Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

  
Körperhaltung und Motorik
 
  Thalamus und Motorik
© H. Hinghofer-Szalkay
Ballismus: βάλλειν = werfen, schleudern
Chorea: χορεία = Tanz

Dopamin: Dihydroxyphenylalanin
Lemniscus: λημνισκοσ = wollenes Band
Pallidum: pallidus = blass
Pulvinar: Lat. Polster
Putamen: putamen = Schale
Striatum: stria = Streifen
Thalamus: θάλαμος = Kammer


Der Thalamus ist eine Gruppierung zahlreicher spezialisierter Kerngruppen.

Diese werden informiert
 

   -- einerseits aus der Peripherie über den aktuellen Zustand des Körpers,
 
   -- andererseits von Kleinhirn und Basalganglien über motorische Vorbereitungsvorgänge.

Aufgabe des motorischen Thalamus ist eine integrierte Förderung bzw. Hemmung kortikaler Bewegungsprogramme: Glutamaterge Neuronen regen Pyramidenzellen an, GABA-erge Fasern der Basalganglien zügeln die anregende Wirkung.

Die motorischen Programmabläufe stehen unter dem Einfluss der lateralen thalamischen Kerngruppe:
 
   -- Der Nucleus ventralis anterior und lateralis befassen sich mit Bewegungsplanung und -kontrolle,
 
   -- der Nucleus ventralis posterior reguliert die Position der Extremitäten,
 
   -- das Pulvinar kümmert sich um die Kontrolle der Okulomotorik.


Thalamus und motorisches System
Laterale Kerngruppe Neostriatum, direkter und indirekter Pfad

Core messages
    
Neben seinen zahlreichen anderen Aufgaben ("Tor zum Bewusstsein") spielt der Thalamus eine wichtige Rolle als subkortikales motorisches Zentrum. Dessen lateralen Kerne sind in Rückkopplungsschleifen mit Kernen der Basalganglien einerseits (Neurone des Pallidum und der substantia nigra inhibieren thalamische motorische Nervenzellen), motorischen Großhirnarealen andererseits eingebunden. Sie projizieren auf die motorische Großhirnrinde und beteiligen sich an der Steuerung von Muskeltonus und Bewegungsabläufen.
 
Für die Motorik zuständige Thalamuskerne stehen unter dem Einfluss von Basalganglien und Kleinhirn
 
  
Abbildung: Thalamuskerne und ihre Projektionen
Nach einer Vorlage in Deetjen / Speckmann, Physiologie, 3. Aufl. Elsevier

Motorische Aufgaben haben der nucleus ventralis anterior und ventralis lateralis (rot)
  
A, nucleus anterior    CM, centrum medianum    DM, nucleus dorsomedialis    IL, intralaminare Kerne    LP, nucleus lateralis posterior    PO, nucleus posterior    Pu, pulvinar thalami    VA, nucleus ventralis anterior    VL, nucleus ventralis lateralis    VPL, nucleus ventralis posterior lateralis    VPM, nucleus ventralis posterior medialis
  
  Externer Link: Thalamic nuclei


Motorische Kontrolle bedarf thalamischer Modifikation. Der Thalamus erhält nicht nur Impulse aus der Peripherie; Basalganglien und Kleinhirn stellen wesentliche Elemente der "Augenblicksanalyse" der somatischen Situation bei und beeinflussen die Aktivität motorisch relevanter Thalamuskerne.

Glutamaterge Neuronen regen motorische (Pyramiden-) Zellen im Kortex an, gleichzeitig besteht inhibitorische Wirkung
aus den Basalganglien. Der Thalamus wirkt also bewegungsfördernd, steht aber unter zügelnder Kontrolle der Basalganglien (globus pallidus internus, substantia nigra pars reticulata).

Der Thalamus ist mit praktisch allen Teilen der Gehirnrinde verbunden und sendet nicht nur Impulse an diese, sondern empfängt auch Informationen, die von der Rinde zum Thalamus gesendet werden (reziproke Verbindung). Tatsächlich dient der Thalamus nicht nur als "Relaisstation" für aufsteigende Impulse, sondern bildet mit dem Kortex eine funktionelle Einheit. Die Großhirnrinde korrespondiert mit dem Thalamus, und aus dieser Wechselbeziehung resultieren auch rhythmische Schwankungen der Stärke elektrischer Felder, die von der Kopfhaut
als EEG registriert werden können.
  
 
  Abbildung: Reziproke Verbindung
Modifiziert nach einer Vorlage bei Massey / Cunniffe / Noorani, Carpenter's Neurophysiology - A Conceptual Approach, 6th ed. CRC Press Taylor & Francis Group 2022

Der Thalamus projiziert auf den Kortex (blauer Pfeil) und dieser auf den Thalamus (absteigende Rückkopplung, grüner Pfeil). Die Projektionen erfolgen topographisch präzise zwischen den laminae V und VI der Gehirnrinde einerseits, entsprechenden Zonen in den Thalamuskernen andererseits.
 
Afferente Inputs zum Thalamus (violett) können sensorisch sein (Sehen, Hören, Somatosensibilität u.a.), solche zu motorischen Thalamuskernen stammen aus formatio reticularis, dem Kleinhirn sowie den Basalganglien


Schichten weißer Substanz (Axonbündel) durchziehen die thalamische Neuronenmasse und unterteilen sie in Zonen, die als anteriore, mediale und laterale Areale (Kerngruppen) bezeichnet werden. Motorische Thalamuskerne befinden sich in der ventralen Kerngruppe - nucl. ventralis anterior (VA) und nucl. ventralis lateralis (VL):
 
Motorische Thalamuskerne
Kern
Eingang
(hauptsächlich)
Ausgang
(hauptsächlich)
VA
Basalganglien
Motorischer / prämotorischer / supplementärmotorischer Kortex
VL
Basalganglien
Kleinhirn
  
Laterale Kerngruppe
 
Tonusverteilung und Bewegungsabläufe der Skelettmuskulatur werden durch motorische Thalamuskerne - den nucl. ventralis anterolateralis, ventralis posterior, und das Pulvinar - beeinflusst.
 
  
Abbildung: Interaktion Thalamus - motorischer Kortex
Nach einer Vorlage bei Massey / Cunniffe / Noorani, Carpenter's Neurophysiology - A Conceptual Approach, 6th ed. CRC Press Taylor & Francis Group 2022

Der thalamische nucleus ventrolateralis projiziert (vor allem) auf das Brodmann-Areal 4 und erhält Projektionen von dort und dem somatosensorischen Kortex. Der nucleus ventroanterior projiziert auf die area 6 und erhält Projektionen von dort und aus der area 4. Diese reziproken Verknüpfungen zwischen Großhirnrinde und Thalamus wirken als funktionelle Einheiten.
  
Aszendierende Projektionen auf motorische Thalamuskerne sind nicht sensorisch, sondern stammen aus Basalganglien, Kleinhirn und retikulärer Formation. Sie zielen auch (diffus) auf zentromediane Thalamuskerne, die breit mit motorischen, somatosensorischen und anderen Hirnregionen kommunizieren.
  
PMA = prämotorisches, SMA = supplementärmotorisches Areal
CM = zentromedian, VA = ventroanterior, VL = ventrolateral, VPL = ventroposterolateral


     Der Nucleus ventralis anterolateralis (Nucleus ventralis anterior und lateralis zusammengefasst) ist die primär mit motorischen Aufgaben betraute Kernregion des Thalamus ( Abbildung: rot). Er verbindet (phylogenetisch ältere) motorische Hirnteile - wie Basalganglien und Kleinhirn - mit motorischen Kortexarealen und reguliert so die Planung, Feinabstimmung und Kontrolle von Bewegungsabläufen. Efferenzen gelangen u.a. zum prämotorischen Kortex, wo dann Bewegungen ausgelöst werden.
 
     Die Aktivität der Kerne der ventralen Gruppe ist die meiste Zeit gehemmt; unkontrollierte Entladung ihrer kortikopetalen Fasern führen zu motorischen Störungen (Chorea , Ballismus u.a.).

        Nucleus ventralis anterior (VA)

  
  Eingang: Basalganglien (globus pallidus, substantia nigra)    Ausgang: Supplementär-motorischer Kortex, Gyrus cinguli

        Nucleus ventralis lateralis (VL)

  
  Eingang: Kleinhirn    Ausgang: Prä- und primärmotorischer Kortex

    Der Nucleus ventralis posterior gehört zu einem System, das Tast-, propriozeptive (Gelenkpositionen), Schmerz- und Temperaturinformation aus Haut, Gelenken und Schleimhäuten einspielt. Der Nucleus ventralis posterolateralis (VPL) erhält Impulse über den tractus spinothalamicus und lemnicsus medialis und bearbeitet Information aus Rumpf und Extremitäten, der Nucleus ventralis posteromedialis (VPM) über den Trigeminus (Gesichtsbereich).

Die motorische Aufgabe des Nucleus ventralis posterior ist die Beeinflussung der Extremitätenposition (z.B. Reaktion auf Schmerzreize). Seine Efferenzen ziehen als oberer Thalamusstiel zum Kortex (insbesondere Gyrus postcentralis).
 
     Eingang: Rückenmark, Hirnstamm (lemniscus medialis ), Trigeminus   Ausgang: Parietaler Kortex

 
  Das Pulvinar  ist mit okzipitalen und parietalen Assoziationsgebieten in der Nachbarschaft visueller, akustischer und somatosensorischer Rindenareale reziprok verbunden. Seine motorische Funktion ist die Beteiligung an der Kontrolle von Augenbewegungen.

  
  Eingang: Obere Vierhügel, Prätectum, Okzipitallappen    Ausgang: Parieto-temporo-okzipitaler Assoziationskortex, Gyrus cinguli
  
Neostriatum, direkter und indirekter Pfad
 
 
  Abbildung: Funktionelles Konzept des Systems Thalamus, Basalganglien, motorischer Kortex
Nach Wang T, Wang Y, Montero-Pedrazuela A, Prensa L, Guadano-Ferraz A, Rausell E: Thyroid Hormone Transporters MCT8 and OATP1C1 Are Expressed in Projection Neurons and Interneurons of Basal Ganglia and Motori Thalamus in the Adult Human and Macaque Brains. Int J Mol Sci 2023; 24: 9643

Das Neostriatum (nucleus caudatus und Putamen) erhält hauptsächlich Impulse aus dem motorischen Kortex, aber auch aus anderen Gebieten wie CM-Pf, dem zentromedian-parafaszikulären Thalamuskern sowie aus der substantia nigra (Input-Kerne - zu diesen gehört auch der nucleus accumbens).
 
Output-Kerne (GPi: globus pallidus, pars interna; SNr: substantia nigra, pars reticulata) projizieren Information, die von den Basalganglien bearbeitet wurde, auf den motorischen Thalamus - hauptsächlich dessen ventroanterioren (VA) und ventrolateralen (VL) Kerne - und beeinflussen dessen Wirkung auf den Kortex.
 
Intrinsische Kerne (GPe: globus pallidus, pars externa; SNc, substantias nigra, pars compacta; nucleus subthalamicus) dienen internen Verschaltungen im Basalgangliensystem, sie beeinflussen dessen Wirkung auf Output-Kerne.
 
Der Kortex hat auch einen direkten Zugang zum nucleus subthalamicus ("hyperdirekter" Pfad)


Das Neostriatum (subkortikaler phylogenetisch jüngerer Teil des Streifenkörpers: nucl. caudatus und Putamen ) ist die Pforte der Großhirnrinde (glutamaterge Afferenzen zum Striatum ) zu den Basalganglien (  Abbildung) und erhält auch Impulse aus intralaminären Thalamuskernen.

Das Putamen erhält vor allem Afferenzen aus sensorischen (area 1,2,3) und motorischen Gebieten (area 4,6) der prä- und postzentralen Rinde; der nucl. caudatus hingegen aus dem somästhetischen Assoziationskortex (area 5 und 7) sowie dem dorsolateralen Präfrontalkortex.

Vom Neostriatum führen zwei parallele Systeme zum Thalamus weiter:

       Der "direkte" Pfad: Das Neostriatum sendet hemmende (GABA, Substanz P) zum medialen globus pallidus und zur substantia nigra und hemmt dort spontanaktive GABAerge Neurone (diese unterdrücken die motorische Anregung des Thalamus).

Die Bahn enthält zwei hemmende Systeme in Serie; Anregung dieser Bahn bewirkt eine Aktivierung motorischer Thalamuskerne (motorische Disinhibition).

  
    Der "indirekte" Pfad: Das Neostriatum sendet hemmende (GABA, Enkephalin) zum lateralen globus pallidus und hemmt dort spontanaktive GABAerge Neurone, die Neurone im nucl. subthalamicus hemmen. Diese regen glutamaterg den medialen globus pallidus an, dessen spontanaktiven GABAergen Neurone unterdrücken motorische Anregung des Thalamus (siehe direkter Pfad).

Die Bahn enthält drei hemmende Systeme in Serie; das Ergebnis einer Anregung diese Bahn ist eine Hemmung motorischer Thalamuskerne (motorische Inhibition).
 
    Näheres dazu s. dort
 

 
     Glutamaterge Neuronen im Thalamus regen im Kortex motorische Pyramidenzellen an, sie wirken bewegungsauslösend
 
     Die laterale Kerngruppe - bestehend aus nucl. ventralis anterolateralis, ventralis posterior, und Pulvinar - beeinflusst Tonusverteilung und Bewegungsabläufe
 
     Der nucl. ventralis anterolateralis ist meist inhibiert und reguliert Planung, Feinabstimmung und Kontrolle von Bewegungsabläufen. Seine Efferenzen aktivieren Bewegungsprogramme im prämotorischen Kortex
 
     Der nucl. ventralis posterior empfängt Tast-, propriozeptive, Schmerz- und Temperaturinformation aus Haut, Gelenken und Schleimhäuten sowohl aus Rumpf, Extremitäten und Gesicht (nucl. ventralis posterolateralis), reagiert auf Positions- und Schmerzmeldungen (nucl. ventralis posterior) und projiziert in den parietalen Kortex
 
     Das Pulvinar korrespondiert mit Assoziationsgebieten (visuell, akustisch, somatosensorisch) und beteiligt sich an der Kontrolle von Augenbewegungen. Es projiziert auch auf den gyrus cinguli
 
     Dar Thalamus empfängt Impulse aus zwei parallelen Systemen der Basalganglien: Disinhibierende ("direkter Weg") und inhibierende ("indirekter Weg")
 

 



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