Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

      
Spezielle Endokrinologie
 
  Nebenniere, Belastung und Immunsystem
© H. Hinghofer-Szalkay
Adaptation: ad-aptare = anpassen
Homöostase: ὁμοιοστάσις = Gleichstand

immun: immunis = verschont
Psyche: ψυχή = Atem, Hauch
Stress: Druck, Anspannung, von stringere = anspannen



Zu den vielfältigen Querbeziehungen zwischen Organen und Geweben im Körper zählen u.a. Zusammenhänge zwischen Psyche, endokrinen und neuralen Mechanismen, und Abwehrvorgängen. Der Körper reagiert auf Belastungssituationen abhängig von Art und Ausmaß der Herausforderung mit teils stereotypen Mustern (Alarmreaktion, "Adaptationssyndrom").

Abhängig von individuellen Erfahrungen und (epi)genetisch begründeten Verhaltensstrategien fallen die Reaktionen auch unterschiedlich aus -
je nach Bewertung des Stressreizes (Bedrohungsgefühl vs. optimistische Herangehensweise).

Sympathikus und endokrines System kooperieren bei der Umstellung von "trophotropen" zu "ergotropen" Funktionsmustern.
Adrenalin ist ein Schlüsselfaktor bei der Anpassung an solche Situationen, es stimuliert und fördert die Systeme des Sauerstoff- und Substrattransportes (respiratorisch, kardiovaskulär, metabolisch). Es steigert die zentralnervöse Erregbarkeit und aktiviert den Organismus im Sinne erhöhter Kampf- oder Fluchtbereitschaft (fight or flight). Die Adrenalinwerte im Blut können bei körperlicher oder seelischer Belastung mehr als verdoppelt sein, bei Blutzuckerabfall mehr als 10-fach, und im hämorrhagischen Schock bis 25-fach ansteigen.

Cortisol unterstützt die Adrenalinwirkungen, es stellt Energieträger bereit und leitet die Perfusion zu aktiven Muskeln um. Wird das Immunsystem angeregt, fördert das auch die Cortisolbildung, was einen dämpfenden (immunsuppressiven) Rückkopplungseffekt hat - Glucocorticoide wirken entzündungshemmend.

  Psychoneuroimmunologie Wirkungen des Adrenalins

Core messages
 
Psychoneuroendokrinoimmunologie (PNEI) untersucht Wechselwirkungen zwischen Nervensystem und Psyche, immunologischen und endokrinen Vorgängen. Hormonproduzierende und Immunzellen reagieren auf Neurotransmitter, und Nervenzellen können Rezeptoren für Zytokine oder endokrine Faktoren exprimieren. Auf diese Weise bilden sich funktionelle Netzwerke zwischern Immunozyten, Neuronen und endokrin aktiven Zellen.
vgl. dort
 
Neurophysiologie, Verhalten und Immunsystem sind eng miteinander verknüpft
 

Psychoneuroimmunologie: Das Muster der Verhaltens- und hormonellen Antwort auf Belastung ist abhängig vom Stressausmaß und der (teils vererbten) Strategie, an die Herausforderung eher zupackend oder eher verzagt heranzugehen.
 
      
Abbildung: Wechselseitige Beeinflussung von Nerven-, endokrinem und Immunsystem
Nach einer Vorlage bei Breedlove S, Watson NV: Biological psychology: An introduction to behavioral, cognitive, and clinical neuroscience, 7th ed. Sunderland, Massachusetts: Sinauer Associates, Inc., Publishers 2013

Das Nervensystem steuert sowohl hormonelle (Cortisol) als auch immunologische Aktivität (Antikörperproduktion). Das Immunsystem beeinflusst über Zytokine das ZNS. Die Schilddrüse steuert die Gehirnentwicklung, Cortisol bremst Immunantworten.

  Vgl. dort    


      Die wesentliche Weichenstellung erfolgt bei der Bewertung des Stressreizes auf Großhirnebene.


Cortisol hat

      metabolische Wirkungen,
 

      leitet bei Belastung den Blutstrom zur Arbeitsmuskulatur um, und
 
      in höherer Konzentration die Aktivität von Lymphozyten, Fibroblasten (Gewebsneubildung und Wundheilung) und Osteoblasten (Knochenaufbau).
 
      Es hat auch eine schwache Mineralcorticoidwirkung (Natrium-Retention, Kaliumverlust).

Seine Steuerung erfolgt durch ACTH (Corticotropin) aus dem Hypophysenvorderlappen. Sowohl Mangel als auch Überschuss von Cortisol hat psychische Auswirkungen (Verhaltensstörungen, Depression, Schlaflosigkeit).

Starke Einflüsse auf dieses System machen sich z.B. nach Traumen bemerkbar (posttraumatic stress disorder).

 
  

Abbildung: Iteraktion Nerven- und Immunsystem
Nach Popovich P & McTigue D, Damage control in the nervous system. Nature Med 2009; 15, 735-6

Der Hypothalamus wirkt hormonell (CRF → ACTH) und neuronal (Sympathikus) auf das Immunsystem ein; das Immunsystem wiederum auf das ZNS (z.B. Entstehung von Fieber, Krankheitsgefühl)

      Siehe auch:   Neuroendokrin-immunologische Querbeziehungen

 
Adrenalin: Wirkungen
 

Das Nebennierenmark besteht aus Zellen, die als sympathisch-postganglionär einzustufen sind. Reizung durch präganglionäre (cholinerge) sympathische Fasern führt zur Freisetzung der Katecholamine Adrenalin (zu 80%) und Noradrenalin (20%).

Dies erfolgt bei Einwirken von Stress; die Nebennierenhormone ermöglichen eine entsprechende Anpassung (Adaptation ) des Organismus an herausfordernde Situationen, was im Wirkungsspektrum des Adrenalins zum Ausdruck kommt:

    Kreislauf: Es kommt zu verstärkter Durchblutung von Herz, Gehirn und Muskeln durch
 

      Zunahme von Kontraktionskraft und Frequenz des Herzens (über ß1-Rezeptoren) und damit Erhöhung des Herzzeitvolumens,

      Vasokonstriktion in Haut und Eingeweiden (über α-Rezeptoren) und dadurch Entspeicherung von Blut aus venösen Plexus und erhöhten venösen Rückstrom (Vorlast) für das Herz,
 
      Vasodilatation in Muskel- und Koronararterien (über ß2-Rezeptoren vermittelt) und dadurch erniedrigten Einstromwiderstand,

      Verengung der Venen und dadurch erhöhten venösen Rückstrom.

Adrenalin regt die Produktion von Renin in der Niere an und wirkt dadurch auch indirekt blutdrucksteigernd (systolischer Druck nimmt deutlich zu, diastolischer leicht ab, die Blutdruckamplitude steigt an).

    Bronchien: Deutliche Erweiterung (ß2-Rezeptoren) und damit erleichterte Ventilation, was dem Sauerstofftransport zu Herz, Gehirn und Muskeln zugute kommt.
 
 
Abbildung: Wirkungen des Sympathikus auf das Immunsystem
Nach Cole SW, Nagaraja AS, Lutgendorf AK, Green PA, Sood AK. Sympathetic nervous system regulation of the tumour microenvironment. Nature Rev Cancer 2015; 15: 563-72

Der Sympathikus wirkt über zwei Achsen auf physiologische Systeme: Einerseits (gezielt) über noradrenerge Innervation, andererseits (systemisch) durch Adrenalin, das bei sympathischer Anregung in die Blutbahn abgegeben wird. So können Zellfunktion und Genexpression im betroffenen Gebiet auf mehrfache Weise beeinflusst werden, wie das hier gezeigte Beispiel von Wirkungen auf Tumoren bei Myelodysplasie darstellt.
 
CCL2 (Chemokine ligand 2) und CSF1 (Colony stimulating factor 1) sind Zytokine


    Gehirn: Zunahme der zentralnervösen Erregbarkeit, Aktivierung im Sinne erhöhter Kampf- oder Fluchtbereitschaft.
 
    Stoffwechsel: Erhöhung der Konzentration energiereicher Moleküle im Blut (ß2-Rezeptoren), und zwar
 
      von Laktat durch Glykogenabbau im Muskel, was Herz und Leber zugute kommt (diese Organe können Laktat verbrennen),
 
      von Glucose durch Glykogenabbau (Glykogenolyse) in der Leber - infolge Zunahme der Glucagonsekretion und sinkender Insulinsekretion,
 
      von freien Fettsäuren sowie Glyzerin durch Lipolyse.

Glucose und freie Fettsäuren werden von Herz, Gehirn und Muskeln verwertet. Durch diese Wirkungen werden belastete Organe vor Energiemangel bewahrt.

  Adrenalin verhindert die Freisetzung von Histamin aus Mastzellen.

   Katecholaminwerte  s. dort
 

Veränderungen des Adrenalinspiegels im Blut mit verschiedenen Formen der Belastung im Vergleich zu Kontrollwerten (liegend, ungestresst):

     Bei Wechsel zu stehender Position steigt der Adrenalinspiegel um weniger als 50% (Noradrenalin auf das Doppelte des Liege-Ruhewertes)

     Bei mittelschwerer körperlicher Belastung auf knapp das Doppelte (Noradrenalin auf das Vierfache)

     Bei psychischer Belastung wie einem öffentlichen Vortrag auf mehr als das Doppelte (Noradrenalin um ~50%)

     Bei starker Hypoglykämie (Glucose <30 mg/dl) mehr als 20-fach (der Noradrenalinspiegel 2-3-fach)

     Im hämorrhagischen Schock bis zu 25-fach (der Noradrenalinspiegel mehr als 8-fach)
 
Chronische Belastung führt außerdem zu Anregung der Nebennierenrinde. Bei Dauerreizung (chronische Erkrankungen) hypertrophieren die Nebennieren, bis dieser Adaptationsmechanismus  zusammenbricht und die Energieversorgung der Gewebe nicht mehr gewährleistet ist.
 

 
      Psychoneuroimmunologie beschreibt die Interaktionen von Nerven-, endokrinem und Immunsystem. So steuert die Schilddrüse die Gehirnentwicklung und bremst Cortisol zahlreiche Immunreaktionen; Zytokine aus dem Immunsystem beeinflussen ihrerseits Vorgänge im Nervensystem. Das Großhirn nimmt funktionelle Weichenstellungen im Sinne der Bewertung von Stressoren vor. Sowohl Mangel als auch Überschuss an Cortisol kann Verhaltensstörungen, Depression oder Schlaflosigkeit zur Folge haben
 
      Das Nebennierenmark gibt auf Stresseinwirkung mittels Anregung durch präganglionäre (cholinerge) sympathische Fasern Adrenalin (zu 80%) und Noradrenalin (20%) in das Blut ab. Das ermöglicht eine Anpassung (Adaptation) des Organismus an herausfordernde Situationen
 
      Das Wirkungsspektrum des Adrenalins umfasst Vasokonstriktion in Haut und Eingeweiden (über α-Rezeptoren), zunehmende Kontraktionskraft und Frequenz des Herzens (über ß1-Rezeptoren), Vasodilatation in Muskel- und Koronararterien (über ß2-Rezeptoren) - der Gesamteffekt ist eine Umleitung des gesteigerten Herzminutenvolumens in Herz- und Skelettmuskel -, Bronchodilatation (über ß2-Rezeptoren) - und damit erleichterte Ventilation und erhöhten Sauerstofftransport -, Erhöhung der Konzentration energiereicher Moleküle - Laktat, Glucose, freie Fettsäuren - im Blut (über ß2-Rezeptoren); weiters Zunahme der zentralnervösen Erregbarkeit, erhöhte Kampf- oder Fluchtbereitschaft
 
      Der Adrenalinspiegel steigt - im Vergleich zu Kontrollwerten (liegend, ungestresst) - bei verschiedenen Formen der Belastung unterschiedlich stark an: Wechsel zu stehender Position bis +50% (Noradrenalin +100%); mittelschwere körperlicher Belastung bis +100% (Noradrenalin +300%); psychische Belastung (öffentlicher Vortrag) über +100% (Noradrenalin ~50%); starke Hypoglykämie (Glucose <30 mg/dl) mehr als 20-fach (Noradrenalin 2-3-fach); hämorrhagischer Schock bis zu 25-fach (Noradrenalin mehr als 8-fach)
 
      Chronischer Stress führt zu Hypertrophie der Nebennieren
 

 




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