Glomerulär
filtrierte Stoffe werden tubulär rückresorbiert - vorausgesetzt, es
gibt für
sie entsprechende Wege: Entweder durch die Tubuluszellen hindurch
(Transportmechanismen über die apikale und basolaterale Membran der
Tubuluszellen, oder sie sind primär membrangängig) oder zwischen ihnen
(parazellulärer Weg). Manche Stoffe - wie das Kreatinin aus dem Muskelstoffwechsel oder der Indikatorstoff Inulin (ein pflanzlicher Zucker) - werden nicht rückresorbiert, das heißt, sie werden nach ihrer Filtration vollständig ausgeschieden (die Kreatinin- bzw. Inulinclearance dient als Maß für die glomeruläre Filtrationsleistung). Fast alle im Filtrat vorhandenen Stoffe werden rückresorbiert, meist zum Großteil in den proximalen Tubuli. Die dafür vorhandenen Transporter können gelegentlich überfordert sein, Beispiel: Bei erhöhtem Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie) kann nicht die gesamte filtrierte Glucose bewältigt werden, das tubuläre Maximum für Glucose ist dann überschritten, und Glucose tritt in den Harn über (Glukosurie). 60-70% des glomerulär filtrierten Wassers wird in den proximalen Tubuli zurückgewonnen. Das erfolgt isoton, osmotisch an die Rückresorption von Salzen (vor allem Kochsalz) geknüpft. Neben Natrium und Chlorid (zu ~65%) werden im proximalen Tubulus vor allem Kalium (~80%), Calcium (~65%), Magnesium (~60%) und Phosphat (~80%) rückresorbiert. Glucose und Aminosäuren gelangen proximal-tubulär vollständig in den Kreislauf zurück (soferne ihr tubuläres Maximum nicht überschritten wurde). Die Ausscheidung der Salze hängt vom jeweiligen Elektrolytstatus ab: So werden bei minimaler Kaliumversorgung nur 2% der glomerulär filtrierten Menge mit dem Harn ausgeschieden (Clearance etwa 2,5 ml/min), bei hohem Kaliumangebot hingegen bis zu 150% (blockierte Rückresorption plus Sekretion: Clearance ca. 180 ml/min). Das heißt, die Clearanceleistung hat in diesem Fall eine Spanne von etwa 1:70. Harnsäure wird sowohl rückresorbiert - so gut wie vollständig, dann wieder zur Hälfte sezerniert und dann nochmals zum größeren Teil resorbiert, im Endeffekt werden 10% der glomerulär filtrierten Menge ausgeschieden (~10-fach konzentriert im Vergleich zur Plasmakonzentration). Etwa 40% des filtrierten Harnstoffs werden mit dem Harn ausgeschieden. |
Bezeichnungen tubulärer Nephronsegmente |
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deutsch |
englisch |
Abkürzung |
Proximaler Tubulus, pars convoluta |
Proximal convoluted tubule |
PCT |
Proximaler Tubulus, pars recta | Proximal straight tubule |
PST |
Absteigender Schenkel der Henle-Schleife |
Thin descending limb of loop of Henle |
tDLH |
Dünner aufsteigender Schenkel der Henle-Schleife |
Thin ascending limb of loop of Henle | tALH |
Dicker aufsteigender Schenkel der Henle-Schleife | Thick ascending limb of loop of Henle | TAL |
Distaler Tubulus, pars convoluta | Distal convoluted tubule |
DCT |
Verbindungstubulus |
Connecting tubule |
CNT |
Initiales Sammelrohr |
Initial collecting tubule |
ICT |
Kortikales Sammelrohr |
Cortical collecting tubule |
CCT |
Sammelrohr im äußeren Mark |
Outer medullary collecting tubule |
OMCD |
Sammelrohr im inneren Mark | Inner medullary collecting tubule | IMCD |
Die Na/K-ATPase in den basolateralen Membranen baut einen Natrium- und Kaliumgradienten auf wie in anderen Zellen auch: [Na+] hoch im Interstitium (140-145 mM), [K+] hoch in der Zelle (135-150 mM). Dies ist der tragende Energiemotor der tubulären Austauschvorgänge Der Natriumgradient wird u.a. für luminalen (apikalen) Symport von Glucose, Aminosäuren oder Phosphat (Resorption) aus der Tubulusflüssigkeit in die Zelle genützt, oder auch für Austausch (z.B. für Sekretion von H+ in den Tubulus) Die Anreicherung von Natriumionen im interzellulären Raum (zwischen den basolateralen Teilen der Tubuluszellen) bewirkt einen osmotischen Wassereinstrom aus dem Tubulus - sowohl trans- (Aquaporin) als auch parazellulär (tight junctions). Dieser Strom nimmt gelöste Teilchen mit (solvent drag) Der osmotische Wasserstrom erhöht die Konzentration gelöster Teilchen im Tubulus, was ihnen einen elektrochemischen Gradienten Richtung Resorption (trans- oder parazellulär) verleiht. Nicht resorbierbare Teilchen werden im Tubulus automatisch angereichert (im Tubulus sinkt die Menge des Lösungsmittels Wasser) Die Ansammlung resorbierter Flüssigkeit zwischen den Tubuluszellen (interzellulär) erhöht hier den hydrostatischen Druck und unterstützt die Strömung Richtung Interstitium und Blutgefäße |
Tubuläre Filtrations- / Resorptionskräfte (+ in die Kapillare, - in das Interstitium gerichtet) |
||||
Blutplasma: Kolloid- osmotischer Druck |
Peritubuläre Kapillare: Hydrostatischer Druck (Blutdruck) |
Interstitium: Hydro- statischer Druck (Gewebe- druck) |
Interstitium: Kolloid- osmotischer Druck |
|
~ +30 mmHg |
~ -20 mmHg |
~ +10 mmHg |
~ -5 mmHg |
Gesamt +15 mmHg |
Treibende Kräfte für den Natriumaustausch Nach Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021 |
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[Na+] luminal (mM) |
trans- epithelialer chemischer Gradient (mV) |
trans- epithelialer elektrischer Gradient (mV) |
trans- epithelialer elektro- chemischer Gradient (mV) |
|
proximaler Tubulus, pars convoluta |
142 |
0 |
-3 |
-3 |
proximaler Tubulus, pars recta |
142 |
0 |
+3 |
+3 |
dicker aufsteigender Schenkel der Henle-Schleife |
100 |
-9 |
+15 |
+6 |
distaler Tubulus, pars convoluta |
70 |
-19 |
-5 bis +5 |
-24 bis -14 |
kortikales Sammelrohr |
40 |
-34 |
-40 |
-74 |
Na+ wird mit Bicarbonat über die basolaterale Membran der proximalen Tubuluszelle durch NBC1 Richtung Blut "mitgenommen" |
Der proximale Tubulus gewinnt mittels eines luminalen Na+/H+-Antiporters ~90% des filtrierten Bicarbonats zurück |
CO2 + H2O H2CO3 H+ + HCO3- |
Wird die Carboanhydrase im proximalen Tubulus gehemmt, sinkt die H+-Ausscheidung, was zu einer Azidose führen kann |
Bei Überschreiten des tubulären Maximums für Glucose wird nicht resorbierte Glucose mit dem Harn ausgeschieden (Glukosurie) |
Magnesium im Blutplasma (typisches Beispiel) Nach Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology 2021 |
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mg/dl |
mM |
% von gesamt |
|
Ionisiertes Mg++ |
1,3 |
0,56 |
62 |
Filtrierbares Komplexsalz |
0,1 |
0,06 |
7 |
Proteingebunden (nicht filtrierbar) |
0,6 |
0,28 |
31 |
Gesamt |
2,0 |
0,90 |
100 |
Phosphat im Blutplasma (typisches Beispiel) Nach Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology 2021 |
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mg/dl |
mM |
% von gesamt |
|
Ionisiert H2PO4- + HPO4-- |
2,1 |
0,7 |
50 |
Komplex gebunden, filtrierbar |
1,5 |
0,5 |
40 |
Komplex gebunden, nicht filtrierbar |
0,6 |
0,2 |
10 |
Gesamt |
4,2 (2,5-4,5) |
1,4 (0,8-1,5) |
100 |
Der proximale Tubulus resorbiert Phosphat über einen Na+/Pi-Symporter |
Parathormon reduziert die Resorption (steigert die Ausscheidung) von Phosphat in der Niere |
Hohe Konzentrationen an Calciumoxalat im Harn bedingt Harnsteinanfälligkeit |
Intrarenale Bewegung einiger Schlüsselsubstanzen | |||
Filtration % des glomerulären Angebots |
Rückresorption % des glomerulären Angebots |
Sekretion % des glomerulären Angebots |
|
Glucose |
100% |
100% (außer bei Überschreitung des tubulären Maximums) |
- |
Natrium |
100% |
>99% (abhängig von Salzstatus und Aldosteron- spiegel) |
- |
Kalium |
100% |
2-150% (abhängig von Kaliumstatus und Aldosteron- spiegel) |
20-180% |
Kreatinin |
100% |
- |
minimal |
Calcium |
frei nur für Ca++ protein- gebundenes Calcium wird nicht filtriert |
abhängig von Parathormon- und Calcitriol- Konzentration |
- |
Albumin |
~0,03% |
rezeptor- vermittelte Endozytose |
- |
Inulin (körperfrend) |
frei |
- |
- |
PAH (körperfremd) |
frei |
- |
fast 100% des tubulär- kapillären Angebots |
Der proximale Tubulus resorbiert 60-80% der glomerulär filtrierten Flüssigkeitsmenge; er ist reich an Mitochondrien.
20-40% des filtrierten Volumens betritt die Henle-Schleife,
bestehend aus einem dünnwandigen absteigenden (wasserdurchlässigen) und einem dickwandigen
aufsteigenden Schenkel (Resorption von 5-10% der filtrierten
Flüssigkeitsmenge, Aufbau eines osmotischen Gradienten). Im distalen Tubulus / Sammelrohr
erfolgt eine Feineinstellung von Stoffmengen und Osmolarität (Vasopressin: Wasserresorption,
Aldosteron: Natriumresorption, natriuretische Peptide: Natriumausscheidung).
Tubuluszellen bauen auch Peptidhormone (Angiotensine, Glukagon,
Bradykinin) ab Tubulusepithelzellen sind reichlich mit Mikrovilli ausgestattet (große Resorptionsoberfläche), auch die basolaterale Membran verfügt über zahlreiche Einstülpungen. Der Natriumgradient treibt im proximalen Tubulus den Symport von Glucose und Aminosäuren an, auch die Sekretion von H+. Basolaterale Na+-Anreicherung saugt Wasser osmotisch aus dem Tubulus, sowohl trans- (Aquaporin) als auch parazellulär (tight junctions). Diese Strömung nimmt gelöste Teilchen mit (solvent drag), erhöht den hydrostatischen Druck. Die Rückresorption erfolgt isoosmotisch, die proximalen Tubuli sind mit Aquaporinen ausgestattet Der absteigende Schenkel der Henle-Schleife ist für Wasser und Harnstoff durchgängig - sowohl parazellulär als auch transzellulär (Aquaporin 1). Der dicke aufsteigende Schenkel ist nicht wasserdurchlässig, aber intensiv mit Ionenpumpen ausgestattet (hohe Zahl an Na/K-ATPasen, viele Mitochondrien). Etwa 75% der gelösten Stoffe (Natrium, Chlorid, Bicarbonat u.a.) werden in das Nierenmark befördert (Erhaltung hoher Osmolarität), der Inhalt des Tubulus gelangt hypoosmotisch (~50 mOsm) in die Rindenzone Distaler Tubulus und Sammelrohr übernehmen die - teils hormongesteuerte - "Feinabstimmung" des renalen Stoffmanagements. Hauptzellen resorbieren Kochsalz und sezernieren Kalium (lumen-negatives Potential), Zwischenzellen sezernieren Protonen und resorbieren Kalium und Bicarbonat. Die Wand der Sammelrohre ist genuin wasserundurchlässig, Einlagerung von Aquaporinen (über Wirkung von Vasopressin) ermöglicht die Resorption von Wasser (bis zu ~20 l/d) Nichtflüchtige pH-wirksame Substanzen werden über die Nieren ausgeschieden - bei üblicher Ernährung 50-100 mM/d saure Valenzen (titrierbare" Säure im Harn: Phosphate aus Nukleinsäuren, Sulfate aus schwefelhaltigen Aminosäuren, Urate aus Nukleotiden, Oxalate aus Stoffwechsel / Ernährung, Laktate aus Glucoseabbau, Ketonkörper aus Fettsäuren), bei vegetarischer Kost oder metabolischer Alkalose basische Valenzen. Das Phosphatsystem puffert den Harn, Bicarbonat ist im Harn meist nicht vorhanden. Der proximale Tubulus gewinnt mittels Na/H-Antiport ~90% des filtrierten Bicarbonats zurück, der Rest wird distal resorbiert. Die Nieren bilden üblicherweise ~70 mM/d Bicarbonatpuffer neu, ohne Carboanhydrasewirkung sinkt die H+-Ausscheidung (Azidose). Werden Säuren abgepuffert, entsteht aus Bicarbonat CO2 (wird abgeatmet) Durch Ausscheidung von Ammoniumionen können saure Valenzen aus dem Körper entfernt werden (NH3 ist fettlöslich, Ammonium bleibt im Tubulus). Quelle des dazu benötigten Stickstoffs ist Glutamin (1/5 des extrazellulären Aminosäurepools). Der proximale Tubulus gewinnt Glutamin aus Filtrat und Blut und verwandelt es in Ammonium und α-Ketoglutarat (aus dem Bicarbonat gewonnen wird: nur ausgeschiedenes Ammonium entlastet den Pufferstatus). Die Ammoniumsynthese kann fallweise 10-fach gesteigert werden. Bei der Metabolisierung von Glutamin fällt Glucose an (die Nieren bestreiten ~20%, im Hungerzustand, bei metabolischer Azidose oder Hypokaliämie bis zu 45% der Glucoseversorgung des Körpers) Transporter haben eine begrenzte Förderkapazität (tubuläres Maximum) - wird diese überschritten, wird ein Teil der betreffenden Substanz mit dem Harn ausgeschieden. Der Nüchtern-Blutzuckerspiegel beträgt ~90 mg/dl, die Schwellenkonzentration ~200 mg/dl (~240 mg/min Glucose filtriert, ab diesen Werten gelangt Glucose in den Harn: Glukosurie), bei 300-400 mg/dl sind sämtliche Tubuli am Transportmaximum für Glucose angelangt, bei weiterer Steigerung nimmt die Glucoseausscheidung linear mit dem Blutzuckerspiegel zu. Aminosäuren haben niedrige tubuläre Transportmaxima, bei erhöhten Blutwerten kommt es zu partieller Ausscheidung (Stabilisierung der Plasmawerte) Ca++ wird zu 65-70% im proximalen Tubulus (parazellulär) resorbiert, zu 25% im aufsteigenden Teil der Henle-Schleife (parazellulär und transzellulär unter Kontrolle von Parathormon), der Rest auf 99,5% im distalen Tubulus und Sammelrohr. Ca++-Ionen dringen über epitheliale Calciumkanäle leicht in Tubuluszellen ein (Konzentrationsdifferenz plus Membranpotential), binden an Calmodulin (Aufrechterhaltung des Konzentrationsgradienten) und werden aktiv über die basolaterale Membran der Tubuluszelle transportiert (Na/Ca-Antiport und Ca-ATPase). ~200 mg/d werden im Harn ausgeschieden, bei Immobilität (→ Knochenabbau) nimmt die Ca++-Ausscheidung zu Filtriertes Mg++ wird zu 50-70% vom dicken Teil des aufsteigenden Schenkels der Henle-Schleife rückresorbiert (Claudin kontrolliert die parazelluläre Diffusion), 10-25% im proximalen Tubulus, 10% im Sammelrohr, angeregt durch Insulin, Östrogene, Wachstumsfaktoren. ~5% werden im Harn ausgeschieden Täglich werden ~7g Phosphat filtriert, das Filtrat enthält ~1 mM/l. Der proximale Tubulus resorbiert ~80% über einen apikalen Na/P-Symporter (durch Parathormon hemmbar), der distale Tubulus ~10%; ~10% werden ausgeschieden. Erhöhter Phosphatspiegel steigert, Phosphatmangel reduziert die renale Ausscheidung. Die Phosphatresorption wird unterstützt durch Wachstum, Phosphatmangel, Vit. D, Alkalose; die Ausscheidung durch Parathormon, Calcitonin, Azidose Harnstoff (wichtigster N-Träger) wird glomerulär filtriert, etwa die Hälfte davon wird im proximalen Tubulus rückresorbiert, der Rest wird im Nierenmark als osmotischer Verstärkungsfaktor genutzt und zirkuliert zwischen Tubulus und Intertstitium, 15-70% (Mittelwert ~40%) werden mit dem Harn ausgeschieden. Aus dem unteren Sammelrohr diffundiert Harnstoff seinem Konzentrationsgradienten folgend in das Interstitium - vorausgesetzt, Vasopressin bewirkt die Einlagerung von Harnstofftransportern (UT1, UT4) in die Sammelrohre. Der Harnstoffmechanismus bewirkt die Hälfte der osmotischen Konzentration des Nierenmarks. Harnstoff diffundiert anschließend zu ≥50% der glomerulär filtrierten Menge in den dünnen Schenkel des aufsteigenden Teils der Henle-Schleife juxtamedullärer Nephrone. Im distalen Tubulussystem kommen so 100-110% der filtrierten Menge an Harnstoff an; ~30% werden im distalen Tubulus wieder rückresorbiert, der Rest kommt wieder in das Sammelrohr. Durch Kapillarwände gelangt Harnstoff mittels UT3-Transporter Harnsäure bzw. Urat ist ein Abbauprodukt von Purinen (Konzentration im Filtrat ≤0,25 mM). Urat wird im proximalen Tubulus zu 99% rückresorbiert, dann zu ~50% (der filtrierten Menge) sezerniert, und wieder zu ~40% resorbiert - frühproximal über mehrere Carrier, die gegen andere Anionen und schwache Säuren austauschen, dann parazellulär. Ausgeschieden werden ≤10% der filtrierten Menge. Der Uratpool beträgt ~1200 mg, der Tagesumsatz ~700 mg/d, die Harnsäureclearance 6–12 ml/min. Hohe Calciumoxalatausscheidung bedingt Harnsteinanfälligkeit |