Motorische Rinde, Okulomotorik, Integration
© H. Hinghofer-Szalkay
Betz'sche Riesenzellen: Wladimir Betz
Brodmann-Areal: Nach Korbinian Brodmann
Duktion: ducere = leiten, führen
Penfield-Homunculus: Wilder Penfield
Sakkade: aus altfrz. saquer (ziehen)
Vergenz: vergere = neigen, senken
Das Frontalhirn enthält kortikale Steuerareale für die Motorik. Der primär-motorische
Kortex (gyrus praecentralis, area 4) programmiert Bewegungen in
Gelenken, mit einem vergleichsweise hohen Flächenanteil für Gesicht und Hände (Mimik,
Fingerbewegungen) in Koordination mit der somatosensorischen Rinde.
In der prämotorischen
Rinde (area 6) werden zielorientierte motorische Muster präzisiert,
einschließlich der Blicksteuerung; hier finden sich auch
Spiegelneurone.
Supplementär-motorische
Gebiete der area 6 werden vor der primär-motorischen Rinde aktiviert,
um den "motorischen Plan" einer Bewegung zu
organisieren, und lösen selbst Bewegungen aus.
Das frontale Augenfeld programmiert willkürliche Augenbewegungen und wählt Ziele der Blickmotorik aus. Die Okulomotorik
wird durch den III., IV. und VI. Hirnnerv gesteuert, kontrolliert durch prämotorische Reflex- und
Integrationszentren sowie das Vestibulocerebellum. Augenbewegungen
können kompensatorisch sein (Folgebewegungen) oder der ruckartigen Einstellung auf neue Objekte dienen (Sakkaden). Die involvierten Zentren - Groß- und Kleinhirnrinde, Thalamus, obere Vierhügel, Hirnnervenkerne, formatio reticularis - sind über den fasciculus longitudinalis medialis miteinander verbunden.
Die Präfrontalrinde erhält
aufbereitete sensorische Information und stimmt diese mit Gedanken,
Aktionen und emotionaler Lage ab. Sie koordiniert - durch
Wertvorstellungen und soziale Faktoren beeinflusste - Verhaltensmuster,
ihre Funktion kann durch emotional aufgeladene Situationen (Stress)
stark beeinträchtigt sein.
|
Motorische Rindenareale
Primär-motorischer Kortex
Prä- und supplementärmotorischer Kortex
Augenbewegungen
Vestibulo-okuläre Reflexe (VOR)
Präfrontaler Kortex / Spiegelneurone
Orbitofrontaler & ventromedialer Präfrontalkortex
Integriertes Modell der motorischen Kontrolle
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Sakkaden
Core messages
Die
Motorik muss mit einer enormen Zahl an Freiheitsgraden umgehen: Etwa
600 Muskeln bewegen den Körper in rund 200 Gelenken. Die dazu nötige sensomotorische Kontrolle
erlaubt rasche und präzise Halte- und Bewegungsmuster, die den Körper
stabilisieren und zielgerichtet bewegen können, ohne dass das
Gleichgewicht verloren geht. In den vorangegangenen Kapiteln wurden die
wesentlichsten Prinzipien der motorischen Kontrolle besprochen, die von
Rückenmark, Hirnstamm und Zwischenhirn verwaltet und gesteuert werden;
das Großhirn ermöglicht sozusagen die Krönung der motorischen
Fähigkeiten, indem es die Meldungen aus sämtlichen Sinnesorgan
integriert und das formt, was wir als Willkürmotorik bezeichnen. Die
meisten der motorischen Aktionen sind allerdings nicht bewusst
gesteuert, sondern erfolgen reflexbetrieben, rhythmisch oder automatisiert.
Das Frontalhirn ist die oberste Kontrollstation der Motorik
zum Frontallappen s. auch dort
Die wichtigste Aufgabe der motorischen Rindengebiete (motorische und prämotorische Areale des Frontalhirns)
für die Bewegungskontrolle ist die Planung und Überwachung eingeübter
Bewegungen sowie solcher, die sensorischer Kontrolle bedürfen
(Parietalhirn).
Der
Informationsfluss vom Gehirn zur Muskulatur entspricht nicht der Masse,
sondern der Bedeutung der innervierten Muskeln für kontrollierte
Aktivität: Sprache und Mimik nehmen über 40% der
Informationsübertragung in Anspruch, Handbewegungen mehr als 25%; der
Rest (knapp ein Drittel) ist an die gesamte übrige Skelettmuskulatur
adressiert. Mitteilung, nicht Kraft, bestimmt also den Hauptanteil des
zerebral-motorischen Output.
Abbildung: Frontalhirnregionen
Der primäre motorische Kortex dient der unmittelbaren Bewegungskontrolle. Der prämotorische und supplementärmotorische Kortex stimmen die Sequenz motorischer Elemente aufeinander ab. Das frontale Augenfeld ist die höchste Instanz für die Steuerung der Augenbewegungen.
Der Präfrontalkortex dient übergeordneter Verhaltenssteuerung. Der vordere gyrus cinguli kooperiert mit dem Orbitofrontalkortex in Bezug auf Entscheidungsfindung und Sozialverhalten
Am Beginn der Planung einer Willkürbewegung steht ein Bewegungsantrieb aus tieferen Hirnarealen (limbisches System, Hypothalamus..) und die Erstellung eines Bewegungsentwurfs in assoziativen Kortexarealen, u.a. der area 6 (prämotorischer Kortex).
Der prämotorische Kortex
unterstützt die Bewegungsplanung und Auswahl der zu aktivierenden
Muskelpartien im Rahmen der Willkürmotorik unter Berücksichtigung
somatosensorischer Informationen. Zusammen mit der supplementärmotorischen Rinde bildet er den motorischen Assoziationskortex,
der über seine Verbindungen mit dem primären Motorkortex Bewegungen
plant und diese exekutiert. Diese Gebiete sind auch dann aktiv, wenn
man sich die Bewegungen nur vorstellt oder wenn Bewegungen anderer
Personen nachgespielt werden. Dabei gibt es eine Abstimmung mit
assoziativen Gebieten des parietalen und temporalen Kortex (d.h. von
ventralen und dorsalen Informationsflüssen über das "WAS" und "WO" relevanter Reizquellen).
Schon etwa eine Sekunde vor einer - auch nur gedachten - Bewegung ist bereits ein Bereitschaftspotential nachweisbar. Anschließend werden von den Basalganglien sowie vom Kleinhirn Bewegungsprogramme abgerufen, die anschließend über den Thalamus
den motorischen Kortex (area 4 und 6) erreichen. Diese Rindenareale
sind unmittelbar für die Auslösung der Bewegung zuständig, sie steuern
die Bewegungsausführung über absteigende Fasern zu motorischen Vorderhornzellen.
Die Pyramidenbahn enthält zu einem großen Teil Axone aus "motorischen" Rindengebieten. Ihre Neurone liegen beim
Menschen zu jeweils ~30% in der area 4 und 6 (also etwa 60% im
"motorischen Kortex") und zu ~40% in den postzentralen areae 3, 1 und 2
("sensorischer Kortex"). Pyramidenbahnfasern projizieren auf motorische Vorderhornzellen sowie spinale Interneurone in Hirnstamm und Rückenmark
(tractus corticospinalis - Vordersäule des Rückenmarks, tractus corticobulbaris - Hirnstamm). Der tractus corticospinalis
enthält überwiegend Fasern mit relativ geringer Leitungsgeschwindigkeit
(kleine Neurone - nur ~3% der Fasern leiten sehr schnell und stammen
von großen Pyramidenzellen).
Kollateralen gelangen - mit dem Ziel der Rückkopplung zur Bewegungsplanung -
zum Thalamus,
zu Basalganglien und
zum Kleinhirn
(aktivieren über die untere Olive und pontine
Kerne Moos- und Kletterfasern).
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Abbildung: Motorischer Homunculus
Nach W. Penfield 1948 (links), nach Gordon EM et al. A somato-cognitive action network alternates with effector regions in motor cortex. Nature 2023 (rechts)
Die Größe der jeweils zuständigen kortikalen Fläche entspricht dem neuronalen Rechenaufwand.
Links: Penfield-Konzept aus 1948. Je nach Lage einer Reizung (z.B. fokaler epileptischer Anfall) zeigt
sich entsprechende motorische Aktivität, z.B. Kontraktionen der
Beinmuskulatur bei Fokus im Bereich des Vertex (höchstgelegener Teil
des Schädeldachs, Bereich der fissura longitudinalis zwischen den
Hemisphären).
Rechts nach neuen Untersuchungen (2023). Effektorspezifische funktionale Zonen
(untere Extremität grün, obere blau, Mundpartie orange gefärbt) mit
distalen Teilen (z.B. Finger) im jeweiligen Zentrum des betreffenden
Rindengebiets, beidseits flankiert von proximalen Teilen (z.B.
Schulter). Zwischen diesen effektorspezifischen Zonen liegen inter-effektorische Gebiete (rot, mit Karikatur), die ein somatokognitives Netzwerk für integrative Körperkontrolle bilden.
Sensorischer Homunculus
s. dort
Die kortikale Kontrolle der Willkürmotorik schließt fast alle Areale
der Großhirnrinde ein, nicht nur den klassischen Motorkortex. Denn zur
Planung bewusst steuerbarer Bewegungen muss berücksichtigt werden, wo
in der individuellen Umwelt man sich gerade befindet (Parietalhirn: Körperrepräsentanz; Okzipitalhirn: visuelle Umwelt;
usw), wohin die
Bewegung erfolgen soll, und wie - unter Mitwirkung subkortikaler Systeme und des Kleinhirns - diese Abfolge umgesetzt werden soll (Präfrontalhirn).
Weiters muss ein erarbeiteter Plan allenfalls bis zum Zeitpunkt der
Umsetzung im Gedächtnis gehalten werden (vgl. dort).
Der motorische Kortex
ist ein klar umgrenzter Teil des Frontalhirns. Er verbindet unbewusst ablaufende Verrechnungen zur Kontrolle der Muskulatur mit der bewussten Beeinflussung
("Willkürmotorik") und besteht aus mehreren Teilen (Brodmann-Areale - 4 = primärmotorisch, 6 = prä- und
supplementärmotorisch, 8 = frontales Augenfeld, 44/45 = motorische
Sprachregion (Broca) -
s. auch dort):
Funktionen des primär-motorischen Kortex
Im Primär-motorischen Kortex (M1, vordere Zentralwindung, Brodmann-Areal
4
) findet sich somatotope Repräsentation von Bewegungen in Gelenken im Sinne eines motorischen Homunculus (
Abbildung; vgl. sensorischer Homunculus). Dieser lässt einen relativ hohen Anteil für Gesicht und Hände erkennen, was mit der Präzision der Feinmotorik erklärbar ist (z.B. Mimik, Präzisionsgriff
der Finger).
Der primärmotorische Kortex generiert die "Kommandosignale", welche
morische Neurone dazu anregt, Aktionspotentiale an motorische
Vorderhornzellen zu senden (Pyramidenbahn) und die entsprechenden
Muskeln zu aktivieren. Dabei codieren Neuronengruppen Richtung und
Intensität der Bewegungen über kollektive Abstimmung der Aktivität der
einzelnen motorischen Neurone. Partielle
Beschädigungen im primärmotorischen Kortex schwächen die Kraft und
Präzision von Willkürbewegungen ab, bei vollständigem Defekt kann es zu
halbseitiger Lähmung (Hemiparese) der betreffenden Muskeln kommen. Wahrscheinlich
ist der Motorkortex auch zur Synthese komplexer, auf mehrere
Muskelgruppen übergreifender Funktionsmuster befähigt. Beim Erlernen
neuer Bewegungsfolgen kommt es zu Vergrößerung der entsprechenden
Areale im motorischen Kortex ("Plastizität").
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Abbildung: Motorische Rückkopplungsschleifen
Nach einer Vorlage in Baer /n Connors / Paradiso: Neuroscience, 4th ed. 2016
Gezeigt sind von der Großhirnrinde breit ausgehende und auf den Motorkortex zurückwirkende Rückkopplungsschleifen über Basalganglien und thalamischen Ventrolateralkern (blau) sowie über Brücke, Kleinhirn und Ventrolateralkern
(grün). Der Motorkortex projiziert auf motorische Vorderhornzellen,
nucl. ruber, die retikuläre Formation, die oberen Vierhügel sowie
Vestibulariskerne.
Das laterale Fasersystem im Rückenmark überträgt willkürmotorische Impulse, das ventromediale über den tractus tecto-, reticulo-, vestibulospinalis die spinale die Kontrolle über Körperhaltung und Fortbewegung (
vgl. dort)
An
der Organisation von Willkürbewegungen sind auch die hintere
Zentralwindung (somatosensorische Rinde) und Teile des Parietallappens
beteiligt.
Punktuelle Reizung bestimmter Orte des primären Motorkortex führt zur
Kontraktion einzelner, definierter (zugeordneter) Muskeln /
Muskelgruppen, während Reizung sekundär-motorischer Kortexorte
komplexere Bewegungen auslöst.
Je feiner ein Muskelgebiet kontrolliert wird, umso größer
ist das Rindengebiet im Verhältnis zur Muskelmasse. Die Pyramidenzellen steuern einerseits die Kraft, andererseits die Richtung der Bewegungen. Das tun sie im Kollektiv: das Zusammenspiel mehrerer
Neurone (mit sehr unterschiedlichen Ausrichtungen) entscheidet über die Richtung einer Bewegung, die sich
insgesamt daraus ergibt (population coding).
Je mehr Pyramidenzellen sich um die Motorik eines bestimmten
Körperteils kümmern (relativ große
Cortexfläche), desto feiner wird sie steuerbar.
Der hauptsächliche Eingang
zu M1 stammt aus dem Thalamus (Ventrolateralkern) sowie von anderen
Rindenarealen (vor allem den benachbarten Arealen 6, 3, 1 und 2).
Ausgang: Große Pyramidenzellen in der lamina V (Betz'sche Riesenzellen
) schalten direkt auf motorische Vorderhornzellen nicht nur eines
Muskels, sondern funktionell verbundener Muskelgruppen; und sie
schalten auf inhibitorische Interneurone, die jeweilige Antagonisten
hemmen. Dadurch codieren sie Bewegungen,
nicht nur die Aktivität einzelner Muskeln. Weiters projizieren Axone
aus M1 auf subkortikale Zentren der sensomotorischen
Informationsverarbeitung, vor allem im Hirnstamm.
Prämotorischer und supplementärmotorischer Kortex
vgl. dort
Die abstrakte Repräsentierung einer Aktion in der Gehirnrinde wird als motorischer Plan (motor plan)
bezeichnet. Dieser Plan beinhaltet die benötigte Abfolge motorischer
Elemente (welche Muskeln müssen wann, wie stark und wie lange aktiviert
oder gehemmt werden?) sowie auch Information über die neuromuskuläre
Kontrolle, die zur Erreichung des jeweiligen Ziels nowendig ist. Die area 6 (prämotorischer und supplementärmotorischer Kortex) "übersetzt", welche motorischen Pläne umgesetzt werden sollen, in neuronale Muster, wie das erfolgen soll:
Der supplementärmotorische Komplex (supplementary motor complex SMC, Brodmann Areal 6, medial gelegen) besteht aus mehreren Teilen:
dem posterior gelegenen supplementärmotorischen Areal (SMA) zur Kontrolle der somatischen Muskulatur,
dem davor liegenden prä-SMA, das sich um komplexere Berechnungen kümmert, sowie
dem zwischen diesen im medianen
Kortex direkt über dem gyrus cinguli befindlichen supplementären
Augenfeld (SEF, supplementary eye field), das Augenbewegungen koordiniert und dabei u.a. im Konfliktfall von der Vierhügelplatte getriggerte reflektorische Augenbewegungen unterdrücken kann.
Der supplementärmotorische Komplex stellt einen detaillierten, abstrakten motorischen Plan auf, der die Reihenfolge der motorischen Elemente enthält, um Subroutinen willkürlicher Bewegungsabläufe zu berechnen. Er wacht über stabile Körperhaltung beim Gehen und Stehen,
und koordiniert Handbewegungen beidseits. Die Aktivität des supplementärmotorischen Kortex geht der jeweiligen motorischen Aktion um etwa 0,1-0,3 Sekunden voraus.
Der
supplementärmotorische Komplex projiziert auf den primär-motorischen
Kortex, sowohl ipsi- als auch kontralateral, sowie auf den
kontralateralen supplementärmotorischen Kortex.
Der prämotorische Kortex (Brodmann Areal 6, lateral
gelegen) codiert anschließend die Bewegungstypen, die für die
Durchführung des motorischen Plans erforderlich sind. Hier erfolgt die Bildung neuer oder
Modifikation bestehender motorischer Muster und die Unterstützung der zeitlichen Abfolge und Dosierung der Bewegungen. Das prämotorische Areal kümmert sich um die Zielorientierung
von Bewegungen und übernimmt auch Anteile der Blicksteuerung. Im prämotorischen Kortex finden sich auch Spiegelneurone. Die Aktivität des prämotorischen Kortex geht der jeweiligen motorischen Aktion um eine Zehntelsekunde voraus.
Der prämotorische Kortex projiziert vor allem auf reticulospinale Neurone (von dort werden motorische Vorderhornzellen über den tractus reticulospinalis erreicht).
Läsionen im Bereich der area 6
bewirken Störungen der Reihenfolge der Elemente von
Bewegungsprogrammen, mangelhaften Angleich der Körperhaltung an die
Zielmotorik und Bewegungsarmut (inklusive Einschränkung der spontanen
Sprache).
Abbildung: Freigabe von Bewegungen durch den "direkten" Pfad
Nach einer Vorlage in Baer / Connors / Paradiso: Neuroscience, 4th ed. 2016
Neuronen
im Frontalhirn schalten auf inhibitorische Neurone im Putamen, und
diese auf inhibitorische im inneren Pallidum.
Dadurch kommt es zu Disinhibition
(Aufhebung eines hemmenden Tonus) motorischer Neurone in Thalamus und
supplementärmotorischem Kortex (mediale area 6) - Bewegungsabläufe
werden "freigeschaltet"
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Der wichtigste subkortikale Eingang zur area 6 stammt aus dem Ventrolateralkern des Thalamus. Der Ventrolateralkern steht unter dem Einfluss der Basalganglien,
die ihrerseits von der Großhirnrinde (Frontal- und Parietalhirn)
gesteuert werden. Ein weiterer Rückkopplungskreis zum Ventrolateralkern
stammt vom Kleinhirn (
s. dort).
Funktionsgleichgewicht: Im "direkten" Pfad
(
Abbildung) regt der frontale Kortex Hemmneuronen im Putamen an,
die ihrerseits inhibitorische Spontanaktivität im inneren Pallidum
"ausschalten" und dadurch die thalamische Anregung entsprechender Gebiete des motorischen Kortex freigeben.
Im "indirekten" Pfad ist eine Zwischenstufe über das äußere Pallidum sowie ein inhibitorischer Zusatzkreis über den nucleus subthalamicus (der auch direkte Impulse von der Großhirnrinde empfängt) eingeschaltet (
s. dort), dadurch hat dieses System inhibitorischen
Charakter auf die Auslösung von Bewegung - es antagonisiert die
Aktivität des "direkten" Pfades.
Die beiden Pfade wirken parallel,
und
das Funktionsgleichgewicht entscheidet über das Ausmaß motorischer
Aktivierung. Der indirekte Pfad unterdrückt "unpassende" Elemente der
Motorik, welche die Durchführung der angestrebten Bewegungsmuster
stören würden.
Okulomotorik: Steuerung der Augenbewegungen
Okulomotorik - zielfolgende (smooth pursuit) oder ruckartige Augenbewegungen (Sakkaden) - können subkortikal gesteuert werden (unwillkürlich über Vierhügelplatte, Mittelhirn und Brücke - etwa bei Kopfdrehungen)
oder entstehen unter der Kontrolle der Gehirnrinde (z.B. wenn die
Aufmerksamkeit von einem zu einem anderen Objekt wechselt). Auf
verschiedenen Ebenen des ZNS wirken okulomotorische Kontroll- und
Steuermechanismen zusammen und berücksichtigen dabei eine Vielzahl von
Informationen, sodass die Augen koordiniert, mit hoher zeitlicher und
räumlicher Präzision, die Projektion fixierter Ziele auf die fovea
centralis stabilisieren oder das "Einfangen" neuer visueller Ziele
vollführen können.
Das frontale Augenfeld - die höchste Hierarchieebene der Blickmotorik (Abbildungen weiter unten) - dient der Steuerung willkürlicher Augenbewegungen und wählt Ziele der Blickmotorik aus; prämotorische
Zentren steuern Reflexbewegungen. Die oberen Vierhügel
stehen unter der Kontrolle der Basalganglien und der Gehirnrinde; sie
ermöglichen die Zielstabilisierung (Fixation) der Augen und verwenden
visuelle und motorische Information zur Steuerung der Okulomotorik des
Hirnstamms. Das Kleinhirn adaptiert motorische
Muster. Neuronengruppen im Hirnstamm haben spezielle motorische Funktionen, so erhält der Cajal'sche Kern
(nucl. interstitialis) - ein Teil der formatio reticularis des
Mittelhirns - Projektionen von den Vestibulariskernen,
steuert
vertikale Augenbewegungen und integriert Impulse für vertikale (Hebung / Senkung) und torsionale (Roll-) bewegungen. Die Augenmuskelkerne (III, IV. und VI Hirnnerv) schließlich exekutieren die Augenbewegungen:
Der N. abducens (VI) steuert den m. rectus lateralis und bewegt das Auge nach außen - Abduktion,
der N. trochlearis (IV) steuet den m. obliquus superior und bewegt das Auge rotational nach innen - Inzyklotorsion,
der N. oculomotorius innerviert die übrigen äußeren Augenmuskeln (vgl.
Abbildung).
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Abbildung: Augenbewegungen und äußere Augenmuskeln (rechtes Auge)
Nach
Vorlagen in Kandel / Koester / Mack / Siegelbaum (eds), Principles of
Neural Sciences, 6th ed. 2021, McGraw Hill (oben) und OpenStax College
(unten)
Die
musculi recti laterales bewegen das Auge in der Horizonlalline (m.
rectus lateralis abduziert - führt nach außen, m. rectus medialis
adduziert - führt nach innen).
Die musculi obliqui bewegen das Auge rotatorisch nach innen (Inzyklotorsion; m. obliquus superior) bzw. nach außen (Exzyklotorsion; m. obliquus inferior).
Die
musculi recti bewirken eine Hebnug (superior) bzw. Senkung (inferior)
des Auges; zusätzlich bewirken sie eine Inzyklotorsion und Abduktion
(superior) bzw. eine Exzyklotorsion und Adduktion (inferior)
Augenbewegungen
sind komplex und sehr präzise gesteuert. Die verantwortlichen Zentren
liegen im oberen Hirnstammbereich, Klein- und Großhirn.
Pontine (in der Brücke liegende) Hirnstammzentren kontrollieren die Steuerung horizontaler Sakkaden (solche treten u.a. bei Kopfdrehungen auf).
Visuelle Faktoren steuern Augenbewegungen (z.B. bei Kopfdrehungen) mit, diese Reflexbahn läuft über die oberen Vierhügel (colliculi superiores).
Langsame Folgebewegungen werden durch prätemporale Assoziationsgebiete mitkoodiniert.
Man unterscheidet (
Abbildung)
Duktion
(Drehen parallel zur Längsachse des Körpers): Abduktion = Auge rollt
nach temporal, Adduktion = Auge rollt nach nasal; dabei zu
unterscheiden
Version = gleichsinnige gleichzeitige Bewegung beider Augen (Dextroversion nach rechts, Laevoversion nach links),

Vergenz
= gegensinnige Bewegung (Konvergenz, Divergenz). Vergenzen werden durch Aktivierung der mm. recti medialis und lateralis ausgelöst
Vertikale Bewegungen: Hebung (Sursumversion oder Supraduktion, Elevation) und Senkung (Infraduktion, Depression) des Auges (um die Transversalachse)
Torsion (Rollen um die Sagittalachse): Intorsion = oberer Augenpol rückt nach innen, Extorsion = oberer Augenpol rückt nach außen. An solchen Bewegungen sind die anderen äußeren Augenmuskeln mitbeteiligt.
Augenbewegungen dienen unterschiedlichen Zielen. Man unterscheidet Folgebewegungen, Sakkaden, Vergenzbewegungen sowie vestibulo-okuläre Reflexe und optokinetische Bewegungen:
Augenbewegungen
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Bezeichnung
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Funktion
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Charakteristika
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Folgebewegung
(smooth pursuit)
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Fixiertes Objekt bleibt auf fovea centralis abgebildet
|
aufmerksamkeits-
gesteuert
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Sakkade
(saccadic movement)
|
Aufhebung bestehender Fixation
Neues Objekt wird fixiert
|
sprungartig, meist unbewusst
|
Vergenzbewegung
(vergence movement)
|
Fixiertes Objekt bleibt bei Abstandsänderung vom Auge auf beide foveae abgebildet |
nicht-konjugiert (Kon- oder Divergenz)
|
Vestibulo-okuläre Reflexe (VOR)
|
Stabilisierung des Netzhautbildes bei kurzen Kopfbewegungen
|
präzise und rasch
|
Optokinetische Bewegungen
|
Stabilisierung des Netzhautbildes bei langsamer oder längerer Kopfdrehung |
präzise und anhaltend
|
Sakkaden
sind ruckartige Blickbewegungen mit dem Ziel, einen neuen Fixationspunkt einzustellen. Diese können im Rahmen von Hirnstammreflexen auftreten (wie im Rahmen vestibulo-okulärer Reflexe) oder durch kortikale Neueinstellung initiiert werden - durch Aktivität im frontalen Augenfeld des Frontalhirns, wenn die
Aufmerksamkeit (Fixation) von einem Gegenstandspunkt zu einem
nächsten (sakkadisch) wechselt.
Willkürlich herbeigeführte Augenbewegungen (die nicht einem bewegten optischen
Bezugspunkt folgen, sondern ein neues Ziel suchen) sind nicht "glatt" (wie bei Verfolgebewegungen), sondern
sakkadisch. Die zur Erzeugung von Sakkaden notwendigen neuronalen Schaltkreise liegen auf der Ebene des Hirnstamms.
Vektoren für visuell ausgelöste Sakkaden werden in den colliculi superiores (obere
Vierhügel) repräsentiert, und die colliculi haben absteigende
(motorische) Projektionen zur Okulomotorik sowie auch (über den
Thalamus) aufsteigende zur Großhirnrinde. Dadurch können die Sakkaden
in ein Gesamtkonzept von Bewegungsabläufen integriert werden. Die
Neuronen der colliculi superiores sind funktionell in mehreren
Schichten - retinotop, d.h. mit klaren Zuordnungen zu bestimmten
Netzhautpunkten - somatotop sowie polymodal (auditiv,
somatosensorisch, visuell) - organisiert. All diese Zellen kooperieren
bei der Einstellung einer Sakkade auf neue Ziele (movement-related neurons fokussieren die Blickbewegung auf jeweils ein bestimmtes movement field - ein Teil des visuellen Umfeldes, auf welches das jeweilige Neuron eine Sakkade ausrichtet).
"Fixationszone": Der rostrale Teil der oberen Vierhügel unterstützt die Fixation
(gezieltes Betrachten, Fixierung) der Augen. Dazu erhält diese Region
Eingänge von der fovea centralis einerseits, dem primären visuellen
Kortex (V1) andererseits. Während der Fixation sind die entsprechenden
Neurone besonders aktiv und können die Bildung von Sakkaden inhibieren
(u.a. durch Aktivierung GABAerger Neurone).
Die formatio reticularis des Mittelhirns (hier liegen die Kerne des III. und IV. Hirnnerven) generiert vertikale, diejenige der Brücke (hier liegt der Abducenskern) horizontale Sakkaden (s. unten). Der ruckartige Bewegungspuls einer Sakkade wird durch die wiederholte Entladung entsprechender Neurone (burst neurons) - die ihrerseits durch GABAerge omnipause neurons hemmbar sind - ausgelöst;
tonische Neurone sind gleichmäßig aktiv. Dazu kommen die Seite
kreuzende Fasern, die auf Neurone der Gegenseite wirken;
Feineinstellungen können jeweils an eine Sakkade anschließen.
Um die Augen in einer neuen Position zu halten, bedarf es der Aktivität
tonischer Einflüsse auf die entsprechenden motorischen Vorderhornzellen
(sonst würden elastische Rückstellkräfte den Augapfel wieder von
Zielpunkt abbringen). Vestibuläre Kerne und das Urkleinhirn sind an
dieser Blickstabilisierung beteiligt, zusammen mit seitenkreuzenden
Fasern beteiligen sie sich an einem entsprechenden Kräftegleichgewicht
auch am kontralateralen Auge.
Augenbewegungen treten oft kombiniert auf, z.B. bei Nystagmen (glatte Verfolgebewegungen kombiniert mit Sakkaden für die Neueinstellung des Blickes).
Abbildung: Steuerung horizontaler Augenbewegungen
Nach einer Vorlage in Ropper / Samuels / Klein, Adams and Victor's Principles of Neurology, 10th ed. 2014 (McGraw Hill)
Die
Abbildung zeigt die Kontrolle der für horizontale Augenbewegungen
zuständigen Hirnnervenkerne durch übergeordnete Systeme am Beispiel
einer nach links gerichten Sakkade mit kortikalem Ursprung.
Vom (kontralateralen, d.h. rechten) frontalen Augenfeld laufen
Efferenzen (dunkelgrün) durch die capsula interna, kreuzen die
Seite auf der Höhe des Oberrandes der Brücke und ziehen zur linken paramedianen pontinen retikulären Formation (formatio reticularis pontis paramediana PPRF, paramedian pontine reticular formation). Diese
ist ein Teil der pontinen formatio reticularis, sie enthält das
pontine Blickzentrum und steuert horizontale Augenbewegungen.
Von hier projizieren Neurone auf die Kerne der Nerven, welche die äußere Augenmuskulatur versorgen (rot).
Der fasciculus longitudinalis medialis (hellgrün) verbindet u.a. die Augenmuskelkerne untereinander sowie mit den Vestibulariskernen (das ermöglicht vestibulo-okuläre Reflexe)
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Horizontale Blickbewegungen werden durch unilaterale
Neuronenkomplexe auf der Ebene des Gehirns und Hirnstamms gesteuert.
Exekutiert werden sie durch das pontine Blickzentrum (
Abbildung).
Die Auslösung erfolgt im Frontalhirn (frontales Augenfeld, Abbildungen
unten). Dieses projiziert auf das zuständige Blickzentrum in der
kontralateralen pontinen formatio reticularis (PPRF). Dieses ist für
horizontale Augenbewegungen zuständig; ihr
Ausfall bedingt horizontale Blicklähmung.
Über den fasciculus longitudinalis medialis
werden von hier die Augenmuskelkerne (III: Oculomotorius, IV:
Trochlearis, VI: Abducens) in die Steuerung horizontaler
Vergenzbewegungen eingebunden - wie auch die Vestibulariskerne. Solche Verbindungen ermöglichen vestibulo-okuläre Reflexe (VOR).
Im Gegensatz zur horizontalen Blickmotorik werden die meisten vertikalen
Blickbewegungen bilateral
gesteuert - ebenfalls unter zerebraler und
Hirnstammkontrolle, letztere über das Mittelhirn (Prätektum, rostraler
interstitieller Kern des fasciculus longitudinalis medialis, nucleus
interstitialis Cajal, commissura posterior. Vertikale Sakkaden
erfordern die Beteiligung beider Seiten der formatio reticularis, die
über die commissura posterior miteinander kommunizieren (
Abbildung).
Für die Generierung schräger Sakkaden (also mit horizontalen und
vertikalen Komponenten) arbeiten pontine und mesenzephale
Neuronengruppen zusammen.

Abbildung: Steuerung vertikaler Augenbewegungen
Nach einer Vorlage in Ropper / Samuels / Klein, Adams and Victor's Principles of Neurology, 10th ed. 2014 (McGraw Hill)
Augenbewegungen
nach oben / unten werden unter Beteiligung von Neuronengruppen im
dorsalen Mittelhirn gesteuert: Des nucl. interstitialis Cajal, des
rostralen interstitiellen Kerns, des fasciculus longitudinalis medialis
und Teilen der Okulomotoriuskerne
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Vertikale Blickbewegungen
werden kortikal ausgelöst - durch simultane Aktivität beider frontalen Augenfelder. Den Kernen im Mittelhirn kommen dabei spezifische Aufgaben
zu (der rostrale interstitielle Kern des fasciculus longitudinalis medialis generiert vertikale Sakkaden, der nucl. Cajal hält den Muskeltonus
zum Halten der Hebung oder Senkung aufrecht). Projektionen zum
Okulomotoriuskern kreuzen für Hebung der Augen in der commissura
posterior die Seite, für Senkung können sie direkt (ohne
Seitenkreuzung) erfolgen.
Bilaterale Verschaltungen unter den blickmotorischen Kernen bewirken gleichsinnige (konsensuelle) Augenbewegungen.
Die Okulomotorik wird durch jeweils sechs äußere Augenmuskeln durchgeführt, die durch den III. (oculomotorius), IV. (trochlearis: m. obliquus superior) und VI. Hirnnerv (abducens: m. rectus lateralis) gesteuert werden:
Musculus rectus superior - Hauptfunktion: Hebung
(Elevation), Nebenfunktion: Einwärtsrollung (Inzyklorotation) bei
mäßiger Abduktion, Auswärtsrollung (Exzyklorotation) bei starker
Abduktion des Augapfels
Musculus rectus inferior - Hauptfunktion: Senkung (Depression), Nebenfunktion: Auswärtsrollung (Exzyklorotation) in maximaler Adduktion, Einwärtsrollung (Inzyklorotation) bei starker Abduktion
Musculus rectus medialis - stärkster Augenmuskel, Funktion: Adduktion (Bewegung zur Nase - gleichzeitige Aktivierung bei beiden Augen: Strabismus convergens, Schielen)
Musculus rectus lateralis - Funktion: Abduktion (Bewegung zur Schläfe - gleichzeitige Aktivierung bei beiden Augen: Strabismus divergens, Auseinanderschielen)
Musculus obliquus superior - Funktion: Senkung (Depression) mit Rollung des Auges nach innen (Inzykloduktion) und geringer Abduktion
Musculus obliquus inferior - Hauptfunktion: Rollung des Auges nach außen (Exzykloduktion), sowie Hebung bei Adduktion
Abbildung: Steuerung von Augenbewegungen
Nach einer Vorlage in Kandel / Koester / Mack / Siegelbaum (eds), Principles of Neural Sciences, 6th ed. 2021 (McGraw Hill)
Impulse
von der Netzhaut gelangen zu den oberen Vierhügeln und von dort direkt
zur Sehrinde (radiatio optica) und indirekt über geniculostriatale
Projektionen zu okzipitalen, parietalen und frontalen Rindengebieten.
Anregung aus dem frontalen Augenfeld löst Sakkaden im pontinen Zentrum für horizontale, und im mesenzephalen für vertikale Blickbewegungen aus.
Das parieto-okzipito-temporale Rindenfeld initiiert okuläre Folgebewegungen. Diese Zentren steuern die blickmotorischen Hirnnervenkerne (III, IV, VI).
Die colliculi superiores steuern Augenbewegungen, senden aber auch Projektionen zur Großhirnrinde (nicht gezeigt)
Die Vierhügelplatte projiziert auf die Brücke (PPRF = paramediane pontine retikuläre Formation) und steuert so die äußere Augenmuskulatur, z.B. den N. abducens (VI)
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Kortikale und subkortikale Steuerung: Präzise, kombinierte Ansteuerung
der äußeren Augenmuskeln im Hirnstamm (Kerne der Hirnnerven III
- N. oculomotorius, IV - N. trochlearis, VI - N. abducens) bewirkt diese
Bewegungen. Diese Steuerung unterliegt
der Kontrolle prämotorischer Reflex- und Integrationszentren, die auch
pulsatile Muster generieren.
Einen wesentlichen Einfluss hat das Kleinhirn (Vestibulocerebellum)
- Störungen in diesem Kleinhirnbereich können zu spontanen pathologischen
Augenbewegungen führen (zerebellärer Nystagus). Zentren im Frontal-, Parietal-, Okzipital-, auch
Temporallappen übernehmen integrative Steuervorgänge und erlauben die
willkürliche Beeinflussung der Okulomotorik (
Abbildung).
Augenbewegungen sind "glatt" (verlaufend), wenn sie Bewegungen des Kopfes oder von Gegenständen
so ausgleichen, dass der betrachtete Gegenstandspunkt auf die fovea
centralis projiziert bleibt; das verhindert das "Verrutschen" des
Netzhautbildes (Folgebewegungen). Sie werden vom Kortexareal koordiniert, das im Übergangsgebiet zwischen Okzipital-, Parietal- und Temporalhirn liegt (Abbildungen).
Die Registrierung von Augenbewegungen nennt man Okulographie. Über Elektrookulographie (EOG) s. dort.
Abbildung: Visuelle Informationsverarbeitung und an der Okulomotorik beteiligte kortikale Gebiete bei Primaten
Okzipitale
Regionen bearbeiten visuelle Inputs, der vestibuläre Kortex
Informationen aus dem Gleichgewichtssinn, das Parietalhirn orientiert
im Raum, das Frontalhirn koordiniert die Motorik.
Der ventrale Pfad im Temporallappen (WAS?) orientiert über Form und Struktur gesehener Objekte und informiert via Parahippocampus das Frontalhirn. Der ventrale Pfad regt die Bildung von Hauptwörtern an (Bezeichnung von Gegenständen).
Der dorsale Pfad im Parietallappen (WO?) informiert Gebiete im Frontallappen, welche die Okulomotorik steuern, über Lage und Bewegung gesehener Objekte. Der dorsale Pfad regt die Bildung von Verben an (Bezeichnung von Tätigkeiten).
Die Verbindungwege erlauben reziproken Informationsfluss (blaue Pfeile "vorwärts", rote "rückwärts"). Ventrale und dorsale Verarbeitungspfade existieren auch für andere Sinnessysteme (auditiv, somatosensorisch).
Intraparietale Areale (sulcus intraparietalis): anterior (AIP), lateral (LIP), ventral (VIP), medial (MIP)
MD = mediodorsaler Thalamuskern, TEO = temporal-okzipitales Rindengebiet, V1-V4 okzipitale visuelle Rindengebiete
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Kompensatorische
Augenbewegungen erfolgen "glatt" und werden durch den visuellen Reiz des "Abwanderns" eines
Fixationspunktes, sowie auch durch entsprechende Reizung des Innenohres ausgelöst; sie lassen sich nicht ohne diese Trigger herbeiführen (willkürlich gesteuerte Augenbewegungen sind immer sakkadisch).
Schließlich müssen die Augen beim Blick auf nahe Gegenstände von
paralleler zu gewinkelter Achsenlage wechseln, und umgekehrt beim Blick
auf entfernte Gegenstände (Vergenzbewegung).
Vestibulo-okuläre Reflexe
vgl. dort
Kommunikation der Steuerzentren: Die beschriebenen komplexen, raschen und präzisen Vorgänge sind möglich, weil die zuständigen Zentren über den fasciculus longitudinalis
medialis miteinander im Sinne von vestibulo-okulären Reflexen (VOR,
Abbildung) verbunden sind. VOR stabilisieren das Netzhautbild bei Kopfbewegungen durch Gegenbewegungen der Augen.
Die entsprechenden Reflexe werden durch neuronale Verbindungen ermöglicht, die von Vestibulariskernen, formatio reticularis und Augenmuskelkernen (III: oculomotorius, IV: trochlearis, VI: abducens) ausgehen.
Dreht man beispielsweise den Kopf nach rechts, steigt die Entladungsfrequenz der Neurone aus dem rechten, und sinkt diejenige aus dem linken
horizontalen Bogengang. Der rechte Vestibulariskern regt darauf hin den
linken Abducenskern an und hemmt die Aktivität des rechten
Abducenskerns. Die Wirkung auf die Oculomotoriuskerne unterstützt den
entsprechenden okulomotorischen Effekt, nämlich Linksrotation der Augen. So kann der Effekt der Kopfdrehung kompensiert, das Netzhautbild stationär gehalten werden.
Dazu kommt die Beteiligung von
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weiteren blickmotorischen Hirnstammzentren
Kleinhirn
colliculi superiores
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dem "okulomotorischen"
Thalamus
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dem
parietotemporalen Assoziationskortex,
supplementäre Augenfelder zur Steuerung von Sakkaden,
frontales Augenfeld, parietales Augenfeld, frontale blickmotorische Gebiete.
Präfrontaler Kortex und Spiegelneurone
Der präfrontale Kortex besteht aus mehreren Anteilen:
Die Präfrontalrinde erhält Impulse aus dem medio-dorsalen Thalamus, weist intensive
Verbindungen mit nichtlimbischen sensorischen Assoziationsgebieten auf und
erhält fortlaufend aufbereitete sensorische Information ("Aktuelles
aus der Umwelt").
Der Präfrontalkortex ermöglicht eine Abstimmung von sensorischen
Eingängen, Gedanken und Aktionen in Situationen, wo diese rasch
wechseln oder noch nicht eindeutig eingeordnet sind. Gleichzeitig berücksichtigt er die Stimmungslage; dazu
dienen die Verbindungen zum limbischen System. So ist der präfrontale
Kortex an der Generierung von
Verhaltensmustern beteiligt. Seine Funktion wird durch Stress deutlich beeinträchtigt (
s. auch dort).
Spiegelneurone
(mirror neurons) finden sich in mehreren motorischen Rindenarealen, wie im
prämotorischen Kortex und im Broca-Areal. Sie wurden 1991 zufällig bei Experimenten an Affen entdeckt.
Sie werden aktiv, wenn der Betroffene sich Bewegungen vorstellt oder
solche bei anderen beobachtet. Spiegelneurone wurden auch im Frontal- und Parietalhirn des Menschen nachgewiesen; auch Teile des (medialen) Temporalkortex könnten involviert
sein.
Spiegelneurone im prämotorischen Kortex sind reziprok mit Neuronen im
hinteren Parietalkortex verbunden (eine Region, die ebenfalls
Spiegelneurone enthält). Diese Zellen werden dann besonders aktiv, wenn
die beobachteten Bewegungen bereits bekannt sind und auf die eigene
Persönlichkeit bezogen werden (z.B. sprechen sie bei Balletteusen
stärker an, wenn Tanzbewegungen nicht von Männern, sondern von Frauen
durchgeführt werden). Kennt man die betreffende Bewegung, erhöht sich
automatisch der Tonus in den dafür zuständigen Muskeln.
Untersuchungen mit fMRI (funktionellem Magnetresonanz-Imaging)
haben gezeigt, dass der untere Frontal- sowie der obere Parietalkortex
hauptsächlich beteiligt sind, wenn Bewegungen - eigene oder fremde -
imaginiert werden. Spiegelneurone scheinen zu helfen, die Intentionen
anderer Personen zu verstehen (z.B. über den Gesichtsausdruck oder die
Körpersprache).
Defekte in diesem System erschweren es, das
Verhalten anderer Personen zu interpretieren, ihre Absichten zu
erkennen und beeinträchtigen die Fähigkeit zu sozialer Interaktion.
Orbitofrontaler Kortex
s. auch dort
Der orbitofrontale
Teil des Präfrontalhirns ist von seiner Funktion her assoziativ und eng
mit motorischen, sensorischen, anderen assoziativen, limbischen sowie
anderen subkortikalen Gebieten verknüpft. Innerhalb der orbitofrontalen
Rinde bestehen intensive reziproke Projektionen, u.a. für komplexe motorische Kontrolle
- insbesondere Gesichts- und Handsteuerung (Mimik, Greifen...).
Subkortikale Projektionen bestehen mit den Basalganglien (Striatum), dem Thalamus und dem zentralen Höhlengrau.
Diese Systeme haben mit Handlungsauswahl, zielgerichteter Bewegung,
Belohnung und Motivation zu tun.
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Abbildung: Präfrontalhirn
Nach einer Vorlage in thebrain.mcgill.ca
Das Frontalhirn modifiziert und kontrolliert emotionale Impulse des limbischen Systems.
Der ventromediale
Präfrontalkortex ermöglicht zusammen mit den Mandelkernen
emotionale und Risikoabschätzungen, Kontrolle des Verhaltens und
Entscheidungsfindung.
Der Orbitofrontalkortex
ist an Entscheidungsfindungen ebenfalls beteiligt; er ordnet
Erfahrungen bestimmten Erwartungshaltungen zu (belohnende / strafende
Erlebnisse) und beteiligt sich an adaptiven Lernprozessen im
emotionalen Bereich.
Der laterale Präfrontalkortex nimmt Teil an Arbeitsgedächtnis, Urteilsvermögen und Planung, kontrolliert Motivationen und beteiligt sich an der Stimmungslage

Ihre Beeinträchtigung bei Zwangsstörungen,
Drogenmissbrauch und -abhängigkeit (Aktivierung dopaminerger
Belohnungskreise?) sowie Formen der Demenz ist Gegenstand intensiver
Forschung. So wurde beobachtet, dass akuter Kokainentzug den
Stoffwechsel im orbitofrontalen Kortex proportional zum Drang, die
Droge zuzuführen, erhöht. Längerdauernde Abstinenz von Alkohol oder
Kokain senkt hingegen den Umsatz im Orbitofrontalkortex unter den Wert gesunder Vergleichspersonen.
Ventromedialer Präfrontalkortex
Die Funktionen des ventromedialen Teils des Präfrontalkortex (vmPFC) überschneiden sich mit denen des orbitofrontalen Teils. Sein Schwerpunkt liegt auf der Steuerung von Emotionen.
Seine neuronalen Verbindungen - und damit die volle Ausprägung der
Persönlichkeit - reifen mit der Adoleszenz, wo sie eine intensive
Zusammenarbeit z.B. mit den Mandelkernen aufbauen und u.a. den
Kortisolspiegel beeinflussen können. Geeignete Auslöser unterdrücken über das ventromediale
Frontalhirn emotionale Reaktionen.
Diese Regulation ist bei Personen mit Frontalhirnschaden
defekt, was Phänomene wie Wut, Frustration, Aggression, aber auch
soziale Muster wie Verantwortungsbewusstsein, Mitleid, Scham oder
Schuldgefühl einschließt.
Das ventromediale Präfrontalhirn ist weiters an persönlich und sozial
bedeutsamen Entscheidungsfindungen, sowie der Verarbeitung
längerfristiger Handlungskonsequenzen beteiligt.
Personen mit
ventromedialer Frontalhirnläsion haben Schwierigkeiten, langfristig zu planen, sie sind
auf kurzfristige Belohnungeffekte ihres Verhaltens aus. Weiters halten
sie sich in konkreten Situationen nicht an ihre moralischen Leitlinien,
auch wenn sie diese theoretisch nach wie vor bejahen.
Über die bewegungsfördernde Wirkung der motorischen Thalamuskerne und deren Hemmung durch Basalganglien s. dort
Näheres zum Broca-schen Sprachzentrum s. dort
Motorische Kontrolle: Integriertes Modell
vgl. dort
Die
speziellen motorischen Funktionen verschiedener Hirnregionen im Rahmen
der motorischen Kontrolle fassen die folgende Abbildung und Tabelle zusammen:
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Abbildung: Planung, Initiierung und Ausführung einer Willkürbewegung
Nach einer Vorlage bei Silverthorn, Human Physiology, an integrated approach, 4th Int'l ed. 2007, Pearson / Benjamin Cummings
Die Entstehung von Willkürbewegungen kann in
drei Abschnitte gegliedert werden: Planung, Auslösung und Ausführung.
Sinnesmeldungen (aus Tiefensensibilität, Gleichgewichtssinn, visuellen
Meldungen etc) können dabei genutzt werden, um Abweichungen zwischen
geplanter und tatsächlicher Bewegung zu erkennen und zu korrigieren.
Dabei spielt die Großhirnrinde eine Schlüsselrolle: Um eine Bewegung
richtig auszuführen, bedarf es einer entsprechenden Orientierung im
Raum (wo bin ich?), einer Entscheidung über die gewünschte Bewegung
(welche Muskeln sollen aktiviert werden?), eines Plans zur Ausführung
(wie soll die Bewegung ablaufen?) sowie der entsprechenden
Gedächtnisleistung (was habe ich soeben gemacht, was ist noch zu tun?)
Motorische Funktionen verschiedener Hirnregionen
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Nach Banich / Compton, Cognitive Neuroscience, 4th ed. 2018, Cambridge Univ. Press
|
morphologische Lage
|
Rechenleistung
|
Bewegungsplanung
|
Untere Parietalregion
|
Abschätzung der Lage der Extremitäten und des Zustandes motorischer Elemente
|
Supplementärmotorischer Komplex
|
Selektion und Auslösung von Bewegungen
|
Prämotorisches Rindenareal
|
Auswahl benötigter Bewegungsmuster
|
Frontales Augenfeld
|
Willkürliche Kontrolle von Sakkaden
|
Vorderer gyrus cinguli (posteriore Teile)
|
Auswahl zwischen konkurrierenden und Auslösung neuer Bewegungskomponenten, Blockade gewohnter Bewegungen
|
Bewegungsauswahl und -initiierung
|
Kleinhirn
|
Erstellung eines "Vorwärtsmodells"
|
Basalganglien
|
Umschalten zwischen, und Strukturierung von Bewegungsprogrammen
|
Motorischer Kortex
|
Ausführen von Bewegungen mit angemessener Kraft und Richtung
|
Bewegungsmonitoring
|
ACC (vorderer gyrus cinguli)
|
Evaluierung motorischer Wirkungen (korrekt? erwartet?)
|
Parietalkortex
|
On-line Anpassung von Bewegungen (sensorisches Feedback)
|
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Willkürbewegungen werden im Frontalhirn programmiert, ausgelöst durch
exzitatorische Impulse aus limbischem System, Hypothalamus u.a.
Kortikale Bereitschaftspotentiale treten schon ~1s vor einer - auch nur
gedachten - Bewegung auf
Nach dieser motivationalen Anregung rufen
Basalganglien und Kleinhirn Bewegungsprogramme ab, die über den Thalalmus den motorischen Kortex
erreichen
Im primär-motorischen Kortex (vordere Zentralwindung) sind
Bewegungsmuster somatotop repräsentiert (motorischer Homunculus). Die
somatosensorische Rinde und weitere Teile des Parietallappens beteiligen sich
an der Organisation von Willkürbewegungen
Große Pyramidenzellen (lamina V)
schalten auf motorische Vorderhornzellen funktionell verbundener
Muskelgruppen (Bewegungsabläufe); auf inhibitorische Interneurone, die
jeweilige
Antagonisten
hemmen; und auf subkortikale Zentren der sensomotorischen
Informationsverarbeitung. Kollateralen gelangen zu Thalamus,
Basalganglien und Kleinhirn (Rückkopplung zur
Bewegungsplanung)
Der prä- und supplementärmotorische Kortex (area 6) wird vom
Ventrolateralkern des Thalamus angeregt (auf den die Basalganglien
projizieren). Der prämotorische Kortex setzt motorische Pläne in
neuronale Muster um (Timing, Zielorientierung, Blicksteuerung) und
enthält auch Spiegelneurone; der supplementärmotorische Kortex
berechnet willkürliche Bewegungsabläufe, wacht über stabile
Körperhaltung beim Gehen und Stehen, koordiniert Handbewegungen und
projiziert direkt auf motorische Vorderhornzellen
Das frontale Augenfeld ist die höchste Hierarchieebene der
Blickmotorik; es steuert Augenbewegungen und wählt Ziele der
Blickmotorik aus. Die Großhirnrinde vermittelt willkürliche
Augenbewegungen,
prämotorische Zentren steuern Reflexbewegungen, das Kleinhirn adaptiert
motorische Muster
Sakkaden sind ruckartige Augenbewegungen beim Wechsel auf einen neuen
Blickpunkt (auch im Rahmen von Nystagmen) und werden im frontalen
Augenfeld ausgelöst. Willkürlich gesteuerte Augenbewegungen sind immer
sakkadisch
Okzipitale Regionen bearbeiten visuelle Reize, der vestibuläre Kortex
Informationen aus dem Gleichgewichtssinn, das Parietalhirn orientiert
im Raum, das Frontalhirn koordiniert die Motorik
Vestibulo-okuläre Reflexe (VOR) sind durch Verschaltung verschiedener
Neuronengruppen durch den fasciculus longitudinalis medialis möglich:
Augenmuskelkerne (III: oculomotorius, IV: trochlearis, VI: abducens),
formatio reticularis, blickmotorische Hirnstammzentren, Kleinhirn,
colliculi superiores, okulomotorischer Thalamus, parietotemporaler
Assoziationskortex, frontale blickmotorische Gebiete sind so
untereinander verknüpft
Der orbitofrontale Kortex koordiniert Mimik, Greifbewegungen,
phonetische Reizverarbeitung, akustisch-räumliche Analyse, Objekt- und
Raumerkennung. Er kommuniziert mit Insel, Hippokampus,
parahippokampalem Komplex, Mandelkernen und Hypothalamus
(Gefühlsleben). Er projiziert auf Basalganglien, Thalamus und zentrales
Höhlengrau (Handlungsauswahl, zielgerichtete Bewegungen, Belohnung,
Motivation)
Der ventromediale Präfrontalkortex kontrolliert Emotionen, beteiligt
sich an sozialen Entscheidungsfindungen und wägt längerfristige
Konsequenzen von Handlungen nach Maßgabe moralischer Leitlinien ab
|

Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen:
Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie
sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und
Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.