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Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
Hirnstamm und Zwischenhirn
© H. Hinghofer-Szalkay
Herring-Körperchen: Percy T. Herring
locus coeruleus: himmelblauer Ort
Meynert-Kern: Theodor Meynert
nucleus ambiguus: ambiguus = doppelgestaltig, ungewiss, zweifelhaft
Okulomotorik: oculus = Auge, motor = Beweger (movere = bewegen)
Orexin: ὄρεξις, = Verlangen, Appetit
Pallidum: globus pallidus = weiße Kugel
Putamen: putamen = Schale (putare = beschneiden)
Raphekerne: ραφή = Naht (liegen an der Naht zwischen den beiden Hirnstammhälften)
Thalamus: θάλαμος = Kammer
Der
Hirnstamm hat zahlreiche lebenswichtige Aufgaben; beispielsweise
aktiviert sein retikuläres System das Großhirn so, dass Bewusstsein und
Aufmerksamkeit entstehen, und erzeugt Motivation oder Aversion;
Reflexzentren steuern viele automatisierte motorische Abläufe, u.a. die
Augenmuskulatur (Blickmotorik). Atmungsapparat, Herz, Blutgefäße und
Eingeweide stehen unter der Kontrolle des Hirnstamms.
Die Medulla oblongata (verlängertes Mark) enthält
Reflexzentren für Atmung und Säure-Basen-Haushalt, Blutdruckregulation, Niesen, Husten, Schlucken etc. Der nucleus tractus solitarii erhält viszerale Afferenzen von kardiovaskulären Rezeptoren, dem Respirationssystem, Geschmacksrezeptoren (Speichelsekretion) und dem gastrointestinalen System; der Schluckvorgang wird durch den nucl. ambiguus koordiniert.
Die Pons (Brücke) beinhaltet
Brückenkerne und Teile der formatio reticularis; sie kommuniziert
insbesondere mit dem Kleinhirn und beteiligt sich auch an der Steuerung
der Harnblase.
Das Mesencephalon (Mittelhirn) steuert die Augenbewegungen und ist an der Extrapyramidalmotorik beteiligt. Die Mittelhirnhaube (tegmentum) enthält den nucl. ruber, Teile des nucl. niger (Basalganglien) und zahlreiche Hirnnervenkerne; das Mittelhirndach (tectum, Vierhügelplatte) steuert optische und akustische Reflexe und unterstützt die Zielmotorik.
Das Zwischenhirn (Diencephalon) beeinflusst Muskeltonus und Bewegungsabläufe über noradrenerge, serotoninerge, dopaminerge und cholinerge Projektionen in das Vorderhirn;
zu ihm gehören Thalamus, Hypothalamus
(vegetativ-endokrines Regulationszentrum), globus pallidus (Motorik), Zirbeldrüse (Biorhythmen), Raphekerne und
nucl. coeruleus (Konzentration, Schlafsteuerung u.a.).
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Als Hirnstamm bezeichnet man die neuronale Zwischenzone, die vom oberen Rückenmark (Spinalmark) bis
zum Zwischenhirn (Diencephalon) reicht. Das Diencephalon wird manchmal
dem Hirnstamm zugerechnet; jedenfalls enthält der Hirnstamm das
Mittelhirn, die Brücke und das verlängerte Mark. Gemeinsam ist diesen
Teilen die Verwaltung lebenswichtiger Grundfunktionen wie Atmung und
Kreislauf, zahlreicher Reflexe, die Erhaltung von Gleichgewicht,
Vorbearbeitung von Sinnesinformation (Hören, Sehen), Anregung des
Großhirns etc. Bewusste Interaktion mit der Umwelt ist dem Hirnstamm
alleine nicht möglich.
Man kann den Hirnstamm stark vereinfacht als das "Rückenmark für Kopf und Hals" bezeichnen: So wie das Rückenmark von Körperstamm und Extremitäten sensorische Informationen erhält und an diese motorische Impulse sendet, tut dies der Hirnstamm mit somatosensorischer Informationen aus dem Kopf-Hals-Bereich (dazu kommen auditorische, vestibuläre, Geschmacks- und viszerale Afferenzen)
und sendet efferente Impulse zu Augen, Tränen- und Speicheldrüsen, der
Muskulatur im Kopf-Hals-Bereich (inklusive Pharynx und Larynx) sowie an Organe in Thorax und Abdomen.
Folgende Strukturen bauen den Hirnstamm (verlängertes Mark bis Mittelhirn) auf:
![](Platzhalter.jpg)
Absteigende motorische Bahnen für Stamm und Extremitäten (tr. corticospinalis)
Aufsteigende sensorische Bahnen aus Stamm und Extremitäten (tr. spinothalamicus, Hintersäulen)
Hirnnervenkerne und -faszikel (=Verbindung Kern-Nerv) im dorsalen Hirnstamm (motorische eher medial, sensorische lateral)
Pedunculi cerebellares (Verbindungen mit dem Kleinhirn) im dorsalen Hirnstamm
Retikuläres System und aufsteigende Projektionssysteme
Der Hirnstamm stabilisiert basale Körperfunktionen
Der Hirnstamm besteht aus verlängertem Mark (medulla oblongata), Brücke (pons) und Mittelhirn
(mesencephalon). Er enthält den nucleus ruber (im Mittelhirn), die
formatio reticularis (pontiner und medullärer Teil), sowie die
Vestibulariskerne.
![](Hirnst.jpg)
Abbildung: Vegetative Zentren im Hirnstamm
Nach einer Vorlage in Silverthorn, Human Physiology, an integrated approach, 4th Int'l ed. 2007, Pearson / Benjamin Cummings
Der
Hirnstamm steuert das kardiovaskuläre System, die Atmung, Elemente der
posturalen Motorik und der Fortbewegung, sowie zahlreiche Schutzreflexe
Der Hirnstamm enthält lebenswichtige Zentren (Atem- und
Kreislaufzentrum) und steuert komplexe Reflexe mit
unterschiedlichen Aufgaben, z.B. der Erhaltung des Gleichgewichts.
Auch das Zwischenhirn (Diencephalon, bestehend aus Thalamus, Hypo-, Sub-, Epithalamus) wird oft dem Hirnstamm zugerechnet. Dieses enthält umfangreiche Kerngebiete, die sensorische,
motorische, vegetative, hormonelle, emotionale sowie stimmungs- und
aufmerksamkeitssteuernde Funktionen haben.
Zu motorischen Aufgaben des Hirnstamms s. dort.
Dazu gehört
![](rechtspfeil.gif)
die Stabilisierung des Körpers gegen die Wirkung der Schwerkraft (posturale Motorik:
Halte- und Stellreflexe)
Schutzreflexe, wie Korneal-, Husten-, Nies- und Würgereflex
![](rechtspfeil.gif)
die Modulation des
Lokomotionsgenerators im Rückenmark, wie die Anpassung der Gehbewegungen an die Geschwindigkeit der Fortbewegung (Schreiten bis Laufen).
In der medulla oblongata befinden sich Reflexzentren für Herzfunktion, Kreislauf, Atmung,
sowie Neuronengruppen für die Kontrolle des Nies-, Husten-, Schluck-,
Saug- und Brechreflexes untergebracht. Weiters befinden sich hier
Chemorezeptoren für den Säure-Basen-Haushalt.
Einer
der zentralen Kerne der medulla oblongata ist der nucleus tractus
solitarii (
Abbildungen unten). Er besteht aus einer Gruppe von Kernen, die viszerale
Afferenzen aus dem N. facialis (VII), glossopharyngeus (IX) und vagus
(X) über den Zustand folgender Systeme erhalten:
Abbildung: Kerngebiete im Hirnstamm des Menschen
Nach einer Vorlage in Berkowitz AL, Clinical Neurology & Neuroanatomy: A Localization-Based Approach, 2nd ed. Mc Graw Hill 2022
Links: Dorsalansicht des Hirnstamms (Kleinhirn entfernt).
Rechts: Schnitte durch Mittelhirn, Brücke und verlängertes Mark. Die Lage der Hirnnervenkerne und Faseraustritte ist dargestellt.
Über Hirnnerven s. dort
Nucl. solitarius (solitary nucleus) = nucleus tractus solitarii. Dieser Komplex liegt in der medulla oblongata und besteht aus
mehreren sensorischen Kernen. Diese erhalten und bearbeiten Information
von Geschmacksrezeptoren, Eingeweiden (Thorax, Abdomen) und dem
Mittelohr über den VII, IX. und X. Hirnnerven und projizieren
ihrerseits auf mehrere Kerne des Hirnstamms (locus coeruleus, nuclei
raphe) und Zwischenhirns (Hypothalamus, Thalamus) sowie in das
limbische System
![](PlL.jpg)
Efferenzen von den Solitariuskernen projizieren
einerseits auf weite Teile des Gehirns (Hirnstammkerne - Raphekerne,
locus coeruleus -, Hypothalamus, Mandelkerne), andererseits zum dorsalen motorischen Vaguskern
und von hier über parasympathische Fasern in die Peripherie (Herz,
Gefäße, Speicheldrüsen, Pharynx, Oesophagus, Magen-Darm-Trakt).
Über Hirnnerven und ihre Funktionen s. dort
Die formatio reticularis durchzieht den Hirnstamm (Mittelhirn bis medulla oblongata)
als eine unscharf begrenzte Gruppe miteinander vernetzter
Neuronenansammlungen (Kerne). Sie enthält u.a. das aszendierende
aktivierende System (ARAS) und ist Ursprung des tractus reticulospinalis. Sie besteht aus einer medianen (Raphekerne),
einer medialen gigantozellulären sowie einer lateral gelegenen
parvozellulären Zone. Zu ihren Funktionen gehören Beiträge zur
Steuerung von Bewusstsein und Schlaf, motorischer Kontrolle, Kreislaufregulation sowie endogene Schmerzmodulation.
Im Tegmentum der medulla oblongata befindet sich der nucleus ambiguus
(
Abbildung), ein viszeromotorischer Kern, der Afferenzen aus der Großhirnrinde sowie
dem Spinalkern des Trigeminus (V.) erhält. Seine Efferenzen ziehen über den
IX., X. und XI. Hirnnerven zu Muskeln des Rachens,
Gaumens und Kehlkopfs; dadurch beeinflusst er u.a. den Schluckvorgang sowie für das Sprechen benötigte motorische Systeme.
Läsionen des nucl. ambiguus äußern sich in nasaler Sprache, Schluckstörung
(Dysphagie), Stimmstörung (Dysphonie); die Uvula ist auf die Gegenseite
verzogen.
Die Brücke
(pons) stellt sozusagen ein Verbindungsstück zwischen Rückenmark, Kleinhirn und Mittelhirn dar.
Sie beinhaltet zahlreiche Nervenbahnen, Teile der formatio
reticularis und Brückenkerne für die Kommunikation zwischen Groß- und Kleinhirn.
Die Brücke ist ein wichtiges Zentrum für die Kontrolle eines Teils der Blickbewegungen - sie enthält die Abducenskerne (VI. Hirnnerv), welche Abduktionsbewegungen der Augen steuern (Blick nach lateral).
Sie beteiligt sich an der Verwaltung vestibulärer Funktionen (z.B. Erhaltung des Gleichgewichts).
Die Brücke enthält die obere Olive, eine zentrale Schaltstelle der Hörbahn.
Der obere Anteil der Brücke beteiligt sich an der Steuerung der Harnblase (Kontrolle des sakralen Detrusionsreflexes).
Das Mittelhirn
(mesencephalon) beinhaltet ebenfalls massive Nervenstränge (crura cerebri), ist an der
Extrapyramidalmotorik beteiligt.
Das Mittelhirn ist an der Bildung komplexer motorischer Muster
beteiligt, so generiert es bei Reizung einer als mesencephalic locomotor region
(MLR) bezeichneten Neuronengruppe Schreitbewegungen (Zunahme der
Reizstärke kann z.B. bei Versuchstieren den Übergang von Trab- auf
Galopp-Motorik bewirken). Langsame und rasche lokomotorische
Bewegungsmuster scheinen dabei von unterschiedlichen glutamatergen
Neuronengruppen angeregt zu werden (langsame von Zellen des
pedunculopontinen Kerns, rasche von Zellen des nucleus cuneiformis).
Neben der Lokomotion kontrolliert der Hirnstamm (z.B. über die formatio
reticularis) eine Fülle weiterer Bewegungsmuster, inklusive die Okulomotorik
.
Eingänge von verschiedenen Sinnessystemen spielen für mesenzephale
Aktivitätsmuster eine modifizierende Rolle; das Mittelhirn vermittelt Orientierung nach akustischen und optischen Hinweisen.
![](Kerne_Bahnen_HSt.jpg)
Abbildung: Hirnstamm - Kerne und Bahnen
Nach einer Vorlage bei what-when-now.com
Der fascululus longitudinalis medialis
verbindet die Kerne der Augenmuskeln (N. oculomotorius, trochlearias,
abducens) mit den Vestibulariskernen sowie der formatio
reticularis, was der Koordination von Kopfstellung und Augenbewegungen
dient.
Der lemniscus medialis
ist Teil der somatischen Afferenzen und leitet Informationen der
Oberflächensensibilität (außer Schmerz und Temperatur) und
Tiefensensibilität; der nucl. gracilis bekommt Impulse von unteren,
der nucl. cuneatus von oberen Rumpfabschnitten.
Der lemniscus lateralis ist Teil der Hörbahn, der die obere Olive mit dem nucl. cochlearis der Gegenseite verbindet.
Der tractus corticobulbaris leitet motorische Impulse vom cortex cerebri zu motorischen Kernen des Hirnstamms, der tractus corticospinalis weiter zu motorischen Vorderhornzellen im Rückenmark
![](PlL.jpg)
Als Tegmentum (lat. für "Abdeckung") bezeichnet man die ventral an den inneren Liquorraum angrenzende Schicht im Bereich des Hirnstamms
(dorsal liegt im Mittelhirnbereich das Tectum). Es enthält u.a. die
formatio reticularis, okulomotorische Kerne, zentrales Höhlengrau,
nucl. ruber und niger.
Der größte Anteil des Mesencephalon ist die Mittelhirnhaube (Tegmentum). Diese hat vorwiegend motorische Funktionen und enthält u.a. folgende Teile:
Nucleus ruber und Teile des nucl. niger (Extrapyramidalmotorik)
![](blue_ani.gif)
Hirnnervenkerne
- nucl. N. oculomotorii (III), nucl. N. trochlearis (IV), nucl.
accessorius N. oculomotorii (Edinger-Westphal-Kern), nucl.
mesencephalicus N. trigemini (V)
![](blue_ani.gif)
Teile der
formatio reticularis (vegetative, sensorische und motorische Aufgaben)
Fasciculus longitudinalis medialis
(grün in der
Abbildung; Koordination der Blickbewegungen, auch mit
Rücksicht auf den Gleichgewichtssinn: Verknüpfung der vestibularis- mit
den okulomotorischen Hirnnervenkernen)
![](blue_ani.gif)
Der
fasciculus longitudinalis dorsalis
(Schütz'sches Bündel) ist eine lange Projektionsbahn des Hypothalamus.
Er zieht vom Mamillarkörper zur medulla oblongata und verbindet den Edinger-Westphal-Kern
(nucl. accessorius N. oculomotorii), die Salivatoriuskerne und den
nucl. dorsalis N. vagi miteinander. Er leitet sensorische und
motorische Information im vegetativen System und wirkt sich auf die
meisten autonom-nervösen Funktionen des Körpers aus.
Aufsteigende Fasern leiten viszerale Afferenzen von der formatio reticularis zum Hypothalamus,
absteigende
Efferenzen vom Hypothalamus an präganglionäre autonome Neuronen - diese
beeinflussen z.B. Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung und andere sympathische / parasympathische Aktivitäten
![](blue_ani.gif)
Tractus tegmentalis centralis ("zentrale Haubenbahn", leitet extrapyramidalmotorische Fasern)
Tectum (Vierhügel, colliculi)
Das dorsal gelegene Mittelhirndach (Tectum) hat sensorische Funktionen und wird wegen seiner anatomischen Struktur als Vierhügelplatte
bezeichnet. Ursprünglich nahm man an, dass die oberen Vierhügel rein
visuelle, die unteren nur auditive Information verarbeiten; tatsächlich
überlappen sich diese Bereiche. Einige Neuronen reagieren auf beide sensorischen Eingänge, es besteht funktionelle Synergie.
![](Arh.jpg)
Die
oberen Vierhügel (colliculi superiores) dienen
visuellen Reflexen. Zusätzlich spielen sie eine Rolle für
motorische Zielauswahl,
insbesondere wenn sensorische Reize (visuelle, somatosensorische, auditive) diese Funktion anregen. Sie
empfangen auch Impulse von Großhirnrinde (supplementäres
Augenfeld, dorsolateraler
Präfrontalkortex,
parietale Systeme) und
substantia nigra
(pars reticulata).
Auf diese Weise können sie die Blickmotorik in einen umfassenden
Gesamtzusammenhang integrieren. Die colliculi superiores sind eine
Integrationsstelle für multisensorische, kontextuelle Information, die
bei der Steuerung zielgerichteter, explorativ-orientierender Bewegungen
berücksichtigt und an prämotorische Neuronen weitergeleitet wird.
Abbildung: Lage der Vierhügelplatte im Hirnstamm
Das
tectopulvinäre System (tectopulvinar pathway)
dient der raschen Reaktion auf plötzlich auftauchende visuelle Reize.
Es geht von den oberen Vierhügeln aus, projiziert auf das Pulvinar
thalami und spricht vor allem auf Bewegung in der Netzhautperipherie an
(insbesondere via
M-Ganglienzellen, die
auf hohe zeitliche Auflösung spezialisiert sind). So wird die
Aufmerksamkeit (und Motorik) auf überraschende, unerwartete Reize
fokussiert, bevor noch visuelle Information bewusst verarbeitet werden
kann.
Auch spezielle Regionen des Frontallappens (frontale Augenfelder)
beeinflussen die Okulomotorik und sind im Fall widersprüchlicher
Intentionen in der Lage, reflektorische Impulse aus den oberen
Vierhügeln zu unterdrücken.
![](Arh.jpg)
Die
unteren Vierhügel (colliculi inferiores) dienen Umschaltungen und Informationsmodifikation in der
Hörbahn.
Sie beteiligen sich an der Lokalisation von Schallquellen, sowie an
Reflexen für entsprechende Zuwendungsmotorik der Augen und des Kopfes
(Orientierung hin zur Schallquelle).
Das Prätektum (area praetectalis) erhält sensorische Information aus der Netzhaut und sendet Impulse an beide Edinger-Westphal-Kerne. Es ermöglicht so den konsensuellen Pupillenreflex (symmetrische Reaktion beider Pupillen auch bei Beleuchtung nur eines Auges).
Das zentrale Höhlengrau dient u.a. der Verwaltung somatischer und viszeraler Stereotypen, beeinflusst das 'fight or flight'-Verhalten, kann starke Gefühlsregungen (Panik) auslösen, und dient der opioidergen Schmerzunterdrückung.
Projektionen aus dem Hirnstamm
Monoaminerge (noradrenerge, serotoninerge, dopaminerge,
cholinerge, histaminerge) Neurone
im Hirnstamm haben elektrophysiologische Ähnlichkeiten: Sie zeigen hohe
Spontanaktivität, mit jeweils einer Depolarisationsphase vor dem
nächsten Aktionspotential, reguliert durch Schrittmacherschaltungen. Die Freisetzung
der Monoamine erfolgt teilweise synaptisch, teilweise breitflächiger
(parakrin); zahlreiche monoaminerge Neurone setzen auch
Kotransmitter frei.
Monoaminerge Projektionen üben modulierende Wirkung auf das Vorderhirn aus, wo sie kortikale und subkortikale Funktionskreise beeinflussen.
Beispielsweise ist die Funktion der Basalganglien von kontinuierlicher
dopaminerger Anregung (substantia nigra auf Striatum) abhängig;
serotoninerge Projektionen modulieren motorische Programme;
noradrenerge unterstützen die Aufmerksamkeit und stimulieren motorische
Vorderhornzellen. Insgesamt erleichtert monoaminerge Anregung die
motorische Aktivität und spielt für Motivation und
Belohnungsmechanismen eine wichtige Rolle.
Noradrenerge Projektionen
Noradrenalin
ist ein im Gehirn weit verbreiteter Neurotransmitter und wirkt u.a. auf
Aufmerksamkeit, Stimmung, Sexualverhalten und andere
Verhaltenskomponenten. Die Aktivität noradrenerger Neurone ist im Wachzustand wesentlich höher als im Schlaf (im REM-Schlaf feuern sie so gut wie überhaupt nicht) oder in Narkose.
Noradrenerge Neuronen finden sich im unteren Hirnstamm, hauptsächlich im pontinen (aus ~12.000 Neuronen bestehenden) nucleus (locus) coeruleus
sowie in der formatio reticularis. Aufsteigende Fasern projizieren in
Zwischenhirn und Kortex (zerebral und zerebellär), absteigende in
medulla oblongata und Rückenmark (
Abbildung):
Abbildung: Noradrenerge Projektionen aus dem Hirnstamm
Nach einer Vorlage in Rang & Dale's Pharmacology, 9th ed. 2020 (Elsevier)
Ansammlungen
noradrenerger Neurone / Fasern dunkelrot, Projektionsgebiete hellrot.
Noradrenerge Projektionen bestehen vom locus coeruleus in das gesamte
Groß- und Kleinhirn sowie in das Rückenmark.
Am = Mandelkerne, C = Kleinhirn, Hip = Hippocampus, Hyp = Hypothalamus,
LC = locus (nucleus) coeruleus, LTA = laterales tegmentales Areal (Teil der
formatio reticularis), MBF = mediales Vorderhirnbündel, NTS = nucleus
tractus solitarii (sensorischer Vaguskern), Sep = Septum, Str =
Striatum, Th = Thalamus
![](PlL.jpg)
Diese
noradrenerge Neuronengruppe wird durch neue, insbesondere bedrohliche Reize
aktiviert. Das System erhöht die kortikale „signal to noise ratio“. Diese noradrenergen Systeme wirken auf
Aufmerksamkeit (Arousal) und
Interesse - u.a. über Rezeptoren im Thalamus und im Kortex,
Lernfähigkeit und Gedächtnis,
Wachheit (Schlafzyklus) - noradrenerge Projektionen fördern den Wachzustand und sind im REM-Schlaf inaktiv, ![](Platzhalter.jpg)
Angst-, Schmerz- und Stressantworten,
Ausschüttung hypophysärer Hormone wie GH, LH, Prolaktin,
Stimmungsbeeinflussung
(Unterfunktion dieses Systems kann depressive Verstimmung, Überfunktion schizophrene Psychose zur Folge haben).
Die Axone von locis-coeruleus-Neuronen - organisiert als ein aufsteigendes dorsales und ein ventrales Vorderhirnbündel sowie ein absteigendes
Bündel - erreichen das gesamte ZNS (Großhirnrinde,
Riechhirn, Hippocampus, Thalamus, Hypothalamus, Hirnstamm, Kleinhirn,
Rückenmark). Jedes einzelne Neuron bildet bis zu 250.000 Synapsen in
verschiedenen Teilen des Gehirns aus (z.B. sowohl in der Großhirn- als
auch in der Kleinhirnrinde - extreme Divergenz). Diese Synapsen wirken meist inhibitorisch über ß-Rezeptoren.
![](noradrenerge_Synapse.jpg)
Abbildung: Noradrenerge Synapse (vgl. dort)
Nach einer Vorlage bei Ganongs's Review of Medical Physiology, 24th ed. Lange Basic Science 2012
Tyrosin wird über einen Natrium-abhängigen Kotransport in das Axon geschleust. Anschließend erfolgt die enzymatische Verwandlung (hemmbar durch Metyrosin) zu Dopamin. Dopamin wird mittels Monoaminotransporters in Vesikel aufgenommen (VMAT); dieser Vorgang ist durch Reserpin blockierbar. Im Vesikel wird Dopamin zu Noradrenalin umgewandelt.
Aktionspotentiale öffnen Calciumkanäle; Ca++ bewirkt Vesikelfusion mit der präsynaptischen Membran, Noradrenalin wird freigesetzt (zusammen mit Peptiden (P) und ATP. Dieser Vorgang involviert SNAPs und VAMPs und kann u.a. durch Guanethidin blockiert werden.
Freigesetztes Noradrenalin wirkt nicht nur auf postsynaptische
Adrenozeptoren, sondern auch an präsynaptischen Autorezeptoren sowie
anderen Neuroeffektoren, z.B. Blutgefäßen. Auch kann Noradrenalin
präsynaptisch wieder aufgenommen und wiederverwertet werden
(Noradrenalintransporter, hemmbar u.a. durch Kokain oder trizyklische Antidepressiva)
![](PlL.jpg)
Noradrenerge Übertragung im Gehirn kann an verschiedenen Stellen
pharmakologisch beeinflusst werden, z.B. durch Blockade der
Wiederaufnahme von Noradrenalin an der präsynaptischen Membran.
Dadurch bleibt Noradrenalin länger an der Synapse verfügbar. Solche
Substanzen können eine pathologisch eingetrübte Stimmung heben (trizyklische Antidepressiva,
Abbildung). Monoamin- bzw. Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRIs: Serotonin-norepinephrine reuptake inhibitors)
blockieren das präsynaptische Recycling von Monoaminen und erhöhen dadurch die Verfügbarkeit dieser
Neurotransmitter an den postsynaptischen Rezeptoren. Sie werden als
Antidepressiva eingesetzt.
In den synaptischen Spalt freigesetztes Noradrenalin wird entweder präsynaptisch wiederaufgenommen (reuptake)
oder es diffundiert in die Umgebung, gelangt mit dem Blutkreislauf in
die Peripherie und wird dort (hauptächlich in der Leber) durch MAO und COMT abgebaut.
Im Gehirn werden alle Subtypen adrenerger Rezeptoren exprimiert, allerdings an unterschiedlichen Orten, was pharmakologisch bedeutsam sein kann:
Rezeptortyp
|
Lokalisierung |
|
Rezeptortyp |
Lokalisierung
|
α1A |
Großhirnrinde
Hippocampus |
|
α2B |
Zwischenhirn |
α1B |
Großhirnrinde
Hirnstamm |
|
α2C |
weit verbreitet |
α1D |
Großhirnrinde |
|
ß1 |
Großhirnrinde
Hypothalamus |
α2A |
Locus coeruleus
Hippocampus |
|
ß2 |
Kleinhirn
Hippocampus
Großhirnrinde |
Über den anregenden Einfluss von Orexin auf den nucleus coeruleus s. dort.
Eine schwedische Forschergruppe entdeckte in den 60er-Jahren (20. Jh)
Wesen und Verschaltungsmuster der Zellen im locus coeruleus. Ein
noradrenerges Transmittersystem im Gehirn war so neu und
unerwartet, dass es Jahre weiterer Forschung brauchte, bis dieses von
der etablierten Wissenschaft allgemein akzeptiert wurde.
![](PlL.jpg)
Serotoninerge Projektionen
Serotonin
ist in zahlreiche autonome Funktionen involviert, wie gastrointestinale
Motorik, Thermoregulation, Kreislaufregulation (Steigerung von
Herzfrequenz und Blutdruck), Atmung (pCO2-sensitive serotoninerge Neuronen), Sexualverhalten, Schlaf, Schmerzempfinden (Blockade auf Hinterhornebene). Serotoninerge
Neuronen finden sich (in mehreren Gruppen) in einer medianen Zone des Hirnstamms.
Serotoninerge mediane Raphekerne
in medulla oblongata, pons und mesencephalon projizieren auf
verschiedenste Hirnteile mit ähnlicher Ausdehnung wie das noradrenerge
des locus coeruleus - beide beteiligen sich am Aufbau des aktivierenden retikulären Systems (
Abbildung):
![](RDP9_40.5.jpg)
Abbildung: Serotoninerge Projektionen aus dem Hirnstamm
Nach einer Vorlage in Rang & Dale's Pharmacology, 9th ed. 2020 (Elsevier)
Ansammlungen
noradrenerger Neurone / Fasern dunkelrot, Projektionsgebiete hellrot.
Serotoninerge Projektionen kommen von den Raphekernen in das gesamte Groß- und Kleinhirn sowie in das Rückenmark.
Am =
Mandelkerne, C = Kleinhirn, Hip = Hippocampus, Hyp = Hypothalamus, Sep = Septum, Str = Striatum, Th =
Thalamus
Kaudale
Zellgruppen projizieren in das Rückenmark (vor allem zu motorischen
Vorderhornzellen, aber auch zu Seiten- und Hinterhorn) und zum Kleinhirn,
Rostrale Zellgruppen projizieren in Großhirnrinde sowie Hypothalamus (nucleus suprachiasmaticus), ventrolaterale corpora geniculata, Hippocampus / limbisches System (Mandelkerne).
Serotoninerge Projektionen in das Frontalhirn
regen dessen Aktivität an - u.a. eine Dämpfung der Aktivität der
Amygdalae -, und eine Abnahme dieser Funktion (also reduzierte
serotoninerge Anregung) kann zu aggressivem und antisozialem Verhalten
führen.
Selektive Serotonin-Aufnahmehemmer (SSRIs: Selective serotonin reuptake inhibitors - z.B. Fluoxetin) hemmen gezielt die präsynaptische Wiederverwertung des Serotonins durch den Serotonin-Transporter (SERT). Sie senken u.a. die Bereitschaft zu aggressivem Verhalten und erhöhen die Aktivität des präfrontalen Kortex.
Die Raphekerne
übernehmen „sensory processing“, sie helfen, unwesentliche Reize zu
ignorieren, und modulieren neurovegetative Stressantworten (Blutdruck).
Sie regen die Lokomotion an, beeinflussen Sinnes- (auch Schmerz-) Afferenzen
und haben Einfluss auf Appetit, Körpertemperatur und Stimmungslage.
Beeinträchtigung der Raphe-Region bewirkt Schlafstörungen (insbesondere im
REM-Schlaf).
Verschiedene Rezeptortypen
(16 bekannt) sind unterschiedlich verteilt auf Groß- und Kleinhirnrinde, Thalamus,
Basalganglien, Hippocampus, Hypothalamus, Rückenmark.
Serotonin wirkt postsynaptisch auf
Typ 5-HT2A, 2C (über Gq, PLC, IP3, DAG)
Typ 5-HT1A (über Gi, Hemmung von AC, cAMP)
Typ 5-HT4 (über Gs, AC, cAMP)
Typ 5-HT3 (über Natriumeinstrom). Dies sind pentamere Ionenkanäle, ähnlich dem nikotinischen Acetylcholinrezeptor. Ähnlich dem AMPA-Rezeptorkanal sind sie im offenen Zustand für Na+ und K+ durchgängig; das Umkehrpotential liegt bei ~0 mV.
![](Serotonin_Synapse.jpg)
Abbildung: Serotoninerger Neuron
Nach einer Vorlage bei Ganongs's Review of Medical Physiology, 24th ed. Lange Basic Science 2012
Tryptophan wird über einen Natrium-abhängigen Kotransport (Aminosäuretransporter) in das Axon geschleust und enzymatisch zu Serotonin (5-Hydroxy-Tryptamin, 5HT) umgewandelt. (Tryptophanhydroxylase im Gehirn unterscheidet sich von derjeniger in der Peripherie.) 5HT gelangt über einen Monoaminotransporter (VMAT) in Speichervesikel.
Öffnet ein Aktionspotential Calciumkanäle, bewirkt eingeströmtes Ca++
die Exozytose von Serotonin aus Vesikeln - 5HT gelangt in den
synaptischen Spaltraum. Dort wirkt es auf postsynaptische
Serotoninrezeptoren (nicht gezeigt), diffundiert aus der Synapse, oder
wird über Serotonintransporter präsynaptisch (Na+-abhängig) wieder aufgenommen (blockierbar durch Rückaufnahme-Inhibitoren).
In der Zelle wird Serotonin durch Monoaminooxydase (MAO) abgebaut. (Dieser Vorgang lässt sich durch MAO-Hemmer blockieren)
![](PlL.jpg)
Serotonin scheint über 1A-Serotoninrezeptoren für die 'innere Entspannung' im Sinne der Aktivierung eines default mode network
notwendig zu sein.
(Depressive) Patienten / Patientinnen mit schwach ausgeprägter
1A-Rezeptorwirkung leiden unter Unruhe und Problemen, sich zu
entspannen. (LSD beeinträchtigt die Aktivität serotoninerger Nervenzellen).
Über den anregenden Einfluss von Orexin s. dort.
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer steigern die
Serotoninkonzentration an der Synapse und wirken antidepressiv.
Zahlreiche halluzinogene Drogen (z.B. LSD) wirken offenbar durch Interaktion mit dem serotoninergen System.
Dopaminerge Projektionen
Etwa
eine Million Nervenzellen im Gehirn des Menschen verwenden Dopamin als
Neurotransmitter. Sie sind über das ganze ZNS verstreut, kommen aber an
bestimmten Stellen gehäuft vor.
Dopaminerge
Neuronen
des Hirnstamms finden sich im Mittelhirn: Im nucleus niger (Projektion auf das Striatum) und im ventralen tegmentalen Gebiet (Projektion auf den präfrontalen Kortex und Teile des limbischen Systems, u.a. den nucleus accumbens).
Abbildung: Dopaminerge Projektionen aus Hirnstamm und Hypothalamus
Nach einer Vorlage in Rang & Dale's Pharmacology, 9th ed. 2020 (Elsevier)
Ansammlungen
noradrenerger Neurone / Fasern dunkelrot, Projektionsgebiete hellrot.
Dopaminerge
Projektionen erfolgen vom Tegmentum, der substantia nigra und dem ventralen Hypothalamus in das
limbische System, das Frontalhirn, die Basalganglien und die Hypophyse
Ac =
nucleus accumbens, C = Kleinhirn, Hip = Hippocampus, Hyp =
Hypothalamus, P = Hypophyse, Sep = Septum, SN = substantia nigra, Str =
Striatum, VTA = ventrales tegmentales Areal
![](PlL.jpg)
Dopaminerge Neuronen beteiligen sich an
Bewegungskontrolle (sie erleichtern die Auslösung von Willkürbewegungen - gestört bei Mb. Parkinson),
![](Platzhalter.jpg)
Psyche und Verhalten, und
![](Platzhalter.jpg)
endokriner Steuerung (Hemmung der Prolaktinfreisetzung).
Dopaminerge Neurone werden von glutamatergen
(exzitatorischen) und GABAergen (inhibitorischen) Axonen intensiv beeinflusst. Solche Verschaltungen können u.a. an Langzeiteffekten wie synaptischer Potenzierung oder Hemmung beteiligt sein (Neuroplastizität). Dazu zählen Belohnung, Motivation, Erinnerung (Lernen) oder
auch Gewöhnung und Löschung (Vergessen).
Das Wirkungsspektrum des Dopamins ist vielfältig und z.T. widersprüchlich erscheinend. Angesichts der Tatsache, dass es ein modulatorisch
(nicht direkt inhibitorisch oder exzitatorisch) wirksamer
Neurotransmitter ist, der teils eher parakrin als synaptisch, und auf
zahlreiche verschiedene Rezeptoren wirkt (Vertreter der D1-Gruppe steigern, solche der D2-Gruppe reduzieren die cAMP-Konzentration), ist dieser Umstand erklärlich.
Abbildung: Dopaminrezeptoren im Gehirn
Nach einer Vorlage bei Hilal-Dandan / Brunton, Goodman
& Gilman's Manual of Pharmacology and Therapeutics, 2nd ed., McGraw
Hill Education 2014
Das Gehirn exprimiert alle Arten von Dopaminrezeptoren (
s. dort)
![](PlL.jpg)
Wo befinden sich welche Dopaminrezeptoren? D1-Rezeptoren finden sich ausschließlich auf postsynaptischen Membranen, D2-Rezeptoren
sind sowohl prä- (wo sie als Autorezeptoren wirken) als auch
postsynaptisch positioniert (zahlreiche antipsychotisch wirkenden
Medikamente sind D2-Rezeptorantagonisten).
Dopaminmangel wirkt sich - auch entsprechend den betroffenen Neuronengruppen - vielfältig aus: Motorische (Mb. Parkinson,
Tourette-Syndrom), psychische Störungen (Depression,
Schizophrenie, ADHD, Suchtverhalten) sowie solche in hormonellen Regelkreisen
(Dopamin hemmt die Freisetzung von Prolaktin).
Folgende aufsteigende Projektionen aus dem Hirnstamm sind dopaminerg:
Mesokortikale vom ventralen
Tegmentum des Mittelhirns zum
präfrontalen Kortex - sie sind an
Arbeitsgedächtnis, Planung und Problemlösung, aber auch emotionaler Verarbeitung und
Motivation beteiligt.
Fehlfunktion des mesokortikalen Systems wird mit der Entstehung von Psychosen (wie Schizophrenie) in Zusammenhang gebracht.
Mesolimbische vom ventralen Tegmentum
zum limbischen System (
Hippocampus,
Amydgala) sowie zu ventalen Anteilen des
Striatums, insbesondere
Nucl. accumbens und
tuberculum olfactorium. Dieses System ist in
belohnungsabhängiges Verhalten involviert (es weckt das Belohnungsbedürfnis und motiviert zur Verstärkung von Anregungen verschiedener Art)
.
Funktionsstörungen im mesolimbischen System können vermutlich attention deficit hyperactivity disorder (ADHD) und Drogenabhängigkeit bedingen.
In das
Auftreten eines ADHD können neben dopaminergen auch noradrenerge
Projektionssysteme involviert sein, eines von mehreren Beispielen für
die Interaktion zwischen Transmittersystemen.
Nigrostriatale - von der
substantia nigra
zum nucl. caudatus und Putamen
![](Begriff.jpg)
(~75% der dopaminergen Fasern): Diese
haben
extrapyramidalmotorische Funktion.
Dopaminmangel im nigrostriatalen System
ruft Symptome des Mb. Parkinson hervor.
Freudige Überraschungen stimulieren die Dopaminausschüttung im Gehirn
|
Tuberoinfundibuläre /
tuberohypophysäre vom
Hypothalamus zur
Hypophyse: Hauptverantwortlich für die Regulation der
Prolaktinausschüttung.
Weitere dopaminerge Neuronengruppen befinden sich an anderen Stellen des Gehirns und in der Netzhaut.
Die Wirkung erfolgt über verschiedene Dopaminrezeptoren
(D1 bis D5) und umfasst drei Aufgabengebiete: Motorische Kontrolle,
Verhaltensbeeinflussung und endokrine Steuerung. Dopaminerge Neurone
spielen auch eine Rolle bei Übelkeit und Erbrechen.
Dopaminantagonisten
wirken antiemetisch.
Der nucleus accumbens wirkt als "Belohnungszentrum", das
dopaminerg angeregt werden kann; das mediale Vorderhirnbündel verbindet
beteiligte Zentren, verstärkt "belohnende" Aktivitäten und wird daher
als "pleasure reward bundle" bezeichnet. Insgesamt
stehen zerebrale Vorgänge wie Emotion, Kognition, Gedächtnis, Belohnung
sowie motorische Aktivität unter dopaminergem Einfluss.
Dopaminerge Neurone spielen eine Rolle bei Übelkeit (Reizung von D2-Rezeptoren in der area postrema löst Erbrechen aus).
Der nucleus arcuatus (nucl. infundibularis) entsendet weiters Fasern zur eminentia mediana (tubero-infundibuläres System). Dopamin ist der wichtigste Inhibitor der Prolaktinsekretion (prolactin inhibiting factor).
Antipsychotika (Neuroleptika) wirken als selektive D2-Rezeptor-Antagonisten
und werden eingesetzt, um sogenannte positive Symptome der
Schizophrenie (Halluzinationen, Wahnvorstellungen) zu mildern.
Kokain und Amphetamine hemmen die Wiederaufnahme von Katecholaminen
- Noradrenalin und Dopamin - in präsynaptische Neurone. Dadurch
verlängern sie die Aufenthaltsdauer dieser Transmitter im synaptischen
Spalt und intensivieren deren Wirkung, was anregende (exzitierende)
Effekte hat (Wachheit, Alertheit) und ähnlich wirkt wie erhöhter
Sympathikustonus (Herzfrequenzsteigerung, Pupillenerweiterung usw).
Cholinerge Projektionen
Acetylcholin war der erste indentifizierte Neurotransmitter, und er
findet sich in praktisch allen Teilen des menschlichen Gehirns.
Cholinerge Übertragung beteiligt sich z.B. an Lern- und
Gedächtnisprozessen und anderen Funktionen des limbischen Systems.
Neurone des modulatorischen cholinergen Systems des Hirnstamms finden
sich in der pons (pedunculopontine Kerne), projizieren auf breite
Hirngebiete
und üben starken Einfluss auf das Verhalten aus.
![](RDP9_40.6.jpg)
Abbildung: Cholinerge Projektionen aus Hirnstamm und Vorderhirn
Nach einer Vorlage in Rang & Dale's Pharmacology, 9th ed. 2020 (Elsevier)
Ansammlungen
noradrenerger Neurone / Fasern dunkelrot, Projektionsgebiete hellrot.
Cholinerge Projektionen erfolgen
aus Septumkernen (Sep) zum Hippocampus,
aus dem nucl. basalis (Meynert-Kern, Teil des basalen Vorderhirns, basal forebrain) sehr diffus zu großen Teilen des Kortex,
aus dem ponto- mesencephal- tegmentalem Komplex PPT/LD (pedunculopontinen und laterodorsalen tegmentalen Kernen) zum Thalamus.
C =
Kleinhirn, Hip = Hippocampus, Hyp = Hypothalamus, PPT/LD =
pedunculopontine und laterodorsale tegmentale Kerne, Sep = Septum, Str
= Striatum, Th =
Thalamus
![](PlL.jpg)
Mb.
Alzheimer ist durch breitflächigen Verlust cholinerger Neurone
gekennzeichnet.
Cholinerge Systeme bilden ein diffuses modulierendes System, das aus mehreren Teilen besteht (
Abbildung), nämlich dem basalen Vorderhirnsystem, dem ponto-mesenzephalo-tegmentalen Komplex sowie Interneuronen im Basalgangliensystem:
Der basale Vorderhirnkomplex innerviert folgende Strukturen:
Den Hippocampus aus den (unter dem Rostrum des Balkens gelegenen) medialen Septumkernen (septum pellucidum) - sie beeinflussen Belohnung, Lernprozesse, Kurzzeitgedächtnis
Den Neokortex (breit gestreut) sowie das limbische System aus dem (zwischen Mandelkern und globus pallidus gelegenen) nucleus basalis (magnocellularis) Meynert
(
Abbildung). Die Fasern aus dem Meynert'schen Kern nutzen Galanin als Cotransmitter. Dieses System ist einer der
bedeutendsten Acetylcholinproduzenten des Gehirns und dient u.a. der Aufmerksamkeitssteuerung.
Dieses Fasersystem degeneriert bei Personen, die an Mb. Alzheimer leiden.
Der ponto-mesenzephalo-tegmentale Komplex des Mittelhirns und der Brücke (
Abbildung) innerviert den dorsalen Thalamus sowie motorische Vorderhornzellen im Rückenmark. Zusammen mit noradrenergen und serotoninergen Bahnen aktiviert dieses System sensorische Relaiskerne und Teile des Vorderhirns.
Kurze cholinerge Verbindungen (Interneurone) im Striatum dienen der motorischen Kontrolle, solche im nucl. accumbens dem zerebralen Belohnungssystem.
![](cholinerge_Synapse.jpg)
Abbildung: Cholinerge Synapse
Nach einer Vorlage bei Ganongs's Review of Medical Physiology, 24th ed. Lange Basic Science 2012
Cholin wird über einen
Natrium-abhängigen Cholintransporter in das Axon befördert (blockierbar durch
Hemicholinium). Acetylcholin wird mittels der zytoplasmatischen
Cholin-Acetyltransferase aus Cholin und Essigsäure gebildet. Dann erfolgt die Einlagerung in Speichervesikel mittels
vesikel-assoziierten Transporters (VAT), zusammen mit Peptiden (
P) und ATP. (Dieser Schritt ist durch
Vesamicol blockierbar.)
Erregung des präsynaptischen Axons öffnet spannungssensitive
Calciumkanäle, eingeströmtes Ca
++
bewirkt Vesikelfusion und Freigabe von Acetylcholin und seinen
Ko-Transmittern in den synaptischen Spalt. Dieser Vorgang involviert
SNAPs und
VAMPs und kann (in der Peripherie) durch
Botulinumtoxin blockiert werden. Die Aktivierung präsynaptischer
Auto- und Heterorezeptoren modifiziert die Freisetzung der Transmitter.
Über
Acetylcholinrezeptoren s.
dort.
Damit
sich die postsynaptische Membran rasch erholen (repolarisieren) kann,
muss das freigesetzte Acetylcholin rasch aus dem synaptischen
Extrazellulärraum entfernt werden. Neben der präsynaptischen
Wiederaufnahme sowie Abdiffusion in die Umgebung dient dazu die
Aktivität von
Acetylcholinesterase
![](PlL.jpg)
Cholinerge
Projektionen in den Hypothalamus beeinflussen die Freisetzung von GnRH,
ACTH, TSH und GH, sowie Oxytozin und Vasopressin.
Das
cholinerge System scheint weiters in die Kontrolle der Aufmerksamkeit
und
in die Schlaf-Wach-Steuerung involviert zu sein. Seine Aktivität ist für die Vigilanz bedeutsam (Nikotin ist ein Acetylcholin-Agonist) und fördert die selektive (zielgerichtete) Aufmerksamkeit.
Cholinerge Neurone sind im
Rahmen einiger neurodegenerativer Erkrankungen (Demenz, Mb. Parkinson)
betroffen. In der Narkose ist die zerebrale Aktivität reduziert und die
Acetylcholinproduktion reduziert.
Cholinerg sind folgende Neuronen:
Projektionen aus dem basalen Vorderhirnkomplex und dem ponto-mesenzephalo-tegmentalen Komplex des Hirnstamms (s. oben)
Interneurone im Striatum, die durch nigro-striatale dopaminerge
Neuronen gehemmt werden (deren Degeneration enthemmt die cholinergen
Interneurone, was bei Mb. Parkisnon der Fall ist)
Alle Motoneurone zu quergestreifter Muskulatur
Präganglionäre autonome Nervenfasern (nikotinerg)
Postganglionäre parasympathische Neurone (muskarinerg)
Postganglionär-sympathische Fasern zu Schweißdrüsen
Zahlreiche Neurone im Darmnervensystem
Über den anregenden Einfluss von Orexin s. dort.
Histaminerge Projektionen
Auch Histamin beteiligt sich an der Regulierung von Wachheit und Aufmerksamkeit.
![](Histamin_Schneider2014.jpg)
Abbildung: Histaminerge Projektionen
Nach Schneider E, Neumann D, Seifert R. Modulation of
behavior by the histaminergic system: Lessons from H1R- and H2R-
deficient mice. Neurosci Biobehav Rev 2014; 42: 252-66
![](PlL.jpg)
Histamin entsteht aus der Aminosäure Histidin und wirkt über H2-Rezeptoren zerebral anregend (hirngängige Antihistaminika machen müde und benommen). Histaminerge Neuronen finden sich im knapp rostral der Mamillarkörper gelegenen nucleus tuberomamillaris (TMN: tuberomamillary nucleus) des Hypothalamus (
Abbildung).
Von hier projizieren die Axone vor allem in die Großhirnrinde, in den
Thalamus, zu den Basalganglien, das (vorwiegend cholinerge, ebenfalls
auf das Gehirn anregend wirkende sowie auch in den REM-Schlaf
involvierte) basale Vorderhirn sowie in andere hypothalamische Kerne.
Die Wirkung ist eine direkte (erhöhte Aufmerksamkeit und zerebrale
Anregung) sowie indirekte (Stimulierung des basalen Vorderhirns und der
dorsalen Brückenregion).
Die Aktivität histaminerger Neurone ist im Wachzustand hoch und im Schlaf (sowohl slow-wave als auch REM) niedrig.
Anregenden Einfluss u.a. auf die tuberomamillären Kerne hat Orexin:
Orexin ![](Begriff.jpg)
Orexin
(auch: Hypocretin) ist ein Neuropeptid (Orexin A: 33, Orexin B: 28
Aminosäuren; durch Spaltung von Präproorexin - 130 Aminosäuren; etwa
50% Sequenzhomologie), das vorwiegend im lateralen Hypothalamus
gebildet wird (
vgl. dort),. Die beztreffenden Neurone projizieren von dort auf zahlreiche Gebiete des ZNS und
regulieren verschiedene Verhaltensweisen. Orexin wirkt anregend auf die
Gehirnfunktion, es steigert Wachheit und Aufmerksamkeit, indem es
die Großhirnrinde und mehrere aufmerksamkeitssteigernde Gehirngebiete -
auch des Hirnstamms - anregt (Raphekerne, locus coeruleus, nucl.
tuberomamillaris, cholinerge Hirnstammneurone).
Aufmerksamkeit und aktivierendes retikuläres System
Zur
formatio reticularis s. auch
dort
Zu Aufmerkasmkeit und Bewusstsein s. auch dort
Wachheit / Erregung (arousal) und Aufmerksamkeit (attention / vigilance) treten nur auf, wenn das Großhirn von subkortikalen Systemen in Hinstamm und Zwischenhirn aus stimuliert wird (
Abbildung). Reduziert dieses System seine Tätigkeit, tritt ein Zustand von mangelnder Aufmerksamkeit und Vigilanz oder Schlaf auf.
Beschädigung oder mangelnde
Versorgung subkortikaler Wecksysteme kann Bewusstlosigkeit oder Koma
bewirken. Dabei sind die Augen geschlossen, Reize aus der Umgebung
werden nicht wahrgenommen; in schweren Fällen bewirken auch
schmerzhafte Reize keine Abwehrreaktionen mehr. Allgemeinnarkose führt
ebenfalls zu einem Funktionsausfall der zerebralen Wecksysteme.
Bewusstsein erfordert unter anderem eine aktivierte Großhirnrinde.
![](ARASneu.jpg)
Abbildung: Aszendierendes retikuläres aktivierendes System (ARAS)
Nach Morin CM, Drake CL, Harvey AG, Krystal AD, Manber R, Riemann D, Spiegelhalder K. Insomnia disorder. Nat Rev Dis Primers. 2015; 1: 15026
Das blau gezeigte aufsteigende Anregungssystem beinhaltet noradrenerge Fasern aus dem locus coeruleus, serotoninerge aus den Raphekernen, histaminerge aus dem tuberomamillären Kern, dopaminerge aus dem ventralen Tegmentum und zentralen Höhlengrau. Dieses System erhält auch Zuflüsse aus dem lateralen Hypothalamus (Orexin, MCH) und aus dem basalen Vorderhirn (Acetylcholin, GABA).
Ein zweites anregendes System (rot) projiziert cholinerg-anregend aus dem pedunculopontinen Kern (Brücke) und laterodorsalen Tegmentum (Mittelhirn) auf Ralaisneurone im
Thalamus, was ebenfalls den Kortex aktiviert
![](PlL.jpg)
Das subkortikale Wecksystem ist aus Komponenten des Hirnstamms (extrathalamisches Kontrollsystem) und Anteilen des Thalamus aufgebaut:
Das extrathalamische (modulatorische) Kontrollsystem besteht aus mehreren miteinander verbundenen Anteilen. In seinem Zentrum steht die
Formatio reticularis des Hirnstamms (von medulla oblongata bis Mittelhirn). Aktivität dessen "aufsteigenden" Teils - des (aszendierenden) aktivierenden retikulären Systems - reticular activating system, ascending arousal system
(A)RAS - ist für die Aufrechterhaltung des Bewusstseinszustandes
essentiell, es steuert Wachheit, Aufmerksamkeit, Bewusstsein und regt dafür notwendige Funktionen an. So steigert seine Aktivität den Blutdruck über Erhöhung des sympathischen Tonus.
Bei einem Ausfall des
aktivierenden retikulären Systems (oder im Zuge einer Vollnarkose)
kommt es zu Bewusstlosigkeit bzw. komatösen Zuständen.
Das ARAS hat mehrere Stränge mit unterschiedlichen Neurotransmittern,
und projiziert über mehrere Routen auf die Großhirnrinde, darunter
Eine ventrale Route - hauptsächlich noradrenerg (locus coeruleus) und serotoninerg (Raphekerne), aber auch dopaminerg (zentrales Höhlengrau) und histaminerg (Hypothalamus, nucl. tuberomamillaris) - via das basale Vorderhirn. Diese Systeme sind im Wachzustand aktiv und reduzieren ihre Aktivität im Schlaf (REM und non-REM).
Eine dorsale Route - hauptsächlich cholinerg - zum Thalamus (
Abbildung)
und basalen Vorderhirn, der in weiterer Folge glutamaterg den Kortex
anregt. Diese Route ist am aktivsten bei Wachheit und im REM-Schlaf und
beeinflusst die Aktivität thalamischer und kortikaler Neurone.
Das cholinerge und das noradrenerge System sind zusammen bedeutsam für die
Aufrechterhaltung längerdauernder Aufmerksamkeit und Wachsamkeit (Vigilanz). Diese Fähigkeit wird auch von der Großhirnrinde unterstützt, vor allem von der rechten
Hemisphäre (das gilt für visuelle genauso wie für auditive Reize),
insbesondere in den Gebieten des Frontal- und des unteren
Parietallappens.
Zusätzlich wirkt ein Sytem GABAerger Neurone des Hypothalamus (präoptisches Areal POA), das vor allem im Schlafzustand
aktiv ist. Läsionen dieser Neurone lädiert sowohl den Ablauf des REM-
als auch des non-REM-Schlafs. Andererseits regt ein System von Neuronen
des lateralen Hypothalamus, die Hypocretin (=Orexin) als
Neurotransmitter verwenden, den Wachzustand an, wohl über Reizung des ARAS (
vgl. dort).
![](FuA.jpg)
Weitere Komponenten des subkortikalen Wecksystems sind
Mittelhirn / Tectum: Die
oberen Vierhügel haben eine zentrale Funktion bei der Nachjustierung der Aufmerksamkeit, in deren Rahmen z.B. sakkadische
Blickeinstellungen erfolgen
![](rechtspfeil.gif)
Dorsaler
Hypothalamus, dieser verwaltet neurohumorale und einige motorische Begleitreaktionen
Das thalamische Wecksystem umfasst mehrere Thalamuskerne (
Abbildung).
Abbildung: Thalamuskerne
Nach einer Vorlage in Banich / Compton, Cognitive Neuroscience, 4th ed. 2018, Cambridge Univ. Press
Grün / hellblau gezeigt sind Kerne,
die vermutlich an der Aufrechterhaltung von Wachheit und Aufmerksamkeit
beteiligt sind.
Wachheit und Vigilanz werden wahrscheinlich vor allem durch Aktivität der nuclei
reticulares, intralaminares (grün) sowie mediales dorsales (hellblau)
angeregt, selektive Aufmerksamkeit durch Aktivität des Pulvinar sowie
der corpora geniculata lateral