

Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
Transport
im kardiovaskulären System (Kreislauf, Blut, Lymphe)

Atemgastransport im Blut; Hämatopoese
© H. Hinghofer-Szalkay
Allosterischer Effekt: ἄλλως = anders, στερεός = Ort (Konformationsänderung)
Bohr-Effekt: Christian Bohr
Erythropoetin: ἐρυθρός = rot, ποιεῖν = machen
Hämoglobin: αἷμα = Blut, globus = Kugel (besteht aus vier Globinen, die kugelförmig sind)
Haldane-Effekt: John S. Haldane
Hamburger-Effekt: Hartog J. Hamburger
Henry-Gesetz: William Henry
Hüfner'sche Zahl: Gustav v. Hüfner
Isoplethen: ἴσος = gleich, πλήθος = Menge
isosbestisch: ἴσος = gleich, σβέσις = Auslöschung
1
ml arterielles Blut kann 0,2 ml Sauerstoff aufnehmen - 70mal mehr als Blutplasma. Hämoglobin
(Hb) nimmt Sauerstoff in der Lunge auf und gibt ihn bei sinkendem
Partialdruck im Gewebe wieder ab.
Die Sauerstoffabgabe des Hämoglobins an das Gewebe erfolgt bei einem
relativ hohen Partialdruck, der eine gute O2-Versorgung der Zellen ermöglicht. Das zeigt sich in der sigmoiden Bindungskurve (O2-Bindung als Funktion des pO2), die auf einem allosterischen Effekt beruht. Das Bindungs-Abgabe-Verhalten des Hämoglobins ist von mehreren Faktoren beeinflusst: pCO2, pH (Bohr-Effekt), 2,3-DPG (2,3-Diphosphoglycerat), Temperatur.
Feten müssen mit niedrigen pO2-Werten zurechtkommen. Sauerstoff wird in der Plazenta vom Blut der Mutter abgegeben, vom Blut des Feten aufgenommen: Fetales Hämoglobin (HbF) hat eine höhere O2-Bindungskraft als adultes (HbA). Auch hier wird Sauerstoff leichter abgegeben, wenn es der Stoffwechsel erfordert (pCO2, pH, 2,3-DPG).
Sauerstoffbeladenes (oxygeniertes) Hämoglobin hat andere optische (spektrale) Eigenschaften als desoxygeniertes; auf diesem Prinzip beruht die Oximetrie, d.h. die nichtinvasive (transkutane) Messung der Sauerstoffsättigung des Blutes.
Die Neubildung von Blutkörperchen (Hämatopoese) erfolgt im roten Knochenmark und ist gesteuert durch Wachstumsfaktoren und Interleukine (Leukozyten, Thrombozyten) sowie Erythropoetin
(Erythrozyten). Die Freisetzung von Erythropoetin hängt von der
Sauerstoffverfügbarkeit im Gewebe ab. Erythropoetin kann den Output an jungen Erythrozyten um ein Mehrfaches steigern (wie
nach Blutverlust oder infolge chronischer Hypoxie, z.B. bei
Höhenaufenthalt).
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Hämoglobin transportiert Sauerstoff, abhängig von mehreren Faktoren

>Abbildung: Struktur eines Häms
Der
Porphinring - Grundstruktur von Porphyrinen - ist rosa unterlegt, er
besteht aus 4 modifizierten Pyrrolringen. Die zahlreichen
Doppelbindungen spannen das Molekül in eine Ebene und verleihen ihm
seine optischen Eigenschaften (starke Absorption zahlreicher
Wellenlängen des Lichts). Zusammen mit Globin entsteht Hämoglobin, der
Sauerstofftransporter in Erythrozyten.
Am Eisenatom (das an jeweils
einem Stickstoffatom der Pyrrolringe fixiert ist) befestigen sich
Globin-Untereinheiten - in einer Linie, die etwa senkrecht zum
Porphyrinring steht -
mit einem "Zangengriff" zweier Histidin-Bindungen. In eine dieser
beiden Bindungen kann sich ein
Sauerstoffmolekül einlagern - es liegt dann zwischen dem Eisenatom und einem Histidinrest
Hämoglobin
- der rote Blutfarbstoff in den Erythrozyten, bestehend aus Häm (>Abbildung) und Globin - kann bei einem für
arterielles Blut typischen Sauerstoffpartialdruck (~100 mmHg oder 13-14
kPa) etwa 70-mal mehr Sauerstoff aufnehmen als sich bei
diesem Partialdruck physikalisch im Blut löst. Weiters weist es eine
sigmoide Bindungskurve auf, aus der abzuleiten ist, dass sich Sauerstoff
bereits bei wesentlich höherem pO2 vom Hämoglobin löst als dies bei
einer einfachen Bindungscharakteristik (wie bei Myoglobin) der Fall ist (<Abbildung).
<Abbildung: Sauerstoffsättigung als Funktion des Sauerstoffpartialdrucks (Bindungskurve)
Sauerstoffsättigung von
Myoglobin (rot - einfache enzymatische Bindungskurve) und Hämoglobin
(blau - sigmoide Kurve, allosterische enzymatische Bindungscharakteristik).
Der pO2 bei
Halbsättigung (50%) des Hämoglobins ist herausgehoben (hier ~3,7 kPa). Das (monomere) Myoglobin hat eine wesentlich höhere Sauerstoffaffinität als das (tetramere) Hämoglobin, es gibt O2 erst bei wesentlich geringerem pO2 ab als Hämoglobin (Halbsättigung bei ~0,3 kPa)
Das
kommt dem oxidativen Stoffwechsel zugute; der Sauerstoff-Halbsättigungsdruck liegt (bei normalen Begleitumständen, wie pCO2,
Temperatur etc) bei 27 mmHg (3,6 kPa) - bei Myoglobin löst sich der
Sauerstoff erst bei viel niedrigeren Partialdruckwerten vom
Trägermolekül.
Sauerstoffsättigung ist der (prozentuale) Anteil von O2-Bindungsstellen
am Hämoglobin, die zu einem gegebenen Zeitpunkt mit Sauerstoffmolekülen
besetzt sind. Sie gibt an, wie stark im gegebenen Fall die Sauerstofftransportkapazität des Hämoglobins ausgenützt wird.
Die Sauerstoffbindungskurve des Hämoglobins hat S-Form (sigmoide Form)
Hämoglobin ist bei 27 mmHg pO2 zur Hälfte der verfügbaren Bindungsstellen mit Sauerstoff beladen
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>Abbildung: Schema der quaternären Struktur des Hämoglobins mit vier Globin- und vier Häm-Molekülen
Nach Gevorkian SG, Allahverdyan AE, Gevorgyan DS, Hu CK. Thermal-induced force release in oxyhemoglobin. Sci Rep 2015: 5
Sauerstoffmoleküle
werden von den vier Untereinheiten des Hämoglobins (vgl. >Abbildung oben) entweder mit
niedriger oder mit hoher Affinität angelagert (kooperative Bindung). Die Sauerstoffaffinität ist in der R-Form (relaxed) des Hämoglobins (rechts) etwa 150-mal größer als in der T-Form (tense) (links).
Bei niedrigem pO2 liegen die meisten Hämoglobinmoleküle in der T-Form vor. Steigt der pO2, nimmt auch die Wahrscheinlichkeit der Anlagerung von O2 an Häm zu. Nimmt eine der vier Hämgruppen Sauerstoff auf, dann kippen alle vier am betreffenden Hämoglobin gemeinsam
von der T- in die R-Position, die Sauerstoffaffinität dieses
Hämoglobinmoleküls steigt sprunghaft an. Je mehr von ihnen
"umschnappen", desto steiler wird die Neigung der Bindungskurve
Sauerstoff (O2) löst sich ("physikalisch") in Wasser und Körperflüssigkeiten nur sehr
eingeschränkt (bei arteriellen
Partialdruckwerten ~3 ml/l oder 0,3 Volums%). Das ist viel zu wenig, um die vom Körper benötigten 0,3 l/min (Ruhezustand) bis ~5 l O2 pro Minute (körperliche Ausbelastung) aus der Lunge in das Gewebe zu bringen (bei
einem Herzzeitvolumen von ~6 l/min könnten - physikalisch gelöst -
höchstens 18 ml Sauerstoff pro Minute transportiert werden).
Über die Frage der Speicherung von Sauerstoff im Körper s. dort
Diese
Diskrepanz wird durch den Transport von O2 mittels Hämoglobin (Hb)
in den Erythrozyten überbrückt: Bei
voller Sättigung bindet 1 Gramm Hämoglobin 1,34 ml Sauerstoff (Hüfner'sche Zahl):
1g Hämoglobin kann 1,34 ml O2 binden
|
Normalerweise enthält ein Liter Blut an die 150 g Hämoglobin.
Damit beträgt die Sauerstoff-Transportkapazität des Blutes ~200 ml O2/l Blut (150 x 1,34) oder 20 Volums%. Ist dieser Wert erniedrigt, spricht man von einer Anämie.
Sie kann bedingt sein durch eine zu geringe Hämoglobinkonzentration
(z.B. in Folge eines Eisenmangels) oder eine Funktionsstörung des
Hämoglobins (z.B. Sichelzellenanämie).
Unter Anämie versteht
man eine reduzierte Sauerstofftransportkapazität des Blutes. Ein
häufiger Grund ist Mangel an biologisch verwertbarem Eisen
(Eisenmangelanämie), dieser macht sich in einer Reduktion der
Hämoglobinmenge im Blut bemerkbar.
Ein Gramm Hämoglobin bindet bis zu 1,34 Milliliter Sauerstoff (Hüfner'sche Zahl)
Bei 150 g/l Hämoglobinkonzentration ergibt sich eine Transportkapazität von 200 ml O2/l Blut
Mit der Hämoglobinkonzentration steigt / sinkt das Sauerstofftransportvermögen (O2-Bindungskapazität) des Blutes
Gemischt-venöses Blut bei körperlicher Ruhe enthält zu ~75% O2-gesättigtes Hämoglobin
Der Sauerstoffpartialdruck des Blutes alleine sagt nichts über seinen Sauerstoffgehalt aus. Bei einer Anämie ist die O2-Transportkapazität auch bei vollständiger O2-Sättigung des Hb reduziert
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Hämoglobin
hat etwa 64 (4 x 16) kDa molare Masse, seine 4 Eisenatome 224 (4 x 56) Da, d.h. Hämoglobin besteht massenmäßig zu etwa 0,35%
aus Eisen. Eisen ist wichtig, um Sauerstoffmoleküle in eine lockere
(reversible) Fixierung zwischen Eisenatom und Globin zu bringen. So
kann der Sauerstoff bei arteriellen Partialdruckwerten an das
Hämoglobin angelagert und bei niedrigeren (venösen) Werten wieder
abgegeben werden.
Dabei weist das Hämoglobinmolekül unterschiedliche Eigenschaften auf, je nachdem, ob es Sauerstoff enthält oder nicht (Allosterie
): Nimmt eine der vier Hämgruppen O2 auf, wechselt das Molekül in eine Form, die O2 leichter bindet (hohe Sauerstoffaffinität besteht in der R-Form (relaxed), niedrige in der T-Form (tense) des Moleküls, >Abbildung). Dadurch nimmt die Bindungskurve für Sauerstoff eine sigmoide Form an.
Diese S-Form der
Bindungskurve des Sauerstoffs an Hämoglobin (Abbildungen) ist ein
Geniestreich der Natur: Auf diese Weise (bedingt durch einen allosterischen Effekt)
wird in den Blutkapillaren Sauerstoff bereits bei viel höheren
Partialdruckwerten vom Hämoglobin an das Gewebe abgegeben als das bei
einfacher Bindungskinetik (Beispiel Myoglobin) möglich wäre. Das bedeutet, dass für die Diffusion des eher
schlecht löslichen Sauerstoffs durch die Gewebeflüssigkeiten ein
ausreichendes Partialdruckgefälle zur Verfügung steht.

<Abbildung: Sauerstoffsättigung des Hämoglobins als Funktion des Sauerstoff- (Abszisse) und CO2-Partialdrucks (Bindungskurven)
Mit steigendem pCO2
verläuft die Sauerstoffbindungskurve des Hämoglobins zusehends flacher
(rechtsverschoben: Bohr-Effekt).
Partialdruckwerte in mmHg
(7,5 mmHg = 1 kPa)

Hämoglobin transportiert nicht nur Sauerstoff (O2), sondern auch Kohlendioxid (CO2)
und nimmt an der Blutpufferung teil.
Wie die Sauerstoffbindung vom pCO2 abhängt, zeigt die <Abbildung: Nimmt der pCO2 ab (Hypokapnie, Folge vermehrter Atmung), verlagert sich die Bindungskurve nach links, d.h. Hämoglobin gibt den Sauerstoff erst bei niedrigerem pO2 ab; nimmt er zu (Hyperkapnie), verlagert sich die Kurve nach rechts, und Sauerstoff wird schon bei höheren pO2-Werten an das Gewebe abgegeben (das in einer solchen Situation auch dringend mehr O2 braucht).
Der Sauerstoff-Halbsättigungsdruck des Hämoglobins beträgt 3,6 kPa (27 mmHg).
Steigt der Halbsättigungsdruck (Rechtsverschiebung der Bindungskurve), erfolgt in den Kapillaren die Abgabe von Sauerstoff an das Gewebe schon bei höheren pO2-Werten
|
Löslichkeit und Henry-Gesetz
Die physikalische Lösung eines Gases in den Körperflüssigkeiten hängt vom
Partialdruck des Gases ab (Henry-Gesetz). Danach beschreibt ein Löslichkeitskoeffizient das Verhältnis der Konzentration Hc eines gelösten Gases in Relation zu seinem Gaspartialdruck p:
So
kann die in der Flüssigkeit gelöste
Gasmenge aus dem Partialdruck berechnet werden. Je größer [H], desto
höher ist die Löslichkeit des Gases in der Flüssigkeit, und desto mehr
Gas (höherer Wert für c) ist bei gegebenerm Partialdruck in einer
bestimmten Menge Flüssigkeit enthalten. Wie viel Gas sich in
einer
Flüssigkeit löst, d.h. wie hoch der konkrete H-Wert ist, ist von den
jeweiligen Substanzen (Flüssigkeit einerseits, Gas andererseits)
abhängig. Für jede Kombination gilt ein spezieller
Löslichkeitskoeffizient.
In Wasser
(und Blutplasma) ist die Löslichkeit von Kohlendioxid etwa 20-mal so
groß wie die von Sauerstoff (und die von Sauerstoff doppelt so hoch
als die von Stickstoff):
Löslichkeit (Mol / mm Hg)
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Sauerstoff
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Kohlendioxid
|
Stickstoff
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1,4 x 10-6
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3,3 x 10-5
|
7 x 10-7
|
In arteriellem Blut mit einem pO2 von ~15 kPa errechnen sich zum Beispiel 3 ml physikalisch gelöstes O2 pro Liter Blut.
(Tatsächlich beträgt die Sauerstoff-Transportkapazität von einem Liter
Blut - bei einer Hämoglobinkonzentration von ~150
g/l - ~200 ml - Hüfner'sche Zahl: 1,34 ml O2/ g Hb).
Einfluss von Temperatur, pH, pCO2 und 2,3-DPG auf die Sauerstoffbindung
Die
Intensität der Sauerstoffanlagerung am Hämoglobin (abhängig vom
Partialdruck) ist von mehreren Faktoren abhängig (>Abbildung), wie
CO2-Partialdruck (O2-Bindung sinkt mit pCO2 → Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve mit steigendem Kohlendioxidpartialdruck, <Abbildung oben)
Steigt die CO2-Abgabe (Hyperventilation), nimmt die O2-Affinität des Hämoglobins zu
|

>Abbildung: Einflüsse auf die Hb-O2-Bindungskurve
Die Bindungsfähigkeit des Hämoglobins gegenüber Sauerstoff wird beeinflusst durch die Temperatur (niedrige Temperaturen verlangsamen den Stoffwechsel und reduzieren den Sauerstoffbedarf des Gewebes), den pH- und pCO2-Wert (bei niedrigem Sauerstoffpartialdruck kann mehr Kohlensäure transportiert werden: venöses Blut), und 2,3-DPG

pH-Wert (O2-Bindung steigt mit pH - Bohr-Effekt → je basischer das Blut, desto weiter nach links ist die Bindungskurve verschoben, Sauerstoff wird erst bei niedrigerem pO2 abgegeben)
Temperatur - die O2-Bindung nimmt mit abnehmender Temperatur zu (niedrige Temperaturen bremsen den Stoffwechsel, der Sauerstoffvedarf der Zellen nimmt ab)
Konzentration an 2,3-Biphosphoglyzerat (2,3-BPG, 2,3-Diphosphoglyzerat 2,3-DPG)
in den Erythrozyten (Abbildungen). An Desoxyhämoglobin (die T-Form des Hämoglobins, s. >Abbildung oben) gebundenes 2,3-BPG
stabilisiert diese Form und verhindert den Übergang in die
sauerstoffaffine R-Form, die Bindungskurve verlagert sich nach rechts
Steigt [2,3-BPG] in den Erythrozyten, nimmt die O2-Affinität des Hämoglobins ab
|
2,3-DPG bindet an ß-Ketten des adulten (HbA), nicht an γ-Ketten des fetalen Hämoglobins
(HbF). Daher wirkt es (obzwar vorhanden) im fetalen Kreislauf auch
nicht rechtsverschiebend auf die Bindungskurve - das fetale Blut hat
eine höhere Sauerstoffaffinität und transportiert O2 leichter aus der Plazenta zum Feten (wo es den Sauerstoff bei relativ niedrigem pO2 abgibt).

<Abbildung: Sauerstoffbindungskurve in Abhängigkeit von der 2,3-DPG-Konzentration im Erythrozyten
Nach einer Vorlage bei sciencedirect.com
Je
höher die Konzentration an 2,3-DPG in den Erythrozyten (physiologisch
um 5 mM), desto intensiver die Arretierung des Hämoglobins in der
weniger "sauerstoff-freundlichen" T-Form. Die Bindungskurve verschiebt
sich nach rechts, Sauerstoff wird schon bei höheren pO2-Werten an das Gewebe abgegeben
Die Sauerstoffabgabe
vom Hämoglobin wird begünstigt durch CO2, H+-Ionen, 2,3-DPG und Temperaturanstieg. Das erhöht das O2-Angebot an das Gewebe (Abgabe bei höherem pO2, Rechtsverschiebung der Bindungskurve).
Umgekehrt nimmt das Blut Sauerstoff umso leichter auf, je niedriger pCO2, Temperatur, 2,3-DPG-Konzentration und H+-Ionenkonzentration sind - diese Faktoren begünstigen die Sauerstoffaufnahme des Hämoglobins (Linksverschiebung der Bindungskurve).
Zunahme des [2,3-DPG] in den Erythrozyten (physiologisch um 5 mM/l) senkt die O2-Bindung des Hämoglobins, wodurch der Sauerstoff eher abgegeben wird und einer Gewebehypoxie entgegengewirkt wird (<Abbildung). Höhenakklimatisierte
Menschen haben erhöhte 2,3-DPG-Spiegel in ihren Erythrozyten, wie auch
Patienten mit Herz- oder Lungenerkrankungen mit verringerter
Sauerstoffzufuhr an das Gewebe.
Auch die Aminosäurezusammensetzung der Hämoglobinketten spielt eine
Rolle: So unterscheidet sich das Hämoglobin bei Sichelzellenanämie nur
in einer einzigen Aminosäure von normalem HbA, aber es neigt
im desoxygenierten Zustand zur Kristallisation, was die roten
Blutkörperchen deformiert und die Mikrozirkulation behindert.
Fetales Hämoglobin
Ein weiterer Einfluss der Proteinstruktur auf die O2-Bindungscharakteristik des Hämoglobins spielt während der Schwangerschaft eine wichtige Rolle: Fetale Hämoglobine (HbF)
unterscheiden sich in der Aminosäuresequenz der Untereinheiten von
adultem Hämoglobin (HbA), was in einer steileren Bindungskurve
resultiert (>Abbildung). Der Sinn liegt in einer besseren
Sauerstoffversorgung des Feten, der ja sonst aufgrund der
Partialdruckverhältnisse bei der Konkurrenz um Sauerstoff das Nachsehen
hätte.

>Abbildung: HbF bindet Sauerstoff bei niedrigeren pO2-Werten als HbA...
...anders
ausgedrückt: Sauerstoff hat die Tendenz, von mütterlichem zu fetalem
Hämoglobin zu wandern, da es hier (bei gegebenem pO2) stärker gebunden wird

Außerdem ist die Affinität des fetalen Hämoglobins für 2,3-DPG niedriger als bei HbA (2,3-DPG arbeitet ja der Zielsetzung, Sauerstoff stärker an Hämoglobin binden zu können, entgegen).
Unmittelbar nach der Geburt befindet sich im Kreislauf des Neugeborenen noch ~80% des Hämoglobins als HbF und wird schrittweise durch HbA ersetzt; dieser Prozess ist einige Monate postpartal weitgehend abgeschlossen.
Näheres zum Sauerstofftransport im Neugeborenen und zum fetalen Hämoglobin s. dort
Transport von Kohlendioxid
Arterielles Blut enthält ~26 mM CO2, entsprechend ~48 ml / 100 ml Blut (STP-Bedingungen). Das im Stoffwechsel entstandene CO2 - bei einer erwachsenen Person
im Ruhezustand etwa 250 ml/min, bei körperlicher Belastung bis zu ~4000 ml/min - wird von venösem Blut aus
den Geweben zur Lunge transportiert, und zwar in verschiedener Form
(<Abbildung):
<Abbildung: Transportformen des Kohlendioxids in venösem Blut
Modifiziert nach einer Vorlage bei pathwaymedicine.org/carbon-dioxide-transport
CO2 diffundiert von Gewebezellen in der Körperperipherie in kapilläres Blut. Dort wird es in drei Formen weiterbefördert: Zu ~4% physikalisch gelöst (der pCO2 steigt von ~40 auf ~46 mmHg an), in den Erythrozyten zu ~6% als Carbaminohämoglobin (also proteingebunden), der Rest (90%) als Bicarbonat (dazu ist Carboanhydrase notwendig) - davon 1/3 in den Erythrozyten und 2/3 im Blutplasma (Austausch gegen Chloridionen: Chloride shift).
Die entstandenen Wasserstoffionen binden an das Hämoglobin und bewirken den Bohr-Effekt (s. weiter unten)

Als CO2 physikalisch gelöst, vorwiegend im Blutplasma (4-5%). Die in dieser Form transportierte Menge hängt vom herrschenden pCO2-Wert ab (Henry-Gesetz).
Als Carbaminohämoglobin - proteingebunden (an eine NH2-Gruppe des Hämoglobins) - in den Erythrozyten (5-7%)
~90% als Bicarbonat, das durch Einwirkung von Carboanhydrase rasch aus CO2 entsteht und dann zu 2/3 mittels eines HCO3-/Cl-Austauschers
in der Membran der Erythrozyten in das Blutplasma überwechselt
(Chlorid-shift, Hamburger-Effekt); 1/3 des Bicarbonats verbleibt in den Erythrozyten. In der Lunge läuft dieser Vorgang umgekehrt ab (s. weiter unten).
Man schätzt, dass der Körper eines erwachsenen Menschen zusammengenommen ungefähr 120 Liter CO2 in verschiedener Form enthält (Sauerstoff insgesamt nur ~1,5 l).

>Abbildung: CO
2-Transport in arteriellem und gemischt-venösem Blut
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Arterielles Blut transportiert im Mittel 48 ml/dl CO2, gemischt-venöses (bei körperlicher Ruhe: 70-75% O2-Sättigung) 52 ml/dl.
Der Unterschied (~4
ml/dl) beruht zu fast 70% auf Erhöhung des Bikarbonatgehalts, zu gut
einem Fünftel auf Steigerung des Carbaminohämoglobins. Das vermehrt
physikalisch gelöste CO2 (Partialdruckanstieg von 40 auf 46 mmHg) macht ein Zehntel des Mehrtransports aus (Inset rechts oben)
Im Vollblut werden etwa 50 ml CO2 je 100 ml transportiert (>Abbildung, arteriell ~48, gemischt-venös ~52) - zum Vergleich: 100 ml arterielles Blut transportieren etwa 20 ml O2 (s. oben).
Arterielles Blut enthält mehr als doppelt so viel CO2 als O2
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Venöses Blut enthält um rund 10% mehr CO2 als arterielles (bei körperlicher Ruhe, bei Muskelarbeit ist der Anstieg des transportierten Kohlendioxids und des pCO2 höher, je nach Belastungsgrad).
<Abbildung: CO2-Bindungskurven in vollständig desoxygeniertem (blau), gemischt-venösem (violett) und arteriellem Blut (rot)
Modifiziert nach einer Vorlage bei Levitzky MG, Pulmonary Physiology, 9th ed. McGraw-Hill Education 2018
Die Lage der Bindungskurven (je höher der Kohlendioxidpartialdruck, desto größer der CO2-Gehalt
im Blut) hängt vom Sauerstoffpartialdruck ab (Haldane-Effekt). Die
physiologisch besonders relevanten Punkte (arteriell, gemischt-venös)
sind hervorgehoben
Stellt man die transportierte Menge an Kohlendioxid als Funktion des in der Blutprobe herrschenden CO2-Partialdrucks
dar, ergibt sich der in der <Abbildung gezeigte Zusammenhang. Diese
Bindungskurven sind im physiologischen Partialdruckbereich wesentlich
steiler als diejenigen für Sauerstoff (Hämoglobin), der arterio-venöse
Partialdruckunterschied (~40 und ~46 mmHg) beträgt nur etwa ein Zehntel
dessen, was für Sauerstoff gilt (~40 und ~100 mmHg,
s. oben).
Die Abbildung lässt auch erkennen, dass die Bindungskurven davon abhängen, wie hoch die
Sauerstoffsättigung des Hämoglobins ist; diese als Haldane-Effekt
bezeichnete (und im Folgenden näher erläuterte) Tatsache bedeutet, dass
die Erythrozyten CO2 umso leichter aufnehmen können, je
geringer die Sauerstoffbeladung des Hämoglobins ist.
Dieser Einfluss
scheint bei Betrachtung der Kurven nicht sehr stark zu sein, ist aber
doch physiologisch wesentlich: Genau dann, wenn die roten
Blutkörperchen Sauerstoff an die Gewebe abgeben, steigt die
Aufnahmefähigkeit des Hämoglobins für CO2, was den Transport aus dem Gewebe zur Lunge erleichtert und unterstützt.
Sauerstoff vs. Säure: O2 und CO2 / H+ beeinflussen ihren Transport gegenseitig
Sauerstoff einerseits und H+-Ionen bzw. CO2
andererseits haben am Hämoglobinmolekül gegenseitige Effekte; werden
vermehrt Wasserstoffionen gebunden, nimmt die Anlagerungsbereitschaft
für Sauerstoff ab, andererseits vermindert Sauerstoff den Transport von
Kohlendioxid (CO2 <--> H2CO3 <--> H+ + HCO3-). Daraus ergeben sich zwei Effekte, die als Bohr- und Haldane-Effekt bezeichnet werden:

Bohr-Effekt:
Die O2-Bindungsfähigkeit
des Hämoglobins ist abhängig von pH-Wert (und damit indirekt von pCO2), Ansäuerung senkt die Sauerstoff-Affinität, Alkalisierung steigert sie.
Haldane-Effekt:
Das CO2-Transportvermögen
des Blutes nimmt mit steigendem O2-Partialdruck ab und umgekehrt.
Am Hämoglobinmolekül
besteht also eine 'Konkurrenz' um Aufnahme von H+-Ionen (Pufferung)
einerseits (CO2!), und O2-Molekülen am Häm andererseits. Gemeinsam sorgen der Bohr- und der Haldane-Effekt im Gewebe dafür, dass der CO2-Gradient im Erythrozyten nicht so stark ansteigt, dass die Diffusion dadurch behindert würde (der pCO2 steigt ja im aktiven Gewebe nicht stark an).
>Abbildung: Atemgasaustausch und Hamburger-Effekt
Nach einer Vorlage bei Pearson Education 2013
Oben: Zellen im Gewebe produzieren CO2, dieses diffundiert über Interstitium und Endothel in Erythrozyten und wird durch die Wirkung der Carboanhydrase (CAH) rasch zu Bicarbonat umgewandelt. Bicarbonat
wird anschließend - im Austausch gegen Chloridionen - über die
Erythrozytenmembran in das Blutplasma weitergereicht (* Bande-3-Antiporter), um die Reaktion
nicht zu behindern ("Hamburger-shift").
Entstandene H+-Ionen werden an Hämoglobin gebunden (HHb), der rote Blutfarbstoff entfaltet so seine Pufferwirkung. CO2 liegt zu 90% als Bicarbonat, zu 6% über direkte Bindung an Hb (HbCO2, Carbaminohämoglobin) und zu 4% physikalisch gelöst vor (der pCO2 steigt an, z.B. von 40 auf 45 mmHg).
Infolge des Partialdruckgradienten (niedriger pO2 im Gewebe) und wegen des Bohr-Effekts (verringerte O2-Bindung bei Ansäuerung) ist die Abgabe von Sauerstoff aus dem Blut begünstigt, und dieses diffundiert zu den Gewebszellen.
Unten: Die Vorgänge kehren sich in der Lunge um, Sauerstoff gelangt in das Blut und Kohlendioxid in die Alveolarluft

Entsprechend den in der Tabelle angegebenen Löslichkeitskoeffizienten ist die physikalisch gelöste Menge der Atemgase recht unterschiedlich:
In arteriellem Blut (pO2 von ~15 kPa) beträgt die pro Liter gelöste Sauerstoffmenge 3 ml/l (das ist knapp 1,5% der Gesamtmenge, der Großteil - rund 200 ml/l - ist an Hämoglobin angelagert); in venösem Blut hängt die Menge vom Partialdruck ab, bei körperlicher Ruhe ist es ~1 ml/l.
Kohlendioxid
löst sich wesentlich besser; bei 40 mmHg (~5 kPa) Partialdruck ergibt
sich ein Wert von ~20 ml/l (das sind etwa 4% der Gesamtmenge von ~500 ml/l).
CO2, das (im Gewebe) in
rote Blutkörperchen eintritt, kann hier unter beschleunigender Wirkung
des Enzyms Carboanhydrase
(Carbonic anhydrase CAH) zügig zu Kohlensäure umgewandelt werden. CAH wird von den
Erythrozyten stark exprimiert, insoferne gleichen sie Zellen im Magen
(Belegzellen: Salzsäureproduktion) und Tubuluszellen in der Niere.
Dieser Vorgang läuft im Blutplasma sehr langsam ab, da hier keine
Carboanhydrase vorliegt; das Plasma trägt zum Kohlendioxidtransport
hauptsächlich über den Hamburger-Effekt (also indikekt) bei, wo es
Chloridionen liefert (und Bicarbonat aus dem Erythrozyten aufnimmt).
Kohlensäure dissoziiert dann zu Bicarbonat und Wasserstoffionen (>Abbildung oben). Letztere werden an Hämoglobin gebunden (HHb - Pufferwirkung des Hämoglobins). Für H+-Ionen ist die Erythrozytenmembran kaum durchlässig.
Um eine Anreicherung von Bicarbonat
- welche diese Reaktion behindern würde - zu vermeiden, ist es
zweckmäßig, dieses gegen Chloridionen auszutauschen. Ein Cl-/HCO3--Antiporter (Bande-3-Protein), von dem es in jedem Ery über eine Million Moleküle gibt, ermöglicht den entsprechenden Anionenaustausch über die Erythrozytenmembran (AE1: Anion exchanger). Jedes AE1-Molekül kann pro Sekunde bis zu 5.104 Ionen pro Sekunde transportieren.
Dieser Effekt wird als Hamburger-Shift
(Chlorid-Shift, Hamburger-Effekt
) bezeichnet.
Chlorid-shift: Bicarbonat wird gegen Chlorid über die Zellmembran (z.B. des Erythrozyten) ausgetauscht
|
Ein Großteil des
entstandenen Bicarbonats gelangt auf diese Weise aus den Erythrozyten, und
typischerweise ist die Chloridkonzentration in venösem Blutplasma niedriger als in arteriellem.
Carbaminohämoglobin (HbCO2) ist eine direkt an Hämoglobin gebundene Transportform des Kohlendioxids (6% der Gesamtmenge an arterio-venös ausgetauschtem CO2).
Die Umdrehung der Vorgänge (wie sie in der Lunge stattfindet) ist im unteren Teil der >Abbildung oben gezeigt.

<Abbildung: Isoplethen
im Blut und O
2-CO
2-Diagramm
Nach einer Vorlage bei Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 1st ed. Saunders 2003
Blaue Kurven verbinden Punkte eines bestimmten Sauerstoffgehalts, rote solche eines bestimmten Kohlendioxidgehalts im Blut (Isoplethen). Die Neigung der blauen Kurven repräsentiert den Bohr-Effekt (ohne diesen wären die Linien Senkrechte).
Punkt a: arterielle Werte (pO2 = 100 mmHg, pCO2 = 40 mmHg, Sauerstoffgehalt 20 Vol-%, Kohlendioxidgehalt 48 Vol-%).
Punkt v: gemischt-venöse Ruhewerte (pO2 = 40 mmHg, pCO2 = 46 mmHg, Sauerstoffgehalt ~15 Vol-%, Kohlendioxidgehalt 52 Vol-%).
Die dunkelgrüne Linie verbindet alle möglichen O2-CO2-Kombinationen bei einer gesunden Lungenfunktion (v gemischt-venös, a arteriell, l Luft)

Eine besondere Form der Darstellung der Zusammenhänge im Atemgastransport stellen Isoplethen dar (<Abbildung); das sind Zustandskurven in einem pCO2-pO2-Diagramm,
die jeweils Punkte gleichen Gasgehalts verbinden. Die wechselseitige
Abhängigkeit des Transports der beiden Atemgase am Hämoglobin bewirkt
die eigentümlichen Krümmungen der Isoplethenkurven des Blutes.
Sauerstoffextraktion: Arteriovenöse Sauerstoffdifferenz
Wie viel
Sauerstoff aus den Kapillaren abgegeben wird, hängt vom Bedarf des Gewebes ab.
Dieser ist sehr unterschiedlich:

So verbrauchen die
Nieren
nur 6-7% des arteriell
angebotenen Sauerstoffs (hoher Anteil funktioneller Durchblutung,
geringer Anteil nutritiver Durchblutung), das Blut in der v. renalis
ist weitgehend sauerstoffgesättigt

Der
Herzmuskel hingegen ~60% des arteriell
angebotenen Sauerstoffs (ausbelastete Muskulatur bis zu ~90%)

Das
Gehirn nimmt im Schnitt weniger als 30% des arteriell angebotenen
Sauerstoffs in Anspruch; aktive graue Substanz verbraucht deutlich mehr als weiße und hat eine O
2-Extraktion von ~35%

Skelettmuskeln
verbrauchen im Ruhezustand etwa 28%, bei Ausbelastung bis zu 90% des
arteriell angebotenen Sauerstoffs. Das bedeutet auch, dass die
O2-Sättigung des gemischt-venösen Blutes
bei körperlicher Belastung abnimmt - von ~75% bei körperlicher Ruhe)auf ~10% bei Ausbelastung (die Skelettmuskulatur konsumiert
dann den Großteil des Herzminutenvolumens).
Körperliche Belastung reduziert die Sauerstoffsättigung gemischt-venösen Blutes
|
Bei einer erwachsenen Person und körperlicher Ruhe transportiert das Blut etwa 1000 ml O2 pro Minute von den Lungen an die Gewebe heran (global oxygen delivery). Davon verbrauchen die Gewebe etwa 250 ml O2 pro Minute (global oxygen consumption), die Sauerstoffextraktion (OER, s. Definition) - das Verhältnis dieser beiden Werte - beträgt 25%. Die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz im körperlichen Ruhezustand beträgt 5 Vol-% (der Sauerstoffgehalt arteriellen Blutes beträgt rund 20, derjenige gemischt-venösen Blutes rund 15 ml O2 / 100 ml Blut).
Unter Sauerstoffextraktion (oxygen extraction ratio OER) versteht man den Quotienten zwischen O2-Antransport und O2-Verbrauch (delivery / consumption) - der als Fraktion oder in % angegeben werden kann -, unter arterio-venöser Sauerstoffdifferenz (AVDO2) den Unterschied
zwischen arterieller und venöser O2-Konzentration (
Näheres s. dort). In der Niere beträgt die arterio-venöse Differenz ~1 Vol%, im Gehirn <6
Vol%, im Herzmuskel ≥12 Vol% (entsprechend einer OER von ca. 60%).
Das Blut im rechten Herzen (gemischt-venös aus dem gesamten Körper) enthält bei
körperlicher Ruhe etwa 150 ml O2/l, die AVDO2
beträgt dann 50 (200-150) ml/l Blut (5 Vol%). Das bedeutet, der Körper verbraucht 1/4 des
arteriell angelieferten Sauerstoffs (25% Ausnützung, 75% Reserve).
Mit zunehmender
körperlicher Belastung steigt die AVDO2
auf bis zu 180 ml/l (18 Vol% - 90% Ausnützung, 10% Reserve) - maximal belastete
Muskulatur (Arbeitsumsatz) verbraucht den arteriell angelieferten Sauerstoff fast
vollständig.
Blutbildung (Hämatopoese)
Hämatopoese. Pluripotente Stammzellen stellen den Ursprung aller Zell-Linien dar. Sie werden durch einen Stammzellfaktor (SCF, Stem cell factor) aktiviert. Dieser funktioniert über Tyrosinkinase-Aktivierung und ist für Überleben, Proliferation und Differenzierung von (hämatopoetischen) Stammzellen unentbehrlich. Pluripotente Stammzellen (
long-term hematopoietic stem cells, LT-HSCs) sind zu unlimitierter Selbsterneuerung fähig,
spezialisierte Stammzellen (
short-term hematopoietic stem cells, ST-HSCs) differenzieren weiter zu entsprechenden
Vorläufern reifer Blutzellen (>Abbildung).
>Abbildung: Hämatopoese
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Aus pluripotenten Stammzellen (LT-HSCs:
long-term hematopoietic stem cells)
können alle Blutkörperchen entstehen - über spezialisierte Stammzellen (ST-HSCs:
short-term hematopoietic stem cells)
.
BFU-E,
burst forming unit-erythroid
CFU, colony forming unit (B:
basophil, E: erythroid, Eo: eosinophil, G: granulozytär, GEMM:
granulozytär, erythroid, megakaryozytär, makrophagisch, GM:
granulozytär / makrophagisch, M: makrophagisch, Meg: megakaryozytär,
MegE: megakaryozytär / erythroid)
CMP, common myeloid progenitor
CLP, common lymphoid progenitor
GMP, granulocyte-macrophage progenitor
MEP, megakaryocyte-erythroid progenitor
Eosinophile, basophile, neutrophile Granulozyten
Monozyten
Steuerfaktoren in blauer Farbe. Koloniestimulierende Faktoren / Wachstumsfaktoren / Zytokine
bewirken Multiplikation und Reifung von Knochenmarkstammzellen / hämatopoetischen Zellinien. CSF, colony stimulating factor
EPO, Erythropoetin
TPO, Thrombopoetin
IL, Interleukin

Die Bildung von Blutkörperchen im roten Knochenmark ist durch spezifische Wachstumsfaktoren gesteuert. Diese verhalten sich meist synergistisch zu anderen, d.h. sie fördern die Produktion anderer Wachstumsfaktoren (networking).
Auch
spielen extrazelluläre Matrixproteine wie Integrine als Signalgeber eine wichtige Rolle bei der Feinregulierung der Blutbildung.
Aus einer pluripotenten Stammzelle entstehen auf dem Weg vielfacher
Zellteilung mehr als eintausend "fertige" Blutkörperchen. Dabei gibt es
kritische Verzweigungspunkte, an denen die Anwesenheit (oder
Abwesenheit) spezifischer Wachstumsfaktoren über den weiteren Weg der
Teilung entscheiden.

<Abbildung: Erythropoese
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
ST-HSC,
short-term hematopoietic stem cell
CMP, common myeloid progenitor
MEP, megakaryocyte-erythroid progenitor
BFU-E,
burst forming unit-erythroid
EPO, Erythropoetin
CFU-E, colony forming unit - erythroid
EPO ist zur Differenzierung von BFU-E zu Proerythroblasten (CFU-E, Pronormoblasten) absolut notwendig. Diese differenzieren zu basophilen, polychromatischen und orthochromatischen Erythroblasten.
Letztere exozytieren ihren Zellkern und werden zu Retikulozyten (die noch über Ribosomen und Mitochondrien verfügen; ihre Zahl im Blut steigt mit der Anzahl neu gebildeter Erythrozyten, die auch Mitochondrien und Ribosomen abgegeben haben)
Die
<Abbildung zeigt die Schritte bei der Entstehung von Erythrozyten
aus Stammzellen (Erythropoese). Der Schritt zu Proerythroblasten kann nur unter der
Wirkung von Erythropoetin vollzogen werden. Hämoglobin
taucht erst in polychromatischen Erythroblasten auf, seine Menge wächst
(bis auf 5,5 mM, ein vergleichsweise extrem hoher Wert, entsprechend ca. 34 g/dl MCHC), bis Zellkern und Ribosomen abgegeben werden und deshalb keine weitere Proteinsynthese stattfinden kann.
Erythropoetin
(EPO)
ist ein 34-kDa Glykoprotein, das von peritubulären
interstitiellen (fibroblastenähnlichen) Zellen der Niere und ein wenig
auch von Kupffer'schen Sternzellen der Leber
(beim Embryo vor allem von perisinusoidalen Leberzellen) gebildet wird.
Sauerstoffmangel (wie bei Blutverlust oder Höhenaufenthalt) führt zu verstärkter Bildung von Erythropoetin
|
Je geringer der Hämatokrit (und damit Hämoglobingehalt), desto niedriger ist die Sauerstofftransportkapazität des Blutes und
umso stärker wird die Erythropoetinbildung angeregt. Der EPO-Spiegel
verhält sich umgekehrt proportional zum Hämatokrit, und zwar steigt er
mit sinkendem Hkt exponentiell an (<Abbildung).
Peritubuläre Fibroblasten in der Nierenrinde messen das Sauerstoffangebot über Prolylhydroxylasen (diese haben Eisen als essentiellen Kofaktor). Unter normoxischen Bedingungen "markieren" Prolylhydroxylasen den hypoxie-induzierbaren Faktor (HIF) zur Ubiquitinierung,
d.h. für den Abbau. An dieser Ubiquitinierung beteiligen sich mehrere
Faktoren, wie das von Hippel-Lindau (VHL)- Protein.
Zellen überall im Körper synthetisieren unter normoxischen Bedingungen konstitutionell (ständig) HIF-α, und es wird - weil monomer labil - laufend abgebaut. Das ändert sich bei erniedrigter Sauerstoff- oder Eisenverfügbarkeit: Diese Bedingungen unterdrücken die Prolyl-Hydroxylase-Aktivität; das stabilisiert HIF-α, es wird dimerisiert und regt zusammen mit seinem Partnermolekül ARNT (Aryl hydrocarbon receptor nuclear translocator) die Transkription des Erythropoetin (Epo)-Gens an. Hypoxie steigert die Menge des verfügbaren HIF, und HIF-1α erhöht die Produktion von EPO-mRNS.
Bei Sauerstoffmangel intensiviert HIF die Expression des Erythropoetin-Gens
|
Erythropoetin ist für die Differenzierung von BFU-Es essentiell,

Mit abnehmendem Hämatokrit nimmt die EPO-Konzentration im Blut exponentiell zu.
Maßstab der Ordinate logarithmisch
Rasche Reaktion: Der Sinn dieses komplizierten Mechanismus scheint darin zu bestehen,
dass lokal und prompt auf Sauerstoffmangel reagiert werden kann: Das Prolyl-Hydroxylase- HIF-2α- System ist ständig aktiv, und O2-Mangel führt zu rascher und effizienter Anregung des Epo-Mechanismus (HIF-2α liegt jederzeit schon vor und muss nicht erst synthetisiert werden, was vergleichsweise langsam ablaufen würde).
Erythropoetin wirkt über Rezeptoren, die zur
Zytokinrezeptorfamilie gehören und zu ihrer Wirkung die Aktivierung von Janus-Kinase benötigen. Es fördert die Umwandlung von myeloischen Vorläuferzellen (erythroide CFUs: BFU-E = Erythroid burst forming unit zu CFU-E = Erythroid colony forming unit
und weiter zu Pronormoblasten), die sich schließlich zu reifen
Erythrozyten weiterentwickeln.
Erythropoetin hat auch andere Funktionen, z.B. ist es
an der Wundheilung beteiligt.
Erythropoetin (Serum)
6-25 IU/l
kann bei Sauerstoffmangel um das ~1000-fache zunehmen (<Abbildung)
Biologische Halbwertszeit 6 h

Verminderter Sauerstofftransport zum Gewebe (Hypoxämie)
führt zu erhöhter renaler Erythropoetinproduktion. Die Folge ist
vermehrte Reifung von Erythrozyten, Hämatokritanstieg und verbesserter
Sauerstofftransport.
Mitte: Nichtlinearer Anstieg des
Serum-Erythropoetinspiegels mit sinkendem Hämatokrit (als Zeichen
zunehmender Hypoxie in den Geweben)
Der Erythropoetinspiegel kann bei
hypoxischem Stress (Sauerstoffmangel) um drei Zehnerpotenzen zunehmen. Das kann geschehen durch (<Abbildung)

lokalen pO
2-Abfall, z.B. bei verringerter Nierendurchblutung,

zentrale
Hypoxie (niedriger arterieller pO
2
- z.B. Höhenaufenthalt),

bei ungewöhnlich hoher Sauerstoffaffinität des Hämoglobins: So führt Zufuhr von
alkalotischem oder von konserviertem Blut mit niedrigem 2,3-DPG-Spiegel
beim Empfänger zu gesteigerter Produktion von Erythropoetin.
Die Erythropoetinsynthese wird auch durch andere Faktoren beeinflusst:
Noradrenalin, Schilddrüsenhormone, Androgene, Adenosin und
Prostaglandine (PGE2) fördern seine Freisetzung; Östrogene hemmen sie (rotes Blutbild!).
Allgemein wird die Hämatopoese u.a. durch Zytokine gesteuert, die von Endothel-
und Stromazellen sowie Knochenmarkmakrophagen gebildet werden.
Die Anbindung an das Immunsystem bedingt u.a., dass entzündliche Vorgänge die Mobilisierung
von Leukozyten für die allgemeine und adaptive Immunabwehr stimulieren.
Zu den Signalgebern der Hämatopoese zählen Faktoren, die sowohl stimulierend als auch hemmend wirken können:
FLT-3/FLK-2 = Rezeptor-Tyrosinkinase, diese aktiviert zusammen mit Interleukinen und anderen Wachstumsfaktoren (SCF = stem cell factor, G-CSF = granulocyte-colony stimulating factor u.a.) Stammzellen zu pluripotenten CFUs
Andererseits wird einigen Faktoren eine bremsende Wirkung auf die Aktivierung von Stammzellen zugeschrieben (MIP = macrophage inflammatory protein, TGF = transforming growth factor).
Renale Anämie:
Chronische Nierenerkrankungen können zum Untergang von Nierenparenchym
führen. Ist die Erythropoetinsynthese signifikant betroffen, nimmt die
Bildung roter Blutkörperchen im Knochenmark ab. Das Resultat ist Anämie
und reduzierter Sauerstofftransport zum Gewebe.
Einige eingeatmete Gase können toxisch wirken. Kohlenmonoxid (CO) ist ein farb- und geruchloses Gas, das durch unvollständige
Verbrennung von Kohlenwasserstoffen entsteht. Es ist giftig, da es an
Hämoglobin bindet und Sauerstoff dabei vom Häm-Bindungsort verdrängt:
CO bindet >200mal stärker an Hämoglobin
als Sauerstoff. In der Nähe von dichtbefahrenen Straßen oder in
verrauchten Räumen kann der COHb-Anteil im Blut über 5% betragen. Bei
Tauchern kann es zu Vergiftungen kommen, wenn CO-hältige Luft als
Atemgas komprimiert und über längere Zeit aus dem SCUBA-System geatmet wird -
s. auch dort.
Bei
einem CO-Anteil in der Luft von ~0,1% ist (nach Äquilibrierung) bereits mehr als die Hälfte
des Hämoglobins blockiert. COHb ist kirschrot (rosiges Aussehen von
CO-Vergifteten). Therapie: Kohlenmonoxid kann
vom Hämoglobin durch Sauerstoff mit hohem Partialdruck verdrängt werden
(Druckkammer).
Dazu kommt ein weiterer Effekt: CO verschiebt die Sauerstoffbindungskurve des Hämoglobins nach links.
Die Konformation des Hämoglobins ändert sich und die S-Form der Kurve
verschwindet, Sauerstoff wird (ähnlich wie bei Myoglobin) erst bei
niedrigerem pO2 abdissoziiert, was für die Zellen einen Verlust an Sauerstoff bedeutet und den oxidativen Stoffwechsel behindert.
CO diffundiert relativ langsam über die Alveolarwand - die Aufnahme des Kohlenmonoxids in den Blutkreislauf ist diffusionslimitiert,
der CO-Transport von Alveolarluft zum Blut ist in erster Linie durch
die Diffusion bestimmt. Ist eine Äquilibrierung erreicht (pCO-Angleich
Alveole-Blut), dann wird der Transport perfusionslimitiert (so wie das für die Atemgase O2 und CO2 der Fall ist).
Die Diffusion von CO - also die CO-Aufnahme pro Zeit - in das Blut kann errechnet werden, wenn man die Diffusionskapazität DCO und das Partialdruckgefälle ΔpCO (hier zwischen Luft und Alveolarraum) kennt:
wobei DCO ~20 ml/min/mmHg beträgt.
Über Kohlenmonoxid als Signalstoff s. dort

>Abbildung: Spektroskopie von Hämoglobin
Nach Hu D, Huang L. Negative hemodynamic response in
the cortex: evidence opposing neuronal deactivation revealed via
optical imaging and electrophysiological recording. J Neurophysiol
2015; 114: 2152-61
Isosbestische
Punkte
befinden sich bei Wellenlängen, bei denen sich die Lichtabsorption eines
Systems im Verlauf einer Reaktion nicht ändert - in diesem Fall
zwischen oxygeniertem und desoxygeniertem Zustand.
Bestimmungen der
Sauerstoffbeladung des Hämoglobins erfolgen bei Wellenlängen, bei denen
sich die Absorptionskurven deutlich unterscheiden

Oxigeniertes und desoxigeniertes Blut haben unterschiedliche Absorptionsspektren (>Abbildung). Dies macht man sich in der Pulsoximetrie zunutze, mit der man in der Klinik die Sauerstoffsättigung des Blutes
perkutan abschätzen kann. Normalerweise beträgt der Sättigungswert (SpO2, saturation of peripheral oxygen) mindestens 95%.
Die durchblutungssynchronen Pulsationen des
Signals können für gleichzeitiges Herzfrequenz-Monitoring genutzt werden -
daher "Puls-Oximetrie" (<Abbildung).

<Abbildung: Pulsoximetrie-Aufbau zur Ermittlung der Sauerstoffsättigung des Hämoglobins
Nach einer Abbildung bei nonin.com
Die
auf einem Finger oder Ohr angebrachte Anordnung (Clip oder
Klettverschluss) enthält eine Lichtquelle (660 und 940 nm) und einen
Photosensor (Unterschied
zwischen oxygeniertem und desoxygeniertem Hämoglobin).
Bei Kleinkindern
wird die Anordnung am Fuß oder Handgelenk angebracht

Die Nieren sind die Hauptquelle von Erythropoetin; Nierenversagen ist
u.a. durch eine Abnahme der Kennwerte des roten Blutbilds (Hämatokrit,
Erythrozytenzahl, MCH, Sauerstofftransportkapazität des Blutes)
gekennzeichnet.
Das rote Knochenmark hat einen extrem hohen Zellumsatz. Auf Stoffe, die
das Zellwachstum stören, reagiert es daher besonders empfindlich.
Strahlung, Umweltgifte (z.B. organische Lösungsmittel) und zahlreiche
Medikamente (z.B. Antibiotika) können das Knochenmark schädigen und das Blutbild beeinträchtigen.
Gewebehypoxie tritt ein, wenn der mitochondrielle pO2
unter einen Wert von ~1 mmHg oder ~0,1 kPa absinkt. Dann kann die
oxidative Energieversorgung der Zellen nicht mehr gewährleistet werden.
Man unterscheidet folgende Ursachen:
Diffusionsbedingte Hypoxie (peripher): Zu große
Diffusionsstrecken
(Hypertophie des Gewebes) und / oder zu geringe Kapillarisierung
erschweren den physikalischen Übertritt des Sauerstoffs aus dem Blut zu
den Zellen
Ischämische Hypoxie: Unterdurchblutung (Herzinsuffizienz, Atherosklerose u.a.)
Anämische Hypoxie: Verringerte Sauerstofftransportkapazität des Blutes (Anämie)
Hypoxische Hypoxie: Reduzierter arterieller Sauerstoffpartialdruck (Sauerstoffmangel in der Atemluft, gestörte Ventilation - neurogen? - oder Diffusion in der Lunge)
Bluttransfusion
Ein Problem mit länger gelagertem Blut ist seine gesunkene Effizienz als Sauerstoffüberträger. In Blutkonserven nimmt die Konzentration an 2,3-DPG
rasch ab; nach 1-2 Wochen Lagerungszeit ist es praktisch aus dem
Konservenblut verschwunden. Damit verschiebt sich die
Sauerstoffbindungskurve stark nach links, das transfundierte Blut gibt
gebundenen Sauerstoff nur bei niedrigen pO2-Werten
an das Gewebe ab. Der 2,3-DPG-Spiegel des länger gelagerten,
infundierten Blutes normalisiert sich dann erst im Laufe von etwa 24
Stunden wieder.
Sichelzellanämie
Der sogenannten Sichelzellanämie (sickle cell disease) liegt eine Punktmutation an beiden ß-Globinteilen des Hämoglobinmoleküls vor. Das Vererbungsmuster ist autosomal-rezessiv, nur homozygote Patienten zeigen die Erkrankung (heterozygote - also mit nur einem
betroffenen ß-Globin - erkranken nicht, haben aber eine höhere
Resistenz gegenüber Malaria - was einen Überlebensvorteil in Zonen
bedeutet, die von dieser Krankheit heimgesucht sind).
Sichelzell-Erythrozyten nehmen bei niedrigem pO2
(in venösem Blut, z.B. in der Milz) eine längliche (sichelähnliche)
Form an, da das Hämoglobin in dieser Form aggregiert. Dadurch gelangen
sie nur schwer durch enge Kapillaren, die verstopft werden können
(Durchblutungsproblem). Das erleichtert auch das Auftreten infektiöser
Komplikationen. Außerdem sinkt die Lebenasdauer der betroffenen
Erythrozyten auf bis zu 10-20 Tage (normal 100-120 Tage). Der
Hämoglobingehalt ist wegen des enorm gesteigerten Umsatzes reduziert
(überlastetes Knochenmark), der Retikulozytenanteil im Blut steigt.

Normale Hämoglobinkonzentration (~150 g/l)
vorausgesetzt, nimmt Blut bei 100 mmHg pO2 70-mal mehr (~200 ml/l: Transportkapazität) Sauerstoff auf als sich bei diesem Partialdruck physikalisch (~3 ml/l) löst (der pO2 alleine sagt nichts über den O2-Gehalt des Blutes aus). Grund ist die Bindung von O2 an das (eisenhaltige) Häm (Hüfner'sche Zahl: 1g Hämoglobin kann 1,34 ml O2 binden). O2 wird von Hämoglobin (4 Häm-Gruppen) bei höherem pO2 entkoppelt / an das Gewebe abgegeben (S-förmige Bindungskurve) als bei Myoglobin: Der Halbsättigungsdruck (Hälfte der verfügbaren Bindungsstellen mit O2 beladen) liegt bei
~27 mmHg (Allosterie: Nimmt eine der Hämgruppen O2 auf, nehmen die anderen O2 leichter auf - R-Form = hohe, T-Form = niedrige Affinität). Die Hämoglobinkonzentration bestimmt das Sauerstofftransportvermögen des Blutes. Bei körperlicher Ruhe enthält gemischt-venöses Blut ~75% O2-gesättigtes Hämoglobin. Hämoglobin transportiert auch CO2 und nimmt an der Blutpufferung teil. Bohr-Effekt: Mit steigendem pCO2 verläuft die O2-Bindungskurve flacher (rechtsverschoben), O2 wird leichter an das Gewebe abgegeben
Henry-Gesetz: Mit
steigendem Partialdruck nimmt die Lösung von Gasen zu. Über den Löslichkeitskoeffizienten kann die gelöste Gasmenge aus
dem Partialdruck berechnet werden. In Blut ist die Löslichkeit von CO2
~20-mal höher als die von O2 (und diese viel höher als die von N2). Die O2-Bindung des Hämoglobins hängt ab von Temperatur, pH, pCO2 und 2,3-DPG (~5 mM) im Ery - die Sauerstoffabgabe an das Gewebe wird begünstigt durch CO2, H+-Ionen, 2,3-DPG und Temperaturanstieg. Fetale Hämoglobine (HbF, unmittelbar postpartal ~80%) haben eine stärkere O2-Bindung als HbA. Kohlenmonoxid (CO) bindet >200mal stärker an Hämoglobin als O2,
bei 0,1% Volumenanteil in der Luft ist >50% des Hämoglobins
blockiert. Dazu kommt, dass CO die S-Form der Bindungskurve
verschwinden lässt (linksverschiebt)
100 ml Blut enthalten etwa 50 ml CO2, venöses
~10% mehr als arterielles. CO2 ist zu ~4% physikalisch gelöst (pCO2 40 → 46 mmHg), zu ~6% proteingebunden
(Carbaminohämoglobin), 90% als Bicarbonat (Carboanhydrase) - davon 1/3
in Erythrozyten, 2/3 im Blutplasma (Austausch gegen Chloridionen:
Chloride shift). Die Lage der Bindungskurve hängt vom pO2 ab (Haldane-Effekt): Erys können CO2
umso leichter aufnehmen, je geringer die Sauerstoffbeladung des
Hämoglobins ist, was den Transport aus dem Gewebe zur Lunge erleichtert. Sauerstoff einerseits, H+-Ionen / CO2 andererseits beeinflussen einander gegenseitig: Azidose treibt O2 von Hämoglobin (Bohr-Effekt), sinkender pO2 erhöht den H+-Transport (Pufferung) des Hämoglobins (Haldane-Effekt) - und umgekehrt. CO2
wird durch die Wirkung der Carboanhydrase rasch zu Bicarbonat
umgewandelt und gelangt im Austausch gegen Chloridionen in das
Blutplasma ("Hamburger-shift"), H+-Ionen
binden an Hämoglobin. Die Vorgänge kehren sich in der Lunge um,
Sauerstoff gelangt in das Blut und Kohlendioxid in die Alveolarluft
Die Nieren verbrauchen nur 6-7% des arteriell angebotenen Sauerstoffs, Gehirn (graue > weiße Substanz) und Skelettmuskeln im Ruhezustand <30%, Herzmuskel ~60% (ausbelastet bis ~90%). Der Unterschied zwischen arterieller und venöser O2-Menge heißt Sauerstoffextraktion oder arterio-venöse Sauerstoffdifferenz (AVDO2).
Der Körper verbraucht in Ruhe nbur 1/4 des arteriell angelieferten
Sauerstoffs (25% Ausnützung, 75% Reserve); mit zunehmender körperlicher
Belastung steigt die AVDO2 auf bis zu 90% Ausnützung
Spezifische Wachstumsfaktoren steuern die Hämatopoese: Aus einer pluripotenten Stammzelle entstehen >103 Erys. An Verzweigungspunkten entscheiden Wachstumsfaktoren über den weiteren Weg der Teilung. Peritubuläre Zellen der Niere bilden bei Sauerstoffmangel / vermindertem Hämatokrit vermehrt Erythropoetin (der hypoxie-induzierbare Faktor intensiviert die Expression des EPO-Gens); dieses wirkt über Janus-Kinase- Rezeptoren (Zytokinrezeptorfamilie). [EPO] kann bei Sauerstoffmangel um das ~1000-fache zunehmen. Noradrenalin,
Schilddrüsenhormone, Androgene, Adenosin, PGE2 fördern die
EPO-Freisetzung, Östrogene hemmen sie (niedrigerer Hämatokrit bei
Frauen)
Oxigeniertes
und desoxigeniertes Blut haben unterschiedliche optische
Absorptionsspektren (Pulsoximetrie: Arterieller Sättigungswert ≥95% -
an Finger, Ohrläppchen, bei Kleinkindern Fuß oder Handgelenk)
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Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen:
Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie
sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und
Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.