Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

  
Integrative Funktionen des Nervensystems, Physiologie des Verhaltens

Hirnstamm und Zwischenhirn
© H. Hinghofer-Szalkay
Herring-Körperchen: Percy T. Herring
locus coeruleus: himmelblauer Ort
Meynert-Kern: Theodor Meynert
nucleus ambiguus: ambiguus = doppelgestaltig, ungewiss, zweifelhaft
Okulomotorik: oculus = Auge, motor = Beweger (movere = bewegen)
Pallidum: globus pallidus = weiße Kugel
Putamen: putamen = Schale (putare = beschneiden)
Raphekerne: ραφή = Naht (liegen an der Naht zwischen den beiden Hirnstammhälften)
Thalamus: θάλαμος = Kammer


Der Hirnstamm hat zahlreiche lebenswichtige Aufgaben; beispielsweise aktiviert sein retikuläres System das Großhirn so, dass Bewusstsein und Aufmerksamkeit entstehen, und erzeugt Motivation oder Aversion; Reflexzentren steuern viele automatisierte motorische Abläufe, u.a. die Augenmuskulatur (Blickmotorik). Atmungsapparat, Herz, Blutgefäße und Eingeweide stehen unter der Kontrolle des Hirnstamms.

Die Medulla oblongata (verlängertes Mark) enthält Reflexzentren für Atmung und Säure-Basen-Haushalt, Blutdruckregulation, Niesen, Husten, Schlucken etc. Der nucleus tractus solitarii erhält viszerale Afferenzen von kardiovaskulären Rezeptoren, dem Respirationssystem, Geschmacksrezeptoren (Speichelsekretion) und dem gastrointestinalen System; der Schluckvorgang wird durch den nucl. ambiguus koordiniert.

Die Pons (Brücke) beinhaltet Brückenkerne und Teile der formatio reticularis; sie kommuniziert insbesondere mit dem Kleinhirn und beteiligt sich auch an der Steuerung der Harnblase.

Das Mesencephalon (Mittelhirn) steuert die Augenbewegungen und ist an der Extrapyramidalmotorik beteiligt. Die Mittelhirnhaube (tegmentum) enthält den nucl. ruber, Teile des nucl. niger (Basalganglien) und zahlreiche Hirnnervenkerne; das Mittelhirndach (tectum, Vierhügelplatte) steuert optische und akustische Reflexe und unterstützt die Zielmotorik.

Das Zwischenhirn (Diencephalon) beeinflusst Muskeltonus und Bewegungsabläufe über noradrenerge, serotoninerge, dopaminerge und cholinerge Projektionen in das Vorderhirn; zu ihm gehören Thalamus, Hypothalamus (vegetativ-endokrines Regulationszentrum), globus pallidus (Motorik), Zirbeldrüse (Biorhythmen), Raphekerne und nucl. coeruleus (Konzentration, Schlafsteuerung u.a.).

Übersicht Medulla oblongata, nucl. tractus solitarii Pons, Mesencephalon Noradrenerge, serotoninerge, dopaminerge und cholinerge Projektionen Wachheit, Aufmerksamkeit, Bewusstsein Thalamus Hypothalamus Magno- und parvozelluläre Gebiete

Praktische Aspekte        Core messages
  
Der Hirnstamm stabilisiert basale Körperfunktionen
 
Der Hirnstamm besteht aus verlängertem Mark (medulla oblongata), Brücke (pons) und Mittelhirn (mesencephalon). Er enthält den nucleus ruber (im Mittelhirn), die formatio reticularis (pontiner und medullärer Teil), sowie die Vestibulariskerne.


Abbildung: Vegetative Zentren im Hirnstamm
Nach einer Vorlage in Silverthorn, Human Physiology, an integrated approach, 4th Int'l ed. 2007, Pearson / Benjamin Cummings

Der Hirnstamm steuert das kardiovaskuläre System, die Atmung, Elemente der posturalen Motorik und der Fortbewegung, sowie zahlreiche Schutzreflexe

Der Hirnstamm enthält lebenswichtige Zentren (Atem- und Kreislaufzentrum) und steuert komplexe Reflexe mit unterschiedlichen  Aufgaben, z.B. der Erhaltung des Gleichgewichts.

Auch das Zwischenhirn (
Diencephalon, bestehend aus Thalamus, Hypo-, Sub-, Epithalamus) wird oft dem Hirnstamm zugerechnet. Dieses enthält umfangreiche Kerngebiete, die sensorische, motorische, vegetative, hormonelle, emotionale sowie stimmungs- und aufmerksamkeitssteuernde Funktionen haben.

      Zu motorischen Aufgaben des Hirnstamms s. dort.

Dazu gehört
 
      die Stabilisierung des Körpers gegen die Wirkung der Schwerkraft (posturale Motorik: Halte- und Stellreflexe)
 
      Schutzreflexe, wie Korneal-, Husten-, Nies- und Würgereflex
 
      die Modulation des Lokomotionsgenerators im Rückenmark, wie die Anpassung der Gehbewegungen an die Geschwindigkeit der Fortbewegung (Schreiten bis Laufen).
 

Medulla oblongata
 

In der medulla oblongata befinden sich Reflexzentren für Herzfunktion, Kreislauf, Atmung, sowie Neuronengruppen für die Kontrolle des Nies-, Husten-, Schluck-, Saug- und Brechreflexes untergebracht. Weiters befinden sich hier Chemorezeptoren für den Säure-Basen-Haushalt.

  Einer der zentralen Kerne der medulla oblongata ist der nucleus tractus solitarii ( Abbildungen unten). Er besteht aus einer Gruppe von Kernen, die viszerale Afferenzen aus dem N. facialis (VII), glossopharyngeus (IX) und vagus (X) über den Zustand folgender Systeme erhalten:

     von kardiovaskulären Rezeptoren (Carotissinus, Aortenbogen, Herzräume, Lungengefäße: Kreislaufreflexe)
 
     aus dem Respirationssystem (Chemorezeptoren: Atmungssteuerung)
 
     aus dem gastrointestinalen System (Mechano- und Chemorezeptoren, Beeinflussung des Nahrungsaufnahmeverhaltens)
 
     von Geschmacksrezeptoren (daher auch "Geschmackskern": SpeichelsekretionKaubewegungen, Schluckreflex).
 
     sensorische Informationen aus dem Mittelohr (plexus tympanicus)
 
 
Abbildung: Kerngebiete im Hirnstamm des Menschen
Nach Theodoroff SM, Kaltenbach JA. The Role of the Brainstem in Generating and Modulating Tinnitus. Amer J Audiol 2019; 28: 225-38

Dazu zählen die meisten Hirnnervenkerne


Efferenzen von den Solitariuskernen projizieren einerseits auf weite Teile des Gehirns, andererseits zum dorsalen motorischen Vaguskern und von hier über parasympathische Fasern in die Peripherie (Herz, Gefäße, Speicheldrüsen, Pharynx, Oesophagus, Magen-Darm-Trakt).
 
       Über Hirnnerven und ihre Funktionen s. dort
 
 
   Als Tegmentum (lat. für "Abdeckung") bezeichnet man die ventral an den inneren Liquorraum angrenzende Schicht im Bereich des Hirnstamms (dorsal liegt im Mittelhirnbereich das Tectum). Es enthält u.a. die formatio reticularis, okulomotorische Kerne, zentrales Höhlengrau, nucl. ruber und niger.

    Die formatio reticularis durchzieht den Hirnstamm (Mittelhirn bis medulla oblongata) als eine unscharf begrenzte Gruppe miteinander vernetzter Neuronenansammlungen (Kerne). Sie enthält u.a. das aszendierende aktivierende System (ARAS) und ist Ursprung des tractus reticulospinalis. Sie besteht aus einer medianen (Raphekerne), einer medialen gigantozellulären sowie einer lateral gelegenen parvozellulären Zone. Zu ihren Funktionen gehören Beiträge zur Steuerung von Bewusstsein und Schlaf, motorischer Kontrolle, Kreislaufregulation sowie endogene Schmerzmodulation.

    Im Tegmentum der medulla oblongata befindet sich der nucleus ambiguus ( Abbildung), ein viszeromotorischer Kern, der Afferenzen aus der Großhirnrinde sowie dem Spinalkern des Trigeminus (V.) erhält. Seine Efferenzen ziehen über den IX., X. und XI. Hirnnerven zu Muskeln des Rachens, Gaumens und Kehlkopfs; dadurch beeinflusst er u.a. den Schluckvorgang sowie für das Sprechen benötigte motorische Systeme.

Läsionen des nucl. ambiguus äußern sich in nasaler Sprache, Schluckstörung (
Dysphagie), Stimmstörung (Dysphonie); die Uvula ist auf die Gegenseite verzogen.


Brücke und Mittelhirn
 

  Die Brücke (pons) stellt sozusagen ein Verbindungsstück zwischen Rückenmark, Kleinhirn und Mittelhirn dar.

      Sie beinhaltet zahlreiche Nervenbahnen, Teile der formatio reticularis und Brückenkerne für die Kommunikation zwischen Groß- und Kleinhirn.

      Die Brücke ist ein wichtiges Zentrum für die Kontrolle eines Teils der Blickbewegungen - sie enthält die Abducenskerne (VI. Hirnnerv), welche Abduktionsbewegungen der Augen steuern (Blick nach lateral).

      Sie beteiligt sich an der Verwaltung vestibulärer Funktionen (z.B. Erhaltung des Gleichgewichts).

      Die Brücke enthält die obere Olive, eine zentrale Schaltstelle der Hörbahn.

      Der obere Anteil der Brücke beteiligt sich an der Steuerung der Harnblase (Kontrolle des sakralen Detrusionsreflexes).
 
  Das Mittelhirn (mesencephalon) beinhaltet ebenfalls massive Nervenstränge (crura cerebri), ist an der Extrapyramidalmotorik beteiligt und steuert die Okulomotorik (Augenmuskelkerne). Das Mittelhirn ermöglicht die Orientierung nach akustischen und optischen Hinweisen.

Tegmentum  Tectum
 

Abbildung: Hirnstamm: Kerne und Bahnen
Nach einer Vorlage in what-when-how.com

Der fascululus longitudinalis medialis verbindet die Kerne der Augenmuskeln (N. oculomotorius, trochlearias, abducens) mit den Vestibulariskernen sowie der  formatio reticularis, was der Koordination von Kopfstellung und Augenbewegungen dient.
 
Der lemniscus medialis ist Teil der somatischen Afferenzen und leitet Informationen der Oberflächensensibilität (außer Schmerz und Temperatur) und Tiefensensibilität; der nucl. gracilis bekommt Impulse von unteren, der nucl. cuneatus von oberen Rumpfabschnitten.
 
Der lemniscus lateralis ist Teil der Hörbahn, der die obere Olive mit dem nucl. cochlearis der Gegenseite verbindet.
 
Der tractus corticobulbaris leitet motorische Impulse vom cortex cerebri zu motorischen Kernen des Hirnstamms, der tractus corticospinalis weiter zu motorischen Vorderhornzellen im Rückenmark


Tegmentum
 
Der größte Anteil des Mesencephalon ist die Mittelhirnhaube (Tegmentum). Dieses enthält u.a. folgende Teile:

      Nucleus ruber und Teile des nucl. niger (Extrapyramidalmotorik)

      Hirnnervenkerne - nucl. N. oculomotorii (III), nucl. N. trochlearis (IV), nucl. accessorius N. oculomotorii (Edinger-Westphal-Kern), nucl. mesencephalicus N. trigemini (V)

      Teile der formatio reticularis (vegetative, sensorische und motorische Aufgaben)

      Fasciculus longitudinalis medialis (grün in der Abbildung; Koordination der Blickbewegungen, auch mit Rücksicht auf den Gleichgewichtssinn: Verknüpfung der vestibularis- mit den okulomotorischen Hirnnervenkernen)

      Der fasciculus longitudinalis dorsalis (Schütz'sches Bündel) ist eine lange Projektionsbahn des Hypothalamus. Er zieht vom Mamillarkörper zur medulla oblongata und verbindet den Edinger-Westphal-Kern (nucl. accessorius N. oculomotorii), die Salivatoriuskerne und den nucl. dorsalis N. vagi miteinander. Er leitet sensorische und motorische Information im vegetativen System und wirkt sich auf die meisten autonom-nervösen Funktionen des Körpers aus.

Aufsteigende Fasern leiten viszerale Afferenzen von der formatio reticularis zum Hypothalamus, absteigende Efferenzen vom Hypothalamus an präganglionäre autonome Neuronen - diese beeinflussen z.B. Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung und andere sympathische / parasympathische Aktivitäten

      Tractus tegmentalis centralis ("zentrale Haubenbahn", leitet extrapyramidalmotorische Fasern)
 

Tectum
 

Das dorsal gelegene Mittelhirndach (Tectum) wird als Vierhügelplatte bezeichnet:

      Die oberen Vierhügel (colliculi superiores) dienen visuellen Reflexen. Zusätzlich spielen sie eine Rolle für motorische Zielauswahl, insbesondere wenn sensorische Reize (visuelle, somatosensorische, auditive) diese Funktion anregen. Sie empfangen auch Impulse von Großhirnrinde (frontales und supplementäres Augenfeld, dorsolateraler Präfrontalkortex, parietale Systeme) und substantia nigra (pars reticulata).

Auf diese Weise können sie die Blickmotorik in einen umfassenden Gesamtzusammenhang integrieren. Die colliculi superiores sind eine Integrationsstelle für multisensorische, kontextuelle Information, die bei der Steuerung zielgerichteter, explorativ-orientierender Bewegungen berücksichtigt und an prämotorische Neuronen weitergeleitet wird.

      Die unteren Vierhügel (colliculi inferiores) dienen Umschaltungen und Informationsmodifikation in der Hörbahn. Sie beteiligen sich an der Lokalisation von Schallquellen, sowie an Reflexen für entsprechende Zuwendungsmotorik der Augen und des Kopfes (Orientierung hin zur Schallquelle).

Das Prätektum (area praetectalis) erhält sensorische Information aus der Netzhaut und sendet Impulse an beide Edinger-Westphal-Kerne. Es ermöglicht so den konsensuellen Pupillenreflex (symmetrische Reaktion beider Pupillen auch bei Beleuchtung nur eines Auges).

 
   Das zentrale Höhlengrau dient u.a. der Verwaltung somatischer und viszeraler Stereotypen, beeinflusst das 'fight or flight'-Verhalten, kann starke Gefühlsregungen (Panik) auslösen, und dient der opioidergen Schmerzunterdrückung.
  
Projektionen in das Vorderhirn
   
Monoaminerge (noradrenerge, serotoninerge, dopaminerge, cholinerge, histaminerge) Neurone im Hirnstamm haben elektrophysiologische Ähnlichkeiten: Sie zeigen hohe Spontanaktivität, mit jeweils einer Depolarisationsphase vor dem nächsten Aktionspotential, reguliert durch Schrittmacherschaltungen. Die Freisetzung der Monoamine erfolgt teilweise synaptisch, teilweise breitflächiger (parakrin); zahlreiche monoaminerge Neurone setzen auch Kotransmitter frei.

 Monoaminerge Projektionen üben modulierende Wirkung auf das Vorderhirn aus, wo sie kortikale und subkortikale Funktionskreise beeinflussen. Beispielsweise ist die Funktion der Basalganglien von kontinuierlicher dopaminerger Anregung (substantia nigra auf Striatum) abhängig; serotoninerge Projektionen modulieren motorische Programme; noradrenerge unterstützen die Aufmerksamkeit und stimulieren motorische Vorderhornzellen. Insgesamt erleichtert monoaminerge Anregung die motorische Aktivität und spielt für Motivation und Belohnungsmechanismen eine wichtige Rolle.
 
Noradrenerge     Serotoninerge    Dopaminerge     Cholinerge Projektionen
 
  Noradrenerges System
 
Noradrenalin ist ein im Gehirn weit verbreiteter Neurotransmitter und wirkt u.a. auf Aufmerksamkeit, Stimmung, Sexualverhalten und andere Verhaltenskomponenten. Die Aktivität noradrenerger Neurone ist im Wachzustand wesentlich höher als im Schlaf (im REM-Schlaf feuern sie so gut wie überhaupt nicht) oder in Narkose.
 

Abbildung: Noradrenerge Projektionen aus dem Hirnstamm
Nach einer Vorlage in Rang & Dale's Pharmacology, 9th ed. 2020 (Elsevier)

Ansammlungen noradrenerger Neurone / Fasern dunkelrot, Projektionsgebiete hellrot. Noradrenerge Projektionen bestehen vom locus coeruleus in das gesamte Groß- und Kleinhirn sowie in das Rückenmark.

Am = Mandelkerne, C = Kleinhirn, Hip = Hippocampus, Hyp = Hypothalamus, LC = locus coeruleus, LTA = laterales tegmentales Areal (Teil der formatio reticularis), MBF = mediales Vorderhirnbündel, NTS = nucleus tractus solitarii (sensorischer Vaguskern), Sep = Septum, Str = Striatum, Th = Thalamus


In der Brücke (pons) befindet sich auf beiden Seiten je ein aus ~12.000 Neuronen bestehender nucleus (locus) coeruleus. Diese noradrenerge Neuronengruppe wird durch neue, insbesondere bedrohliche Reize aktiviert. Das System erhöht die kortikale signal to noise ratio“.

Hauptfunktionen noradrenerger Systeme im Gehirn sind die Wirkung auf
 
      Aufmerksamkeit (Arousal) und Interesse,
 
      Lernfähigkeit und Gedächtnis,
 
      Wachheit (Schlafzyklus),
 
      Angst-, Schmerz- und Stressantworten,
 
      Ausschüttung hypophysärer Hormone wie GH, LH, Prolaktin,
 
      Stimmungsbeeinflussung (eine Unterfunktion dieses Systems steht mit depressiver Verstimmung in Zusammenhang, Überfunktion mit Schizophrenie).

Die Axone von locis-coeruleus-Neuronen - organisiert als ein aufsteigendes dorsales und ein ventrales Vorderhirnbündel sowie ein absteigendes Bündel - erreichen das gesamte ZNS (Großhirnrinde, Riechhirn, Hippokampus, Thalamus, Hypothalamus, Hirnstamm, Kleinhirn, Rückenmark). Jedes einzelne Neuron bildet bis zu 250.000 Synapsen in verschiedenen Teilen des Gehirns aus (z.B. sowohl in der Großhirn- als auch in der Kleinhirnrinde - extreme Divergenz). Diese Synapsen wirken meist inhibitorisch über ß-Rezeptoren.

 
 

Abbildung: Noradrenerge Synapse (vgl. dort)
Nach einer Vorlage bei Ganongs's Review of Medical Physiology, 24th ed. Lange Basic Science 2012

Tyrosin wird über einen Natrium-abhängigen Kotransport in das Axon geschleust. Anschließend erfolgt die enzymatische Verwandlung (hemmbar durch Metyrosin) zu Dopamin. Dopamin wird mittels Monoaminotransporters in Vesikel aufgenommen (VMAT); dieser Vorgang ist durch Reserpin blockierbar. Im Vesikel wird Dopamin zu Noradrenalin umgewandelt.
 
Aktionspotentiale öffnen Calciumkanäle; Ca++ bewirkt Vesikelfusion mit der präsynaptischen Membran, Noradrenalin wird freigesetzt (zusammen mit Peptiden (P) und ATP. Dieser Vorgang involviert SNAPs und VAMPs und kann u.a. durch Guanethidin blockiert werden.
 
Freigesetztes Noradrenalin wirkt nicht nur auf postsynaptische Adrenozeptoren, sondern auch an präsynaptischen Autorezeptoren sowie anderen Neuroeffektoren, z.B. Blutgefäßen. Auch kann Noradrenalin präsynaptisch wieder aufgenommen und wiederverwertet werden (Noradrenalintransporter, hemmbar u.a. durch Kokain oder trizyklische Antidepressiva)


  Noradrenerge Übertragung im Gehirn kann an verschiedenen Stellen pharmakologisch beeinflusst werden, z.B. durch Blockade der Wiederaufnahme von Noradrenalin an der präsynaptischen Membran. Dadurch bleibt Noradrenalin länger an der Synapse verfügbar. Solche Substanzen können eine pathologisch eingetrübte Stimmung heben (trizyklische Antidepressiva, Abbildung). Monoamin- bzw. Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRIs: Serotonin-norepinephrine reuptake inhibitors) blockieren das präsynaptische Recycling von Monoaminen und erhöhen dadurch die Verfügbarkeit dieser Neurotransmitter an den postsynaptischen Rezeptoren. Sie werden als Antidepressiva eingesetzt.

  In den synaptischen Spalt freigesetztes Noradrenalin wird entweder präsynaptisch wiederaufgenommen (reuptake) oder es diffundiert in die Umgebung, gelangt mit dem Blutkreislauf in die Peripherie und wird dort (hauptächlich in der Leber) durch MAO und COMT abgebaut.

Im Gehirn werden alle Subtypen adrenerger Rezeptoren exprimiert, allerdings an unterschiedlichen Orten, was pharmakologisch bedeutsam sein kann:
 
Rezeptortyp
Lokalisierung
Rezeptortyp Lokalisierung
α1A Großhirnrinde
Hippokampus

α2B Zwischenhirn
α1B Großhirnrinde
Hirnstamm

α2C weit verbreitet
α1D Großhirnrinde
ß1 Großhirnrinde
Hypothalamus
α2A Locus coeruleus
Hippokampus

ß2 Kleinhirn
Hippokampus
Großhirnrinde
 
  Eine schwedische Forschergruppe entdeckte in den 60er-Jahren (20. Jh) Wesen und Verschaltungsmuster der Zellen im locus coeruleus. Ein noradrenerges Transmittersystem im Gehirn war so neu und unerwartet, dass es Jahre weiterer Forschung brauchte, bis dieses von der etablierten Wissenschaft allgemein akzeptiert wurde.
   
  Serotoninerges System
 
Serotonin ist in zahlreiche autonome Funktionen involviert, wie gastrointestinale Motorik, Thermoregulation, Kreislaufregulation (Steigerung von Herzfrequenz und Blutdruck), Atmung (pCO2-sensitive serotoninerge Neuronen), Sexualverhalten, Schlaf, Schmerzempfinden (Blockade auf Hinterhornebene). Serotoninerge Neuronen finden sich (in mehreren Gruppen) in einer medianen Zone des Hirnstamms.

Die serotoninergen Raphekerne in medulla oblongata, pons und mesencephalon projizieren auf verschiedenste Hirnteile mit ähnlicher Ausdehnung wie das noradrenerge des locus coeruleus - beide beteiligen sich am Aufbau des aktivierenden retikulären Systems ( Abbildung):
 

Abbildung: Serotoninerge Projektionen aus dem Hirnstamm
Nach einer Vorlage in Rang & Dale's Pharmacology, 9th ed. 2020 (Elsevier)

Ansammlungen noradrenerger Neurone / Fasern dunkelrot, Projektionsgebiete hellrot. Serotoninerge Projektionen kommen von den Raphekernen in das gesamte Groß- und Kleinhirn sowie in das Rückenmark.

Am = Mandelkerne, C = Kleinhirn, Hip = Hippocampus, Hyp = Hypothalamus, Sep = Septum, Str = Striatum, Th = Thalamus

 
      Kaudale Zellgruppen projizieren in das Rückenmark (vor allem zu motorischen Vorderhornzellen, aber auch zu Seiten- und Hinterhorn) und zum Kleinhirn,
 

      Rostrale Zellgruppen projizieren in Großhirnrinde sowie Hypothalamus (nucleus suprachiasmaticus), ventrolaterale corpora geniculata, Hippokampus / limbisches System (Mandelkerne).

Die Raphekerne übernehmen sensory processing“, sie helfen, unwesentliche Reize zu ignorieren, und modulieren neurovegetative Stressantworten (Blutdruck). Sie regen die Lokomotion an, beeinflussen Sinnes- (auch Schmerz-) Afferenzen und haben Einfluss auf Appetit, Körpertemperatur und Stimmungslage.

Beeinträchtigung der Raphe-Region bewirkt Schlafstörungen (insbesondere im
REM-Schlaf).

 
Verschiedene Rezeptortypen (16 bekannt) sind unterschiedlich verteilt auf Groß- und Kleinhirnrinde, Thalamus, Basalganglien, Hippokampus, Hypothalamus, Rückenmark.

Serotonin wirkt postsynaptisch auf

      Typ 5-HT2A, 2C (über Gq, PLC, IP3, DAG)
 
      Typ 5-HT1A (über Gi, Hemmung von AC, cAMP)
 
      Typ 5-HT4 (über Gs, AC, cAMP)
 
      Typ 5-HT3 (über Natriumeinstrom). Dies sind pentamere Ionenkanäle, ähnlich dem nikotinischen Acetylcholinrezeptor. Ähnlich dem AMPA-Rezeptorkanal sind sie im offenen Zustand für Na+ und K+ durchgängig; das Umkehrpotential liegt bei ~0 mV.
 

Abbildung: Serotoninerger Neuron
Nach einer Vorlage bei Ganongs's Review of Medical Physiology, 24th ed. Lange Basic Science 2012

Tryptophan wird über einen Natrium-abhängigen Kotransport (Aminosäuretransporter) in das Axon geschleust und enzymatisch zu Serotonin (5-Hydroxy-Tryptamin, 5HT) umgewandelt. (Tryptophanhydroxylase im Gehirn unterscheidet sich von derjeniger in der Peripherie.) 5HT gelangt über einen Monoaminotransporter (VMAT) in Speichervesikel.
 
Öffnet ein Aktionspotential Calciumkanäle, bewirkt eingeströmtes Ca++ die Exozytose von Serotonin aus Vesikeln - 5HT gelangt in den synaptischen Spaltraum. Dort wirkt es  auf postsynaptische Serotoninrezeptoren (nicht gezeigt), diffundiert aus der Synapse, oder wird über Serotonintransporter präsynaptisch (Na+-abhängig) wieder aufgenommen (blockierbar durch Rückaufnahme-Inhibitoren).
 
In der Zelle wird Serotonin durch Monoaminooxydase (MAO) abgebaut. (Dieser Vorgang lässt sich durch MAO-Hemmer blockieren)


Serotonin scheint über 1A-Serotoninrezeptoren für die 'innere Entspannung' im Sinne der Aktivierung eines default mode network notwendig zu sein.

(Depressive) Patienten / Patientinnen mit schwach ausgeprägter 1A-Rezeptorwirkung leiden unter Unruhe und Problemen, sich zu entspannen.
(LSD beeinträchtigt die Aktivität serotoninerger Nervenzellen).


   Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs: Selective serotonin reuptake inhibitors) - z.B. Fluoxetin - hemmen gezielt die präsynaptische Wiederverwertung des Serotonins durch den Serotonin-Transporter (SERT), steigern die Serotoninkonzentration an der Synapse und wirken antidepressiv.
 
Zahlreiche halluzinogene Drogen (z.B. LSD) wirken offenbar durch Interaktion mit dem serotoninergen System.

   
  Dopaminerges System
  
Etwa eine Million Nervenzellen im Gehirn des Menschen verwenden Dopamin als Neurotransmitter. Sie sind über das ganze ZNS verstreut, kommen aber an bestimmten Stellen gehäuft vor. Dopaminerge Neuronen finden sich vor allem im ventralen tegmentalen Gebiet (einem Teil des Mittelhirns, der dopaminerg auf den präfrontalen Kortex und Teile des limbischen Systems - u.a. den nucleus accumbens - projiziert) sowie im nucleus niger des Mittelhirns (Projektion auf das Striatum).
 

Abbildung: Dopaminerge Projektionen aus Hirnstamm und Hypothalamus
Nach einer Vorlage in Rang & Dale's Pharmacology, 9th ed. 2020 (Elsevier)

Ansammlungen noradrenerger Neurone / Fasern dunkelrot, Projektionsgebiete hellrot. Dopaminerge Projektionen erfolgen vom Tegmentum, der substantia nigra und dem ventralen Hypothalamus in das limbische System, das Frontalhirn, die Basalganglien und die Hypophyse

Ac = nucleus accumbens, C = Kleinhirn, Hip = Hippocampus, Hyp = Hypothalamus, P = Hypophyse, Sep = Septum, SN = substantia nigra, Str = Striatum, VTA = ventrales tegmentales Areal


Dopaminerge Neuronen beteiligen sich an

      Bewegungskontrolle (sie erleichtern die Auslösung von Willkürbewegungen - gestört bei Mb. Parkinson),

      Psyche und Verhalten, und

      endokriner Steuerung (Hemmung der Prolaktinfreisetzung).

Dopaminerge Neurone werden von glutamatergen (exzitatorischen) und GABAergen (inhibitorischen) Axonen intensiv beeinflusst. Solche Verschaltungen können u.a. an Langzeiteffekten wie synaptischer Potenzierung oder Hemmung beteiligt sein (Neuroplastizität). Dazu zählen Belohnung, Motivation, Erinnerung (Lernen) oder auch Gewöhnung und Löschung (Vergessen).

Das Wirkungsspektrum des Dopamins ist vielfältig und z.T. widersprüchlich erscheinend. Angesichts der Tatsache, dass es ein modulatorisch (nicht direkt inhibitorisch oder exzitatorisch) wirksamer Neurotransmitter ist, der teils eher parakrin als synaptisch, und auf zahlreiche verschiedene Rezeptoren wirkt (Vertreter der D1-Gruppe steigern, solche der D2-Gruppe reduzieren die cAMP-Konzentration), ist dieser Umstand erklärlich.
  
 
Abbildung: Dopaminrezeptoren im Gehirn
Nach einer Vorlage bei Hilal-Dandan / Brunton, Goodman & Gilman's Manual of Pharmacology and Therapeutics, 2nd ed., McGraw Hill Education 2014

Das Gehirn exprimiert alle Arten von Dopaminrezeptoren ( s. dort)


Dopaminmangel wirkt sich - auch entsprechend den betroffenen Neuronengruppen - vielfältig aus: Motorische (Mb. Parkinson, Tourette-Syndrom), psychische Störungen (Depression, Schizophrenie, ADHD, Suchtverhalten) sowie solche in hormonellen Regelkreisen (Dopamin hemmt die Freisetzung von Prolaktin).

Die bedeutsamsten dopaminergen Projektionen sind:

      Mesokortikale vom ventralen Tegmentum zum Frontalhirn. Dies ist ein komplexes Belohnungssystem.

     Nigrostriatale - von der substantia nigra zum nucl. caudatus und Putamen (~75% der dopaminergen Fasern): Diese haben extrapyramidalmotorische Funktion.
 
Dopaminmangel in diesem System ruft Symptome des Mb. Parkinson hervor.

      Mesolimbische vom ventralen Tegmentum zum limbischen System, u.a. Hippocampus, Nucl. accumbens und Amydgala.

Störungen werden z.B. mit attention deficit hyperactivity disorder (ADHD) und Drogenabhängigkeit in Zusammenhang gebracht.
 
Freudige Überraschungen stimulieren die Dopaminausschüttung im Gehirn
   
      Tuberoinfundibuläre / tuberohypophysäre vom Hypothalamus zur Hypophyse: Hauptverantwortlich für die Regulation der Prolaktinausschüttung.

Weitere dopaminerge Neuronengruppen befinden sich an anderen Stellen des Gehirns und in der Netzhaut.

Die Wirkung erfolgt über verschiedene Dopaminrezeptoren (D1 bis D5) und umfasst drei Aufgabengebiete: Motorische Kontrolle, Verhaltensbeeinflussung und endokrine Steuerung. Dopaminerge Neurone spielen auch eine Rolle bei Übelkeit und Erbrechen.
 
  Dopaminantagonisten wirken antiemetisch.

Der nucleus accumbens wirkt als "Belohnungszentrum", das dopaminerg angeregt werden kann; das mediale Vorderhirnbündel verbindet beteiligte Zentren, verstärkt "belohnende" Aktivitäten und wird daher als "pleasure reward bundle" bezeichnet. Insgesamt stehen zerebrale Vorgänge wie Emotion, Kognition, Gedächtnis, Belohnung sowie motorische Aktivität unter dopaminergem Einfluss.

Dopaminerge Neurone spielen eine Rolle bei Übelkeit (Reizung von D2-Rezeptoren in der area postrema löst Erbrechen aus).

Der nucleus arcuatus (nucl. infundibularis) entsendet weiters Fasern zur eminentia mediana (tubero-infundibuläres System).
Dopamin ist der wichtigste Inhibitor der Prolaktinsekretion (prolactin inhibiting factor).
 
  Antipsychotika (Neuroleptika) wirken als selektive D2-Rezeptor-Antagonisten und werden eingesetzt, um sogenannte positive Symptome der Schizophrenie (Halluzinationen, Wahnvorstellungen) zu mildern.

Kokain und Amphetamine hemmen die Wiederaufnahme von Katecholaminen - Noradrenalin und Dopamin - in präsynaptische Neurone. Dadurch verlängern sie die Aufenthaltsdauer dieser Transmitter im synaptischen Spalt und intensivieren deren Wirkung, was anregende (exzitierende) Effekte hat (Wachheit, Alertheit) und ähnlich wirkt wie erhöhter Sympathikustonus (Herzfrequenzsteigerung, Pupillenerweiterung usw).
 
    Cholinerges System
  
Acetylcholin war der erste indentifizierte Neurotransmitter, und er findet sich in praktisch allen Teilen des menschlichen Gehirns. Cholinerge Übertragung beteiligt sich z.B. an Lern- und Gedächtnisprozessen und anderen Funktionen des limbischen Systems. Die Axone dieses modulatorischen Systems projizieren auf breite Hirngebiete und haben so einen außerordentlich starken Einfluss auf das Verhalten.


Abbildung: Cholinerge Projektionen aus Hirnstamm und Vorderhirn
Nach einer Vorlage in Rang & Dale's Pharmacology, 9th ed. 2020 (Elsevier)
Ansammlungen noradrenerger Neurone / Fasern dunkelrot, Projektionsgebiete hellrot. Cholinerge Projektionen aus Septumkernen, nucl. basalis (Meynert-Kern) und ponto- mesencephal- tegmentalem Komplex (pedunculopontinen und laterodorsalen tegmentalen Kernen)

C = Kleinhirn, Hip = Hippocampus, Hyp = Hypothalamus, PPT/LD = pedunculopontine und laterodorsale tegmentale Kerne, Sep = Septum, Str = Striatum, Th = Thalamus


Mb. Alzheimer ist durch breitflächigen Verlust cholinerger Neurone gekennzeichnet.

Cholinerge Systeme bilden ein diffuses modulierendes System, das aus mehreren Teilen besteht ( Abbildung), nämlich dem basalen Vorderhirnsystem, dem ponto-mesenzephalo-tegmentalen Komplex sowie Interneuronen im Basalgangliensystem:

        Der basale Vorderhirnkomplex innerviert

   den Hippokampus aus den
(unter dem Rostrum des Balkens gelegenen) medialen Septumkernen (septum pellucidum) - sie beeinflussen Belohnung, Lernprozesse, Kurzzeitgedächtnis

 
  den Neokortex sowie das limbische System aus dem (zwischen Mandelkern und globus pallidus gelegenen) nucleus basalis Meynert ( Abbildung). Die Fasern aus dem Meynert'schen Kern nutzen Galanin als Cotransmitter. Dieses System ist einer der bedeutendsten Acetylcholinproduzenten des Gehirns und dient u.a. der Aufmerksamkeitssteuerung.

Dieses Fasersystem degeneriert bei Personen, die an Mb. Alzheimer leiden.


       Der ponto-mesenzephalo-tegmentale Komplex des Mittelhirns und der Brücke ( Abbildung) innerviert den dorsalen Thalamus sowie motorische Vorderhornzellen im Rückenmark. Zusammen mit noradrenergen und serotoninergen Bahnen aktiviert dieses System sensorische Relaiskerne und Teile des Vorderhirns.

  
    Kurze cholinerge Verbindungen (Interneurone) im Striatum dienen der motorischen Kontrolle, solche im nucl. accumbens dem zerebralen Belohnungssystem.
 

Abbildung: Cholinerge Synapse
Nach einer Vorlage bei Ganongs's Review of Medical Physiology, 24th ed. Lange Basic Science 2012

Cholin wird über einen Natrium-abhängigen Cholintransporter in das Axon befördert (blockierbar durch Hemicholinium). Acetylcholin wird mittels der zytoplasmatischen Cholin-Acetyltransferase aus Cholin und Essigsäure gebildet. Dann erfolgt die Einlagerung in Speichervesikel mittels vesikel-assoziierten Transporters (VAT), zusammen mit Peptiden (P) und ATP. (Dieser Schritt ist durch Vesamicol blockierbar.)
 
Erregung des präsynaptischen Axons öffnet spannungssensitive Calciumkanäle, eingeströmtes Ca++ bewirkt Vesikelfusion und Freigabe von Acetylcholin und seinen Ko-Transmittern in den synaptischen Spalt. Dieser Vorgang involviert SNAPs und VAMPs und kann (in der Peripherie) durch Botulinumtoxin blockiert werden. Die Aktivierung präsynaptischer Auto- und Heterorezeptoren modifiziert die Freisetzung der Transmitter.
 
Über Acetylcholinrezeptoren s. dort.
 
Damit sich die postsynaptische Membran rasch erholen (repolarisieren) kann, muss das freigesetzte Acetylcholin rasch aus dem synaptischen Extrazellulärraum entfernt werden. Neben der präsynaptischen Wiederaufnahme sowie Abdiffusion in die Umgebung dient dazu die Aktivität von Acetylcholinesterase


   Cholinerge Projektionen in den Hypothalamus beeinflussen die Freisetzung von GnRH, ACTH, TSH und GH, sowie Oxytozin und Vasopressin.
 
   Das cholinerge System scheint weiters in die Kontrolle der Aufmerksamkeit und in die Schlaf-Wach-Steuerung involviert zu sein.

Cholinerge Neurone sind im Rahmen einiger neurodegenerativer Erkrankungen (Demenz, Mb. Parkinson) betroffen.

Cholinerg sind folgende Neuronen:

   Projektionen aus dem basalen Vorderhirnkomplex und dem ponto-mesenzephalo-tegmentalen Komplex des Hirnstamms (s. oben)
 
   Interneurone im Striatum, die durch nigro-striatale dopaminerge Neuronen gehemmt werden (deren Degeneration enthemmt die cholinergen Interneurone, was bei Mb. Parkisnon der Fall ist)
 
   Alle Motoneurone zu quergestreifter Muskulatur
 
   Präganglionäre autonome Nervenfasern (nikotinerg)
 
   Postganglionäre parasympathische Neurone (muskarinerg)
 
   Postganglionär-sympathische Fasern zu Schweißdrüsen
 
   Zahlreiche Neurone im Darmnervensystem
  

Aufmerksamkeit und aktivierendes retikuläres System
 
Zu Aufmerkasmkeit und Bewusstsein s. auch dort

Wachheit / Erregung (arousal) und Aufmerksamkeit (attention / vigilance) treten nur auf, wenn das Großhirn vom sogenannten aktivierenden (aszendierenden) retikulären System (ARAS) stimuliert wird. Dieses reicht vom Hirnstamm über den Thalamus bis zur Großhirnrinde ( Abbildung). Reduziert es seine Tätigkeit, tritt ein Zustand von Schlaf, Bewusstlosigkeit oder Koma auf. Bewusstsein erfordert Aktivität der zerebralen Hemisphären im Wachzustand.
 

Abbildung: Aszendierendes retikuläres aktivierendes System (ARAS)
Nach Morin CM, Drake CL, Harvey AG, Krystal AD, Manber R, Riemann D, Spiegelhalder K. Insomnia disorder. Nat Rev Dis Primers. 2015; 1: 15026

Das blau gezeigte aufsteigende Anregungssystem beinhaltet noradrenerge Fasern aus dem locus coeruleus, serotoninerge aus den Raphekernen, histaminerge aus dem tuberomamillären Kern, dopaminerge aus dem ventralen Tegmentum und zentralen Höhlengrau. Dieses System erhält auch Zuflüsse aus dem lateralen Hypothalamus (Orexin, MCH) und aus dem basalen Vorderhirn (Acetylcholin, GABA).
 
Ein zweites anregendes System (rot) projiziert cholinerg-anregend aus dem pedunculopontinen Kern (Brücke) und laterodorsalen Tegmentum (Mittelhirn) auf Ralaisneurone im Thalamus, was ebenfalls den Kortex aktiviert

Das ARAS - auch als extrathalamisches (modulatorisches) Kontrollsystem bezeichnet - besteht aus mehreren miteinander verbundenen Anteilen. In seinem Zentrum steht die
 
       Formatio reticularis. Weitere Komponenten sind
   
       Mittelhirn / Tectum: Die oberen Vierhügel haben eine zentrale Funktion bei der Nachjustierung der Aufmerksamkeit, in deren Rahmen z.B. sakkadische Blickeinstellungen erfolgen
   
       Dorsaler Hypothalamus, dieser verwaltet neurohumorale und einige motorische Begleitreaktionen
 
       Thalamuskerne. An der Aufrechterhaltung von Wachheit sind außer intralaminaren (zentromedianen) auch retikuläre und mediodorsale Thalamuskerne beteiligt, an gerichteter Aufmerksamkeit (Vigilanz, Konzentration) Pulvinar und lateraler Kniehöcker. Der Thalamus kanalisiert sensorische Information (gating) und lenkt so die Aufmerksamkeit auf jeweils prioritäre Information.
 
Im Zentrum des Systems stehen aufsteigende Bahnen aus dem mesenzephalen Tegmentum (diese entspringen in parabrachialen / pedunculopontinen Kernen und sind glutamaterg) sowie dem basalen Vorderhirn (cholinerg und GABAerg). Dazu kommen dopaminerge Neurone aus ventralem Tegmentum und zentralen Höhlengrau, weiters glutamaterge und GABAerge aus dem nucl. supramamillaris. Diese Systeme sind zur Erhaltung des Wachzustandes beim Menschen notwendig; ihr Ausfall führt zu komatösen Zuständen.

Serotoninerge (Raphekerne), noradrenerge (locus coeruleus), histaminerge (nucl. tuberomamillaris), orexinerge (lateraler Hypothalamus) Bahnen spielen eine weniger ausgeprägte Rolle in der Funktion des ARAS. Sie unterstützen die Funktion des "Hauptsystems", sind dafür aber nicht essentiell - Abnahme oder Ausfall ihrer Aktivität wirkt sich auf das "Arousal" nur geringgradig aus.
 
Läsionen orexigener Neurone im lateralen Hypothalamus führen zu Narkolepsie.

   Die Neurone ziehen durch Hypothalamus und basales Vorderhirn und projizieren direkt auf die Großhirnrinde, deren Aktivität sie anregen. Modulierende Axone ziehen auch zum Thalamus und fördern das "Durchschalten" sensorischer Impulse zum Kortex.

Der neuronale Schaltplan des ARAS beinhaltet hemmende Elemente, sodass sich im aktiven ARAS oszillierende Exzitationen ergeben, die sich im EEG als Rhythmen darstellen ( s. auch Schlafstadien). Auf diese Weise wird die Aktivität auf bestimmte Inhalte gebündelt, ohne dass es zu ungehemmter Ausbreitung von Exzitationen im Gehirn kommt - immerhin sind wahrscheinlich mehr als 10% der Nervenzellen im ARAS elektrisch gekoppelt (mittels gap junctions).
 
Aufmerksamkeit

Aufmerksamkeit kann das Antwortverhalten einzelner Neurone verändern, z.B. kann das maximale Ansprechverhalten auf adäquate Reizmuster im rezeptiven Feld zu- oder abnehmen, das Ansprechverhalten sich um den optimalen Reiz herum verschärfen (fokussieren), oder auch verändern (verlagern).

Man unterscheidet zwei Formen der Aufmerksamkeit, die meist interagieren:
    Exogene Aufmerksamkeit (bottom-up oder reflexive oder exogenously controlled attention): Ein äußerer Stimulus triggert sie ohne kognitive Anstrengung. Diese Form der Aufmerksamkeit wird offenbar über das untere Parietalhirn (lobus parietalis inferior) vermittelt (der sulcus intraparietalis trennt den oberen vom unteren Parietallappen). Sie erreicht ihr Maximum innerhalb einer Zehntelsekunde nach Reizbeginn und flacht rasch wieder ab, falls dem Reiz keine weitere Bedeutung zukommt.
   Im Gegensatz dazu unterstützt endogene ("willentliche") Aufmerksamkeit (top-down oder voluntary oder consciously controlled attention) die bewußte Suche nach einem Zielobjekt oder die Konzentration auf ein bestimmtes Verhalten. Diese Art der Aufmerksamkeit wird vermutlich vor allem über das obere Parietalhirn (lobus parietalis superior) vermittelt. Endogene Aufmerksamkeit ist unter der Kontrolle des Bewußtseins, und es dauert etwa 0,3 Sekunden (dreimal so lang wie bei der exogenen Aufmerksamkeit), bis ihr Maximum erreicht ist; sie bleibt im Allgemeinen auch länger bestehen.

Der Bereich des sulcus intraparietalis (er trennt den lobus parietalis superior vom lobus parietalis inferior) scheint an der Selektion von Prioritäten wesentlich beteiligt zu sein. An der Selektion zwischen mehreren Möglichkeiten der Antwort auf Inhalte, welche die Aufmerksamkeit erregen, nehmen weiters der vordere gyrus cinguli sowie der supplementär-motorische Kortex teil.


Das thalamokortikale System ist Teil einer rückläufigen Aktivierungsschaltung und bringt Pyramidenzellen der Hirnrinde zu höherer Aktivität (starke Stimuli können "aufwecken" - oder im Wachzustand die Aufmerksamkeit auf die betreffende Reizquelle bündeln).

Gesteigerte Aufmerksamkeit hat mehrere Wirkungen - unter anderem steigt (unabhängig von der auslösenden Sinnesmodalität) die visuelle Empfindlichkeit (pulvinar thalami) und sinken die Reaktionszeiten. Die zielgerichtete Leistungsfähigkeit des Gehirns nimmt also zu. Cholinerge und adrenerge Anteile sind die wichtigsten Anteile in diesem System; beide sind im Wachzustand aktiv (die cholinergen auch im REM-Schlaf, die adrenergen auch im non-REM-Schlaf). NO (an Dendriten) scheint eine Rolle als Transmitter im ARAS zu spielen.

Da man die Aufmerksamkeit auf Dinge richtet, die man gleichzeitig mit den Augen fixiert (Projektion auf die fovea centralis), besteht eine enge Verbindung mit der Steuerung der Blickmotorik (frontales Augenfeld, Augenmuskelkerne). Zielgerichtete Augenbewegungen gehen insbesondere von den oberen Vierhügeln (colliculi superiores) des Mittelhirndachs aus. Veränderungen der Aufmerksamkeit gehen hingegen vom pulvinar thalami aus.

Die "oberste Kontrolle" über die Aufmerksamkeitssteuerung hat die Großhirnrinde - insbesondere der sulcus intraparietalis, das temporoparietale Übergangsgebiet, und das frontale Augenfeld. Die verschiedenen kortikalen Gebiete kooperieren bei der Steuerung der Aufmerksamkeit.

 
Zwischenhirn
 
Zum Zwischenhirn (Diencephalon) - wesentliche Teile davon dienen der Steuerung von Muskeltonus und Bewegungsabläufen (motorische Kontrolle) - gehören
 

Abbildung: Bereich des Zwischenhirns

Zum Zwischenhirn gehört der Thalamus, der u.a. fast alle afferenten (Sinnes-)Meldungen bearbeitet und wichtige motorische Funktionen hat, und der Hypothalamus, das vegetativ-endokrine Regulationszentrum


      Thalamus und Subthalamus

      Pallidum (globus pallidus )

      Hypothalamus

      Epithalamus (=Zirbeldrüse, Kommissuralsystem, habenulae, area praetectalis)

      Raphekerne , nucl. coeruleus
 
Thalamus
 

Der Thalamus dient als Schaltstelle für fast alle sensorischen Informationen (Ausnahme: Geruchssinn) sowie für den Großteil der aus dem Kortex kommenden motorischen Signale. Hier werden durchlaufende Impulse bewertet, angeglichen, neu gewichtet und modifiziert weitergeleitet. Dabei wird ein hohes Maß an Spezifität bewahrt (Sinnesmodalität, motorisches Ziel). Als Relaiszentrum verknüpft der Thalamus Informationsflüsse und kann diese abschwächen, verstärken und/oder umorganisieren.

Der Thalamus (linker und rechter Thalamus sind manchmal über die massa intermedia miteinander verbunden) liegt im posterioren Bereich des
Zwischenhirns und macht ~80% dessen Masse aus (knapp 20% entfallen auf den Hypothalamus). Er besteht aus etwa 50 Kernen (spezifische in der ventrolateralen Kerngruppe, sowie unspezifische), die mit allen Teilen der Großhirnrinde reziprok (bidirektional) verbunden sind. Man teilt sie in verschiedener Weise in Gruppen ein, z.B. in
 
     anteriore (Lernen, Gedächtnis)
 
     mediale (kortikale Anregung, kognitives Lernen)
 
     laterale (sensorische und motorische Aufgaben, Interpretation)
 
     posteriore Kerne (auditive und visuelle Funktionen, Sprachkontrolle, Integration)
 
Diese sind durch Schichten der lamina medullaris interna thalami voneinander abgegrenzt (diese enthält kleine Neuronengruppen, die als intralaminare Kerne bezeichnet werden; sie dienen kortikaler Aktivierung und sensomotorischer Integration.

Funktionen: Thalamuskerne haben koordinative und 'Relaisfunktion' (betreffende Neuronen arbeiten sensorische Information
modalitätsspezifisch auf) - nur der Mittelteil der medialen Gruppe und die intralaminären Kerne wirken als 'diffuse Projektionskerne'. Durch Verbindungen mit Frontalhirn und Hippokampus beteiligt sich der Thalamus wahrscheinlich auch an der Kognition (z.B. Gedächtnis).

Oszillationen: Spontanaktive Zellen (Schaltneuronen) im Thalamus verfügen über HCN2-Ionenkanäle und üben über diese Schrittmacherfunktion aus (Spontandepolarisierung). Die graue Substanz des Thalamus ist durch vertikale Schichten weißer Substanz (laminae) aus Nervenfasern untergliedert, welche die Kerne untereinander sowie den Thalamus mit der Großhirnrinde verbinden (
thalamokortikale, kortikothalamische, thalamothalamische Projektionen).

Der Thalamus hat vier grundsätzliche Funktionsbereiche:

     sensorisch - alle Sinnesinformation (außer dem Riechsinn) wird über den Thalamus an die Großhirnrinde übermittelt

     motorisch - Basalganglien und Kleinhirn senden motorische Impulsmuster über den Thalamus an die Großhirnrinde

     autonom-nervös (vegetativ) - der Thalamus beteiligt sich an Aufmerksamkeitssteuerung und Bewusstseinsbildung

     Emotion und Gedächtnis - der Thalamus ist Teil des Papez-Kreises und kontrolliert zum gyrus cinguli projizierte emotionale und Gedächtnisinformationen
 

Abbildung: Thalamuskerne, ihre Eingänge und Projektionen
Modifiziert nach einer Vorlage bei austincc.edu

Projektionen farbcodiert


Man unterscheidet sensorische, sensomotorische, Assoziations-, viszerosensible und unspezifische Thalamuskerne:

     Unspezifisch / viszerosensibel sind intralaminäre und zentromediane Kerne. Sie erhalten Afferenzen aus der retikulären Formation des Mittelhirns und aus dem Vorderseitenstrang, und projizieren in die gesamte Großhirnrinde.

     Spezifisch sensorisch sind die Kniehöcker (corpora geniculata) für Sehen und Hören sowie die ventrobasalen Kerne für die somatische Sensibilität. Diese Kerne sind entwicklungsgeschichtlich jünger (Entwicklung mit Neokortex), arbeiten modalitätsspezifisch und sind räumlich geordnet.

     Sensomotorisch: Nucleus ventralis anterior (verlangsamt Willkürbewegungen) und lateralis (beschleunigt Willkürbewegungen).

     Zu den Assoziationskernen gehören das Pulvinar und der Nucl. lateralis posterior (parieto-okzipito-temporale Verbindungen) sowie die mit dem gyrus cinguli verbundenen Nucll. anterior und lateralis dorsalis.


Funktionen, Ein- und Ausgangsverbindungen der Thalamuskerne

Anterior

    Die Funktionen des anterioren Thalamus sind nicht eindeutig klar, er dürfte sich um Aspekte von Lernen, Gedächtnis und Emotion kümmern.

  Eingang: Hypothalamus (Mamillarkörper - Bahn: tractus mamillothalamicus), Hippopkampus
  Ausgang: Vorderes limbisches Gebiet - Gyrus cinguli, gyrus parahippocampalis
     
Intralaminar

    Intralaminare Kerne beteiligen sich an kortikaler Aktivierung und sensomotorischer Integration

  Eingang: Tractus spinothalamicus, formatio reticularis, Kleinhirnkerne, Pallidum 
  Ausgang: Striatum, Frontal- und Parietallappen
  
Mediale Gruppe

    Der Mittelteil der medialen Gruppe reguliert die Erregbarkeit des Vorderhirns

  Eingang: Formatio reticularis, Hypothalamus 
  Ausgang: Cortex cerebri inkl. Gyrus cinguli, Amygdala

    Der Mediodorsalkern ist befasst mit Emotionen, kognitivem Lernen, Gedächtnis und Beurteilung

  Eingang: Präfrontalkortex, Amygdala, Hypothalamus, Riechhirn 
  Ausgang: Präfrontalkortex, limbisches System (Gyrus cinguli), Nucleus basalis (s. weiter oben)
      
Laterale Gruppe

    Nucleus ventralis anterior: Beteiligung an der Bewegungsplanung

  Eingang: Basalganglien 
  Ausgang: Prä- und supplementär-motorischer Kortex, Gyrus cinguli

    Nucleus ventralis lateralis: Bewegungsplanung und -kontrolle

  Eingang: Kleinhirn (kontralateraler nucl. dentatus), Basalganglien (Pallidum und nucl. niger, ipsilateral), tractus spinothalamicus 
  Ausgang: Prä- und primärmotorischer Kortex

    Nucleus ventralis posterior: Somatosensorik

  Eingang: Rückenmark (nucleus gracilis und cuneatus), Hirnstamm (lemniscus medialis
  Ausgang: Parietaler Kortex (primär somatosensorisch)

    Nucleus lateralis dorsalis: Gedächtnis und Interpretation visueller Reize

  Eingang: Hippocampus, colliculi superiores 
  Ausgang: Gyrus cinguli, visueller Assoziationskortex

    Nucleus lateralis posterior: Sensorische Interpretation

  Eingang: Obere Vierhügel (colliculi superiores), Prätectum, Okzipitallappen 
  Ausgang: Assoziationskortex (okzipital, parietal, temporal)
        
Posteriore Gruppe
 
    Pulvinar: Sensorische Integration, Augenbewegungskontrolle, Sprachkontrolle, Wechsel der Aufmerksamkeit auf die Gegenseite

  Eingang: Obere Vierhügel, Prätectum, Okzipitallappen 
  Ausgang: Parieto-temporo-okzipitaler Assoziationskortex, Gyrus cinguli

    Corpus geniculatum laterale: Verarbeitung visueller Information

  Eingang: Netzhaut 
  Ausgang: Primäre Sehrinde 

    Corpus geniculatum mediale: Verarbeitung auditiver Information

  Eingang: Untere Vierhügel (colliculi inferiores) 
  Ausgang: Primäre Hörrinde
 

Hypothalamus
 
Der Hypothalamus ist die Zentralstelle für die Erhaltung physiologischer Gleichgewichte (neuro-humorale Homöostase, Integration verschiedener Regelsysteme, z.B. Körpertemperatur, Nahrungs- und Flüssigkeitsbilanz, Hormonstatus, metabolischer Status, Exekution emotionaler Antworten, Verhaltenssteuerung, zirkadiane Rhythmen). Er kann als Teil des limbischen Systems gesehen werden. Der Hypothalamus erhält Information über innere und äußere Reize und hat Zugriff auf die Hypophyse, vegetative Zentren, sowie motorische Neuronengruppen des Hirnstamms.

  vgl. auch dort
 
Üblicherweise teilt man den Hypothalamus in drei rostrokaudal angeordnete Regionen ein:

    Der präoptische Hypothalamus liegt über dem chiasma opticum und enthält Neurone zur Steuerung von Durst, Wasserbilanz, Temperatur, Schlaf, Sexualverhalten und zirkadiane Rhythmen. Der (anterior gelegene) mediane nucleus praeopticus (median preoptic nucleus MnPO) hat eine herausragende Bedeutung als Zentrum für die Regulation der Körpertemperatur und des Flüssigkeitshaushaltes (Einfluss auf Hitze- und Kälteschutzverhalten sowie Trinkverhalten) und beeinflusst das Schlafverhalten. Seine Efferenzen ziehen zu hypothalamischen Nachbarkernen, in tiefere Hirnstammbereiche und von hier zu autonomen (mediolateralen) Rückenmarkszonen, um Durchblutung, Schweißsekretion und Piloerektion zu beeinflussen;

    der tuberale Hypothalamus liegt über der Hypophyse und kontrolliert deren hormonelle Steuerung (Liberine, Statine), das autonome Nervensystem, Aggression, Hunger und Sexualverhalten;

    der posteriore Hypothalamus enthält die posterioren und mamillären Kerne sowie histaminerge Neuronen im nucl. tuberomamillaris (seine Aktivität weckt die Aufmerksamkeit).
 
 
Abbildung: Kerne des medialen Hypothalamus (Rechteck) und Projektionen
Modifiziert nach einer Vorlage in Clark / Boutros: The Brain and Behavior, Blackwell Science 1999

Oben: Supraoptische Region. Die Freisetzung der Hinterlappenhormone aus den nucll. supraopticus und paraventricularis hängt nicht nur von Faktoren wie Blutvolumen und Osmolalität ab, sondern kann auch durch Stressfaktoren wie Schmerz oder Angst gesteigert sein.
  
Der nucl. supraopticus verwaltet lichtabhängig zirkadiane Rhythmen.
   
Mitte: Tuberale Region. Diese Mamiolläre Region. steuert die Hypophyse und ist mit dem limbischen System verbunden.
 
Unten: Mamilläre Region. Dieser Teil ist in den Papez-Kreis eingebunden

Der mediale Hypothalamus ( Abbildung) wird auch unterteilt in

    die supraoptische Region direkt über der Sehnervenkreuzung hinter der präoptischen Region (diese enthält die präoptischen Kerne - medial den sexually dimorphic nucleus SDN).

Die supraoptische Region beinhaltet die Kerne, welche die Hinterlappenhormone Oxytozin und Vasopressin produzieren (magnozelluläre Neurone im nucl. supraopticus und paraventricularis) und die u.a. auf Stressfaktoren reagieren. Der nucl. suprachiasmaticus empfängt retinale Inputs.
 
  
    Die tuberale Region (s. oben) - der nucl. arcuatus ist in die Kontrolle des Körpergewichts involviert und produziert auch ß-Endorphin.

Der nucl. dorsomedialis vermittelt aggressives Verhalten, der nucl. ventromedialis erhält Impulse vom Mandelkern und projiziert auf den Meynert'schen Basalkern; auch er reguliert Nahrungsaufnahme und Körpergewicht. Der mediale Hypothalamus wirkt als
Sattheitszentrum
 
  
    Die mamilläre Region erhält vor allem Impulse aus dem Hippokampus; ihre Funktion ist mit Emotionen und Gedächtnisbildung verknüpft. Projektionen in den vorderen Thalamuskern sind Teil limbischer Rückkopplung.
  
Seitlich vom medialen Hypothalamus liegt der laterale Hypothalamus; diese Zone gilt als Hungerzentrum.
  
Der laterale Hypothalamus ist intensiv mit dem nucleus accumbens und dem ventralen Tegmentum verschaltet, und ist vor allem in Vorgänge im Zusammenhang mit Aufmerksamkeit und Belohnung involviert.
 

Abbildung: Kerne und Verbindungen des Hypothalamus ( s. auch dort)
Nach einer Vorlage bei clinicalgate.com

Blutversorgung der Hypophyse: Über den Pfortaderkreislauf der oberen Hypophysenarterie gelangen hypothalamische Liberine / Statine von der eminentia mediana zum Vorderlappen, und Vorderlappenhormone über den weiteren Venenverlauf - und über das Versorgungsgebiet der unteren Hypophysenarterie aus dem Hinterlappen Oxytozin und Vasopressin - in den systemischen Kreislauf.

Anteriore Kerngruppe grün, mittlere rosa, posteriore grau, nucl.lateralis blau unterlegt


Der Hypothalamus hat zentrale Bedeutung für
 
   vegetative Anpassungsreaktionen (Aufrechterhaltung der Homöostase: Kreislauf, Atmung, Körpertemperatur, Metabolismus / Nahrungsaufnahme, Flüssigkeitsvolumen und Osmolalität / Flüssigkeitsaufnahme und Nierenfunktion, vegetative Begleitung von Angriffs- oder Fluchtverhalten - Substratversorgung! -, Immunabwehr, Schlaf-Wach-Rhythmus etc) und
 
   die entsprechende Abstimmung mit der Verhaltenssteuerung, wie
 
     Essen: Nutritives (die Nahrungsaufnahme betreffendes) Verhalten und parasympathische Aktivierung des Verdauungssystems (trophotrope, d.h. auf die Ernährung gerichtete Reaktionslage). Multiple periphere und zentrale Signale - neuronale wie humorale - werden in die Steuerung der Energie-Homöostase einbezogen. Ziel ist die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Nahrungsaufnahme und Energiekonsumption (und die Erhaltung eines optimalen Körpergewichts).

Periphere Faktoren, die den Energiestatus längerfristig (über die Zeit gemittelt) anzeigen, sind ( Abbildung) Leptin und Adiponektin aus dem Fettgewebe und Insulin aus der Bauchspeicheldrüse. Ghrelin aus dem Magen liefert ein akutes Hungersignal, und zu den Sättigungssignalen (kurzfristige Speicheranzeige) gehören das Peptid YY (PYY3-36), pankreatisches Polypeptid, Amylin und Oxyntomodulin (OXM). Die Inkretinhormone Glukagonähnliches Peptid (GLP-1) und Glukoseabhängiges insulinotropes Peptid (GIP) verstärken die Reaktion der Langerhans-Inseln im Pankreas auf nutritive Reize.
 

Abbildung: Der Hypothalamus integriert Signale zur Steuerung des Energiehaushalts
Nach Cooke D, Bloom S, The obesity pipeline: current strategies in the development of anti-obesity drug. Nature Rev Drug Discov 2006; 5: 919-31

Hypothalamische Neuronen verfügen über zahlreiche Rezeptorarten für Signalstoffe, die für den Energiemetabolismus bedeutsam sind, wie  Ghrelin, Leptin, Insulin, Melanocortin (MC), GLP und NPY


Zusätzliche Signale kommen von Rezeptoren im Magen (Dehnung) und oberen Dünndarm (Nährstoffe) und werden über vagale und auch sympathische Afferenzen an den nucleus tractus solitarii weitergeleitet.

Der nucleus arcuatus fasst all diese Signale zusammen. So wird das Wechselspiel von appetitfördernden und -hemmenden Neuronen (orexigen, anorexigen) gesteuert.
 
     Mehr über die Steuerung von Hunger und Sattheit s. dort
 
     Trinken: Wasseraufnahme in Reaktion auf Durstempfinden. Das Trinkverhalten ist wesentlich von der osmotischen Konzentration der Körperflüssigkeiten bestimmt, insbesondere im Hypothalamus (Osmorezeptoren im Gebiet des nucleus supraopticus).
 
     Wärmehaushalt und Temperaturregulation - dazu gehören Einflüsse auf Energieutilisation, Wärmeproduktion im Muskel, Hautdurchblutung, Sudomotorik (Schweißbildung) genauso wie entsprechendes Verhalten (z.B. Aufsuchen eines wärmeren oder kühleren Ortes)
 
     Abwehr- und Aggressionsverhalten im Zusammenspiel mit dem limbischen System; hier überwiegt die Aktivität des Sympathikus (ergotrope, d.h. auf die Entfaltung von Muskelkraft gerichtete Reaktionslage), Hormonausschüttung aus der Nebenniere eingeschlossen
 
     Reproduktives Verhalten, das der Fortpflanzung dient: Verarbeitung sexueller Signale (Formen, Stimme, Bewegungsmuster, Pheromone, Pupillenweite, Berührung), Koordination hormonell-vegetativer Reaktionen
 
     Beteiligung an der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus  s. dort.
 
Diese Verhaltensmuster bedingen ein enges Zusammenspiel zwischen

      autonomem (=vegetativem) Nervensystem - z.B. Koordination von Reflexen,
 
      limbischem System (Hippokampus, Amygdala, Septumkerne usw) - Kontrolle von Gefühlen und Verhaltensabläufen,
 
      motorischen und sensorischen Systemen.
   
Hypothalamus
Nucleus
Funktion / Stimulationseffekt
Effekt einer Läsion
suprachiasmaticus
Einstellen der zirkadianen Rhythmik
Wegfall der zirkadianen Periodik
supraopticus / paraventricularis
Anstieg von Blutvolumen, Blutdruck, Metabolismus
Diabetes insipidus
lateralis
Erhöhte Nahrungsaufnahme
Appetitlosigkeit
ventromedialis
Erniedrigte Nahrungsaufnahme
Hungerzustände
dorsomedialis
sham rage
Abnahme des Aggressionspegels
corpus mamillare
-
Übergang Kurz- zu Langzeitgedächtnis defekt
 
Von hypothalamischen Nervenzellen freigesetzte Signalstoffe
 

     wirken zum Teil als synaptische Transmitter auf andere Nervenzellen,
 
     teils werden sie über neuronalen Transport in den Hypophysenhinterlappen befördert (etwa 105 Neurone mit Zellkörpern in den nucl. supraopticus und paraventricularis), aus dem sie bei Erregung der Neurone freigesetzt werden,
 
     teils (in der eminentia mediana) in das Blut des hypothalamisch-hypophysären Pfortadersystems freigesetzt und wirken auf den Vorderlappen ein (Releasing- und Inhibiting-Faktoren = Liberine und Statine).
   

Abbildung: Fasersysteme des zentralen autonomen Systems
Nach einer Vorlage bei opentextbc.ca

Der Hypothalamus kontrolliert die meisten autonomen (vegetativen) Funktionen. Er erhält Impulse aus dem Großhirn und projiziert auf Hirnstamm und Rückenmark. So steuert er sympathische und parasympathische Aktivität. Die wichtigsten Verbindungsbahnen sind das mediale Vorderhirnbündel und der fasciculus longitudinalis dorsalis.
 
Das mediale Vorderhirnbündel (fasciculus medialis telencephali, medial forebrain bundle) ist Teil eines Belohnungssystems
(zu diesem gehört der nucl. accumbens), das auf die Brodmann-Areale 8 bis 11 projiziert und sowohl auf- als auch absteigende Bahnen enthält.
 
Das hintere Längsbündel (fasciculus longitudinalis dorsalis, Schütz'sches Bündel) zieht vom Hypothalamus (corpora mamillaria) zur medulla oblongata und verbindet parasympathische Hirnnervenkerne (Edinger-Westphal, nucll. salivatorii, nucl. dorsalis N. vagi). Es enthält ebenfalls sowohl auf- als auch absteigende Fasern und beteiligt sich an den meisten autonom-nervösen Regulationsvorgängen


Der Hypothalamus ist ein Bindeglied bei der neuro-humoralen Koordination. Er erhält Impulse von

  
    übergeordneten Gebieten (Großhirnrinde, limbisches System, Thalamus)
 
       Afferenzen aus der Peripherie
 
       Rezeptoren im Hypothalamus selbst (diese messen Hormonspiegel, Metaboliten wie Glukose und Fettsäuren, Osmolalität, Temperatur). Rezeptoren erlauben Gegensteuerung im Sinne einer negativen Rückkopplung, z.T. neuronal, z.T. durch Liberine und Statine.

    Wärmerezeptoren veranlassen bei Erhöhung der Bluttemperatur über einen Schwellenwert (z.B. 37,0°C) vermehrte Wärmeabgabe des Körpers über die Haut
 
     Osmorezeptoren messen die Osmolalität des Blutes und regen bei Erhöhung Durstempfinden und Vasopressinfreisetzung an, hemmen bei Erniedrigung das Vasopressinsystem und fördern die Aldosteronbildung
 
     Hormonrezeptoren sprechen auf die Konzentration von T3/T4, Cortisol, Östradiol und Progesteron, Testosteron und Dihydrotestosteron an und korrigieren dementsprechend die Freisetzung von Liberinen und Statinen.
 
Magno- und parvozelluläre Gebiete
  
Der Hypothalamus trägt intensiv zur Steuerung des autonomen Nervensystems (lateraler Hypothalamus) und neurosekretorischer Zellen (medialer Hypothalamus) bei.


Abbildung: Magno- und parvozelluläre Neurone im Hypothalamus
Nach Koshimitsu T et al, Vasopressin V1a and V1b Receptors: From Molecules to Physiological Systems, Physiol Rev 2012; 92: 1814-64

Herring-Körperchen speichern Vasopressin. In der eminentia mediana freigesetztes Vasopressin wird auch über die Pfortadergefäße in den Vorderlappen transportiert
 
    PVN, nucl. paraventricularis    SON, nucl. supraopticus


Neurosekretorische Zellen gruppiert man in ( Abbildung)

         Großzellige (magnozelluläre) Gebiete im vorderen Hypothalamus: Hierzu gehören der nucl. supraopticus und Teile des nucl. paraventricularis. Diese Zellen bilden Vasopressin und Oxytozin, die über axonalen Transport in den Hypophysenhinterlappen gelangen und dort bis zu ihrer Sekretion gespeichert werden.

Im Bereich der eminentia mediana wandert Vasopressin nicht nur über Neuriten zum Hinterlappen (und wird in Herring-Körperchen zwischengespeichert, bis es durch Aktionspotenziale getriggert in Hinterlappengefäße angegeben wird), sondern es wird auch von Pfortadergefäßen aufgenommen und in der Vorderlappen gespült, wo es über V1-Rezeptoren die Freisetzung von ACTH anregt. Dadurch wirkt es synergistisch mit CRH und fördert die Freisetzung von Glucocorticoiden;
 
   
    Kleinzellige (parvozelluläre) Gebiete im medialen Hypothalamus: Hier werden Hormone gebildet, die anschließend über den Pfortaderkreislauf in den Hypophysenvorderlappen gelangen.
 
Gemeinsame Aufgabe des vegetativ-nervösen Systems und der Hormone sind

       Stabilisierung und Steuerung des Stoffwechsels

       Einstellung des “inneren Milieus” (Temperatur, Kreislauf, Atmung, Wasser- und Elektrolythaushalt)

       Steuerung von Wachstum und Reifung

       Überwachung der Funktion der Fortpflanzungsorgane.

Der Hypothalamus beeinflusst somato-motorische Funktionen über eine Kreisschaltung zwischen limbischem System und formatio reticularis.
Emotionell-psychische Impulse und Umweltreize beeinflussen diese Steuerungstätigkeiten.


Bereits als Student forschte der Schweizer Walter Rudolf Hess an physiologischen Fragestellungen. Dann arbeitete er als Augenarzt, bis er sich wieder der Physiologie zuwandte und ab 1917 als Ordinarius in Zürich wirkte. Ab 1920 führte er seine bahnbrechenden Versuche mit "unterbrochener Gleichstromreizung" am Gehirn durch. Seine Elektroden hatten einen Durchmesser von lediglich 1/4 mm. Mittels punktgenauer Stimulation im Hypothalamus konnte er verschiedenste vegetative Reaktionen und Verhaltensänderungen der Versuchstiere auslösen. 1949 erhielt er den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin "für die Entdeckung der funktionellen Organisation des Zwischenhirns für die Koordination der Tätigkeit von inneren Organen".
 


 
Schon im frühen Kindesalter kann es zum Auftreten eines Attention Deficit / Hyperactivity Syndrome (ADHS, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) kommen. Bei diesen Patienten ist die Aktivität im Präfrontalkortex betroffen, dies hängt offenbar mit Veränderungen in den Dopamin-, Serotonin- und/oder Noradrenalinsystemen des Hirnstamms zusammen.
 
    Dementsprechend versucht man, diese Systeme pharmakologisch zu beeinflussen, z.B. mit Methylphenidat (Ritalin): Dieses hemmt präsynaptische Wiederaufnahme-Transporter (reuptake inhibition) für Dopamin und Noradrenalin und erhöht dadurch deren synaptische Verfügbarkeit und Wirkung; und es bindet an Serotoninrezeptoren.
 

 
      Der Hirnstamm hat motorische, sensorische, vegetative, endokrine Funktionen. Zu motorischen Aufgaben des Hirnstamms gehören Körperstabilisierung (posturale Motorik, Halte- und Stellreflexe), Schutzmotorik, Modulation von Lokomotionsautomatismen (Schreiten, Laufen)
 
     Die Medulla oblongata hat Chemorezeptoren (Säure-Basen-Haushalt) und Reflexzentren für Kreislauf, Atmung, Ernährung. Viszerale Afferenzen der Nn. facialis, glossopharyngeus, vagus informieren den nucleus tractus solitarii über den Zustand in Carotissinus, Aortenbogen, Herzräumen, Lunge und gastrointestinalem System. Der viszeromotorische nucleus ambiguus erhält Afferenzen aus Großhirnrinde und Trigeminuskern und projiziert auf Muskeln in Gaumen, Rachen und Kehlkopf (Schluckvorgang, Sprechen)
 
     Die Pons enthält Kerne für die Kommunikation zwischen Groß- und Kleinhirn und kontrolliert die Freigabe des Detrusionsreflexes (Steuerung der Blasenmotorik)
 
     Das Mesencephalon beteiligt sich an der Extrapyramidalmotorik und steuert die Okulomotorik.
 
   --  Das Tegmentum erfüllt vegetative, sensorische und motorische Aufgaben; es enthält Teile der formatio reticularis (Atem- und Kreislaufzentrum), den fasciculus longitudinalis medialis (Koordination der Blickbewegungen und Gleichgewicht), den fasciculus longitudinalis dorsalis (Projektionsbahn des Hypothalamus) und wirkt sich auf die meisten autonom-nervösen Funktionen des Körpers aus
 
   --  Das Tectum (Vierhügelplatte): Die colliculi superiores dienen visuellen Reflexen (Zielauswahl) und dienen als Integrationsstelle für multisensorische, kontextuelle Information für die Steuerung von Blickbewegungen; die colliculi inferiores dienen Umschaltungen der Hörbahn
 
   --  Das Prätektum ermöglicht den konsensuellen Pupillenreflex
 
   --  Das zentrale Höhlengrau dient opioiderger Schmerzunterdrückung, es kann Panik auslösen
 
     Zum Diencephalon gehören Thalamus, Hypothalamus, Zirbeldrüse und Subthalamus, Pallidum, Raphekerne und Coeruleuskerne. Es entsendet noradrenerge (Wachheit, Aufmerksamkeit, Angst, Stress, Blutdruckregulation), serotoninerge (aktivierendes retikuläres System, sensory processing, Appetit, Körpertemperatur, Stimmungslage), dopaminerge (Motorik, Psyche, Prolaktinfreisetzung) und cholinerge (Belohnung, Lernen, Aufmerksamkeit, Gedächtnis) Projektionen in das Vorderhirn
 
     Wachheit und Bewusstsein werden durch Aktivität des aktivierenden (aszendierenden) retikulären Systems (ARAS, auch extrathalamisches Kontrollsystem) ermöglicht. Dieses reicht vom Hirnstamm über den Thalamus bis zur Großhirnrinde, in seinem Zentrum steht die formatio reticularis des Mittelhirns. Endo- (top down) oder exogen (bottom up) aktiviert, regt es den Kortex an
 
     Der Thalamus hat mehrere Funktionsbereiche: Sensorische (alle Sinne außer olfaktorisch), motorische (von Basalganglien und Kleinhirn zur Großhirnrinde), vegetative und emotionale (Teil limbischer Kreisschaltungen). Die Kerne des Thalamus wirken viszerosensibel, sensorisch, sensomotorisch und assoziativ
 
     Der Hypothalamus konzentriert sich auf die Aufrechterhaltung der Homöostase (Kreislauf, Atmung, Körpertemperatur, Metabolismus / Nahrungsaufnahme, Flüssigkeitsbilanz, Osmolalität und Nierenfunktion, vegetative Begleitung von Angriffs- oder Fluchtverhalten, Immunabwehr, Schlaf-Wach-Rhythmus) und Verhaltenssteuerung
 

 

Eine Reise durch die Physiologie


  Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen: Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.