Höhe, Tiefe, Druck und Sauerstofftransport
Hypobarie / Höhenaufstieg
Hyperbarie / Tauchen
>Abbildung:
Druck und Höhe / Tiefe
Kombiniert nach Vorlagen in dreamstime.com, exploringnature.org
Der Luftdruck nimmt mit der Höhe nichtlinear
ab; mit etwas mehr als 5 km Aufstieg ist
er um die Hälfte reduziert, bei weiteren ≈5 km nochmals um die Hälfte,
d.h. etwa 1/4 Atmosphäre.
Im Wasser nimmt der Druck linear mit der
Tiefe zu: Um 100 kPa (=Luftdruck auf Meereshöhe) pro 10 Meter. In 50
Meter Tiefe beträgt der Druck 6 (5+1) Atmosphären (bar)
Die Erdatmosphäre besteht zu 21% aus Sauerstoff. Das bedeutet, der Sauerstoffpartialdruck
beträgt 21% des atmosphärischen Druckes - das gilt auch für
die Partialdrucke in Flüssigkeiten, die mit Luft äquilibriert sind (Henry-Gesetz). Bei 1 bar (≈100 kPa) Gesamtdruck
auf Meereshöhe beträgt der pO2 ≈21 kPa.
In den Lungenalveolen ergibt sich aufgrund der Mischung im Totraum ein pO2 von ≈13 kPa (≈100 mmHg). Bei diesem Partialdruck ist das Hämoglobin praktisch zur Gänze mit Sauerstoff gesättigt (Bindungskurve des Hämoglobins). Mit abnehmendem pO2 sinkt auch die Sauerstoffsättigung - entsprechend der Bindungskurve (z.B. 50% bei ≈3,5 kPa).
Ein Hauptproblem bei der Wahl von Atemgasgemischen bei hypobaren
(Höhenaufenthalt: Fliegen, Bergsteigen) oder hyperbaren
Umständen (Tauchen, Tunnelbau, Druckkammer) ist
der richtige Sauerstoffanteil. Ist er zu hoch, wirkt Sauerstoff toxisch
(er ist sehr reaktionsfreudig); ist er zu niedrig, treten
Hypoxiesymptome und Gefahr des Erstickens auf.
Höhenanpassung / abnehmender Umgebungsdruck

<Abbildung: Zusammensetzung der Alveolarluft als Funktion von Höhe und Atemgas
Modifiziert nach einer Vorlage in Ganongs's Review of Medical Physiology, 24th ed. Lange Basic Science 2012
Mit
zunehmender Höhe sinkt der Luftdruck und damit auch der
Sauerstoffpartialdruck. Bei plötzlicher Exposition an 6000 Meter Höhe
tritt - bei fehlender Anpassung - Bewusstlosigkeit auf (bei
sorgfältiger Anpassung und ausgezeichneter Konstitution sind Aufstiege
bis 8848 m möglich).
Atmet man reinen Sauerstoff, verschiebt sich die obere Toleranzgrenze auf knapp 14 km, der alveoläre pO2
sinkt dabei auf ≈40 mmHg. Spätestens ab dieser Höhe muss die Kabine
druckstabilisiert werden oder es müssen Druckanzüge getragen werden.
Ungeschützt nähert sich in noch größeren Höhen (ab ≈19 km) der
Gesamtdruck dem Wasserdampfpartialdruck an (47 mmHg bei
Körpertemperatur), es besteht die Gefahr des Verdampfens ("Kochen") von
Körperflüssigkeiten
Mit
zunehmender Höhe nimmt der Luftdruck ab. Dementsprechend sinken auch
der alveoläre Sauerstoffpartialdruck (<Abbildung) und die
Sauerstoffsättigung des Hämoglobins.

Ab ≈3000 m Höhenaufenthalt ist der alveoläre pO2 merklich reduziert.
Die hypoxiebedingte Mehratmung verursacht Hypokapnie und respiratorische Alkalose.
Kompensatorisch sinkt die Pufferbasenkonzentration, der Base excess wird negativ.
|
In 5 km Höhe hat der atmosphärische Druck die Hälfte des Wertes auf Meereshöhe (≈50 kPa), am Gipfel des Mount
Everest (8848 m) ein Drittel (33-34 kPa, je nach Wetterlage). Die
Sauerstoffbindung am Hämoglobin nimmt ab - unakklimatisiert auf
≈70% in 5 km Höhe und auf <40% in 8,8 km Höhe.
Weiters bedingt der Sauerstoffmangel Hyperventilation
mit den damit verbundenen metabolischen Komplikationen (respiratorische
Alkalose, Bremsung des Atemantriebs durch die Hypokapnie). Daher hielt
man es
lange für ausgeschlossen, ohne Atemgerät (zusätzlicher Sauerstoff) auf
den höchsten Berg der Welt zu steigen. Höhenakklimatisierung macht dies
jedoch möglich.
Die Höhenanpassung beruht auf verschiedenen Komponenten - vor allem
Normalisierung der zunächst auftretenden respiratorischen Alkalose (vermehrter CO2-Verlust, dadurch hypokapniebedingte Atemdrosselung) durch vermehrte Bikarbonatausscheidung
der Nieren ("metabolische Kompensation"). Dadurch wird die
Atemdrosselung wieder aufgehoben, es kann mehr Sauerstoff geatmet
werden. Dieser Mechanismus tritt innerhalb einiger Tage in Kraft
Über längere Zeiträume steigt die Ausschüttung von Erythropoetin, dadurch steigt die Sauerstofftransportkapazität des Blutes (erhöhtes Hämoglobin, gesteigerter Hämatokrit)
Einen wesentlichen Beitrag zur Höhenakklimatisierung liefert der Eisenstoffwechsel. Transferrin
versorgt die Erythropoese mit Eisen; es ist normalerweise zu 15-45%
eisengesättigt (d.h. mehr als die Hälfte der verfügbaren
Bindungsstellen ist unbesetzt). Dieser Prozentsatz wird durch das Hepcidin / Ferroportin-System
reguliert: Das aus der Leber stammende Hepcidin kontrolliert
Eisenaufnahme und die Eisenfreisetzung aus Makrophagen.
Zielmolekül des Hepcidins ist der Eisenexporter Ferroportin,
dessen Endozytose und Abbau es befördert. Auf diese Weise sorgt
Hepcidin dafür, dass Eisen in der Zelle (Enterozyt, Makrophage)
verbleibt, und senkt den extrazellulären Eisenspiegel.
Der Hepcidinspiegel selbst unterliegt mehreren Steuerungsfaktoren (wie die Eisenverfügbarkeit). Einer dieser Faktoren ist Hypoxie:
Aufstieg in größere Höhen senkt den Hepcidinspiegel und steigert
dadurch die Eisenverfügbarkeit. Wie das funktioniert? Offenbar spielt Erythropoetin
eine (indirekte) Rolle, womit dieses nicht nur für die Anregung der
Blutbildung, sondern - über Senkung der hepatischen Hepcidinbildung -
auch für bessere Verfügbarkeit des dazu benötigten Eisens
verantwortlich wäre.

>Abbildung: Rolle des Eisens für die Sauerstoff-Homöostase
Nach Gassmann M, Muckenthaler MU. Adaptation of iron requirement to
hypoxic conditions at high altitude. J Appl Physiol 2015; 119: 1432-40
Niere: Mit dem Aufstieg in große Höhe bedingt der niedrige Umgebungsdruck artetrielle Hypoxämie (über den Mechanismus
s. dort: Prolylhydroxylasen PHD,
hypoxie-induzierbarer Faktor HIF-2α, Aryl hydrocarbon receptor nuclear translocator ARNT, Erythropoetin (Epo).
Ein zweiter eisenabhängiger Mechanismus knüpft die Erythropoetinsynthese an die Eisenverfügbarkeit: HIF-2α enthält eine IRE (iron-responsive element) genannte RNS-Sequenz. Bei Eisenmangel - und reduzierter Hämoglobinsynthese - bindet diese an ein iron regulatory protein-1 (IRP1), was die Translation von HIF-2α hemmt.
Knochenmark: Erreicht Epo das rote Knochenmark, regt es dort die
Hämatopoese an - Eisen wird verbraucht. Um die Fe-Versorgung zu
sichern, wirken hypoxie-induzierte Faktoren wie das Epo-kontrollierte Erythroferron (ErFe) - das die Hepcidinsynthese in der Leber blockiert - oder der growth differentiation factor 15 (GDF15) - beide werden in Erythroblasten synthetisiert, wie auch der platelet-derived growth factor BB (PDGF-BB) u.a.
Leber: Diese Faktoren erreichen die Leber und vermindern die Expression von Hepcidin, das Ferroportin (Fpn) bindet und zu seiner Internalisierung (und Inaktivierung) führt (
s. dort).
Makrophagen / Darm:
Reduziertes Hepcidin erhöht die Verfügbarkeit
und Aktivität von Ferroportin, Eisen wird vermehrt aus internen
Speichern (z.B. Makrophagen, die Erythrozyten abbauen) und aus der
Nahrung gewonnen (Duodenum). Zusätzlich fördern Hypoxie und Eisenmangel
die intestinale Eisenresorption: Ähnlich wie in der Niere stabilisiert
Sauerstoff- oder Eisenverfügbarkeit HIF-2α, das die Transkription von
Faktoren anregt, welche die Eisenresorption kontrollieren:
Ferrireduktase (dcytb), den apikalen divalenten Metalltransporter DMT-1 und den Eisenexporter Ferroportin.
Blut: Das aus Makrophagen und Darm gewonnene Eisen wird dann an Transferrin (Tf) gebunden zum Knochenmark gebracht
CFU-E, colony-forming unit-erythroid
HRE, hypoxia response element
"Stress-Erythropoese": Bei Eisenmangel triggert Erythropoetin in (Pro)Erythroblasten die Expression von Erythroferron (ERFE). Dieses Protein (es wird auch in Muskelzellen synthetisiert) hemmt die Hepcidinbildung und erhöht damit die Aktivität des Eisenexportkanals Ferroportin - und dadurch die Eisenmobilisierung
aus Darm und körpereigenen Speichern. Vermutlich spielen auch noch
weitere Faktoren eine Rolle bei der hypoxiebedingten Reduktion der
Hepcidinsynthese in der Leber.
Hypoxie und Lungengefäße: Sauerstoffmangel in großer Höhe reduziert das arterielle O2-Angebot (Kritische Sättigung 12 Vol-%, Normalwert 19-20 Vol-%) und erhöht über
pulmonale Vasokonstriktion (Pumonalgefäße - Typ P - kontrahieren bei sinkendem pO2: Euler-Liljestrand-Mechanismus) und Widerstandsteigerung den Blutdruck
in der Lunge.
Es kann dazu kommen, dass der Kapillardruck so
stark ansteigt, dass Flüssigkeit ins
zuerst in das Interstitium, dann - bei noch höherem Druck
- in
die Alveolen austritt ("Höhenödem").
Niedriger Luftdruck (große Höhe) bedingt niedrigen pO2 (Hypoxie) und pulmonale Vasokonstriktion.
Dadurch steigt der Blutdruck im Lungenkreislauf, es kann zu
Flüssigkeitsaustritt aus den Alveolarkapillaren ("Höhenödem") kommen.
|
Hypoxie und Hirndruck: Zahlreiche Mechanismen sind an der hypoxisch bedingten Erhöhung des intrakraniellen Drucks
bei Höhenaufenthalt verantwortlich. Mechanische Faktoren erhöhen den
intravasalen Druck und können so
Flüssigkeitsaustritt (Ödeme) und Gefäßwandschäden verursachen.
Atemgas-Partialdrucke wirken wahrscheinlich unmittelbar vasoaktiv:
Hypoxämie wirkt gefäßerweiternd, Hypokapnie gefäßverengend; die
Atemregulation beeinflusst wiederum die Partialdruckwerte.
Hypoxämie
belastet die Na-K-Pumpe, freie Radikale beschädigen die Basalmembran;
diese leidet vermutlich zusätzlich unter der Wirkung von VEGF, das
durch Akkumulierung von HIF-1α (Hypoxia-Inducible Factor) - einem hypoxiebedingt auftretenden
Steuerungsprotein, dessen Bildung von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird - hinaufreguliert wird.
Höhenanpassung führt zu Erhöhung des 2,3-DPG-Gehalts in den roten Blutkörperchen und dadurch zu Rechtsveschiebung der O2-Bindungskurve des Hämoglobins und verbesserter Sauerstoffversorgung des Gewebes. Schließlich könnte lokaler Kaliumrückstau die
Freisetzung von Stickstoffmonoxid anregen, was vasodilatierend wirkt, ebenso wie unter
neuronaler Wirkung freigesetztes Adenosin (<Abbildung).

Vasodilatation liegt wahrscheinlich auftretenden Kopfschmerzen
zugrunde. Mikrohämatome entstehen teils druckbedingt, teils unter
Wirkung zusätzlicher Wirkstoffe.
In Passagierflugzeugen wird der Kabinendruck so eingestellt, dass er
dem Druck auf ≈2 km Meereshöhe entspricht ("Kabinenhöhe"). Je höher das
Flugzeug steigt, umso größer wird der Druckunterschied zwischen innen
(z.B. 80 kPa) und außen (z.B. 20 kPa in ≈11 km Höhe). Kommt es zu
einer Verletzung der Druckhülle (Dekompression), nimmt der Luftdruck
entsprechend ab und damit auch die Sauerstoffsättigung des Hämoglobins;
die
Sauerstoffversorgung des Gehirns sinkt und damit auch seine
Leistungsfähigkeit.
Hypoxiewirkungen auf den Kreislauf
Der Blutdruck
ist durch mäßige
Hypoxie bzw. Höhe unbeeinträchtigt, steigt jedoch (sytolisch und
diastolisch) bei starker Hypoxie bzw. extremer Höhe als Folge der
Anregung des Sympathikus und damit einhergehenden erhöhten
Katecholaminwerten (periphere Vasokonstriktion) - trotz
hypoxiebedingter Gefäßerweiterung vor allem in der Skelettmuskulatur,
die aber durch Noradrenalinwirkung übertrumpft wird. Körperliche
Belastung steigert den systolischen Druck weiter, der diastolische
Druck sinkt leicht ab (das normale Reaktionsmuster).
Kleine arterielle Lungengefäße (<0,8 mm) reagieren auf Hypoxie mit Vasokonstriktion (Euler-Liljestrand-Mechanismus), was den pulmonalen Fließwiderstand erhöht und zu Lungenödem führen kann. Rascher Aufstieg führt zu einer generellen Gefäßreaktion in der Lunge; Gefäße des P-Typs reagieren auf Hypoxie mit Konstriktion, der Druck im Pulmonalkreislauf nimmt zu, und der steigende Filtrationsdruck kann zu Höhenödem
führen. Dieses lebensbedrohliche Zustandbild kann durch Erhöhung des
Sauerstoffpartialdrucks in der Atemluft (Druck- bzw.
Sauerstoffbeatmung) rückgängig gemacht werden.
Die Herzfrequenz ist ebenfalls höhenabhängig:
Einerseits nimmt die Ruhefrequenz von etwa 60/min auf Meereshöhe hypoxiebedingt auf ≈90/min auf 8000 m Höhe zu (das Schlagvolumen nimmt leicht ab);

andererseits sinkt die maximale Herzfrequenz
bei längerem Höhenaufenthalt (nicht bei akuter Hypoxie!) von etwa
190/min auf Meereshöhe auf ≈130/min auf 8000 m Höhe ab. Der Vorteil ist
eine kardioprotektive Wirkung, vermutlich bedingt durch
Herunterregulierung der ß-Rezeptoren in Folge chronisch erhöhter
Katecholaminwerte im Extrazellulärraum.

>Abbildung: Neurokognitive Beeinträchtigungen mit akut zunehmender Höhe
Nach WilsonMH, NewmanS, ImrayCH. The cerebral effects of ascent to high altitudes. Lancet Neurol 2009; 8:175-91
Ab 4000 m können psychomotorische Störungen, ab 6000 m kann Bewusstlosigkeit auftreten
Die Effekte extremer Hypoxie sind dramatisch: Wird man z.B. in 10 km
Höhe dem Außendruck ausgesetzt, bleibt etwa eine Minute - average effective performance time -, innerhalb
der man ohne Einschränkung der mentalen Leistung handeln kann.
(Innerhalb dieser Zeit sollte man eine Sauerstoffmaske angelegt haben.)

Steigt man - ohne Druckkapsel / Druckanzug - in noch größere Höhen auf
(Stratosphärenballon, militärisches Flugzeug ohne Druckkabine), muss
Sauerstoff obligat (zu)geatmet werden.
≈20 kPa (1/5 Atmosphäre) - das ist der Gesamtdruck in etwa 11 km Höhe - entspricht dem normalen Sauerstoffpartialdruck.
Atmet man in dieser Höhe reinen Sauerstoff, kann das Hämoglobin die
Versorgung des Gewebes gleich gut übernehmen wie bei Atmung von Luft
auf Meereshöhe. Tolerierbar ist auf diese Weise der Aufstieg in eine
Höhe von ≈13 km, bei noch geringeren Druckwerten nimmt die
Sauerstoffsättigung des Hämoglobins merklich ab und
das Tragen eines luftdichten "Astronautenanzugs" wird (bei längerer
Exponierung an die hier herrschenden hypobaren Druckwerte) notwendig.

Nimmt der Umgebungsdruck rasch ab (
Dekompression),
kann Stickstoff, der zuvor in den Körperflüssigkeiten gelöst war, in
Form von Gasblasen austreten. Dies kann Jucken, Schmerzen (
'bends',
weil die betroffene Person sich vor Schmerzen krümmt) und Gasembolien
im Kreislauf verursachen. Dekompressionsprobleme entstehen z.B. bei
Reduktion des Drucks im Flugzeug (z.B. bei Tauchern, die kurz nach
Sättigungstauchgängen einen Flug antreten), bei Astronauten (im
Raumanzug herrscht ein geringerer Druck als im Raumschiff), oder beim
Auftauchen nach einem längeren hyperbaren Aufenthalt (Druckkammer,
Sättigungstauchen).
Um dies zu verhindern, müssen Dekompressionszeiten
eingehalten werden, die empirisch ermittelt wurden (Deko-Tabellen,
Computer). Treten Symptome auf, wird der Umgebungsdruck erhöht, um das
Gas wieder in Lösung zu bringen.
Voratmen von reinem Sauerstoff trägt zur Verhinderung dieser Probleme
bei, da Sauerstoff im Stoffwechsel verbraucht wird und sich nicht dem
Maße im Gewebe ansammelt, wie der inerte Stickstoff dies tut.
Tauchen / zunehmender Umgebungsdruck
<Abbildung: Sauerstoffanreicherung des Blutes als Funktion von Umgebungsdruck bzw. Sauerstoffpartialdruck
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016
Die physikalische Lösung des Sauerstoffs in Wasser (grüne Linie) steigt linear mit dem Partialdruck (Henry-Gesetz).
Die Bindung an das Hämoglobin (unter physiologischen Bedingungen ≈70mal so stark, rote
Kurve) erfolgt entsprechend der Sauerstoffbindungskurve, ist also
bereits bei 1 atm Außendruck praktisch komplett.
Jede weitere
Drucksteigerung erhöht lediglich den physikalisch gelösten Anteil
(Gesamtmenge Sauerstoff im Blut: blaue Kurve).
Die Grenze zum toxischen Bereich gilt nur für kurze Aufenthaltsdauer;
bei längerem Verweilen in der Tiefe rückt sie nach links (>nächste
Abbildung)
Beim
Freitauchen oder Sättigungstauchen setzt man sich steigendem
Umgebungsdruck
aus. Das heißt, der hydrostatische Druck in 1 m Wassertiefe beträgt
bereits 10 kPa - mehr, als die Inspirationsmuskulatur überwinden
könnte. (Die Schwankungen des intrapulmonalen Drucks bei normaler
Atmung sind geringer als 1 kPa.)

Aktives Einatmen (Inspirationsmuskeln) ist ab ≈1 m Wassertiefe nicht mehr möglich.
|
Das
würde auch für Atmen über Luftschläuche gelten, die einfach eine
Verbindung zur Luft über Wasser herstellen (ohne Kompression); ein Schnorchel
ist so kurz (maximal 35 cm), dass der Thorax nur knapp unter die
Wasseroberfläche taucht und aktives Atmen druckmäßig noch gelingt. (Ein
Schnorchel hat einen Innendurchmesser von 2 cm; er darf auch deshalb
nicht mehr Volumen enthalten, um Pendelatmung - Wiedereinatmen von Totraumluft - zu minimieren.)
Atmung während eines Tauchganges in tiefere Zonen erfolgt mittels Lungenautomat (regulator): Ein unter Druck stehendes Atemgas (Druckflaschen) wird über einen Atemregler auf den Umgebungsdruck gebracht und kann durch das Mundstück geatmet werden. Dieses Drucklufttauchgerät (SCUBA, self-contained underwater breathing apparatus)
ermöglicht das Atmen in verschiedenen Tiefen, indem es den Gasdruck
automatisch an den Umgebungsdruck angleicht. Die Atemmuskeln müssen nur
die Druckschwankungen generieren, die auch die normale Atmung antreiben.
Pro 10 Meter Tiefenzunahme steigt der Druck um eine
Atmosphäre (1 bar ≈ 100 kPa). Dementsprechend nehmen auch die Gaspartialdrucke
in der (aus dem SCUBA-System geatmeten) Luft zu.
Beispielsweise beträgt der pO2 beim Atmen von Druckluft in 40 Meter Wassertiefe (Druckanstieg um 4 bar, Gesamtdruck 5 bar) 1 bar (Sauerstoffanteil 20%, 5 x 20 = 100%). Diesen Wert kann man für kurze Zeit ohne Schaden tolerieren (spätestens nach 4 Stunden beginnt bei pO2 = 100 kPa die Toxizität des Sauerstoffs zu wirken).
Das Problem der Dekompression ergibt sich - gewissermaßen umgekehrt wie beim Höhenaufstieg - nicht beim Abtauchen (zunehmende Tiefe), sondern beim Auftauchen.
Das Problem ist analog: Abnehmender Druck führt zur Gefahr der
Gasbläschenbildung in Gewebe und Körperflüssigkeiten (s. oben) und zur
"Caissonkrankheit".
Dabei spielt das Produkt aus Höhenunterschied und
Aufenthaltsdauer die entscheidende Rolle, denn je länger man dem
höheren Druck ausgesetzt war, desto intensiver ist die Sättigung der
Körperflüssigkeiten mit Gasen und umso stärker ist die Tendenz zur
Ausgasung bei Druckreduktion.
Eine entsprechende Linie im
Tiefen-Dauer-Diagramm zeigt die Grenze an, ab der beim Auftauchen
Zwischenstopps eingelegt werden müssen (schrittweise Dekompression,
>Abbildung).
>Abbildung: Toleranzzeit und Tauchtiefe
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016
Der "sichere" Bereich ist blau
dargestellt: Bis zu ≈10 m Tauchtiefe bewirkt auch längerer Aufenthalt
keine kritische Anreicherung mit Gasen, Auftauchen ist ohne
Zwischenstopps gefahrlos möglich. Bei kurzer Aufenthaltsdauer (<30
min) gilt das auch für Tiefen bis zu 40 Meter.
Tauchmanöver in mehr als
10 Meter Tiefe für längere Dauer (hellrot)
bedürfen beim Wiederauftauchen definierter Zwischenstopps
(Dekompressionstabellen, computerassistiertes Zeitmanagement), um das
Auftreten von Gasblasen im Körper (Gasembolie, bends) zu vermeiden

Mit zunehmendem pO
2
werden die Toleranzzeiten wegen der Reaktionsfreudigkeit
des Sauerstoffs (Sauerstoffradikale, Lungenentzündung) immer kürzer (Überforderung
der Entgiftungsmechanismen).
Bei tage- oder wochenlangem Aufenthalt in Unterwasserlabors
mit Druckausgleich (freie Ausstiegsmöglichkeit) muss der
Sauerstoffanteil im Atemgasgemisch gesenkt werden: Z.B. in 40 m Tiefe
auf ein Fünftel
des in der Luft herrschenden Wertes (4 Volums-%), um einen normalen
Sauerstoffpartialdruck der Atemluft (≈20 kPa) einzustellen.
Veränderter Atemgasdruck (Tauchmedizin, hyperbare Chirurgie, Flug- und
Raumfahrtphysiologie) erfordert also - zumindest über längere Zeit - eine
Anpassung des verwendeten Gasgemisches. Sauerstoff muss in einem
physiologisch verträglichen Partialdruckbereich angeboten werden.
Begleitgase
<Abbildung:
Atemgasmischungen und inerte Begleitgase (Tauchsport) -
Vor- und Nachteile
Stickstoff dient bezüglich der zentralnervösen Wirkung als Referenz
(narkotischer Faktor NF = 1). Je niedriger der NF eines Begleitgases ist,
desto höhere Partialdrucke dieses Gases sind tolerierbar. So hat Helium
einen NF von 0,23 - deshalb beträgt die maximale Tauchtiefe (Heliox = O2-He-Gemisch)
etwa 200 Meter, während man mit Pressluft (1/5 O2, 4/5 N2) nur ≤50 Meter tief tauchen
kann. Nachteile anderer Begleitgase schränken deren Verwendbarkeit ein
Argon
, Krypton
, Xenon
Begleitgase müssen bestimmte Eigenschaften haben: Nicht entflammbar
(inert), geringe Toxizität (der narkotische Faktor ist ein
Vergleichsmaß zu den Auswirkungen von Stickstoff, dessen NF als 1,0
angesetzt wird), geringe Dichte, akzeptable Diffusions- und
Schwingungseigenschaften (und leistbarer Preis).
Warum ein Begleitgas? Weil reiner Sauerstoff explosionsartig verbrennen kann (Apollo-1-Katastrophe).
Außerdem muss mit zunehmendem Gesamtdruck (Tauchtiefe) ein steigender
Prozentsatz Begleitgas zugemischt werden, um bei physiologischem
Sauerstoff-Partialdruck (≈20
kPa) einen ausreichenden Gesamtdruck zu erzielen. Beträgt der
Gesamtdruck z.B. 10 atm (1000 kPa), muss das Atemgas zu 98% aus Begleitgas bestehen (980 kPa), um einen physiologischen Sauerstoff-Partialdruck von 20 kPa zu erzielen.
Der Wasserdruck steigt pro m Tiefe um 10 kPa. Beispiel: Längerer
Aufenthalt in 200 m ... Gesamtdruck ("Sättigungstauchen") 2100 kPa (21
atm) ... Gasmischung (Heliox) ca. 1% Sauerstoff und 99% Helium
.
Atmung von reinem Sauerstoff ist sinnvoll, wenn
der Gesamtdruck niedrig ist (z.B. Flug ohne Druckausgleich in größerer Höhe)
ein Diffusionshindernis (Alveolarödem, Fibrose,..) in der Lunge vorliegt und das Hämoglobin sonst nicht ausreichend O2-gesättigt werden kann.
Kohlendioxid

>Abbildung: Wirkungen des CO2-Anteils (Volums-% bei 1 bar Luftdruck) der Einatemluft
Beträgt z.B. der Druck 5 bar (wie in 40 m Wassertiefe), treten die
entsprechenden Symptome bei 1/5 des angegebenen Volums-%-Wertes für CO2 auf.
Ausatemluft enthält etwa 5 Vol-% CO2 (gelbes Feld).
Hyperkapnie = arterieller pCO2>45 mmHg
Kohlendioxid (CO2) darf sich im Atemsystem nicht anreichern; es hat stark atemantreibende Wirkung (bis ≈70 mmHg pCO2), bei höheren Werten kommt es zu neurotoxischen Wirkungen, die zu
Verringerung des Atemantriebs führen (Symptome als Funktion des
Kohlendioxidanteils in der Atemluft s. >Tabelle).
Daher wird CO2 durch chemische Bindung aus dem Atemgaskreislauf entfernt (carbon dioxide scrubber: z.B. Atemkalk, Lithiumhydroxid).
Kohlenmonoxid

<Abbildung:
Symptome der Kohlenmonoxidvergiftung in Abhängigkeit von Konzentration
(bei 1 bar Gesamtdruck) und Hämoglobinbindung (% der
Häm-Bindungsstellen)
ppm
= parts per million (10.000 ppm = 1 Volumsprozent). Bewußtlosigkeit
tritt bereits auf, wenn das Atemgas ≈0,3 Vol-% CO enthält
Kohlenmonoxid
(CO) kann bei der Herstellung von Pressluft versehentlich in das System
gelangen (laufender Motor in der Nähe...) und dort angereichert werden.
Wenn der Taucher dann diese kontaminierte Luft atmet, ist das
gefährlich, denn CO bindet >300mal stärker an Hämoglobin als O2 und blockiert damit den Sauerstofftransport.
Als gesundheitsgefährdend gelten CO-Werte ab 100 ppm (0,01 Vol-%; ergibt ≈4% COHb). Ein pCO von 0,3 mm
Hg, entsprechend einem Atemluftanteil von nur 0,04 % (≈400 ppm), blockiert bereits die Hälfte des Hämoglobins für den Sauerstofftransport (50% COHb).
Als Therapie einer CO-Vergiftung bietet sich Sauerstoffbeatmung an, wenn mögich unter erhöhtem Druck (hyperbare Oxygenierung in einer Überdruckkammer).
Durch den erhöhten Sauerstoffpartialdruck verändert sich die
Bindungskonkurrenz am Hämoglobin zuungunsten des CO, und es kann wieder
mehr Sauerstoff an das Gewebe antransportiert werden. Für kurze Zeit
sind hohe Sauerstoffpartialdruckwerte ungefährlich, O2-Toxizität
tritt erst nach Stunden auf (je höher der Partialdruck, desto eher - 1
atm (100 kPa) reiner Sauerstoff kann für mindestens 12 Stunden
gefahrlos toleriert werden).
Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen:
Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie
sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und
Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.