Deklaratives (
explizites, bewusstes) Gedächtnis (
Wissensgedächtnis) ermöglicht die Wiedergabe von Fakten und Episoden (
"wissen, dass"). Diese Inhalte werden vorwiegend im (mittleren)
Temporalhirn
(insbesondere dem
Hippocampus) gespeichert (elektrische Reizung des Temporalhirns kann vergessen
geglaubte Erinnerungen aktivieren).
Beidseitige Läsionen des Hippocampus
führen zu antegrader Amnesie, d.h. neue Gedächtnisinhalte können nicht
mehr gespeichert werden.
Man unterscheidet im Rahmen explizierter Gedächtnisinhalte
semantisches (konzeptbasiertes: Fakten, Bedeutungen),
episodisches (autobiografischen: Kontext - was, wann, wo, warum),
räumliches (Orte) - eine Domäne des entorhinalen Kortex,
soziales Gedächtnis (Personen) - insbesondere durch CA2-Neuronen.
Nicht-deklaratives (
implizites, nicht-bewusstes) Gedächtnis (
Verhaltensgedächtnis) ermöglicht, zu
"wissen, wie".
Dazu zählt auch die (unbewusst gesteuerte) korrekte Grammatik der
Sprache. Sitz des impliziten Gedächtnisses sind insbesondere das
Kleinhirn (motorische Fähigkeiten) und die
Mandelkerne (emotionale Reaktionen).
Das
prozedurale Gedächtnis lernt und speichert Bewegungsabläufe (motorische Fertigkeiten -
skill memory) vor allem im Bereich der Basalganglien (
Striatum) - das Kleinhirn konzentriert sich auf die Präzision der Bewegungsdurchführung.
Klassische
Konditionierung beeinflusst Reflexe in einer Weise, dass sie durch erlernte Verknüpfungen ausgelöst werden können (Pawlow-Versuch

).
Basalganglien und Kleinhirn beteiligen sich an der Bildung des impliziten Gedächtnisses
|
Unbewusste
Hinweisreize werden im gesamten Neokortex verwaltet
(Priming, Bahnung: Ein Reiz - Wort, Bild, Geruch u.a. - aktiviert assoziativ implizite Gedächtnisinhalte).
Abbildung: Mechanismen der Langzeitpotenzierung
Nach einer Vorlage bei thebrain.mcgill.ca
Langzeitpotenzierung (LTP, long-term potentiation) intensiviert die Synapsenwirkung und tritt nach intensiver Aktivität (>100 Hz)
eines präsynaptischen Neurons auf. Es reicht eine relativ kurze
Aktivierungsdauer (<0,1 s), die Wirkung hält aber dann lange an,
weil sie nicht nur auf der Aktivierung von Enzymketten (rascher Abbau der Produkte), sondern auch
der Neubildung von Proteinen beruht.
Ausreichende postsynaptische Depolarisierung dendritischer Dornfortsätze (dendritic spines) beendet an NMDA-Rezeptoren den
Magnesiumblock (
s. dort) und ermöglicht die Einwärtsdiffusion von Ca++-Ionen. Intrazelluläre Ca++-Ionen aktivieren zahlreiche Enzyme, u.a. Calmodulin; Ca++-Calmodulin ist der entscheidende Signalstoff für die Langzeitpotenzierung: Es aktiviert weitere Enzyme, wie Adenylylcyclase (Adenylatzyklase) und die Ca++-Calmodulin-abhängige Proteinkinase (CaM-Kinase II
), die sich selbst phosphoryliert.
Dadurch halten ihre Wirkungen lange an. CaM-Kinase II phosphoryliert
AMPA-Rezeptoren, MAP-Kinasen (diese beteiligen sich am Aufbau von
Dendriten) oder auch NMDA-Rezeptoren (weiterer Calc
iumeinstrom).
cAMP katalysiert die Aktivität der Proteinkinase A (PKA);
diese phosphoryliert AMPA-Rezeptoren, und diese bleiben länger geöffnet,
wenn sie Glutamat binden - die Synapse bleibt länger aktiviert, die
postsynaptische Zelle länger depolarisiert; dies trägt zur
Langzeitpotenzierung bei.
CREB
ist ein weiteres Zielprotein für die Langzeitpotenzierung, es lagert
sich an CRE (cAMP-responsives Element) der DNA und steuert dadurch
Schritte der Proteinsynthese.
Dendritische Dornfortsätze können je nach Beanspruchung der
synaptischen Apparate ihre Größe, Gestalt und Zahl verändern. Neben
diesen postsynaptischen
Veränderungen können im Rahmen von Langzeitpotenzierung /
Langzeitdepression auch präsynaptische Adaptierungen auftreten (z.B.
durch Stickstoffmonoxid), etwa durch Veränderung der freigesetzten Glutamatmenge

Langzeitpotenzierung (LTP: Long-term potentiation) ist die Zunahme der Synapsenstärke, die für mindestens eine Stunde anhält. Das Gegenteil ist Langzeitdepression (LTD, long-term
depression),
die sich (bei niedriger Reizfrequenz, z.B. 10/s) an denselben Synapsen
bemerkbar machen kann, an denen (bei hoher Reizfrequenz, z.B. einige
hundert Aktionspotentiale bei 50 Hz) Langzeitpotenzierung erfolgt. Eine
Schlüsselrolle spielt dabei das intrazelluläre [Ca
++]
- ist es hoch, werden vor allem Kinasen, ist es niedrig, vor allem
Phosphatasen aktiviert (s. unten). Voraussetzung für
Langzeitpotenzierung ist eine
ausreichende Depolarisierung
der Empfängerzelle, die durch hohe Reizfrequenz erreicht werden kann
(einzelne oder niedrigfrequente Stimuli sind dazu nicht in der Lage).
Langzeitpotenzierung wurde ursprünglich bei Neuronen des (auf die
Speicherung von Gedächtnisinhalten spezialisierten) Hippocampus
beobachtet, tritt aber auch in vielen anderen Hirnregionen auf.
Inputspezifität:
Langzeitpotenzierung / Langzeitdepression bezieht sich nur auf die
jeweils aktivierten Synapsen bestimmter Zellen, andere Synapsen sind
nicht betroffen.
Dies sind
fundamentale Mechanismen zur Bildung eines Gedächtnisses (z.B. im Hippocampus) und sind besonders für ionotrope Glutamatrezeptoren gut untersucht:

Wird die Membran stärker depolarisiert, dann
dissoziiert Mg++ vom Ionenkanal des NMDA-Rezeptors, und dieser lässt bei Glutamatbindung Ca
++-Ionen
eindringen.

Diese aktivieren Proteinkinasen, welche AMPA-Rezeptoren phosphorylieren.

Das wiederum fördert die Einlagerung von
AMPA-Rezeptoren in die postsynaptische Membran ("
AMPAfizierung").
Dadurch wird der Na
+-Einstrom bei Erregung
intensiviert, und Calciumeinstrom triggert eine Reihe nachhaltiger
Veränderungen im postsynaptischen Apparat (
Abbildung).
Präsynaptische Aktionspotentialsalven führen zu Glutamatfreisetzung und postsynaptischen EPSPs durch Kationeneinstrom
An nicht
aktivierten glutamatergen Synapsen sind die NMDA-Rezeptoren durch
Magnesiumionen blockiert
Vordepolarisation öffnet NMDA-Rezeptoren, Ca++ strömt ein. Ca++-aktivierbare
Proteinkinase phosphoryliert AMPA-Rezeptoren, die in die
postsynaptische Membran eingelagert werden ("AMPAfizierung"), Na+ strömt ein und verstärkt die Depolarisation (Langzeitpotenzierung LTP)
|
Veränderungen wie die hier geschilderten können überall im Nervensystem zur Bildung von
Erinnerungsspuren bzw. zur Modifikation bestehender
Gedächtnisinhalte und Regelkreise herangezogen werden. Die Dynamik der
Rezeptoreinlagerung zeigt sich im Wechselspiel zweier glutaminerger
Ionenkanäle - dem NMDA-
(N-methyl-d-aspartate) und dem AMPA- (α-amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolepropionic acid) Rezeptor, die hier noch einmal zusammengefasst ist:

Unter Basisbedingungen (
Ruhepotential)
bewirkt - präsynaptisch freigesetztes - Glutamat an AMPA-Rezeptoren (
AMPAR) geringgradigen postsynaptischen Natriumeinstrom, NMDA-Rezeptoren (
NMDAR) sind hingegen durch Magnesiumionen (
Mg2+) blockiert.

Ist die postsynaptische Membran
depolarisiert (geringeres Ruhepotential), lösen sich Magnesiumionen vom NMDAR,
der Magnesiumblock wird durchbrochen, Natrium- und (vor allem)
Calciumionen können bei Bindung von Glutamat einströmen. Erhöhtes [Ca
++]
in der Zelle aktiviert Kinasen und triggert so zelluläre Reaktionen,
wie vermehrte Einlagerung von AMPAR in die postsynaptische Membran.
Solange der postsynaptische Fortsatz depolarisiert und der
Magnesiumblock aufgehoben ist, wirkt Glutamat am Dendriten-Dornenfortsatz
(dendritic spine) weiter aktivierend.

AMPAR zirkulieren zwischen intra- und
extrazellulärer Position
(Recycling). Dieses dynamische Gleichgewicht
kann durch vermehrte Einlagerung von Rezeptoren in Richtung
Langzeitpotenzierung (
LTP), oder durch deren vermehrte
Endozytose in Richtung
Langzeitdepression (
LTD) verschoben werden.

Nach Induktion einer
Langzeitpotenzierung
durch fortlaufende ("tetanische") Reizung verstärkt sich die Exozytose
von AMPAR ("AMPAfizierung"), und die Rezeptoren werden durch einen Ca
++-abhängigen
Prozess unter Wirkung von Protein
kinasen - u.a. CaMKII - und Fusion von
Endosomen (durch die GTPase Rab11a) in der Membran stabilisiert. Resultat ist die Konservierung von Gedächtnisspuren.

Niedrige Stimulationsstärke induziert
Langzeitdepression,
dabei verstärkt sich die Endozytose von AMPAR, wobei
Phosphatasen
- wie
Calcineurin oder Proteinphosphatase 1 (PP1) - eine Rolle spielen. Die
Rezeptoren werden in der Zelle gespeichert oder abgebaut. Dieser
Mechanismus ist ein Gegengewicht zur Langzeitpotenzierung und dient der
Feineinstellung ("Schärfung") von Gedächtnismustern.
Der NMDA-Rezeptor ist ein "
Koinzidenzdetektor"
- er öffnet, wenn mehrere Bedingungen gleichzeitig zutreffen:

Ausreichende Depolarisierung der postsynaptischen Membran, um den "
Magnesiumblock" an NMDA-Rezeptoren zu beseitigen

Bindung von Glutamat an Glutamatrezeptoren

Bindung von Glyzin oder Serin an Glyzin-Bindungsstellen
Die Stärke des Calciumeinstroms durch den NMDA-Rezeptor zeigt das Ausmaß der prä-postsynaptischen Koaktivierung an.
Calciumabhängige Signalwege in der Zelle bewirken Phosphorylierung und
Einlagerung zusätzlicher AMPA-Rezeptoren in die postsynaptische
Membran, was wiederum deren EPSPs vergrößert. Das erhöht auch die
Wahrscheinlichkeit für die Aktivierung weiterer Glutamatrezeptoren.
Je öfter der präsynaptische und
postsynaptische Teil gleichzeitig (oder knapp nacheinander)
aktiviert sind, umso intensiver ist die
Auswirkung auf die Synapse und deren Kapazität (
synaptische Potenzierung) - man spricht auch von
spike-timing dependent plasticity (STDP).

Die
durch AMPA-Rezeptoren erfolgte
Depolarisierung ist der primäre
sensitierende Vorgang: Depolarisierung der postsynaptischen Membran
ermöglicht prä-postsynaptische Koinzidenzdetektion durch
NMDA-Rezeptoren.
Es geht auch umgekehrt: Ist die Koinzidenz nur schwach oder gar
nicht gegeben, nimmt die Kraft der synaptischen Übertragung ab
(
synaptische Depression).

Nach
wiederholter gleichzeitiger Erregung
des prä- und postsynaptischen Neurons (Koinzidenz) bilden sich für Tage
bis Wochen (manchmal auch länger) verstärkte synaptische
Übertragungen aus.
Calciumionen aktivieren Proteinkinasen, Phospholipasen und neuronale
NO-Synthase (nNOS), was u.a. zu Verstärkung der
Synapsenwirkung und auch Erhöhung der
Synapsenzahl führt. Im postsynaptischen Teil werden
AMPA-Rezeptoren in die Membran eingebaut, die synaptische Kapazität
steigt (Langzeitpotenzierung
: "
Neurons that fire together wire together").
Langzeitpotenzierung erhöht in Pyramidenzellen die Amplitude erregender
postsynaptischer Potentiale (EPSPs) über Stunden bis Tage.

Werden der prä- und postsynaptische Teil hingegen desynchron oder nur schwach aktiviert
(fehlende oder unzureichende Koinzidenz), werden AMPA-Rezeptoren internalisiert
(endozytiert), die Synapseneffizienz nimmt ab, und es kann zur
Zurückbildung der Synapse kommen (Langzeitdepression
: "
Neurons that fire out of sync lose their link").
Zusätzlich hat man auch NMDAR-unabhängige Langzeitdepression beobachtet, diese funktioniert über metabotrope
Glutamatrezeptoren (mGluR,
Abbildung unten). Ferner gibt es außer NMDAR auch andere Koinzidenzdetektoren, z.B. Phospholipase C an hippocampalen Synapsen - präsynaptisch und postsynaptisch.