Phasen der spezifischen Immunabwehr
© H. Hinghofer-Szalkay
Antigen: Antibody generating
Epitop: ἐπί = auf, bei; τόπος = Ort
Opsonierung: ὀψωνἰαζω = mit Speise versorgen
Der Ablauf einer Reaktion des adaptiven Immunsystems auf eine immunologische Herausforderung kann in drei Phasen gedacht werden:

-- einer afferenten Phase, in
der von Zellen prozessierte Peptidbruchstücke - an MHC-Moleküle
angelagert - so lange präsentiert werden, bis Lymphozyten mit passenden
T-Rezeptoren ankoppeln

-- einer Induktionsphase, in der sich angeregte Lymphozyten (T-Zellen, B-Zellen) vermehren (Klonselektion)

-- einer efferenten Phase, in der verschiedene Subpopulationen (Helfer- und andere T-Zellen) spezifische Abwehrmechanismen abwickeln.
Nach Abschluss der efferente Phase unterliegen die meisten Lymphozyten der Apoptose (sie werden nicht weiter benötigt), einige werden hingegen zu memory cells,
und diese beschleunigen die spezifische Immunantwort im Falle einer
wiederholten Infektion mit gleichen Antigenträgern (Epitop) um das 10-
bis 100-fache (immunologisches Gedächtnis).
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Adaptive Immunität: Schafft es das angeborene Immunsystem nicht,
potentielle Krankheitserreger schon auf Haut und Schleimhäuten in
Schach zu halten und am Eindringen in den Körper zu hindern, und
erweisen sich nicht-adaptive (angeborene, "unspezifische")
Kontrollmechanismen als nicht ausreichend wirksam gegen eine Infektion,
dann kommt es zur Aktivierung adaptiver ("spezifischer") Immunantworten.
Kennzeichnend ist dabei das Auftreten
erregerspezifischer Rezeptoren.
Zwischen angeborenem und adaptivem
System gibt es mehrfache
Überschneidungen bzw. Kooperationen:
Zunächst stellen sich den Erregern phagozytierende
Zellen in den Weg. Im Gewebe stehen Makrophagen und dendritische Zellen
(<Abbildung) bereit, dazu kommen aus dem Blut ausgerückte
Granulozyten.
Makrophagen und dendritische Zellen erkennen Erreger über
die gleichen Rezeptoren: Toll-ähnliche Rezeptoren sowie den DC-Faktor DEC-205 (auch: LY75, DC205; bindet dieser einen Infektionserreger, wird dessen Phagozytose gestartet).

<Abbildung: Dendritische Zellen und afferente Phase der Immunantwort
Nach einer Vorlage in Hof / Dörries, Medizinische Mikrobiologie, 5. Aufl. Duale Reihe, Thieme 2014
Dendritische Zellen können Erreger im Gewebe binden und verarbeiten (links): TLR (toll-like receptors) aktivieren die Zelle zur Abwanderung über Lymphbahnen, DEC-205-Rezeptoren vermitteln die Phagozytose, deren Peptidfragmente über MHC-Moleküle präsentiert werden.
Im Lymphknoten (rechts) exprimiert die dendritische Zelle immunstimulatorische (B5, CD40) und adhäsionsfördernde Moleküle (DC-SIGN, ICAM-1, LFA-3). Antigene Peptide werden T-Lymphozyten an MHC-Moleküle gebunden präsentiert

Die Mobilisierung der dendritischen Zellen (Loslösung und Transport über die Lymphbahn in sekundäres lymphatisches Gewebe) wird von mehreren Faktoren ausgelöst bzw. verstärkt:
TNF-α aus aktivierten
Makrophagen,

Aktivierung verschiedener Rezeptoren (Mannoserezeptor,
DEC-205, Komplementrezeptoren) und

Zytokine, die zum Teil
autokrin-verstärkend auf die gereizte Zelle einwirken.
Diese exprimiert
darauf vermehrt MHC-Moleküle, an denen sie Peptidbruchstücke aus dem lysosomalen Erregerabbau präsentieren kann.
Afferente Phase einer spezifischen Immunantwort
Damit
beginnt der Prozess der spezifischen Erkennung und Abwehr: Im Lymphknoten werden die Peptide - an MHC gebunden - vorbeiwandernden
T-Lymphozyten so lange hergezeigt, bis solche mit passenden
T-Rezeptoren "hängenbleiben" und sich zu vermehren beginnen
(Klonselektion). Außerdem werden die Lymphozyten von Faktoren der
dendritische Zelle angeregt (B7-Moleküle - diese gehören zur
Immunglobulin-Superfamilie).
Dass naive rezirkulierende T-Lymphozyten in den Lymphknoten gelangen, ist ebenfalls molekular gesteuert: Mit ihren Selektin- und
LFA-1-Membranmolekülen binden sie an Adressine und ICAM-1 des
Gefäßendothels (Selektin-Adressin locker, LFA-1-ICAM-1-Bindung fester)
und wandern durch das Endothel in den Lymphknoten ein.
Mehrfache Passung. Die Anhaftung an dendritische Zellen erfolgt dann über mehrere
Molekülpaare: LFA-1-ICAM-1; ICAM-2-DC-SIGN; CD-2-LFA-3. Der
T-Zell-Rezeptor (TCR) prüft indes, wie gut er mit dem molekularen
MHC-Peptid-Komplex zusammenpasst.
Solange die "Passform" nicht
befriedigend ist, bleiben die interzellulären Kontakte lose; Lymphozyt
für Lymphozyt "pilgert" an den dendritischen (antigenpräsentiertenden)
Zellen vorbei und löst sich wieder ab - bis der "richtige Partner"
gefunden ist. In diesem Fall werden die Bindungskräfte verstärkt, die T-Zelle bleibt stationär und wird antigenspezifisch stimuliert.


>Abbildung: Phasen der adaptiven Immunantwort
Nach: Abbas AK, Lichtman AH, Pillai S, Cellular and Molecular Immunology, 6ed Saunders Elsevier 2007
Auf
die Erkennung der Antigene folgt Differenzierung und klonale Expansion.
Nach Eliminierung der Antigene durch zelluläre und humorale Abwehr
nimmt die Zahl der Effektorzellen wieder ab (Kontraktion), ein
immunologisches Gedächtnis bleibt bestehen

Induktionsphase
In der Induktionsphase wird eine Antwort der Lymphozyten (T-Zellen, B-Zellen) auf die antigene Stimulation hin angeregt.
Haben
naive T-Zellen ihren molekularen Bindungspartner (passender
MHC-Peptid-Komplex) gefunden, reicht das noch nicht zu ihrer
Aktivierung. Diese bedarf zusätzlicher Wechselwirkungen: Neben der
TCR-MHC-Passung ("Signal 1") muss mindestens auch CD28 des Lymphozyten
mit B7-Molekülen der dendritischen Zelle interagieren ("Signal 2").
Erst dann beginnen sich die (selektionierten) Lymphozyten zu teilen
(Proliferationsphase) und IL-2
zu bilden, was ihre Vermehrung autokrin stimuliert. Das Ergebnis sind
(nach einigen Tagen) tausende T-Lymphozyten mit identischen
Antigenrezeptoren (klonale Selektion), die sich zu Effektorzellen entwickelt haben.
Ähnliches trifft auf die Stimulation von B-Zellen
zu. Naive B-Lymphozyten treten aus dem Blutkreislauf in sekundäre
lymphatische Gewebe aus, wo sie durch T-Zell-abhängige Bereiche
hindurch zu B-Zell-Zonen gelangen.
Treffen sie hier auf passende
Antigene
, exprimieren sie vermehrt Chemokinmoleküle und
Adhäsionsrezeptoren, was ihre Verweildauer in der T-Zell-Zone
verlängert. Dies erhöht die Effizienz der Wechselwirkung mit bereits
antigenspezifisch aktivierten CD4+-T-Zellen
(wobei dasselbe Antigen erkannt werden muss!).
Die B-Zelle erkennt
antigene Epitope
direkt im Extrazellulärraum (sie bindet u.U.
auch ganze Viren) - die T-Zelle nur im Kontext mit MHC-Molekülen (MHC-Restriktion). Die
B-Zelle kann auch zur antigenpräsentierenden Zelle
werden (und dann alle möglichen Abbauprodukte z.B. eines
internalisierten Virus herzeigen).
Effektor-Lymphozyten verlassen den Lymphknoten und gelangen über
das Lymphgefäßsystem in die Blutbahn. Von hier aus können sie praktisch
jede Stelle des Körpers erreichen - insbesondere natürlich dort, wo sie
benötigt werden (infiziertes Gewebe).
Efferente Phase (Effektorphase) einer spezifischen Immunantwort
Dort können Effektor-Lymphozyten wieder in das Gewebe austreten (homing),
und zwar antigen-unabhängig. So können auch Lymphozyten extravasieren,
die gar keine antigenspezifischen Rezeptoren haben; dennoch stürzen sie
sich in die Schlacht. Lymphozyten ohne passende Rezeptoren verlassen
allerdings bald wieder den Ort des Getümmels.
An der efferenten Phase der Immunabwehr sind zelluläre und humorale Komponenten beteiligt, deren Funktion auf den folgenden Seiten genauer beschrieben wird: Lymphozyten (B-Effektorzellen, die Antikörper bilden; zytotoxische CD8+-T-Zellen; CD4+-T-Helferzellen), Komplementfaktoren, Zytokine.
CD4+-T-Effektorzellen (Helferzellen) üben ihre Funktion durch die Sekretion von Zytokinen aus. Sie werden in TH-Subklassen (T-Helfer) eingeteilt, die unterschiedliche Funktionen erfüllen:

<Abbildung: Interaktion TH1-Zelle / Makrophage
Nach einer Vorlage in Hof / Dörries, Medizinische Mikrobiologie, 5. Aufl. Duale Reihe, Thieme 2014
Widerstehen Infektionserreger der Phagozytose, verstärken TH1-Zellen die
Abwehrpotenz der Phagozyten (hier: Makrophagen)

TH1-Zellen regulieren Entzündungsprozesse und interagieren mit antigenpräsentierenden Makrophagen. Molekulare Brückenbildungen (T-Zell-Rezeptor und antigenbeladenes MHC-II, CD40-CD40-Ligand) und Interferon-γ (IFN-γ)
regen den Makrophagen an, entzündungsanregendes TNF-α sowie toxische
Stoffe zu bilden (Sauerstoffradikale, Stickoxide, Proteasen,
bakterizide Stoffe) und Eisen aufzunehmen (fehlt dann den Bakterien).
So tragen TH1-Zellen maßgeblich zur Abwehr von Bakterien und anderen
Infektionserregern bei: Sollten diese der Zerstörung in den
Phagolysosomen der Phagozyten widerstehen, verstärkt die TH1-Zelle die
Abwehrpotenz der Phagozyten durch Mechanismen, die z.T. in der <Abbildung dargestellt sind.
Gleichzeitig wirken TH1-Zellen regulatorisch, indem sie über Interferon-γ TH2-Zellen supprimieren. Weiters lösen sie (über IFN-γ) an B-Zellen einen Isotypenswitch von IgM zu IgG aus.
TH2-Zellen wehren zusammen mit Eosinophilen Parasitenbefall ab.
Eosinophile Granulozyten präsentieren über MHC-II-Moleküle aus dem
Abbau stammende Fremdpeptide; TH2-Zellen "sehen" das über ihre
T-Zell-Rezeptoren und sezernieren Zytokine, was die Eosinophilen über
antiparasitär wirkende Stoffe effizienter macht und an B-Lymphozyten
einen Isotypenswitch zu IgE veranlasst (IgE-bedeckte Parasiten sind
über Fc-Rezeptoren an den Granulozyten leichter erkennbar).
Auch TH2-Zellen wirken regulatorisch: Sie supprimieren die Funktion von
TH1-Zellen. Auf diese Weise wirken sie entzündungshemmend.
TFH-Zellen helfen bei der Antikörperproduktion,
indem sie die Funktion entsprechender B-Zellen verstärken.
Voraussetzung ist deren MHC-II-mediierte Präsentation von Antigenen,
welche die T
FH-Zelle
(Follicular Helper cell) erkennt. Dabei ist auch eine CD40/CD40L-Passung erforderlich (s. oben).
Die Anregung der B-Zellen - die zu Plasmazellen werden - erfolgt über
Zytokine. T
FH-Zellen sind durch ihren B-Zell-
Follikel-
Homing-Rezeptor CXCR5 identifizierbar, den sie konstitutiv exprimieren.
TH17-Zellen locken neutrophile Granulozyten an.
Das tun sie, indem sie Interleukin 17 ausschütten (daher ihr Name), was
umliegende Zellen zur Bildung von IL-8 veranlasst - dieses lockt
Neutrophile an, sie dann in das entzündete Gewebe übertreten.
CD4+-TREG-Zellen wirken immunsuppressiv
(
regulatorisch). Sie spielen bei der Unterdrückung unerwünschter Immunreaktionen eine
Rolle, z.B. werden Reaktionen genen Nahrungsbestandteile, normale
Darmflora oder Umweltfaktoren möglichst klein gehalten.
CD8+-T-Effektorzellen (zytotoxische T-Lymphozyten) zerstören Zellen, in denen sich Krankheitserreger vermehren (in erster Linie Viren). Erkennen T-Zellen fremde Peptide an den MHC-I-Molekülen
infizierter Zellen, lösen sie ein Programm aus, das - einmal in Gang
gesetzt - zum Untergang der infizierten Zelle
führt ("kiss of death"). CD8+-T-Lymphozyten setzen ihre Patrouille fort und machen sich auf die Suche nach weiteren passenden Zielzellen.
Damit es zu einem erfolgreichen Andocken an eine Zielzelle
kommt,
müssen LFA-1-Moleküle des Lymphozyten an ICAM-1-Moleküle der
geprüften Zelle binden (Kontaktnahme).

Dann prüfen Rezeptoren des
Lymphozyten (TCR), ob sie mit der präsentierten
MHC-I-Peptid-Kombination der potentiellen Zielzelle zusammenpassen.

Wenn ja, sezerniert die CD8+-T-Effektorzelle Perforin (das in die Zielzelle Membranporen schlägt) und Granzyme, welche dann in die Zelle eindringen und dort die Apoptosekaskade
initiieren (diese kann auch rezeptormediiert erfolgen).
Dieser
potentiell gefährliche Mechanismus kann, wenn er nicht nur
zielgerichtet auf infizierte Zellen wirkt, Gewebeschäden auslösen (z.B.
bei Virushepatitis - immunpathologische Komponente).
B-Effektorzellen treten
auf den Plan, wenn der T-Zell-Mechanismus zur Erregerbekämpfung nicht
ausreicht oder Bakterien Toxine produzieren, die durch T-Zellen nicht
inaktiviert werden können. Wie auf der nächsten Seite genauer beschrieben, können Antikörper dreierlei bewirken:
Neutralisation
durch Blockade antigener Strukturen, vor allem durch IgG und IgA.
Bindet der Antikörper, dann verliert das Antigen seine schädigende
Wirkung. Handelt es sich um Toxine, dann blockt die Bindung des Antikörpers die rezeptorvermittelte Aufnahme des Giftes in die Zelle. Sind es virale
Antigene, dann bedeutet die Bindung des Antikörpers, dass das Virus
nicht mehr an Oberflächenstrukturen der Zielzelle koppeln kann. Sind
Viren dennoch in die Zelle eingedrungen, kann ihre Replikation
blockiert werden, indem Antikörper die Ablesbarkeit der viralen
Nukleinsäuren behindern. Schließlich kann auch die Anheftung von Bakterien verhindert werden, indem ihre Adhäsionsmoleküle mit Antikörpern besetzt werden.
Komplement: Bestimmte Antikörper können Komplement aktivieren und so Zielzellen angreifen (s. dort).
Bindung von Antikörpern an Fc-Rezeptoren: s. dort.
>Abbildung: Immunologisches Gedächtnis
Modifiziert nach einer Vorlage bei ib.bioninja.com.au
Antikörpertiter-Anstieg
nach Erstkontakt mit einem Antigen (links); nach Zweitkontakt (+2
Monate) mit demselben Antigen steigt der Antikörpertiter wesentlich
rascher und stärker an (Effekt der Gedächtniszellen)

Immunologisches Gedächtnis
Ist die Effektorphase abgeschlossen, verschwindet der Großteil der
beteiligten Lymphozyten (sie unterliegen der Apoptose, die Bruchstücke
werden phagozytiert). Einige von ihnen verwandeln sich aber zu Gedächtniszellen.
Betritt ein Erreger, gegen den schon eine Immunantwort ins Laufen
gebracht wurde, den Organismus nochmals, dann ist die Immunantwort
aufgrund der Anwesenheit dieser Gedächtniszellen um 1-2 Zehnerpotenzen verstärkt und zeitlich
beschleunigt (>Abbildung), d.h. es entstehen wesentlich mehr spezifische Lymphozyten
als bei der ersten Exposition (Grundlage des Impfeffekts). Dies gilt im
Prinzip sowohl für B- als auch für T-Zellen, wobei die Mechanismen im
Einzelnen unterschiedlich sind (und intensiv erforscht werden).
Zu den Typen der Hypersensitivität (Coombs-Schema: Typ I bis IV) s. dort
Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen:
Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie
sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und
Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.