Physiologie lernen - den Organismus verstehen


Wie funktioniert der menschliche Körper?

XVI.      Immunologische Grundlagen      XVIII.


Abwehrstrategien, mikrobielle Besiedelung des Körpers

Funktionen des angeborenen Immunsystems

Phasen der spezifischen Immunabwehr

Adaptive Immunität, B-Zellen und Antikörper

MHC-System: Antigenpräsentation an T-Lymphozyten

T-Zellen und Zytokine

Lymphoidale Organe und Lymphozyten-'trafficking'

Antigenpräsentierende Zellen; Mikroglia

Untersuchung des Immunsystems



Das Immunsystem schützt vor äußeren (Schadstoffe, Infektionserreger, Parasiten) und inneren Herausforderungen (Entzündungen, aus dem Ruder gelaufene eigene Zellen, Heilungsprozesse). Dazu patroullieren Leukozyten aus dem Blutkreislauf in das Gewebe und zurück. Das dient dem Transport von Immunzellen zu Orten der Infektion oder Verletzung, dem Transport von Lymphozyten zu sekundärem lymphatischem Gewebe (z.B. Lymphknoten) und dem Transport reifer Lymphozyten zu Infektionsherden im Körper.


Das angeborene Immunsystem verfügt über phagozytierende Zellen (Granulozyten, Monozyten, Makrophagen), die pathogenspezifische Strukturen (z.B. auf Bakterien) erkennen und erste Abwehrreaktionen auslösen. Lymphozyten gehören zum adaptiven Immunsystem; dieses erkennt mittels löslicher oder zellständiger Antikörper (Rezeptoren) Antigene. Die beiden Systeme kooperieren: So unterstützen Phagozyten die Funktion von Lymphozyten. Meist arbeiten mehrere Komponenten des angeborenen und adaptiven Immunsystems zusammen, ergänzen und/oder kontrollieren einander gegenseitig.

Das adaptive System kann zwischen mehr als 1012 unterschiedlichen antigenen Strukturen differenzieren. Diese Vielfalt ist durch freie Kombination aus verschiedenen Genelementen (somatische Hypermutation) möglich.

Lymphozyten kommen in mehreren Varianten vor. B-Zellen werden im Knochenmark, T-Zellen im Thymus geprägt. Antikörperbildende B-Zellen heißen Plasmazellen (sie verfügen über eine ausgeprägte Maschinerie zur Proteinsynthese im Zytoplasma). Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) wirken gegen infizierte oder Tumorzellen - unmittelbar, ohne vorangegangenen Antigenkontakt. Sie haben Rezeptoren, deren Muster über eine Aktivierung ihres "Kill"-Mechanismus entscheidet: Aktivierende Rezeptoren erkennen Oberflächenmoleküle infizierter oder DNS-beschädigter Zellen, inhibierende erkennen (von gesunden Zellen exprimierte) MHC-I-Moleküle.

Zu den humoralen Faktoren im Immunsystem zählen Zytokine, Antikörper und das Komplementsystem. Zytokine sind hormonähnliche Substanzen, die auto-, para- und endokrin wirken können: Interleukine (IL), Wachstumsfaktoren (GF), Interferone (IFN), Akutphasenproteine. Zytokine koordinieren Vorgänge innerhalb des Immunsystems und darüber hinaus (z.B. Blutbildung). Sie wirken (wie Hormone) nur über spezifische Rezeptorstrukturen (z.B. Zytokinrezeptoren).

Antikörper gibt es in mehreren Klassen: Die Erstantwort auf einen Antigenkontakt bildet - gegen Erreger besonders wirksames - IgM (Ig = Immunglobulin). Wiederholter Kontakt mit dem Antigen aktiviert IgG (dringt besser ins Gewebe ein), IgA (wird über Schleimhäute sezerniert) und IgE (wirkt gegen Parasiten).

Das Komplementsystem lockt Leukozyten ins Gewebe (Chemotaxis), bewirkt über IgG / IgM (komplementbindende Antikörper) die Auflösung (Lyse) angegriffener Zellen, und aktiviert glatte Muskulatur (Vasodilatation, Bronchokonstriktion). Es bildet Konvertasen, die Effektormoleküle freisetzen - Chemokine (locken Abwehrzellen an), Opsonine (erleichtern die Phagozytose), porenbildende Eiweiße (MAC, membrane attack complex) - und helfen so, Pathogene zu eliminieren.

T-Zellen erkennen antigene Proteine nur, wenn sie durch andere Zellen "vorverdaut" und auf Molekülen des Histokompatibilitätskomplexes (HLA) - HMC-Klassen (major histocompatibility complex) I und II - vorgezeigt werden (Antigenpräsentation). Bestimmte HLA-Kombinationen heißen Haplotypen; sie sind genetisch vererbbar (und erklären u.a. familiäre Häufung von Autoimmunerkrankungen).

Zytotoxische und Helfer-T-Zellen reagieren mit unterschiedlichen HLA-Molekülen: Zytotoxische erkennen 8-10 Aminosäuren auf MHC-Klasse I-Molekülen (auf fast allen Körperzellen) in Kombination mit CD8 - sie erkennen so z.B. virusinfizierte Zellen (intrazelluläre Überwachung). Helferzellen erkennen 12-25 Aminosäuren auf MHC-Klasse II-Molekülen (auf Immunzellen) in Kombination mit CD4 - an antigenpräsentierenden Zellen (dendritische Zellen, Makrophagen), die aus ihrer Umgebung Verdächtiges phagozytiert haben (extrazelluläre Überwachung).

Helferzellen sezernieren bei ihrer Aktivierung unterschiedliche Mediatorstoffe und werden dementsprechend in Subpopulationen gruppiert: Th-1-Lymphozyten (setzen Zytokine frei, bekämpfen Viren und Bakterien), Th-2-Lymphozyten (hemmen Th-1-Lymphozyten und Entzündungsvorgänge), Treg-Lymphozyten (dämpfen Immunantworten und erhalten die Autoimmuntoleranz), Th-17-Lymphozyten (wirken regulierend und pathogen-bekämpfend).



 
© H. Hinghofer-Szalkay