Positionierung des Immunsystems
Immunsystem und Stoffwechsel
Immunrezeptoren
CD (cluster of differentiation)
Mikrobiom
Lymphatische Schutzbarrieren und immunprivilegierte Gewebe
Core messages
Unser
Körper ist ständig Gefahren durch Fremdorganismen (Viren, Bakterien,
Protozoen, Pilze, Würmer), Giftstoffe, sowie Veränderungen an
körpereigenen (gestressten oder Krebszellen) ausgesetzt. Das
Immunsystem kann entsprechende chemische Signaturen identifizieren und
neutralisieren. Dazu muss es in der Lage sein, Merkmale körpereigener
(gesunder) von denen fremder (bzw. veränderter) Zellen sowie Substanzen
zu unterscheiden. Auch die allfällige Abwesenheit von
"Selbst"-Merkmalen wird detektiert.
Die Fähigkeit, diese Unterscheidungen vorzunehmen, ist eine wesentliche
Eigenschaft des Immunsystems. Dazu nutzt es Rezeptormoleküle, die (so wie ihre Liganden) teils
auf Zelloberflächen befestigt, teils im Extrazellulärraum gelöst
vorliegen. Diese Rezeptoren erkennen und binden teils fremde, teils
körpereigene Moleküle. Die Interaktion von Rezeptoren mit ihren
Bindungspartnern löst verschiedenste Immunreaktionen aus.
Das Immunsystem schützt vor Infektionen und reagiert auf Gewebeschäden
Einen
Zustand des Gesundseins können wir nur genießen, weil bzw. so lange
unser Immunsystem einen maßvollen Kampf gegen zahllose mikrobiologische
Herausforderungen führt und sich an der Reparatur allfälliger
Gewebeschäden beteiligt.
Das
Immunsystem schützt den Organismus und wahrt seine Integrität, indem es
bei Schädigung von Zellen und Geweben reparative Maßnahmen ergreift,
das Eindringen von Infektionserregern (pathogenen
Mikroben) bekämpft.
Diese beiden Bereiche beeinflussen einander: Schädigungen des Gewebes können einerseits Pathogenen das Eindringen in den Körper erleichtern,
andererseits schädigen Infektionen (auch deren Abwehr) das Gewebe.
Gewebeschäden gehören zum "physiologischen Alltag", und Mikroben
befinden sich zeitlebens auf und in unserem Körper; daher sind die in
diesem Kapitel geschilderten Mechanismen bei jedem gesunden Organismus
anzutreffen und als Teil der normalen Physiologie zu sehen.
An Grenzflächen zwischen "Außenwelt" und "Innenwelt" (Haut,
Schleimhäuten) finden sich unzählige Fremdorganismen, die durch Sekrete
mit unspezifisch mikrobiziden Stoffen sowie spezifisch wirkenden
Antikörpern - und vor allem Intaktheit der Oberflächenstrukturen -
einen Eintritt in darunter liegendes Gewebe verhindern. Bei
Verletzungen dieser Oberflächen wirken Phagozyten, NK-Zellen und
Komplementfaktoren im Rahmen der angeborenen Abwehrsysteme an Ort und
Stelle und ohne Verzögerung. Diese Vorgänge alarmieren auch das
spezifische System, das verzögert mit molekularen Strukturen der
Angreifer reagiert. Das "Erwecken" einer passenden, exquisit gegen
konkrete Antigene gerichteten Immunreaktion bedarf komplexer
Erkennungsvorgänge und führt zur Selektion entsprechender
Lymphozytenklone, bevor die spezifische Immunität (zellulär und
humoral) gegen ganz bestimmte Invasoren wirksam werden kann (das dauert
bei einem Ertstkontakt 1-2 Wochen, bei bereits bestehender Immunität
wesentlich kürzer).
Identifikation: Das
Immunsystem
erkennt molekulare Strukturen,
die
nur auf körpereigenen Zellen vorhanden sind (Selbsterkennung, "SELF"): Dadurch wird festgestellt, dass eine Interaktion zwischen Zellen im Organismus sicher
ist (um bestimmte physiologische Aufgaben gemeinsam wahrzunehmen).
Solche Strukturen sollten auf Mikroben, körperfremden oder auch
abnormen körpereigenen Zellen (z.B. Krebszellen) nicht vorhanden sein;
nur auf Fremdzellen vorhanden sind (Fremderkennung, "NON-SELF"): Das funktioniert entweder über genetisch vorgegebene Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) oder das Komplementsystem, oder über Rezeptoren /Antikörper, die von Lymphozyten (T- oder B-Zellen) gebildet werden,
wenn sie durch Begegnung mit einem
entsprechen "passenden" Antigen zur Teilung veranlasst wurden
(Klonselektion). Im ersten Fall ist die Abwehr unmittelbar, aber auf
relativ wenige Merkmale (ca. 102) beschränkt und nicht
lernfähig (angeboren); im zweiten Fall ist sie hochspezifisch, mit
ungeheurer Variabilität und einem "Gedächtnis" versehen, braucht aber
mehrere Tage, um wirksam werden zu können (adaptiv).
Auch die Abwesenheit eines Selbst-Merkmals (absence of self) kann einen Angriff auf die betreffende Zelle veranlassen, z.B. durch NK-Zellen.
Diese stellen fest, ob die Zahl an MHC-I Molekülen (die von jeder
kernhaltigen Zelle exprimiert werden) auf der potentiellen Zielzelle
gesunken ist (wie das bei virusinfizierten oder Krebszellen passiert) -
nur dann töten sie die Zelle ab.
Als Antigene bezeichnet
man Liganden (Bindungspartner) - Organismen, Moleküle oder Molekülteile
-, die von Zellen des angeborenen oder adaptiven Immunsystems über
Rezeptoren erkannt und gebunden werden können. Die
kleinsten individuell erkennbaren Teile von Antigenen, die von
Immunrezeptoren gebunden werden können (in diesen Rezeptor "passen"),
nennt man Epitope (jedes Antigen enthält ein oder mehrere Epitope). Im adaptiven System bindet das Antigen spezifisch an Antikörper, B-Zell- oder T-Zell-Rezeptoren (oft ist die Verwendung der Begriffe "Antigen" und "Epitop" auf das adaptive System beschränkt). Die
zu Grunde liegenden Erkennungsmechanismen sind hochspezifisch. Gestalt
und Ladung der Bindungspartner Rezeptor - Epitop bestimmen jeweils die
entsprechende Affinität, im Falle verschiedener Rezeptoren heißt deren kollektive Affinität Avidität.
Verschiedene Lymphozyten - jeder mit seinen eigenen spezifischen
Rezeptoren - können verschiedene Epitope eines bestimmten Antigens
erkennen (und auf dieses reagieren). Einige Rezeptoren (solche von
B-Lymphozyten) erkennen "ihre" Epitope sowohl an Oberflächen
(Zellmembranen) befestigt oder frei gelöst, unter Umständen sogar nach
Proteolyse des Antigens. Andere Rezeptoren (vor allem solche von
T-Lymphozyten) können Epitope nur binden, wenn diese an spezifische
Oberflächenmoleküle angelagert sind (MHC-System).
Je nach der Art der Immunantwort, welche sie auslösen, unterscheidet man folgende drei funktionellen Gruppen von Antigenen / Epitopen: Immunogene, Haptene und Tolerogene.
Immunogene lösen nicht nur eine Antwort des Immunsystems aus, sondern diese Antwort ist auch spezifisch gegen sie gerichtet. Im angeborenen
System erfolgt die Antwort sofort, bei wiederholter Exposition des
Körpers wiederholt sich der Vorgang immer in gleicher Weise. Im adaptiven
System hingegen erfolgt auf die erstmalige Konfrontation des Körpers
eine Klonselektion, die Zahl der spezifisch gegen das Epitop / Antigen
gerichteten Zellen vermehrt sich (und damit die Intensität der -
verzögerten - spezifischen Abwehr), einige Gedächtniszellen bleiben für
lange Zeit im Körper und erlauben bei einer nächsten Konfrontation mit
demselben Epitop / Antigen eine raschere spezifische Abwehrreaktion.
Haptene
sind kleine, typischerweise selbst nicht immunogene Moleküle (meist
nicht-biologischen Ursprungs: z.B. Dinitrophenol, Nickel,..), die sich
wie synthetische Epitope verhalten. Sind sie an ein Immunogen (hier
auch als Carrier bezeichnet -
insbesondere körpereigene Proteine) gebunden, können Immunantworten
sowohl gegen dieses als auch gegen das Hapten ausgelöst werden
(Sensibilisierung). Wiederholte Exposition mit dem
Immunogen-Hapten-Komplex führt zu entzündlichen Reaktionen und u.U.
Autoimmunität.
Tolerogene
lösen immunologische Toleranz gegen sie aus. Das können körpereigene
Merkmale sein, gegen die das Immunsystem im Zuge der Entwicklung des
immunologischen Repertoirs lernt, nicht zu reagieren (immunologische Toleranz) oder auch Antigene, die oral aufgenommen werden (Nahrungsbestandteile).
Die Immunogenität einer Substanz hängt u.a. ab von
Molekülgröße (Proteine >10 kDa sind meist immunogener als kleinere),
Komplexität des Moleküls (zahlreichere Epitope möglich),
Konformation (räumliche Anordnung - Epitope müssen zugänglich sein für den immunologischen Erkennungsmechanismus),
chemischen Eigenschaften: Phagozyten
bauen das Immunogen enzymatisch ab und "präsentieren" Spaltprudukte als potenzielle Epitope an Lymphozyten. Polypeptide aus
L-Aminosäuren sind der Proteolyse zugänglich, gut abbaubar und
immunogen; Lipide, Steroide, viele Kohlenhydrate sind hingegen kaum immunogen.
Abwehrmechanismen können einerseits Moleküle aus
dem Inneren verletzter Zellen betreffen (zusammengebrochene Kompartimentierung), andererseits molekulare Charakteristika eingedrungener Mikroben. In beiden Fällen handelt es sich um Gefahrensignale (danger signals), deren molekulare Eigenschaften enorme Variabilität aufweisen.

>Abbildung: Interaktion zwischen angeborenem und adaptivem Immunsystem am Beispiel der Haut
Nach Clark R, Kupper Th. Old Meets New: The Interaction Between Innate and Adaptive Immunity. J Investig Dermatol 2005; 125: 629-37
Dringen Bakterien durch die epitheliale Barriere (Verletzung), produzieren Keratinozyten Zytokine, Chemokine und antimikrobielle Peptide. Das führt zu Abwehrmechanismen, wie das Einwandern von Leukozyten aus dem Blut; Phagozyten töten Mikroorganismen (angeborene Immunität) und aktivieren dendritische Zellen. Diese wandern über die Lymphbahnen in regionale Lymphknoten.
Dort präsentieren sie bakterielle Antigene an T-Lymphozyten,
CD8-positive "Killer"-Lymphozyten wandern aus dem Lymphknoten aus,
betreten den Blutkreislauf und kommen über diesen Weg zum infizierten
Gewebe zurück. CD4-positive "Helfer"-Zellen regen ihrerseits
B-Lymphozyten zur Antikörperproduktion an. Diese neutralisieren
Pathogene über Erkennung spezifischer bakterieller Moleküle (adaptive Immunität), steuern antikörpergesteuerte Phagozytose und verstärken die Antigenpräsentation
Man unterscheidet ein angeborenes Immunsystem - von der Geburt an verfügbar und in der Lage, definierte, weitgehend invariante chemische Merkmale von Gefahrensignalen zu erkennen - und ein (nur bei Wirbeltieren vorhandenes) adaptives,
dessen Erkennungsmoleküle (Antikörper bzw. entspechende Rezeptoren)
eine enorme Vielfalt möglicher Erkennungsspezifitäten ausbilden und
dadurch gegen ein breites Spektrum beliebiger molekularer
Charakteristika - die im Rahmen von Infektionen auftreten können -
spezifisch zu binden und zu bekämpfen. Diese beiden Systeme kooperieren und ergänzen einander (>Abbildung). Das (entwicklungsgeschichtlich ältere) angeborene System ist jederzeit aktivierbar, das (phylogenetisch jüngere) adaptive System braucht zur vollen Ausbildung aktuell benötigter spezifischer Werkzeuge länger (Tage nach einer Infektion).
Bei einer ungestörten Teilungsrate von 1/Stunde würde ein Bakterium
innerhalb von 24 Stunden schon an die 20 Millionen Nachkommen haben und
eine ernste Infektion verursachen. Es ist daher klar, dass in der
Anfangsphase die angeborene Immunität alleine mit mikrobiellen Herausforderungen fertig werden muss; der adaptive
Teil des Immunsystems braucht mehrere Tage, um über Klonselektion und
entsprechende Mitosekaskaden effizient an der Bekämpfung von Mikroben
teilzunehmen.

<Abbildung: PAMPs und DAMPs
Nach Rosin DL, Okusa MD. Dangers Within: DAMP Responses to Damage and Cell Death in Kidney Disease. JASN 2011; 22: 416-25
"
Strangers":
Infektionen bzw. pathogene Mikroorganismen setzen pathogen-assoziierte
molekulare Muster (PAMPs:
Pathogen-associated molecular patterns) frei. Diese binden an
Mustererkennungsrezeptoren (PRR) auf Immunzellen. Das stimuliert das
angeborene wie auch das adaptive Immunsystem, Gewebeschäden werden
behoben und Mikroben abgewehrt.
"
Dangers": Ähnliche
Mechanismen werden durch gestresste oder beschädigte Zellen aktiviert.
Entsprechende molekulare Komponenten (DAMPs:
Danger--associated molecular patterns) binden ebenfalls an PRRs
oder spezielle DAMP-Rezeptoren. Auch das löst Immunantworten aus, an
denen sich u.a. antigenpräsentierende Zellen (APC) - wie dendritische
Zellen und Makrophagen - sowie T-Lymphozyten und neutrophile
Granulozyten beteiligen
Normalerweise
halten intakte Haut und Schleimhäute mit ihren natürlichen
Abwehrmechanismen (Talg, Säure, Schleim, Zilienschlag, antivirale /
antibakterielle Stoffe etc) Mikroorganismen auf Distanz. Wenn Pathogene
diese erste Barriere durchbrechen, muss das angeborene Immunsystem molekulare Muster auf den Mikroorganismen detektieren, um sinnvoll reagieren zu können - in erster Linie über Rezeptorproteine ("Alarmsystem"):
Immunrezeptoren. Das
Immunsystem kann nur funktionieren, wenn eine spezifische
Identifikation bestimmten Liganden durch einschlägige Rezeptoren
stattfindet. Diese "Schlüssel-Schloss"-Sicherung steht am Anfang jedes
Erkennungsprozesses (wie bei Hormonen auch), der von entsprechenden
Reaktionen gefolgt ist (wie Neutralisierung, Abwehr oder Toleranz).
Diese Rezeptoren können
präformiert sein, sind also schon vor einem Antigenkontakt vorhanden: Mustererkennungsrezeptoren (PRRs), NK-Zell-Aktivatoren (KARs: Killer activation receptors), NK-Zell-Inhibitoren (KIRs: Killer inhibition receptors), Komplementrezeptoren, Fc-Rezeptoren). Solche Rezeptoren sind genetisch fix vorgegeben, ändern sich nicht und sind Bestandteil der angeborenen Immunität;
somatisch generiert
werden, d.h. individuell (in jeder Person anders) in B- und
T-Lymphozyten - je Zelle bzw. Klon unterschiedlich - aus dem
"genetischen Arsenal" neu rekombiniert.
Je nach mikrobiologischer Herausforderung vermehren sich Lymphozyten
mit passenden Rezeptoren und ermöglichen dadurch eine adaptive
Immunabwehr.
Das System von Mustererkennungsrezeptoren (PRRs: pattern recognition receptors) ist sofort und unverändert verfügbar. Mustererkennungsrezeptoren können gelöst (z.B. Komplement) oder zellgebunden vorliegen (z.B. an B-Lymphozyten). Auf Phagozyten
(Makrophagen, neutrophilen Granulozyten) vermitteln sie die Aufnahme
"markierter" Strukturen in Phagosomen und deren lysosomalen Abbau. Intrazelluläre
PRRs können intrazelluläre Pathogene (Viren) detektieren und bekämpfen.
Mustererkennungsrezeptoren sind z.B. Toll-like (TLRs - membrangebunden auf der Oberfläche oder in Zellen), NOD-ähnlich
(NLRs - erkennen Bakterien; NOD = nucleotide-binding oligomerization domain), C-Typ-Lektinrezeptoren (CLRs,
z.B. der Mannoserezeptor von Makrophagen, beteiligen sich an der
Phagozytose von Viren, Bakterien, Pilzen, Parasiten über
Zuckerverbindungen).
Mustererkennungsrezeptoren binden an spezifische
Proteine, Lipopolysaccharide, Nukleinsäuren u.a.:

Mustererkennungsrezeptoren
Pattern recognition receptors

Nach Doan / Lievano / Swanson-Mungerson / Viselli, Immunology (3rd ed). Lippincott Illustrated Reviews, Wolters Kluwer 2022
|
Rezeptor
|
Erkennt folgende PAMPs:
|
Aktiviert folgenden Transkriptionsfaktor:
|
Aktiviert folgende Zytokine / Zelltypen:
|
Schützt vor:
|
CLR
|
extrazelluläre
(Kohlenhydrate)
|
NF-κB
|
Th17-Zellen
(Produktion von IL-17)
|
Pilzen und Mykobakterien
|
NLR
|
intrazelluläre (Peptidoglycane)
|
n/a
|
IL-1ß und IL-18
|
Bakterien
|
RIG-1
|
zytoplasmatische
|
IRF-3 und NF-κB |
Typ-I-Interferone und IL-1ß
|
Viren
|
TLR 2, 5
|
extrazelluläre (Lipopeptide, Peptidoglycan, Flagellin)
|
NF-κB |
Typ-I-Interferone und IL-1ß |
Bakterien und Pilzen
|
TLR 3
|
intrazelluläre (ssRNA und dsRNA)
|
IRF-3 (vorwiegend)
|
Typ-I-Interferone und proinflammatorische Zytokine
|
Viren
|
TLR 7,8,9
|
intrazelluläre (RNA, DNA, CpG)
|
NF-κB |
proinflammatorische Zytokine
|
Viren (RNA/DNA), CpG-Motive auf DNA von Bakterien oder Pilzen
|
TLR 4
|
extrazelluläre (LPS), ENV Proteine von RSV
|
IRF-3 und NF-κB |
Typ-I-Interferone und proinflammatorische Zytokine |
Bakterien, Pilze, RSV
|
CLR = C-Typ Lektinrezeptor
CpG = DNA-Stelle mit Cytosin-Guanin in 5'-3'-Richtung
dsRNA = doppelsträngige RNA
ENV = envelope (virales Protein)
IL = Interleukin
IRF-3 = interferon regulatory factor 3 (ein Transkriptionsfaktor)
LPS = Lipopolysaccharid
NLR = NOD-like Rezeptor
PAMPs = pathogen-accociated molecular patterns
RIG-1 = retinoid acid-inducible gene 1 (Helikase zur Erkennung von RNA-Viren)
RSV = respiratory syncytial virus (RNA-Viren, die den oberen Respirationstrakt infizieren)
ssRNA = einzelsträngige RNA
Th17 = T17-Helferzelle
TLR = toll-like receptor
PRRs erkennen molekulare
Erkennungsmerkmale (DAMPs, PAMPs, <Abbildung oben) und lösen lokale Entzündungsreaktionen u.ä. aus:
Im Falle verletzter körpereigener Strukturen
treten Moleküle im Extrazellulärraum auf, die aus intrazellulären
Kompartimenten (z.B. Hitzeschockproteine, ATP aus Mitochondrien, Histone aus dem Zellkern..) oder vom Abbau extrazellulärer Matrix (Proteoglykanpeptide) stammen und
Gewebeschädigung signalisieren; man nennt sie daher DAMPs (damage-asssociated molecular patterns).
Die molekularen Merkmale auf Mikroorganismen, die vom angeborenen Immunsystem erkannt werden, nennt man PAMPs (pathogen-asssociated molecular patterns)
- pathogenassoziierte molekulare Muster, die entwicklungsgeschichtlich
hoch konserviert und weit verbreitet sind (von zahlreichen
unterschiedlichen Mikroben exprimiert werden). PAMPs kommen als Teile
von Proteinen, Lipiden, Polysacchariden und Nukleinsäuren vor. Sie werden von Mustererkennungsrezeptoren gebunden, sind aber nicht für krankheitsverursachende Mikroorganismen spezifisch.
Man spricht auch von Mikroben-assoziierten molekularen Mustern (MAMPs). Vita-PAMPs
werden von aktiven Mikroorganismen gebildet und werden rasch abgebaut,
wenn sie nicht mehr vital sind; auf diese Weise kann das Immunsystem
zwischen lebendigen und toten Erregern unterscheiden und reagiert vor
allem auf erstere.
Bewertung des pathogenen Potentials: Mikrobielle
Merkmale finden sich nicht nur auf pathogenen Mikroorganismen, sondern auch
auf Kommensalen
, d.h. Mitgliedern der Normalflora - sogenannte
Mikrobiotope: Ektokommensalen auf äußeren (z.B. Haut), Endokommensalen
auf inneren Oberflächen (z.B. Darm). Das Immunsystem bewertet die
Eigenschaften als harmlos, solange die Mikroben auf Haut- oder
Schleimhautoberflächen verbleiben, hingegen als gefährlich, wenn sie
diese Oberflächen überschreiten.
Immunreaktion / Abwehr: Der Identifikation betreffender Merkmale (DAMPs, PAMPs / MAMPs) folgen verschiedene
Wirk- bzw. Abtötungsmechanismen (auch Fremdsubstanzen können gelegentlich Immunantworten auslösen).
Die Antwort der Immunzelle kann Zellteilung und Differenzierung,
Entleerung von Granula, Zytokinbildung, oder auch Apoptose sein. Bei
der "Übersetzung" des Reizes an der Membran zur zellulären Reaktion
spielen Enzyme, second messengers, Transkriptionsfaktoren u.a. eine
tragende Rolle (vgl. Zellphysiologie).
Das Immunsystem greift gefährlich gewordene Mikroorganismen und "verdächtige"
körpereigene Zellen an, die infiziert (Viren, intrazelluläre Bakterien)
oder anderweitig verändert sind ("gestresste" Zellen, Tumorzellen). Autophagie ist der lysosomale Abbau von Molekülen und Organellen aus geschädigten Zellen.
Eindämmung immunologischer Abwehrmechanismen:
Immunologische Abwehrmechanismen
unterliegen selbst einer strengen Kontrolle, damit sie nicht
ausufern und mehr Schaden als Nutzen anrichten. Beispielsweise wirken
Gewebemakrophagen entzündungshemmend und können so Immunreaktionen
limitieren; Lymphozyten bauen negative Rückkopplungskreise auf; etc.
(Manche sagen, die eine Hälfte des Immunsystems dient dazu, die andere
Hälfte im Zaum zu halten.)
Immunität ist systemisch: Immunzellen und Immunmoleküle bewegen sich durch den gesamten Körper (sie patroullieren durch Kreislauf und Gewebe, diese
Mobilität ist einmalig unter allen Zellsystemen des Organismus)
und bringen den immunologischen Schutz überallhin, unabhängig davon, wo
der primäre Kontakt mit Krankheitserregern stattgefunden hat. Zur Steuerung der Migration der Immunzellen in die richtige Richtung dienen Konzentrationsgradienten chemotaktisch aktiver Moleküle, wie Spaltprodukten des Komplementsystems oder Chemokinen.
Das
Lymphsystem dient dem Transport extrazellulärer Flüssigkeit in den
Venenwinkel. Es wird auch vom Immunsystem als "Transporter" genützt: Potentielle Schädlinge werden auf dem Weg vom
Interstitium zum Blutkreislauf in Lymphknoten überprüft, gefiltert, abgetötet, abgebaut. Auf diese Weise kann z.B. eine Bakteriämie eingedämmt oder ganz verhindert werden.
Werden Bakterien direkt in das Blut eingebracht (z.B. über kontaminierte Katheter) und vermehren sich dort, spricht man von primärer, gelangen sie über infiziertes Gewebe in die Blutbahn, von sekundärer Bakteriämie. Zeitweiliges Vorhandensein von Bakterien im Blut ohne Vermehrung (da erfolgreich bekämpft) ist physiologisch, tritt nach kleinen Verletzungen - z.B. Zähneputzen - häufig auf und ist normalerweise folgenlos.
Die Verteilung der Bakterienarten ist je nach Hautstelle unterschiedlich und individuell ziemlich konstant.
Der Farbencode der Kreissegmente bezieht sich auf die Bakterienarten (Inset rechts oben), aus denen sich die typische Flora der angegebenen Körperregionen (blaue Schrift: fettige Haut; grüne Schrift: feuchte Haut; rote Schrift: trockene Haut) zusammensetzt
>Abbildung: Leukozyten auf Patrouille
Nach Funaro A, Ortolan E, Bovino P, Lo Buono N, Nacci G, Parrotta R, Ferrero E, Malavasi F: Ectoenzymes and innate immunity: the role of human CD157 in leukocyte trafficking. Front Biosci 2009; 14: 929-43
Leukozyten mit einem passenden Rezeptormuster
gehen durch eine mehrstufige Anheftungskaskade (Blutseite, oben) und wandern schließlich
durch die Kapillarwand, um im Gewebe (unten) ihre Abwehrfunktion zu erfüllen

vgl.
dort
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Angeboren
|
Adaptiv
|
Charakteristika
|
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Spezifität
|
Für gruppenspezifische mikrobielle Moleküle / Moleküle aus beschädigten Zellen
|
Für mikrobielle und nichtmikrobielle Antikörper
|
Diversität
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Begrenzt
Durch Gene codierte Erkennungsmoleküle
|
Sehr groß
Rezeptorgene durch somatische Rekombination lymphozytärer Gensegmente
|
Gedächtnis
|
Keines / begrenzt
|
Ja
|
Nicht selbstreaktiv
|
Ja
|
Ja
|
Komponenten
|
|
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Zelluläre und chemische Barrieren
|
Haut, Schleimhäute
Antimikrobielle Moleküle
|
Lymphozyten in Epithelien
An epithelialen Oberflächen sezernierte Antikörper
|
Proteine im Kreislauf
|
Komplement
Lektine
Agglutinine
|
Antikörper
|
Zellen
|
Phagozyten (Makrophagen, Neutrophile)
Dendritische Zellen
Natürliche Killerzellen
Mastzellen
Lymphoide Zellen
|
Lymphozyten
|
Nach Abbas / Lichtman / Pillai, Cellular and Molecular Immunology, 9th ed. Elsevier 2018
Phylogenese: Die Mechanismen der angeborenen Immunität sind im Tierreich in
ähnlicher Weise weit verbreitet und lassen sich auf erste
multizelluläre Organismen vor ~750 Millionen Jahren zurückführen. Die adaptive Immunität hat sich erst später - und in klarer Form nur bei Wirbeltieren - entwickelt (vor 350-500 Millionen Jahren).
Kooperation: Zwischen den beiden Teilen des Immunsystems bestehen zahlreiche Querverbindungen. Das angeborene System sendet frühe Warnsignale an das adaptive System, das auf diese spezifisch reagiert; und das adaptive System verstärkt oftmals die protektiven Mechanismen des angeborenen Systems.
"Horror autotoxicus": Beide Schenkel des Immunsystems greifen normalerweise körpereigene Eigenschaften ("Selbst") nicht an, sie sind nicht selbstreaktiv. (Andernfalls handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung.)
Systemische Wirkung: Immunzellen patroullieren durch den Körper, wodurch der Immunschutz im gesamten Organismus auftritt, unabhängig vom Ort einer auslösenden Infektion.
Regulation: Immunologische Abläufe werden einerseits durch positive Rückkopplungsschleifen verstärkt, andererseits durch negative Rückkopplungsschleifen im Zaum gehalten, um überschießende Angriffe zu vermeiden.
Das Immunsystem
hat enge funktionelle Beziehungen zu anderen Körpersystemen
(<Abbildung). So verändern Zytokine neuroendokrine Funktionen (das
äußert sich z.B. in Schlafstörungen, herabgesetztem Antrieb,
Gewichtsverlust, "Krankheitsverhalten") und beeinflussen zerebrale
Stressmechanismen (beispielsweise aktiviert ACTH die Freisetzung von Cortisol aus Lymphozyten).
Die Rezeptoren des Immunsystems erlauben spezifische Erkennungsvorgänge
Für seine Funktionen benötigt das Immunsystem Rezeptoren sowie Liganden,
die an diese gebunden werden. Solche Bindungen lösen - zell-, rezeptor-
und ligandenspezifisch - eine breite Palette an Reaktionen aus. Einige
dieser Rezeptoren prüfen ihre Umgebung auf die allfällige Anwesenheit pathogener Eindringlinge. Andere zielen darauf ab, nach Bindung des Liganden Signale zwischen Zellen auszutauschen. Wieder andere stellen fest, ob Nachbarzellen gesunde Zellen des eigenen Organismus sind oder (wenn nicht) eine Gefahr darstellen.
Man kann Immunrezeptoren in zwei große Gruppen einteilen: Präformierte des sogenannten angeborenen Immunsystems und solche des adaptiven Systems, die von Lymphozyten neu gebildet werden - je nach Antigenmuster auftauchender Pathogene. Zum adaptiven System s. dort.
Präformierte Rezeptoren ermöglichen eine rasche Reaktion
auf immunologische Herausforderungen. Unter ihrem Schutz können
Pathogene im Zaum gehalten werden, während das adaptive, spezifisch auf
die Erkennung konkreter Epitope designte System seine Abwehr
aufbaut (was mehrere Tage dauert). In der großen Gruppe präformierter
Rezeptoren unterscheidet man
Pattern recognition receptors (PRRs, s. Tabelle): Diese DAMPs (damage-asssociated molecular patterns) und MAMPs (microbe-asssociated molecular patterns) / PAMPs (pathogen-asssociated molecular patterns) erkennen
strukturelle Motive (Ähnlichkeiten im Aufbau), die auf beschädigten
Strukturen sowie Mikroben / Pathogenen, nicht aber auf
gesunden körpereigenen Zellen vorkommen. Zu PRRs gehören u.a. Toll-like receptors:
Wenn aktiviert, vermitteln diese Abwehrvorgänge wie Transkription,
Synthese und Sekretion von Zytokinen, was dendritische Zellen,
Makrophagen, Neutrophile und NK-Zellen anlockt. s. auch dort
Killer activation receptors (KARs) auf NK-Zellen
detektieren von gestressten Zellen sezernierte Moleküle (MICA, MICB),
was zu Anlagerung und Abtötung dieser körpereigenen gestressten Zellen
führt
Killer inhibition receptors
(KIRs): Diese NK-Zell-Rezeptoren erkennen MHC-I-Moleküle an
körpereigenen Zellen. Nur wenn diese zu wenig HMC-I erkennen lassen,
kommt es zur Abtötung der Zielzelle
Komplementrezeptoren
auf Phagozyten und B-Lymphozyten binden Komplementfragmente und lösen
dann den Abbau "markierter" Mikroben aus (zum Komplementsystem s. dort)
Fc-Rezeptoren: s. dort
Was genau erkennen Pattern recognition receptors?
Zu PAMPs zählen z.B. Lipopolysaccharide (LPS), wie sie sich in der Außenmembran Gram-negativer Bakterien finden. LPS können von mehreren Rezeptorarten erkannt
werden, darunter das Lipopolysaccharid-bindende Protein (LBP) oder
Toll-like-Rezeptoren (TLR). LPS aktivieren schon in geringer
Konzentration Makrophagen und Monozyten, was zur Freisetzung entzündungsfördernder (inflammatorischer) Zytokine führt. LPS gelten als sehr wirksame Endotoxine, sie wirken pyrogen (fiebererzeugend).
Auch formylierte Proteine
- charakteristisch für bakterielle Proteinsynthese und auch von
beschädigten Mitochondrien freigesetzt - werden von PRR des
Immunsystems erkannt (FPR: formyl peptide receptors). Sowohl Bakterien als auch Mitochondrien nutzen Formylmethionin als Starter-Aminosäure
ihrer Proteinsynthese (Körperzellen hingegen nutzen Methionin als
Starter). Damit kann das Immunsystem über formylierte Proteinmoleküle
einerseits die Anwesenheit von Bakterien (MAMPs / PAMPs), andererseits
mitochondrialer Eiweiße im Extrazellulärraum (DAMPs: Mithchondrien aus
verletzten Zellen) detektieren.
Weiters sind körperfremde DNA / RNA
bedrohlich - solche Nukleinsäuren sind Überträger potentiell
gefährlicher Information. Die Unterscheidung zwischen fremder und
eigener Nukleinsäure gelingt durch das Zusammenwirken mehrerer PRRs,
wie TLR3 auf der Zellmembran; TLR3, 7, 8 und 9 auf Endozytosevesikeln
und zahlreichen weiteren Nukleinsäuresensoren im Zytoplasma. Sowohl der
Ort als auch die Struktur der DNA sind wesentlich: Die Anwesenheit
außerhalb des Zellkerns deutet auf Zellschädigung hin; die Basenfolge
spielt eine Rolle für die Erkennung bakteriellen Ursprungs.
Kohlenhydrate werden von Immunrezeptoren nach ihrem Glykosylierungsmuster
klassifiziert; beispielsweise sind Mannose (Bakterien) oder ß-Glukan
(pathogene Pilze) Hinweise auf die Anwesenheit körperfremder
Oberflächen.
Rezeptoren auf Phagozyten (Scavangerrezeptoren) erkennen unterschiedliche Liganden und vermitteln Aufnahme und lysosomalen Abbau der gebundenen Merkmale.
PAMPs können von beiden Armen des Immunsystems (angeboren und adaptiv) erkannt
werden.
Angeborene Abwehr
Adaptive Abwehr
Somatische Rekombination
Die
Erkennung und Neutralisierung "auffälliger", d.h. immunrelevanter
Strukturen erfolgt schon im Rahmen der angeborenen Abwehr mit Hilfe von
Mustererkennungs-Rezeptoren (PRRs) auf und in Phagozyten, dendritischen Zellen, B-Lymphozyten, Endothel- und vielen anderen Zellen, und
Anregung zur Phagozytose (Opsonisierung) und Antigenpräsentation.
Das
angeborene System nutzt beinahe 100 verschiedene
Rezeptoren (wie z.B.
Toll-like
Rezeptoren), mit denen schätzungsweise 1000 mikrobielle Molekülmuster
erkannt werden können - diese Rezeptoren sind jeweils immer gleich
aufgebaut (invariant) und in ihrem Bauplan
genetisch festgelegt. Im Gegensatz dazu erkennt das
adaptive System mehr als 10 Millionen verschiedene Antigene; dazu braucht es lediglich zwei Typen (Familien) von Rezeptoren,
Immunglobuline und
T-Zell-Rezeptoren, allerdings mit einer fast beliebig großen Zahl molekularer Variationen (
somatische Rekombination von Gensegmenten).
Damit erkennt das
angeborene
System Mikrobenklassen (nicht aber verschiedene Spezies) bzw. kann
gesunde von beschädigten Zellen unterscheiden (gesunde Zellen werden
nicht angegriffen). Das
adaptive
System hingegen kann verschiedene mikrobielle Antigene - auch auf ein
und derselben Mikrobe - spezifisch auseinanderhalten (und es kann auch
irrtümlich körpereigene Zellen attackieren: Autoimmunerkankungen).
Haut und Schleimhäute sind von Mikroben
besiedelt - hauptsächlich in den oberflächlichsten Epithelschichten ('obligate Keimbesiedelung').
Man spricht von physiologischer oder Normalflora, deren Zusammensetzung ist ("wie ein Fingerabdruck") individualspezifisch sowie von Umweltfaktoren abhängig.
>Abbildung: Haut und Schleimhäute als "erste Verteidigungslinie"
Die
Oberflächen (Haut, Schleimhäute) werden mechanisch (Intaktheit,
Transport, Schleim), chemisch (Lysozym, Magensäure, Spermin),
biologisch (Bakterienflora) und immunologisch (Immunglobuline) geschützt
Die Gesamtheit der einen Organismus besiedelnden Mikroorganismen wird als
Mikrobiom
(>Abbildung ganz oben) bezeichnet. Diese natürliche Flora besteht
aus einigen hundert verschiedenen Arten (nicht alle davon sind
bekannt). Die Zahl der Bakterien auf / in einem Menschen beträgt ~10
15 (Zahl der Körperzellen etwa 10
12).
Residente (obligate) Mikroorganismen
sind solche, die ständig auf der Haut vorhanden sind und sich dort auch
vermehren. Es sind hauptsächlich grampositive Bakterien, die sich auf
wenige Gruppen beschränken (Staphylokokken
, Corynebakterien
, Propionibakterien -- u.a. Aknebakterien
--, Mikrokokken u.a.) sowie Hefen
(Pityrosporum auf der Kopfhaut). Acinetobakterien gehören zu den wenigen
gramnegativen residenten Hautbewohnern.
Wahrscheinlich sind grampositive
Bakterien besser an die trockene Umgebung der Haut angepasst als gramnegative,
die andererseits bei antibiotischer Behandlung einen Überlebensvorteil
haben können.
Transitorische Mikroorganismen sind solche, die
gelegentlich auf die Haut gelangen, dort aber üblicherweise sich weder
vermehren noch dauerhaft verbleiben können.
Die Talgproduktion der Haut ist
regional unterschiedlich und schützt Keime z.B. vor Desinfektion.
Besonders reichlich wird im Bereich von Kopf / Gesicht, Vorderseite der
Brustwand, Achselhöhlen und im Genital- und Afterbereich Talg
sezerniert. Eine deutliche Keimreduktion erfolgt hier erst nach
mehrminütiger Behandlung mit Hautdesinfektionsmitteln; die Hände sind
hingegen schon nach etwa einer halben Minute Einwirkungsdauer weitgehend desinfiziert.
Zur Bakterienwand und Gram-Färbung
s. >Abbildung

>Abbildung: Struktur der Bakterienwand
Nach einer Vorlage bei watcut.uwaterloo.ca
Die
auf der inneren Membran (Zellmembran) der Mikrobe aufliegende Schicht
der Bakterienwand besteht aus Murein oder Peptidoglykan, einem
Maschenwerk aus Polysaccaridketten, die durch Oligopeptide
kreuzvernetzt sind.
Gramnegative Bakterien (links) verfügen über eine dünne Peptidoglykanschicht (blau),
umgeben von einer äußeren Membran, mit Lipopolysacchariden (Endotoxin)
in der Außenlamelle. Porine erleichtern die Diffusion kleiner
Moleküle. Multidrug resistance (MDR)-Proteine (sie entfernen Antibiotika aus der Zelle) können membranübergreifend auftreten.
Grampositive
(Mitte) haben keine äußere Membran, aber eine wesentlich dickere Mureinwand mit
Lipoteichonsäuren (hydrophile Ketten mit Glykolipiden als
Membrananker). Sie sind besser für Antibiotika zugänglich.
Mykobakterien (rechts) haben auf ihrer Mureinschicht langkettige Fettsäuren (Mykolsäuren, rot), die eine wachsähnliche, undurchdringliche äußere Membran verankern

Schutzbarrieren und lokale immunologische Besonderheiten
Bevor Mikroorganismen in das 'eigentliche
Innere' des Körpers eindringen, werden sie daran von primären Barrieren gehindert. Dazu gehört eine unversehrte Schutzschicht
(Haut und Schleimhäute) mit ihren Hilfsmechanismen (andere
Mikroorganismen,
Talg, Schleim, darin enthaltene Enzyme und Antikörper,
spezifischer pH-Wert). Arrangements von Immunzellen und Molekülen, die
spezielle Aufgaben an bestimmten anatomischen Orten erfüllen, nennt man
regionale Immunsysteme.
Regionale Immunsysteme sind in der Lage, unerwünschte Reaktionen gegen
nichtpathogene Mikroben sowie Fremdsubstanzen zu verhindern. Verschiedenen Geweben / Organen schreibt man daher ein "Immunprivileg" zu, ein Konzept, das zum Teil revidiert werden muss.
Immunschutz an Schleimhäuten. Bei dem unter epithelialen Oberflächen (Haut: Dermis, Schleimhäute: lamina propria) untergebrachten Immunsystem unterscheidet man mehrere Spielarten, je nach Lage und
spezifischer Ausprägung (Überbegriff MALT - mucosa-associated lymphatic tissue: Darm, Bronchien, Nase, Speicheldrüsen,
Bindehaut, Tränenwege, Ohrtrompete, Kehlkopf).
Zu den gemeinsamen Merkmalen immunologischer Schutzbarrieren muköser Oberflächen und Auskleidungen gehören:
Epithelien, die geringe Durchgängigkeit aufweisen und Muzin, Defensine, IgA u.a. sezernieren
Unter der Mukosa liegendes regionales lymphatisches Gewebe
Fortwährende Sammlung von Antigenen durch Immunzellen an der epithelialen Oberfläche
Mikrobielle Produkte binden an dendritische und Epithelzellen und generieren regulatorische Signale
IgA-vermittelte spezifische Abwehr verhindert im Idealfall ein Eindringen von Mikroben in das "eigentliche Innere" des Körpers
Dendritische Zellen regen spezifisch Effektor- und regulatorische T-Zellen an
Darüber hinaus weisen die einzelnen Schleimhautregionen spezielle Eigenschaften auf, die ihrer besonderen Funktion entsprechen:
Das Immunsystem des Darms (GALT, gut-associated lymphoid tissue) (<Abbildung)
beschützt spezifisch die Darmschleimhaut. Dabei ist es in der Lage,
pathogene Mikroben (Viren, Bakterien, Pilze u.a.) anzugreifen, ohne
aber gegen harmlose Kommensalen oder in der Nahrung vorhandene Stoffe
vorzugehen. Wie es das schafft, ist noch weitgehend unklar. Die
Gesamtzahl an Bakterien im menschlichen Gastrointestinalsystem wird auf
1014
geschätzt; einige werden mit der Nahrung neu zugeführt, viele vermehren
sich im Darm. Bleiben sie auf der Schleimhautoberfläche, sind sie
harmlos bis nützlich; durchdringen sie diese Barriere, können sie
gesundheitsgefährdend werden. Das Immunsystem des Darms muss in der
Lage sein, zwischen harmlosen und gefährlichen Mikroorganismen zu
unterscheiden.
Im Darm des
Menschen finden sich 500-1000 mikrobielle Spezies, die
zusammengerechnet über ~0,6 Millionen Gene verfügen (30mal mehr als der
Mensch), wobei die meisten harmlos und nützlich sind (Kommensalen) und
nur wenige eine Gefahr darstellen (Pathogene). Das Immunsystem des
Darmes muss zwischen (einigen wenigen) bedrohlichen und (den sehr
zahlreichen) harmlosen Mikroben unterscheiden und seine Abwehrmaßnahmen
entsprechend gezielt einsetzen.
Das intestinale Immunsystem verfügt im Wesentlichen über folgende Mechanismen zur Infektionsvorbeugung:
Die Schleimschicht,
welche die meisten Mikroorganismen vom mukösen Epithel fernhält. Ein
durch Muzine aufgebauter, weniger als 1 mm dicker Gelfilm hält
Mikroorganismen vom Epithel fern, das außerdem über eine Glykokalix
verfügt. Der menschliche Darm produziert jeden Tag mehrere Liter
Schleim;
Von Epithelzellen produzierte antibiotische Peptide - diese töten Pathogene bzw. reduzieren ihr Eindringen in das Epithel;
"Sekretorische Immunität": IgA
aus Plasmazellen der Mukosa, das Pathogene im Darmlumen sowie Toxine bindet und neutralisiert,
bevor sie durch das Epithel dringen können (IgA gelangt auch
mit der Muttermilch in den Darm des Säuglings). An die sekretorische Komponente des IgA gebundene Glykane
reduzieren das Andockvermögen von Mikroben an die Schleimhaut. Daneben
werden auch andere Immunglobuline (IgM, IgG) über die Mukosa sezerniert.
Angeborene Immunität des Darms: Epithelzellen sind an Immunantworten und Antigenverarbeitung beteiligt: Einerseits bilden sie Defensine, andererseits sind sie über seitliche Schlussleistensysteme gegen den Untergrund abgedichtet; Becherzellen, M-Zellen, Paneth-Zellen haben spezifische Schutzaufgaben. Antigenpräsentierende Zellen, Makrophagen und angeborene lymphoide Zellen können - meist über Mustererkennungsrezeptoren
angeregt - antiviral wirken und Entzündungen auslösen. Solche
entzündlichen Reaktionen sind streng limitiert - durch dendritische
Zellen und Makrophagen -, um Schäden am Gewebe zu vermeiden.
Becherzellen können ihre Schleimproduktion auf Immunsignale (Interleukine, TNF, Typ-I-Interferon) hin sehr stark steigern und den Glykosylierungsgrad des Muzins verändern.
Adaptive Immunität des Darms: Diese
unterscheidet sich in mehrererlei Hinsicht von der spezifischen Abwehr
an anderen Orten des Körpers. Die Hauptlast trägt hier das
sekretorische Immunglobulin A (aus Plasmazellen der Schleimhaut oder
der Muttermilch). Helferzellen stellen den zellulären Arm der
spezifischen Abwehr dar, vor allem Th17-Lymphozyten, während Treg-Zellen Immunreaktionen restringieren und dadurch Toleranz gegenüber Nahrungsmitteln möglichst gewährleisten.
<Abbildung: Dünndarm als Teil des Immunapparats
Nach
Cheroutre H & Madakamuti L, Acquired and natural memory T cells
join forces at the mucosal front line. Nat Rev Immunol 2004; 4: 290-300
Das schleimhautassoziierte lymphatische Gewebe (MALT)
nimmt Antigene an der Darmoberfläche auf (Makromoleküle, Viren,
Bakterien, Parasiten) und gibt sie an das intestinale Lymph- und Immunsystem weiter.
M-Zelle: Microfold cell (so genannt wegen ihrer Mikrovilli)
CCR9 und CCL25 sind Chemokine
E-Cadherin dient der Zellkommunikation
Addressin oder MAdCAM-1 ist ebenfalls ein Zelladhäsionsmolekül
Tight junctions dichten den Raum zwischen Epithelzellen ab
Die Spezialaufgabe von M-Zellen
(<Abbildung) auf der Oberfläche (am Dom) intestinaler Lymphfollikel
ist der Transport von Antigenen (Viren, Bakterien, löslichen Stoffe) zu
darunter gelegenen dendritischen Zellen und B-Lymphozyten.
Zu diesem Zweck sind sie der Phagozytose und clathringestützten Endozytose befähigt und exprimieren zahlreiche verschiedene Rezeptormoleküle.
In den 100 bis 150 mesenterialen Lymphknoten werden die Antigene
gesammelt und veranlassen die Reifung entsprechender Lymphozyten, die
dann über die Blutbahn an betreffenden Stellen wieder die lamina
propria betreten (homing). Dazu verfügen sie über Adhäsionsmoleküle und Chemokinrezeptoren.
T-Zellen verschiedener
Ausprägung beschützen den Darm und sind durch die Funktion
antigenpräsentierender (dendritischer) Zellen beeinflusst. Man findet
sie in der lamina propria, Submukosa und in lymphatischem Gewebe des
Darms (Peyer-Plaques und andere Strukturen des GALT).
Im Darm sind die meisten intraepithelialen CD8+-Lymphozyten; etwa 10% gehören zu den "nicht-traditionellen"
γδ-T-Lymphozyten. Beide haben ein begrenztes Repertoire an
Antigenrezeptoren, was mit einer Fokussierung auf die Erkennung
üblicher Bakterienstämme erklärbar ist. In der lamina propria und in Peyer-Plaques hingegen überwiegen CD4+-Zellen
- Effektor-, Regulator- und Gedächtniszellen. Diese sind von
dendritischen Zellen und Makrophagen gesteuert, die einerseits unter
Sekretion bestimmter Zytokin-Cocktails spezielle Antigene verarbeiten
und präsentieren, andererseits - unter steuerndem Einfluss von Treg-Zellen
- Immunreaktionen gegen Nahrungsmittelantigene und Mikroben der
normalen Darmflora unterdrücken. Die Immunantwort fällt also sehr
selektiv aus.
Fehlsteuerungen durch mangelhafte
Zytokinwirkung (ungenügende Sekretion, Mangel an Zytokinrezeptoren)
können zu fehlender Immuninhibition und entzündlichen Erkrankungen im
gastrointestinalen System führen.

Das
Immunsystem des Atemapparates (BALT, bronchus-associated lymphoid tissue) spielt im bronchopulmonalen Bereich der Lunge eine protektive Rolle mit zellulären und humoralen, angeborenen und adaptiven Komponenten. IgA spielt eine Hauptrolle bei der Abwehr in den Atemwegen, vor allem im oberen Respirationstrakt, in Zusammenarbeit mit Tonsillen (lymphatischer Rachenring) sowie Lymphknoten in der Nachbarschaft der Bronchien sowie im Mediastinum.
IgA gelangt - wie im Darm - über einen
Poly-Immunglobulin-Rezeptormechanismus durch die Schleimhaut an deren
Oberfläche. Bei Allergien spielt weiters IgE
eine Rolle (z.B. Heuschnupfen). Mastzellen sind im Bereich der Luftwege
reichlich vorhanden, sodass reichlich Histamin freigesetzt werden kann
und die Bronchien verengt (asthma bronchiale),
Dendritische Zellen des Respirationstrakts - zwischen mukösen Epithelzellen (teils ragen ihre Zellfortsätze in den Luftraum hinein) und in der lamina propria - sammeln Antigene und präsentieren diese in peribronchialen und mediastinalen Lymphknoten an naive T-Tellen. Diese entwickeln sich vor allem zu Th2-Zellen, die zurück in die Bronchialschleimhaut wandern (homing) und dort durch "ihre" Antigene reaktiviert werden können, was zur Entwicklung von allergischem Asthma führen kann.
Urogenitaltrakt: Lymphatisches Gewebe im Bereich des Urogenitaltrakts hat analoge Schutzfunktionen. Das Epithel von
Urethra, Scheide und
Zervix weist
Langerhans-Zellen,
dendritische Zellen und Makrophagen, sowie B- und T-Lymphozyten auf.
Deutliche MALTs fehlen. Der führende Antikörpertyp ist hier nicht IgA,
sondern
IgG, zur Hälfte lokal produziert, zur anderen Hälfte aus dem Kreislauf.
Vergleichbar der Bewegung von Exspirationsluft in der Lunge, welche die
Reinigung des Bronchialbaums assistiert, hilft die nach außen
gerichtete Strömung des Urins, Infektionen in Nieren, Ureter, Blase und
Urethra vorzubeugen. Die Einbringung von Harnkathetern behindert diesen
Reinigungsmechanismus und verursacht etwa 50% der Infektionen des
Harntrakts.
Schleimhäute: Speziesabhängig unterschiedlich ausgeprägt sind weitere immunologische Schutzwälle, wie NALT
(nose-), SALT/DALT
(salivary-gland- or duct-), CALT
(conjunctiva-), LDALT
(lacrymal-drainage-), TALT
(Eustachian tube-), LALT
(larynx-associated lymphoid tissue).

Die
Mehrzahl aller Lymphozyten befinden sich in Lymphknoten und mukösem Gewebe (vorwiegend GALT, BALT); viele davon sind
Gedächtniszellen.
Wird die primäre Barriere durchbrochen, kommt
es zum Kontakt mit Zellen der 'unspezifischen' (z.B. Langerhans-Zellen
in der Haut) und 'spezifischen' Abwehr (z.B. T-Zellen). Klonselektion
und
Ausbildung von Gedächtnis- sowie Effektorzellen führt einige
Tage nach dem 'Erstkontakt' zu gezielter spezifischer Abwehr mit dem Ziel einer Überwindung
der Erkrankung.
Gibt es bereits Gedächtniszellen gegen die betreffenden
Merkmale ('Zweitkontakt'), so wird die Infektion rascher überwunden,
eine Erkrankung bleibt wahrscheinlich aus ('Feiung', Impfschutz).
"Immunprivilegierte" Organe erfahren einen spezifisch restringierten Immunschutz. Zu ihnen zählt man folgende Gewebe:
Das Gehirn, das durch entzündliche Vorgänge bedroht sein kann.

>Abbildung: Zerebrales Immunsystem
Nach Kwon D: Guardians of the brain: how a special immune system protects our grey matter. Nature News Feature (online) 2022
T-Zellen
verlassen den venösen Blutkreisluf (Sinus), patroullieren die Meningen
und betreten anschließend zerebrale Lymphgefäße, womit die in
Lymphknoten gelangen. Im Gehirn nehmen Zellen der Mikroglia, an den
Gefäßrändern Makrophagen am Immunschutz teil

Die Blut-Hirn-Schranke trägt dazu
bei, mittels Schlussleisten (tight junctions)
zwischen den Endothelzellen den Durchtritt von löslichen Faktoren und
Immunzellen einzuschränken. Nur wenige dendritische Zellen finden sich
im Gehirn, was mögliche adaptive Immunantworten (Antigenpräsentation)
gering hält. Die Aktivierungsschwelle der Mikroglia (zerebrale Makrophagen) ist vermutlich höher als bei Makrophagen in anderen Geweben.
Eine Überwachungsfunktion gegenüber Mikroben ist im Gehirn dennoch
gegeben; T-Lymphozyten und Monozyten nehmen Überwachungsfunktion wahr. Nervenzellen produzieren die Neuropeptide vasoaktives intestinales Peptid (VIP) und melanozytenstimulierende Hormone (MSH). Bei antigener Stimulation oder Entzündung werden diese Faktoren
weiters von T-Helferzellen (Th2) und Makrophagen freigesetzt.
Das Gehirn ist also nicht (wie
ursprünglich gedacht) "immunprivilegiert" in dem Sinne, dass es von der Überwachungfunktion des Immunsystems separiert wäre. Das Knochenmark der Schädeldecke
ist dabei eine Quelle von Immunzellen in unmittelbarer Nähe zum Cortex
(Abbildung). Klar ist, dass T-Lymphozyten und Makrophagen im Gehirn
aktiv werden können. Inwieweil sie das Gehirn dabei beschützen oder
unter Umständen eher beschädigen, ist noch eine offene Frage.
Die vordere Augenkammer: Entzündungen und ihre Folgewirkungen können das Sehvermögen wesentlich beeinflussen. Vor allem in der vorderen Augenkammer müssen Infektionen
abgewehrt werden - Ziliarkörper, Iris und Chorioidea enthalten
zahlreiche Immunzellen wie dendritische Zellen, Makrophagen, Mastzellen.
Um Entzündungsfolgen - Hornhaut-, Linsen- oder Glaskörpertrübung - möglichst zu vermeiden, verfügt das Auge über ein spezielles
Muster an anti-inflammatorischen Mechanismen, z.B. exprimieren
Zellen viel Fas-Ligand (FasL), sodass T-Lymphozyten (die über Fas verfügen) einer Apoptose ausgeliefert sind, bevor sie aktiv werden können.
Die Kapillaren des Ziliarkörpers im Auge sind selektiv durchgängig (Blut-Augen-Schranke). So lassen sie z.B. Immunglobuline nicht in das
Kammerwasser, wohl aber andere Immunkomponenten, wie
antigenpräsentierende Zellen, die das Auge über den Kammerwasserabfluss
verlassen und in den Blutkreislauf gelangen können (Blut-Kammerwasser-Schranke). Die Abwesenheit von Blutgefäßen in Hornhaut und Linse und die Tatsache, dass die vordere Augenkammer nicht von Lymphgefäßen drainiert wird, trägt dazu bei, dass das adaptive Immunsystem kaum Zugang zum vorderen Auge hat.
Stattdessen enthält das Kammerwasser Stoffe mit immunsuppressiver und entzündungshemmender Wirkung: Neuropeptide wie VIP und Somatostatin, TGF-ß
u.a. Außerdem exprimieren Epithelzellen, welche die vordere Augenkammer
auskleiden, Liganden (wie den Fas-Ligand), deren Anwesenheit
T-Lymphozyten inaktivieren bzw. abtöten kann. Das geht sogar so weit,
dass das Einführen von Fremdeiweiß in die vordere Augenkammer zu
Toleranzentwicklung gegenüber diesem Antikörper führt (Anterior Chamber-Associated Immune Deviation, ACAID).
Die Hoden. Entzündungen im Hodenbereich können die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen.
Sertoli-Zellen haben deshalb die Aufgabe, eine Schranke zwischen Spermatogonien und Spermatozyten aufzubauen. Diese Blut-Hoden-Schranke
baut eine geeigneten Mikro-Umgebung der Samenzellen auf und schützt u.a. vor dem Eindringen von Gefahrenstoffen, z.B. mutagenen
Giften.
Der Fetus hat ebenfalls
einen spezifischen Immunstatus: Obwohl eigentlich ein Allograft
(genetisch nicht identisches Gewebe), werden Produkte seiner
väterlichen Gene von der Mutter nicht abgestoßen. Das ist überraschend,
denn Antikörper gegen fetale Antigene sind im Blut der Mutter nachweisbar.
Es gibt also - bislang nur unvollständig verstandene - Mechanismen, die
den Fetus vor dem mütterlichen Immunsystem schützen. Dazu zählt die
Tatsache, dass Trophoblastenzellen MHC-Moleküle nur
selektiv und/oder Kostimulatoren nicht exprimieren, sowie vor Lyse
durch mütterliche NK-Zellen geschützt sind. Die Immuntoleranz der
Mutter gegenüber fetalem Gewebe steht möglicherweise unter steuerndem
Einfluss von Treg-Zellen.

Als Mikrobiom bezeichnet man die Gesamtheit der einen Organismus
besiedelnden Mikroorganismen. Insbesondere die residente Darmflora
stimuliert das Immunsystem, liefert Stoffwechselprodukte für
Darmepithelzellen, wirkt antitoxisch und vitaminbildend. Mikroben können aber auch pathogen werden
Das Immunsystem repariert beschädigtes Gewebe und bekämpft Infektionen. Dazu erkennt es "verdächtige" Moleküle (Gefahrensignale) - einerseits aus verletzten Zellen (DAMPs: damage-asssociated molecular patterns),
andererseits auf Mikroben (PAPMs: pathogen-assoziierte molekulare
Muster). Mikroben bleiben meist harmlos,
solange sie auf intakte Oberflächen beschränkt bleiben ("primäre
Barriere")
Sekundäre
Barriere: Haut und Schleimhäute (Darm, Bronchien, Nase, Speicheldrüsen, Bindehaut, Tränenwege, Ohrtrompete, Kehlkopf) verfügen über einen besonderen Immunschutz. Epithelien sezernieren Muzin, Defensine, IgA; IgA-vermittelte spezifische Abwehr erschwert ein Eindringen von Mikroben; mikrobielle Produkte generieren regulatorische Signale; Immunzellen sammeln Antigene und transportieren sie an Lymphknoten weiter; dendritische Zellen regen spezifisch Effektor- und regulatorische T-Zellen an
Man unterscheidet angeborene und
adaptive, zelluläre und humorale Abwehr. Das humorale System schützt vor extrazellulären Angreifern
(Toxinen, Mikroorganismen, Pollen etc), das zelluläre erkennt intrazelluläre Antigene (z.B. Viren)
sowie Tumorzellen und Protozoen
Das
angeborene System nutzt ~100 verschiedene Rezeptoren zur Erkennung von
~1000 invarianten mikrobiellen Molekülmustern; das adaptive erkennt
spezifisch mehr als 10 Millionen verschiedene Antigene mittels
Immunglobulinen und T-Zell-Rezeptoren. Der Teil eines Antigens, den Lymphozyten bzw. Antikörper spezifisch erkennen und binden, heißt antigene Determinante oder Epitop. Somatische Rekombination ("Genpuzzle") erklärt die große Zahl spezifischer lymphozytärer Rezeptoren und Antikörper
Immunität ist systemisch: Immunzellen und Immunmoleküle patroullieren
durch Kreislauf und Gewebe und schützen alle Gewebe, unabhängig vom Ort
des Primärkontakts mit Krankheitserregern. Neutrophile und Monozyten
gelangen zu Orten der Infektion oder Verletzung zwecks Schutz,
Pathogenbekämpfung, Reparatur; "naive" Lymphozyten wandern zu
sekundärem lymphatischem Gewebe (z.B. Lymphknoten) zwecks
Antigenerkennung, Proliferation, Differenzierung in Effektor- und
Gedächtniszellen; Effektorlymphozyten wandern zu Infektionsherden
überall im Organismus zwecks spezifischer Abwehr
Zu den Membranproteinen, die Zellen (z.B. Leukozyten) spezifisch und je
nach Art und Entwicklungsphase exprimieren, gehören auch mehrere
hundert CD-Moleküle (Cluster of differentiation). Diese lassen sich
mittels monoklonaler Antikörper bestimmen und erlauben eine
funktionelle Zuordnung von Immunzellen (als Rezeptoren, Enzyme,
Aktivatoren, zur Zelladhäsion u.a.)
Immunprivilegierte" Organe erfahren einen spezifisch restringierten Immunschutz. Die Blut-Hirn-Schranke schränkt den Durchtritt von löslichen Faktoren und Immunzellen ein; das Auge hat spezielle entzündungshemmende Mechanismen (Blut-Augen-Schranke); Sertoli-Zellen bilden eine Schranke zwischen Spermatogonien und Spermatozyten (Blut-Hoden-Schranke)
Immunologische Abwehrmechanismen unterliegen strenger Selbstkontrolle
und Limitation. Eine wichtige Rolle spielen dabei inhibitorische
Rezeptoren auf Lymphozyten und natürlichen Killerzellen
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Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie
sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und
Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.