

Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
Physiologie des Schlafes
© H. Hinghofer-Szalkay

Chaperone: engl. chaperone = Begleiter, Anstandsdame (von lat. cappa, Kappe)
Epiphyse: ἐπίφυσις = Auf-Wuchs, aufsitzendes Gewächs
Hypnogramm: ὕπνος = Schlaf, γραφή = Aufzeichnung, Schrift
Koma: κῶμα = tiefer Schlaf
Melatonin: μέλας = schwarz, τόνος = Saite, Spannung, Ton
nucleus suprachiasmaticus: supra = über, χίασμα = Kreuzung (der Sehnervenbahn)
(Poly-) Somnographie: πολύς = viel (mehrere), somnus (lat) = Schlaf, ambulare = umhergehen
Rhythmus: ῥυθμός = Takt
zirkadian: circa = um...herum, dies = Tag
Die miteinander verschalteten Neuronen des hypothalamischen nucleus suprachiasmaticus haben
eine zirkadiane Entladungscharakteristik. Sie zeigen sie auch als
isolierte Zellen: der Rhythmus ist genetisch gesteuert. Mit dieser "master clock"
oszillieren Proteinsynthese und viele systemische Funktionen im
Tagestakt.
Die Spontanrhythmik des suprachiasmatischen Kerns wird durch den Helligkeitsrhythmus in der Umwelt synchronisiert; insbesondere blaues Licht regt Melanopsin fotosensitiver
Ganglienzellen in der Netzhaut an. Auch Melatonin (Zirbeldrüse) und
Serotonin (Raphekerne) wirken anregend bzw. modifizierend auf den
nucl. suprachiasmaticus, der seinerseits auf Hypothalamus, Mittelhirn
und ganglion cervicale superius projiziert.
Zu schlafinduzierenden Stoffen gehören

-- Interleukin 1 (höchste Blutwerte zu Beginn der Schlafphase)

-- Adenosin (hemmt anregende Neurone: serotoninerg - Raphekerne; noradrenerg - locus coeruleus)

-- Stickstoffmonoxid (NO) - regt die Bildung von Adenosin an

-- Melatonin (Licht von <500 nm unterdrückt die Melatoninsynthese).
Schlaf erfolgt in verschiedenen Phasen: Man unterscheidet

Tiefschlaf (delta-Rhythmus im EEG, hoher Parasympathikustonus, hohe Weckschwelle)

Traumschlaf (REM: rapid eye movements, Muskelparalyse, hohe sympathische Aktivität).
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Wozu schlafen?
Zentren & zirkadianer Rhythmus
Neurophysiologische Mechanismen
Schlaf und Alter
Schlafinduktoren
Melatonin
Schlafstadien
REM-Schlaf
Schlafstörungen
Core messages
Wir "verschlafen" etwa 25 Jahre unseres
Lebens; was
die Funktion von Schlafen und Träumen ist und was genau währenddessen
im Gehirn vor sich geht, ist trotz zahlreicher detaillierter Beobachtungen und
Untersuchungen nicht vollständig geklärt. Elektrophysiologische (wie EEG, EOG, EMG),
laborbiochemische (Hormone und andere Wirkstoffe, Blutgase) und
immunologische Untersuchungsmethoden gehören zu den häufigsten,
die hier zum Einsatz gelangen.
Schlaf spart Energie, fördert Reparaturprozesse und konsolidiert das Gedächtnis
Schlaf
ist ein vorübergehender, reversibler Bewusstseinsverlust, verursacht durch Hemmung des
aktivierenden retikulären Systems.
Die
bewusste Verarbeitung von Umgebungsereignissen wird blockiert, der
Energieverbrauch insgesamt reduziert (kaum Muskelaktivität, langsame
Atmung,
niedriger Blurdruck im NREM-Schlaf), Regenerationsprozesse werden
gefördert (die
Proteinsynthese wird im Tiefschlaf unterstützt durch hohe
Wachstumshormonproduktion; das Immunsystem profitiert von regelmäßigem
Schlaf). Die über die Glia vermittelte Reinigung des Gehirns von
Stoffwechselendprodukten (z.B. ß-Amyloid) ist im Schlaf intensiver als
im Wachzustand. Auch verbessert Schlaf die Konsolidierung neuer
Gedächtnisinhalte (Lernen ist bei Schlafmangel erschwert).
>Abbildung: Steuerung des Wach-Schlaf-Zyklus
Nach Mignot E, Taheri S, Nishino S. Sleeping with the hypothalamus: emerging therapeutic targets for sleep disorders. Nature Neurosci 2002; 5 Suppl:1071-5
Der
suprachiasmatische Kern funktioniert als "innere Uhr" und steuert den
ventrolateralen präoptischen Kern des Hypothalamus. Von hier ziehen
GABAerge Bahnen zum posterioren Hypothalamus, Mittelhirn und
verlängerten Mark (Hirnstamm) und hemmen dort die Weckfunktion ("arousal") an den
Thalamus (Schlafinduktion).
Die weckenden Regionen hemmen ihrerseits die Aktivität des ventrolateralen präoptischen Hypothalamus

Der Tag-Nacht-Zyklus gibt eine Umwelt mit rhythmischen
Änderungen vor, auf die sich Organismen einstellen. Stabile Schlaf-Wach-Struktur
stellt sich auch ohne äußere "Zeitgeber" ein (endogener Rhythmus); diese spontane zirkadiane
Periodik
hat im Mittel eine Periodendauer von 24,1 Stunden (pro Tag um 6 Minuten
mehr als 24 Stunden). Die zirkadiane Rhythmik wird durch GABAerge
Neurone im hypothalamischen nucleus suprachiasmaticus (>Abbildung) gesteuert - angeregt durch eine Gruppe von Genen ("clock genes"),
die einen Transkriptions / Translationszyklus mit einer Periodendauer
von etwa 24 Stunden durchlaufen.
2017 erhielten Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young
den
Nobelpreis für Physiologie oder Medizin „für ihre Entdeckungen
betreffend die molekularen Kontrollmechanismen des circadianen
Rhythmus“ - untersucht an der Fruchtfliege Drosophila melanogaster.
Hall und Rosbach entdeckten, dass sich das Protein PER während der
Nacht im Zellkern akkumuliert und während des Tages abgebaut wird,
synchron mit dem zirkadianen Rhythmus. Sie vermuteten, dass das Protein
seine eigene Synthese hemmt, indem es das Period-Gen
blockiert. Da Proteine im Zytoplasma entstehen, war die Frage, wie PER
in den Zellkern gelangt. Young entdeckte ein zweites Gen (timeless),
welches ein Protein namens TIM codiert und konnte zeigen, dass die
beiden Proteine als Komplex (Dimer) in den Zellkern wandern und das
Period-Gen
blockieren. Beim Menschen wirken die Proteine BMAL1 und CLOCK als die
Proteine, die im Zytoplasma dimerisieren, als Komplex in den Zellkern
gelangen und die Transkription zahlreicher Gene steuern.
Biorhythmen und Zentren der Schlafsteuerung
Schlaf tritt unabhängig davon auf, ob sensorische Afferenzen
funktionieren oder blockiert sind. Der Wachzustand muss vom Arousal-System (ARAS) im Hirnstamm
angeregt und
aufrechterhalten werden (ein
Ausfall dieses Systems verursacht tiefe Bewusstlosigkeit und Koma
.)
Das ARAS regt die Hirnrinde sowie
rhythmische Entladungen im Thalamus an. Mehrere
interagierende Hirnregionen spielen für Auftreten, Organisation
und Beendigung des Schlafes eine Schlüsselrolle:
Ein Vorderhirnsystem (ab dem Mittelhirn), das Tiefschlaf (
slow-wave sleep SWS, auch
NREM3)
generieren kann, wenn es nicht aus dem Hirnstamm zu Wachsein und
Aufmerksamkeit angeregt wird. Schlaf wird vom
basalen Vorderhirn getriggert, einer Region im ventralen Frontallappen und vorderen
Hypothalamus (Läsionen dieses Gebietes führen zu Schlafstörungen,
elektrische Reizung induziert Schlaf). GABAerge (inhibierende)
Projektionen aus diesem Gebiet führen in den posterioren Hypothalamus
(nucl. tuberomamillaris) und das Arousal-System im Hirnstamm.
Das aktivierende aszendierende retikuläre System im Hirnstamm - vom tiefen Mittelhirn bis in die medulla oblongata - aktiviert das Vorderhirn. Seine dessen Blockade führt zu Tiefschlaf.
Ein pontines System triggert REM-Schlaf ("REM-on"-Neurone). Sein Zentrum
liegt in einer subcoeruleären Region unmittelbar ventral vom nucleus coeruleus.
Seine glutamatergen Projektionen in die medulla oblongata aktivieren
dort GABA- und glyzinerge Neurone, deren Axone motorische
Vorderhornzellen im Rückenmark inhibieren - die Muskeln sind wie
schlaff gelähmt.
Ein hypothalamisches System,
das die anderen drei Systeme beeinflusst und über Wach- oder
Schlafeinstellung entscheidet. Im lateralen Hypothalamus finden sich
Neurone, die Hypocretin (Orexin) produzieren (
s. unten)
und auf die oben erwähnten drei Gebiete projizieren. Sie ermöglichen
ein geordnetes Umschalten zwischen Wachzustand, REM- und NREM-Schlaf.
Verlust der orexinergen Nervenzellen führt zu Narkolepsie, einer Form von pathologischer, anfallsartiger Schlafsucht.
Die Aktivität des
präfrontalen Kortex (rationale Ordnung und
Kontrolle) und der
Sehrinde (Verarbeitung von optischen Signalen)
ist im Schlaf herabgesetzt, letztere vor allem im REM-Schlaf. Die Aktivität z.B. von Hirnstamm und limbischem System
(Bildung anregender Impulse, Verwaltung emotionaler Erlebnisinhalte)
steigt hingegen an. In diesem Zustand
werden vermutlich zufallsartig ("chaotisch") Impulse generiert, die "von innen"
und nicht aus der Umwelt verursacht und der Kontrolle des Frontalhirns
entzogen sind; damit würden sich wirre, zusammenhanglose Trauminhalte
erklären.
Der Thalamus koordiniert die
Membranpotentialverläufe kortikaler Zellen, was EEG-Wellen verursacht. Der Wachzustand generiert Beta- und Gamma-Wellen (15-40 pro Sekunde), bei geschlossenen Augen oder beim "Dösen" treten über dem Frontal- und Okzipitalhirn α-Wellen auf. Elektroenzephalographie wird zur Beurteilung von
Wachzustand bzw. Schlaftiefe genutzt.
Der zirkadiane Oszillator im nucleus suprachiasmaticus wirkt auf
hypothalamische Kerne, welche ihrerseits zirkadiane
Rhythmen - wie den
Schlafrhythmus - beeinflussen.
Zirkadiane Information wird auch übertragen vom nucleus suprachiasmaticus auf die Zirbeldrüse (=Epiphyse, glandula pinealis) und retour über Melatonin
ARAS: Aktivierendes aszendierendes retikuläres System

Der hypothalamische nucleus suprachiasmaticus
hat nur ~0,3 mm3 Volumen und liegt direkt über der Sehnervenkreuzung (chiasma opticum). Er ist während der Tages/Lichtphase am aktivsten und gibt die zirkadiane Spontanrhythmik vor (zirkadianer Oszillator). Seine Neurone sind GABAerg und projizieren auf die in seiner Nähe liegende subparaventrikuläre Zone (nucl. subparaventricularis, <Abbildung) im vorderen Hypothalamus.
Dieses Gebiet enthält vor allem GABAerge Neuronen, die in der Nacht am
aktivsten sind (Antiphase). Seine Projektionsgebiete im Hypothalamus
überlappen sich mit denen des nucl. suprachiasmaticus. Ein besonders
wichtiges Ziel ist der nucleus dorsomedialis;
er reguliert u.a. den Schlaf-Wach-Zyklus (stabilisiert vermutlich den
Wachzustand), aber auch den Tagesrhythmus der Nahrungsaufnahme, der
motorischen Aktivität und der Bildung von Corticosteroiden.
Nicht nur die Zellen im nucl.
suprachismaticus, sondern praktisch alle Körperzellen zeigen
Schwingungsmuster in der Proteinsynthese; sie werden so
synchronisiert, dass sie dem suprachiasmatischen Kern als "master
clock" folgen - vermittels Körpertemperatur (hypothalamisch gesteuert),
autonomes Nervensystem, Hormone (z.B. CRH) und Somatomotorik (z.B.
Nahrungsaufnahmeverhalten).

>Salvador Dali: Der Schlaf (Le Sommeil)
Öl auf Leinwand, 1937. Private Sammlung

Afferenz: Die kleinen Neurone des nucl. suprachiasmaticus haben sehr
große rezeptive Felder in der Netzhaut, die auf Helligkeit reagieren
(blaues Licht). Spezielle Rezeptoren der Netzhaut (intrinsisch
photosensitive Ganglienzellen, intrinsically photosensitive retinal ganglion cells ipRGCs) mit einem eigenen Sehpigment
(Melanopsin) projizieren glutamaterg über den tractus retinohypothalamicus auf den nucleus suprachiasmaticus.
Auf diese Weise wird die "innere Uhr" entsprechend dem externen
Tag-Nacht-Rhythmus (der sich auch ändern kann) nachadjustiert werden.
Die ~ 50.000 Neurone des nucleus suprachiasmaticus sind
untereinander verbunden (gap junctions? Beteiligung von Gliazellen?), ihre Potentiale oszillieren in einem zirkadianen Rhythmus. Melatonin (aus der Zirbeldrüse, glandula pinealis) und Serotonin
(Projektion von Raphekernen im Hirnstamm) beeinflussen seine Aktivität.
Spontanrhythmik: Die Schrittmacherfunktion bleibt auch in isolierten Neuronen des nucl. suprachiasmaticus erhalten und hängt mit der
Funktion bestimmter Gene zusammen. Dabei kommt es zu einem Wechselspiel von Genen und Proteinen, die deren Transkription beeinflussen (transcriptional-translational loop):
Die Proteine CLOCK und BMAL1 dimerisieren im Zytoplasma, wandern als Dimer durch die Kernhülle und wirken im Zellkern als Transkriptionsfaktoren, die an eine Promotorregion (E-Box) hunderter verschiedener Gene binden. So steigern sie u.a. die Expression der Gene Period 1 und 2 (Per1/Per2) sowie Cryptochrom 1 und 2 (Cry1/Cry2). Deren Produkte PER und CRY
dimerisieren im Zytoplasma mit einer Kinase zu einem Proteinkomplex,
der in den Zellkern eindringt und BMAL1 und CLOCK von der E-Box
dissoziieren lässt - was die Per- und Cry-Gene inaktiviert. Damit wird
auch die weitere Synthese von PER und CRY verhindert, und mit
Verzögerung können BMAL1 und CLOCK wieder dimerisieren und die Gene Per
und Cry erneut anregen - der Zyklus beginnt wieder von vorne.
Diese
Rückkopplung erfolgt mit Verzögerung, was ein Schwingverhalten (Oszillationen) ergibt. Resultat ist ein rhythmisches Auf und Ab der Genexpression und damit der Eiweißsynthese: Die
Phasenlänge beträgt
etwa 24 Stunden. Solche "Genuhren" schwingen in Zellen überall im
Organismus (nicht nur im Gehirn) und beeinflussen z.B. die Sekretion
von Verdauungshormonen, die Ausschüttung von Hormonen, den Stoffwechsel
der Leberzellen, die Funktion des kardiovaskulären Systems
(Blutkreislauf). Die Synchronisierung
all dieser lokalen zirkadianen Rhythmen (die - wenn isoliert - um bis
zu einer Stunde pro Tag vom 24-h-Takt abweichen können) erfolgt durch
den nucl. suprachiasmaticus über autonome, endokrine und andere
Einflüsse (Körpertemperatur) in die Peripherie.
Efferenz: Die Neurone des nucl. suprachiasmaticus projizieren ihrerseits auf Neurone anderer Hirnregionen, die wiederum Strukturen triggern, welche die Rhythmnik von Schlaf, Körpertemperatur, endokrine Aktivität u.a. beeinflussen.
Zum
Einfluss biologischer Rhythmen und diverser Störfaktoren auf Art und
Betrag verschiedener physiologischer / klinischer Messgrößen s. dort
Wie funktioniert das Schlafen?
Schlaf wird durch Aktivität vorwiegend GABAerger Zellgruppen im vorderen Hypothalamus - dem ventrolateral-präoptischen (VLPO) Kern (auch: intermediate nucleus of the preoptic area IPA) -, im laterealen Hypothalamus, im Kern des nucleus accumbens, sowie in der medulla oblongata (parafacial zone PZ) induziert und stabilisiert.
Schlaf zeigt sich auch bei Würmern, Insekten, Vögeln
und Reptilien, es gibt beträchtliche Speziesunterschiede (bei Tümmlern
"schlaft" jeweils eine Hirnhälfte, viele Tierarten zeigen
"Sekundenschlaf"); nur Säugetiere und einige Vogelarten zeigen auch REM-Schlaf.
<Abbildung: Schlüsselkomponenten der modulatorischen Systeme für die Regulierung von Wachsein und Schlaf
Kombiniert nach Vorlagen in Bear / Connors / Paradiso,
Neuroscience - Exploring the Brain, 4th Ed Williams & Wilkins 2015,
und Saper CB, Scammell TE, Lu J. Hypothalamic regulation of sleep and circadian rhythms. Nature 2005; 437: 1257–63
Zu aufsteigenden "Weck"-Impulsen (blau) zählen noradrenerge aus dem locus coeruleus, serotoninerge aus den Raphekernen (beide: pons), histaminerge aus dem tuberomamillären Kern und dopaminerge
aus dem zentralen Höhlengrau (beide: MIttelhirn). Dieses System wird
unterstützt durch das wachhaltende (und appetitsteigernde) Neuropeptid Orexin (Hypocretin), das der laterale Hypothalamus produziert. Dazu kommt eine Beteiligung aus dem basalen Vorderhirn, das Acetylcholin und GABA produziert.
Ein zweites aszendierendes Wecksystem (rot) wurzelt im pedunkulopontinen Kern (pons) und laterodorsalen Tegmentum (MIttelhirn), es ist cholinerg und schaltet auf Neuronen im Thalamus, damit führt es zu kortikaler Aktivierung

Die für die Kontrolle des Schlafes bzw. Wachzustandes entscheidenden Neurone sind Teil eines modulatorischen Transmittersystems (<Abbildung). Noradrenerge (locus coeruleus) und serotoninerge Systeme (Raphekerne) sind im Wachzustand aktiv und halten diesen aufrecht; cholinerge Anteile sind teils im Wachzustand aktiv, teils unterstützen sie REM-Phasen.
Dieses modulatorische System kontrolliert das rhythmische
Entladungsverhalten thalamischer Neurone und dadurch die
EEG-Rhythmik. Für den Schlaf charakteristische Frequenzen gehen mit
einer Blockade der Übertragung sensorischer Information auf den Kortex
einher.

>Abbildung: Schlafauslösende Systeme
Nach einer Vorlage in Kandel / Koester / Mack / Siegelbaum (eds), Principles of Neural Sciences, 6th ed. 2021 (McGraw Hill)
Schlafinduzierende Bahnen sind hauptsächlich GABAerg und hemmen die Aktivität des ARAS (aszendierenden retikulären Systems): Neurone aus den nuclei praeoptici (VLPO: ventrolateral, MNPO: median) projizieren auf das gesamte ARAS, solche aus der para-facialen Zone (PFZ) der medulla oblongata auf den parabrachialen Kern.
Zahlreiche VLPO-Neurone bilden auch das inhibitorische Peptid Galanin. Im lateralen Hypothalamus (LH) gibt es Neurone, die melaninkonzentrierendes Hormon (MCH)
produzieren; sie fördern vermutlich REM-Schlaf, indem sie benachbarte
orexigene Nervenzellen sowie solche im im ventralen zentralen
Höhlengrau (vPAG) hemmen (beide inhibieren REM-Schlaf).
Unten: Wechselseitige
Flip-flop-Hemmung zwischen schlafinduzierendem (nuclei praeoptici) und
aktivierendem retikulären System (ARAS). LC = locus coeruleus, A1 =
noradrenerge Neuronen, DR = dorsale Raphe, TMN = tuberomamillärer Kern,
PB = nucl. parabrachialis.
Aktive schlafinduzierende Neurone inhibieren die Komponenten des ARAS
und werden ihrerseits von den Neuronen des aktivierenden retikulären
Systems gehemmt. Eines der beiden Systeme dominiert, Zwischenzustände
werden rasch durchlaufen und dauern nur kurz
Der parabrachiale Kernkomplex in der dorsolateralen Brücke (um den oberen Kleinhirnstiel
gelegen, daher der Name) - gegliedert in eine mediale und eine laterale
Gruppe - beeinflusst neben Wachheit (arousal) auch Körpertemperatur
(Afferenzen von peripheren Thermorezeptoren, Efferenzen zur
präoptischen Region), Blutzuckerspiegel (Hypoglykämieschutz) u.a.
Melaninkonzentrierendes Hormon (Melanin-concentrating hormone MCH): Dieses orexigene Neuropeptid ist vor allem im Schlaf - den es anregt - aktiv. Orexin hingegen dominiert den Wachzustand.
Stabilisierung des Schlafzustandes:
Monoaminerge und schlafinduzierende ventrolateral-präoptische (VLPO)
Kerne stehen in wechselseitiger inhibitorischer Beziehung.
Die
einseitige Aufschaltung orexinerger Neurone auf monoaminerge Zellen
(und nur auf diese) stabilisiert einerseits das Wachsein, andererseits
den Schlafzustand - und damit den "Kontrast" zwischen den beiden
Zuständen (Flip-Flop-Modell, Abbildungen).
Die beiden Zustände - Wachsein und Schlafen - sind jeweils stabil
(typischerweise für mehrere Stunden). Der Einfluss eines der beiden
Systeme überwiegt die meiste Zeit, der Zwischenzustand des Umschaltens
von Wach- zu Schlafzustand (und umgekehrt) geht rasch vonstatten und
dauert jeweils sehr kurz.
<Abbildung: Modell zur Umschaltung zwischen Schlaf und Wachzustand (flip-flop switch model)
Kombiniert nach Saper CB, Scammell TE, Lu J. Hypothalamic regulation of sleep and circadian rhythms. Nature 2005; 437: 1257-63 und Morin CM, Drake CL, Harvey AG, Krystal AD, Manber R, Riemann D, Spiegelhalder K. Insomnia disorder. Nat Rev Dis Primers. 2015; 1: 15026
Durch wechselseitige Inhibition zwischen dem schlaffördernden ventrolateralen präoptischen Kern (ventrolateral preoptic nucleus VLPO) und anregenden monoaminergen Neuronengruppen - Raphekerne, locus coeruleus (LC), nucleus tuberomamillaris (TMN) - schaltet das System zwischen "wach" und "schlafend".
Links: Monoaminerge Neuronen hemmen die Zellen des präoptischen Kerns - unterstützt durch Orexin - und stabilisieren den Wachzustand.
Rechts: VLPO-Neurone hemmen monoaminerge und orexinproduzierende Neurone (ORX),
welche ihrerseits nur die monoaminergen Neurone anregen (VLPO-Neurone
haben keine Orexinrezeptoren). Diese Konstellation stabilisiert den Schlafzustand.

Vor dem Aufwachen (wie bei Steigerung der Aufmerksamkeit) beginnen monoaminerge Neuronen - locus coeruleus: noradrenerg, Raphekerne: serotoninerg, Tegmentum und basales Vorderhirn: cholinerg, nucleus tuberomamillaris: histaminerg-
vermehrt zu feuern. All diese Neuronen projizieren auf Thalamus,
Hirnrinde und auch andere Hirnregionen, deren Erregbarkeit sie steigern
(langsame thalamische Entladungsrhythmen werden dabei gehemmt).
Zellen im lateralen Hypothalamus, die Orexin (=Hypocretin) als Neurotransmitter nutzen, projizieren auf das monoaminerge System, erregt dessen Zellen
und unterstützen so dessen breite Weckfunktion. Auch unterdrückt Orexin
den REM-Schlaf und regt Neuronen an, die bestimmte motorische
Verhaltensmuster steuern. Weiters ist Orexin in neuroendokrine und
vegetative Funktionen involviert - bekannt ist vor allem seine
appetitsteigernde Wirkung.
Schlafdauer:
Neugeborene schlafen ~18 Stunden am Tag; Erwachsene im Schnitt 7-8
Stunden (physiologische Spanne 5-10, individuell sehr verschieden); mit
zunehmendem Alter nimmt die Schlafdauer typischerweise ab (>Abbildung).
Die Periodik des Schlafmusters ist bei Kindern besonders deutlich
ausgeprägt; im Alter nimmt dieses Muster an Klarheit ab.

Die Schlafdauer nimmt mit dem Alter ab; die
non-REM-Schlafdauer bis zu ~3 Lebensjahren etwas zu, dann ebenfalls ab
Neugeborene
und Kleinkinder zeigen einen besonders hohen Anteil an REM-ähnlichem
Schlaf - d.h. in einem Zustand, in dem das Gehirn aktiviert, die
Muskulatur hingegen atonisch ist (gilt besonders ausgeprägt pränatal).
Das fördert vermutlich einerseits die Gehirnentwicklung, schützt
andererseits vor allzu intensiven Muskelzuckungen in utero.
Die Synchronisation des Schlafrhythmus mit Hell-Dunkelperioden erfolgt
etwa im vierten Lebensmonat. Typisch für Fünfjährige sind 11, für
Zehnjährige 10 Stunden Schlafdauer. Der Schlaf ist tief (hoher N3-Anteil).
Mit zunehmendem Alter nimmt der Anteil an Tiefschlaf immer mehr ab, mit
dem Pensionsalter kann der N3-Anteil ganz verschwinden, besonders bei
Männern. Die Ursache ist unklar, wahrscheinlich nimmt die Effizienz der
neuralen non-REM-Induktoren ab.
Einige im Körper gebildete Substanzen wirken
schlafinduzierend, wie
Interleukin 1: Dieses Zytokin wird im Gehirn (z.B. Gliazellen) und Immunsystem (z.B. Makrophagen) gebildet; seine Konzentration steigt im
Wachzustand an und ist zu Beginn der Schlafphase am höchsten.
Interleukin 1 intensiviert den Delta-Schlaf.
<Abbildung: Schlaf fördert Konsolidierungsvorgänge im Gehirn und Immunsystem
Nach Besedovsky L, Lange T, Haack M. The Sleep-Immune Crosstalk in Health and Disease. Physiol Rev 2019; 99: 1325-80
Gedächtnisprozesse können sowohl im ZNS als auch im Immunsystem in drei Phasen gegliedert werden: Lernphase (endoding), Konsolidierung (consolidation) und Erinnerung (recall).
Während der Konsolidierungsphase wird zunächst labile
Information in ein Langzeitgedächtnis übergeführt, z.B. durch
antigenpräsentierende Zellen auf Gedächtniszellen übertragen.
Der
Konsolidierungsprozess wird - sowohl neurophysiologisch als auch
immunologisch - vor allem durch Tiefschlaf gefördert
Schlaf und
Immunsystem beeinflussen einander gegenseitig. Entzündungsreaktionen
können den Schlaf vertiefen oder auch stören; guter Schlaf fördert die
Genesungsvorgänge, u.a. über Zytokine. Dabei kann man - wie bei der
Neurophysiologie des Gedächtnisses - drei Phasen unterscheiden, die in
diesem Fall zu einer schlafbedingten Verbesserung der Immunantwort
führen (<Abbildung). Vor allem der traumlose Tiefschlaf scheint die
Abwehrprozesse anzuregen.
Aus Tierversuchen weiss man, dass Umweltreize wie Nahrungsaufnahme,
Stress oder Pathogene (Bakterien, Viren) vom Immunsystem als DAMPs / PAMPs (damage / pathogen-associated molecular patterns) wahrgenommen werden. Diese aktivieren PRRs (pattern recognition receptors) auf Leukozyten, was zu inflammatorischen Reaktionen und Bildung von Schlafregulatoren wie IL1 und TNF führen (letztere induzieren NREM-Schlaf und können in höherer Dosis - bei Infektionen - REM-Schlaf unterdrücken). Auch Prostaglandine
(PGD2) können im Rahmen einer Immunantwort den Schlaf
beeinflussen. Solche Mechanismen regen wahrscheinlich das
Immungedächtnis an.
Adenosin
tritt vermehrt bei körperlicher Aktivität und Energiemangel auf und reduziert über Wirkung an
Adenosinrezeptoren die Erregbarkeit von Nervenzellen durch Öffnung von
Kaliumkanälen (Koffein und Theophyllin.
Adenosin-Rezeptorblocker wirken anregend auf Nervenzellen.
Adenosin wirkt ermüdend und schlafauslösend; es hemmt die Aktivität anregender Neurone im Hirnstamm (serotoninerg: Raphekerne; noradrenerg: locus coeruleus; u.a.). Die extrazelluläre Adenosinkonzentration in
Teilen des Gehirns, die einen Konnex zur Schlaf-Wach-Steuerung haben,
steigt mit zunehmender Wachdauer an; im Schlaf nimmt sie kontinuierlich
ab.
Wahrscheinlich erhöht in diesen Hirnregionen neuronale Aktivität
(im Wachzustand) den Adenosinspiegel und hemmt dadurch
diffus-modulierende (cholinerge, noradrenerge, serotoninerge) Neuronen,
die den Wachzustand aufrechterhalten (Ermüdung).
Stickstoffmonoxid (NO)
- NO-Synthase ist in cholinergen (wachheitsfördernden) Neuronen des
Hirnstamms besonders aktiv. Schlafmangel erhöht die NO-Konzentration im Gehirn. NO regt die Bildung von Adenosin an und
wirkt auf diesem Wege ermüdend und schlafauslösend.
Cortistatine: Die somatostatinähnlichen Neuropeptide Cortistatin
14, 17 und 29 werden von Neuronen in der Großhirnrinde exprimiert und
wirken an Rezeptoren in Mandelkernen, Hippokampus und Großhirn;
sie
fördern den Tiefschlaf. Sie dämpfen - ähnlich Somatostatin - die
neuronale Aktivität, ihr tiefschlaf-fördernder Effekt beruht
wahrscheinlich auf der Bremsung (cholinerger) anregender Wirkungen im
Kortex.
Zirbeldrüse und Melatonin
Das Tryptophanderivat Melatonin
wird in
der Epiphyse
(glandula pinealis, Zirbeldrüse) gebildet, Noradrenalin (sympathische Fasern
aus dem oberen Zervikalganglion) regt seine Synthese an - insbesondere
nachts: Die Produktion unterliegt einem zirkadianen Rhythmus - nachts ist sie hoch, tagsüber gehemmt. Licht im Blaubereich (nicht
längerwellig, d.h. über ~500 nm) unterdrückt die Melatoninsynthese (fotosensitive Ganglienzellen).

>Abbildung: Helligkeit hemmt die Melatoninproduktion
Kombiniert nach Vorlagen in Deniz O.G., Turkmen A.P., Onger M.E.,
Altunkaynak B.Z., Kaplan S. (2016) Melatonin and Melatonin Receptors in
Neuroprotection. In: López-Muñoz F., Srinivasan V., de Berardis D.,
Álamo C., Kato T. (eds) Melatonin, Neuroprotective Agents and
Antidepressant Therapy. Springer, New Delhi; und Litwack G, Metabolism
of Amino Acids. In: Human Biochemistry, 2018
Elsevier Inc.
Fotosensitive Ganglienzellen regen bei Lichteinfall auf die Netzhaut (Wellenlänge <500 nm) über den tractus retinohypothalamicus den nucl.
suprachiasmaticus glutamaterg an. Dieser projiziert GABAerg auf das obere Zervikalganglion und hemmt
es.
Das obere Zervikalganglion regt die Melatoninproduktion in der
Epiphyse (Zirbeldrüse) α-und ß-noradrenerg an, die Wirkung erfolgt über Enzyme (HIOMT, Hydroxyindol-O-Methyltransferase; NAT, N-Acetyltransferase).
Auf diesem Wege
supprimiert Licht die Melatoninausschüttung. Melatonin
seinerseits aktiviert Neuronen im nucl. suprachiasmaticus über Melatoninrezeptoren (MT1 und MT2).

Melatonin wird scherzhaft als "Dracula unter den Hormonen" bezeichnet,
weil es in der Dunkelheit auftritt und bei Lichteinfall verschwindet.
Die
Epiphyse ist ein Teil des Zwischenhirns, sie wiegt weniger als ein
halbes Gramm. Ihre Aktivierung durch Lichtreize erfolgt über komplexe
Verschaltung: Von der
Netzhaut über den Sehnerv zum
Hypothalamus
(nucl. suprachiasmaticus als chronobiologisches Zentrum), von hier zum
nucl. paraventricularis, wo absteigende Fasern zum Rückenmark ihren
Ursprung haben und zum
nucl. intermediolateralis des oberen Brustmarks ziehen; von hier weiter zum
ggl. cervicale superius und schließlich zur Epiphyse -
>Abbildung
oben).
Die Zirbeldrüse bildet - abhängig von der Helligkeit der Umgebung - das schlaffördernde Melatonin
|
Melatonin hat schlafinduzierende Wirkung und wirkt auch als
Antioxidans. Bei der Passage durch die Leber werden etwa 90% des Melatonins
abgebaut, geringe Mengen werden mit Speichel und Harn ausgeschieden.
René Descartes
vermutete in der Epiphyse eine Art Reflexzentrum, das (wie er
irrigerweise annahm) nur beim Menschen vorhanden und als
Begegnungsstätte von Körper (materiell) und Geist (nichtmaterielle
Seele - Dualismus) ein Zentrum für das Bewußtsein sei.
Schlafstadien
Über die Entstehung synchronisierter Entladungen im Kortex und des EEG s. dort
Schlafphasen sind nach dem EEG-Bild definiert, wobei zwischen "orthodoxem" und "paradoxem" Schlaf unterschieden wird: Der non-REM-Schlaf (orthodoxer Schlaf, Tiefschlaf, NREM-Schlaf) baut sich
mit dem Einschlafen bzw. zunehmender Schlaftiefe stufenweise auf. Er
wird unterbrochen durch Phasen des REM-Schlafes (<Abbildung).
Je
tiefer der Schlaf, desto weniger Sinnesinformationen dringen in die
subkortikale Bearbeitung ein und machen sich im EEG-Muster bemerkbar.
Im Tiefschlaf oszillieren die thalamischen Rhythmusgeber mit niedriger
Frequenz (burst mode). Träume treten meist im REM-Schlaf auf.
<Abbildung: Elektrophysiologische Muster von Wachsein bis Tiefschlaf
Nach Nach einer Vorlage in Kandel / Koester / Mack / Siegelbaum (eds), Principles of Neural Sciences, 6th ed. 2021 (McGraw Hill)
Oben: Hypnogramm
einer gesunden jungen Person. REM-Phasen treten etwa alle 90 Minuten
auf, ihre Dauer nimmt mit der Schlafzeit zu. N = non-REM-Phasen (1-3)
Unten: Polysomnogramm.
Stadium N1 (Einschlafen) ist charakterisiert durch langsame
sinusähnliche Augenbewegungen, Abnahme der EEG-Frequenz und
Muskelaktivität;
Stadium
N2 (mitteltiefer Schlaf) durch Schlafspindeln (12-14 Hz, bis 3/min) und
K-Komplexe (bis 0,2 mV Amplitude);
Stadium N3 (Tiefschlaf) durch δ-Wellen (0,5-3/s) im EEG (slow-wave-sleep SWS) und weiteres Absinken des Muskeltonus (Atonie).
In den ersten Stunden des Nachtschlafs kann auch ein besonders tiefes Stadium N4 auftreten (in der Abbildung nicht gezeigt).
Im REM-Schlaf gleicht das EEG demjenigen im Wachzustand, es treten
rasche Augenbewegungen auf, die Skelettmuskulatur ist ansonsten völlig
entspannt. Die Zacken in der EMG-Spur in der Abbildung sind EKG-Signale (QRS-Komplex)

Im Zustand des "Dösens" dominieren α-(alpha-)Wellen (wach /
müde), die Frequenz beträgt 8 bis 13 Wellen pro Sekunde. Im leichten
Schlaf treten ϑ-(theta-)Wellen (4-7/s) auf, die Aktivität des
Anregungssystems im Hirnstamm nimmt ab.
Im mitteltiefen Schlaf treten Schlafspindeln (zyklisches Abschwellen / Abflauen von Oszillationen mit 12-14 Hz Frequenz, etwa 3 Spindeln pro Minute) und K-Komplexe auf, letztere stehen mit Sinneseindrücken in Zusammenhang, die
vom Gehirn in diesem seichten Schlafstadium noch (unbewusst)
verarbeitet werden.
Im Tiefschlaf treten δ-(delta)-Wellen (0,5-3/s) auf, thalamische Neurone befinden
sich jetzt im "burst mode" mit spontanen
Aktionspotentialsalven (nicht mehr im kontinuierlich aktiven
"relay mode", der für normale Aufmerksamkeit im Wachzustand typisch
ist). In diesem Zustand werden sensorische Eingänge zum Kortex
kaum noch "durchgestellt", die Weckschwelle ist hoch.
Im Tiefchlaf tritt im EEG ein δ-Rhythmus auf (0,5 bis 3 Wellen pro Sekunde)
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Rhythmus
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Frequenz (pro Sekunde)
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ß
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14 - 30
|
α
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8 - 13
|
ϑ
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4 - 7
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δ
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10,5 - 3
|
Langsamer, regelmäßiger Delta-Rhythmus (niederfrequente thalamische
Entladungen blockieren die Übermittlung sensorischer Information an den
Kortex).

>Abbildung: Entstehung oszillatorischer Rhythmen im Non-REM-Schlaf
Nach Hobson JA, Pace-Schott EF. The cognitive
neuroscience of sleep: neuronal systems, consciousness and learning.
Nature Rev Neurosci 2002; 3: 679-93
Neurone im retikulären Thalamus senden GABAerge (hemmende, hyperpolarisierende) Impulse an andere Thalamuskerne, die Mehrzahl der thalamokortikalen / kortikothalamischen Neurone sind glutamaterg (anregend, depolarisierend).
Gezeigt sind intrazelluläre Ableitungen. Im Uhrzeigersinn von oben:
→ Effekt der Aktivität thalamokortikaler auf kortikothalamische Neurone. a = antidrome, o = orthodrome Aktionspotentiale
→ Effekt der Aktivität kortikothalamischer auf thalamokortiokale Neurone. LTS = low-threshold spike
→ Effekt der Aktivität cholinerger Hirnstammneurone auf thalamokortikale Neurone (Depolarisierung)
→ Effekt der Aktivität cholinerger Hirnstammneurone auf thalamische nucleus-reticularis-Neurone (Hemmung)
→ Effekt der Aktivität kortikothalamischer auf auf thalamische nucleus-reticularis-Neurone (oszillatorische Anregung)
Non-REM- Schlaf wird durch Absinken der Aktivität im aktivierenden retikulären System des Hirnstamms eingeleitet. Der
Parasympathikustonus ist während dieser
Schlafphase hoch, Blutdruck und
Herz- sowie Atemfrequenz sind niedrig.
Im (Non-REM-) Schlaf sind Blutdruck, Puls- und Atemfrequenz niedriger als im Wachzustand
Der systolische Druck ist bei gesunden Personen nachts niedriger als am Tag
|
Tiefschlafphasen sind zu Beginn
des Nachtschlafs am ausgeprägtesten und längsten. Anders als der
REM-Schlaf ist der orthodoxe Schlaf frei von Träumen. (Falls hingegen Somnambulismus - Schlafwandeln - auftritt, dann während Tiefschlafphasen, nicht im REM-Schlaf.)
Man vermutet, dass der orthodoxe Schlaf u.a. dem Abbau
schlafinduzierender Substanzen dient. Zahlreiche Gene werden mit
zunehmendem Wachzustand, andere im Schlaf induziert. Längere
Wachperioden führen beispielsweise zur steigenden Bildung von Chaperonen
,
d.h. Faktoren, welche die korrekte Faltung neu synthetisierter Proteine
in der Zelle unterstützen. Die Zahl
fehlgebildeter Proteine nimmt mit der Dauer des Wachzustandes zu.
Der
REM-Schlaf (rapid eye movements, "paradoxer" Schlaf, weil die Weckschwelle trotz desynchronosiertem EEG hoch bleibt) macht (bei erwachsenen Personen) insgesamt ~20% der
gesamten Schlafdauer aus. Er tritt etwa alle 90 Minuten auf und ist gekennzeichnet durch Träume, Beta-Rhythmen treten auf. Die vegetative Aktivität schwankt stark; insgesamt ist der Sympathikustonus hoch (Tachykardie, Blutdruckanstieg, erhöhte Atemfrequenz). Gleichzeitig können aber auch parasympathische Reaktionen auftreten
(Schlafmiosis, Klitoris- bzw. Peniserektion - ohne Zusammenhang mit sexuellen Trauminhalten).
Im REM-Schlaf steigen Herzfrequenz und arterieller Blutdruck an
|
Während dieser Zeit nimmt die Aktivität des
Frontalhirns ab, diejenige des limbischen Systems zu.

<Abbildung: Ein- und Ausschalten des REM-Schlafs
Nach Nach einer Vorlage in Kandel / Koester / Mack / Siegelbaum (eds), Principles of Neural Sciences, 6th ed. 2021 (McGraw Hill)
Das Umschalten zwischen den beiden Schlafmustern erfolgt durch Neurone im Hirnstamm.
Das Einschalten des REM-Schlafs erfolgt in der sub-coeruleären Region (ventral des nucl. coeruleus), deren glutamaterge "REM-on"-Neurone projizieren auf Hirnstamm (wo sie motorische und autonome Manifestationen des REM-Schlafs steuern) und Vorderhirn (hier vermitteln sie Verhaltens- und EEG-Komponenten des REM-Schlafs).
Deszendierende
Projektionen in medulla oblongata und Rückenmark (hellblau) regen
inhibitorische Interneurone an und hyperpolarisieren (inaktivieren)
dadurch motorische Vorderhornzellen.
Die REM-on-Neurone werden von vom ventrolateralen zentralen Höhlengrau
GABAerg inhibiert ("REM-off"-Neurone); die Hemmung erfolgt
wechselseitig (Flip-Flop-Mechanismus). Zusätzlich wird der
REM-Generator aus dem pedunculopontinen und laterodorsalen tegmentalen
Kern (cholinerg) angeregt, durch Projektionen aus dem locus coeruleus
(noradrenerg) und den Raphekernen (serotoninerg) gehemmt.
Das REM-off-Gebiet wird vom Vorderhirn (orexinerg) angeregt (Verlust orexigener Neurone kann plötzliches Auftreten von REM-Schlaf bewirken) und vom ventrolateralen nucl. praeopticus (VLPO) GABAerg / galaninerg sowie vom Hypothalamus (MCHerg) inhibiert

Unmittelbar vor dem Einsetzen des REM-Schlafs verändert sich das Gleichgewicht der Aktivitäten im Hirnstammsystem: Noradrenerge und
serotoninerge Impulse (locus coeruleus, Raphekerne) verschwinden fast vollständig, cholinerge nehmen hingegen
zu.
Die einseitige Acetylcholinwirkung auf das Großhirn
dauerdepolarisiert thalamische Projektionsneurone und begünstigt das
Auftreten von REM-Phasen (wachähnlicher Zustand). Muskarinische Rezeptoren im Kortex werden
angeregt, was synaptische Muster im ß-Rhythmus begünstigt - dies erklärt
die "paradoxe" Kombination von hohen Frequenzen im EEG bei gleichzeitig
hoher Weckschwelle.
Im REM-Schlaf ist die mittlere Frequenz der EEG-Wellen höher als im non-REM-Schlaf
|
Gleichzeitig werden spinale Motoneurone aktiv unterdrückt,
was den "gelähmten" Zustand erklärt, in dem man die Trauminhalte nicht
motorisch "ausleben" kann - die Muskelatonie
schützt vor unkontrollierten Bewegungsabläufen. Diese Unterdrückung
erfolgt durch deszendierende glutamaterge Projektionen aus der
subcoeruleären Region (<Abbildung) auf inhibitorische Interneurone
im Rückenmark; diese hyperpolarisieren motorische Vorderhornzellen und
stellen dadurch die Muskeln still (Atonie).
REM-Schlaf verursacht eine starke Erniedrigung des Muskeltonus (Atonie)
|
(Störung dieser REM-Atonie - mit
gefährlichen Bewegungsausbrüchen - wird als REM sleep behavior disorder bezeichnet.)
Während einer REM-Phase (Dauer ~10-50 min, am längsten gegen Ende der
Nachtschlafperiode) treten häufig Träume auf. Diese Phasen
sind durch rasche
Augenbewegungen (REM) gekennzeichnet. Im REM-Schlaf leitet der Thalamus sensorische Information
nicht zum Kortex weiter; der präfrontale Kortex ist außer Funktion
(Realitätskonnex inaktiv, irrationale, schwer deutbare Trauminhalte).
Der parietale Kortex nimmt an der
Bewegungssteuerung nicht teil; der visuelle Kortex erzeugt visuelle
Erlebnisse ohne Input vom Auge; und die Amygdala steuert emotionale
Inhalte bei.
Der REM-Schlaf scheint zur Konsolidierung prozeduraler
Gedächtnisinhalte beizutragen. Einer Theorie zufolge stammen die
Impulse zur Traumentstehung aus dem Hirnstamm (pons) und diese regen im
Kortex Assoziationen an, welche dann Traumbilder zusammenstellen (Aktivierungs-Synthese-Hypothese).
In westlichen Ländern leidet jede fünfte Person unter Schlafstörungen.
Die neurophysiologischen Hintergründe sind nicht bekannt. Patienten mit
chronischen Schlafstörungen (insomnia) zeigen eine erhöhte Aktivität
des ARAS (PET) und zeigen höherfrequente Anteile im EEG, ähnlich wie im Wachzustand.
Man unterscheidet
Schlafentzug
hat gravierende Folgen.
Entzug von Non-REM-Schlaf kann zu Hypothermie und (enteralen) bakteriellen Infektionen führen.
Schlaf
ist für den Körper lebenswichtig; Schlafentzug für ≥2 Wochen führt im
Tierversuch zu Multiorganversuchen und ist letal. Die Gründe sind
komplex, es wird vermutet, dass das Immunsystem unter solchen
Bedingungen versagt.
Schädigungen im Bereich des Hirnstamms - hier befinden sich vegetative
Integrationszentren wie die formatio reticularis - können zu
schlafähnlichen Zuständen oder Koma führen.

Schlaf tritt in einem Rhythmus auf, der vom nucleus suprachiasmaticus
vorgegeben wird. Die Periodizität wird von der Belichtung von
Melanopsin in der Netzhaut synchronisiert, deren Ganglienzellen auf den
nucleus suprachiasmaticus glutaminerg projizieren. Der nucleus
suprachiasmaticus beeinflusst den Schlaf - wie auch Körpertemperatur,
endokrine Aktivität u.a. - über Projektionen auf Hypothalamus und
mediale präoptische Region
Mehrere interagierende Hirnregionen steuern das Schlafgeschehen:
-- Das basale Vorderhirn lässt Tiefschlaf (slow-wave
sleep) zu, wenn es nicht aus dem Hirnstamm zu Wachsein und
Aufmerksamkeit angeregt wird, und inhibiert seinerseits das
Arousal-System im Hirnstamm
-- Die formatio reticularis aktiviert das Vorderhirn (arousal); seine Blockade führt zu Tiefschlaf
-- Ein pontines System in der subcoeruleären Region kann REM-Schlaf (rapid eye movements) triggern. Es
projiziert glutamaterg in die medulla oblongata und aktiviert dort
GABA- und glyzinerge Neurone, deren Axone motorische Vorderhornzellen
im Rückenmark hemmen (Muskelatonie).
-- Neurone des lateralen Hypothalamus nutzen Orexin
als Neurotransmitter, mit dem sie das monoaminerge Wecksystem anregen,
den REM-Schlaf unterdrücken und motorische Verhaltensmuster steuern.
Ohne Orexinwirkung kommt es zu Narkolepsie
Monoaminerge (weckende: noradrenerg, serotoninerg, cholinerg) und
schlafinduzierende ventrolateral-präoptische Kerne hemmen sich
gegenseitig. Vor dem Aufwachen oder bei Steigerung der Aufmerksamkeit
beginnen monoaminerge Neuronen vermehrt zu feuern und regen Thalamus
und Hirnrinde an
Schlafinduzierend wirken Interleukin 1 (Gliazellen), Melatonin
(Zirbeldrüse), Adenosin (Belastung), Stickstoffmonoxid (Schlafmangel),
Cortistatine (Großhirnrinde)
Der non-REM-Schlaf (orthodoxer Schlaf, Tiefschlaf, NREM-Schlaf) baut
sich mit zunehmender Schlaftiefe stufenweise auf: α-Wellen treten beim
Dösen auf, ϑ-Wellen im leichten Schlaf, δ-Wellen im Tiefschlaf. In
diesem Stadium blockieren niederfrequente thalamische Entladungen die
Übermittlung sensorischer Information an den Kortex
Im Non-REM-Schlaf sind Blutdruck, Puls- und Atemfrequenz niedriger als im Wachzustand
Im REM-Schlaf
steigen Herzfrequenz und arterieller Blutdruck bei minimalem
Muskeltonus an, die mittlere Frequenz der EEG-Wellen ist höher als im
Tiefschlaf. Während
REM-Phasen treten häufig Träume auf. Der Thalamus leitet sensorische
Information nicht zum Kortex weiter; der präfrontale Kortex ist außer
Funktion
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Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen:
Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie
sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und
Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.