Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

  
Abwehrvorgänge (Immunologie)
 
Angeborenes Immunsystem
© H. Hinghofer-Szalkay

Chemotaxis: χυμεια = Chemie, τάξις = Ordnung, Aufmarsch
Defensin: defense = Verteidigung
dendritisch: δενδρίτης = verzweigt, von Bäumen abstammend
Granzym: aus Granula und Enzym
Laktoferrin:  lacteus = Milch, ferrum = Eisen
Lysozym: λύσις = (Auf)Lösung, ἔνζυμον = Ferment
Makrophagen: μακρός = groß, φαγεῖν = verspeisen ("große Fresszellen")
Peyer'sche Plaques: Johann Conrad Peyer

Phagozyt: φαγεῖν = (fr)essen, κύτος = Höhlung, Gefäß
Polymorphkernige Leukozyten: πολύ = viele, μορφή = Form, λευκός = weiß, κύτος = Gefäß


Angeborene Abwehrmechanismen sind schon Minuten nach Eintritt eines Pathogens verfügbar: Sie töten einerseits Mikroben durch Phagozyten (Entzündung), andererseits wehren sie Viren ab - durch dendritische Zellen sowie natürliche Killerzellen. Sie kommen ohne "spezifische" (adaptive) Komponenten aus, bedürfen keiner Lernphase und wirken unmittelbar nach dem Eindringen von Fremdorganismen in das Innere des Organismus.

Erkennen Zellen Moleküle, die typisch für Pathogene (aber untypisch für körpereigene Zellen) sind, sezernieren sie Zytokine - einige haben Alarmfunktion, andere können die Replikation von Viren verhindern (Interferone).

Primäre lymphatische Organe dienen dem Nachschub von Granulozyten (Knochenmark) und Lymphozyten (Thymus); sekundäre haben spezielle Aufgaben an strategisch exponierten Stellen (Lymphknoten, Milz, lymphatische Gewebe in Nasen-Rachen-Raum und Darm).

Die angeborene Immunität verfügt über mehrere Komponenten:

   -- Haut und Schleimhäute als erste Barriere (zusammen mit Begleitstoffen, wie
Surfactant, Defensine, Lactoferrin, Lysozyme)
   -- Phagozyten (Granulozyten, Monozyten, Makrophagen)
   -- Dendritische  Zellen
   -- Natürliche Killerzellen
   -- Plasmaeiweiße, insbesondere im Komplementsystem.

Das Komplementsystem - etwa 20 Plasmaproteine, die vorwiegend als inaktive Vorstufe vorliegen - ist ein Hilfsmechanismus, der sowohl die angeborene als auch die adaptive Abwehr unterstützt (daher der Name) und auf verschiedenen Wegen aktiviert werden kann (alternativer, klassischer und Lektin-Weg).


Übersicht Lymphatische Organe, primäre vs. sekundäre Abwehr Schutzfaktoren Phagozyten und ihre Rezeptoren Opsonisierung Monozyten, Makrophagen, Granulozyten Spezielle Immunzellen Lösliche Effektormoleküle Entzündung und Virenschutz  Begrenzung angeborener Immunantworten

    Opsonisierung    NK-Zelle    KIRs

Praktische Aspekte        Core messages
 
Dieser Abschnitt - der sich mit der angeborenen Abwehr beschäftigt - erwähnt auch einige Aspekte adaptiver ("spezifischer") Abwehrvorgänge, da sie vielfach mit der Funktion des angeborenen Immunsystems verknüpft sind. Es gibt auch Überschneidungen - Zellen mit eingeschränkter adaptiver Immunität, die man sowohl dem angeborenen als auch dem adaptiven Immunsystem zurechnen kann. Detailliert werden die Elemente des adaptiven Systems in nachfolgenden Abschnitten erläutert.
 
Angeborene Immunität ist immer aktiv und schützt vor dem Eindringen von Mikroorganismen in den Körper
 
Angeborene Immunität (innate / natural / native immune system) ist der Schutz, den äußere - physikalische und chemische - Schutzbarrieren (Haut - Keratin, Schleimhäute im Magen-Darm-Trakt, in den Atemwegen, im Urogenitaltrakt) sowie weitere Abwehrlinien gegen Infektionen bieten und ist ohne Verzögerung verfügbar. Auf die Haut gelangen Mikroben durch Berührung, in das Verdauungssystem durch Verschlucken, in die Atemwege durch Inhalation, in den Urogenitaltrakt vorwiegend durch sexuellen Kontakt.

Hauptaufgabe dieses - entwicklungsgeschichtlich sehr alten - Systems ist die Eindämmung mikrobiellen Eindringens in den Körper. Der Schutz besteht in mechanisch-chemischen Barrieren, in der Abtötung von Mikroben durch lokal gebildete antibiotisch wirksame Peptide (Defensine, Cathelicidine) sowie in der Abtötung von Mikroben und infizierten Zellen durch intraepitheliale Lymphozyten (vgl. dort).

Je nach Art der Mikroben wirken unterschiedliche Mechanismen: Neutrophile Granulozyten und Monozyten bekämpfen extrazelluläre Bakterien und Pilze im Rahmen akuter Entzündung; TLR- und Zytokin-aktivierte Phagozyten eliminieren intrazelluläre Bakterien; NK-Zellen und Typ I-Interferone schützen vor Viren.

Das angeborene Immunsystem kann
  in den Körper eingedrungene Pathogene abtöten,
  die Aufnahme der Reste durch Phagozyten anregen,
  Entzündung (inflammation) auslösen, die zur Infektionsbekämpfung und Gewebereparatur beiträgt,
  Reparaturen an geschädigtem Gewebe vornehmen.

Schon Neugeborene verfügen über ein angeborenes Immunsystem. Dieses erkennt für Mikroorganismen typische molekulare Kennzeichen (z.B. Mannose, Lipopolysaccharide) oder die Abwesenheit körpereigener Identifikationsmoleküle und kann Mikroben oder veränderte (z.B. virusinfizierte) körpereigene Zellen rasch und effizient eliminieren.
 
Das angeborene Immunsystem hat ein eher beschränktes Reservoir an - genetisch festgelegten - Schutzmechanismen: Es erkennt mit seinen etwa einhundert Rezeptortypen (die von allen kernhaltigen Zellen exprimiert werden) ungefähr eintausend verschiedene molekulare Muster (PAMPs), während das adaptive System über nur zwei Rezeptortypen (Immunglobulinen und T-Zell-Rezeptoren, nur auf T- und B-Lymphozyten) mehr als 107 Antigene unterscheiden kann ( Abbildung).
 

Abbildung: Vergleich angeborenes - adaptives Immunsystem
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024

Das angeborene Immunsystem erkennt typische mikrobielle Strukturen, die sich auf Körperzellen normalerweise nicht finden. Es nutzt dazu eine Reihe von Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) - z.B. Toll-like Rezeptoren (TLRs), die konstante Charakteristika aufweisen, verschiedene Arten von Erregern (Biren, Bakterien, Pilze) binden können und von allen kernhaltigen Körperzellen exprimiert werden. RIG-like Rezeptoren s. dort
 
Das adaptive System hingegen generiert Millionen von ("naiven") Lymphozyten, die jeweils eine bestimmte Rezeptorvariante ausbilden und ihre Zahl bei Kontakt mit einem passenden Antigen enorm erhöhen (klonale Selektion)


Das angeborene Immunsystem wirkt bei wiederholtem Kontakt mit dem Pathogen immer gleich schnell und in unveränderter Intensität, aber wesentlich rascher als das adaptive System. Zwischen dem angeborenen und dem - phylogenetisch jüngeren - adaptiven Immunsystem haben sich verschiedene Mechanismen der Kooperation herausgebildet.
 
Das angeborene Immunsystem unterhält antimikrobielle (physische und chemische) Abwehrstrategien an epithelialen Barrieren (Haut, Schleimhäute).
Hier erfolgen frühe präventive (hemmende antimikrobielle) und eliminatorische Abwehrschritte sowie Reparatur beschädigten Gewebes.
Das angeborene Immunsystem regt die adaptive ("spezifische") Abwehr an, beeinflusst deren Strategie und steigert ihre Wirksamkeit (Kooperation).
Die wichtigsten Schutzmechanismen des angeborenen Systems sind Entzündung (Zusammenwirken von aktivierten Leukozyten und Plasmaproteinen an Stellen von Infektion und Gewebeschädigung) und antivirale Abwehr (Abtötung virusinfizierter Zellen durch natürliche Killerzellen, Blockade intrazellulärer Virusreplikation durch Interferone).
 
Histologische Hauptkomponenten der angeborenen Immunität sind

       Epitheliale Barrieren, die den Übertritt von Mikroorganismen in den Körper verhindern (inklusive deren Begleitstoffe, wie das Surfactant in der Lunge): Haut, gastrointestinales System, Respirationstrakt, Urogenitaltrakt u.a. Epithelien können Mikroben über lokal synthetisierte antimikrobielle Stoffe (z.B. Defensine, Cathelicidine) abtöten, und auch mikrobiell infizierte Zellen mittels intraepithelialer Lymphozyten.
 
       Phagozyten (vor allem neutrophile Granulozyten und Makrophagen) nehmen Reste abgestorbener Zellen sowie von extrazellulärer Matrix auf. Sie können rasch an jeden beliebigen Entzündungsort rekrutiert werden und ermöglichen frühe Erkennung und Bekämpfung von Infektionserregern (lysosomale Verdauung, Sekretion toxischer Substanzen, Bildung von Zytokinen).

       Im Gewebe angesiedelte lymphoide Zellen (innate lymphoid cells ILCs) - ähnlich wie T-Helferzellen produzieren sie Zytokine, haben aber keine antigenspezifischen Rezeptoren.
 

Abbildung: Angeborene und adaptive Abwehr
Nach Dranoff G: Cytokines in cancer pathogenesis and cancer therapy. Nature Rev Cancer 2004; 4: 11-22

Das angeborene System stellt die erste Linie der immunologischen Abwehr dar und spricht rasch an: Seine Komponenten (linker Kreis) stehen unmittelbar zur Verfügung.
 
Das adaptive System (rechts) benötigt eine Lernphase und funktioniert mit Verzögerung, dafür spezifisch auf den Angreifer "maßgeschneidert".
 
Natürliche Killerzellen und γδ-T-Lymphozyten sind zytotoxisch und nehmen eine Mittelstellung zwischen angeborenem und adaptivem System ein


       Polymorphkernige Granulozyten sind im gesunden Gewebe kaum vorhanden, Infektionen regen ihre Bildung im Knochenmark an. Neutrophile Granulozyten reichern sich in betreffenden Geweben an und bekämpfen Pathogene mit Sauerstoffradikalen und Toxinen, und sie bilden NETs (neutrophil extracellular traps), in denen Mikroorganismen fixiert und z.T. abgetötet werden. Eosinophile und basophile Granulozyten sezernieren Toxine, Eosinophile sind gegen große Parasiten (z.B. Würmer) besonders wirksam.

       Monozyten - Makrophagen-Vorläufer - befinden sich für kurze Zeit im Blut, bevor sie in das Gewebe auswandern und zu Makrophagen werden. Es gibt gewebespezifische Formen, wie Alveolarmakrophagen in der Lunge, Osteoklasten im Knochen, Kupffer'sche Sternzellen in der Leber oder Mikroglia im Gehirn. Mastzellen - vor allem in Haut und Schleimhäuten - speichern Granula und können diese innerhalb von Sekunden freisetzen. Sie sezernieren auch Zytokine.

       Dendritische Zellen sind nach ihrer Form (zahlreiche antennenartige Verästelungen des Zellkörpers, mit denen sie ihre Umgebung überprüfen) benannt. Unreife dendritische Zellen sind wie Wächter strategisch über die Gewebe verteilt. Sie fangen Antigene ein und präsentieren Fragmente davon an T-Zellen. Sie exprimieren PRRs (pattern recognition receptors), z.B. TLRs oder Lectinrezeptoren, mit denen sie - wie andere Phagozyten und auch Epithelzellen - PAMPs (pathogen-associated molecular patterns) erkennen und binden. Sind Mikroben anwesend, produzieren dendritische Zellen zahlreiche Zytokine. Damit regen sie entzündliche Vorgänge und adaptive Reaktionen an. Orten dendritische Zellen antigene Reize, reifen sie, verlassen das Gewebe über Lymphbahnen und betreten (periphere) Lymphknoten. Hier teilen sie T- und B-Lymphozyten mit passenden Rezeptoren den Immunreiz mit, worauf hin diese über den Kreislauf zum Ort antigener Reizung wandern.

       Naive Lymphozyten sind (nach ihrer "Thymusprüfung" immunkompetente) T- oder B-Zellen , die noch keinen Kontakt mit "ihrem" Antigen hatten. Treffen sie auf ein passendes Antigen, entwickeln sie sich zu Effektorzellen.
 
       Natürliche Killerzellen schützen unmittelbar vor Viren und intrazellulären Bakterien.

       Verschiedene Plasmaeiweisse, vor allem des Komplementsystems, erfüllen "unspezifische" Abwehrmechanismen.

       Thrombozyten nehmen Bakterien auf und bilden Mikroben inaktivierende Stoffe. Sie haben so direkte antimikrobielle Wirkung.
 
Ziel der zellulären Aktionen des angeborenen Immunsystems sind

    Virusabwehr durch dendritische Zellen und natürliche Killerzellen,
 
    Entzündung (=Rekrutierung von Leukozyten und Plasmaproteinen an infizierten / beschädigten Orten) zwecks Abtötung von Mikroben durch phagozytäre Leukozyten.
  
Primäre vs. sekundäre lymphatische Organe
 
  Primäre lymphatische Organe beinhalten die Vorläuferzellen, aus denen Immunzellen nachgebildet werden (Knochenmark nach der Geburt).

Mit Atemluft, Nahrung etc. gelangen zahllose Mikroorganismen auf die Schleimhäute - manche gelangen auch ins Blut -, von wo aus die sekundären lymphatischen Abwehrposten über mikrobielle Herausforderungen informiert werden. Täglich patrouillieren etwa 500 Milliarden Lymphozyten durch die sekundären lymphatischen Organe des Körpers.

  Sekundäre lymphatische Gewebe und Organe sind an strategisch wichtigen Stellen postiert:

     Blut: Milz
 
     Nasen-Rachen-Raum: Lymphatischer Rachenring

     Verdauungssystem: Peyer´sche Plaques im Dünndarm, Appendix
 
     Haut, Schleimhäute, Organe: Lymphknoten

Hier fangen sie eindringende Pathogene ab und helfen die Aktivität des Immunsystems in einer Weise zu koordinieren, die spezifisch Rücksicht auf die jeweilige Bedrohung nimmt. Durch die Erkennung bestimmter Antigene entsprechend aktivierte B- und T-Lymphozyten verstärken dabei gegenseitig ihre Wirksamkeit.
  

Angeborene vs. erworbene Immunität
Charakteristikum
angeboren
erworben
Spezifität
gering
hoch
Gedächtnis
keines
ja
humorale Mediatoren
* Komplement
* Zytokine
* Antimikrobielle Peptide (Defensine, Lysozym)
* Akutphasen-
proteine (z.B. CRP)
* Immunglobuline (Antikörper)

* Zytokine
zelluläre Mediatoren
* Granulozyten
* Makrophagen / Monozyten
* NK-Zellen
* Dendritische Zellen
* T-Lymphozyten (zelluläre Immunität): Zytotoxische (TC), Helfer- (TH)
* B-Lymphozyten / Plasmazellen (Antikörper-
produktion)
Erkennungs-
Rezeptoren
* Pattern Recognition Receptors (PRR)
* T-Zell-Rezeptoren (TCR)
* B-Zell-Rezeptoren (BCR = membran-
ständige Antikörper)
Kinetik
sofort bis 3 Tage
mehr als 3 Tage
 
Schutzfaktoren
 

Die Körperoberfläche wird durch mechanische Intaktheit und chemische Faktoren geschützt.
 
Defensine Cathelicidine Lysozyme Lactoferrin Antivirale Proteine Proteolytische Enzyme Oxidativer Burst NETs
 
Chemische Faktoren greifen die Bakterienwand an:
  
Defensine
 

Defensine ( Abbildung) - α und β - sind kleine (29-34 Aminosäuren), cysteinreiche (positiv geladene), amphipathische antimikrobielle Proteine. Sie werden von Epithelien auf der Haut und mukösen Oberflächen (Darm, Lunge...) sowie Granulozyten, NK-Zellen und zytotoxischen T-Zellen gebildet, insbesondere bei Anregung durch Zytokine und mikrobielle Produkte (u.a. über Toll-like Rezeptoren) - der Defensin-Plasmaspiegel steigt bei Entzündungen an.
 

Abbildung: Schutzfaktoren an der Darmschleimhaut
Nach Eberl G, Inducible lymphoid tissues in the adult gut: recapitulation of a fetal developmental pathway? Nature Rev Immunol 2005; 5: 413-20

Schleim, bakterizide Defensine, Neutrophile und Antikörper (sekretorisches IgA) schützen die Schleimhaut. M- (microfold-) Zellen in der Dünndarmschleimhaut initiieren Schleimhautimmunität: Sie nehmen Antikörper auf (via Endo-, Phago- und Transzytose) und vermitteln sie an antigenpräsentierende Zellen, die anschließend die Schleimhaut verlassen und das Immunsystem aufsuchen
 
    Näherers s. dort    


Defensine wirken wie Breitbandantibiotika - toxisch auf Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten. Sie binden an cholesterinarme Membranen (nicht-eukaryotische Zellen - antimikrobielle Wirkung) und anionische Moleküle (z.B. Nukleinsäuren: Wirkung nach Durchdringen bakterieller Zellmembranen) und wirken durch Perforierung der Bakterienwand (Bildung transmembranaler Kanäle), ähnlich den Perforinen oder dem Komplementsystem (Lyse). Defensin aus Neutrophilen veranlasst Epithelzellen, Interleukine abzugeben - diese locken weitere Neutrophile herbei.

Defensine scheinen nur bei niedriger Salzkonzentration zu wirken. Dies könnte erklären, warum bei zystischer Fibrose die Atemwege leichter geschädigt und infiziert werden.
  
Cathelicidine

 
Cathelicidine - entwicklungsgeschichtlich sehr alte antimikrobielle Peptide - stammen aus einem Vorläuferprotein (der Mensch verfügt über ein Cathelicidin-Gen), werden von neutrophilen Granulozyten und Epithelzellen (Haut, Darm, Atemwege) gebildet und bieten vielfältigen Infektionsschutz über direkte antibiotische Wirkung und Aktivierung von Immunzellen. Die Bildung von Cathelicidinen wird durch Aktivierung von Toll-like Rezeptoren angeregt. Freigesetzte Cathelicidine werden durch Elastase und andere Proteasen abgebaut.
  
Lysozyme
 
Lysozyme (vom c-Typ, nach conventional oder chicken- type) befinden sich in praktisch allen Sekreten und Körperflüssigkeiten (Blutserum, Tränenflüssigkeit, Speichel, Atemtrakt, Zerebrospinalflüssigkeit, Zervixschleim, Fruchtwasser, Milch) und werden von verschiedenen Zellen (Schleimhaut- und Tubulusepithel, Leukozyten u.a.) gebildet. Die Peptidoglykanzellwand gram-positiver Bakterien wird durch Lysozym direkt angegriffen, diejenige gram-negativer Bakterien wird für den Angriff durch Lysozyme durch Faktoren wie Lactoferrin und Defensine vorbereitet.
 
Mittels Röntgenstrukturanalyse (Röntgenkristallographie) lässt sich der dreidimensionale Aufbau u.a. von Proteinmolekülen aufklären. Lysozym war das erste Enzym, bei dem dies gelang (1965 von David C. Phillips)
  
Lactoferrin
 
Das eisenbindende, antibakteriell und antiviral wirksame Transferrin Lactoferrin ist sowohl antiviral als auch antimikrobiell aktiv. Es entzieht Mikroorganismen, die phagozytiert wurden, Eisen, das für deren Metabolismus lebensnotwendig ist (Lactoferrin ist normalerweise nur zu <20% mit Eisen gesättigt). Auch hat es Proteaseaktivität und kann bakterielle Eiweiße abbauen. Darüber hinaus wirkt es auf Lymphozyten wachstumsfördernd.

Außer eisenbindend wirkt es als Peptidase, Nuklease (RNA, DNA) und Tryptaseinhibitor. Lactoferrin kommt u.a. in
Tränenflüssigkeit, Speichel, Nasen- und Bronchialsekret, Schweiß, Vaginalsekret, Samenflüssigkeit und in der Milch vor. Weiters findet es sich in Leukozyten.
  
Antivirale Proteine

 
Antivirale Proteine sollen virale Replikation verhindern: z.B. das Zinkfinger- antivirale Protein (ZAP), ein Mitglied der Poly- (ADP-Ribose-) Polymerase- Familie (daher auch PARP13 genannt), das in einer langen Isoform (ZAP-L) mit PARP-ähnlicher Domäne und einer kurzen Isoform (ZAP-S) ohne diese Domäne vorkommt. Die beiden Isoformen haben unterschiedliche Wirkungscharakteristika. Interferone können die Bildung von ZAPs induzieren.

Antivirale Proteine sind auch die Proteinkinase R (PKR), sie kann die Proteinbildung bestimmter Erreger hemmen; Tetherin, ein CD-Protein der Zellmembran, das als Restriktionsfaktor die Freisetzung / Abknospung von Viren blockieren kann; diverse Resistenzfaktoren und Helikasen; und viele weitere mehr.
  
Proteolytische Enzyme

 
Proteolytische Enzyme (saure Hydrolasen, Lysozym, Elastase) beteiligen sich am Abbau phagozytierter Mikroorganismen. Gelangen lysosomale Enzyme in den Extrazellulärraum, können sie auch körpereigenes Gewebe zerstören (z.B. bei der Bildung von Abszessen).

Lysozym
(Muraminidase) spaltet Peptidoglycane und ist Teil der angeborenen Immunität. Gebildet wird es von Zellen, die Schleimhäute und Drüsen auskleiden, sowie von Granulozyten und Makrophagen. Man findet dieses Enzym u.a. in Blutplasma, Tränenflüssigkeit, Speichel, Bronchialsekret, liquor cerebrospinalis, weiters in Darmschleimhaut, in den Nieren und im Urogenitaltrakt.

  
Oxidativer Burst
 
Makrophagen und Monozyten produzieren in ihren Lysosomen durch enzymatische Anregung Sauerstoffradikale (ROS: reactive oxygen species, synthetisiert durch ein NADP-abhängiges Oxidasesystem) und Stickoxid (NO, produziert durch iNOS: induzierbare Stickoxidsynthase). Diese oxidieren bakterielle Moleküle und schalten so deren Funktion ab. Die enzymatische Anregung erfolgt durch bakterielle Stoffwechselprodukte, z.B. Lipopolysaccharide.
  
NETs
 

Abbildung: Freisetzung von NETs
Nach Papayannopoulos V, Neutrophil extracellular traps in immunity and disease. Nature Rev Immunol 2018; 18: 134-47

Langsame und rasche Mechanismen der NET-Bildung sind gezeigt. NETs können - via proinflammatorischer Zytokine - entzündungsfördernd oder - über Spaltung dieser Zytokine - anti-inflammatorisch wirken.
 
Ein Zytoplast ist eine Zelle (hier die Reste eines neutrophilen Granulozyten), die ihren Zellkern ausgestoßen hat


Von aktivierten neutrophile Granulozyten freigesetzte extrazelluläre "Fallen" (NETs: neutrophil extracellular traps) haben wichtige immunologische Funktionen. Sterben neutrophile Granulozyten ab, werfen sie bei Auflösung der Zellmembran aus untergehendem Kernmaterial (DNA, Histonen), Granula und Proteasen "fangnetzförmige" Strukturen aus, in denen sich Mikroorganismen (Pilze, Bakterien, Viren) - insbesondere größere Pathogene - verfangen und abgetötet werden. Auch Thrombozyten können sich an einer Ausbildung von NETs beteiligen.
 
Die Bildung von NETs wird - über angeborene Immunrezeptoren - durch frei gewordene Enzyme, Mediatoren und Radikale gefördert. Diese lösen eine Dekondensierung von granulozytärem Chromatin aus. NETs können als physikalische und chemische Barriere fungieren und enthalten u.a. antimikrobielle Enzyme (Elastasen etc) und Histone mit hoher Affinität zu DNA. Sie regen Immunzellen an NETs können Immunzellen aber auch übermäßig anregen, wobei Zytokine und andere Peptide eine auslösende Rolle spielen.
 
Mikrobielle bzw. Gefahrensignale können zu einer überschießenden Reaktion führen ("NETose") und zu chronisch entzündlichen / Autoimmunreaktionen führen.
  
Die Intaktheit von Haut und Schleimhäuten (Nase, Rachen, Nebenhöhlen, Luftwege, Verdauungs- und Urogenitaltrakt) erschweren das Eindringen von Infektionserregern in den Körper (erste Verteidigungslinie der Abwehr). In der Haut tragen dazu der niedrige pH-Wert (~5,5) und die Zusammensetzung des Schweißes bei. Physiologisch vorhandene Mikroorganismen (Mikrobiom, residente Flora) verteidigen darüber hinaus ihren Lebensbereich gegenüber anderen, potentiell ("fakultativ") schädlichen und beugen z.B. Pilzbefall vor.
  
Akzessorische Zellen: Zu Immunzellen, welche Funktionen des unspezifischen Immunsystems übernehmen, aber auch dem adaptiven Teil des Systems zuarbeiten, gehören Granulozyten und Monozyten im Blut (zirkulierende Zellen) sowie Makrophagen, dendritische Zellen und Mastzellen außerhalb des Kreislaufs (gewebeständige Zellen). Diese stammen allesamt aus der myeloischen Zelllinie. Auch die aus der lymphoiden Zellinie stammenden natürliche Killerzellen werden zur akzessorischen Gruppe gezählt.
 
Phagozyten und ihre Rezeptoren
Über Immunrezeptoren s. auch dort
 
Phagozyten  haben die Aufgabe, Mikroben aufzunehmen und zu zerstören, sowie Produkte von Gewebeschäden wegzuräumen. Zu Phagozyten zählen vor allem neutrophile Granulozyten und Monozyten - es sind dies die einzigen Phagozyten, die sich im Blutkreislauf befinden. Sie unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht:
 
Charakteristika intravaskulär zirkulierender Phagozyten
Nach Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024
Komponente / Eigenschaft
Neutrophile Granulozyten
Monozyten
Herkunft
(s. Abbildung)
Hämatopoetische Stammzellen im roten Knochenmark
Knochenmark (Entzündungen) Dottersack, fetale Leber (Gewebemakrophagen)
Lebensspanne im Gewebe
1-2 Tage
Entzündungen: Tage bis Wochen
Gewebe: Jahre
Reaktionen auf Aktivierung
Rasch, kurz
Enzymatische Aktivität
Andauernd, langsamer, oft abhängig von Transkription neuer Gene
NO
(Stickstoffmonoxid)
Gering bis gar nicht
Induktion durch Transkription von iNOS
ROS
(Sauerstoffradikale)
Rasch durch Oxidase
(respiratory burst)
Weniger bedeutsam
Degranulierung Durch Umstellung des Zytoskeletts Kaum vorhanden
Zytokinproduktion
Gering (pro Zelle)
Umfangreich, Zytokingene werden transkribiert
Extrazelluläre "Fallen"
(NETs)
Rasch aufgebaut durch Extrusion von Kerninhalt
Kaum
 
An Stellen einer Infektion verlassen
neutrophile Granulozyten und Monozyten den Kreislauf und töten Mikroben ab. Sie umschließen größere Partikel und lagern sie in Vesikel (Phagosomen) ein, die anschließend mit Lysosomen zusammengeführt werden ( Abbildung) und so den Abbau des aufgenommenen Partikels einleiten.
 

Abbildung: Phagozytose und intrazelluläre Abtötung von Mikroben
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024

Makrophagen und neutrophile Granulozyten exprimieren zahlreiche Rezeptoren, mit denen sie Mikroben und andere Partikel binden können - z.B. Lektin- oder C3-Rezeptoren - und die Schlüsselelemente wie Mannose oder Fc-Teile von Antikörpern, die an ihre Antigene gebunden sind, erkennen.
 
Durch Abschnürung (clathrinvermittelt) kommt es zur
Endozytose mit Bildung eines Phagosoms. Durch  Fusion mit einem Lysosom entsteht ein Phagolysosom, und die Mikrobe / das Partikel wird enzymatisch abgebaut. Übrig bleibt ein Residualkörperchen mit unverdaulichem Material, dessen Inhalt exozytiert werden kann.

iNOS, inducible nitric oxide synthase; ROS, reactive oxygen species



Phagozyten verfügen in ihrer Zellmembran über spezielle Rezeptoren, mit denen sie Mikroorganismen binden und deren Phagozytose auslösen bzw. intensivieren können. Solche Rezeptoren erkennen z.B. Mannose, Fc-Teile gebundener Antikörper oder Komplementfaktoren. Wegen der großen Verbreitung der PAMPs / MAMPs in der Welt der Prokaryonten ist der Mechanismus allerdings ziemlich unspezifisch.

Phagozyten können Zytokine sezernieren und mit anderen Zellen kommunizieren - mit dem Ziel der Verstärkung bzw. Regulierung von Immunmechanismen.

Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) erkennen Microbe-associated molecular patterns (MAMPs) bzw. Pathogen-associated molecular patterns (PAMPs). Diese Muster sind für Mikroben lebenswichtig, nicht beliebig austauschbar und so von einem "konservativen" Mustererkennungssystem detektierbar. Aktivierung von PRRs löst Entzündung aus, u.a. durch Aktivierung des Komplementsystems. Zu diesen Rezeptoren zählen Mannose- (Lektin-), Scavenger- und Dectin-1-Rezeptoren.

In Phagosomen (clathrinvermittelte Phagozytose) bzw. Vesikel (Makropinozytose) aufgenommene Mikroben und anderes phagozytiertes Material werden in der Zelle mit lysosomalen Komponenten - sauren Hydrolasen (Proteasen, Nukleasen, Lipasen), Sauerstoffradikalen, NO u.a. - in Phagolysosomen abgebaut. Viele Krankheitserreger werden auf diese Weise erkannt und abgewehrt (Viren, die von Wirtszellen-Membran umhüllt sind, nicht; diese können nur über auffällige Charakteristika des viralen Genoms - wie doppelsträngige RNA - erkannt werden).

Phagozyten haben zahlreiche, situationsbedingt zum Teil gegensätzliche Funktionen: So können sie lokal die Gerinnung anregen oder dämpfen (Produktion anti- oder prokoagulatorischer Faktoren), Prostaglandine oder Leukotriene synthetisieren (Anregung von Zyklooxygenase vs. Lipoxygenase), oder Entzündungsvorgänge fördern bzw. hemmen (Bildung von proinflammatorisch wirkendem TNF / antiinflammatorischem IL10).
 

Abbildung: Rezeptoren auf Alveolarmakrophagen
Nach Hussell T, Bell TJ. Alveolar macrophages: plasticity in a tissue-specific context. Nature Rev Immunol 2014; 14: 81-93

Bindung an Rezeptoren steuert die Phagozytose. Die Bindung von Bakterien an PRR (pattern recognition receptors) löst mehrere Vorgänge aus:
  Im Zellkern wird die Synthese proinflammatorischer Zytokine und
antibakterieller Proteine (Defensine, Lysozym, Lactoferrin, kationische Peptide) getriggert
  Bakterien werden endozytiert, Phagosomen mit aufgenommenen Bakterien verschmelzen mit Lysosomen (es entstehen Phagolysosomen), die Bakterien (meist) zerstört / abgebaut und die Bruchstücke exozytiert
   Der Phagozyt bildet Sauerstoffradikale und Stickoxide ("respiratory burst"), wirkt auf Gefäße (Entzündungsreaktion) und Blutplättchen (aktivierende Faktoren).
 
Einige Rezeptoren haben aktivierende, andere inhibierende Wirkung: Toll-like Rezeptoren (TLR) erkennen PAMPs, zusammen mit ihren Korezeptoren MD2 und CD14. Zytokinrezeptoren erkennen z.B. Tumornekrosefaktor (TNF), interleukin-1β (IL-1β) und Interferon-γ (IFNG), was den Entzündungsprozess anregt. Dieser wird andererseits blockiert durch Mediatoren wie IL-10 und transforming growth factor-β (TGFβ).

     CD = Cluster of differentiation   R = Rezeptor    CD200R = Cell surface transmembrane glycoprotein CD200 receptor,  reguliert die Expression entzündungsfördernder Stoffe    SIRPα, signal-regulatory protein-α, ein regulatorisches Glykoprotein, dessen Aktivierung die Phagozytose hemmt    TREM2, triggering receptor expressed on myeloid cells, wird von zahlreichen Zellen exprimiert (Makrophagen, Granulozyten, dendritische Zellen, Mikrogila, Osteoklasten), bindet extrazellulär Glykoproteine, Lipide, DNA u.a.; intrazellulär braucht es Zusatzfaktoren, um wirksam zu werden


Toll-like Rezeptoren NOD-like Rezeptoren Fc-Rezeptoren Komplementrezeptoren
  
PRRs können membrangebunden (auf Phagozyten) oder in der extrazellulären Flüssigkeit gelöst vorliegen. Bei der Identifikation von PAMPs, der Abtötung von Mikroben und der Produktion entzündungsfördernder Stoffe (Zytokine, Chemokine) helfen mehrere Systeme mit, insbesondere Toll-like receptors (TLRs), Scavenger receptors - die an der Bindung verschiedener Stoffe (Polysaccharide, Lipoproteine, Nukleinsäuren) beteiligt sind und bei der Bakterienbekämpfung (Phagozytose, Apoptose) assistieren -, und Opsonine - Moleküle, die (an Bakterien gebunden) deren Phagozytose anregen (Phagozyten haben Opsoninrezeptoren). Die dadurch erfolgte Erleichterung der Zerstörung von Mikroben nennt man Opsonisation.
   
Toll-like Rezeptoren

Toll-like receptors (TLRs) binden an PAMPs und regen die Transkription von Zytokingenen und anderer antimikrobieller Stoffe an. Das fördert Entzündungsvorgänge und lockt Leukozyten zum "Kampfplatz"; TLRs werden vor allem von strategisch positionierten "Melderzellen" exprimiert, wie dendritischen Zellen, Makrophagen, Mastzellen, Epithelzellen in der Darmschleimhaut (die auf Aktivierung ihrer TLRs mit der Produktion von Zytokinen reagieren).

TLRs sind Transmembran-Glykoproteine, die zur Familie der Rezeptor-Tyrokinasen gehören (und bei Aktivierung dimerisieren); sie sind vor allem in der Zellmembran und in derjeniger von Endosomen zu finden. Sie erkennen RNA / DNA, Zellwandmaterial und andere Strukturen verschiedener Pathogene, aber auch DAMPs wie z.B. Hitzeschockproteine. Menschern verfügen über ein Repertoire von neun TLRs, die teilweise als Dimere wirksam sind (Tabelle):
 
Lage, Organisation und Funktion von Toll-Like Rezeptoren (TLR)

Nach Abbas / Lichtman / Pillai,Basic Immunology, 7th ed. 2024

In der Zellmembran
TLR1-TLR2-
Komplex
bindet bakterielle Lipopeptide
TLR2
bindet bakterielle Peptidoglykane
TLR2-TLR6-
Komplex
bindet bakterielle Lipopeptide
TLR4
bindet Lipopolysaccharide
TLR5
bindet bakterielles Flagellin
In der Endosomenmembran
TLR3
bindet doppelsträngige RNA (dsRNA)
TLR7
bindet einzelsträngige RNA (ssRNA)
TLR8
bindet einzelsträngige RNA (ssRNA)
TLR9
bindet Cytosin-Guanin-reiche DNA (CpG DNA)
 
In der Zellmembran liegende TLRs (auch signaltransduktionsvermittelnde PRRs genannt) spielen eine Schlüsselrolle bei der Erkennung und Bekämpfung von Infektionen. Sie stellen eine entwicklungsgeschichtlich hochkonservierte Familie mustererkennender Proteine dar und werden von zahlreichen Zellen exprimiert. Sie erkennen Mikroben wie auch Produkte gestresster oder sterbender Zellen. Sie werden an bestimmten Membranstellen eingelagert, z.B. TLR5 an der basolateralen Membran, wo sie Flagelline nur dann binden, wenn Bakterien die Schlussleisten der Epithelbarriere überwunden haben.
 

Abbildung: Toll-like Rezeptoren (TLR)
Nach Joosten LAB, Abdollahi-Roodsaz S, Dinarello CA, O'Neill L, Netea MG. Toll-like receptors and chronic inflammation in rheumatic diseases: new developments. Nature Rev Rheumatol 2016; 12: 344-57

TLR1, 2, 4, 5 und 6 finden sich an der Zellmembran, sie binden u.a. Lipopeptide und Lipopolysaccharide. Flagellin ist ein Protein bakterieller Geißeln (Flagellen).
 
TLR3, 7, 8 und 9 finden sich auf der Membran von Endosomen, wo sie Nukleinsäuren binden

    AKT, Proteinkinase 3, aktiviert den PI3K/AKT-Signalweg in der Zelle    CpG, Dinkuleotid aus Cytosin bzw. Guanin    CREB, cAMP-responsives Element-Bindeprotein
 
    IKK, Inhibitor of nuclear factor kappa kinase, regulatorische Enzyme    IL-1R, Interleukin-1-Rezeptor    IRAK, Interleukin-1 receptor-associated kinases, Proteinkinasen    IRF, Interferon regulatory factor, Proteine,welche die Transkription von Interferon regulieren
 
    JNK, c-Jun N-terminale Kinasen, signalübermittelnde Proteine    miRNA, Mikro-RNA, kurze, nichtkodierende RNA    MKK, Mitogen-activated protein kinase kinase, phosphorylieren MAPK    MyD88, Myeloid differentiation primary response 88, Signalprotein im Immunsystem
 
    NF-κB, nuclear factor kappa-light-chain-enhancer of activated B cells, Transkriptionsfaktor    PI3K, Phosphoinositid-3-Kinase,  signalübermittelndes Protein    TRAF, TNF receptor associated factors, Signaltransduktionsproteine    TRIF, TIR-domain-containing adapter-inducing interferon-β, Adapterprotein

TLRs triggern zelluläre Antworten sowohl auf Zellmembran-gebundene als auch internalisierte Mikroben (TLRs in Endosomenmembran verankert). Die erkannten Moleküle unterscheiden sich von solchen, die beim Menschen physiologischerweise extrazellulär vorkommen: Lipopolysaccharide kennzeichnen Gram-negative Bakterien (s. dort); Flagelline finden sich an gegeißelten (mobilen) Bakterien; doppelsträngige DNA kommen in Viren vor (sie werden durch endosomale Enzyme freigesetzt); unmethylierte Cytosin-Guanin-reiche Dinukleotide finden sich häufig bei Prokaryonten, kaum im Genom von Vertebraten; usw.

TLR2 und TLR4 auf dendritischen Zellen, Makrophagen u.a. erkennen aber auch körpereigene Proteine, die nicht in den Extrazellulärraum gehören: Beispielsweise Hitzeschockprotein (HSP) oder DNA-Bindungsproteine; deren "Sichtbarkeit" signalisiert Zellschäden, weil sie normalerweise nur in der Zelle vorkommen.

Toll-like Rezeptoren auf Phagozyten triggern verschiedene intrazelluläre Signalkaskaden und aktivieren Transkriptionsfaktoren, was die Produktion von Faktoren der Immunabwehr auslöst. Sie nutzen vor allem den Signalweg über den Transkriptionsfaktor NF-κB, der evolutionär äußerst konserviert geblieben ist.
 
NOD-like Rezeptoren
 
NOD-like Rezeptoren (nucleotide-binding oligomerization domain-like receptors, NLRs) sind spezifisch gegen bakterielle und virale Komponenten gerichtet und finden sich im Zytoplasma, wo sie mikrobielle molekulare Muster - Fragmente bakterieller Proteoglykane und andere Fremdmoleküle - erkennen und bei deren Bindung Immunmechanismen aktivieren, etwa die Sekretion von Zytokinen wie TNFα oder Interleukinen ( Abbildung).
 

Abbildung: Die Detektion eines bakteriellen Angriffs führt zur Bildung von Zytokinen
Nach Mostowy S, Shenoy AR. The cytoskeleton in cell-autonomous immunity: structural determinants of host defence. Nature Rev Immunol 2015; 15: 559-73

Das Protein NOD1 (Nucleotide-binding oligomerization domain-containing protein 1) identifiziert bakterielle Peptidoglykan (PG)-Fragmente und reagiert mit dem G-Protein RAC1 (Ras-related C3 botulinum toxin substrate 1). Die Aktivierung von RAC1 ist essentiell für den NOD1-Mechanismus.
 
SopE (ein Salmonellenprotein) führt zu Polymerisierung von Aktin und schaltet GTPasen ein - RAC1 bzw. CDC42 (cell division cycle 42). NOD1 bildet Komplexe mit SopE, HSP90 und RAC / CDC42. Anschließend kommt RIP2 (receptor-interacting protein 2) ins Spiel und aktiviert die Transkriptionsfaktoren NF-κB (nuclear factor-κB) und AP-1 (activator protein 1).
 
Das Ergebnis ist die Expression von IL-8 und TNF


Die Aktivierung dieser Rezeptoren führt zum Einschalten von Signalwegen und zur Expression von Genen, deren Produkte (z.B. Zytokine) eine Rolle für Entzündung und Virenabwehr spielen.
 
Fc-Rezeptoren
 
Fc-Rezeptoren werden von Phagozyten exprimiert. Mit ihnen binden sie Antikörpermoleküle - entweder weil sie zur Klasse IgE gehören (dann bedeutet die Bindung des Antikörpers an sich noch keine Aktivierung der Zelle, Abbildung), oder weil der Antikörper (vom Typ IgG, IgA oder IgM) durch Bindung eines Komplementbruchstücks durch Konformationsänderung "scharf gemacht" worden ist.
 

Abbildung: Fc-Rezeptoren
Nach einer Vorlage bei Doan / Lievano / Swanson-Mungerson / Viselli, Immunology (3rd ed). Lippincott Illustrated Reviews, Wolters Kluwer 2022

Mittels Fc-Rezeptoren erkennen und phagozytieren Immunzellen Mikroben bzw. markierte Moleküle. Bindung eines passenden Epitops führt zu Konformationsänderung des Antikörpers (Klasse IgG, IgA oder IgM), dadurch wird es von Fc-Rezeptoren der Phagozyten identifiziert und gebunden, ein intratzelluläres Signal wird "gezündet" (oben).
   
Antikörper der Klasse IgE werden gebunden, ohne dass die Zelle dadurch schon aktiviert würde; erst die Quervernetzung mehrerer Antikörper durch ein sekundär gebundenes Epitop (typischerweise eines Allergens) "zündet" ein intrazelluläres Signal (unten)


 
Mehr zur Interaktion Antikörper - Fc-Rezeptor s. dort
   
Komplementrezeptoren 


Abbildung: Komplementrezeptoren
Nach einer Vorlage bei Doan / Lievano / Swanson-Mungerson / Viselli, Immunology (3rd ed). Lippincott Illustrated Reviews, Wolters Kluwer 2022

Das angeborene Immunsystem kann Komplementfaktoren auf zwei Wegen aktivieren: Über den alternativen Weg und den Mannanbindungs- Lektinweg (MBL).
 
Bruchstücke von Komplementfaktoren binden an Mikroorganismen und markieren sie so zur Phagozytose durch Bindung an Komplementrezeptoren.
 
Komplementrezeptoren werden von Phagozyten und auch B-Lymphozyten (Bindung an Corezeptoren) exprimiert


Komplementrezeptoren auf der Oberfläche von Phagozyten erkennen komplementmarkierte Mikroorganismen, binden sie und ermöglichen die Aufnahme in die Zelle, um den Erreger nach Möglichkeit zu zerstören.

Auch B-Zellen verfügen über Komplementrezeptoren, über die sie sich an der Bildung eines B-Zell- Korezeptor- Komplexes beteiligen.
 
Opsonisierung
   
Opsoninbindende Rezeptoren erkennen verschiedene opsonisierende Liganden (auf Bakterien), wie den Fc-Anteil von Antikörpern ( Abbildung), Komplementfaktoren (z.B. C5a), mannosebindendes Lektin (MBL) oder Surfactant-Protein. Dadurch wird - neben der Exprimierung von pathogene Strukturen erkennenden Rezeptoren (vor allem TLRs) auf Monozyten, Makrophagen und Granulozyten - die Erkennung körperfremder Strukturen ermöglicht.
 

Abbildung: Beispiel einer Opsonisierung
Nach einer Vorlage bei Wikimedia

Der Phagozyt bindet via Fc-Rezeptoren Antikörper, die wiederum bakterielle Antigene binden. Dadurch wird die Phygozytose erleichtert (Opsonisierung)
 
     Opsonisierung ist die Anlagerung von Opsoninen (z.B. Immunglobulinen, Komplementfragmenten, MBL) an mikrobielle Oberflächen zwecks leichterer Phagozytierbarkeit. Opsonine sind Moleküle, die an mikrobielle Oberflächen angelagert werden und dadurch die Effizienz der Phagozytose erhöhen.
  
Phagozyten zerstören die angegriffenen Mikroorganismen einerseits durch Abbau in den Phagolysosomen, andererseits mittels toxischer Metabolite (Radikale und NO) und direkt bakterizider kationischer Proteine und Peptide.

NO wirkt toxisch auf Bakterien, Protozoen, Würmer, Pilze und bestimmte Tumorzellen, indem es eisenhaltige Enzyme in den angegriffenen Zellen blockiert oder DNA oxydativ beschädigt (über Peroxynitrit) bzw. desaminiert.



Der russische Forscher Elias Metschnikow erhielt 1908 zusammen mit Paul Ehrlich "in Anerkennung ihrer Arbeiten über die Immunität" den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Er konnte u.a. beobachten, wie in Seesternlarven eingestochene Baumnadeln von Zellen umringt und aufgelöst wurden. Er nannte diese Zellen (nach Konsultation mit dem sprachlich besonders versierten Zoologen Carl Claus) Phagozyten, also "Fresszellen". Heute weiss man, dass zu den Aufgaben der Phagozyten auch die Antigenpräsentation an T-Lymphozyten gehört.
 
Monozyten, Makrophagen, Granulozyten
 
Monozyten sind Frühformen von Makrophagen und dendritischen Zellen, die
- wie auch Granulozyten - zur Phagozytose befähigt sind. Alle diese Zellen können Gewebsreste, Fremdstoffe und Pathogene aufnehmen und beteiligen sich an verschiedenen Aspekten der angeborenen Abwehr.
    
Monozyten Makrophagen Granulozyten
 
Monozyten
 
Monozyten sind kurzlebige mononukleäre Phagozyten (10-15 µm Durchmesser, 500 bis 1000 pro µl Blut) mit bohnenförmigem Kern. Sie werden im roten Knochenmark gebildet und wandern über den Blutkreislauf in die Peripherie. 1-3 Tage zirkulieren sie im Kreislauf als Vorläufer von Makrophagen sowie dendritischen Zellen, die dann für Wochen bis Monate im Gewebe aktiv sind. Sie sind in der Lage, Mikroben im Blutkreislauf zu phagozytieren. An Stellen einer Entzündung verlassen sie den Kreislauf und entwickeln sich zu Makrophagen. Im Gewebe überleben sie (im Gegensatz zu neutrophilen Granulozyten) für längere Zeit und bleiben hier als Gewebemakrophagen aktiv (tissue-resident macrophages). Zu dieser Aktivität gehört auch das Entfernen von abgestorbenen Geweberesten an Orten einer Verletzung.
 

Abbildung: "Patrouille" und Rekrutierung von Monozyten
Nach Thomas G, Tacke R, Hedrick CC, Hanna RN. Nonclassical Patrolling Monocyte Function in the Vasculature. Arterioscler Thromb Vasc Biol. 2015; 35: 1306-16

Nichtklassische Monozyten patrouillieren kontinuierlich die Gefäße mit einer von der Blutströmug unabhängigen Geschwindigkeit von ca. 12 µm pro Minute. Das erfordert die Interaktion zwischen LFA1 (lymphocyte function–associated antigen-1) und CD11b einerseits, endothelialem ICAM1 (intercellular adhesion molecule 1) andererseits.
 
Gefäßschäden oder Entzündung
(1) setzen Chemoattraktoren wie den Chemokinrezeptor CX3CL1 und den Toll-like Rezeptor TLR7 frei (2), Monozyten werden alarmiert: Sie reagieren mit der Expression verschiedener Rezeptoren und können aus betroffenen Gefäßen auswandern (3)

Kommt es im Körper zu einer entzündlichen Reaktion, folgen Monozyten den - zuerst in das betreffende Gewebe ausgewanderten - Granulozyten mit einer Verzögerung von bis zu einigen Stunden nach, angelockt durch Signalstoffe wie die Chemokine (Monozyten exprimieren verschiedene Chemokinrezeptoren)
 
     MCP-1 (monocyte chemoattractant protein) - das auch dendritische Zellen und T-Gedächtniszellen anlockt - oder
 
     RANTES (regulated on activation normal T cell expressed and secreted), das ebenfalls - außer auf Monozyten - auf zahlreiche weitere Zellen (dendritische Zellen, NK-Zellen, Granulozyten) chemotaktisch wirkt.

Chemokine regen
Monozyten zur Diapedese in das Gewebe an. Monozyten bilden dann ihrerseits (Lymphozyten anregende) Zytokine wie Interleukin-1 und beteiligen sich an Phagozytose und Antigenpräsentation (unspezifische und spezifische Abwehr). Einmal im Gewebe, differenzieren sich Monozyten sehr rasch zu Makrophagen.

Man unterscheidet
  
    "Klassische" Monozyten - sie exprimieren CD14 und CCR2 (Marker), werden in der roten Milzpulpa gespeichert, von dort vor allem bei akuten Entzündungen freigesetzt und sezernieren Entzündungsmediatoren.

    "Nichtklassische" Monozyten exprimieren die Marker CD14, CD16 und den Chemokinrezeptor CX3CR1 ( Abbildung). Sie patrouillieren kontinuierlich die Mikrozirkulation und können durch Endothelbarrieren dringen.

    Ein drittes Subset hat entzündungsfördernde Funktion und exprimiert die Marker CD14 und CD16.
 
Über Monozyten im weißen Blutbild s. dort
 
Makrophagen

Makrophagen   entstehen aus Monozyten, die aus dem Kreislauf ausgewandert sind und sich der Abwehr widmen. Sie können sich je nach Situation und Umgebungsbedingungen differenzieren (und umdifferenzieren), z.B. von effektorischen zu regulatorischen Zellen, und können Antigene präsentieren. Sie wirken sowohl im angeborenen als auch im adaptiven Immunsystem und sind vor allem an strategischen Punkten im Körper zu finden, wo die Wahrscheinlichkeit mikrobieller Infektionen hoch ist - vor allem im Gewebe der Haut, der Lunge und des Darms, wo sie (z.B. Zelltrümmer) "vor sich hin phagozytieren".
 

Abbildung: Makrophagen erfüllen vielfache Funktionen
Nach Chawla A: Control of Macrophage Activation and Function by PPARs. Circ Res 2010; 106: 1559-69

Aus Monozyten entstehen Gewebsmakrophagen, die funktionell sehr heterogen sind.
 
Von links oben im Uhrzeigersinn: Abwehr intrazellulärer Pathogene mittels Sauerstoff- (ROS) und anderer Radikale, Präsentation von Antigenen für adaptive Immunität, Phagozytose von Immunkomplexen, Förderung der Wundheilung über growth factors.

Besonders spezialisierte Aufgaben erfüllen Makrophagen in der Milz (Abbau gealterter Erythrozyten) und im Knochen (Resorption)


    Pro Sekunde stirbt etwa eine Million Zellen im Körper ab - Makrophagen räumen Gewebereste ab (z.B. auch beim Knochenabbau) und wirken bei der Wundheilung ( Abbildung). Dabei nutzen sie verschiedene Mustererkennungsrezeptoren (wie TLRs), die beschädigte Zellen erkennen und Makrophagen aktivieren, die Reste zu phagozytieren und abzubauen.
 
    Gleichzeitig warten Makrophagen auf potentielle Pathogene (Haut und Schleimhäute als erste Verteidigungslinie!). Liegt keine mikrobielle Herausforderung vor, sind die Makrophagen im "Ruhezustand". Ihre Bedeutung wird oft unterschätzt, weil sie in den meisten Fällen die Gefahr einer Infektion eindämmen, ohne dass der Wirtsorganismus davon etwas merkt ("stille Helden" der Immunabwehr).

Makrophagen produzieren Chemokine und andere Zytokine, womit sie andere Leukozyten anlocken, auf Endothelzellen wirken und Fieber hervorrufen können (Pyrogene). Mittels toxischer O2-Metabolite und Proteasen töten sie Fremdorganismen (z.B. parasitische Würmer) extrazellulär ab. Auch sezernieren sie Eikosanoide, NO, Gerinnungsfaktoren.

Gleichzeitig
beteiligen sich Makrophagen an der Eindämmung von Entzündungseffekten sowie an der Reparatur beschädigten Gewebes.
 

Abbildung: Aktivierung und Funktion von Makrophagen
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024
Im Rahmen der angeborenen Immunität aktivieren mikrobielle Stoffe, die an TLRs binden, sowie Zytokine die Makrophagen - das führt zur Bildung von proinflammatorischen und Mikroben abtötenden Proteinen. Komplementrezeptoren an der Zelloberfläche stimulieren die Phagozytose von Mikroben, an denen Komplementfragmente haften, und aktivieren den Makrophagen.
 
Adaptive Komponente: Fc-Rezeptoren für IgG binden Mikroben, an denen Antikörper (IgG) haften und wirken ähnlich wie Komplementrezeptoren



Makrophagen bilden zusammen das mononukleäre Phagozytensystem (früher: Retikulo-endotheliales System) des Körpers. Zu diesem gehören
  die
Mikroglia im Gehirn,
  Monozyten im Blut und Knochenmark,
  Kupffer-Sternzellen in der Leber,
  Histiozyten in Lymphknotensinus,
  Osteoklasten im Knochen,
  Makrophagen im Bindegewebe (Histiozyten),
  in den Lungenalveolen,
  im Fettgewebe,
  Mesangiumzellen in Nierenglomeruli,
  Peritonealmakrophagen u.a.

Makrophagen wirken als Wächterzellen (sentinel cells); ihre Mustererkennungsrezeptoren detektieren die Anwesenheit von Mikroben über deren PAMPs. Sie nutzen eine breite Rezeptorpalette: Scavenger-Rezeptoren (diese binden verschiedenste Stoffe, wie Phospholipide, Proteoglycane, Lipoproteine, Cholesterin, Kohlenhydrate), Rezeptoren für Antikörper, aktivierte Komplementfaktoren. Sie sind in der Lage, Erreger zu phagozytieren oder mittels Radikalen abzutöten, auch über porenbildende Eiweiße (Membran-Angriffskomplexe) zu zerstören.

Reicht das nicht aus, bilden sie - zusammen mit Mastzellen - Zytokine (TNF, IL 1 und 6) als "Hilferuf". So können sie T-Helferzellen über IL-1 aktivieren und eine Entzündungsreaktion auslösen, bei der aktiviertes Endothel das Auswandern von Leukozyten in das betroffene Gewebe begünstigt.

Treten Signale auf, die eine Verletzung der ersten Verteidigungslinie signalisieren, werden Makrophagen aktiviert (durch Signalstoffe wie IFN-γ, das vor allem aus Helfer-T-Zellen und NK-Zellen stammt) und erhöhen die Zahl der MHC-II-Moleküle in ihrer Außenmembran. Auf diese Weise präsentieren Makrophagen den T-Helferzellen Bruchstücke phagozytierter "Angreifermoleküle". Auch besitzen Makrophagen Rezeptoren für Komplementfaktoren, und sie können über eigene Rezeptoren den Fc-Teil "aktiver" IgG-Antikörper binden.

Die Aktivierung von Makrophagen kann auf zwei Wegen erfolgen - einem "klassischen" (M1) und einem "alternativen" (M2;
Abbildung).
 

Abbildung: Klassische und alternative Makrophagenaktivierung
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024

Mikrobielle Metabolite, die an Toll-like Rezeptoren und Zytokine (insbesondere Interferon-γ) binden, induzieren den klassischen Weg der Aktivierung von Makrophagen. Diese M1-Makrophagen töten Mikroben ab und wirken proinflammatorisch.
 
Von bestimmten Leukozyten produzierte Interleukine (IL-4, IL-13) aktivieren M2-Makrophagen und befördern die Wundheilung, wirken gleichzeitig entzündungshemmend.

TLR = Toll-like-Rezeptor, IFN = Interferon, IL = Interleukin, ROS = Sauerstoffradikale, NO = Stickstoffmonoxid, TGF = Transformierender Wachstumsfaktor



Sie können dabei - je nach dem Zytokinmuster, dem sie ausgesetzt sind - verschiedene Spezialisierungen annehmen ( Abbildung), die sich im Sinne eines Kräftegleichgewichts ergänzen:
 
   M1 - getriggert durch Faktoren wie TLRs und IFN-γ, die sowohl im angeborenen als auch im adaptivern System wirksam sind. Die zugrunde liegende klassische Makrophagenaktivierung wird durch angeborene Mechanismen (wie TLRs) oder durch IFN-γ (sowohl im adaptiven als auch im angeborenen System) ausgelöst. M1-Makrophagen gelten generell als proinflammatorisch und zerstören auf diesem Wege Mikroben.
 
   M2 - bei Abwesenheit starker TLR-Signale sowie durch IL-4 und IL-13 angeregt, sind M2-Makrophagen vermutlich eher auf Reparatur und Heilung des Gewebes spezialisiert. Die alternative Makrophagenaktivierung funktioniert auch bei nur schwachen TLR-Signalen und wird durch Zytokine angeregt.

Diese beiden Komponenten - die Ausbildung von M1- vs. M2-Makrophagen - sind Extremvarianten; meist tritt eine Mischung beider Effekte auf. Situationsbedingte Ausgewogenheit gegensätzlicher Wirkungsmechanismen kann einen jeweils optimierten Zustand bewirken.

Der "alerte" Zustand der Makrophagen kann durch die Anwesenheit bakterienspezifischer Moleküle, z.B. Lipopolysaccharid, noch weiter gesteigert werden (Hyperaktivierung). Dann erhöht sich die Zahl der Lysosomen (erhöhte Phagozytosekapazität) und der Makrophage setzt Tumornekrosefaktor frei, was virusbefallene Zellen abtötet und das Immunsystem weiter anregt.

Makrophagen sind routinemäßige Phagozytierer und haben immunologische "Melderfunktion".

Es gibt sehr unterschiedlich wirkende Makrophagen; so können die einen entzündungsauslösend (proinflammatorisch), andere hingegen entzündungshemmend wirken. Erstere tragen unter Umständen zu schon vorhandenen Gewebeschäden weiter bei (Entzündung, Fribrosierung), während sich letztere an Reparatur- und Regenerierungvorgängen beteiligen (z.B. in einer durch Minderdurchblutung geschädigten Niere).

Gewebemakrophagen haben vielfache Aufgaben:

    Phagozytose und Abtötung von Mikroben. Dazu konfluieren Endozytosevesikel mit Lysosomen, wo Radikale (reactive oxygen / nitrogen species) phagozytierte Mikroben zerstören und proteolytische Enzyme ihre Eiweißmoleküle abbauen

    Phagozytose und Abbau nekrotischer / apoptotischer / abgestorbener Wirtszellen sowie abgestorbener neutrophiler Granulozyten

    Sekretion von Zytokinen, die u.a. die Passage von Leukozyten über die endotheliale Barriere in entzündetem Gewebe erleichtern

    Antigenpräsentation an T-Lymphozyten

    Anregung der Gefäßneubildung (Angiogenese) und Kollagensynthese im Rahmen der Wundheilung
 

Abbildung: Reifung mononukleärer Phagozyten
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024

Oben: Monozyten gelangen aus dem Knochenmark in den Kreislauf. Treten sie im Rahmen entzündlicher Vorgänge in das Gewebe aus, reifen sie zu Makrophagen heran und werden lokal aktiviert.
 
Unten: Intrauterin wandern Zellen aus Dottersack- und Lebergewebe in verschiedene Organe ein, werden gewebeansässig und verbleiben als
dort als spezialisierte Makrophagen. Diese können Mikroben phagozytieren und mittels Sauerstoffradikalen / Stickstoffmonoxid abtöten und sich an entzündlichen Vorgängen beteiligen


Makrophagen reagieren auf mikrobielle Herausforderungen etwa gleich rasch wie Neutrophile, überleben aber wesentlich länger als diese und können so mehrere Tage im infizierten Gewebe wirksam bleiben. Sie wirken als "Wächterzellen" und reagieren auf die Anwesenheit von DAMPs / PAMPs mit der Bildung entzündungsauslösender Zytokine.

Im "Normalzustand" wirken aber Gewebemakrophagen antiinflammatorisch, also entzündungshemmend; allfällig vorhandene Gewebeschäden und toxische Stoffe beseitigen sie durch Phagozytose und Abbau, ohne inflammatorische Zytokine zu sezernieren. Dadurch tragen sie wesentlich zu Stabilität und Gewebehomöostase bei.
 
  Über Makrophagen und Eisenhaushalt s. dort
 
Bei einem mikrobiellen Angriff mischen sich Makrophagen in das Kampfgeschehen ein, auf aggressives Phagozytieren sind aber vor allem neutrophile Granulozyten (polymorphonukleäre Leukozyten) spezialisiert. Das verleiht Schutz vor bakteriellen und Pilzinfektionen.
 
Granulozyten (polymorphkernige Leukozyten)
  
Neutrophile Eosinophile Basophile
 
Granulozyten (polymorphonuclear granulocytes / leukocytes, PMNs, PMLs, PMNLs) - benannt nach ihren zytoplasmatischen Granula, die verschiedene Enzyme enthalten - haben im Kreislauf eine Lebensspanne von weniger als 12 Stunden. Werden sie aktiviert, können sie in das Gewebe auswandern, wo sie ihre eigentlichen Funktionen erfüllen.
 
  Neutrophile Granulozyten
 
Neutrophile Granulozyten und Makrophagen teilen viele Charakteristika wie angeborene Abwehr, Chemotaxis, Auswanderung aus der Blutbahn und Phagozytose. Die folgende Tabelle skizziert die Unterschiede zwischen diesen beiden Zellarten (vgl. oben):
 
Neutrophile Granulozyten und Makrophagen im Vergleich
Nach Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024
Komonpente / Eigenschaft
Neutrophile
Makrophagen
Ursprung
Hämatopoetische Stammzelle (Knochenmark)
Viele Gewebemakrophagen: Stammzellen in Dottersack / fetaler Leber
Entzündung: Knochenmark-Stammzelle
Lebenszeit im Gewebe
1-2 Tage
Gewebemakrophagen: Jahre
Entzündungsmakrophagen: Tage bis Wochen
Reaktion auf Aktivierung
Rasch, kurzdauernd, Enzymwirkung
Langsam, langanhaltend, hängt oft von neuer Gentranskription ab
ROS
Rasch durch Phagozytenoxidase (respiratory burst)
relativ gering
NO
gering bis nicht vorhanden
Transkription von iNOS
Degranulierung
Hauptwirkung durch Umlagerung des Zytoskeletts gering
Zytokinproduktion
Niedrig pro Zelle
Hauptfunktion, intensiv, Zytokingene müssen transkribiert werden
Extrazelluläre traps
Rasch verfügbar durch Extrusion des Kerninhalts
kaum
 
Neutrophile Granulozyten machen >90 % aller Granulozyten aus (4000 bis 10.000/µl Blut), ihr Zelldurchmesser beträgt 12-15 µm. Bei bestimmten bakteriellen oder Pilzinfektionen kann ihre Zahl im Blut - angeregt durch Zytokine (CSFs) aus zahlreichen verschiedenen Zelltypen - bis zum Zehnfachen des Normalwertes ansteigen - sie sind der führende Zelltyp im Rahmen akuter Entzündungen. Sie haben Rezeptoren für Antikörper, die sich an Mikroben anhaften, und können diese schon im zirkulierenden Blut phagozytieren. Aktivierung dieser Rezeptoren verstärkt die Fähigkeit zur Vernichtung aufgenommener Mikroben. An Stellen von Gewebeverletzungen befördern Neutrophile das "Abräumen" von Zellresten. Neutrophile Granulozyten haben eine kurze Lebensdauer (im Gewebe nur wenige Stunden), die mit Apoptose endet.

Ihre Bedeutung wird aus der Tatsache ersichtlich, dass Menschen mit niedriger Neutrophilenzahl bzw. Granulozyten-Funktionsstörungen leicht an bakteriellen Infektionen und Pilzbefall erkranken.

Neutrophile präsentieren keine Antigene (wie Makrophagen), sondern sind ausschließlich auf Abwehr - sowie die Wiederherstellung geschädigten Gewebes - spezialisiert. In ihrer Reaktion sind sie in der Lage, zwischen (keimfreien) Verletzungen ("Freiräumen" von Gewebe, Revaskularisierung) und Infektionen (Freisetzung von Proteasen, Oxidantien, DNA-Netzen - NETs) zu unterscheiden. Neutrophile sind antimikrobielle Kampfzellen.
 
Neutrophile Granulozyten bilden mittels Enzymen wie Myeloperoxidase Sauerstoffradikale, mit denen sie Bakterien abtöten können
 
Neutrophile werden chemotaktisch angelockt und können z.B. Bakterien phagozytieren; ihre Granlua (spezifische und azurophile) enthalten lysosomale Enzyme (Collagenase, Peroxidase..), mit denen sie Fremdmaterial abbauen. Der für Resorptionsvakuolen typische niedrige pH-Wert ist für die Wirkung einiger Proteasen weniger günstig; eine NADPH-Oxidase auf der Leukozytenoberfläche reguliert den Ionentransport so, dass der intravakuoläre pH-Wert steigt, neutrale Proteasen können dann aufgenommene Mikroorganismen gut verdauen. Die Bedeutung von Radikalen wie H2O2 (Wasserstoffperoxid) oder O2- (Superoxid) für den Abbau von Mikroorganismen ist vermutlich geringer als ursprünglich angenommen.

Einmal aktiviert, sind sie innerhalb einer halben Stunde voll "aufgerüstet" - aber noch inaktiv - im Blut unterwegs. In entzündetem Gewebe treten sie aus der Blutbahn aus und setzen sowohl chemische Kampfstoffe (aus ihren Granula) als auch Signalstoffe (Zytokine) frei. Sie phagozytieren abgestorbene Körperzellen, Bakterien oder auch Fremdzellen.

Die begrenzte Lebenszeit aktivierter neutrophiler Granulozyten mindert das Risiko gewebeschädigender Nebeneffekte.
 

Abbildung: Clearance von Neutrophilen
Nach Liew PX, Kuber P. The Neutrophil’s Role During Health and Disease. Physiol Rev 2019; 99: 1223-48

Physiologische Clearance: Neutrophile wandern aus der Blutbahn kontinuierlich in die Mundhöhle und auf die äußere Oberfläche der Augen (Immunschutz). Andere werden im Knochenmark aus dem Kreislauf entfernt.
 
In entzündetem Gewebe verlassen Neutrophile das Blut und nehmen ihre immunologische Kampffunktion (Bekämpfung von Mikroorganismen) wahr, bzw. sie beteiligen sich am Wiederaufbau geschädigten Gewebes (Reparatur traumatischer Veränderungen).
 
Anschließend werden sie dort entweder direkt von Phagozyten entsorgt (lokaler Zelltod), oder sie gelangen zurück in die Blutbahn (reverse Migration), durch die Lunge und schließlich in das Knochenmark, wo sie abgebaut werden


Viele Fragen bezüglich der Physiologie neutrophiler Granulozyten bleiben offen: Welche Bedeutung hat die Bildung von Zytokinen durch Neutrophile (Makrophagen sind z.B. eifrige Zytokinproduzenten)? Kreisen sie stetig in der Blutbahn, oder bilden sie eher einen marginalen Zellpool in der Mikrozirkulation? Wie unterscheiden sie sterile von infektiösen Gewebedefekten? Gibt es mehrere Unterarten? Wie und wo gehen Neutrophile zugrunde (Knochenmark? Eiter? Andere Stellen? s. Abbildung).
 

Eosinophile Granulozyten
 
Eosinophile Granulozyten finden sich vor allem in Schleimhäuten (Atemapparat, gastrointestinales und urogenitales System). Sie enthalten das für Parasiten toxische major basic protein (MBP) - seine Vorstufe (im endoplasmatischen Retikulum) ist inaktiv und wird erst in den Granula "scharf gemacht" -, zerstören Parasiten und modulieren Entzündungsprozesse in geschädigtem Gewebe.

Eosinophile reagieren auf Reizung durch Zytokine (insbesondere IL-5; vor allem aus Th2-Zellen) und Chemokine durch Vermehrung ihrer Fc-Rezeptoren für IgE. Binden diese ihr Antigen, kommt es zu Dimerisierung an der Zellmembran und Reizung der Zelle. Dann entladen sie toxische Granula in ihre Umgebung, vor allem zur Abwehr IgE-markierter Parasiten.

Die Degranulierung setzt Sauerstoffradikale (ROS, reactive oxygen species) aus Peroxid-Zwischenstufen frei; ferner basische Proteine, Eikosanoide, Enzyme (Peroxidase, Kollagenase, Phosphatase, Elastase), Wachstumsfaktoren (GM-CSF), Interleukine (IL-3, 5, 8, 10).

Dieser Cocktail erhöht in der Umgebung die Gefäßpermeabilität (Entzündung), regt die Schleimbildung an, kontrahiert Bronchien, aktiviert weitere Eosinophile, wirkt chemotaktisch auf Leukozyten, und wirkt auf Bakterien und Würmer toxisch (allenfalls auch auf körpereigene Zellen).
 
 Basophile Granulozyten
 
Basophile Granulozyten beteiligen sich ebenfalls an der Parasiten-Bekämpfung. Sie können (wie Mastzellen) durch Degranulation Peroxidase, Heparin und Histamin freisetzen. Neben der Paasitenabwehr wirkt das gerinnungshemmend und vasodilatierend, steigert die Kapillarpermeabilität und wirkt an der Entstehung von Schmerz und Entzündungsprozessen mit.

Weiters sezernieren Basophile bei Bedarf Interleukine - sie sind eine bedeutsame Quelle von IL-4, das wiederum B-Lymphozyten zur Sekretion von IgE anregt.

 
Basophile Granulozyten werden über ihre IgE-Rezeptoren aktiviert, worauf sie Histamin, Heparin und Proteasen freisetzen
 
Sowohl eosinophile als auch basophile Granulozyten beteiligen sich an Entzündungsvorgängen und Parasitenabwehr.

Basophile Granulozyten sind im Blut sehr rar (normalerweise <0,1% aller zirkulierenden Leukozyten).

Über das weiße Blutbild und Referenzwerte s. dort

  Über die Rolle von Leukozyten bei immunologischen Hypersensitivitätsreaktionen s. dort
 
     Auch Thrombozyten  beteiligen sich an der Abwehr von Mikroben ( s. dort).
 
Spezielle Immunzellen
 
Neben kernhältigen Blutkörperchen, die im Blut regelmäßig vorkommen (neutrophile, eosinophile und basophile Granulozyten sowie T- und B-Lymphozyten), gibt es eine Reihe weiterer Leukozyten, die im Blut nicht notwendigerweise nachweisbar sind, aber entscheidende Schutzfunktionen ausüben: Teils lymphozytenähnlich (ILCs, natürliche Killerzellen, nichtadaptive Lymphozyten), teils granulozytär (Mastzellen). Das angeborene Immunsystem arbeitet auch mit diesen, aus dem Knochenmark stammenden, speziellen Zellen, deren Morphologie und Aufgaben lymphozytenähnlich sind, die aber nicht über lymphozytäre (T-Zell- oder B-Zell-) Rezeptoren verfügen.
 
Innate lymphoid cells    NK-Zellen    Nichtadaptive Lymphozyten    Mastzellen
  
ILC: Lymphoide Zellen der angeborenen Immunität
 

Innate lymphoid cells (ILCs), also lymphozytenähnliche Zellen der angeborenen Immunabwehr, befinden sich im Gewebe - an epithelialen Oberflächen und Schleimhäuten (Darm, Lungen..), kaum im Blutkreislauf - und beteiligen sich an der ersten Abwehr gegen Infektionen. Im Gegensatz zu T-Zellen - die sich fallweise aus dem Kreislauf entfernen und über die Lymphbahnen wieder in das Blut zurückkehren können - sind ILCs dauerhaft im Gewebe ansässig. Häufig werden sie durch Zytokine angeregt (insbesondere IL-17 - s. Tabelle), die von beschädigten Epithelien oder anderen Zellen an Stellen einer Infektion freigesetzt werden. Sie produzieren auch selbst Zytokine (ähnlich wie Helfer-T-Zellen), besitzen aber keine T-Zell-Rezeptoren für Antigene.

Von ILCs produzierte Zytokine werden auch als fate specifying cytokines bezeichnet, weil sie bestimmen, wohin sich Vorläuferzellen entwickeln (ILC1, ILC2, ILC3) und haben ähnliche Effektorfunktionen wie CD4+-Zellen ("Helferzellen" vom Typ Th1, Th2, Th17). Die Gruppen unterscheiden sich und in der Expression von Transkriptionsfaktoren und in der Zytokinproduktion:
 
     ILCs der Gruppe I (ILC1) produzieren Interferon-γ,
 
     ILCsder Gruppe II (ILC2) produzieren IL-5 und IL-13,
 
     ILCs der Gruppe III (ILC3) produzieren IL-17 und IL-22).
 
Dementsprechend sind ihre Wirkungsspektren unterschiedlich (Tabelle).
 
Zytokinproduzierende Innate Lymphoid Cells (ILCs)

Nach Abbas / Lichtman / Pillai, Cellular and Molecular Immunology, 9th ed. 2018
Gruppe
Differenzierung angeregt durch
Aktivierung angeregt durch
produzieren hauptsächlich
Effektorfunktion
(beispielhaft)
ILC1
IL-15, IL-7
IL-12, IL-18
Interferon γ Virenschutz
ILC2
IL-7
IL-25, IL-33
IL-5, IL-13
Schutz vor Parasiten
ILC3
IL-7
IL-1, IL-23
IL-17, IL-22
Barrierefunktion im Darm
  
ILCs greifen in die Regulation sowohl der angeborenen als auch der adaptiven Immunität ein, beteiligen sich an morphogenetischen und Reparaturvorgängen, verleihen unmittelbaren Schutz vor infektiösen Pathogenen, erkennen gestresste und verletzte körpereigene Zellen und helfen, diese zu eliminieren.

Fehlregulation von ICLs kann Astma bronchiale, Allergien und Autoimmunkrankheiten auslösen.
 
Natürliche Killerzellen (NK-Zellen, NKC)
 
Unter den Leukozyten, die im Blut kreisen, gibt es eine nicht geringe Zahl von Zellen, welche von der lymphatischen Zelllinie abstammen und wie Lymphozyten aussehen, aber keine T-Zellrezeptoren oder Immunglobuline exprimieren (wie das T- bzw. B-Lymphozyten tun). Sie werden daher auch nicht der adaptiven, sondern der angeborenen Abwehr zugerechnet. Man zählt sie zur Untergruppe der großen granulären Lymphozyten, weil sie größer sind als die Mehrzahl der im Blut kreisenden Lymphozyten und reichlich azurophile Granula enthalten.
  
     NK (natürliche Killer-) Zellen (natural killer cells NKC) sind kurzlebige (~1 Woche) lymphoide Zellen. Sie machen 5-20% der Zellen mit Lymphozytenmorphologie in Blut und sekundären lymphatischen Organen aus (in Leber und Plazenta kommen sie häufiger, in anderen lymphatischen Geweben seltener vor). Sie betreten infizierte Gewebe und dämmen die Ausbreitung von Infektionen ein, indem sie
 
   mikrobenbefallene (oft virusinfizierte) Zellen abtöten und
 
   Zytokine sezernieren (vor allem Interferon-γ, das Makrophagen aktiviert), um die Replikation von Viren zu stoppen.
 
   Auch erkennen sie gestresste Zellen, die sie ebenfalls Makrophagen "schmackhaft machen" können.
 
Den Inhalt ihrer azurophilen Granula können NKC in infizierte Zellen deponieren, was diese über Enzymaktivierungsschritte zur Apoptose bringt.

Die Aktivität der NKC wird durch Zytokine aus dendritischen Zellen und Makrophagen, welche Kontakt mit Mikroben haben, erhöht - wie IL-12 (
Abbildung), Typ 1-Interferone (beide verstärken die Abtötungskapazität der NKC) und IL-15 (wichtig für ihre Entwicklung und Reifung). Das verstärkt den Schutz vor Infektionen und wird besonders dann wichtig, wenn virusbefallene Zellen es nicht alleine schaffen, die virale Reproduktion zu stoppen. Der Abtötungsmechanismus der NKC gleicht demjenigen zytotoxischer (CD8+) T-Zellen, NKC können sich damit auch an der Abtötung von Tumorzellen beteiligen.
 

Abbildung: Funktionen von NK-Zellen
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024

Oben: NK-Zellen töten körpereigene Zellen ab, die mikrobenbefallen sind (der Mechanismus ist identisch mit dem zytotoxischer T-Zellen) und eliminieren so Infektionsherde.
 
Unten: NK-Zellen und Makrophagen kooperieren: Aktivierte Makrophagen regen (mittels IL-12) NK-Zellen an, IFN-γ zu sezernieren; dieses regt wiederum Makrophagen an, aufgenommene Mikroben abzutöten


Die Reaktionen angeregter NK-Zellen hängt vom Stimulationsmuster der Rezeptoren an ihrer Oberfläche ab: NKC verfügen über aktivierende und hemmende Rezeptoren.
 
Mit Viren oder Bakterien infizierte, DNA-geschädigte und auch einige Krebszellen exprimieren typischerweise bestimmte molekulare Kennzeichen, die sie an ihrer Außenmembran vorweisen und die über aktivierende Rezeptoren von NK-Zellen erkannt werden - z.B. NKG2D oder CD16 (s. unten). Aktivierende Rezeptoren verfügen über ITAMs. Der Erkennung folgt die Abtötung der Zielzelle (ADCC).

Hemmende
(inhibitorische) NKC-Rezeptoren
hingegen verfügen über ITIMs und blockieren den Signalmechanismus der aktivierenden Rezeptoren; sie erkennen spezifisch MHC-I-Moleküle, die von gesunden Körperzellen exprimiert werden. Dass diese nicht von NK-Zellen angegriffen werden, ist von großer Bedeutung.
 

 
Bindet ein inhibitorischer Rezeptor ein "gesundes" HMC-I-Molekül, werden Tyrosinreste seiner ITIMs phosphoryliert. Phosphorylierte ITIMs binden und aktivieren Tyrosinphosphatasen im Zytoplasma, worauf hin diese verschiedene Signalmoleküle dephosphorylieren. Das wiederum läuft der Aktivität von ITAMs entgegen und blockiert die NK-Zelle - die normale Körperzelle wird nicht angegriffen.

Zu den inhibitorischen NKC-Rezeptoren zählen (mit anderen) sogenannte KIRs:
 
     KIRs (killer cell immunoglobulin-like receptors) sind Rezeptoren auf NK-Zellen, die der Immunglobulin-Superfamilie zugerechnet werden. Sie erkennen unterschiedliche Allele von HLA-A-, HLA-B- und HLA-C-Molekülen. KIRs sind polymorph, d.h. sie kommen in verschiedenen allelen Varianten vor - einige agieren im Rahmen aktivierender, andere im Rahmen inhibierender Rezeptormechanismen. Einige KIRs verfügen über Komponenten mit ITIMs auf ihrem zytoplasmatischen Ende, welche die Aktivität der NKC blockieren, andere haben eine verkürzte zytoplasmatische Sequenz, assoziieren aber mit anderen Peptiden, die ITAMs enthalten. Dann wirken sie aktivierend auf die NK-Zelle.

Wie sich NKCs verhalten, hängt also davon ab, wie stark jeweils aktivierende vs. inhibierende Rezeptoren in das Geschehen involviert sind:


Das Gleichgewicht der Reizung aktivierender und inhibierender Rezeptoren in der NKC-Membran bestimmt deren Aktivierungsgrad. Aktivierende Rezeptoren können den "Kill"-Mechanismus anregen, inhibierende diesen unterdrücken. Aktivierende Rezeptoren erkennen Liganden an infizierten oder veränderten Körperzellen, inhibitorische Rezeptoren erkennen Liganden an gesunden körpereigenen Zellen. KIRs überprüfen die "Normalität" der MHC-Klasse I-Moleküle, welche alle kernhältigen Körperzellen vorweisen. Bei "Intaktheit" bleibt die NK-Zelle ungefährlich.
 
       Inhibitorische NKC-Rezeptoren erkennen MHC-I-Moleküle körpereigener  Zellen und aktivieren Phosphatasen (das hemmt Kinasen und damit die Aktivierung von  NK-Zellen). Zu diesem Rezeptortyp gehören
  KIRs als die größte Gruppe der inhibitorischen Rezeptoren an NKCs,
  Rezeptoren, die aus CD94-Protein sowie einer Lektineinheit (NKG2) bestehern.
 
Beide Rezeptortypen enthalten ITIMs, die in phosphorylierter Form die Aktivität der NK-Zelle blockieren. Diese inhibitorischen NK-Zell-Rezeptoren werden durch Bindung an MHC-I-Moleküle körpereigener Zellen ("selbst") aktiviert: Das dephosphoryliert / blockiert Tyrosinkinasen am zytoplasmatischen Ende ihrer "Gegenspieler", d.h. aktivierender Rezeptoren, die sonst die NK-Zelle anregen würden. Erkennung normaler Körperzellen blockiert die NK-Zell-Aktivierung (folgende Abbildung).
  

Diese Selbsterkennung ist bei fehlender Anwesenheit von MHC-I ("gestresste" Zelle:
recognition of missing self) oder Bindung nicht-körpereigener MHC-I-Moleküle (allogen: Fremdzelle) ausgeschaltet - die Tyrosinkinase-Aktivität der aktivierenden Rezeptoren wird nicht blockiert, die NK-Zelle erhält "grünes Licht" für einen Angriff auf die "verdächtige" Zelle.

       Aktivierende NKC-Rezeptoren (auch KARs: Killer cell activating ligands genannt) haben kein ITIM-Motiv und kommen nicht an allen NK-Zellen vor. Zu ihnen gehören
  KIR2DS, KIR3DS (D = Zahl extrazellulärer Domänen, S / L = kurze / lange intrazelluläre Domäne),
  NKG2D (erkennt MHC I-ähnliche Moleküle, die bei zellulärer Belastung exprimiert werden),
  CD16 (erkennt den Fc-Teil von IgG-Antikörpern, die an Zellen gekoppelt sind). Die Aktivität von NK-Zellen richtet sich gegen infizierte oder Tumorzellen - ohne vorangegangenen Antigenkontakt. NKC lysieren Zielzellen, gegen die solche IgG gerichtet sind, entfalten also antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität (ADCC),
  Lektine (Proteine, die spezifische Kohlenhydrate und damit an Zellmembranen binden),
  NCRs (natural cytotoxicity receptors) - binden u.a. virale Haemagglutinine.

Aktivierende NKC-Rezeptoren identifizieren Moleküle (darunter MICA und MICB: MIC = MHC class I polypeptide-related - A = sequence A, B = sequence B) auf Zellen, die "gestresst" sind - die abnorm, verletzt (DNA-Schäden) bzw. infiziert sind (intrazelluläre Mikroben).
 
MICs sind stressinduzierte Liganden, ihre Gene liegen innerhalb des MHC-locus. Werden aktivierende Rezeptoren engagiert und nicht durch inhibierende blockiert, regen sie Protein-Tyrosin-Phosphatasen und damit die NK-Zell-Aktivität an.
 

Abbildung: Rezeptoren, die natürliche Killerzellen aktivieren und inhibieren
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024

Oben: Intakte Körperzellen exprimieren MHC-I-Moleküle, die (in Kombination mit präsentierten Peptiden aus dem Abbau körpereigener Proteine) von inhibierenden Rezeptoren auf NK-Zellen erkannt werden und verhindern, dass die NK-Zelle die körpereigene Zelle angreift. Solange inhibitorische Rezeptoren wirksam sind, bleibt die Zelle (unten dargestellt) auch dann verschont, wenn aktivierende Rezeptoren besetzt sind.
 
Unten: Infizierte Körperzellen aktivieren NK-Zellen, wenn sie aktivierende Rezeptoren (oft auf hohem Niveau), aber kaum oder keine MHC-I-Komplexe exprimieren

  
NK-Zellen stammen von der lymphatischen Zelllinie ab
 
NK-Zellen können virusinfizierte, Tumor- oder Fremdzellen direkt töten, indem sie deren Apoptose auslösen
 
NK-Zellen haben ähnliche Effektorfunktion wie CD8+-Zellen. Sie erkennen und töten Mikroben oder infizierte, gestresste, IgG-markierte oder Tumorzellen (ihre Granula enthalten Proteine - wie Perforin und Granzyme - mit zytotoxischer Wirksamkeit, Abbildung unten). Zur Abtötung von Mikroben und suspekten Zellen durch NKC sind Antikörper (im Gegensatz zu Killer-T-Zellen) nicht notwendig. So sind sehr rasche Immunantworten möglich, Mikroben (allogene Zellen) können unmittelbar abgetötet werden.
 
Finden NK-Zellen während ihrer Überprüfung wenig oder kein MHC vor - bei virusinfizierten (viele Viren hemmen die Expression von MHC) oder auch bei einigen Krebszellen -, fällt die Inhibition weg, und sie bringen die Zelle zur Apoptose. Zusätzlich erkennen NK-Zellen über aktivierende Rezeptoren stressinduzierte Moleküle (infizierter Zellen) oder onkofetale Antigene (von Krebszellen) in erhöhter Konzentration, und das verstärkt ihre zytotoxische Aktivität.
 
Zahlreiche Virenarten haben Mechanismen gefunden, die Expression von MHC-I ihrer Wirtszellen zu blockieren und dadurch der Zerstörung durch virusspezifische CD8+-Killerzellen zu entkommen. Das Fehlen von MHC-I bedeutet aber auch, dass inhibitorische NKC-Rezeptoren nicht aktiviert werden (keine Präsentation von "selbst"), und die virusbefallene Zelle kann (statt durch CD8+-Killerzellen) durch NK-Zellen eliminiert werden - ein Beispiel für die Kompensation eines Mechanismus (Ausfall der Wirkung zytotoxischer T-Zellen der adaptiven Abwehr) durch einen anderen (erhöhte Zytotoxizität von NK-Zellen der angeborenen Immunität).
 

Abbildung: Wie NK-Zellen Zielzellen zerstören
Nach Voskobolnik I, Whisstock JC, Trapani JA. Perforin and granzymes: function, dysfunction and human pathology. Nature Rev Immunol 2015; 15: 388-400

Oben: Das Zytoskelett zieht sekretorische Granula mit Perforin und Granzymen zum Zellpol, der nahe an der anzugreifenden Zielzelle liegt.
 
Unten: Freisetzung von Perforin und Granzymen sowie das Eindringen von Calciumionen führt zur Zerstörung der Zielzelle



      Granzyme sind Proteasen in Granula von zytotoxischen Zellen, welche in die angegriffene (viren- oder bakterieninfizierte oder anderweitig gestresste) Zelle eindringen und diese zur Apoptose veranlassen.

      Perforin ist ein Protein, das von NK-Zellen und zytotoxischen (CD8 positiven) Zellen gebildet und in Granula gespeichert wird. Bei Degranulierung oligomeriert es (Ca++-abhängig) zu Poren in der Zellmembran der Zielzelle. Dadurch können zytotoxische Stoffe eindringen - s. auch dort

      Weiters verfügen NK-Zellen über Fc-Rezeptoren (Membranstrukturen, die Antikörper an ihrem Fc-Teil binden), d.h. sie können antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität (ADCC) auslösen.

Gegenseitige Verstärkung: NK-Zellen werden durch mehrere Zytokine angeregt: IL-12, IL-15, IL-18, Typ-I-Interferon. Angeregte NK-Zellen können in kurzer Zeit große Mengen an Zytokinen produzieren, darunter IL-4 und Interferon-γ, womit sie Makrophagen dazu motivieren, phagozytierte Mikroben zu zerstören. Umgekehrt regen Makrophagen mit phagozytierten Mikroben NK-Zellen mittels Interleukin-12 an.

Zu Beginn eines viralen Infekts führt die Bindung von Liganden infizierter Zellen an NK-Zell-Rezeptoren - verstärkt durch Interleukine (IL-12, IL-15) - zur Expansion entsprechender NK-Zell-Klone und rasche Abtötung infizierter Zellen, noch bevor Zytotoxizität durch CD8+-Lymphozyten wirksam werden kann (die Ausbildung antigenspezifischer Abwehr dauert 5-7 Tage).
 
NK-Zellen wirken in der angeborenen Immunabwehr
 
Sie töten mit Viren oder intrazellulären Bakterien infizierte Zellen ab und produzieren Interferon-γ
 
Ihre zytotoxischen Wirkungen ähneln denen von CD8+-Zellen und werden durch eine Balance zwischen aktivierenden und inhibierenden Rezeptoren gesteuert
 
Sie haben  T-Lymphozyten-ähnliche Effektorfunktionen, aber keine T-Zell-Antigenrezeptoren
 
In intaktem Gewebe sind NK-Zellen kaum vorhanden (und dort inaktiv), sie sammeln sich aber an Orten der Entzündung an und können (wie T-Killerzellen) virusinfizierte oder Krebszellen ebenso abtöten wie Bakterien, Parasiten oder Pilze.

Zu NKT-Zellen s. dort
    
Nichtadaptive T- und B-Lymphozyten
 
Im Rahmen der angeborenen Abwehr agieren auch B- und T-Lymphozyten mit eingeschränkter Antigen-Rezeptordiversität sowie einige Untergruppen spezieller nichtadaptiver T- und B-Lymphozyten, wie γδ-T-Lymphozyten.
 
Mastzellen
 
Mastzellen sind aus dem Knochenmark stammende Schutz- und Reparaturzellen, die einerseits an der Grenze zwischen Außen- und Innenwelt des Körpers (insbesondere an Schleimhäuten), andererseits zwischen Gewebe und Blutgefäßen strategisch positioniert sind. Sie verfügen über reichlich zytoplasmatische Körnchen (Abbildung) und werden daher auch der Gruppe der Granulozyten zugerechnet. Ihre Granula enthalten vasoaktive Amine, welche die Gefäße weiten und Kapillaren durchgängiger machen (Vasodilatation, erhöhte Permeabilität) - ein für Entzündungen charakteristisches Muster. Proteolytische Enzyme der Granula können Toxine inaktivieren und Mikroben abtöten.

Mastzellen interagieren mit anderen Zellen (auch im Nervensystem), sind Bestandteil angeborener wie auch adaptiver Immunmechanismen und werden durch mikrobilelle Substanzen aktiviert, die an TLRs und/oder Komponenten des Komplementsystems binden. Mastzellen wirken teils entzündungshemmend, teils proinflammatorisch. Dadurch wirken sie - je nach Umständen - teils protektiv, teils können sie aber auch Schäden (allergische Erkrankungen)
verursachen.
 

Abbildung: Rezeptoren auf / in Mastzellen und Produkte der Mastzellen
Nach Dileepan KN et al: Mast-cell mediated immune regulation in health and disease. Front Med 2023; 10: 1213320

Oben: Mastzellen exprimieren zahlreiche Rezeptortypen (CXCR: Chemokinrezeptoren, HR: Histaminrezeptoren, TLR: Toll-like Rezeptoren, Immunglobulinrezeptoren etc). Diese befinden sich in der Zellmembran, TLR auch in der Membran von Endosomen. Neben den gezeigten gibt es in der Zellmembran von Mastzellen zahlreiche weitere Rezeptoren, z.B. für Komplementfaktoren, Wachstumsfaktoren, Interleukine. Zahlreiche Stoffe werden auf dem klassischen Weg der Exozytose freigesetzt (Degranulierung), Eikosanoide (Lipidmediatoren) werden im Anlassfall neu synthetisiert.
 
LPS = Lipopolysaccharide,
Bestandteile der Zellmembran gramnegativer Bakterien; LTA = Lipoteichonsäuren, Bestandteile der Zellmembran grampositiver Bakterien

Unten: Unterschiedliche Mechanismen führen zur Freisetzung unterschiedlicher Faktoren (MMP: Matrix-Metalloproteinasen)


Vorläufer der Mastzellen wandern aus dem Knochenmark in den Kreislauf aus. Entsprechend der jeweiligen Umgebung (microenvironment) und vermittelt durch Integrine, exprimieren diese Vorstufen Rezeptoren und erlangen spezifische phänotypische Eigenschaften. Sie verlassen die Blutbahn (Diapedese) und siedeln sich in der Nähe von Nerven und Gefäßen an subepithelialen Stellen an (Haut, Schleimhäute, Gastrointestinaltrakt, Atemwege, Bindehaut). Es sind "Melderzellen", die TLRs exprimieren und über Rezeptoren für IgE und Anaphylatoxine (C3a und C5a) verfügen.

Mastzellen sind - wie andere Granulozyten - zur regulierten Degranulierung fähig:
  Bei entsprechender Reizung (Komplementfaktor C3a, Lipopolysaccharide, Bindung von Allergen an gebundene IgE-Moleküle, aber auch physikalische Beschädigung)
  setzen sie durch Ca++-vermittelte Exozytose Histamin, Heparin, Kinine, Proteasen (Tryptase), TNF, PAF, IL 4, 5 und 6, Leukotriene (Prostaglandine wie PGD2, Thromboxane), NGF, einige Interleukine und Proteasen frei.

Damit schützen sie vor parasitären Infektionen (Würmer haben derbe Hüllen, die durch Komplement oder Perforin nicht zerstört werden), Schlangen- und Insektengifte, können aber auch allergische (
Typ I) und andere Reaktionen auslösen,
die akute Symptome (u.a. Schmerz) bewirken. Über die freigesetzten Wirkstoffe beeinflussen aktivierte Mastzellen eine breite Palette von Gewebszellen, wie
    dendritische Zellen (Anregung),
    Makrophagen (Inhibition),
    NK-Zellen (Steigerung der Zytotoxizität), 
    T-Lymphozyten (Wirkung je nach Zelltyp),
    Endothelzellen (Anregung),
    glatte Muskulatur (Kontraktilitätssteigerung),
    Fibroblasten (Kollagensynthese),
    Osteoklasten (Knochenabbau),
    Nervenzellen (Anregung).

Daneben nutzen Mastzellen auch andere Strategien zur Abwehr von Mikroben, beispielsweise können sie DNA freisetzen, das fermenthaltige netzartige Strukturen bildet. in diesen netzartigen "Fallen"
(MCETs: mast cell extracellular traps) vorhamdemem Stoffe  können virale, bakterielle oder Pilzpathogene, aber auch Insekten-, parasitäre oder Schlangentoxine fixieren, abbauen und unschädlich machen ( vgl. NETs).
 
Man unterscheidet zwei Gruppen von Mastzellen, die
sich in der Ausstattung ihrer Granula mit Wirkstoffen unterscheiden, wobei fließende Übergänge möglich sind:
 
     Muköse Mastzellen in Alveolarsepten und Darmschleimhaut: Ihre Granula enthalten vor allem Chondroitinsulfat (ein Glykosaminoglykan) und Tryptase (eine Serinprotease, die speziell von Mastzellen gebildet wird),
 
     Bindegewebsmastzellen in Haut und intestinaler Submukosa haben Granula, die reich an Histamin und neutraler Protease (funktioniert am besten im Bereich pH ~7) sind.

Zu Wirkungen von Mastzellen auf Nachbarzellen s. auch dort
  
Lösliche Effektormoleküle der angeborenen Abwehr
 

Verschiedene lösliche Moleküle in Blut und extrazellulären Flüssigkeiten - auch als humoraler Sektor der angeborenen Abwehr bezeichnet (analog zum humoralen Teil der adaptiven Immunität) - erkennen Mikroben und stimulieren angeborene Abwehrmechanismen. Sie haben zwei Funktionsbereiche:
 
     Durch Bindung an Mikroben wirken sie als Opsonine.
 
     Nach der Bindung an Mikroben regen sie entzündliche Reaktionen an, wodurch mehr Phagozyten an den Ort der Abwehr gelangen.

Zu
löslichen Effektormolekülen der angeborenen Abwehr zählen Pentraxine, Collectine und Ficoline, das Komplementsystem sowie zahlreiche Zytokine:


Pentraxine
Collectine und Ficoline Komplementsystem Zytokine
 
Pentraxine
 

Pentraxine sind eine phylogenetisch alte Gruppe pentamerer Proteine. Zu ihnen gehört C-reaktives Protein (CRP) und Serumamyloid P (SAP), sowie Pentraxin PTX3. Sowohl CRP als auch SAP binden an Phospholipide in der Membran von Bakterien und Pilzen; Bindung des CRP opsonisiert Mikroben zur Phagozytose durch Makrophagen (diese verfügen über CRP-Rezeptoren). PTX3 entsteht in angeregten Endothelzellen, dendritischen Zellen, Makrophagen und neutrophilen Granulozyten, und erkennt Bindungsmoleküle (z.B. MBL) an Bakterien, Viren und Pilzen.
 

Abbildung: Komplementaktivierung durch C1q, MBL und Ficolin
Nach Abbas / Lichtman / Pillai, Cellular and Molecular Immunology, 9th ed. 2018

Diese hexameren Proteine erkennen und binden Antikörper (C1q: Klassischer Weg, links), Mannose (Mitte) oder N-Acetylglukosamin (rechts) auf Mikroben. Dadurch wird das Komplementsystem aktiviert, die Mikrobe (unten) beschädigt (MAC) und osmotisch zerstört.

H (head) = lektinähnliche globuläre Kopfteile, MASP = MBL-associated serine protease. MASPs bilden Komplexe mit Ficolinen und können den Komplementfaktor C4 spalten

Diese Faktoren aktivieren Komplement und zählen zu den Akutphasenproteinen: Bedingt durch erhöhte hepatische Produktion steigt ihre Plasmakonzentration bei Infektionen z.T. um mehrere Zehnerpotenzen an, angeregt durch Interleukine - IL-1, IL-6 -, die von Phagozyten und dendritischen Zellen im Infektionsgebiet gebildet werden.
  
Collectine, Ficoline
 

Collectine sind eine Familie von trimeren Proteinen. Ihre monomeren Untereinheiten bestehen aus 4 Domänen: Einer cysteinreichen am N-Terminus, einer kollagenähnlichen ("Coll"), einer helikalen coiled-coil- sowie einer Lektindomäne ("Lectin"), die als Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) wirken. Collectine binden Kohlehydrate auf Pathogenen und aktivieren C1q (einen Faktor des Komplementsystems). Zu ihnen gehören
  mannosebindendes Lektin (mannan-binding lectin MBL) - ein löslicher Mustererkennungsrezeptor, der auch als Opsonin wirkt. MBL im Blutplasma erkennt mikrobielle Kohlenhydrate und kann Mikroben opsonisieren oder die Komplementkaskade über den Lektinweg aktivieren;
  die Surfactantproteine SP-A und SP-D. Diese sind nicht nur lipophil und oberflächenaktiv (und erleichtern die Inspiration), sondern hemmen auch das Wachstum von Bakterien und unterstützen deren Phagozytose;
  weitere Faktoren mit dem Kürzel CL (-L: hepatisch, -P: plazentar u.a.).

Die Infektanfälligkeit ist bei reduziertem MBL-Blutspiegel erhöht.
  
Ficoline sind Plasmaproteine mit ähnlichem Aufbau wie Collectine. Auch sie wirken bindend und opsonisierend auf Bakterien. Außer N-Acetylglucosamin ( Abbildung) erkennen und binden sie Lipoteichonsäuren grampositiver Bakterien.
 
Das Komplementsystem ergänzt antimikrobielle Funktionen
 
Als Komplementsystem fasst man eine Gruppe im Kreislauf zirkulierender (Plasma-) sowie membrangebundener Proteine zusammen, die in aktivierter Form andere Komplementproteine spalten, aktivieren und ihre Wirkung durch diese enzymatische Kaskade enorm verstärken können.
  

Abbildung: Wege der Komplementaktivierung
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024
Alle drei Wege - alternativ, klassisch (über Antikörper), lektinabhängig - führen zur Spaltung des Komplementfaktors C3. Dabei entstehen C3b-Fragmente, welche sich an Mikroben heften, ihre Phagozytose anregen (Opsonisierung) und weitere Komplementfaktoren an der mikrobiellen Oberfläche aktivieren; C3a-Fregmente fördern (wie auch C5a-Fragmente) Entzündungsvorgänge.
 
Nach dieser frühen Phase leitet der (an Mikroben gebundene) Faktor C3b die späte Phase ein: Faktor C5 wird gespalten, C5b baut zusammen mit den Faktoren 6 bis 9 den "Membranangriffskomplex" MAC (membrane attack complex) auf, der die Wand des Bakteriums lädiert


Das Komplementsystem besteht aus mehr als 20 Faktoren, die bedeutsam für die Abwehr von Mikroben sind und entzündliche Gefäßreaktionen anstoßen können. Sie werden von der Leber sezerniert, aber auch von Monozyten, Makrophagen sowie Epithelien im Gastrointestinal- und Urogenitalsystem. Sie bleiben (als Proenzyme) unwirksam, solange sie nicht durch spezifische Trigger (z.B. Oberflächenstrukturen von Pathogenen) zu aktiven Proteasen und Begleitfragmenten gespalten werden.

Multiplikationseffekt: Die Komplementfaktoren werden sequenziell zu proteolytischen Enzymen aktiviert. Das hat den Vorteil, dass in jeder einzelnen Stufe ein Enzym zahlreiche Spaltprodukte produziert, die wiederum als Enzyme aktiv werden und die Wirkung mit jedem Schritt verstärkt wird ("Kaskade"). Die zentrale Komponente in diesem System ist der Komplementfaktor C3; alle drei Aktivierungswege greifen an C3 an.


Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Komplementsystem zu aktivieren, insbesondere durch Mikroben oder durch Antikörper, die Mikroben gebunden haben.

Dabei unterscheidet man (Abbildungen)
  einen alternativen Weg (alternative pathway) der Komplementaktivierung, der an mikrobiellen Oberflächen stattfindet und der angeborenen Abwehr zuzurechnen ist;
  einen klassischen Weg (classical pathway), meist durch Antikörper ausgelöst, die an ihre Antigene (z.B. auf Bakterien) binden (adaptive Abwehr),
  einen Lektinweg (lectin pathway), der über mannosebindendes Lektin (MBL) oder Ficoline getriggert wird - ohne Antikörper, weshalb man diesen Weg der angeborenen Abwehr zurechnet.

Das Komplementsystem hat Hilfsfunktion sowohl im Rahmen der angeborenen (zusammen mit Akutphasenproteinen und Zytokinen) als auch der erworbenen (adaptiven) Immunabwehr.
 
Faktoren und Organisation
Funktion
   

Nach einer Aktivierung übernehmen die entstandenen Spaltprodukte der Komplementfaktoren unterschiedliche Aufgaben:
 
      Die größeren Spaltprodukte werden mit dem Buchstaben "b" bezeichnet (z.B. C3b) und wirken als Proteasen, die sich an Zelloberflächen binden, dadurch lokal begrenzt wirksam bleiben und hier weitere Aktivierungsschritte anregen (Kaskadenprinzip);
 
    Die kleineren Spaltprodukte werden mit dem Buchstaben "a" bezeichnet (z.B. C3a) und wirken als lösliche Mediatoren.
 

Abbildung: Organisation und Funktionen des Komplementsystems
Nach einer Vorlage in Immunobiology, 6th ed., Garland Science 2005

Das Komplementsystem kann auf mehreren Wegen aktiviert werden (klassischer, alternativer, Lektin-Mechanismus). Immer entstehen dabei C3-Konvertasen.
 
Die anschließenden enzymatischen Kaskaden führen zur Aktivierung von Phagozyten,
Opsonisierung (Erleichterung von Phagozytose),
 entzündlichen Gefäßveränderungen, Bildung von Membranporen (MAC) und Lyse angegriffener Zellen
 
MAC = membrane attack complex    MASP = mannose-associated serine protease


Das 450-kDa-Hexamer Faktor C1q bindet an Antikörper (IgM und IgG) - aber nur, wenn diese Antigen gebunden haben (was eine Konformationsänderung am Antikörpermolekül hervorruft). Durch die Aktivierung spezifischer Antikörper verknüpft C1q angeborene und adaptive Abwehr und verstärkt die Wirksamkeit der ersteren.

C1q bedarf zur Komplementaktivierung nicht unbedingt antigenbindender Antikörper, es kann auch direkt an Pathogene binden und über den Lektinweg ( Abbildung) wirken (Lektinweg II).
 
     Die enzymatischen Aktivierungskaskaden erinnern an die Abläufe im Gerinnungssystem. Dies ist ein präzise regulierterAblauf mit dem Ergebnis einer effizienten Elimination von Mikroben einerseits, Schutz für das Gewebe andererseits.

Regulatorisch wirkende Proteine befinden sich auf normalen Körperzellen (nicht auf Mikroben) und begrenzen die aggressiven enzymatischen Vorgänge.

Bakterienzellen werden zerstört (Bakteriolyse), Produkte der Komplementreaktionen wirken opsonisierend und entzündungsfördernd.

Wird das Komplementsystem aktiviert, entstehen Konvertasen (C3- und C5-Konvertase), welche als Proteasen Effektormoleküle freisetzen. Solche Effektormoleküle sind

      Chemotaxine - sie regen die Freisetzung von Entzündungsmediatoren an (Faktor C5!). Als Chemotaxin bezeichnet man einen Stoff, der Chemotaxis induziert. Faktor C5a beispielsweise ist ein Chemotaxin

      Opsonine - körpereigene Proteine, welche an Pathogene binden und die Phagozytose anregen (Opsonisierung). Antikörper, Komplementfaktoren (wie z.B. Faktor C3b) und zirkulierende Eiweißmoleküle (sezernierte pattern recognition receptors)

      Porenbildende Eiweiße - sie lagern sich in die Membran ein (Membran-Angriffskomplex MAC, Membrane attack complex, eine aus den Komplementfaktoren 5, 6, 7, 8 und 9 aufgebaute, schwimmreifenähnliche Struktur, die eine offene Pore in der angegriffenen Zellmembran bildet (Abbildungen).
 
Auf diese Weise wird ein freier Austausch zwischen intra- und extrazellulären Komponenten ermöglicht; die angegriffenen Pathogene verlieren ihre zelluläre Kompartimentierung und werden dadurch zerstört.


Den größten (molekularen) Anteil am Komplementsystem macht der Faktor C3 aus. Es wird ständig in kleinen Mengen spontan zu C3a- und C3b-Fragmenten gespalten, letzteres ist instabil und wird rasch inaktiviert (C3bi). Diese Instabilität verhindert die spontane Schädigung körpereigener Zellen.

Darüber hinaus existieren Komplementinhibitoren: Plasmaproteine und Membranmoleküle, welche die Bildung von C3-Konvertasen (s. unten) verhindern oder diese rasch abbauen. Diese Moleküle sind speziesspezifisch; zu ihnen gehören der C1-Inhibitor, die Faktoren I und H, C4-bindendes Protein, CD59 auf kernhältigen Blutkörperchen, Epithel- und Endothelzellen, u.a. Solche Faktoren wirken Angriffen des Komplementsystems auf körpereigene Zellen entgegen bzw. verhindern diese.

Bei Anwesenheit mikrobieller Oberflächen ist das anders: Sie verfügen über keine Inhibitoren, auch nicht über Sialinsäurereste. Sie binden C3b, an das sich über den "alternativen" Weg Faktor B anlagert, der wiederum durch Faktor D gespalten wird. Das entstehende Bb-Fragment bleibt gebunden, ein Komplex C3bBb ist entstanden; dieser ist eine C3-Konvertase, womit die
Komplementkaskade ausgelöst ist. Über den "klassischen" Weg entsteht sowohl eine C3-Konvertase ( Abbildung) als auch eine C5-Konvertase. Innerhalb von Sekunden kann das aktivierte Komplementsystem pathogene Mikroben (mit Reproduktionszeiten von ~20 Minuten) erfolgreich angreifen und zerstören.
 

Abbildung: Frühe Schritte der Komplementaktivierung
Nach Abbas / Lichtman / Pillai, Cellular and Molecular Immunology, 9th ed. 2018

Der alternative Weg wird durch C3b aktiviert, das an entsprechende Oberflächen - wie mikrobielle Wände - bindet. Faktor B wird zu Ba (frei löslich) und Bb (gebunden).
 
Beim klassischen Weg
lagert sich Komplementfaktor C1 an aktivierte (komplementbindende) Antikörper, die an der Oberfläche eines Pathogens gebunden sind. Große Mengen C3b binden an Mikroben. Nacheinander ergibt sich eine C3- und C5-Konvertase- Formation.
 
Der Lektinweg beginnt mit der Bindung von zirkulierendem Lektin an Bakterienwände.
 
MASP = MBL associated serin protease


Die drei Wege der Komplementaktivierung unterscheiden sich in der Art ihrer Auslösung, die späteren Schritte haben sie aber gemein - das Ergebnis sind idente Effektorfunktionen.

Alternativ  Klassisch Lektinweg

Die Hauptwirkungen einer Aktivierung des Komplementsystems sind:
  Opsonisierung (opsonization) und Phagozytose (phagozytosis) - Mikroben werden mittels C3b-Fragmenten "markiert" und mittels entsprechender Rezeptoren auf Phagozyten in diese aufgenommen
  Entzündung (inflammation) - proteolytische Fragmente (vor allem C3a und C5a) wirken auf Leukozyten (vor allem Neutrophile und Monozyten) als Chemoattraktoren und aktivieren Endothelzellen und Mastzellen. Dadurch werden Plasmaproteine und Leukozyten an der Stelle der Komplementaktivierung in entzündetes Gewebe gebracht
  Zerstörung von Mikroben (cell lysis). Durch Bildung von MACs wird die mikrobielle Zellmembran durchlöchert, wodurch es zu osmotischer Zytolyse der Mikroben kommt.
 
Alternativ
 

Der alternative Weg der Komplementaktivierung wird durch die Oberfläche von Erregern (Bakterien) ausgelöst. Phylogenetisch ist dies der ältere Weg, die Bezeichnung "alternativ" erklärt sich entdeckungsgeschichtlich (der "klassische" Weg wurde zuerst entdeckt).

Dieser Mechanismus funktioniert vergleichsweise langsam und ist - durch spontane Hydrolyse im C3-Molekül - immer ein wenig aktiv (er "köchelt dahin"). Das bedingt die Bindung von Faktor B (in freier Lösung: fluidphase C3 convertase), anschließend seine Spaltung durch Faktor D (Bb wird an eine Zelloberfläche gebunden, Ba abgespalten), und von C3bBb, an die Membran der Zielzelle gebunden und als Opsonin für Phagozyten wirksam.

C3bBb fungiert vor allem als C3-Konvertase. An diese kann Properdin (s. Tabelle) binden und sie stabilisieren. Weiters entsteht - unter Beteiligung der Faktoren B und D - eine C5-Konvertase (C3bBb3b), C5 wird gespalten und initiiert schließlich die "Endstrecke" der Komplementaktivierung: die Bildung eines Membran-Angriffskomplexes (membrane attack complex MAC). So wirkt der alternative Weg als Verstärkermechanismus für alle Komplementwege.
 
Klassisch
 

Der klassische Weg der Komplementaktivierung beginnt mit der Bindung des Komplementfaktors C1 an (aktivierte komplementbindende) Antikörper, die an der Oberfläche eines Pathogens gebunden sind.  Es bildet sich ein C1-Komplex, bestehend aus C1q und den Proenzymen C1r und C1s; C1s spaltet dann C4 und C2. Dabei entstehen die Spaltprodukte C4b / C4a und C2b / C2a.

So kommt es zur explosionsartigen Formierung zellgebundener C3-Konvertase (C4b2b), C2a und C4a werden in den Extrazellulärraum freigesetzt. Die Aktivität der C3-Konvertase wird bis um den Faktor 103 verstärkt: Ein C4b2b-Molekül spaltet hunderte C3-Moleküle (C3 ist der quantitativ führende Komplementfaktor, s. dort). Dabei wird C3a frei (das u.a. Neutrophile an den "Kampfort" lockt) sowie C3b, das an die Oberfläche der angegriffenen Zelle bindet und diese in Sekunden "ummanteln" kann, Phagozyten anlockt (diese haben C3b-Rezteptoren) und als Teil der C5-Konvertase wirkt.

C2b, C4b und C3b bilden auf der Membran C5-Konvertase (C4b2b3b) - C5a wird freigesetzt, C5b angelagert, und aus weiteren Faktoren (C6 bis C9) entsteht schließlich ein Membran-Angriffskomplex (MAC), der das attackierte Pathogen durch Zytolyse zerstören kann.

Die Bildung eines MAC ist die gemeinsame Endstrecke des alternativen und des klassischen Weges; der MAC-Komplex ähnelt in seiner Funktion der von Perforinen (Killerzellen): Einstrom von Ionen und Wasser und schließlich Apoptose der angegriffenen Zelle.
 
Lektinweg
 

Lektine binden spezifisch an Zellmembranen. Der Lektinweg der Komplementaktivierung funktioniert unabhängig vom adaptiven System: Er wird nicht von Antikörpern aktiviert, sondern durch die Bindung mikrobieller Polysaccharide an zirkulierende Lektine, z.B.
 
    Das Akutphasenprotein (die Produktion kann von der Leber hochreguliert werden) MBL, das Glykolipide (Bakterien, Pilze) oder Glykoproteine (Mannose- oder Fukosekomplexe) bindet,
 
    oder (dem MBL strukturell und funktionell ähnliche) Ficoline, die N-Acetylglucosamin binden.

MBL und Ficoline sind sezernierte Mustererkennungsrezeptoren (PRR), die den Lektinweg aktivieren können. In der Blutbahn binden sie an Serinproteasen, die als MASP (MBL-associated serine proteases) bezeichnet werden (MASP1 bis MASP3, s. Tabelle unten) und wie im klassischen Weg aus C2 und C4 eine C3-Konvertase bilden. Der Lektinweg kann auch durch Bindung von C1q gestartet werden (Lektinweg II).

Fehlen des MBL führt zu Infektionsneigung schon in der frühen Kindheit.

MBL bindet in Abhängigkeit von der Dichte freier Mannose auf Zellmembranen; erkannt werden Glykolipide oder Glykoproteine von Bakterien oder Pilzen. Lektindomänen binden Mannose in bestimmter räumlicher Konfiguration, und zwar relativ schwach, sodass die Komplementkaskade nur gezündet wird, wenn mehrfache (multivalente) Bindungen erfolgen. Es entstehen Komplexe aus MBL, MASP1 und MASP2, die (wie der C1-Komplex, der ähnlich aufgebaut ist) C4 und C2 spaltet.

Schutz körpereigener Zellen vor Angriff durch Komplement
: Körpereigene (membranständige) Mannosemoleküle sind durch Sialinsäure (ein normaler Bestandteil von membranständigen Glykolipiden / Glykoproteinen) abgedeckt und können daher den Lektinweg nicht aktivieren.

Neisserien (die Verursacher der Gonorrhoe) schützen sich vor Angriffen durch Komplement, indem sie sich mit Sialinsäure "einzuckern".
 
Komplementfaktoren: Konzentrationsbereiche, Aktivierungsprodukte und Funktionen

Nach Abbas / Lichtman / Pillai, Cellular and Molecular Immunology, 3rd ed., Saunders 2018
Komponente
Konzentration
im Serum
(µg/ml, gerundet)
Aktivierungs-
produkt
Funktion
Klassischer Weg
C1q
50-150

Bindet an Fc von Antikörpern, die an Antigen, apoptotische Zellen oder kationische Oberflächen gebunden haben
C1r
50
aktives C1r
Serinprotease, spaltet C1s, macht daraus aktive Protease
C1s
50
aktives C1s
Serinprotease, spaltet C4 und C2
C4
300-600
C4a, C4b
C4a: Anaphylatoxin, regt Entzündung an
C4b bindet an Mikroben oder Zellen, die Antikörper binden und Komplement aktivieren
C4b bindet C2 zur Spaltung von C1s
C2
20
C2a, C2b
Serinprotease, wirkt als aktives Enzym der C3- und C5-Konvertase zur Spaltung von C3 und C5
C3
1400-1700
C3a, C3b
C3a: Anaphylatoxin, regt Entzündung an
 
C3b: Opsonin, bindet an Mikroben, wirkt als Teil der C3- und C5-Konvertase
Später Abschnitt der Komplementaktivierung (Bildung des MAC)
C5
80
C5a, C5b
C5a: Anaphylatoxin, regt Entzündung an

C5b startet MAC-Konfigurierung
C6
45


MAC

(membrane attack complex)


MAC-Komponente: Bindet an C5b und nimmt C7 an
C7
90
MAC-Komponente: Bindet an C5b,6 und verankert in Lipidmembranen
C8
60
MAC-Komponente: Bindet an C6b,6,7 und initiiert die Bindung und Polymerisierung von C9
C9
60
MAC-Komponente: Bindet an C5b,6,7,8 und polymerisiert zu Membranporen
Alternativer Weg
C3 1400-1700 C3a, C3b C3a: Anaphylatoxin, regt Entzündung an
C3b bindet an Mikroben, wirkt als Opsonin und Teil der C3- und C5-Konvertase
Faktor B
200-400
Ba/Bb
Bb: Serinprotease, aktives Enzym der C3- und C5-Konvertase
Faktor D
1-3
akt. D
Plasma-
Serinprotease, spaltet bei Bindung an C3b Faktor B
Properdin
20-35

Stabilisiert C3-Konvertase (C3bBb) auf Mikroben
Lektinweg
MBL
1-8

Agglutinin, Opsonin, Komplementfixierung
M-Ficolin (Ficolin-1)
-

Agglutinin, Opsonin, Komplementfixierung
L-Ficolin
(Ficolin-2)
1-7

Agglutinin, Opsonin, Komplementfixierung
L-Ficolin
(Ficolin-3)
6-83

Agglutinin, Opsonin, Komplementfixierung
MASP1
2-13

Bildet Komplex mit MASP2, Collectinen und Ficolinen
Aktiviert MASP3
MASP2
2-13

Bildet Komplex mit Lektinen, insbesondere Ficolin-3
MASP3
0,02-1,0

Assoziiert mit Collectinen oder Ficolinen und MASP1
Spaltet C4
 
Funktionen des Komplementsystems
 
Das Komplementsystem hat zahlreiche Funktionen ( Abbildung):


Abbildung: Wirkungen des Komplementsystems
Nach einer Vorlage in Roitt / Brostoff / Male, Immunology. Churchill Livingstone, 2nd ed. 1989

Aktivierung des Komplementsystems bewirkt Entzündung, Kontraktion glatter Muskulatur, Mastzelldegranulation, lymphatische Aktivierung, Phagozytenanregung, Chemotaxis und Lyse angegriffener Zellen


      Es lockt Leukozyten ins Gewebe und aktiviert sie (Chemotaxis: Beeinflussung der Migration durch extrazelluläre Stoffkonzentrationsgradienten; diese führen zu entsprechenden gerichteten Aktivitäten in der Zelle, was zu Bewegung in oder gegen die Richtung des Konzentrationsgefälles führt, z.B. eines Leukozyten zu einem Entzündungsherd - s. auch unter Diapedese)

      Das Komplementsystem aktiviert Gewebezellen

      es bewirkt Lyse, wenn IgG oder IgM an Antigene binden (komplementbindende Antikörper), insbesondere von Krankheitserregern

      Aktivierte Komplementfaktoren wirken außerdem auf Gefäßwände (Vasodilatation, erhöhte Permeabilität, Austritt von Proteinen, Entzündungsreaktion), Bronchien (Bronchokonstriktion) und andere Zellen
 
Die großen Fragmente, die bei der Komplementaktivierung auftreten (z.B. C3b), wirken opsonisierend und bilden den Membran-Angriffs-Komplex (MAC). Die kleinen Fragmente (C3a, C4a, C5a) werden auch als Anaphylatoxine bezeichnet, da sie Entzündungserscheinungen hervorrufen: Diese Faktoren triggern die Degranulation von Mastzellen ( Abbildung), und die dabei frei werdenden Stoffe bewirken Vasodilatation und die Exprimierung von Adhäsionsrezeptoren - Leukozyten können dadurch aus der Blutbahn in die betroffenen Gewebe austreten.
 

Abbildung: Schrittweiser Aufbau des MAC (membrane attack complex)
Nach
Bayly-Jones C, Bubeck D, Dunstone MA. The mystery behind membrane insertion: a review of the complement membrane attack complex. Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci. 2017 Aug 5; 372

Der Vorgang beginnt mit der Spaltung von C5 durch die membranständige C5-Konvertase. Dann bindet C6 an das labile C5b und C7 an das so entstandene C5b6, wodurch C5b7 an die Membran verankert wird. Anschließend lagert sich das heterotrimere C8 an, C5b8 entsteht und beginnt die Membranpenetration.
 
Schließlich werden mehrere C9-Moleküle zur Bildung des fertigen MAC 
integriert


Regulierung und Selbstbeschränkung: Proteolytische Abläufe, die im Rahmen des Komplementsystems aktiviert werden, bleiben auf die Oberfläche der angegriffenen Pathogene beschränkt. Aktivierte Komplementfaktoren werden rasch unschädlich gemacht, z.B. durch die körpereigenen Membranfaktoren CD55 und CD46. Solche Faktoren sind Regulatoren des Komplementsystems.

Komplementaktivierung im Vergleich

Nach
Strachan / Read, Human Molecular Genetics, 5th ed. 2020 (CRC Press)
Weg
Auslöser
Wann und wo?
Alternativ
Oberfläche des Pathogens
Nur im angeborenen Immunsystem, mit Beginn der Infektion
Lektin
MBL (Plasma) erkennt für pathogene Mikroorganismen typische Kohlenhydratmuster
Nur im angeborenen Immunsystem,  verzögert
Klassisch
CRP im angeborenen, Antigen-Antikörper-Bindung im adaptiven System
Angeborenes und adaptives System, Aktivierung am langsamsten
 
MBL = mannosebindendes Lektin, CRP = C-reaktives Protein

 
Zytokine des angeborenen Immunsystems
 
Zu den löslichen Faktoren des angeborenen Immunsystems zählen auch zahlreiche Zytokine (Tabelle), die von (durch die Anwesenheit von Mikroben oder anderer Zytokine) aktivierten dendritischen und Mastzellen, Makrophagen, ILCs u.a. sezerniert werden; auch Epithelzellen können sich an der Zytokinbildung beteiligen. Zytokine spielen eine Schlüsselrolle im Rahmen von Immunreaktionen und der Kommunikation zwischen Leukozyten untereinander sowie mit anderen Zellen. Im adaptiven System sind es vor allem T-Helferzellen (CD4+), die Zytokine produzieren können.

Auslösend für die Aktivierung zytokinproduzierender Zellen durch Bakterien ist die Koppelung von PAMPs wie Lipopolysacchariden, Peptidoglycanen (Bakterienhülle) oder mikrobiellen Nukleinsäuren (Bakterieninhalt) an TLRs, RLRs oder andere Rezeptoren. Solchermaßen gereizte (dendritische, Epithel-, Mast- etc) Zellen produzieren genügend Zytokine für nicht nur parakrine, sondern auch endokrine Wirksamkeit - sie sind dann im Blut nachweisbar und haben systemische Effekte (z.B. Auslösung von Fieber über den Hypothalamus, Sekretion von Akutphasenproteinen in der Leber etc).

 
Zytokine des angeborenen Immunsystems
Nach
Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024
Zytokin
Quelle (hauptsächlich)
Ziele / Effekte
TNF
Makrophagen
T-Zellen
Mastzellen
Endothel: Entzündung, Thrombenbildung (hohe Konzentration)
Neutrophile: Aktivierung
Leber: Synthese Akutphasenproteine
Muskel-, Fettgewebe: Katabolismus
Herz: Reduzierte Kontraktilität
→ Blutdrucksenkung
IL-1
Makrophagen
Dendritische Zellen
Endothelzellen
Einige Epithelzellen
Mastzellen
Endothel: Entzündung, Gerinnung
Hypothalamus: Fieber
Leber: Synthese Akutphasenproteine
T-Zellen: Differenzierung Th17
Chemokine
Makrophagen
Dendritische Zellen
Endothelzellen
T-Lymphozyten
Fibroblasten
Thrombozyten
Leukozyten:
Erhöhte Integrinaffinität, Chemotaxis, Aktivierung
IL-12
Dendritische Zellen
Makrophagen
NK- und T-Zellen:
Produktion IFN-γ, erhöhte zytotoxische Aktivität
T-Zellen: Differenzierung Th1
IFN-γ NK-Zellen
T-Lymphozyten
Makrophagen: Klassische Aktivierung
Typ I-
Interferone
IFN-α: Dendritische Zellen, Makrophagen
IFN-
β: Fibroblasten, Epithelzellen
Alle Zellen: Antiviraler Status, erhöhte MHC-Expression
NK-Zellen: Aktivierung
IL-10
Makrophagen
Dendritische Zellen
T-Zellen
Makrophagen, dendritische Zellen:
Gehemmte Zytokin- und Chemokinproduktion, herabgesetzte Expression von Costimulatoren und HMC-II
IL-6
Makrophagen
Endothelzellen
T-Zellen
Leber: Synthese Akutphasenproteine
B-Zellen: Proliferation antikörperproduzierender Zellen
IL-15
Makrophagen u.a.
NK-Zellen, T-Zellen: Proliferation
IL-18
Makrophagen
NK-Zellen, T-Zellen: Synthese IFN-γ
TGF-β Viele Zelltypen
Hemmung entzündlicher Reaktionen
T-Zellen: Differenzierung von Treg
 
Zu Zytokinrezeptoren s. dort

Entzündung und antivirale Antwort
 vgl. dort
 
Das angeborene Immunsystem nützt als generelle Maßnahme bei Infektionen oder Gewebeschäden den Mechanismus der Entzündung (inflammatory response) - die Ansammlung von Plasmaproteinen, Leukozyten und Flüssigkeit an betroffenen Gewebestellen. Die Effektorfunktion dieser zellulären (Leukozyten) und humoralen Komponenten (Akutphasenproteine, später Antikörper) hat die Abtötung von Mikroben und beginnende Wundheilung zum Ziel.

Den Mechanismus des "Einfangens" von Leukozyten aus dem Blut in das entzündete Gewebe skizziert die folgende
Abbildung:
  

Abbildung: Wie Leukozyten an Stellen einer Entzündung das Blut verlassen
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024
An Stellen einer Infektion sezernieren Makrophagen, dendritische und andere Zellen Zytokine. Diese aktivieren benachbarte Endothelzellen, Selektine und Liganden für Integrine zu exprimieren.
 
Selektine vermitteln schwache Anlagerung und "Abrollen" (rolling) von Leukozyten (neutrophilen Granulozyten)
am Endothel. Chemokine werden bei entzündlicher Irritation von Gewebs- und Endothelzellen gebildet, an der inneren Oberfläche - an Proteoglykane fixiert - "präsentiert" und binden an leukozytäre Chemokinrezeptoren. Das aktiviert Integrine auf den Leukozyten (Konformationswechsel von niedriger zu hoher Affinität für den Integrinliganden auf Endothelzellen), sodass diese stabil an das Endothel binden können - mit der Folge der Diapedese in das entzündete Gewebe


Überwinden Mikroben eine epitheliale Schichte der Haut oder einer Schleimhaut (Infektion), reagieren dendritische Zellen, Makrophagen und andere Zellen nahe der Infektionsstelle mit der Freisetzung von Zytokinen. TNF und IL-1 bewirken in Endothelzellen die Expression des Adhäsionsproteins E-Selektin und initiieren die in der Abbildung skizzierten Vorgänge der Leukozytenmigration in das betreffende Gewebe:
  "Abrollen" (rolling) von Leukozyten am Endothel. Neben E-Selektin werden auch andere Adhäsionsproteine in die Endotheloberfläche eingelagert (P-Selektin), u.a. durch die Wirkung von Thrombin. Zirkulierende Leukozyten (neutrophile Granulozyten, Monozyten) exprimieren spezifische Selektinliganden. An der Oberfläche von Endothel, das Selektine exprimiert,
bleiben sie reversibel haften, reißen sich in der Strömung wieder los und bleiben abermals haften: sie "rollen" über die Gefäßwand, ihre Fließgeschwindigkeit im Blut wird geringer. So können sie mit anderen Anhaftungsmolekülen reagieren.
  Stabile Anhaftung (firm adhesion) der Leukozyten am Endothel. Eine zweite Gruppe von Adhäsionsmolekülen, die von Leukozyten exprimiert wird, sind Integrine (sie integrieren extrazelluläre zu intrazellulären Veränderungen). Normalerweise liegen sie in einer Form vor, die an ihre Bindungspartner - Integrinliganden des Endothels - nur schwach binden (geringe Affinität). An Stellen einer Entzündung produzieren Makrophagen und andere Zellen Chemokine, die sich an Proteoglycane der Endothelwand haften, dadurch immobil werden, sich hier anreichern und an heptahelikale Zytokinrezeptoren der vorbeirollenden Leukozyten binden. Das wirkt wiederum auf die leukozytären Integrine - sie nehmen eine hochaffine Form an und binden nun fest an die Integrinliganden des Endothels ( Abbildung), darunter die Immunglobulin-Zelladhäsionsproteine VCAM und ICAM. Damit beginnen Umformungsprozesse im Zytoskelett der Leukozyten, welche in die dritte Phase münden:
  Anschmiegen an das Endothel und Diapedese (leukocyte migration). Durch Interaktion mit Selektin, Chemokinen und Integrinliganden vorbereitete Leukozyten kriechen durch Spalträume zwischen Endothelzellen und verlassen das Blutgefäß. Im Interstitium bewegen sie sich - chemotaktisch angelockt durch Chemokine, Komplementfragmente (C5a, C3a) und bakterielle Formylpeptide - an der extrazellulären Matrix entlang Richtung Infektionsstelle.

Diesen Diapedesemechanismus nutzen nicht nur Zellen der angeborenen Immunität, sondern auch aktivierte T-Lymphozyten (
s. dort).
 
In das Gewebe ausgetretene Leukozyten und (infolge der erhöhten Gefäßpermeabilität aus dem Kreislauf vermehrt ausgetretene) Plasmaproteine arbeiten bei der Bekämpfung eingedrungener Mikroben zusammen (Phagozytose, Gefäßwirkung, Alarmierung weiterer Immunkomponenten). Die klassichen Zeichen einer entzündlichen Reaktion sind (lokal)
 
   Rötung (rubor) - Vasodilatation


   Erwärmung (calor) - Hyperämie
 
   Schwellung (tumor) - erhöhte Kapillarpermeabilität, vermehrte Filtration von Flüssigkeit in das Gewebe
 
   Schmerz (dolor) - Freisetzung von Mediatoren, die Nozizeptoren erregen


Klinisch schon lange bekannt ist dabei ein typischer Zeitverlauf: In den ersten Tagen der Entzündung (die hier als "akut" gilt und schon wenige Minuten nach Beginn einer Infektion oder Gewebeschädigung beginnt) dominieren neutrophile Granulozyten das Geschehen ("neutrophile Kampfphase"); gegen Ende der ersten Woche Monozyten - die im Gewebe zu Makrophagen reifen ("monozytäre Überwindungsphase"); in der zweiten Woche schließlich Lymphozyten als Zeichen zunehmend adaptiver Abwehr ("lymphozytäre Heilungsphase").

Um diese Komponenten effizient zur entzündeten Stelle zu transportieren, ist eine entzündliche Gefäßreaktion dienlich: Vasodilatation, damit vermehrter Blutfluss, gesteigerte Anhaftung zirkulierender Leukozyten an die Gefäßwand (und anschließende Diapedese), erhöhte Gefäßpermeabilität. Diese Veränderungen werden ausgelöst durch Zytokine und Mediatoren (Interleukine, Interferone u.a.), gebildet von lokalen dendritischen Zellen, Mastzellen, Makrophagen und Endothelzellen.

Die Anteile der (sofort wirksamen) angeborenen und (der sich über mehrere Tage entwickelnden) spezifischen (adaptiven) Abwehr überlappen sich ebenso wie diejenigen der "akuten" und allfällig folgenden "chronischen" Entzündung, die auch Gefäßneubildung (Angiogenese) und bindegewebige Neubildungen (Fibrose) beinhalten kann und insgesamt in Wundheilung münden sollte.
  Lokale Entzündungen folgen einem stereotypen Ablauf:
 
     Histaminbedingte lokale Vasodilatation. Diese erhöht den Zustrom von Blut zur Stelle der Irritation, Plasmaproteine und weiße Blutkörperchen gelangen rasch zum "Kampfgebiet".
  
     Permeabilitätszunahme postkapillärer Venolen. Proinflammatorische Zytokine (TNF-α, Histamin) verursachen Lücken zwischen den Endothelzellen, Proteine treten vermehrt in das Interstitium über, Mastzellen degranulieren und Phagozyten werden aktiv.
  
     Endotheliale Expression von (die Leukozyten bremsenden) Adhäsionsmolekülen sowie Austritt (Diapedese) und zum Entzündungsherd gerichtete Migration von Leukozyten durch chemotaktisch wirkende Mediatoren.
 

Abbildung: Anregung der adaptiven Immunität durch angeborene Immunantwort
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Cellular and Molecular Immunology (Elsevier)

Nach der "Doppelsignalhypothese" stellt die spezifische Antigenerkennung des adaptiven Systems durch lymphozytäre Antigenrezeptoren das "Signal 1", und die gleichzeitige Bindung von - durch Mikrobenkontakt freigesetzten - Cofaktoren des angeborenen Systems das "Signal 2" für die Aktivierung dar.

Die Antwort ist die Proliferation und Differenzierung
betreffender Lymphozyten


Kooperation von angeborenen und adaptiven Komponenten an Lymphozyten: Man geht davon aus, dass Lymphozyten durch eine Kombination adaptiver - vermittelt über Antigenrezeptoren - und angeborener Komponenten der Abwehr, die als Antwort auf die Anwesenheit von Mikroben freigesetzt werden, aktiviert werden ("Doppelsignalhypothese", two-signal hypothesis, Abbildung).

Durch diesen Koinzidenzmechanismus wird verhindert, dass Lymphozyten durch - möglicherweise harmlosen - Antigenkontakt alleine stimuliert werden ("Signal 1"), und zwar ohne gleichzeitigen "Alarm" durch das angeborene System ("Signal 2"), das mit seinen zahlreichen Mustererkennungsrezeptoren mikrobielle Infektionen unverzüglich detektiert und darauf sofort reagiert, und zwar

     mittels Kostimulatoren (s. Definition - für die Aktivierung von T-Zellen: Aktivierung von Makrophagen),

     mittels Komplementfaktoren (für die Aktivierung von B-Zellen: Opsonisierung),

     mittels Zytokinen (für die Aktivierung von T- und B-Zellen; entzündliche Reaktion).

Das Signal 2 verstärkt dabei nicht nur die adaptive Immunantwort, sondern beeinflusst auch deren Natur.

Unter einem Costimulator versteht man ein Molekül, das (auf Immunreize hin) auf der Oberfläche antigenpräsentierender Zellen exprimiert wird. Der Costimulator vermittelt (zusätzlich zum Antigenreiz) ein zweites Signal zur Aktivierung einer naiven T-Zelle. Beispiel: B7-Molekül (CD80 / CD86), es koppelt an CD28-Rezeptoren der T-Zelle.
 

Abbildung: Virenschutz durch Interferone
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Cellular and Molecular Immunology (Elsevier)

Virusinfizierte Zellen produzieren Typ-I-Interferone (IFN-α, IFN-β). Diese binden an IFN-Rezeptoren nichtinfizierter Zellen (oben), was in diesen JAK-STAT-Signalwege initiiert. Das fördert die Expression von Genen, deren Produkte mit der Virenvermehrung interferieren.
 
Typ-I-Interferone binden auch an virusinfizierte Zellen: Dadurch werden diese leichter durch zytotoxische (CD8+) Lymphozyten abgetötet

ds: doppelsträngig


Virenschutz: Das angeborene Immunsystem schützt vor Virenbefall vor allem mittels Typ-I-Interferonen. Diese hemmen die Virenreplikation infizierter Zellen, indem sie an Interferonrezeptoren binden, die an allen kernhaltigen Zellen vorhanden sind (
Abbildung).

Die Bindung an den Interferonrezeptor aktiviert die Transkription mehrerer Gene, was die Zelle in einen resistenten Zustand (antiviraler Status) bringt. Noch nicht virenbefallene Zellen werden dadurch geschützt. Schon mit Viren infizierte Zellen hingegen werden leichter abgetötet, u.a. dadurch, dass sie mehr MHC-I-Moleküle exprimieren (das erleichtert die Erkennung infizierter Zellen, die zytotoxischen Zellen virale Abbauprodukte über ihre MHC-Rezeptoren präsentieren).

Antiviraler Schutz hängt auch mit erhöhter Empfindlichkeit gegenüber apoptotischen Signalen zusammen: So neigen virusinfizierte Zellen zu besonders starker Antwort auf  TNF-induzierte Reaktionen, die zu Apoptose führen. (Dendritische Zellen und Makrophagen antworten auf virale Infekte mit erhöhter Produktion von Typ-I-Interferonen und TNF.)
 
Regulierung und Begrenzung angeborener Immunantworten
 
Eine Reihe von Mechanismen limitieren die Wirkung immunologischer Abwehrprozesse, um "Kollateralschäden" am Gewebe möglichst zu vermeiden. Ein gutes Beispiel für einen solchen negative feedback-Regulator ist Interleukin 10 (IL-10): T-Lymphozyten (z.B. Treg), aktivierte Makrophagen sowie dendritische und einige andere Zellen bilden dieses anti-inflammatorische Zytokin, das die  Aktivität von Makrophagen und dendritischen Zellen hemmt (Selbstlimitierung).

Mehrere Mechanismen limitieren
Dauer und Ausmaß der angeborenen Immunreaktionen, die - bei übermäßiger Wirkung - potentiell Schaden anrichten können. Diese Bremse tritt unmittelbar mit beginnender Entzündung in Kraft und involviert oft die selben molekularen Muster (PAMPs und MAMPs), deren Erkennung auch am Beginn der Abwehrreaktionen steht. So stimulieren aktivierte TLRs die Expression von Proteinen, die als SOCS (suppressors of cytokine signaling) bezeichnet werden und die zelluläre Reaktion auf Zytokine blockieren.

Das Komplementsystem wird mehrfach im Zaum gehalten, denn es ist selbstverstärkend aufgebaut und dadurch besonders gefährlich. Zahlreiche seiner Komponenten sind instabil und dadurch nur für kurze Zeit nutzbar; und spezielle Inhibitoren - frei im Blut oder auf der Oberfläche von Zellen - binden aktivierte Komponenten oder bauen sie ab. So bleibt der Angriff auf die Zellen beschränkt, welchen er gegolten hat.

Insgesamt gibt es zahlreiche negative Rückkopplungsschleifen, welche die Wirkung im Rahmen von Entzündungen gebildeter Zytokine sowie die Aktivität PAMP-generierter Signale blockieren. Dadurch ist die Aggressivität der "unspezifischen" Abwehrmechanismen automatisch limitiert, und schädliche Effekte an intakten Zellen können vermieden werden.

 

 
Phagozyten zerstören Bakterien und Pilze durch Abbau in Phagolysosomen, durch Wirkung kationischer Proteine und Peptide, sowie mittels Sauerstoffradikalen und NO. Ist die Produktion von Sauerstoffradikalen gestört, werden phagozytierte Mikroorganismen nur eingeschränkt abgetötet, was zu eitrigen Abszessen führt und entzündete Lymphknoten (Lymphadenitis), Knochen (Osteomyelitis) und Haut (Dermatitis) sowie Infektionen von Lunge, Darm und Urogenitaltrakt zur Folge hat.

Dieses seltene Krankheitsbild (1 auf 200.000 Geburten) beruht auf genetischen Mutationen (Teile des Cytochrom b-Komplexes), wird als septische Granulomatose (CGD: chronic granulomatous disease) bezeichnet und ist meist X-chromosomal vererbt (dann betrifft es nur Patienten männlichen  Geschlechts). Das Blutbild ist nicht verändert, diagnostischen Aufschluss geben Granulozytenfunktionstests.
 

 
     Das angeborene ("unspezifische") Immunsystem erkennt mikrobielle oder die Abwesenheit körpereigener Merkmale. Zu den Komponenten gehören intakte epitheliale Barrieren (Haut und Schleimhäute), Phagozyten, Granulozyten, Monozyten und dendritische Zellen (diese regen naive T-Zellen an und entscheiden über die Differenzierung von T-Helferzellen)
 
     Primäre lymphatische Organe (Knochenmark, Thymus) bilden frische Immunzellen nach, sekundäre (Milz, Lymphknoten, lymphatische Gewebe) fangen eindringende Pathogene ab und koordinieren die Aktivitäten des Immunsystems. Täglich patrouillieren etwa 500 Milliarden Lymphozyten durch sekundäre lymphatische Organe
 
     An primären Barrieren wirken
   --  Defensine (aus Epithelien, Granulozyten, NK-Zellen, zytotoxischen T-Zellen), sie erkennen cholesterinarme Membranen und anionische Moleküle und wirken ähnlich wie Perforine;
   --  Cathelicidine (aus Epithelien und neutrophilen Granulozyten);
   --  Lysozyme (in Blutserum, Tränenflüssigkeit, Speichel, Atemtrakt, Zerebrospinalflüssigkeit, Zervixschleim, Fruchtwasser, Milch), greifen die Wand gram-positiver Bakterien an;
   --  Lactoferrin (antibakteriell und antiviral, entzieht phagozytierten Mikroorganismen Eisen);
   --  weitere Faktoren, wie saure Hydrolasen, Lysozym, Elastase (Abbau phagozytierter Mikroorganismen)
 
     Entzündung führt zu Ansammlung von Plasmaproteinen, Leukozyten und Flüssigkeit mit zellulären (Leukozyten) und humoralen Komponenten (Akutphasenproteine, später Antikörper)
 
     Natürliche Killerzellen und das Komplementsystem schützen vor Viren und intrazellulären Bakterien, Thrombozyten nehmen Bakterien auf und wirken antimikrobiell
 
     Angeregt durch bakterielle Stoffwechselprodukte wie z.B. Lipopolysaccharide, bilden Makrophagen und Monozyten lysosomal Sauerstoffradikale und Stickoxid, diese inaktivieren bakterielle Moleküle (oxidativer Burst)
 
     Phagozyten nehmen rezeptorvermittelt (Mustererkennungsrezeptoren, z.B. Toll-like Rezeptoren) Mikroorganismen auf, deren MAMPs (microbe-associated molecular patterns) sie erkennen. Das aktiviert u.a. das Komplementsystem, regt die Gerinnung an und beeinflusst Entzündungsvorgänge
 
     Opsonisierung erleichtert die Phagozytose durch Anlagerung von Antikörpern oder Faktoren des Komplementsystems und erleichtert Erkennung und Abwehr körperfremder Strukturen
 
     Monozyten (kurzlebig, beteiligen sich an Phagozytose und Antigenpräsentation), Makrophagen (wirken als Wächterzellen, töten Erreger ab) und Granulozyten (neutrophile: antimikrobielle Kampfzellen, eosinophile und basophile: bekämpfen Parasiten) beteiligen sich an angeborener Immunität ebenso wie spezielle Zellen (lymphoide, natürliche Killerzellen, nichtadaptive T- und B-Lymphozyten, Mastzellen)
 
     Zu Effektormolekülen gehören Pentraxine (z.B. C-reaktives Protein), Kollektine und Ficoline, sowie Komplementfaktoren
 
     Das Komplementsystem wird durch aktivierte Antikörper oder Mikroben aktiviert, über mehrere Pfade: Klassischer, alternativer oder Lektinweg. Gemeinsam ist diesen Wegen die Aktivireung von C3, was bereits Phagozyten rekrutiert, opsonisiert und / oder Immunkomplexe entfernt; weitere Aktivierungsschritte (C5 bis C9) resultiert in Membran-Angriffskomplexen und Lyse von Zielzellen
 
 

 




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