Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

      
Spezielle Endokrinologie

  Nebenniere & Koordination des Stoffwechsels
© H. Hinghofer-Szalkay

Adrenal(in): ad = an, ren = Niere (Nebenniere)
anti-inflammatorisch: flammare = entzünden
antiphlogistisch: ϕλόγωσις = Entzündung
chromaffine Zelle: χρῶμα = Farbe, affinis = benachbart, beteiligt
Conn-Syndrom: Jerome Conn
Cushing-Syndrom, Mb. Cushing: Harvey Cushing
Cortico(stero)id: cortex = Rinde, στερεος = fest, εἶδος = Aussehen
Mb. Addison: Thomas Addison
Tyrosinhydroxylase:
τυρός = Käse (1846 wurde Tyrosin  von Justus von Liebig als Proteinbestandteil im Käse beschrieben)
Vanillinmandelsäure: Metabolit beim Abbau von Katecholaminen. Vanilla planifolia = Gewürzvanille
Zuckerkandl'sches Organ: Emil Zuckerkandl



Aldosteron, Cortisol und Adrenalin sind die wichtigsten Hormone der Nebennieren, wobei Aldosteron das einzige Hormon ist, dessen Fehlen unmittelbar lebensbedrohlich ist (unbehandelter Mb. Addison: Kreislaufzusammenbruch wegen Salzmangel und Hypovolämie).

Das Nebennierenmark produziert dank einer speziellen Methyltransferase (PNMT) Katecholamine bis zur Endstufe Adrenalin. Dieses macht fit für Kampfsituationen, es regt Atmung und Kreisauf an, mobilisiert Glucose.

In der Nebennierenrinde werden aus Cholesterin diverse Steroidhormone gebildet. Die Außenzone (zona glomerulosa) erzeugt das Mineralcorticoid Aldosteron, dessen Produktion vor allem durch Angiotensin II angeregt wird. Als "Salzsparhormon" fördert es die Rückresorption von Natrium in der Niere, damit stabilisiert es extrazelluläres und Blutvolumen.

Die Mittelzone (zona fasciculata) synthetisiert Glucocorticoide, insbesondere Cortisol; der wichtigste Anreiz dazu ist ACTH. Cortisol wirkt einerseits energiemobilisierend (Glucosesteigerung), andererseits anabol auf den Bewegungsapparat. Bei akuter Herausforderung durch die Umwelt ziehen höhere Cortisolspiegel Ressourcen vom Immunsystem ab, Abwehrvorgänge sind eher gedämpft; dazu kommt Steigerung des Glucosespiegels (Alarmreaktion) sowie - als Mineralcorticoid-Nebenwirkung -
Salzretention und Volumenkonservierung (Kreislaufstabilisierung).


Nebennieren
  Mark: Adrenalin Rinde: Zona glomerulosa / Aldosteron Zona fasciculata / Cortisol Zona reticularis / Androgene

    Typ I-, Typ II-Corticosteroidrezeptoren

 

Klinik       Core messages
 
Die Nebennieren sind auf dem kranialen Pol der Nieren retroperitoneal gelegene endokrine Organe (zusammen 7-10 Gramm), bestehend aus der (aus mesodermalem Gewebe abzuleitenden) Rinde (drei Zonen) und dem (aus Zellen der Neuralleiste abstammenden) Mark. Sie reagieren auf verschiedene Belastungssituationen mit der Produktion von Steroiden (Rinde: Aldosteron, Cortisol, Androgene) und/oder Katecholaminen (Mark: Adrenalin, Noradrenalin). Damit werden u.a. Natrium gespart, der Blutzuckerspiegel angehoben oder der Kreislauf angeregt.
 
Nebennierenhormone stehen im Dienst der Anpassung
 
Die Nebennieren sind paarige Organe und haben homöostatische Funktion im Elektrolythaushalt, Zucker-, Fett- und Eiweißstoffwechsel. Sie wiegen zusammen nur einige Gramm (das Mark beider Nebennieren zusammen ~1 g). Aldosteron ist für die Stabilisierung des Salz-Wasser-Haushalts lebensnotwendig; ohne seine Wirkung kommt es zu Flüssigkeitsverlust und Kreislaufzusammenbruch. Cortisol ist ein wichtiger Faktor bei der Anpassung an wechselnde Belastungssituationen (physisch und psychisch), indem es u.a. den Blutzuckerspiegel (und damit die Gehirnfunktion) aufrechtzuerhalten hilft. Adrenalin ist das klassische "Stresshormon", das den Kreislauf anregt, den Glucosespiegel anhebt und die Alarmbereitschaft steigert.
 
Rinde Mark
 
Solange der Organismus optimal ernährt und mit Flüssigkeit versorgt wird, keine Temperaturextreme auftreten, genügend Salz zur Verfügung steht und die sonstigen homöostatischen Regelmechanismen des Körpers nicht durch Belastungen wie Trauma, Substratmangel, Stress oder Infektionen herausgefordert sind, genügen deren Funktionen zur Aufrechterhaltung optimaler Werte (Blutdruck, Substratversorgung, Wärmeregulation etc). Die Nebennieren stellen dann nur eine Reserveoption dar.

Bei außergewöhnlichen Gefährdungen von Regelstabilität und Gesundheit
erhöhen hingegen Corticosteroide die Überlebenschancen des Organismus ganz entscheidend: Insbesondere bei Belastungen des Elektrolythaushaltes (Aldosteron gilt als lebenswichtiges Hormon), Hypoglykämie, Infektionen und Traumen.

                 
Abbildung: Nebenniere
Nach einer Vorlage bei diabetes-ratgeber.net

Die Nebennieren erhalten arterielles Blut aus der a. suprarenalis superior, media und inferior; der Abfluss erfolgt durch eine einzige Vene (v. suprarenalis). Sinusoidale Gefäße transportieren Blut radial in Richtung Nebennierenmark (intraadrenaler Pfortaderkreislauf) - und mit ihm Rindenhormone, insbesondere Cortisol, das die Adrenalinsynthese anregt.
 
ACTH wirkt auf die gesamte Nebennierenrinde, Angiotensin II regt die Aldosteronbildung der zona glomerulosa an. Stress stimuliert außer der Sekretion von Cortisol aus der Rinde die von Katecholaminen aus dem Mark, gesteuert durch sympathische Aktivität.

 
Die Nebennierenrinde erzeugt u.a. Aldosteron (zona glomerulosa), Cortisol (zona fasciculata), Androgene (zona reticularis); das Nebennierenmark Adrenalin und etwas No
radrenalin


        Zur Stellung der Nebenniere im Immunsystem s. auch dort
 
Das Muster der Verhaltens- und hormonellen Antwort auf Belastung ist abhängig vom Stressausmaß und der (teils vererbten) Art und Weise, auf Herausforderungen zu reagieren. Dabei spielt die Bewertung des Stressreizes auf Großhirnebene eine Schlüsselrolle. Mangel an Corticosteroiden (Nebenniereninsuffizienz) verursacht Apathie, Depression, Psychosen; Gabe von Corticosteroiden kann das Wohlbefinden deutlich steigern, zahlreiche weitere Wirkungen auf die Psyche werden beobachtet.

Die enge Nachbarschaft von Rinde und Mark ist kein Zufall: Cortisol aus der Rinde gelangt auf kurzem Blutweg (intraadrenaler Pfortaderkreislauf) und damit hoher Konzentration zu den Zellen im Mark (
Abbildung), wo es die Enzyme der Katecholaminsynthese anregt - insbesondere PNMT (Phenylethanolamin-N-Methyl-Transferase), das Noradrenalin zu Adrenalin methyliert.

Da die Synthesewege der Steroide von der Ausgangssubstanz Cholesterin über Zwischenformen wie Pregnenolon, Hydroxypregnenolon und Hydroxyprogesteron laufen, treten auch diese Steroide in Zellen der Nebennierenrinde auf (vgl. dort). Zur Synthese der entsprechenden Steroide verfügen die Rindenzellen über spezifische Enzyme (Hydroxylasen, Lyasen, Dehydrogenasen). Die je nach Rindenzone unterschiedliche Expression von Enzymen führt dann - ausgehend von Pregnenolon - zur Bildung von Mineralcorticoiden (Aldosteron), Glucocorticoiden (Cortisol), Androgenen
.

Steroide werden im Gegensatz zu Proteohormonen nicht
"auf Vorrat" gehalten, sondern akut nach Bedarf neu synthetisiert (daher das verzögerte Ansprechverhalten). Durch Membranen diffundieren sie aufgrund ihrer Fettlöslichkeit problemlos.
 
Nebennierenmark
 
Das Nebennierenmark bildet Adrenalin und setzt dieses auf sympathische Reizung hin in die Blutbahn frei. Es wirkt sowohl auf α1- (vasokonstriktorisch) als auch auf ß2-Rezeptoren (u.a. vasodilatatorisch). Welche Wirkung überwiegt, hängt vom Rezeptorbesatz des jeweiligen Zielgewebes ab. So verfügen Gefäße in Haut und Darm (und Nieren) vorwiegend über α1-Rezeptoren, Adrenalin senkt hier die Durchblutung; Herz- und Skelettmuskelzellen sind hingegen dicht mit ß2-Rezeptoren bestückt, Adrenalin wirkt in der Muskulatur durchblutungssteigernd. Dieses Muster deckt sich mit den primären Anforderungen in Stresssituationen.

Das Nebennierenmark erhält Blut aus der Nebennierenrinde - dieses stammt aus subkapsulären Arterienzweigen und strömt radiär durch alle Rindenschichten, bevor es in das Mark mündet und von dort in medulläre Venen abfließt. Durch diese pfortaderartige Anordnung empfängt das Mark intensive hormonelle Signale (Gluco-, Mineralcorticoide) aus der Rinde, bevor diese im systemischen Kreislauf "verdünnt" werden.


Das Nebennierenmark wird sympathisch-präganglionär (
Thorakalsegmente 5-11) - also nikotinisch über Acetylcholin - angeregt. Diese Anregung kann sehr rasch erfolgen - oftmals synchron mit Aktionen des autonomen Nervensystems (sympatho-adrenales System).


Abbildung: Katecholaminsynthese in chromaffiner Zelle
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016

Die meisten Enzyme befinden sich im Zytoplasma - außer der Dopamin-ß-Hydroxylase, die den Schritt Dopamin → Noradrenalin ermöglicht. VMAT transportiert über die Membran der chromaffinen Granula (Bildmitte). In diesen kann Noradrenalin in einem Speicherkomplex angereichert werden, der auch Chromogranin und Calciumionen enthält.
 
Diese Speicherform - viele Moleküle in wenigen Körnchen - ist osmotisch günstig (vgl. Glykogen).

  AADC, Aminosäure-Decarboxylase  Adr, Adrenalin  DA, Dopamin  NA, Noradrenalin   PNMT, Phenylethanomalin-N-Methyltransferase   TH, Tyrosinhydroxylase   VMAT, vesicular monoamine transporter


     <Adrenalin

Manche Reize wirken sich dabei stärker auf das Nebennierenmark aus (z.B. Hypoglykämie), andere stärker auf den Sympathikus (z.B. zentrale Hypovolämie, wie beim Aufrichten aus liegender Körperposition). Noradrenalin wird rascher aus dem Kreislauf entfernt (Halbwertszeit im Sekundenbereich) als Adrenalin (Minuten), dessen Wirkungsdauer daher länger ist.
 
Bei körperlicher Belastung (Muskelarbeit) werden sowohl der Sympathikus (Noradrenalin, Schwerpunkt Kreislaufanregung) als auch das Nebennierenmark (Adrenalin, Schwerpunkt  Lipolyse  → freie Fettsäuren, Blutzuckerstabilisierung, Energieversorgung von Skelett- und Herzmuskel
- ß2/3-Rezeptoren) gefordert; glatte Muskulatur im Gastrointestinal- und Urogenitalsystem verbraucht in dieser Situation weniger Energie (vasokonstriktiver Effekt an viszeralen Arteriolen über α1-Rezeptoren).

        Zum Sympathikus und über adrenerge Wirkungsspektren sowie Rezeptoren s. dort
  

Abbildung: Katecholaminsynthese und ihre Steuerung
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Die jeweilige Veränderung im Molekül ist hervorgehoben.
  
Sympathische Reizung fördert die Expression von Tyrosinhydroxylase - und damit die Synthese von DOPA (Dihydroxyphenylalanin) - sowie von Dopamin-ß-Hydroxylase (und damit die Synthese von Noradrenalin).
  
Cortisol gelangt über den suprarenalen Pfortaderkreislauf in das adrenale Mark und fördert die Expression von PNMT (Phenylethanolamin-N-Methyltransferase) - und damit die Synthese von Adrenalin. Dadurch verändert Cortisol das 4:1-Mengenverhältnis Adrenalin / Noradrenalin zugunsten von Adrenalin.
  
Die ACTH-Cortisol-Achse und der Sympathikus wirken synergistisch auf die Adrenalinsynthese

 
   Synthese und Speicherung: Adrenalin entsteht im chromaffinen Gewebe von Nebennierenmark und (extraadrenalen) Paraganglien ( Abbildung unten). Je nach Enzymausstattung der Zellen geht die Synthese über DOPA und Dopamin bis zu Noradrenalin, oder weiter bis Adrenalin ( Abbildung).

Im Nebennierenmark gibt es zwei Sorten katecholaminbildender Zellen:
 
     Solche, deren Enzyme bis zur Synthesestufe des Noradrenalins reichen (N-Zellen, 20% ), und
 
     solche, die über Phenylethanolamin-N-Methyltransferase (PNMT - s. dort und Abbildung) verfügen (sie treten erst nach der Geburt auf) und Adrenalin bilden (A-Zellen, 80%). Die Produktion von PNMT wird durch Steroide angeregt, die in der Nebennierenrinde produziert werden.

Praktisch das gesamte Adrenalin im Kreislauf stammt aus dem Nebennierenmark - nur chromaffine Zellen des Nebennierenmarks exprimieren das dafür notwendige Enzym PNMT.


Beide Zellarten speichern Noradrenalin in Vesikeln.
Katecholamine werden hier als Komplexe zusammen mit ATP, Ca++ (Mg++) und Chromograninen (sauren granulären Proteinen) in chromaffinen Granula gespeichert. Die vesikuläre Katecholaminkonzentration ist mit bis zu ~500 mM sehr hoch; durch die Bindung an Chromograninpartikel ist die osmotische Wirksamkeit vernachlässigbar (vgl. Speicherung von Glucose als Glykogen).

Chromogranine im Blut sind Tumormarker für Paragangliome.

In den adrenalinbildenden Zellen verlässt Noradrenalin die Vesikel (
Abbildung oben) und wird im Zytoplasma durch PNMT zu Adrenalin methyliert, das dann in den vesikulären Speicher zurückkehrt. Die PNMT-Synthese (und auch die von Tyrosinhydroxylase und Dopamin-ß-Hydroxylase) wird durch Glucocorticoide (Cortisol) angeregt, die über den intraadrenalen Pfortaderkreislauf (Abbildung) aus der Rinde in das Nebennierenmark gelangen.

Katecholaminfreisetzung: Bei präganglionärer (cholinerg-nikotinischer) Reizung (Stresseinfluss) depolarisieren die Zellen, Ca++ strömt in das Zytoplasma, Speichergranula werden exozytiert und Katecholamine in den Extrazellulärraum freigesetzt. Die Synthese der Katecholamine ist eng an die Freisetzung aus Speichergranula gekoppelt, sodass der intrazelluläre Bestand ziemlich konstant ist.

Das im Blut vorhandene Adrenalin stammt vollständig aus den Nebennieren. Etwa 30% des im Blut kreisenden Noradrenalins stammt ebenfalls aus den Nebennieren (70% von der Aktivität postganglionärer sympathischer Fasern). Freigesetztes Noradrenalin wird über mindestens zwei Transportsysteme wiederverwertet: Über einen Noradrenalintransporter aus dem Interstitium in das Zytoplasma (Norepinephrine transporter NET, fast 90% der freigesetzten Menge), und aus dem Zytoplasma in Speichervesikel (Vesicular monoamine transporter VMAT2, >70%).
 

Abbildung: Paraganglien
Nach einer Vorlage bei basicmedicalkey.com

Paraganglien sind Nervenzellgruppen (Ganglien) mit neurohumoraler Funktion. Chromaffine Zellen sind mit dem Sympathikus verknüpft und enthalten mehr Katecholamine als nicht-chromaffine.
 
Glomera carotica und aortica (aortopulmonale Paraganglien) sind nicht-chromaffin und haben chemosensitive Funktion (sie detektieren Blutgas-Partialdrucke).
 
Zu den Paraganglien gehören u.a. das Nebennierenmark und das paraganglion abdominale (Zuckerkandl'sches Organ - nicht abgebildet) sowie Zellgruppen im Halsbereich (paraganglion tympanicum, paraganglion jugulare - jugulotympanische Paraganglien) sowie laryngeale Paraganglien


   Zu den Paraganglien ( Abbildung) gehören
     das Zuckerkandl'sche Organ (paraganglion aorticum abdominale am Abgang der a. mesenterica inferior),
 
     das Glomus caroticum und die Glomera aortica (Chemorezeptoren),
 
     das Paraganglion jugulare (glomus jugulare) in der Wand der vena jugularis interna,
 
     peritoneale Paraganglien sowie
 
     Paraganglien in den Geschlechtsorganen.

Sie alle bilden Katecholamine, zumindest kleine Mengen davon (pathophysiologisch können sie eine Quelle größerer Mengen von Katecholaminen werden - mit entsprechender Wirkung: Phäochromozytome).

 
Acetylcholin aus präganglionär-sympathischen Fasern induziert die Transkription von katecholamin-synthetisierenden Enzymen (die Tyrosinhydroxylase
  bildet aus der Aminosäure Tyrosin die Dopaminvorstufe DOPA - sie ist das geschwindigkeitsbegrenzende Emzym).
 
Acetylcholin bewirkt die Freisetzung von Katecholaminen aus dem Nebennierenmark
 
Gleichzeitig fördert (das aus der benachbarten Nebennierenrinde stammende) Cortisol die Transkription vor allem von PNMT - dieses Enzym überträgt auf das Stickstoffatom im Noradrenalinmolekül (Nor: N ohne Radikal) eine Methylgruppe, es entsteht Adrenalin.


Zusammen mit Noradrenalin und ATP wird Adrenalin in chromaffinen Sekretgranula des Nebennierenmarks gespeichert.

Auch die Sekretion wird durch Sympathikusaktivität stimuliert:




    
Acetylcholin - der universelle präganglionäre Transmitter - depolarisiert die chromaffinen Zellen,
  
     spannungsabhängige Ca++-Kanäle öffnen ( Abbildung),
 
     der Ca++-Einstrom führt zu Exozytose gespeicherten (Nor-)Adrenalins.
   

Abbildung: Stimulierung chromaffiner Zellen
Nach Montero M et al. Chromaffin-cell stimulation triggers fast millimolar mitochondrial Ca2+ transients that modulate secretion. Nat Cell Biol 2000; 2: 57-61

Die Freisetzung von Katecholaminen aus enterochromaffinen Zellen erfolgt als koordinierter Prozess:
 

  Spannunsabhängige Calciumkanäle (VOCC: voltage-operated calcium channels),
 

  mitochondriale Calcium-Uniporter (U),
 

  Ryanodinrezeptoren des endoplasmatischen Retikulums (RyR) und
 

  sekretorische Vesikel
 

liegen in enger Nachbarschaft unter der Zellmembran, was die Exozytose des Vesikelinhalts besonders effizient macht.
 
Eine Calciumreiche Mikrodomäne - mit [Ca2+] ~50 μM - ist als hellgrüne Kreisfläche angedeutet


      Die Sekretion der Katecholamine im Nebennierenmark erfolgt im Verhältnis Adrenalin / Noradrenalin = 4/1. Durch Stimulierung der PNMT (Phenylethanolamin-N-Methyltransferase) erhöhen Glucocorticoide diesen Quotienten zugunsten von Adrenalin. Bei Neugeborenen ist der Adrenalin/Noradrenalin-Quotient wesentlich niedriger, erst nach der Geburt nimmt er zu - durch Cortisoleinfluss auf das Enzym PNMT.

Im Blutplasma ist das Konzentrationsverhältnis umgekehrt - 1:5 -, weil postganglionär-sympathische Fasern bei ihrer Aktivität Noradrenalin in den Kreislauf abgeben. Etwa 90% des Noradrenalins im Blutkreislauf stammen aus dieser Quelle ("spillover").

Beiderseitige Entfernung der Nebennieren (Tierversuch) lässt den Adrenalinspiegel im Blutplasma auf extrem niedrige Werte absinken - Adrenalin stammt aus dem Nebennierenmark.
   Adrenalin und Noradrenalin werden methyliert und (anschließend) oxidiert ( Abbildung). Aus dem Extrazellulärraum nicht in die Zellen wiederaufgenommenes Noradrenalin (10-15%) wird hauptsächlich nichtneuronal (Leber, Nieren..) aus dem Kreislauf entfernt.
  
 
Abbildung: Katecholaminabbau
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Freigesetzte Katecholamine wirken nur kurzfristig, bevor sie abgebaut bzw. weggeschwemmt werden (Adrenalin ca. 10 Sekunden).
 
Der Abbau beginnt mit
COMT (Catechyl-O-Methyltransferase), die in Endothelzellen, Herz, Leber und Nieren in hoher Konzentration vorhanden ist.
 
MAO (Monoaminooxydase) verwandelt die Metabolite (Metanephrine - Metanephrin, Normetanephrin - sind Abbauprodukte der Katecholamine) anschließend zu Vanillinmandelsäure

Monoaminooxidase (MAO-A, MAO-B) ist das führende Enzym in Mitochondrien von Nervenzellen, findet sich aber auch in anderen Geweben (Leber, Nieren). MAOs desaminieren Monoamine (Katecholamine, Serotonin, Melatonin) zu Aldehyden.

Die Katechol-O-Methyltransferase (COMT) methyliert Katecholamine insbesondere in Endothelzellen, Herzmuskel, Leber und Nieren.
     Zum Abbau von Katecholaminen s. auch dort.

Die biologische Halbwertszeit der ins Blut abgegebenen Katecholamine ist sehr kurz (~10 Sekunden für Adrenalin). Das Abbauprodukt Vanillinmandelsäure (VMS) entsteht durch die Wirkung einer Aldehyd-Dehydrogenase. Abbauprodukte werden - sulfatiert oder glucuronierrt - mit dem Harn ausgeschieden; ihre Konzentration erlaubt einen Rückschluss auf die Katecholaminsynthese in Sympathikus und Nebennieren (je höher die Belastung, desto mehr VMS im Harn).
 

Abbildung: Physiologische Adrenalinwirkungen
Nach einer Vorlage in Thies R: Oklahoma Notes Physiology, 3rd ed Springer 1992

Stress - z.B. bedingt durch Hypovolämie, Absinken des Blutzuckerspiegels, Kälteeinfluss - führt zu adrenalinbedingten Reaktionen, die Angriffs- oder Fluchtverhalten vorwiegend durch verbessertes Sauerstoff- und Energieangebot unterstützen.

COMT = Katechol-O-Methyltransferase, MAO = Monoaminooxidase, PNMT = Phenyläthanolamin-N-Methyltransferase


     Adrenalin hat zu α-Rezeptoren (Vasokonstriktion) eine etwas geringere, zu β1-Rezeptoren (Herz, Nieren) etwa gleich starke, und zu β2-Rezeptoren (Bronchien, Stoffwechsel) eine wesentlich höhere Affinität als Noradrenalin. (Zu den molekularen Wirkmechanismen der Rezeptoren s. dort.)

Das Wirkungsprofil des Adrenalins
dient einer ergotropen Reaktionslage ("fight or flight") und erklärt sich durch dieses Affinitätsmuster:
 

     Steigerung der Lipolyse im Fettgewebe (Aktivierung der hormonsensitiven Lipase)
 

     Steigerung der Gluconeogenese und Glykogenolyse (Steigerung des Blutzucker- und Laktatspiegels) in der Leber (gleichzeitig Hemmung der Glykolyse), Steigerung des Sauerstoffbedarfs

     Im Skelettmuskel Steigerung von Glykogenolyse, Proteinsynthese, Na/K-ATPasetätigkeit (dadurch Senkung des Kaliumspiegels)
 
     Am Gastrointestinaltrakt hemmt Adrenalin die Peristaltik und relaxiert den Darm (ß1, ß2); Sphinkteren werden angeregt, wenn ihr Tonus niedrig ist
 

     Am Herzen wirkt Adrenalin - über ß1-Rezeptoren - positiv auf alle Herzqualitäten

     Gefäßsystem: Adrenalin wirkt vor allem an kleinen Arteriolen und präkapillären Sphinkteren, aber auch an Venen und großen Arterien. Verschiedene Gefäßbette reagieren - entsprechend ihrer Ausstattung mit Adrenozeptoren - unterschiedlich, was zu Umverteilungen von Blut und Perfusion im Kreislauf führt (Verringerung der Hautdurchblutung, insbesondere im Bereich der Hände und Füße).

      Die Gefäße der Haut und der Eingeweide sind reich an
α-Rezeptoren und reagieren auf Adrenalin mit Vasokonstriktion.

      Adrenalin erweitert Koronar- und Skelettmuskelarteriolen sowie Gefäße der Leber (diese enthalten zahlreiche ß2-Rezeptoren) - zumindest bei mäßiger Adrenalinkonzentration, bei hohen Dosen überwiegt die α-Rezeptor-vermittelte Vasokonstriktion und Blutdrucksteigerung.

Adrenalin in Dosen, die kaum blutdruckwirksam sind, kontrahiert die Nierenarterien und senkt die renale Perfusion um bis zu 40%; gleichzeitig wird die Reninbildung angeregt (direkte ß1-Rezeptorwirkung am juxtraglomerulären Apparat). Der Druck im Lungenkreislauf steigt, auch wegen der Umverteilung von Blut aus der Peripherie
 

     Bronchien werden relaxiert, die Sekretion steigt, der Zilienschlag wird beschleunigt, die Histaminfreisetzung gehemmt (vorwiegend ß2)

Eine Reihe weiterer Effekte übt Adrenalin hauptsächlich über ß-Rezeptor-Wirkung aus: Anregung der Kaliumaufnahme in Zellen (mit der Folge sinkenden Kaliumspiegels und reduzierter Kaliumausscheidung), Anregung von Blutgerinnung und Fibrinolyse, Mobilisierung von Granulozyten aus der Mikrozirkulation (Demargination), kapilläre Filtration mit der Folge eines Anstiegs der Plasmaproteinkonzentration und des Hämatokrits, Anregung der Tränenbildung u.a.

  Adrenalin (Serum) s. dort
Regulation: Die Freisetzung von Katecholaminen aus der Nebenniere unterliegt (ungleich anderen endokrinen Systemen) keinem Feedback durch die peripheren Hormone (Adrenalin, Noradrenalin); vielmehr steuert das Gehirn die Katecholaminsekretion (via Sympathikus und ACTH) nach Maßgabe der integrierten Belastungslage.
 
Zur Physiologie des Adrenalins s. weiters bei:   Stress    Katecholamine    Blutzuckerregulation    Autonomes Nervensystem
 
Nebennierenrinde
 

Ausgangssubstanz für die Synthese der verschiedenen Corticoide ist Cholesterin. Dieses kann die Nebenniere entweder aus Acetat selbst herstellen, oder sie verwendet Cholesterin, dass sie aus zirkulierenden LDL-Partikeln importiert.

Entsprechend ihrer Enzymausstattung stellen die drei Zonen der Rinde - zona glomerulosa (außen), zona fasciculata (Mitte) und zona reticularis (innen) - unterschiedliche Steroide her, wobei der Blutfluss von der subkapsulär (kapsuläre Arterien) liegenden zona glomerulosa radiär bis in das Mark gerichtet ist (medulläre Vene) und so die Hormone durch alle Zonen und bis in das Nebennierenmark achwemmt ( Abbildung ganz oben).
 
 
Abbildung: Synthesewege adrenaler Steroide
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Cholesterin kann aus Acetat in der Nebenniere selbst gebildet werden, oder es wird über LDL-Partikel aus dem Kreislauf aufgenommen.

Gezeigt sind von Cholesterin ausgehende Synthesewege und beteiligte Enzyme mit ihren Standorten, dem glatten endoplasmatischen Retikulum (SER = smooth endoplasmic reticulum) oder Mitochondrien.
 
Zellen der zona reticularis produzieren Androgene (Dehydroepiandrosteron und Androstendion aus 17α-Hydroxypregnonolon und 17α-Hydroxyprogesteron), katalysieret durch 17,20-Desmolase im endoplasmatischen Retikulum. Die Wirksamkeit dieser Androgene ist wesentlich geringer als die von Testosteron / Dihydrotestosteron.

Der Abbau des Cortisols beginnt mit der Umwandlung in (das biologisch unwirksame) Cortison durch 11ß-Hydroxysteroid-Dehydrogenasen (das Isoenzym 11ß-HSD1 wird von Leber, Fett- und Unterhautgewebe stark exprimiert, 11ß-HSD2 in Niere und Nebennierenrinde). Da nur Zellen der zona fasciculata und reticularis über 17α-Hydroxylase verfügen, können auch nur diese Cortisol produzieren, wenn sie durch ACTH angeregt werden


  Zur Synthese von Steroidhormonen s. auch dort
 
Die Herstellung von Cholesterin aus Acetat erfordert die Aktion mehrerer Enzyme, über 5 Schritte auf alternativen Wegen (
Abbildung). Alle hier erforderlichen Enzyme befinden sich im glatten endoplasmatischen Retikulum bzw. in den Mitochondrien und gehören zur Gruppe der Cytochrom P-450-Oxidasen.
 
Zona glomerulosa Zona fasciculata Zona reticularis
 
Die Nebennierenrinde (NNR) produziert Steroidhormone:

     Die Außenschicht (zona glomerulosa) das Mineralcorticoid Aldosteron;
 
     die Mittelschicht (zona fasciculata) Glucocorticoide (Cortisol, Cortison, Corticosteron);
 
     die Innenschicht (zona reticularis) Hormon-Vorstufen mit androgener Wirkung (Dehydroepiandrosteron, Androstendion).

ACTH regt die Umwandlung von Cholesterin in Pregnenolon ( Abbildung oben) über Seitenkettenabspaltung (side-chain cleavage enzymes) sowie die Produktion weiterer Enzyme an, die für die Cortisolsynthese benötigt werden. Ohne ACTH-Einfluss atrophieren die zona fasciculata und reticularis; nicht die zona glomerulosa, deren Aktivität auch durch Angiotensin II sowie hohen Serum-Kaliumspiegel angeregt wird.
 
 
Abbildung: Nebennierenrinde mit ihren drei Zonen
Nach einer Vorlage bei Hilal-Dandan / Brunton, Goodman & Gilman's Manual of Pharmacology and Therapeutics, 2nd ed., McGraw Hill Education 2014

Zellen in der zona glomerulosa erzeugen Aldosteron und werden vor allem durch steigenden Kaliumspiegel sowie Angiotensin II angeregt.
 
Zellen in der zona fasciculata erzeugen u.a. Cortisol und werden durch ACTH (Corticotropin) angeregt.
 
Zellen in der zona reticularis erzeugen die relativ schwach wirksamen Androgene Dehydroepiandrosteron (DHEA), Dehydroepiandrosteronsulfat (DHEAS) sowie etwas Cortisol. Sie können durch ACTH angeregt werden, die physiologische Steuerung ist aber unklar.

CYP11B2 = Aldosteronsynthase, CYP11B1 = 11ß-Hydroxylase, CYP17 = 17α-Hydroxylase


Dauergabe von Glucocorticoiden führt - wegen des dadurch ausbleibenden Stimulus durch ACTH (negative Rückkopplung im hypothalamisch-hypophysären System) - zu iatrogener Atrophie der zona fasciculata und reticularis. Umgekehrt kann die Nebennierenrinde durch Dauerstress hypertrophieren (chronisch hohe ACTH-Ausschüttung), ihre Masse um ein Mehrfaches zunehmen.
 
Mineralcorticoide / Aldosteron: Zona glomerulosa

Aldosteron weist eine Aldehyd- und eine Alkoholgruppe auf (daher Ald-o-steron). Es ist das wichtigste Mineralcorticoid (salzwirksam).

  Die Zellen der äußersten Rindenschicht (zona glomerulosa) exprimieren kein CYP17 (Steroid-17α-Hydroxylase) und können daher weder Cortisol noch Androgene synthetisieren. Ihr Produkt ist Aldosteron, das sie via P-450 Enzymen in fünf Schritten herstellen ( Abbildung oben):
 
     Im endoplasmatischen Retikulum über Pregnenolon, (Hydroxysteroiddehydrogenase 3ß-HSD) → Progesteron, (21-Hydroxylase CYP21B) → zu 11-Deoxycorticosteron (DOC), und weiter
 
     in den Mitochondrien (11-Hydroxylase CYP11B2) → Corticosteron, (18-Hydroxylase CYP11B2) → 18(OH) Corticosteron und (18-Oxidase CYP11B2) → zu Aldosteron (die letzten drei Schritte werden durch dasselbe Enzym - CYP11B2 - angeregt).

Transport und Ausscheidung: Im Blut liegen
~37% des Aldosterons ungebunden vor; ~42% sind an Albumin und ~21% an Cortisolbindendes Globulin (CBG) - beides relativ schwach - gebunden.
 
   Die Leber inaktiviert (glukuroniert) so gut wie das gesamte ihr zuströmende Hormon in einem Durchlauf, und die Niere scheidet es aus; daher seine kurze Halbwertszeit. Die Leber macht Aldosteron durch Glukuronierung und Sulfatierung löslich, dabei wird es auch inaktiviert. Die Ausscheidung erfolgt über die Niere, etwas auch über die Galle. Aldosteron zählt zu den Hormonen, die recht rasch eliminiert werden: Die biologische Halbwertszeit beträgt etwa 20 Minuten.

  Aldosteron (Serum, Plasma)
8-10 Uhr vormittags: liegend 80-450 pM, aufrecht 100-870 pM
Kinder: 1. Tag 600-2920, 5. Tag 200-2300, 6-30. Tag 190-2250, 1-12 Monate 190-1530, 1-2 Jahre 170-1370, 2.6 Jahre 110-750, 6.14 Jahre 95-410 pM
  Starke Abhängigkeit vom Natriumangebot (Kochsalz)
Höchste Werte morgens, niedrigste mittags (3:1), Basiswerte nach mindestens 2stündiger Bettruhe
Steigt mit Kaliumspiegel und mit orthostatischer Belastung (liegend bis 400 pM, stehend bis 790 pM)

Tagesproduktion (zona glomerulosa) abhängig vom Kochsalzangebot:
Bis 1,5 mg/d bei sehr niedrigem NaCl-Angebot mit der Nahrung, bei reichlicher Zufuhr (westliche Diät) 50-150 µg/d
(Desoxycorticosteron: 50-200 µg/d)

Ausscheidung mit dem Harn bis 120 µg / 24h (bei sehr niedrigem Salzangebot)
Bei höherem Salzangebot (Natriumausscheidung 100 bis über 300 mmol/d) unter 20 µg/d ( Abbildung)

Biologische Halbwertszeit 20-30 Minuten
  
Wirkung: zellulär Wirkung: systemisch Regulation

Zelluläre Wirkung

 
Der intrazelluläre Aldosteronrezeptor (Mineralcorticoidrezeptor MR, Typ I- Corticosteroidrezeptor) bindet das Hormon im Zytoplasma (Chaperone dissoziieren vom Rezeptor), wandert in den Zellkern, rekrutiert Koaktivatoren und bindet als Dimer an ein mineralcorticoid response element. Dies verändert die Expression mehrerer Gene ( Abbildung), deren Transkription aldosteroninduzierte Proteine (aldosterone-induced proteins, AIPs) entstehen lässt:
 
     Aldosteron bewirkt vermehrte Einlagerung präformierter epithelialer Natriumkanäle (ENaC)  in die - und ihre verzögerte Entfernung (limitiertes Recycling) aus der - apikale(n) (lumenwärts gerichteten) Membran von Hauptzellen im Sammelrohr ( Abbildung). Diese Gleichgewichtsverschiebung vermehrt prompt die Zahl der ENaCs und unterstützt die Na+-Resorption. Mit einer Verzögerung von 30-60 Minuten verstärkt Aldosteron darüber hinaus die ENaC-Neusynthese.
 
Aldosteron wirkt anregend auf die Aktivität der H+-ATPase im Sammelrohr
   
Nur wenige Gewebe exprimieren den Mineralcorticoidrezeptor (Niere: Tubuluszellen; Colon, Harnblase: Epithelzellen). Diese Zellen exprimieren auch 11ß-OH-Steroid-Dehydrogenase Typ 2; dieses Enzym inaktiviert Cortisol zu Cortison. Durch diese Kombination ist die Mineralcorticoidwirkung des Aldosterons auf die Zielzelle sichergestellt (vermehrte Expression von Natriumkanälen für die apikale, und von Na/K-ATPasen für die basolaterale Membran etc).


Abbildung: Aldosteronrezeptor und -wirkung
Nach Perico N, Benigni A, Remuzzi G. Present and future drug treatments for chronic kidney diseases: evolving targets in renoprotection. Nature Rev Drug Discov 2008; 7: 936-53

Aktivierung der Mineralcorticoidrezeptors (MR) veranlasst diesen zur Dissoziation von Chaperonmolekülen, Translokation in den Zellkern und Bindung an hormone response elements in Zielgen-Promotern; die Expression der Gene nimmt zu. In der Niere führt dies zu gesteigerter Natrium-Rückresorption durch Induktion der Serum / Glucocorticoid-regulierten Kinase 1 (SGK1) - Expression und Aktivität epithelialer Natriumkanäle (ENaC) nimmt zu.

Weiters steigt die Expression profibrotischer Moleküle (wie Kollagen, TGF-ß, Plasminogenaktivator PAI). Durch vermehrte Expression der NADPH-Oxidase entstehen Sauerstoffradikale und unterstützen Entzündungsvorgänge.

Rasche nicht-genomische Effekte treten ebenfalls auf, wie Transaktivierung des epithelial growth-factor receptor (EGFR) und Phosphorylierung der extracellular-signal-regulated kinase (ERK).

  ICAM1, intracellular adhesion molecule 1, ein Adhäsionsmolekül     IL6, Interleukin 6     MCP, monocyte chemoattractant protein, auch CCL2 (CC-chemokine ligand), ein Chemokin


     Weiters steigert Aldosteron in Hauptzellen des Sammelrohrs die Aktivität der basolateralen Na+/K+-ATPase - diese wird vom Zellinneren in die Membran verlagert und erleichtert durch Erhöhung des Natriumgradienten die Natriumresorption aus dem Tubuluslumen.

Der Gersamteffekt dieser Wirkungen ist verstärkte Natriumresorption sowie Kaliumsekretion.

Ungenügende Aldosteronwirkung bewirkt Kochsalz- und Wasserverlust und Dehydration, die das Blutvolumen reduziert und potentiell lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann.
 
 
Hyperaldosteronismus erhöht die Ausscheidung von K+ und H+, senkt das Serum-[K+] und bewirkt nicht-respiratorische Alkalose
 
Aldosteronmangel steigert den Serum- Kaliumspiegel (Hyperkaliämie) und kann - über vermehrten Verlust an Kochsalz - hypotone Dehydration verursachen
 
Auch Hemmung der Mineralcorticoidrezeptoren führt zu Hyperkaliämie
 
Aldosterone escape: Die Aldosteronwirkung auf die NaCl-Bilanz hält nicht unbegrenzt an. Bei kontinuierlich gesteigertem Aldosteronspiegel kommt es innerhalb von 2-3 Tagen durch das erhöhte extrazelluläre und Blutvolumen zu gesteigerter glomerulärer Filtration und Salzausscheidung, zusätzlich gefördert durch ANP aus den volumenbelasteten Herzräumen.

Die Wirkung auf Kalium und Wasserstoffionen hält aber an, sodass es bei anhaltendem Hyperaldosteronismus zu Kaliumverlust und metabolischer Alkalose kommt.


Auch Cortisol bindet an Aldosteronrezeptoren. Zwar wirkt Aldosteron 1000-mal stärker mineralcorticoid als Cortisol, aber letzteres ist 100-fach höher im Extrazellulärraum konzentriert. Zielzellen des Aldosterons (vor allem in Nierentubuli) bilden ein Enzym (11-ß-Hydroxy-Steroiddehydrogenase), das Cortisol zu Cortison inaktiviert. Auf diese Weise kann Aldosteron "seine" Rezeptoren ungestört und ziemlich exklusiv aktivieren.
 
     Wird die 11-ß-Hydroxy-Steroiddehydrogenase blockiert, funktioniert das nicht mehr, und die potentiell mineralcorticoiden Wirkungen des Cortisols machen sich bemerkbar (Natriumanreicherung, Kaliumverlust, vermehrte H+-Ausscheidung: Hypokaliämische Hypertonie, Herzrhythmusstörungen, Tetanie, metabolische Alkalose). Inhaltsstoffe der Lakritze hemmen die 11-ß-Hydroxy-Steroiddehydrogenase, sodass es bei exzessivem Lakritzengenuss zu solchen Symptomen kommen kann.
    
Systemische Wirkungen
 
Aldosteron fördert die Rückgewinnung von Kochsalz in der Niere, Schweiß- und Speicheldrüsen, Dickdarm und Lunge. Es erhält das extrazelluläre Volumen (Leitsalz NaCl) aufrecht. Daraus ergibt sich seine stabilisierende Wirkung auf Blutvolumen und Kreislauf.
 
Aldosteron fördert weiters die Ausscheidung von Kalium (einziges K-wirksames Hormon) und H+ (der Natriumeinstrom in die Hauptzellen des Sammelrohrs erhöht hier das elektronegative Potential des Lumens).
 


Abbildung: Die Aldosteronproduktion ist umgekehrt proportional zum Salzdurchsatz
Nach Brunner HR et al, Essential hypertension: renin and aldosterone, heart attack and stroke. N Engl J Med 1972; 286: 441-9

Der Aldosteronspiegel (und damit die Aldosteronausscheidung) sinkt mit dem Kochsalzangebot mit der Ernährung (und damit der Natriumausscheidung). Normalbereich zwischen den rosa angedeuteten Kurven

Natrium: 1 mnol = 23 mg; 1 g Natrium entspricht 2,5 g Kochsalz; 100 mmol = 5,85 g NaCl


Zwischen Aldosteronspiegel und NaCl-Ausscheidung besteht eine umgekehrt proportionale Relation ( Abbildung):

     Je weniger Salz aufgenommen wird, desto mehr Aldosteron wird gebildet - bis zu ~250 µg pro Tag ("normales" NaCl-Angebot) und mehr (>1000 µg/d), wenn die Kochsalzzufuhr ungewöhnlich niedrig ist.

     Je mehr Kochsalz dem Körper zugeführt wird, desto geringer fällt die Aldosteronsynthese aus (biologisch gesehen ist Salzüberschuss - wie in der westlichen Ernährung üblich - eine Ausnahmesituation, normalerweise braucht der Körper Aldosteron, um Kochsalz im Körper zu halten).

Durch die Einstellung des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens (dessen Betrag über die Osmoregulation eng mit der verfügbaren Kochsalzmenge im Körper zusammenhängt) steuert das Aldosteron direkt auch das Blutplasma- und damit das Blutvolumen. Dieses wiederum ist eine basale Größe für die Funktion des Kreislaufs, und damit auch des Blutdrucks und der Durchblutung der Organe.

Insgesamt beeinflusst Aldosteron nur einige Prozent der Salzausscheidung, da 95% des Natriums schon vor dem distalen Nephron rückresorbiert werden. Angesichts der enormen Menge an glomerulär filtriertem NaCl reicht die Wirkung des Aldosterons aber aus, diätetisch bedingte Schwankungen der Kochsalzzufuhr zu kompensieren: Schwankt die fraktionelle Na+-Ausscheidung um nur 2%, verändert sich das extrazelluläre Volumen um mehr als 3 Liter.

Aldosteron beteiligt sich auch kurzfristig an der Einstellung des Blutdrucks; sein Blutspiegel ändert sich innerhalb von Minuten bei entsprechenden kardiovaskulären Belastungen, z.B. nach Wechsel von liegender zu aufrechter Körperlage.


Aldosteron wirkt auch auf nichtepitheliale Zellen, die MR exprimieren. Kollagensynthese und Gefäßtonus können angeregt werden (möglicher hypertensiver Effekt unabhängig von der Salz-Wasser-Bilanz). Aldosteron kann profibrotisch und entzündungsfördernd wirken.
 
Regulation
 
Was regt die Freisetzung von Aldosteron an?
 
     Angiotensin II regt die Aldosteronsynthese am intensivsten an, indem es den Transport von freiem Cholesterin über die äußere Mitochondrienmembran mittels StAR (steroidogenic acute regulatory protein) sowie die Aldosteronsynthase CYP11B2 fördert. Das Renin-Angiotensin-System wird durch verringertes Blutvolumen (Hypovolämie), Blutdruckabfall (Hypotonie), Hyponatriämie und Hyperkaliämie aktiviert.

     Erhöhter Kaliumspiegel depolarisiert die Zellen der zona glomerulosa, das öffnet spannungsabhängige Ca++-Kanäle und stimuliert die Aldosteronsynthese.

     ACTH spielt bei der Steuerung der Aldosteronproduktion eine geringere Rolle; akute ACTH-Spitzen haben anregende Wirkung, und zwar über MC2-Rezeptoren der Glomerulosazellen (G-Protein → Adenylatcyclase → cAMP → PKA → phosphorylierte Proteine). Ein zweiter (indirekter) Wirkmechanismus funktioniert über gesteigerte Synthese von Cortisol, Corticosteron und Desoxycorticosteron (s. Abbildung) in der zona fasciculata, die schwache Mineralcorticoidwirkung ausüben.

Bei konstant erhöhtem ACTH-Spiegel nimmt die Wirkung rasch wieder zum Basiswert ab (ACTH escape), wahrscheinlich bedingt durch Reduktion der Rezeptordichte. Physiologischerweise kommt das allerdings nicht vor, da die ACTH-Ausschüttung diskontinuierlich erfolgt. (Bei unterdrückter ACTH-Bildung bleibt die zona glomerulosa funktionsfähig und reagiert weiter auf Kaliumanstieg oder ATII.)

 
Hyperkaliämie stimuliert die Aldosteronausschüttung
 
Auch regt Azidose die Aldosteronachse an - Aldosteron erhöht die renale H+-Ausscheidung.

  
Die aus dem Herzen bei zunehmender Dehnung freigesetzten atrialen natriuretischen Peptide hemmen die Aldosteronsynthese in der zona glomerulosa und bewirken verstärkte Ausscheidung von Salz und Wasser in der Niere.

 

Abbildung: Die Nebenniere im Brennpunkt der mittelfristigen Kreislaufregulation
Nach einer Vorlage bei rci.rutgers.edu (Benjamin Cummings 2001)

Wirkungen aus Gehirn (Stress, ACTH), Niere (Renin-Angiotensin-System) und Kreislauf (ANP aus dem Herzen)


Aldosteron ist in das Reninsystem eingebunden ( Abbildung), und neben autonom-nervösen Reaktionen auf z.B. Barorezeptorreizung wirken sich auf diesem Wege Änderungen von Blutvolumen und Blutdruck auf Nebennierenrinde und Salz-Wasserhaushalt aus.

Steigt die Natriumrückresorption aus den Nierentubuli, dann nimmt das extrazelluläre und das Blutvolumen zu, die Vorlast des Herzens wird größer, und damit ist der Boden für eine Erhöhung des Herzminutenvolumens bereitet.

Das kann auch zu weit gehen: Erhöhter Aldosteronspiegel (Hyperaldosteronismus) kann durch Überproduktion (bei Schwangerschaft, Herzinsuffizienz) oder gestörten Abbau (bei Erkrankung der Leber) bedingt sein.
 
   Der Aldosteronantagonist Spironolacton blockiert Aldosteronrezeptoren und wird therapeutisch eingesetzt.

 
Glucocorticoide / Cortisol: Zona fasciculata
  
Cortisol (Hydrocortison) ist das wichtigste Glucocorticoid (blutzuckerwirksam, daher die Bezeichnung) und hat eine wichtige Stellung im System der blutzuckersteigernden Hormone ( s. dort), beeinflusst aber darüber hinaus viele weitere Körperfunktionen, indem es in Transkriptionsvorgänge eingreift und auf Nerven-, Immun-, Bewegungs-, kardiovaskuläres und andere Systeme einwirkt.


Abbildung: Achse Stress - Hypothalamus - Hypophyse - Nebenniere
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016

Stress regt - zusammen mit anderen Einflüssen - kleinzellige Neurone im nucl. paraventricularis zur Bildung von CRH an. Dieses gelangt über Pfortadergefäße zum Hypophysenvorderlappen und bewirkt - über CRH-Rezeptoren, G-Proteine, Adenylylcyclase, Proteinkinase A, und Calciumeinstrom - Sekretion von ACTH.
     
ACTH gelangt über den Kreislauf zur Nebennierenrinde, Anregung entsprechender Enzymsysteme führt zur Bildung von Cortisol.
     
Sowohl ACTH als auch Cortisol wirken negativ rückkoppelnd auf die CRH- (und ACTH-) Ausschüttung.

  AC, Adenylylcyclase  PKA, Proteinkinase A


  < Cortisol

Neben Cortisol werden in der Nebennierenrinde Cortison und Corticosteron gebildet, die ebenfalls (wenn auch nur schwach) als Glucocorticoide wirken.

Cortisol (Hydrocortison) entsteht laufend (Deckung basaler Stoffwechselbedürfnisse), eingebettet in den zirkadianen Rhythmus.

 

  Enzyme in der zona fasciculata der NNR bilden aus Pregnenolon über mehrere Zwischenstufen (die meisten im endoplasmatischen Rertikulum) auf zwei verschiedenen Wegen Glucocorticoide (s. Abbildung oben):

     Pregnenolon (CYP17) → 17(OH)Pregnenolon, (3ß-HSD) → 17(OH)Progesteron, (CYP21A2) → 11-DesoxyCortisol, (mitochondriales CYP11B1) → Cortisol

     Pregnenolon (3ß-HSD) → Progesteron, (CYP21A2) → DOC, (CYP11B1) → Corticosteron
  
Transport im Blut:
Im Plasma liegt Cortisol zu ~90% an das Plasmaprotein Transcortin (CBG: Cortisol binding globulin), zu 5-7% an Serumalbumin gebunden vor. Der Rest ist frei gelöst, kann leicht durch Kapillarwände und Zellmembranen dringen und ist daher biologisch wirksam.

Diese freie Form des Hormons übernimmt auch die Aufgabe der negativen Rückkopplung in Hypothalamus (CRH) und Hypophyse (ACTH). Die negative Rückkopplung korrigiert auch die Auswirkungen allfälliger Schwankungen im CBG-Spiegel.
 
   Glucocorticoide werden in der Leber enzymatisch über mehrere Schritte inaktiviert, konjugiert (sulfatiert / glukuroniert) und vor allem über den Harn entfernt. In die Galle gelangte Konjugate gelangen in den enterohepatischen Kreislauf und werden dort weiter modifiziert.
 
Zelluläre Wirkungen Systemische Wirkungen
 
Cortisol und Cortison:

 
Zielzellen für Mineralcorticoide (vor allem Hauptzellen des distalen Nierentubulus) müssen sich vor der "Nebenwirkung" durch
Cortisol schützen, denn dessen Affinität zum Mineralcorticoidrezeptor ist hoch. Dies erfolgt mittels 11ß-HSD2 (11ß-Hydroxysteroid-Dehydrogenase 2), die Cortisol zu Cortison verwandelt - dieses ist nicht mineralcorticoidwirksam und gelangt zurück in den Kreislauf.
 
   Glycyrrhizinsäure, ein Inhaltsstoff der aus Süßholzwurzeln gewonnenen Lakritze (black licorice), hemmt 11ß-HSD2. Dies blockiert bei übermäßigem Lakritzgenuss den Umbau Cortisol → Cortison, verstärkt die Mineralcorticoidwirkung des (nicht abgebauten) Cortisols und führt u.a. zu Bluthochdruck (s. oben).

Das Enzym 11ß-HSD1 (11ß-Hydroxysteroid-Dehydrogenase 1), das sich in Leber-, Fett-, Haut- und Nervenzellen (die Glucocorticoidrezeptoren exprimieren) findet. verwandelt Cortison zurück zu Cortisol, das dann hier glucocorticoid-spezifische Wirkungen ausüben kann.
 
  Cortisol (Serum)
5-20 µg/dl (Vergleich: Aldosteronspiegel etwa ein Tausendstel davon)
Tageszeitlich schwankend: 6-10 Uhr 140-600, 15-18 Uhr 70-280, 20-24 Uhr 20-170 nM
Pulsatile Ausschüttung, Stress erhöht die Werte
Kinder (6-9 Uhr): 1.-7 Tag 204-927, 8. Tag-12 Monate 66-630, 2.15 Jahre 69-630, 16-18 Jahre 66-800 nM
Biologische Halbwertszeit 60-70 Minuten


Speichel: Freies Cortisol: 6-10 Uhr 11-28, 20-24 Uhr 2-1 nM
Kinder: Abhängig von Alter und Uhrzeit

Ausscheidung mit dem Harn:
50-250 nmol / 24h
 

Wirkung an der Zielzelle
  
Glucocorticoide beeinflussen die Expression einer großen Zahl von Genen (etwa 1% des gesamten Genoms!). In der Zelle binden Glucocorticoide an den Cortisol- bzw. Glucocorticoidrezeptor (GR) im Zytoplasma, der - in verschiedenen Varianten - von den meisten Zellen des Körpers gebildet wird und die Transkription von Genen reguliert - anregt oder abschwächt ( Abbildung).
 

Abbildung: Zelluläre Wirkung von Glucocorticoiden
Nach Gerber AN, Newton R, Sasse SK. Repression of transcription by the glucocorticoid receptor: A parsimonious model for the genomics era. JBC 2021; 296, 100687

Glucocorticoide (GC) gelangen durch die Zellmembran und binden an Glucocorticoidrezeptoren (GR). Dadurch kommt es zu einer Konformationsänderung, die sie in den Zellkern gelangen läßt. Dort initiieren sie die Transkription von Zielgenen - zahlreiche Gene enthalten glucocorticoid response elements in ihren Promotersequenzen.
     
Rechts oben: GR-Monomere regen primäre Repression an, indem sie an inflammatorische Transkriptionsfaktoren wie NF-κB binden - was Corepressoren aktiviert.
     
Rechts Mitte: GR-Homodimere interagieren mit spezifischen DNA-Sequenzen, Corepressoren werden aktiviert und ebenfalls die Transkription inflammatorischer Gene reduziert.
     
Rechts unten: Sekundäre Repression durch Transkription von Genen, die entzündungshemmende Proteine (Mediatoren) codieren

  
    Der Glucocorticoidrezeptor (Cortisolrezeptor) wird auch als Typ II- Corticosteroidrezeptor bezeichnet. Unter Typ I- Corticosteroidrezeptor versteht man den Mineralcorticoidrezeptor (Aldosteronrezeptor).

Der "ruhende" Cortisolrezeptor ist im Zytoplasma als stabiler Komplex an molekulare Chaperone geknüpft, u.a. Hitzeschockproteine (Hsp 90). Bindet Cortisol en den Rezeptor, löst sich dieser im Rahmen eines allosterischen Effekts (Gestaltsveränderung) vom Chaperonkomplex ab, dimerisiert (GR-Homodimer) und wandert zusammen mit dem Hormon in den Zellkern.


Hier beeinflusst der Rezeptor die Transkription über Dimerisierung, direkte Bindung an GREs (Glucocorticoid response elements) in der Nähe von Promotersequenzen der cortisolregulierten Gene, Mobilisierung von Koaktivatoren und Korepressoren über Modifikationen am Chromatin (Histonacetylierung für Aktivierung, Deacetylierung für Inaktivierung), oder Interaktion mit anderen Transkriptionsfaktoren.

Der Hormon-Rezeptor-Komplex muss nicht dimerisieren, um Effekte zeitigen zu können. Schon monomere Hormon-Rezeptor- Komplexe können vom Zytoplasma aus rasch Wirkung zeitigen. Die Mechanismen sind nicht ganz klar, eine Möglichkeit besteht in der Interaktion mit NF-
κB ( Abbildung) bzw. mit Proteinkinasen / Phosphatasen. Dazu kommt, dass vom Rezeptor zahlreiche Isoformen / Splice-Varianten existieren.
 

 
Glucocorticoide: Systemische Wirkungen
 

Die Hauptwirkung der Glucocorticoide ist die Bereitstellung von Energieträgern. Dadurch helfen sie bei der Anpassung an Belastungssituationen, wie körperlicher (Muskelarbeit, Nahrungsmangel,..) oder psychischer Stress (Cortisol als "Stresshormon"). In physiologischen Konzentrationen ist die Wirkung auf Haut, Bindegewebe und Darm eine anabole.

Außer auf "klassische" glucoseregulierende Organe (Leber, Fett- und Muskelgewebe) wirkt Cortisol auch auf das Nervensystem (Bearbeitung von Stressreizen, Einfluss auf das Verhalten), blutbildendes und lymphatisches Gewebe (Modulation von Immun- und Entzündungsvorgängen), Haut, Knochen und verschiedene Eingeweide und damit so gut wie auf den gesamten Körper. Auch nimmt es auf Entwicklungsvorgänge Einfluss.
 

Abbildung: Physiologische Systemwirkungen von Glucocorticoiden
Nach Gerber AN, Newton R, Sasse SK. Repression of transcription by the glucocorticoid receptor: A parsimonious model for the genomics era. JBC 2021; 296, 100687

Glucocorticoide wirken auf zirkadiane Aktivitätsprofile, können den Blutdruck erhöhen, mobilisieren körpereigene Energiespeicher, regen - in physiologischer Konzentration - Osteoblasten an und können die muskuläre Ausdauer erhöhen.
 
Die systemischen Hormonwirkungen sind komplex und betreffen meist zahlreiche Komponenten. Bei höheren (therapeutischen) Blutspiegeln können gegenteilige Effekte überhandnehmen (z.B. osteoporotisch statt knochenstärkend)


Die metabolischen Wirkungen hängen von der Stoffwechsellage ab (digestive / postdigestive Phase):
 
       Im
postdigestiven (bzw. Hungerzustand - niedriger Insulin / Glukagon-Quotient) stellt Cortisol die Energieversorgung des Körpers sicher und optimiert das Wirkungsspektrum der ebenfalls erhöhten Katecholamin- und Glukagonspiegel. Lipolyse und Gluconeogenese werden angeregt. Die meisten Immunreaktionen werden in ihrer Intensität gedämpft.
 
       In der digestiven Phase hingegen (hoher Insulin / Glukagon-Quotient) ist der Cortisolspiegel normalerweise niedrig. Ist er dennoch erhöht (wie bei Mb. Cushing), hat Cortisol diabetogene Wirkung (erhöhte Glykogensynthese in der Leber, verminderte Glucoseaufnahme im Muskel etc) und erhöht den Appetit.
 
        Im Hungerzustand fördern Glucocorticoide die Resorption von Glucose im Dünndarm (wo sie auch mit der Calciumresorption interferieren, daher bewirkt Langzeittherapie mit Glucocorticoiden Osteoporose) und reduzieren die Glucoseaufnahme in der Peripherie (Skelettmuskel: Abbau von Protein, Fettgewebe: Lipolyse) durch Aktivitätsreduktion von GLUT4 (diabetogene Wirkung). Der Blutzuckerspiegel wird stabilisiert, Glucosetoleranz und Insulinempfindlichkeit sind reduziert (Cortisol ist ein Insulinantagonist an Muskel- und Fettzellen). In erhöhter Konzentration kann Cortisol zusammen mit Insulin die hepatische Glykogensynthese anregen und zu Muskelschwund durch exzessive Proteolyse führen

        Cortisol mobilisiert Glykogen- und Proteinspeicher, veranlasst den Umbau von Aminosäuren zu Glucose (Gluconeogenese in der Leber: Gesteigerte Expression von PEPCK - Phosphoenolpyruvat-Karboxylase - und Glucose-6-Phosphatase). Die Mobilisierung von Aminosäuren (Proteolyse in Muskel, Bindegewebe, Haut u.a.) für die Gluconeogenese bedingt eine negative Stickstoffbilanz

        Die Lipolyse wird im Hungerzustand durch Glucocorticoide begünstigt, die Spaltung von Triglyzeriden steigert den Fettsäurespiegel im Blut; die Lipoproteinlipase wird aktiviert, die Expression von Fettsäuresynthase gehemmt. Ist Cortisol in der digestiven Phase erhöht, regt es die Masse an abdominellem (viszeralem) und subkapsulärem Fettgewebe sowie die Reifung von Präadipozyten zu Adipozyten an (Mb. Cushing)

        Glucocorticoide steigern die Empfindlichkeit von Adrenozeptoren (permissive Wirkung), die Katecholaminwirkung steigt dadurch an (Lipolyse, positive Wirkung auf Herzqualitäten, Vasokonstriktion → Blutdruckanstieg); auch regen sie die Synthese von Katecholaminen im Nebennierenmark an. So werden Kreislauf (Herzstärkung, Blutdruckerhöhung) und Hirnfunktionen unterstützt. Cortisol fördert auch die Erythropoese und steigert dadurch die Sauerstoff-Transportkapazität

        Cortisol hemmt die Neubildung von Knochensubstanz und fördert deren Resorption, indem es Osteoblasten hemmt, andererseits die
Calciumresorption im Darm und die tubuläre Rückresortion in der Niere reduziert. [Ca++] sinkt im Blut, das regt die Sekretion von Parathormon an, und dieses mobilisiert Calcium aus dem Knochen (osteoporotische Wirkung)
 

Cortisol wirkt katabol (aufbauhemmend) auf den Knochenstoffwechsel
 

        Auf den Darm übt Cortisol einen trophischen Effekt aus; bei Cortisolmangel degeneriert die Mukosa, die Peristaltik nimmt ab, die Sekretion ebenfalls. Cortisol fördert die Salzsäurebildung in der Magenschleimhaut und hemmt die Muzinsekretion (ulzerogene Wirkung)

        Cortisol hemmt die Freisetzung und Wirkung von Vasopressin (=Adiuretin). Abwesenheit von Cortisol führt zu Erniedrigung der Freiwasserclearance
 
       
Cortisol beteiligt sich bei körperlicher Belastung an der "Umleitung" der Perfusion zur Arbeitsmuskulatur

        Cortisol hemmt reproduktives Verhalten sowie die hormonelle Achse Hypothalamus - Hypophyse - Gonaden, sodass in Stresssituationen der Energieverbrauch des Fortpflanzungssystems heruntergefahren wird. Dauerstress kann zu Atrophie der Gonaden führen
  

        Die anti-inflammatorische (entzündungshemmende) Wirkung der Glucocorticoide ist komplex und hängt vom jeweiligen Gewebe, seinem Zustand sowie von Zeitfaktoren ab. Cortisol reduziert die Bildung von Immunzellen (Eosinophilen, Helfer-T-Zellen), die Aktivität von Phagozyten (Stabilisierung lysosomaler Membranen) und die Extravasation von Leukozyten (s. unten); die Antikörperproduktion ist nicht verändert. Sie hemmen die Aktivität von Feribroblasten und die Bildung von Grundsubstanz, können so auch Heilungsprozesse verzögern. Glucocorticoide tragen insgesamt zu einer niedrigen Entzündungsbereitschaft des Immunsystems bei. Entzündungen erhöhen die Bildung von Glucocorticoiden, wie auch Belastungen allgemein (auch schon die bloße Erwartung einer Stress-Situation).
 
U
ngenügende Produktion von Glucocorticoiden bei Verletzungen oder Infektionen könnte eine Ursache chronischer Entzündungen sein.
 
Cortisol hemmt die Bildung von Lymphozyten
 
        Da Glucocorticoide auch an Mineralcorticoidrezeptoren binden, regen sie in der Niere die Natriumresorption und Kaliumsekretion an.

        Eine normale Konzentration und Tagesrhythmik der Glucocorticoide stabilisiert Hirnfunktion und psychische Stabilität. Sowohl Mangel als auch Überschuss von Cortisol hat psychologische Auswirkungen (Verhaltensstörungen, Irritierbarkeit, Schlaflosigkeit, Depression, Apathie).
  
        Glucocorticoide werden für die normale Entwicklung des Feten benötigt. Das gilt insbesondere für die Entwicklung von Gehirn, Sinnesorganen, Gastrointestinaltrakt, Haut und Lunge (Reifung von Typ-2-Zellen: Bildung von Surfactant).
 
In höherer Konzentration hemmt Cortisol die Aktivität von Lymphozyten, Fibroblasten (Gewebsneubildung und Wundheilung) und Osteoblasten (Glucocorticoide können so Osteoporose befördern). Dazu kommt eine Mineralcorticoidwirkung (Natrium-Retention, Kaliumverlust), s. oben. Durch den kochsalzretinierenden und volumensteigernden Nebeneffekt können Glucocorticoide den Blutdruck erhöhen.
 
Cortisol hat Mineralcorticoidwirkung und kann den arteriellen Blutdruck steigern
   
Dies zeigt sich bei Therapieformen mit anhaltender Corticosteroidgabe und bei hormonproduzierenden Tumoren (Cushing-Syndrom, s. unten). Die Cortisol-Plasmakonzentration ist schon normalerweise ~100-mal höher als die von Aldosteron. Unter physiologischen Bedingungen kann Cortisol die Natriumresorption wegen der Wirkung der 11ß-Hydroxy-Steroiddehydrogenase dennoch nicht fördern; ist das Enzym aber wegen hoher Glucocorticoiddosen überfordert, steigen Natriumretention und Blutvolumen (das kann den Kreislauf bei Stress- und Schockgeschehen unterstützen).

Glucocorticoide fördern die lipolytische Wirkung anderer Hormone (hGH, Katecholamine) vor allem an den Extremitäten, während unter ihrem Einfluss Gesicht, Nacken und Körperstamm Fett einlagern ("Stammfettsucht" bei Cushing-Syndrom); die Lipogenese wird gehemmt.
 

Abbildung: Glucocorticoidwirkungen an Zellen des Immunsystems
Nach Zen M, Canova M, Campana C, Bettio S, Nalotto L, Rampudda M, Ramonda R, Iaccarino L, Doria A. The kaleidoscope of glucorticoid effects on immune system. Autoimmun Rev 2011; 10: 305-10

Die Mehrzahl der Aktivitäten im Immunsystem wird durch Glucocorticoide supprimiert.
     
  Annexin 1 = Lipocortin, unterdrückt Phospholipase-Aktivität und wirkt so entzündungshemmend

  Apoptose s. dort    
  B-Zellen und Antikörper s. dort    
  Dendritische Zellen s. dort    
  Granulozyten und Makrophagen s. dort    
  Mastzellen s. dort    
  Th1-, Th2-, Th17-, Treg-Zellen s. dort    
  Zytokine (Interleukin etc) s. dort    


Rückkopplung im Immunsystem ( Abbildung): Cortisol schützt den Organismus vor allzu starker Aktivierung von Entzündungsmechanismen, es wirkt entzündungshemmend (anti-inflammatorisch , antiphlogistisch ) und immunsuppressiv. Immunantworten und entzündliche Geschehen sind oft Begleiterscheinungen von Stress, und diese sind potentiell gewebeschädigend. Cortisol stellt in dieser Situation ein homöostatisches Gegengewicht dar - zusammen mit Katecholaminen hemmt es die Bildung proinflammatorischer, und fördert die Sekretion antiinflammatorischer Zytokine. Cortisol tut dies z.T. durch Hemmung der Phospholipase 2, einem Schlüsselenzym der Synthese von Eikosanoiden (Prostaglandin, Thromboxan, Leukotriene).

Die immunsuppressive Wirkung ist folgendermaßen erklärbar: Der Komplex aus Cortisol mit seinem Rezeptor bindet in entsprechenden Zellen (z.B. Lymphozyten) an einen Kernfaktor NF-κB, der die Transkription proinflammatorischer Proteine (wie IL-2) anregt. (
NF-κB wird außerdem durch ein Inhibitorprotein - I-κB - im Zaum gehalten).

Die entzündungshemmende Wirkung der Glucocorticoide erklärt sich u.a. durch eine Hemmung der Eikosanoidsynthese - vorwiegend über die Induktion von Lipocortin (einem Annexin), das
die Bildung der Phospholipase A2 und so die Synthese von Prostaglandinen und Leukotrienen hemmt. Annexin-A1 (Anx-A1) iwird von zahlreichen Zellarten produziert und wirkt intensiv anti-inflammatorisch und hemmt diverse Zellaktivitäten - über einen G-Protein gekoppelten Rezeptor, der auch entzündungshemmende Lipoxine bindet (Lipoxine sind Produkte der Arachidonsäure und gelten als "nichtklassische" Eikosanoide).

Cortisol bremst die Synthese mehrerer Zytokine, sowie von IgG und Komplementfaktoren.
Zytokine, die in die frühe Immunabwehr involviert sind (IL-1, IL-2, TNF-α), fördern hingegen die Synthese von Corticoliberin, ACTH und Glucocorticoiden (Aktivierung des physiologischen Schutzmechanismus durch Glucocorticoide, "Kräftegleichgewicht").

Das bedeutet, es gibt eine körpereigene Anregung des Glucocorticoidsystems bei Triggerung der Immunabwehr, während die Corticoide ihrerseits die Aktivität des Immunsystem dämpfen können.

  Über die Wirkung von Cortisol auf Reifungsprozesse im Fetus s. dort
 
Regulation
 
ACTH (Corticotropin) aus dem Hypophysenvorderlappen regt die Cortisolbildung an, die zentrale Steuerung kommt aus dem Hypothalamus (Corticoliberin). Stressgeschehen (physische / psychische Belastung: Muskelarbeit, Hypoxie, Hypoglykämie, Schmerz, Emotionen, aber auch Infektionen) verstärken die Bildung im Sinne eines raschen (vom zirkadianen Rhythmus unabhängigen) Anstiegs.
 

Abbildung: Pulsatil-zirkadiane Sekretion von ACTH und Cortisol beim Menschen
Nach Lightman SL, Conway-Campbell BL, The crucial role of pulsatile activity of the HPA axis for continuous dynamic equilibration. Nature Rev Neurosci 2010; 11: 710-8

Blutabnahme alle 50 min. Höhere Werte während der Nachtstunden.
 
Die erhöhte ACTH-Sekretion in der Nacht beruht eher auf größeren CRH-Pulsen als auf gesteigerter Einzelpulsf
requenz. Cortisol hat eine längere Halbwertszeit als ACTH, daher dauern die Cortisol-Pulse länger als die von ACTH und sie dämpfen die Ausschläge im Vergleich zu denen des ACTH

Zirkadiane Rhythmik: Die Nebenniere synthetisiert und sezerniert Glucocorticoide kontinuierlich in das Blut, auf diese basale Freisetzung sind Pulsationen erhöhter Sekretion aufgesetzt, und die zirkadiane Rhythmik bedingt höchste Werte der Hormonkonzentration in extrazellulären Flüssigkeiten am frühen Morgen ( Abbildung). Der Cortisolspiegel im Blut ist zwischen Mitternacht und 3 Uhr morgens am niedrigsten, etwa 80% der täglichen Produktion (10-30 mg/d) entstehen zwischen 4 und 8 Uhr morgens.
 
  Glucocorticoidpräparate sollten in diesem Zeitfenster verabfolgt werden, um den physiologischen Rhythmus zu wahren. 

Anpassungen an zirkadiane Verschiebungen (Langstreckenflug mit Kreuzen mehrerer Zeitzonen) benötigen bis zu 2 Wochen, bis sich der Biorhythmus mit den externen Signalen ("Zeitgeber") wieder synchronisiert hat.
 
 
Abbildung: Biosynthese von Steroidhormonen
Nach einer Vorlage in Ritter / Flower / Henderson / Loke / MacEwan / Rang, Rang & Dale's Pharmacology, 9th ed. Elsevier 2020

Je nach Ausstattung der Zelle mit Enzymen kann diese verschiedene Steroidhormone synthetisieren. Bestimmte Enzymaktivitäten werden durch Hormone (ACTH, Angiotensin II) angeregt, andere durch Pharmaka gehemmt.
 
3-ß-dehyd = 3ß- Dehydrogenase, 11-ß-OH = 11ß-Hydroxylase etc.
 
    Die Umwandlung von Cholesterin zu Pregnenolon ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt und wird durch ACTH reguliert. Aminoglutethimid hemmt diesen ersten Schritt der Biosynthese und wirkt ähnlich wie Metapyron, das die Synthese von Corticosteron und Cortisol blockiert. Trilostan (fast nur noch veterinärmedizinisch eingesetzt) inhibiert 3ß-Hydroxylase - und damit die Synthese von Progesteronen und Androstendion. Carbenoxolon greift an der Umsetzung von Cortisol zu Cortison an


Hypothalamisch- hypophysäres Feedback (s. Abbildung oben): Steigender Cortisolspiegel hemmt die CRH- und ACTH-Sekretion und damit die Cortisolproduktion. Diese negative Rückkopplung erfolgt in zwei Phasen: Sofort über Inhibition der Sekretion von CRH uns ACTH, verzögert über deren Synthese.
In ACTH-bildenden Vorderlappenzellen bindet Cortisol an zytoplasmatische Rezeptoren, der Komplex wandert zum Zellkern und moduliert die Genexpression - was sowohl die Synthese von ACTH als auch von CRH-Rezeptoren reduziert. Außerdem wird die Freisetzung ACTH-hältiger Vesikel gehemmt.
Weniger bedeutsam ist die Rückkopplung auf hypothalamische Zellen: Cortisol reduziert hier die Transkription von CRH sowie die (pulsatile) Freisetzung gespeicherten CRH.


   Adrenale Androgene: Zona reticularis
 
Die zona reticularis bildet Androstendion, DHEA (Dehydro-epi-androsteron) und DHEAS (DHEA-Sulfat) - letzteres kann in der Körperperipherie wieder zu DHEA, und weiter zu Testosteron, DHT oder Östradiol transformiert werden. Der DHEAS-Spiegel steigt bis in das 3. Lebensjahrzehnt und nimmt nachher langsam wieder ab, wie auch der DHEA-Spiegel. Eine mögliche Bedeutung dieser Tatsache für den Vorgang der Alterung ist fraglich. Bedeutsam sind DHEAS / DHEA jedenfalls als Androgenvorläufer:

Während bei Männern die periphere Umwandlung adrenaler zu aktiven Androgenen eine geringe Rolle spielt (hier dominiert die Androgensynthese der Hoden), tragen bei Frauen adrenale Androgene zu 50% der zirkulierenden aktiven Androgene bei. Diese bewirken Achsel- und Schambehaarung und spielen eine Rolle für die Libido.

Androgenüberschuss bei Frauen (adrenale Überproduktion, Mb. Cushing) führt zu Symptomen der Virilisierung (Hirsutismus = vermehrte Körperbehaarung) und Dysovulation.

Androgene aus der Nebennierenrinde wirken sich auf die Ausprägung männlicher sekundärer Geschlechtsmerkmale aus, nicht aber auf das Wachstum der Gonaden (zumindest im Vergleich zum Effekt von Testosteron). Die Zellen der zona reticularis exprimieren nur wenig 3ß-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (3ß-HSD), was eine geringe Bildung von Androstendion aus DHEA (das wiederum durch CYP17-Einfluss aus Pregnonolon entsteht) zur Folge hat; dafür verfügen sie über reichlich DHEA-Sulfotransferase (das zuständige Gen heißt SULT2A1), sodass beträchtliche Mengen an DHEAS entstehen.

  Dehydroepiandrosteronsulfat (DHEAS)
Serum
Etwa 500 bis 2500 µg/l (zirkadianer Rhythmus)
 
Der DHEAS-Spiegel ist der höchste aller Steroidhormonwerte, zum Vergleich:
Testosteron beim Mann bis ~8;
im 3. Trimenon bei Schwangeren Östrogene bis ~60, Progesteron bis ~250 µg/l.

DHEA bindet nur schwach an Albumin, es wird renal rasch ausgeschieden, seine Halbwertszeit beträgt nur 15-30 Minuten; DHEAS bindet stark an Albumin - biologische Halbwertszeit 7-10 Stunden.

Regulierung: Die Hormonproduktion der zona reticularis wird durch ACTH angeregt; ACTH-Mangel lässt die zona reticularis ebenso atrophieren wie die zona fasciculata.

Der Serumspiegel von Androstendion (s. dort) und DHEA zeigt zirkadiane Rhythmik (derjenige von DHEAS wegen seiner langen Halbwertszeit nicht).
Die Androgenrhythmen korrespondieren nicht mit denen des ACTH-Cortisol-Systems, und Adrenarche tritt auch in Abwesenheit der typischen ACTH-Rhythmen auf (die dazu dienen, eine Hormon-Refrakterität der Zielzellen zu verhindern). Es müssen also noch weitere Steuerungsfaktoren existieren, deren Natur aber noch nicht bekannt ist (Stand 2020).

Weder adrenale Androgene noch ihre Metabolite (Testosteron, Dihydrotestosteron, Östradiol) haben negative Rückkopplungswirkung auf CRH (Hypothalamus) oder ACTH (Hypophyse). Diese Rückkopplung kann nur durch Cortisol selbst erfolgen; Enzymdefekte, die dessen Bildung verhindern (z.B. CYP21-Mangel), sind daher durch sehr hohe ACTH-Spiegel gekennzeichnet, was wiederum die Synthese der Androgene in die Höhe treibt (kongenitale adrenale Hyperplasie).
 
1950 erhielten Edward Kendall, Tadeus Reichstein und Philip Hensch den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin "für ihre Entdeckungen bei den Hormonen der Nebennierenrinde, ihrer Struktur und ihrer biologischen Wirkungen". Hench verabreichte 1948 erstmals einer Patientin mit schwerem Rheuma Cortison; dieses war - wie auch andere Hormone -  von Kendall erstmals isoliert worden. Reichstein hatte die therapeutische Wirkung des Cortisons postuliert und klärte u.a. die Struktur des  Aldosterons.



  
Der Abbau der NNR-Hormone erfolgt überwiegend durch die Leber; Leberinsuffizienz führt zu “Rückstau” und Konzentrationsanstieg der Hormone mit entsprechenden Wirkungen.
 
Erkrankung
Cortisolspiegel
ACTH-Spiegel
Grund / Mechanismus
ACTH-
produzierender HVL-Tumor (Cushing's disease)
erhöht
erhöht / normal
Anregung durch ACTH, negatives feedback durch Cortisol an responsiblem Gewebe
NNR-
Tumor (Cushings's syndrome)
erhöht erniedrigt
Cortisol bremst ACTH-Produktion
Ektopischer ACTH-
produzierender Tumor
erhöht erhöht Anregung durch ACTH
Primäre Nebennieren-
insuffizienz

erniedrigt erhöht Niedriger Cortisolspiegel regt ACTH-Produktion an
Sekundäre / tertiäre Nebennieren-
insuffizienz

erniedrigt erniedrigt NNR ungenügend angeregt

 
Primäre Nebenniereninsuffizienz bedeutet eine Funktionsstörung der Nebennierenrinde bei intaktem hormonellem Regelkreis. Der niedrige Cortisolspiegel erhöht die CRH / ACTH-Ausschüttung im hypothalamisch-hypophysären System (negative Rückkopplung), und ACTH-Gabe führt nicht (wie normal) zu erhöhter Cortisolproduktion.

Sekundäre / tertiäre Nebenniereninsuffizienz bedeutet einen gestörten Regelkreis - tertiär: Fehlende CRH-Antwort im Hypothalamus (meist durch langanhaltende Cortisontherapie), sekundär: ungenügende ACTH-Antwort der Hypophyse. ACTH-Gabe erhöht den Cortisolspiegel (die NNR reagiert normal).
 

Abbildung: Symptome bei Cushing-Syndrom
Nach einer Vorlage bei columbiasurgery.org

Verantwortlich für die Ausbildung der Symptome ist eine zu hohe extrazelluläre Konzentration an Glucocorticoiden


       Glucocorticoide in großer Menge über längere Zeit (Glucocorticoid-Langzeittherapie, ACTH-produzierender Tumor der Hypophyse oder in den Bronchien, Cortisolproduzierender NNR-Tumor) haben ausgeprägte anti-anabole (aufbauhemmende) Wirkung, es kommt zum Cushing-Syndrom , das neben Wirkungen auf Stoffwechsel (Hyperglykämie, Gewichtszunahme) und Kreislauf (Bluthochdruck) u.a. durch Wassereinlagerungen in Gesicht und Körper (Ödeme), Osteoporose (Hemmung der Osteoblasten) und Muskelschwäche (verstärkter Proteinabbau) gekennzeichnet ist ( Abbildung).
 
Zu den Symptomen des Cushing-Syndroms zählen Hyperglykämie, Stammfettsucht, weniger Muskelmasse (Extremitäten), Bluthochdruck, Abnahme der Lymphozytenzahl
 
  Die abwehrhemmende Wirkung der Glucocorticoide wird therapeutisch eingesetzt, hochdosiert u.a. zur Dämpfung überschießender postoperativer Entzündungen, zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten, und in der Transplantationsmedizin.

  Ein hormonproduzierendes Adenom in der zona glomerulosa bedingt das Conn-Syndrom (primärer Hyperaldosteronismus, gekennzeichnet durch Natriumretention, manchmal kombiniert mit Kaliumverlust, Alkalose und arterieller Hypertonie). Aufgrund der negativen Rückkopplung ist der Reninspiegel niedrig, der Aldosteron / Renin-Quotient erhöht.
 
Sekundärer Hyperaldosteronismus tritt bei erhöhter Reninproduktion (z.B. infolge renaler Minderdurchblutung) auf, diese führt zu Anregung der Angiotensinbildung und vermehrter Anregung der
zona glomerulosa.

Symptome beim Conn-Syndrom sind durch den Adosteronüberschuss gekennzeichnet: Neurologisch (Kopfschmerzen, Müdigkeit, Wahrnehmungsstörungen, Sehstörungen, Lähmungserscheinungen / Krämpfe); Kreislauf (arterielle Hypertonie, Herzrhythmusstörungen); Obstipation; Polyurie.

Akute Infektionen (Meningokokken, Pneumokokken, Haemophilus influenzae) können die Nebenniere so schädigen, dass es zu einem akuten Ausfall der NNR-Hormonproduktion kommt. Im Vordergrund der Symptomatik liegt der Aldosteronmangel (Nebennierenapoplexie, Waterhouse-Friderichsen-Syndrom). Ohne rechtzeitige Behandlung verläuft diese Erkrankung meist tödlich.

  Komplette Nebenniereninsuffizienz führt zu Morbus Addison: Unbehandelt kommt es zu intensivem Kochsalzverlust, Hyperkaliämie, Muskelschwäche und Blutdruckabfall, Kreislaufschwäche und lebensgefährlichem Kreislaufversagen. Ursache ist Zerstörung der NNR (primärer Mb. Addison, ~80%; ACTH-Spiegel wegen der negativen Rückkopplung erhöht) oder ungenügende Stimulation durch das hypothalamisch-hypophysäre System (~20%; ACTH-Spiegel niedrig). Auch nimmt die kutane Pigmentierung zu.
 
Hyperpigmentierung der Haut ist eines der Symptome eines Morbus Addison
 
  Symptome eines Hypoaldosteronismus (Natriummangel, niedriger Blutdruck, Hyperkaliämie, metabolische Azidose) können auch durch Mutation und Funktionsverlust der epithelialen Natriumkanäle (ENaC) bedingt sein.
 
Nebenniereninsuffizienz bedingt Hyponatriämie
 

 
 
      Die Nebennieren beeinflussen Elektrolythaushalt, Kreislauffunktion, Zucker-, Fett- und Proteinstoffwechsel. Die Rinde erzeugt Aldosteron (zona glomerulosa), Cortisol (zona fasciculata), Androgene (zona reticularis); das Mark Adrenalin und etwas Noradrenalin. ACTH wirkt auf die gesamte Nebennierenrinde, Angiotensin II regt die Aldosteronbildung an, Stress stimuliert die Sekretion von Cortisol und Katecholaminen. Bei Belastungen des Elektrolythaushaltes, Hypoglykämie, Infektionen und Traumen sind die NN-Funktionen von entscheidender Bedeutung. Steroide werden nicht gespeichert, sondern nach Bedarf synthetisiert, dazu verfügen die Rindenzellen über Hydroxylasen, Lyasen, Dehydrogenasen
 
      Das Nebennierenmark wird über T5-T11 sympathisch gesteuert. Einige Reize wirken vorwiegend auf das NN-Mark (z.B. Hypoglykämie), andere auf den Sympathikus (z.B. Hypovolämie). 20% der Markzellen bilden Noradrenalin (30% des im Blut kreisenden Noradrenalins stammt aus der Nebenniere; Halbwertzeit im Sekundenbereich, Schwerpunkt Kreislaufanregung), 80% verfügen über PNMT (Cortisol steigert seine Synthese) und bilden Adrenalin (Halbwertzeit ~3 min, Schwerpunkt  Lipolyse, Blutzuckerstabilisierung). Präganglionäre (cholinerge) Impulse depolarisieren die Zellen, Ca++ regt die Exozytose der Speichergranula an, gleichzeitig steigt die Synthese der Katecholamine (stabiler intrazellulärer Speicherbestand). Adrenalin relaxiert über ß-Rezeptoren Bronchien, Koronar- und Skelettmuskelarteriolen, und triggert in der Niere die Reninfreisetzung
 
      Aldosteron ist das führende Mineralcorticoid, sein Fehlen bewirkt Kochsalz- und Wasserverlust, Dehydration, Kreislaufversagen und ist potentiell tödlich. Aldosteron stammt aus der zona glomerulosa, wird von der Leber rasch glukuroniert / sulfatiert und so inaktiviert (Halbwertszeit ~20 min), die Niere scheidet es aus - zwischen einigen wenigen und >100 mg/d: Je geringer das Salzangebot, desto höher die Aldosteronbildung. In der Zelle bindet Aldosteron an den Mineralcorticoidrezeptor und das Dimer an ein mineralcorticoid response element der DNA. Die Transkription der Zielgene erzeugt aldosteroninduzierte Proteine (AIPs). Erhöhte Einlagerung epithelialer Natriumkanäle in die apikale Membran von Hauptzellen im Sammelrohr verstärkt die Na+-Resorption. Auch steigert Aldosteron die Aktivität der basolateralen Na/K-ATPase und wirkt anregend auf die Aktivität der H+-ATPase (H+-Ausscheidung). Aldosteron fördert die Rückgewinnung von Kochsalz in Niere, Schweiß- und Speicheldrüsen, Dickdarm und Lunge, und erhält das extrazelluläre Volumen aufrecht (Stabilisierung von Blutvolumen und Kreislauf). Es ist das einzige kaliumwirksame Hormon (Aldosteron fördert die K+-Ausscheidung). Hypovolämie, Hypotonie, Hyponatriämie und Hyperkaliämie aktivieren das Renin-Angiotensin-System, Angiotensin II regt die Aldosteronsynthese an (Cholesterintransport über die äußere Mitochondrienmembran, Aldosteronsynthase CYP11B2)
 
      Cortisol ist das wichtigste Glucocorticoid; der Cortisolspiegel ist zwischen Mitternacht und 3 Uhr morgens am niedrigsten, etwa 80% der am Tag gebildeten 10-30 mg entstehen zwischen 4 und 8 Uhr morgens. Stress regt die Bildung von CRH und ACTH an, Enzyme in der zona fasciculata bilden aus Pregnenolon über mehrere Zwischenstufen Glucocorticoide (Cortisol, Corticosteron). Transcortin (CBG) transportiert ~90% des Cortisols im Blut. Cortisol bindet in der Zelle an den Cortisolrezeptor (Dimerisierung, Bindung an  glucocorticoid response elements in der Nähe von Promotersequenzen Cortisol-regulierter Gene, Mobilisierung von Koaktivatoren und Korepressoren, Interaktion mit anderen Transkriptionsfaktoren). Glucocorticoide stellen Energieträger bereit; sie helfen bei der Anpassung an Belastungssituationen (Muskelarbeit, Nahrungsmangel, "Stresshormon"). Die metabolischen Wirkungen hängen von der Stoffwechsellage ab: Im Hungerzustand (niedriger Insulin / Glukagon-Quotient) Energieversorgung (Lipolyse, Gluconeogenese), in der digestiven Phase (hoher Insulin / Glukagon-Quotient) diabetogene Wirkung. Cortisol wirkt katabol auf den Knochenstoffwechsel, hemmt reproduktives Verhalten sowie die hormonelle Achse Hypothalamus - Hypophyse - Gonaden, reduziert die Bildung von Immunzellen und die Extravasation von Leukozyten. Normale Konzentration und Tagesrhythmik der Glucocorticoide stabilisiert Hirnfunktion und psychische Stabilität (sowohl Mangel als auch Überschuss von Cortisol hat Auswirkungen auf die Psyche). Cortisol hat Mineralcorticoidwirkung und kann den arteriellen Blutdruck steigern
 
      Die zona reticularis bildet - angeregt durch ACTH - Androstendion sowie die Vorläufer DHEA und DHEAS. Bei Männern verstärken sie die Ausprägung männlicher sekundärer Geschlechtsmerkmale, nicht das Wachstum der Gonaden (Testosteron); die periphere Umwandlung adrenaler zu aktiven Androgenen spielt hier eine geringe Rolle, bei Frauen hingegen tragen adrenale Androgene zu 50% der zirkulierenden aktiven Androgene bei (Achsel- und Schambehaarung, Libido). Androstendion und DHEA zeigen zirkadiane Rhythmik (DHEAS wegen der langen Halbwertszeit nicht). Weder adrenale Androgene noch ihre Metabolite (Testosteron, Dihydrotestosteron, Östradiol) haben negative Rückkopplungswirkung auf CRH (Hypothalamus) oder ACTH (Hypophyse), die Rückkopplung erfolgt nur durch Cortisol
 

 




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