MHC-Molekül und T-Zell-Rezeptor erkennen unterschiedliche Epitope am präsentierten Peptid. Die Spezifität der MHC-Antigen-Bindung ist nicht sonderlich hoch (im Gegensatz zur Spezifität der Bindung lymphozytärer Antigenrezeptoren). Das
bedeutet, ein gegebenes MHC-Allell (z.B. HLA-A2) kann der Präsentation
zahlreicher unterschiedlicher Peptide dienen, während T-Lymphozyten nur
jeweils einen von vielen möglichen HLA-A2/Peptid-Komplexen erkennen und
binden. Dieser Umstand spiegelt sich in der Tatsache wider, dass die
Zahl vorhandener MHC-Allele eines Individuums ungleich geringer ist als
die fast unbegrenzte Zahl an T-Zell-Rezeptorvarianten.
Beim Abbau der antigenen Proteine entstehen mehrere Bruchstücke
(potentielle Epitope), die für die Bindung an MHC und Präsentation an
Lymphozyten in Frage kommen. Tatsächlich zur Präsentation
gelangende (am besten an MHC bindende) Peptide nennt man immundominant.
Die Affinität der MHC-Moleküle zu bestimmten Peptiden ist jeweils
unterschiedlich - wie die individuellen Reaktionen auf immunologische
Reizmuster.
MHC-I lagern Peptide aus zytoplasmatischer Synthese an, die also intrazellulären Ursprungs sind (körpereigen oder viral, z.T. nach Abbau durch Proteasomen); MHC-II hingegen aus Endosomen, die Proteine endozytiert haben (Phagozyten), d.h. extrazellulären Ursprungs sind.

Indem
MHC-Moleküle einen Unterschied in der Herkunft der von ihnen
präsentierten Peptide machen (
MHC-I: zytoplasmatisch, MHC-II: endosomal),
können sie mikrobielle Antigene gezielt zytotoxischen (CD8
+: Abtötung befallener Zellen) oder Helferzellen (CD4
+:
Abwehr extrazellulärer Antigene durch Phagozytose und
Antikörperbildung) anbieten und damit die jeweils optimale Abwehr
adressieren.
>Abbildung: Antigenverarbeitung und Präsentation über MHC
Modifiziert nach einer Vorlage in Kumar / Abbas / Fausto / Aster,
Robbin and Cotran's Pathological Basis of Disease, 8th ed. Saunders /
Elsevier 2010
Der MHC-I-Weg
(links) läuft an allen kernhaltigen Zellen ab. Er präsentiert Abbauprodukte körpereigener
Proteine (Lymphozyten mit passenden Rezeptoren wurden im Thymus
eliminiert, normalerweise kommt es zu keiner Reaktion). Zeigen durch Proteasomen aus Protein abgespaltene und über MHC präsentierte Peptide "fremde" Merkmale, koppeln CD8-positive Lymphozyten mit passenden Rezeptoren an den Peptid-MHC-Komplex an und proliferieren (Klonselektion).
Der von Immunzellen genützte MHC-II-Weg (rechts) präsentiert CD4+-Lymphozyten Peptide von endozytierten Mikroben auf MHC-II-Molekülen, was die Lymphozyten zur Anregung von Makrophagen und B-Zellen veranlasst.
Beim Abbau der Proteine entstehen kurze, lineare
Peptide (dreidimensionale Charakteristika
des Proteins sind
verlorengegangen - "entfaltetes Protein")


Der Mechanismus dieser Antigenverarbeitung stellt
sicher, dass Peptide von richtiger Größe zur Bindung an MHC entstehen
(s. Tabelle oben), und dass Peptide und MHC-Moleküle in der Zelle
zusammengebracht werden, bevor sie gemeinsam an die Zelloberfläche
wandern.
Proteasomen
- komplexe zylinderförmige Organellen, bestehend aus je zwei äußeren α-
(Struktur) und inneren β-Ketten (proteolytische Aktivität) - bauen insbesondere
beschädigte oder fehlerhaft gefaltete Proteine (vermutlich ~20% der
routinemäßigen Eiweißsynthese) ab. Die Beladung der MHC-Moleküle im endoplasmatischen Retikulum - unter Beteiligung von TAP (Transporter associated with Antigen Processing) in dessen Wand (>Abbildung unten).
Im
Zytoplasma vorhandene Proteine werden durch
Proteasomen zerstückelt und an MHC-I-Moleküle gekoppelt, aus dem
Extrazellulärraum
aufgenommene hingegen im endo-/ lysosomalen System zerkleinert, die
entstandenen Peptide über MHC-II-Moleküle präsentiert (>Abbildung).
Das Epstein-Barr-Virus (EBV;
Erreger des Pfeiffer-schen Drüsenfiebers = infektiöse Mononukleose; die
meisten Menschen sind mit EBV infiziert, es ist meist inaktiviert, kann
aber bei Immunschwäche reaktiviert werden) hemmt die
Proteasomenaktivität und blockiert dadurch die Peptidpräsentation an CD8+-Lymphozyten über MHC-I-Moleküle. Das können auch Zytomegalieviren
(diese kommen in der Bevölkerung zu >50% vor, bleiben lebenslang in
lymphatischem Gewebe erhalten und können bei Immunschwäche reaktiviert
werden).
Welche Zellen exprimieren welche MHC?
So gut wie alle Zellen (die möglicherweise Krebsantigene oder Virusproteine bilden) exprimieren Klasse-I-MHC-Proteine (HLA-A, HLA-B und HLA-C) zur allfälligen Aktivierung von T-Killerzellen.
Erythrozyten sind die einzigen Körperzellen, die kein MHC in ihrer
Membran tragen; Thrombozyten haben zwar keinen Kern mehr, verfügen aber
dennoch über MHC-Moleküle.
Antigenpräsentierende Zellen (dendritische, Makrophagen, B-Lymphozyten, Thymus- und einige
wenige andere Zelltypen) exprimieren Klasse-II-MHC-Proteine (HLA-DR, HLA-DP, HLA-DQ), aktivieren T-Helferzellen
und damit Makrophagen (Phagozytose) und B-Lymphozyten
(Antikörperbildung) zum Abtöten von Mikroben.
Kernlose
Zellen (Erythrozyten) haben keine Möglichkeit zur Synthese von Protein
mehr - auch nicht von viralen oder Krebsantigenen -, und exprimieren
auch keine MHC-Moleküle.
Erythrozyten sind kernlos und haben keine MHC-Moleküle in ihrer Membran
|
MHC-Moleküle sind äußerst polymorph
- Gene der Klasse MHC-I und MHC-II haben die größte Polymorphie aller Säugetiergene. Beim Menschen finden sich etwa 104 unterschiedliche MHC-Aminosäuresequenzen (alleine der HLA-B-Locus hat über 3000 Varianten). Da Produkte verschiedener HLA-Allele (die kodominant exprimiert werden - Information von beiden Elternteilen wird genutzt) unterschiedliche
Bindungscharakteristika aufweisen, ist die Variabilität an Möglichkeiten in einer gegebenen Population enorm hoch - die Zellen präsentieren je nach individueller Gen-Ausstattung unterschiedliche Epitope derselben Antigene.
Das
beeinflusst sowohl die Bindung zu präsentierender Peptide als auch die
Bindung an bestimmte T-Zell-Rezeptoren und erhöht die Chancen für eine erfolgreiche
Auseinandersetzung mit der riesigen Zahl unterschiedlicher mikrobieller
Herausforderungen (enorme Reserve an molekularen Variationen).
Als MHC-Restriktion bezeichnet man die Tatsache, dass T-Zell-Rezeptoren Peptidantigene nur als Peptid-MHC-Kombination erkennen. Beispiel: T-Killerzellen töten nur virusinfizierte (oder anderweitig
veränderte) Zellen mit MHC-Merkmalen des Trägerorganismus ab, Zellen
mit nicht-eigenen MHC-Merkmalen bleiben unangetastet.
Die spezifische Erkennung erfordert auf beiden Seiten
Hilfsmoleküle: MHC-Moleküle auf der präsentierenden Zelle, T-Zell-Rezeptoren auf dem Lymphozyten, CD-Moleküle auf beiden Zellen
|
Der Histokompatibilitätskomplex (Histokompatibilität
= Gewebeverträglichkeit) kann als individueller molekularer "Ausweis" der Zelle gesehen werden (immunologische Individualität). Er dient dem Immunsystem als Orientierung, um "verdächtige" Abbauprodukte auf körpereigenen Zellen zu erkennen.
Klinisch ist der Histokompatibilitätskomplex für die Gewebeverträglichkeit bei Transplantationen
ausschlaggebend: MHC von Fremdzellen kann antigen wirken, daher spricht man von Histokompatibilitäts- oder Transplantationsantigenen.
Von orthotoper Transplantation spricht man, wenn Gewebe auf seine natürliche anatomische Position verpflanzt wird (z.B. Herztransplantation) - andernfalls ist die Transplantation heterotop. Bei Übertragung auf den identen Organismus ist das Transplantat autolog; verpflanzt man es auf einen genetisch identen Zwilling, nennt man es syngen; ist es ein genetisch verschiedener Organismus derselben Spezies, nennt man es allogen. Die als fremd erkannten Antigene sind Alloantigene, die entsprechenden erkennenden / reagierenden Antikörper und Lymphozyten sind alloreaktiv. Xenogene Transplantate stammen von einer anderen Spezies, die Immunabwehr ist dann xenoreaktiv.
Zum Nachweis der MHC benötigt man lediglich eine Blutprobe, denn der Histokompatibilitätskomplex ist auf den Leukozyten nachweisbar. Daher spricht man auch vom
(humanen) Leukozytenantigen- (HLA)-System
und von "HLA-Typisierung".