min auf 8000 m Höhe ab. Der Vorteil ist eine kardioprotektive Wirkung, vermutlich bedingt durch Herunterregulierung der ß-Rezeptoren in Folge chronisch erhöhter Katecholaminwerte im Extrazellulärraum.
   

Abbildung: Neurokognitive Beeinträchtigungen mit akut zunehmender Höhe
Nach WilsonMH, NewmanS, ImrayCH. The cerebral effects of ascent to high altitudes. Lancet Neurol 2009; 8:175-91

Ab 4000 m können psychomotorische Störungen, ab 6000 m kann Bewusstlosigkeit auftreten


Die Effekte extremer Hypoxie sind dramatisch: Wird man z.B. in 10 km Höhe dem Außendruck ausgesetzt, bleibt etwa eine Minute - average effective performance time -, innerhalb der man ohne Einschränkung der mentalen Leistung handeln kann. (Innerhalb dieser Zeit sollte man eine Sauerstoffmaske angelegt haben.)

     Steigt man - ohne Druckkapsel / Druckanzug - in noch größere Höhen auf (Stratosphärenballon, militärisches Flugzeug ohne Druckkabine), muss Sauerstoff obligat (zu)geatmet werden. ~20 kPa (1/5 Atmosphäre) - das ist der Gesamtdruck in etwa 11 km Höhe - entspricht dem normalen Sauerstoffpartialdruck. Atmet man in dieser Höhe reinen Sauerstoff, kann das Hämoglobin die Versorgung des Gewebes gleich gut übernehmen wie bei Atmung von Luft auf Meereshöhe.

Tolerierbar ist auf diese Weise der Aufstieg in eine Höhe von ~13 km, bei noch geringeren Druckwerten nimmt die Sauerstoffsättigung des Hämoglobins merklich ab und das Tragen eines luftdichten "Astronautenanzugs" wird (bei längerer Exponierung an die hier herrschenden hypobaren Druckwerte) notwendig.

     Nimmt der Umgebungsdruck rasch ab (Dekompression), kann Stickstoff, der zuvor in den Körperflüssigkeiten gelöst war, in Form von Gasblasen austreten. Dies kann Jucken, Schmerzen (decompression sickness DCS, 'bends', weil die betroffene Person sich vor Schmerzen krümmt) und Gasembolien im Kreislauf (arterial gas embolization AGE) verursachen. Der Überbegriff (DCS, AGE) lautet decompression illness (DCI).

Dekompressionsprobleme entstehen insbesondere
 
      beim Auftauchen nach einem längeren hyperbaren Aufenthalt (Druckkammer, Sättigungstauchen)
 
      bei Personen, die kurz nach Sättigungstauchgängen einen Flug antreten (die "Kabinenhöhe" im Flugzeug wird auf ~1800 m eingestellt, die arterielle Sauerstoffsätigung beträgt hierbei übrigens nur noch knapp 80%)
 
      beim "Umsteigen" in einen "Soft suit"- Raumanzug (hier herrscht aus technischen / praktischen Gründen ein geringerer Druck als im Raumschiff).

Um Komplikationen zu verhindern, müssen Dekompressionszeiten eingehalten werden, die empirisch ermittelt wurden (Deko-Tabellen, Computerprogramme). Treten Symptome auf, wird der Umgebungsdruck erhöht, um das Gas wieder in Lösung zu bringen. Voratmen von reinem Sauerstoff trägt zur Verhinderung dieser Probleme bei, da Sauerstoff im Stoffwechsel verbraucht wird und folglich sich nicht in dem Maße im Gewebe ansammelt, wie der inerte Stickstoff dies tut.

Tauchen / zunehmender Umgebungsdruck
  
Menschen halten sich üblicherweise in einer Umgebung auf, die durch die Anwesenheit von Luft - mit entsprechenden Eigenschaften - gekennzeichnet ist.

Wasserimmersion und ihre Konsequenzen für den Kreislauf s. dort

Das Ein- und Untertauchen des Körpers in Wasser ändert (abgesehen vom Problem der Atmung) zahlreiche physikalische Kenngrößen des den Organismus nun umgebenden Mediums:
 
Vergleich Luft - Wasser als Atemmedium

Nach Schmidt-Nielsen, Physiologie der Tiere (Spektrum 1997)

D = Diffusionskoeffizient, K = Diffusionskonstante

Wasser
Luft
Verhältnis
O2-Konzentration (l/l)
0,0007
0,209
~1:30
Dichte (kg/l)
1,000
0,0013
~800:1
Viskosität (cP)
1
0,02
50:1
Wärmekapazität (cal/l.°C)
1000
0,31
~3000:1
Wärmeleitfähigkeit (cal/s.cm.°C)
0,0014
0,000057
~25:1
DO2 (cm2/s) 0,000025
0,198
~1:8000
DCO2 (cm2/s) 0,000018
0,155
~1:9000
KO2 (bar.min/s) 34.10-6
11
~1:300000
KCO2 (bar.min/s)
850.10-6 9,4
~1:11000
l Medium / l O2
143
4,8
~30:1
kg Medium / l O2 143
0,0062
~23000:1
 
So enthält z.B. Luft pro Liter dreißig mal so viel Sauerstoff wie Wasser (bei gleichem pO2) - dazu kommt das Massenverhältnis von etwa 800 zu 1. Das bedeutet, dass 1kg Luft 105-mal so viel Sauerstoff enthält wie 1 kg Wasser (das mit Luft äquilibriert ist). Weiters ist Wasser etwa 50-mal visköser als Luft;  die Sauerstoff- Diffusionsgeschwindigkeit ist in Luft 104-mal größer als in Wasser. (Diese Unterschiede sind vor allem im Rahmen der vergleichenden Physiologie der Respiration bedeutsam - Kiemenatmung vs. Lungenatmung.)

Von direkter Relevanz für den Aufenthalt in und unter Wasser ist die unterschiedliche Wärmeleitfähigkeit: Sie ist in Wasser 25-mal höher als in Luft. Daher kühlt man (ohne Schutzanzug) in Wasser, dessen Temperatur unter der Indifferenztemperatur (für den Menschen etwa 35°C) liegt, viel rascher aus als bei vergleichbarem Temperaturgefälle in der Luft (Indifferenztemperatur zwischen 27 und 31°C).

Viele Menschen nehmen vor einem Freitauchgang mehrfach tief Luft, um sich "mit Sauerstoff vollzupumpen". Dieses Verhalten ist nicht zielführend, denn:

      Es gibt im Körper keinen nennenswerten Sauerstoffspeicher - das Hämoglobin des arteriellen Blutes ist ohnehin vollständig sauerstoffgesättigt, physikalisch gelöst lasst sich durch Erhöhung des pO2 nur wenig zusätzlicher Sauerstoff in den Körperflüssigkeiten "zwischenspeichern". Auf Meereshöhe kann man bei einer erwachsenen Person etwa von folgenden Werten ausgehen:
 
     5 l Blut (arteriell 20 Vol-%, venös ≤15 Vol-%) enthalten etwa 850 ml O2
 
     An das Myoglobin in der Muskulatur sind ca. 250 ml O2 gebunden
 
     In der Lunge befinden sich ungefähr 400-500
ml O2

Damit enthält der Körper unter Normbedingungen insgesamt ~1,5 Liter Sauerstoff (der Ruhebedarf für knapp 6 Minuten), davon kann ohne Nachschub natürlich nur ein Bruchteil verwendet werden. Nur wenige Minuten Apnoe bringen schon die Gefahr hypoxischer Gewebeschäden mit sich.

Dazu ein Rechenbeispiel:
 
Unter normalen Umgebungsbedingungen (100 kPa Gesamtdruck) sind 98,6 % des Sauerstoffs (etwa 20 Vol-%) im arteriellen Blut an Hämoglobin angelagert; nur 1,4% (<0,3 Vol-%) liegen physikalisch gelöst vor (s. dort). Dieser gelöste O2-Anteil nimmt mit zunehmendem Umgebungsdruck zu: Bei einer Verdoppelung des Drucks (10 m Tiefe bei Freitauchen oder SCUBA-Tauchen) auf knapp 0,6 Vol-%; bei einer Verzehnfachung des Drucks (90 m Tiefe) steigt der Sauerstoffgehalt des Blutes um ~4 Vol-% an (von ~20 auf ~24 Vol-%).

      Vertiefte / beschleunigte Atmung (bei körperlicher Ruhe) bedeutet Hyperventilation, also vermehrte Abatmung von CO2 und Hypokapnie. Die Folge ist eine Bremsung des Atemantriebs während der Tauchphase - man bemerkt erst sehr spät (wenn sich wieder genügend CO2 rückstaut, um die Atmung anzuregen) den "Lufthunger", der zum Auftauchen zwingt, manchmal zu spät (Bewusstlosigkeit unter Wasser).
 
Hyperventilation vor dem Tauchgang reduziert den Atemantrieb
 
Beim Freitauchen (kurzes Abtauchen unter Wasser) oder Sättigungstauchen (längere Tauchphasen mit Tauchgerät) setzt man sich steigendem Umgebungsdruck aus. Das heißt, der hydrostatische Druck in 1 m Wassertiefe beträgt bereits 10 kPa - mehr, als die Inspirationsmuskulatur überwinden könnte. (Die Schwankungen des intrapulmonalen Drucks bei normaler Atmung sind geringer als 1 kPa.)


Abbildung: Sauerstoffanreicherung des Blutes als Funktion von Umgebungsdruck bzw. Sauerstoffpartialdruck
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016

Die physikalische Lösung des Sauerstoffs in Wasser (grüne Linie) steigt linear mit dem Partialdruck (Henry-Gesetz).
  
Die Bindung an das Hämoglobin (unter physiologischen Bedingungen ~70mal so stark, rote Kurve) erfolgt entsprechend der Sauerstoffbindungskurve, ist also bereits bei 1 atm Außendruck praktisch komplett.
  
Jede weitere Drucksteigerung erhöht lediglich den physikalisch gelösten Anteil (Gesamtmenge Sauerstoff im Blut: blaue Kurve).
  
Die Grenze zum toxischen Bereich gilt nur für kurze Aufenthaltsdauer; bei längerem Verweilen in der Tiefe rückt sie nach links ( nächste Abbildung)



Aktives Einatmen ist ab ~1 Meter Wassertiefe nicht mehr möglich (Überlastung der Inspirationsmuskulatur)
 
Das würde auch für Atmen über Luftschläuche gelten, die einfach eine Verbindung zur Luft über Wasser herstellen (ohne Kompression); ein Schnorchel ist so kurz (maximal 35 cm), dass der Thorax nur knapp unter die Wasseroberfläche taucht und aktives Atmen druckmäßig noch gelingt. (Ein Schnorchel hat einen Innendurchmesser von 2 cm; er darf auch deshalb nicht mehr Volumen enthalten, um Pendelatmung - Wiedereinatmen von Totraumluft - zu minimieren.)

Atmung während eines Tauchganges in tiefere Zonen erfolgt mittels Lungenautomat (regulator): Ein unter Druck stehendes Atemgas (Druckflaschen) wird über einen Atemregler auf den Umgebungsdruck gebracht und kann durch das Mundstück geatmet werden. Dieses Drucklufttauchgerät (SCUBA, self-contained underwater breathing apparatus) ermöglicht das Atmen in verschiedenen Tiefen, indem es den Gasdruck automatisch an den Umgebungsdruck angleicht. Die Atemmuskeln müssen nur die Druckschwankungen generieren, die auch die normale Atmung antreiben.

Pro 10 Meter Tiefenzunahme steigt der Druck um eine Atmosphäre (1 bar ~ 100 kPa). Dementsprechend nehmen auch die Gaspartialdrucke in der (aus dem SCUBA-System geatmeten) Luft zu.

Beispielsweise beträgt der
pO2 beim Atmen von Druckluft in 40 Meter Wassertiefe (Druckanstieg um 4 bar, Gesamtdruck 5 bar) 1 bar (Sauerstoffanteil 20%, 5 x 20 = 100%). Diesen Wert kann man für kurze Zeit ohne Schaden tolerieren (spätestens nach 4 Stunden beginnt bei pO2 = 100 kPa die Toxizität des Sauerstoffs zu wirken).

Das Problem der Dekompression ergibt sich - gewissermaßen umgekehrt wie beim Höhenaufstieg - nicht beim Abtauchen (zunehmende Tiefe), sondern beim Auftauchen. Das Problem ist analog: Abnehmender Druck führt zur Gefahr der Gasbläschenbildung in Gewebe und Körperflüssigkeiten (s. oben) und zur "Caissonkrankheit".

Dabei spielt das Produkt aus Höhenunterschied und Aufenthaltsdauer die entscheidende Rolle, denn je länger man dem höheren Druck ausgesetzt war, desto intensiver ist die Sättigung der Körperflüssigkeiten mit Gasen und umso stärker ist die Tendenz zur Ausgasung bei Druckreduktion.

Eine entsprechende Linie im Tiefen-Dauer-Diagramm zeigt die Grenze an, ab der beim Auftauchen Zwischenstopps eingelegt werden müssen (schrittweise Dekompression,
Abbildung).
 

Abbildung: Toleranzzeit und Tauchtiefe
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016

Der "sichere" Bereich ist blau dargestellt: Bis zu ~10 m Tauchtiefe bewirkt auch längerer Aufenthalt keine kritische Anreicherung mit Gasen, Auftauchen ist ohne Zwischenstopps gefahrlos möglich. Bei kurzer Aufenthaltsdauer (<30 min) gilt das auch für Tiefen bis zu 40 Meter.
  
Tauchmanöver in mehr als 10 Meter Tiefe für längere Dauer (hellrot) bedürfen beim Wiederauftauchen definierter Zwischenstopps (Dekompressionstabellen, computerassistiertes Zeitmanagement), um das Auftreten von Gasblasen im Körper (Gasembolie, bends) zu vermeiden

Sauerstofftoxizität
 
Atmet man normale Luft auf Meereshöhe, beträgt der pO2 der Inspirationsluft 21 kPa. Ein Sauerstoffanteil in der Atemluft von bis zu 50% (entsprechend einem pO2 von 50 kPa auf Meereshöhe) gilt - bei erwachsenen Personen - als sicher und hat auch bei längerer Anwendung keine schädliche Wirkung. Ein pO2 von 100 kPa (Atmung von reinem Sauerstoff auf Meereshöhe) reduziert die Lungenfunktionen innerhalb von etwa 24 Stunden; nach 48 Stunden können Zeichen eines ARDS (acute respiratory distress syndrome) auftreten. Je länger die Hyperoxie andauert, desto gravierender werden die Schäden.

Erhöhte pO2-Werte können toxische Effekte auf den Körper haben (vgl. dort), zunehmend mit der Einwirkungsdauer. Das kann alle Gewebe betreffen, insbesondere aber
 
      das ZNS: Atmen von hyperbarem Sauerstoff kann zu Krämpfen und Bewusstlosigkeit führen (Paul Bert-Effekt )
 
      die Lungen: Hyperbarer Sauerstoff wirkt toxisch auf die Lungen - ausgehend von den großen Luftwegen, breitet sich eine Entzündung in die Lunge hinein aus (Lorraine Smith-Effekt)
 
      die Netzhaut: Behandlung Frühgeborener mit Anreicherung von Sauerstoff in der Atemluft (Brutkästen) führte früher zu bindegewebigen Veränderungen im Auge (retrolentale Fibroplasie)
 
Mit zunehmendem pO2 werden die Toleranzzeiten wegen der Reaktionsfreudigkeit des Sauerstoffs (Sauerstoffradikale, Lungenentzündung) immer kürzer (Überforderung der Entgiftungsmechanismen). Bei tage- oder wochenlangem Aufenthalt in Unterwasserlabors mit Druckausgleich (freie Ausstiegsmöglichkeit) muss der Sauerstoffanteil im Atemgasgemisch gesenkt werden: Z.B. in 40 m Tiefe auf ein Fünftel des in der Luft herrschenden Wertes (4 Vol-%), um einen normalen Sauerstoffpartialdruck der Atemluft (~20 kPa) einzustellen.

Veränderter Atemgasdruck (Tauchmedizin, hyperbare Chirurgie, Flug- und Raumfahrtphysiologie) erfordert also - zumindest über längere Zeit - eine Anpassung des verwendeten Gasgemisches. Sauerstoff muss in einem physiologisch verträglichen Partialdruckbereich angeboten werden.
  
Tauchreflex
 
Beim Tauchen (Kopf unter Wasser) tritt reflektorisch ein Reflexmuster auf, das als Tauchreflex (diving response) bezeichnet wird. Es besteht aus drei Komponenten:
Apnoe,
starke Bradykardie (bei Robben bis <10 bpm, Abbildung) und
periphere Vasokonstriktion (starke Reduktion der Durchblutung mit Ausnahme des Gehirns).
 

Abbildung: Tauchreflex bei Weddellrobben
Nach einer Vorlage in Butler / Brown / Stephenson / Speakman, Animal Physiology - An Environmental Perspective, Oxford University Press 2021, basierend auf Daten bei Butler PJ, Jones DR: Physiology of diving birds and mammals. Physiol Rev 1997; 77: 837-99

Oben: Durchschnittliche Reaktionsmuster der Herzfrequenz bei vier Tieren. Ausgehend von etwa 60 Schlägen pro Minute sinkt die Schlagfrequenz während Minuten 10-20 auf Werte unter 10 bpm ab.
 
Unten: Laktatwerte (Blutplasma) bei 6 Tieren. Während dieser in der Submersionsphase im Schnitt nicht über 2 mM betragen (geringe Durchblutung aller Organs mit Ausnahme des Gehirns), nehmen sie anschließend auf Werte über 6 mM zu (starke postischämische Perfusion mit Ausschwemmung des angesammelten Laktats aus den Geweben).
 
Die Submersionsphase dauert jeweils 20 Minuten.

Beim Menschen sind die hämodynamischen und metabolischen Veränderungen weniger stark ausgeprägt als bei Robben (die routinemäßig tauchen) - aber das Reaktionsmuster entspricht dem bei den Tieren beobachteten


Der Zweck dieses Reaktionsmusters ist offensichtlich: Der Atemantrieb wird unterdrückt, das Herz geht auf Schongang (ausgeprägte Bradykardie), der Blutdruck wird durch Verengung der Widerstandgefäße stabilisiert. Der Sauerstoffverbrauch wird zugunsten des Gehirns reduziert (während alle anderen Organe / Gewebe eine deutliche Reduktion ihrer Durchblutung erfahren, bleibt die zerebrale Perfusion praktisch unbeeinträchtigt). Der Laktatspiegel steigt in der Apnoephase nur langsam, nach Ende der Submersion stark an und kann dann mehr als eine Stunde lang erhöht bleiben.

Ausgelöst wird der Reflex durch Kontakt der Gesichtshaut mit (insbesondere kaltem) Wasser
, insbesondere in der Periorbital- und Nasenregion (Trigeminusäste). Reflexbradykardie kann auch durch Benetzung des Gesichts - ohne Untertauchen des Körpers - ausgelöst werden. Dabei kontrahieren Widerstandgefäße in Haut und Muskulatur. Der Blutdruck bleibt wegen der intensiven Vasokonstriktion trotz der Bradykardie stabil.

Mit zunehmender Dauer eines
Tauchganges sammeln sich im Kreislauf Laktat und andere saure Valenzen an; arterielle Chemorezeptoren intensivieren die Komponenten des Tauchreflexes, bis Sauerstoffmangel dann normalerweise das Auftauchen erzwingt.
  

 
Begleitgase

 
Begleitgase müssen bestimmte Eigenschaften haben: Nicht entflammbar (inert), geringe Toxizität (der narkotische Faktor ist ein Vergleichsmaß zu den Auswirkungen von Stickstoff, dessen NF als 1,0 angesetzt wird), geringe Dichte, akzeptable Diffusions- und Schwingungseigenschaften (und leistbarer Preis).


Abbildung: Atemgasmischungen und inerte Begleitgase (Tauchsport) - Vor- und Nachteile

Stickstoff dient bezüglich der zentralnervösen Wirkung als Referenz (narkotischer Faktor NF = 1). Je niedriger der NF eines Begleitgases ist, desto höhere Partialdrucke dieses Gases sind tolerierbar. So hat Helium einen NF von 0,23 - deshalb beträgt die maximale Tauchtiefe (Heliox = O2-He-Gemisch) etwa 200 Meter, während man mit Pressluft (1/5 O2, 4/5 N2) nur ≤50 Meter tief tauchen kann. Nachteile anderer Begleitgase schränken deren Verwendbarkeit ein

Argon
, Krypton , Xenon


Warum ein Begleitgas? Weil reiner Sauerstoff explosionsartig verbrennen kann (Apollo-1-Katastrophe). Außerdem muss mit zunehmendem Gesamtdruck (Tauchtiefe) ein steigender Prozentsatz Begleitgas zugemischt werden, um bei physiologischem Sauerstoff-Partialdruck (
~20 kPa) einen ausreichenden Gesamtdruck zu erzielen. Beträgt der Gesamtdruck z.B. 10 atm (1000 kPa), muss das Atemgas zu 98% aus Begleitgas bestehen (980 kPa), um einen physiologischen Sauerstoff-Partialdruck von 20 kPa zu erzielen.

Der Wasserdruck steigt pro m Tiefe um 10 kPa. Beispiel: Längerer Aufenthalt in 200 m ... Gesamtdruck ("Sättigungstauchen") 2100 kPa (21 atm) ... Gasmischung (Heliox) ca. 1% Sauerstoff und 99% Helium .
 
Atmung von reinem Sauerstoff ist sinnvoll, wenn

     der Gesamtdruck niedrig ist (z.B. Flug ohne Druckausgleich in größerer Höhe)
 
     ein Diffusionshindernis (Alveolarödem, Fibrose,..) in der Lunge vorliegt und das Hämoglobin sonst nicht ausreichend O2-gesättigt werden kann.
   
Kohlendioxid
 


Abbildung: Wirkungen des CO2-Anteils (Vol-% bei 1 bar Luftdruck) der Einatemluft

Beträgt z.B. der Druck 5 bar (wie in 40 m Wassertiefe), treten die entsprechenden Symptome bei 1/5 des angegebenen Vol-%-Wertes für CO2 auf.
  
Ausatemluft enthält etwa 5 Vol-% CO2  (gelbes Feld).
  
    Hyperkapnie = arterieller pCO2>45 mmHg


Kohlendioxid (CO2) darf sich im Atemsystem nicht anreichern; es hat stark atemantreibende Wirkung (bis ~70 mmHg pCO2), bei höheren Werten kommt es zu neurotoxischen Wirkungen, die zu Verringerung des Atemantriebs führen (Symptome als Funktion des Kohlendioxidanteils in der Atemluft s. >Tabelle).

Daher wird CO2 durch chemische Bindung aus dem Atemgaskreislauf entfernt (carbon dioxide scrubber: z.B. Atemkalk, Lithiumhydroxid).

 
Kohlenmonoxid
 
Kohlenmonoxid (CO) kann bei der Herstellung von Pressluft versehentlich in das System gelangen (laufender Motor in der Nähe...) und dort angereichert werden. Wenn der Taucher dann diese kontaminierte Luft atmet, ist das extrem lebensgefährlich (betroffene Person hat rosa Wangen und ist still bis apathisch - z.B. Brandopfer), denn CO bindet >300mal stärker an Hämoglobin als O2 und blockiert damit den Sauerstofftransport.
 

Abbildung: Symptome der Kohlenmonoxidvergiftung in Abhängigkeit von Konzentration (bei 1 bar Gesamtdruck) und Hämoglobinbindung (% der Häm-Bindungsstellen)

ppm = parts per million (10.000 ppm = 1 Volumenprozent). Bewußtlosigkeit tritt bereits auf, wenn das Atemgas ~0,3 Vol-% CO enthält


Als gesundheitsgefährdend gelten CO-Werte ab 100 ppm (0,01 Vol-%; ergibt ~4% COHb). Ein pCO von 0,3 mm Hg, entsprechend einem Atemluftanteil von nur 0,04 % (~400 ppm), blockiert bereits die Hälfte des Hämoglobins für den Sauerstofftransport (50% COHb).

Als Therapie einer CO-Vergiftung bietet sich Sauerstoffbeatmung an, wenn mögich unter erhöhtem Druck
(hyperbare Oxygenierung in einer Überdruckkammer). Durch den erhöhten Sauerstoffpartialdruck verändert sich die Bindungskonkurrenz am Hämoglobin zuungunsten des CO, und es kann wieder mehr Sauerstoff an das Gewebe antransportiert werden. Für kurze Zeit sind hohe Sauerstoffpartialdruckwerte ungefährlich, O2-Toxizität tritt erst nach Stunden auf (je höher der Partialdruck, desto eher - 1 atm (100 kPa) reiner Sauerstoff kann für mindestens 12 Stunden gefahrlos toleriert werden).
 

 
      Die Bindungskurve des Hämoglobins entscheidet über die Kapazität des Blutes, Sauerstoff zu transportieren. Unter Bedingungen auf Meereshöhe (und bei normalem Hämatokrit) ist der Anteil des an Hämoglobin gebundenen 70-mal höher als der des physikalisch gelösten Sauerstoffs im Kreislauf
 
      Der Luftdruck halbiert sich in ~5500 m Meereshöhe. Bei optimaler Anpassung und Fitness ist ein vorübergehender Aufenthalt in Höhen bis zu ~8800 m möglich (Mount Everest: 8848 m). Bei Atmen von reinem Sauerstoff liegt die Obergrenze ohne Druckanzug bzw. Kapsel bei 13-14 km. In etwa 19 km Seehöhe liegt der barometrische Druck auf der Höhe des Wasserdampfpartialdruckes (47 mmHg bei Körpertemperatur)
 
     Ab ~3000 m Höhenaufenthalt ist der alveoläre pO2 merklich reduziert. Hypoxiebedingt kommt es zu Hyperpnoe, diese verursacht Hypokapnie und respiratorische Alkalose. Als Kompensation sinkt die Pufferbasenkonzentration (negativer Base excess). In den Erythrozyten steigt [2,3-DPG] und verschiebt die O2-Bindungskurve des Hämoglobins nach rechts, was die Sauerstoffversorgung des Gewebes verbessert
 
      Höhenanpassung ist längerfristig: Die initiale respiratorische Alkalose - vermehrte Abatmung von CO2 - wird innerhalb von einigen Tagen durch verstärkte renale Bicarbonatausscheidung kompensiert. Der pCO2 normalisiert sich, Atmung und Sauerstoffaufnahme sind nicht weiter reprimiert. Auch steigt die Bildung von Erythropoetin, Hämoglobinmenge und Sauerstofftransportkapazität des Blutes nehmen innerhalb einiger Wochen deutlich zu
 
      Hypoxie senkt den Hepcidinspiegel und steigert dadurch die Eisenverfügbarkeit (Hepcidin reduziert die Menge des Eisenexporters Ferroportin, sodass mehr Eisen in Enterozyten und Makrophagen verbleibt und der extrazelluläre Eisenspiegel sinkt)
 
      Reduziertes Sauerstoffangebot bewirkt Vasokonstriktion in der Lunge und erhöht den pulmonalen Widerstand und Blutdruck. Flüssigkeitsaustritt aus den Alveolarkapillaren ("Höhenödem") kann die Folge sein. Hypoxie wirkt im Gehirn gefäßerweiternd steigert den intrakraniellen Druck, Ödeme und Gefäßwandschäden sind die Folge
 
      Der hydrostatische Druck nimmt pro Meter Wassertiefe um 10 kPa zu. Schnorchel sind kurz (≤35 cm), die Atmung kann die entsprechende Druckbelastung von maximal 3,5 kPa überwinden. Ab etwa 1 m Wassertiefe ist aktives Einatmen nicht mehr möglich
 
      Drucklufttauchgeräte (SCUBA) gleichen den Gasdruck automatisch an den Umgebungsdruck an und ermöglichen so das Atmen in unterschiedlichen Tiefen. Limitierend sind die Partialdruckwerte der beteiligten Atemgase (Sauerstoff und Begleitgase), z.B. beträgt bei Verwendung von Pressluft der pN2 in 40 Meter Tiefe (5 bar Gesamtdruck) 4 bar oder 400 kPa (~80% der Luft besteht aus Stickstoff). Begleitgase wirken bei hohem Partialdruck neurotoxisch
 
      Sauerstoff wirkt bei erhöhtem Partialdruck toxisch (Grenzwert z.B. 4 Stunden bei pO2 = 100 kPa)
 
      Kohlendioxid (arteriell ~40 mmHg pCO2) wirkt atemantreibend (bis ~70 mmHg pCO2), bei höheren Werten neurotoxisch; Bewusstlosigkeit tritt ab 15 Vol-% in der Atemluft unter 1 bar Druck ein, bei höheren Drucken entsprechend früher
 
      Kohlenmonoxid bindet stark an Hämoglobin und blockiert dadurch den Sauerstofftransport; Bewusstlosigkeit tritt ab 0,3 Vol-% in der Atemluft unter 1 bar Druck ein, bei höheren Drucken entsprechend früher
 

 




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