Solange
der Fetus im Uterus heranwächst, lebt er in einer praktisch keimfreien
(sterilen) Umgebung. Mit der Geburt beginnt mit dem Kontakt zur
"normalen" Umwelt die Kolonisierung des Körpers des Neugeborenen mit
einer Hundertschaft verschiedener Spezies von Mikroorganismen: Die
Hautoberfläche (Kontakt mit der Mutter etc), aber auch sehr rasch Mund-
und Nasenhöhle, Intestinaltrakt
(Füttern) sowie obere Luftwege (Atmung) werden mit Keimen besiedelt -
unterschiedliche Stämme an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen
Zeiten, auch abhängig von genetischen und kulturellen Einflüssen.
(Beispielsweise dauert die Besiedelung des Darms mit E. coli bei
Neugeborenen in Entwicklungsländern nur einige Tage, in Europa meist
mehrere Monate). Nunmehr ist der Körper Gefahren durch Viren, Bakterien,
Protozoen, Pilze, manchmal auch Würmer, Giftstoffe, zusehends auch Veränderungen an
körpereigenen (gestressten oder Krebszellen) ausgesetzt.
Schutz vor all diesen potentiellen Bedrohungen bietet das Immunsystem. Dessen Zellen stammen von lymphoiden
und myeloiden
Vorläuferzellen ab (
Abbildung),
die zum Großteil auf angeborene oder adaptive Mechanismen spezialisiert
sind - manche spielen in beiden Systemen eine tragende Rolle
(dendritische Zellen, Makrophagen). Sequenzierungen
des gesamten humanen Genoms haben in letzter Zeit Zweifel an der
ursprünglichen Annahme (monophyletische Theorie) geweckt, dass
alle Zellen des hämatopoetischen Systems aus einer
gemeinsamen Stammzelle hervorgehen.

Abbildung: Hämatopoetischer "Stammbaum" und Immunzellen
Nach einer Vorlage in Strachan / Read, Human Molecular Genetics, 5th ed. 2020 (CRC Press)
Die
Abbildung folgt dem klassischen Konzept, dass alle Blutzellen von einer
gemeinsamen hämatopoetischen Stammzelle abstammen (oben). Untersuchungen des humanen Genoms wecken Zweifel an dieser
"monophyletischen" Theorie.
Aus lymphoiden Vorläuferzellen entstehen B-, T- und NK-Zellen (links),
aus Granulozyten- Makrophagen- Vorläuferzellen werden Monozyten,
dendritische Zellen, Makrophagen, Granulozyten und Mastzellen
(Bildmitte).
Monozyten sind patrouillierende Phagozyten im Kreislauf, die sich
- wenn in das Gewebe "abgerufen" - zu Makrophagen (z.B. Kupffer-Zellen
in der Leber, Osteoklasten im Knochen, Mikroglia im ZNS,
Gewebsmakrophagen im Bindegewebe) oder zu dendritischen Zellen (deren
Aufgabe in der "Alarmierung" des adaptiven Systems besteht) entwickeln.
Mastzellen scheinen das Gewebeäquivalent von basophilen Granulozyten zu
sein.
Spezifische Wachstumsfaktoren regen entsprechende
Differenzierungsschritte an -

s.
dort.
Unten: Lymphozyten sind im adaptiven System tätig, Granulozyten und Mastzellen
im angeborenen; dendritische Zellen und Makrophagen können
phagozytieren, "präsentieren" aber auch (aufgearbeitete) Antigene an
lymphatische Zellen und beteiligen sich so an Aktivitäten beider Systeme
Sowohl die Zellen der lymphoiden als auch diejenigen der myeloiden
Reihe stammen primär aus dem roten Knochenmark ("myelos"). Lymphozyten
wurden deshalb so benannt (und werden in die "lymphoide" Reihe
gruppiert), weil sie als einzige Blutzellen regulär auch in der Lymphe
vorkommen.
Das
Immunsystem kann - teils spontan (angeboren), teils erst nach einer längeren "Lernphase" (adaptiv) - entsprechende chemische Signaturen identifizieren und
gegebenenfalls neutralisieren. Dazu muss es in der Lage sein, Merkmale körpereigener
(gesunder) von denen fremder (bzw. veränderter) Zellen sowie Substanzen
zu unterscheiden. Auch die allfällige Abwesenheit von
"Selbst"-Merkmalen wird detektiert.
Die Fähigkeit, diese Unterscheidungen vorzunehmen, ist eine wesentliche
Eigenschaft des Immunsystems. Dazu nutzen seine Zellen Rezeptormoleküle, die (so wie ihre Liganden) teils
auf Zelloberflächen befestigt, teils im Extrazellulärraum gelöst
vorliegen. Diese Rezeptoren erkennen und binden teils fremde, teils
körpereigene Moleküle. Die Interaktion von Rezeptoren mit ihren
Bindungspartnern löst verschiedenste Immunreaktionen aus.
Haut und Schleimhäute sind von Mikroben
besiedelt - hauptsächlich in den oberflächlichsten Epithelschichten ('obligate Keimbesiedelung').
Man spricht von physiologischer oder Normalflora, deren Zusammensetzung
ist ("wie ein Fingerabdruck") bei jedem Menschen individuell, hängt aber auch von Umweltfaktoren ab.

Die Verteilung der Bakterienarten ist je nach Hautstelle unterschiedlich und individuell ziemlich konstant.
Der Farbencode der Kreissegmente bezieht sich auf die Bakterienarten (Inset rechts oben), aus denen sich die typische Flora der angegebenen Körperregionen (blaue Schrift: talgproduzierende Haut; grüne Schrift: feuchte Haut; rote Schrift: trockene Haut) zusammensetzt.
Talgproduzierende Haut (sebaceous skin)
befindet sich an der Glabella (zwischen den Augenbrauen), den Seiten
der Nasenflügel, dem äußeren Gehörgang, hinter dem Ohr, am Hinterhaupt,
über dem Manubrium (Thoraxwand) und am Rücken.
Feucht (moist skin)
ist die Haut innerhalb der Nostrillen, in der Axilla, der Ellenbeuge,
interdigital (zwischen Mittel- und Ringfinger), am Nabel, in der
Leistengegend, im Oberteil der Gesäßfalte, in der Kniekehle, an der
Ferse, zwischen den Zehen
Mikrobiom des Menschen (normale Mikroflora): Man schätzt die Zahl an
Mikroorganismen - Bakterien, Viren u.a. - auf und in dem Körper eines erwachsenen Menschen auf etwa 1014-1015, das ist mehr als die Anzahl körpereigener Zellen (insgesamt 4.1013). Die Schleimhäute in Nebenhöhlen-Nasen-Rachen-Raum, Luftwegen,
Darm und Urogenitalsystem haben zusammen eine Oberfläche von ~400 m2 (das 200-fache der ~2 m2 Hautoberfläche). Diese inneren und äußeren Grenzflächen gilt es zu überwachen
und ihren physiologischen Zustand gegen (potenzielle) Pathogene zu
verteidigen (ihr Eindringen in das "eigentliche Innere" des Körpers zu
vermeiden) - auch wenn die überwiegende Mehrzahl der Mikroorganismen
keine Gefahr darstellt, ja sogar die Gesundheit des Menschen
unterstützt (z.B. intestinales Mikrobiom).
Auf der Haut gibt es mehrere umgrenzte Mikrobiotope (feuchte
Epithelien), z.B. im Bereich des Bauchnabels, der Achselhöhlen und der
Nasenflügel - mit deutlichen Unterschieden zur umliegenden trockenen
Haut. Unterschiede in der mikrobiellen Besiedelung bestehen auch zu
Zonen, die reich an Talgdrüsen mit ihrem öligen Sekret sind (beidseits
der Nase - sogenannte Supraalarfalte, hintere Kopfhaut, Rücken, obere
Brustpartie). Jede dieser Nischen wird von bestimmten mikrobiellen
Species bevorzugt (z.B. Corynebakterien in feuchter, Propionsäurebakterien in fettiger Haut; trockene Haut wird wieder von anderen Stämmen bevorzugt).
Insgesamt kommen mehr als 200 Gattungen regelmäßig auf der Haut vor,
mit starken individuellen Abweichungen von kollektiven Mittelwerten.

Mikrobielle Umgebung des menschlichen Körpers

Nach Doan
/ Lievano / Swanson-Mungerson / Viselli, Immunology, (3rd ed.
Wolters Kluwer 2022
|
Ort
|
Zahl relativ
|
Zahl insgesamt
|
Haut
|
103/cm2
|
1012 |
Kopfhaut
|
106/cm2 |
--
|
Nasenschleim
|
107/g |
--
|
Speichel
|
108/g |
--
|
Mund |
--
|
1010 |
Gastro-
intestinaltrakt |
-- |
1014 |
Stuhl
|
>108/g |
-- |
Die Gesamtheit der einen Organismus besiedelnden Mikroorganismen wird als Mikrobiom
bezeichnet. Diese natürliche Flora besteht
jeweils aus mehreren hundert verschiedenen Arten von Bakterien, stark abhängig vom
untersuchten Ort (Rachen-Nasen-Raum, Dünndarm / Dickdarm etc). Dazu kommt mindestens die gleiche Anzahl an Viren, die meisten davon Phagen (Virobiom). Diese interagieren mit Bakterien - können sie spezifisch erkennen, Erbgut übertragen und sie auch (im Rahmen einer lytischen Phase) zerstören.
Abbildung: Haut und Schleimhäute als "erste Verteidigungslinie"
Nach einer Vorlage bei open.edu
Die
Oberflächen (Haut, Schleimhäute) werden mechanisch (Intaktheit,
Transport, Schleim), chemisch (Lysozym, Magensäure, Spermin),
biologisch (Bakterienflora) und immunologisch (Immunglobuline) geschützt
Das funktionelle Gleichgewicht zwischen körpereigenen Zellen, Mikroben und Viren
ist naturgemäß außerst komplex, wird gegenwärtig intensiv erforscht,
ist abhängig von zahlreichen Begleitumständen (Ernährung, Zustand des
Immunsystems, Alter, Geschlecht, Medikation...) und wirkt sich auf
Gesundheit und Krankheit in vielfacher Weise aus.
Die Besiedelung
des Neugeborenen mit Mikroorganismen beginnt spätestens mit der Geburt, die Mikroorganismen
stammen teils von der Mutter (Scheidenflora), teils aus der Umwelt. Kleine Kinder haben eine
vielfältigere Mikroflora und beherbergen mehr potenziell pathogene gramnegative
Bakterien als Erwachsene. Schon
während der ersten Lebenswochen gleicht sich die mikrobielle Flora
allmählich der von Erwachsenen an.
Individualspezifische mikrobiologische Muster: Die normale Bakterienflora im Mundraum des Menschen (~1010
an der Zahl) enthält von über 700 bekannten Arten jeweils etwa 250
Arten im Mund eines Menschen - mit enormen individuellen sowie
örtlichen Charakteristika (benachbarte Stellen können komplett unterschiedliche
Bakterienmuster aufweisen). Besonders reichhaltig ist auch die Darmflora (~600 verschiedene Bakterienstämme, 99% davon Anaerobier).
Die mikrobielle Besiedelung des Körpers (Haut, Schleimhäute) hat zahlreiche Funktionen und Wirkungen, zum Beispiel:
Bakterien stimulieren das Immunsystem
Bakterielle Stoffwechselprodukte werden von Epithelzellen verwendet, die sie für ihren Metabolismus benötigen
Bakterielle Enzyme nützen Nährstoffe, z.B. verwandeln Bakterien im
Mundraum Nitrate (Obst, Gemüse) zu Nitrit, das zu blutdrucksenkendem Stickstoffmonoxid wird
Anaerobe Bakterien produzieren Vitamin K (Dickdarm)
Bakterien können entgiftend wirken (z.B. auf kanzerogene Substanzen)
Ein Drittel der Stuhlmasse besteht aus Bakterien - dies ist das bei weitem größte Mikrobenreservoir des Organismus.

Abbildung: Das lymphatische Gewebe als "zweite Verteidigungslinie"
Nach einer Vorlage bei louis.pressbooks.pub
Das
lymphatische System umfasst lymphatische Organe - Lymphknoten, Milz,
Thymus, Knochenmark, Adenoide, Tonsillen, Peyer-Plaques, Wurmfortsatz -
sowie Lymphgefäße.
Mikroben
werden vom lymphatischen System aufgehalten und bekämpft. Adenoide,
Tonsillen und darmassoziiertes System sind "Vorposten", Lymphknoten
zwischengelagerte Kampfstationen. Im Blut befindliche Mikroorganismen
können in der Milz bekämpft werden. Thymus und Knochenmark sind
"Lymphozytenfabriken"
Die Mikroorganismen der normalen Hautflora werden eingeteilt in residente und transitorische:
Residente (obligate) Mikroorganismen
sind solche, die ständig auf der Haut vorhanden sind und sich dort auch
vermehren. Es sind hauptsächlich grampositive Bakterien, die sich auf
wenige Gruppen beschränken (Staphylokokken
, Corynebakterien
, Propionibakterien -- u.a. Aknebakterien
--, Mikrokokken u.a.) sowie Hefen
(Pityrosporum auf der Kopfhaut). Acinetobakterien gehören zu den wenigen
gramnegativen residenten Hautbewohnern.
Wahrscheinlich sind grampositive
Bakterien besser an die trockene Umgebung der Haut angepasst als gramnegative,
die andererseits bei antibiotischer Behandlung einen Überlebensvorteil
haben können.
Transitorische Mikroorganismen sind solche, die
gelegentlich auf die Haut gelangen, dort aber üblicherweise sich weder
vermehren noch dauerhaft verbleiben können.
Die Talgproduktion der Haut ist
regional unterschiedlich und schützt Keime z.B. vor Desinfektion.
Besonders reichlich wird im Bereich von Kopf / Gesicht, Vorderseite der
Brustwand, Achselhöhlen und im Genital- und Afterbereich Talg
sezerniert. Eine deutliche Keimreduktion erfolgt hier erst nach
mehrminütiger Behandlung mit Hautdesinfektionsmitteln; die Hände sind
hingegen schon nach etwa einer halben Minute Einwirkungsdauer weitgehend desinfiziert.
Zur Bakterienwand und Gram-Färbung
s.
Abbildung
Abbildung: Struktur der Bakterienwand
Nach einer Vorlage bei watcut.uwaterloo.ca
Die
auf der inneren Membran (Zellmembran) der Mikrobe aufliegende Schicht
der Bakterienwand besteht aus Murein oder Peptidoglykan, einem
Maschenwerk aus Polysaccaridketten, die durch Oligopeptide
kreuzvernetzt sind.
Gramnegative Bakterien (links) verfügen über eine dünne Peptidoglykanschicht (blau),
umgeben von einer äußeren Membran, mit Lipopolysacchariden (Endotoxin)
in der Außenlamelle. Porine erleichtern die Diffusion kleiner
Moleküle. Multidrug resistance (MDR)-Proteine (sie entfernen Antibiotika aus der Zelle) können membranübergreifend auftreten.
Grampositive
(Mitte) haben keine äußere Membran, aber eine wesentlich dickere Mureinwand mit
Lipoteichonsäuren (hydrophile Ketten mit Glykolipiden als
Membrananker). Sie sind besser für Antibiotika zugänglich.
Mykobakterien (rechts) haben auf ihrer Mureinschicht langkettige Fettsäuren (Mykolsäuren, rot), die eine wachsähnliche, undurchdringliche äußere Membran verankern
Einen
Zustand des Gesundseins können wir nur genießen, weil bzw. so lange
unser Immunsystem einen maßvollen Kampf gegen zahllose mikrobiologische
Herausforderungen führt und sich an der Reparatur allfälliger
Gewebeschäden beteiligt.
Das
Immunsystem schützt den Organismus und wahrt seine Integrität, indem es
bei Schädigung von Zellen und Geweben reparative Maßnahmen ergreift,
das Eindringen von Infektionserregern (pathogenen
Mikroben) bekämpft.
Diese beiden Bereiche beeinflussen einander: Schädigungen des Gewebes können einerseits Pathogenen das Eindringen in den Körper erleichtern,
andererseits schädigen Infektionen (auch deren Abwehr) das Gewebe.
Gewebeschäden gehören zum "physiologischen Alltag", und Mikroben
befinden sich zeitlebens auf und in unserem Körper; daher sind die in
diesem Kapitel geschilderten Mechanismen bei jedem gesunden Organismus
anzutreffen und als Teil der normalen Physiologie zu sehen.
An Grenzflächen zwischen "Außenwelt" und "Innenwelt" (Haut,
Schleimhäuten) finden sich unzählige Fremdorganismen, die durch Sekrete
mit unspezifisch mikrobiziden Stoffen sowie spezifisch wirkenden
Antikörpern - und vor allem Intaktheit der Oberflächenstrukturen -
einen Eintritt in darunter liegendes Gewebe verhindern. Bei
Verletzungen dieser Oberflächen wirken Phagozyten, NK-Zellen und
Komplementfaktoren im Rahmen der angeborenen Abwehrsysteme an Ort und
Stelle und ohne Verzögerung.
Diese Vorgänge alarmieren auch das
spezifische System, das verzögert mit molekularen Strukturen der
Angreifer reagiert. Das "Erwecken" einer passenden, exquisit gegen
konkrete Antigene gerichteten Immunreaktion bedarf komplexer
Erkennungsvorgänge und führt zur Selektion entsprechender
Lymphozytenklone, bevor die spezifische Immunität (zellulär und
humoral) gegen ganz bestimmte Invasoren wirksam werden kann (das dauert
bei einem Ertstkontakt 1-2 Wochen, bei bereits bestehender Immunität
wesentlich kürzer).
Angeborene ("unspezifische", innate) sowie erworbene (adaptive,
"spezifische", adaptive) Immunwerkzeuge und Regelkreise
dienen einerseits der Verstärkung, andererseits der Kontrolle von Immunantworten.
Immunangriffe sind sehr wirksam und münden oft im Untergang
attackierter Zellen. Beide Systeme nutzen daher verschiedene
Mechanismen, um Angriffe auf eigene Zellen zu verhindern.
Dennoch kann es vorkommen, dass sich immunologische Abwehrmechanismen
gegen den eigenen Körper richten ("molekulare
Missverständnisse") und auf diese Weise Gewebeschäden bzw.
Krankheiten (Autoimmunerkrankungen) verursachen.
Was geschieht, wenn Viren
, Bakterien
, Parasiten
oder Pilze in den
Körper einzudringen drohen? Um dies zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass die Haut nur zu einem kleinen Teil
(Erwachsener: ~2 m2)
zur Oberfläche gegen die Außenwelt
beiträgt. Die äußerste Schichte der (je nach Lage 0,05 bis 1,5 mm
dicken) Haut besteht aus abgestorbenen Zellen (Keratinozyten - stratum
corneum), die laufend abschuppen. Sie ist meist relativ trocken, wasserdicht und
haltet Mikroben zurück. Die Haut produziert antimikrobielle Peptide
(wie Defensine, Cathelicidin), Fettsäuren (die Bakterienwachstum
behindern), DNasen (Desoxyribonukleasen) und RNasen. Schweiß enthält Lysozyme (sie
spalten Peptidoglycan, das in der Zellwand der meisten Bakterien
vorkommt).
Primäre Barriere: Haut und
Schleimhäute schützen den Körper vor physikalischen und chemischen
Belastungen (Verletzungen durch mechanische, thermische, chemische
Einflüsse), und vor dem Eindringen von Krankheitserregern.
Haut (
s. auch dort):
Abschuppung keratinisierten Epithels, Fettsäuren, Talg, mikrobizide
Moleküle, (saure) DNasen, RNasen, residente Hautflora (Commensalen)
Respirationstrakt (
s. auch dort): Nasenhaare, Nasenmuscheln, Zilien, Schleim (Mucin aus Becherzellen), mikrobizide Moleküle (u.a. IgA)
Gastrointestinaltrakt (
s. auch dort): pH, Schleim (Mucin), Enzyme (Verdauungsenzyme), mikrobizide Moleküle (Defensine, Lysozyme,IgA,..), Peristaltik, Commensalen
Urogenitaltrakt (
s. unten): pH, Schleim, mikrobizide Moleküle, Peristaltik / Harnströmung
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Abbildung: Epitheliale Barrieren
Nach Abbas / Lichtman / Pober, Cellular and Molecular Immunology
Epithelien schützen mehrfach vor dem Eintritt von Mikroben in das Körperinnere:
Sie bilden eine physikalische Barriere, indem sie zwischen den luminalen und basolateralen Teilen mittels interzellulärer Schlussleisten eine Abdichtung aufbauen, die für Mikroben normalerweise undurchdringlich ist
Sie bilden antibiotisch wirksame Peptide (Defensine u.a.), die Mikroben abtöten können
Intraepitheliale Lymphozyten (T-Zellen und andere) bilden ebenfalls
Antibiotika, erkennen mittels T-Zell-Rezeptoren mikrobielle Antigene
und können Mikroben sowie infizierte Zellen eliminieren
Der
hauptsächliche Schutz an epithelialen Grenzflächen ist ein
physikalischer; intaktes Epithel verhindert das Durchdringen von
Mikroben. In der Haut kommt die protektive Wirkung der Keratinschicht dazu; an Schleimhäuten ein Film aus Mucin; zusätzlich - als "Ausputzerfunktion" - die Peristaltik in Darm und Harnleiter und der ziliäre Transport in den Atemwegen.
Dazu kommen antimikrobiell wirksame Peptide aus Epithel- und Lymphzellen, sowie angeborene (sofortiger Infektionsschutz) und erworbene (spezifische, adaptive) Mechanismen (Antigenerkennung mittels Rezeptoren / Antikörpern).
Sekundäre Barriere: Überwinden
Mikroben / Antigene die natürlichen epithelialen Barrieren
(Haut, Schleimhäute), reagieren periphere (sekundäre) lymphatische
Organe mit entsprechenden Immunantworten. Mehrere Abwehrmechanismen kommen ins Spiel: Angeborene und adaptive,
zelluläre und humorale. Dazu verfügt das Immunsystem über zwei
Flanken, die eine komplementäre Rolle spielen, d.h. sich in ihrer
Wirkung gegenseitig ergänzen:
Das humorale System schützt vor extrazellulären
Angreifern (Toxinen, Mikroorganismen, Pollen etc) - mittels Antikörpern
und Hilfsfaktoren, die geeignet sind, Antigenträger zu inaktivieren;
das zelluläre System erkennt intrazelluläre Antigene (z.B. Viren) sowie Tumorzellen und Protozoen; gegebenenfalls identifiziert es auch transplantiertes Gewebe.
Hier geht es vor allem darum, Zellen auf Identität (körpereigen?) und
Intaktheit (virusbefallen? genetisch verändert?) zu überprüfen. Dazu werden Peptide (Abbauprodukte im Zellinneren) über Rezeptormoleküle an der
Zellmembran präsentiert - abgesichert durch Cofaktoren - und entsprechende Abwehrmaßnahmen eingeleitet.
Periphere lymphatische Organe / Gewebe
umfassen Lymphknoten, Milz und mukosa-assoziiertes Gewebe (z.B.
Peyer'sche Plaques im Darm). Hier werden adaptive Immunreaktionen
gestartet.

Abbildung: Leukozyten auf Patrouille
Nach Funaro A, Ortolan E, Bovino P, Lo Buono N, Nacci G, Parrotta R, Ferrero E, Malavasi F: Ectoenzymes and innate immunity: the role of human CD157 in leukocyte trafficking. Front Biosci 2009; 14: 929-43
Leukozyten mit einem passenden Rezeptormuster
gehen durch eine mehrstufige Anheftungskaskade (Blutseite, oben) und
wandern schließlich
durch die Kapillarwand - wobei die die Basalmembran durchdringen -, um
im Gewebe ihre Abwehrfunktion zu erfüllen. Dies spielt bei Entzündungen
eine tragende Rolle.
Die wichtigsten beteiligten Stoffe sind in den Kästchen angegeben:
PSGL1, P-Selektin Glycoprotein-Ligand 1, wird von allen Leukozyten exprimiert, induziert deren Interaktion mit dem Endothel
LFA1,
leukocyte funtion-associated antigen 1, ein
Integrin auf Leukozyten, an mehreren Immunfunktionen beteiligt
ICAM1,
intercellular adhesion molecule 1,
in Leukozyten und Endothelzellen immer vorhanden, durch IL-1 und TNF
hinaufregulierbar - Leukozyten binden dann an das Endothel
VLA4,
very late antigen 1, ein Integrin, das von Lymphozyten, NK-Zellen, Monozyten und eosinophilen Granulozyten exprimiert wird
VCAM1,
vascular cell-adhesion molecule 1, fördert die Anheftung von eosinophilen / basophilen Granulozyten, Lymphozyten sowie Monozyten an das Endothel
MAdCAM1,
mucosal vascular addressin cell-adhesion molecule 1, wird von mukösen Endothelzellen exprimiert und regt die Rezirkulation von T-Gedächtniszellen an
Mac-1, Makrophagen-Antigen 1, ein aus zwei Integrinen bestehender Komplementrezeptor (CR3), der als
Mustererkennungsrezeptor wirkt und von Lymphozyten, Granulozyten, NK-Zellen und Makrophagen exprimiert wird
CD31,
CD99,
CD157,
Gewebemarker
JAM,
junctional adhesion molecule (JAM-1 erleichtert die Transmigration von Leukozyten)
Leukozyten patrouillieren unablässig durch den Körper - aus
dem Blut in das Gewebe, und oft zurück in den Kreislauf. Diese Beweglichkeit dient drei Hauptfunktionen:
Transport von Leukozyten der myeloiden Reihe (hauptsächlich Neutrophile und Monozyten) zu Orten der Infektion oder Verletzung (Schutz, Pathogenbekämpfung, Reparatur)
Transport von z.T. "naiven" Lymphozyten
(solchen, die noch nie einem Antigen ausgesetzt waren)
vom Ort ihrer Reifung (Knochenmark, Thymus) zu sekundärem lymphatischem
Gewebe (z.B. Lymphknoten) in der Peripherie (Antigenerkennung,
Proliferation, Differenzierung in Effektor- und Gedächtniszellen)
Transport von Effektorlymphozyten von sekundärem lymphatischem Gewebe zu Infektionsherden überall im Organismus (spezifische Abwehr).
Effektorzellen
führen spezifische Funktionen einer Immunantwort aus: So sezernieren
Helfer-T-Zellen Zytokine, töten Makrophagen Mikroben, bilden B-Zellen bzw. Plasmazellen Antikörper. Diese Effektormechanismen stehen oft unter dem Einfluss regulierender Zellen; diese produzieren Zytokine wie Interleukine, Interferone oder Chemokine als lösliche Signalstoffe im Dienste solcher Steuerungen.
Abbildung: Komponenten der angeborenen und der adaptiven Immunität
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024
Die
Mechanismen wehren einerseits das Eindringen von Pathogenen ab (z.B.
epitheliale Schranken), andererseits bekämpfen sie Mikroben
(Phagozyten, NK-Zellen, ILCs,
Komplementfaktoren wirken im angeborenen System, sie sind unmittelbar
verfügbar). Adaptiv funktionieren Lymphozyten: Nach Selektion
entsprechender Zellklone sind sie zu spezifischen Attacken gegen
Antigenträger fähig: B-Zellen elminieren extrazelluläre, T-Zellen
intrazelluläre Mikroben
Sowohl das angeborene als auch das adaptive System verfügt über
humorale und zelluläre Anteile, und beide nutzen Erkennungsmechanismen dendritischer Zellen;
diese identifizieren allgemeine pathogene oder spezielle antigene
Moleküle, arbeiten diese zur Präsentation an spezifische Immunzellen
(Lymphozyten) auf und lösen nichtspezifische Reaktionen (Entzündung)
aus. In der darauf folgenden Effektorphase eliminieren Faktoren und
Zellen des angeborenen (z.B. Komplement, Makrophagen, neutrophile
Granulozyten) sowie des adaptiven Systems (Antikörper, T-Lymphozyten)
das Antigen.

Abbildung: Typen adaptiver Immunität
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024
Adaptive
Immunität gibt es in zwei Spielarten: Humoral (über Antikörper
vermittelt) und zellulär. Antikörper stammen aus Plasmazellen und
bekämpfen extrazelluläre Ziele (Mikroben); Helfer-T-Zellen verstärken
die Abtötung phagozytierter Mikroben; und zytotoxische T-Zellen töten
infizierte Körperzellen ab, wodurch sie Infektionsreservoirs eliminieren.
Mikroben können intrazellulär entweder in phagozytotischen Vesikeln (in
Phagozyten) oder im Zytoplasma befallener Körperzellen überleben (z.B.
Viren) und sich hier auch vermehren. Helfer-T-Zellen können mittels Zytokinen eine große Zahl an Phagozyten rekrutieren, die Mikroben in infiziertem Gewebe bekämpfen
Reaktionsgeschwindigkeit: Das
angeborene System reagiert auf die Anwesenheit von Gefahrenträgern
innerhalb kurzer Zeit (Stunden) - was meist Entzündungen involviert -
und ist im Allgemeinen weniger effizient als das adaptive. Das adaptive
("spezifische") Immunsystem benötigt Zeit für die Migration,
Interaktion und Reifung involvierter Zellen, entfaltet dann äußerst
effektive und gezielte Immunantorten und bildet ein spezifisches
Gedächtnis an den speziellen Angreifer bzw. Fremdkörper aus.
Die
folgende Tabelle vergleicht Komponenten und Eigenschaften des
angeborenen und adaptiven Systems. Die Bandbreite der erkannten
Eigenschaften ist bei der angeborenen ("unspezifischen") Abwehr - die
nicht "lernfähig" ist - begrenzt, bei der adaptiven ("spezifischen")
Abwehr - die von Lymphozyten getragen wird und ein individuelles
immunologisches Gedächtnis aufbaut - nahezu unbegrenzt:
Angeborenes vs. adaptives Immunsystem

Nach Abbas / Lichtman / Pillai, Cellular and Molecular Immunology, 9th ed. Elsevier 2018
|
Charakteristika
|
Angeboren
|
Adaptiv
|
Spezifität
|
Für gruppenspezifische mikrobielle Moleküle / Moleküle aus beschädigten Zellen
|
Für mikrobielle und nichtmikrobielle Antikörper
|
Diversität
|
Begrenzt

Durch Gene codierte Erkennungsmoleküle
|
Sehr groß

Rezeptorgene durch somatische Rekombination lymphozytärer Gensegmente
|
Gedächtnis
|
Keines / begrenzt
|
Ja
|
Nicht selbstreaktiv
|
Ja
|
Ja
|
Komponenten
|
|
Zelluläre und chemische Barrieren
|
Haut, Schleimhäute

Antimikrobielle Moleküle
|
Lymphozyten in Epithelien

An epithelialen Oberflächen sezernierte Antikörper
|
Proteine im Kreislauf
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Komplement
Lektine*
Agglutinine
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Antikörper
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Zellen
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Phagozyten (Makrophagen, Neutrophile)
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Dendritische Zellen
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Natürliche Killerzellen
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Mastzellen
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Lymphoide Zellen
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Lymphozyten
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* Lektine (lectins)
sind Proteine, die bestimmte Kohlenhydratstrukturen spezifisch binden
können. Beim Menschen vermitteln zirkulierende Lektine die Bindung
zahlreicher Pathogene an Zielstrukturen des Immunsystems (Lektinweg der Komplementaktivierung).
Einige Lektine in der Zellmembran (Dectine) erkennen spezifisch Glucane
in Pilzwänden, andere (Mannoserezeptoren) terminale Mannosereste in
Bakterienwänden; sie beteiligen sich am Mechanismus der Phagozytose
dieser Mikroben sowie an der Auslösung entzündlicher Reaktionen.
Die Leber produziert bei Infektionen Mannose-bindendes Lektin (MBL, mannan-binding protein MBP) und gibt dieses an den Kreislauf ab. Es ist ein Akutphasenprotein und zählt zu den Collectinen; strukturell ähnelt es dem hexameren Faktor C1q des Komplementsystems.
Ihre Bindung an Kohlenhydratmuster (Mannose) vieler verschiedener
Pathogene (Viren, Balterien, Pilze..) triggert den Lektinweg der
Komplementaktivierung. So haben z.B. Makrophagen Rezeptoren sowohl für Mannose als auch für MBL (=C1q-Rezeptor).
Phylogenese: Die Mechanismen der angeborenen Immunität sind im Tierreich in
ähnlicher Weise weit verbreitet und lassen sich auf erste
multizelluläre Organismen vor ~750 Millionen Jahren zurückführen. Die adaptive Immunität hat sich erst später - und in klarer Form nur bei Wirbeltieren - entwickelt (vor 350-500 Millionen Jahren).
Kooperation: Zwischen den beiden Teilen des Immunsystems bestehen zahlreiche Querverbindungen. Das angeborene System sendet frühe Warnsignale an das adaptive System, das auf diese spezifisch reagiert; und das adaptive System verstärkt oftmals die protektiven Mechanismen des angeborenen Systems.
"Horror autotoxicus": Beide Schenkel des Immunsystems greifen normalerweise körpereigene Eigenschaften ("Selbst") nicht an, sie sind nicht selbstreaktiv (andernfalls handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung).
Systemische Wirkung: Immunzellen patrouillieren durch den Körper, wodurch der Immunschutz im gesamten Organismus auftritt, unabhängig vom Ort einer auslösenden Infektion.
Regulation: Immunologische Abläufe werden einerseits durch positive Rückkopplungsschleifen verstärkt, andererseits durch negative Rückkopplungsschleifen im Zaum gehalten, um überschießende Angriffe zu vermeiden.
Die Rezeptoren des Immunsystems erlauben spezifische Erkennungsvorgänge
Das
Immunsystem kann nur funktionieren, wenn eine spezifische
Identifikation bestimmten Liganden durch einschlägige Rezeptoren
stattfindet. Diese "Schlüssel-Schloss"-Sicherung steht am Anfang jedes
Erkennungsprozesses (wie bei Hormonen auch), der von entsprechenden
Reaktionen gefolgt ist (wie Neutralisierung, Abwehr oder Toleranz).
Diese Rezeptoren können
präformiert sein, sind also schon vor einem Antigenkontakt vorhanden: Mustererkennungsrezeptoren (PRRs), NK-Zell-Aktivatoren (KARs: Killer activation receptors), NK-Zell-Inhibitoren (KIRs: Killer inhibition receptors), Komplementrezeptoren, Fc-Rezeptoren). Solche Rezeptoren sind genetisch fix vorgegeben, ändern sich nicht und sind Bestandteil der angeborenen Immunität;
somatisch generiert
werden, d.h. individuell (in jeder Person anders) in B- und
T-Lymphozyten - je Zelle bzw. Klon unterschiedlich - aus dem
"genetischen Arsenal" neu rekombiniert.
Je nach mikrobiologischer Herausforderung vermehren sich Lymphozyten
mit passenden Rezeptoren und ermöglichen dadurch eine adaptive
Immunabwehr.
PRRs (Mustererkennungsrezeptoren,
pattern recognition receptors)
erkennen molekulare
Erkennungsmerkmale (DAMPs, damage-asssociated molecular patterns; PAMPs, pathogen-asssociated molecular patterns) und lösen lokale Entzündungsreaktionen u.ä. aus.
Eine Entzündung (inflammation) ist
eine komplexe Reaktion vaskularisierten (Blutgefäße enthaltenden)
Gewebes auf Zellschäden oder eine Infektion. Die Durchlässigkeit der
Gefäßwände nimmt zu, es kommt zu extravaskulärer Ansammlung von
Leukozyten und Plasmaproteinen (
Abbildung). Angeborene Abwehrmechanismen führen
generell zu akuten Entzündungen, gelegentlich auch adaptive Reaktionen.
Entzündungen sollen Reparatur und Infektionskontrolle erleichtern,
können aber auch schädlich wirken. Sowohl die Zytokinfreisetzung als auch die Expression von Zytokinrezeptoren auf entsprechenden Zellen nimmt bei
entzündlichen Vorgängen enorm zu.
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Abbildung: Akute Entzündung
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024
Abwehrzellen wie Makrophagen, dendritische Zellen, Mastzellen u.a. - zu diesen "Wächterzellen" (sentinel cells) zählen auch Fibroblasten, Epithelzellen, einige Lymphozyten - bilden
bei Kontakt mit mikrobiellen Substanzen oder beschädigten Gewebezellen
Zytokine und andere Mediatorstoffe. Einige davon (wie Histamin oder
Prostaglandine) erhöhen die Gefäßpermeabilität, was den Austritt von
Proteinen (z.B. Komplementfaktoren) aus dem Kreislauf in das Gewebe
fördert. Andere (wie IL-1, TNF) regen die Expression von Chemokinen und
endothelialen Adhäsionsmolekülen an.
Diese Umstellungen resultieren in der Extravasation von Leukozyten in
das Gewebe, wo sie Mikroben abtöten, Reste beschädigter Zellen
entfernen und Reparaturvorgänge anregen
Mastzellen und Makrophagen setzen Mediatoren wie Histamin, TNF, Prostaglandine u.a. frei. Diese Mediatoren bewirken
Vasodilatation und erhöhen dadurch die Durchblutung (Rötung, Erwärmung des entzündeten Gewebes - rubor, calor),
Austritt (Exsudation) von Proteinen und dadurch (kolloidosmotischer Effekt) Schwellung (tumor).
Diese Symptome (rubor, calor, tumor) gelten als klassische Zeichen der Entzündung - neben Schmerz (dolor) und beeinträchtigter Funktion (functio laesa).
Im Falle verletzter körpereigener Strukturen
treten Moleküle im Extrazellulärraum auf, die aus intrazellulären
Kompartimenten (z.B. Hitzeschockproteine, ATP aus Mitochondrien, Histone aus dem Zellkern..) oder vom Abbau extrazellulärer Matrix (Proteoglykanpeptide) stammen und
Gewebeschädigung signalisieren; man nennt sie daher DAMPs (damage-asssociated molecular patterns).
Die molekularen Merkmale auf Mikroorganismen, die vom angeborenen Immunsystem erkannt werden, nennt man PAMPs (pathogen-asssociated molecular patterns)
- pathogenassoziierte molekulare Muster, die entwicklungsgeschichtlich
hoch konserviert und weit verbreitet sind (von zahlreichen
unterschiedlichen Mikroben exprimiert werden). PAMPs kommen als Teile
von Proteinen, Lipiden, Polysacchariden und Nukleinsäuren vor. Sie werden von Mustererkennungsrezeptoren gebunden, sind aber nicht für krankheitsverursachende Mikroorganismen spezifisch.
PAMPs
sind Strukturen auf Mikroben, die vom angeborenen Immunsystem erkannt
und durch sie stimuliert werden. Beispiele: Bakterielle
Lipopolysaccharide, virale RNA.
PRRs
(Mustererkennungsrezeptoren,
pattern recognition receptors) des angeborenen Systems erkennen PAMPs und
regen Immunreaktionen an. Beispiele: Toll-like Rezeptoren (Zellmembran), NOD-like
Rezeptoren (intrazellulär).
Man spricht auch von Mikroben-assoziierten molekularen Mustern (MAMPs, microbe-asssociated molecular patterns). Vita-PAMPs
werden von aktiven Mikroorganismen gebildet und rasch abgebaut,
wenn sie nicht mehr vital sind; auf diese Weise kann das Immunsystem
zwischen lebendigen und toten Erregern unterscheiden und reagiert vor
allem auf erstere.
Für seine Funktionen benötigt das Immunsystem Rezeptoren sowie Liganden,
die an diese gebunden werden. Solche Bindungen lösen - zell-, rezeptor-
und ligandenspezifisch - eine breite Palette an Reaktionen aus.
Einige
dieser Rezeptoren prüfen ihre Umgebung auf die allfällige Anwesenheit pathogener Eindringlinge.
Andere zielen darauf ab, nach Bindung des Liganden Signale zwischen Zellen auszutauschen.
Wieder andere stellen fest, ob Nachbarzellen gesunde Zellen des eigenen Organismus sind oder (wenn nicht) eine Gefahr darstellen (Krebszellen).
Man kann Immunrezeptoren in zwei große Gruppen einteilen: Präformierte des sogenannten angeborenen Immunsystems und solche des adaptiven Systems, die von Lymphozyten neu gebildet werden - je nach Antigenmuster auftauchender Pathogene. Zum adaptiven System s. dort.
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Abbildung: Normale Immunantwort
Nach einer Vorlage in Hammer / McPhee, Pathophysiology of Disease, 8th ed. 2018, Lange / McGraw Hill
Links T-Zell-Reaktion, rechts Reaktion einer T-Helferzelle.
Links: Die meisten CD8-T-Zellen erkennen über HMC-I
präsentierte Antigene und zerstören infizierte Zellen. Dadurch wird die
Virenreplikation infizierter Zellen gestoppt. Aktivierte T-Zellen sowie
infizierte Zellen produzieren Interferone (IFN), das verhindert die Infektion weiterer Zellen mit Viren.
Rechts: CD4-Helferzellen erkennen Antigene, die über MHC-II von Immunzellen präsentiert werden. Interleukin (IL) 2 und INF-γ aktivieren Makrophagen und zytotoxische T-Zellen, was intrazelluläre Pathogene abtötet. TH2-Zellen sezernieren IL 4, 5 und 6, das hilft B-Zellen,
Antikörper zu produzieren. B-Zellen erkennen Antigene direkt in Form
von Immunkomplexen auf dendritischen Zellen in lymphatischem Gewebe.
TCR, T-Zell-Rezeptor
Unter Aktivierung von Leukozyten versteht man die Transformation vom Ruhezustand zu einem funktionell aktiven (Effektor-) Zustand.
Präformierte Rezeptoren ermöglichen eine rasche Reaktion
auf immunologische Herausforderungen. Unter ihrem Schutz können
Pathogene im Zaum gehalten werden, während das adaptive, spezifisch auf
die Erkennung konkreter Epitope abzielende System seine Abwehr
aufbaut (was mehrere Tage dauert). In der großen Gruppe präformierter
Rezeptoren unterscheidet man
Pattern recognition receptors (PRRs): Diese erkennen Strukturen, die auf beschädigten
Strukturen sowie Mikroben / Pathogenen, nicht aber auf
gesunden körpereigenen Zellen vorkommen.
Killer activation receptors (KARs) auf NK-Zellen
detektieren von gestressten Zellen sezernierte Moleküle,
was zu Anlagerung und Abtötung dieser körpereigenen gestressten Zellen
führt.
Killer inhibition receptors
(KIRs): Diese NK-Zell-Rezeptoren erkennen MHC-I-Moleküle an
körpereigenen Zellen. Nur wenn diese zu wenig HMC-I erkennen lassen,
kommt es zur Abtötung der Zielzelle.
Komplementrezeptoren
auf Phagozyten und B-Lymphozyten binden Komplementfragmente und lösen
dann den Abbau "markierter" Mikroben aus (s. dort).
Fc-Rezeptoren: s. dort.
Mustererkennungsrezeptoren (PRR)
Mustererkennungsrezeptoren (PRRs: pattern recognition receptors) erlauben dem angeborenen Immunsystem die Detektion von Mikroben (MAMPs: microbe-asssociated molecular patterns bzw. PAMPs: pathogen-asssociated molecular patterns) und von beschädigten Körperzellen (DAMPs: damage-asssociated molecular patterns). Sie werden von zahlreichen Zellarten exprimiert, u.a. dendritischen Zellen und Epithelzellen. Auf Phagozyten
(Makrophagen, neutrophilen Granulozyten) vermitteln sie die Aufnahme
"markierter" Strukturen in Phagosomen und deren lysosomalen Abbau. Es sind nicht-antigenspezifische Rezeptoren, die verschiedene DNA-Abschnitte, Lipopolysaccharide oder Lipoproteine von Krankheitserregern (Viren, Bakterien, Pilzen) erkennen und binden. Intrazelluläre
PRRs können intrazelluläre Pathogene (Viren) detektieren und bekämpfen.
Die Aktivierung von PRRs regt Phagozyten / dendritische Zellen an, führt zu Entzündungen und aktiviert auch das adaptive Immunsystem. PRRs vermitteln Transkription,
Synthese und Sekretion von Zytokinen, was dendritische Zellen,
Makrophagen, Neutrophile und NK-Zellen anlockt, s. auch dort.
Mustererkennungsrezeptoren sind z.B. Toll-like (membrangebunden auf der Oberfläche oder in Zellen), NOD-ähnlich
(NLRs - erkennen Bakterien; NOD = nucleotide-binding oligomerization domain), C-Typ-Lektinrezeptoren (CLRs,
z.B. der Mannoserezeptor von Makrophagen, beteiligen sich an der
Phagozytose von Viren, Bakterien, Pilzen, Parasiten über
Zuckerverbindungen). Sie
binden an spezifische
Proteine, Lipopolysaccharide, Nukleinsäuren u.a.:
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Mustererkennungsrezeptoren
Pattern recognition receptors
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Nach Doan / Lievano / Swanson-Mungerson / Viselli, Immunology (3rd ed). Lippincott Illustrated Reviews, Wolters Kluwer 2022
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Rezeptor
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Erkennt folgende PAMPs:
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Aktiviert folgenden Transkriptionsfaktor:
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Aktiviert folgende Zytokine / Zelltypen:
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Schützt vor:
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CLR
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extrazelluläre
(Kohlenhydrate)
|
NF-κB
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Th17-Zellen
(Produktion von IL-17)
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Pilzen und Mykobakterien
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NLR
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intrazelluläre (Peptidoglycane)
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n/a
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IL-1ß und IL-18
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Bakterien
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RIG-1
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zytoplasmatische
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IRF-3 und NF-κB |
Typ-I-Interferone und IL-1ß
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Viren
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TLR 2, 5
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extrazelluläre (Lipopeptide, Peptidoglycan, Flagellin)
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NF-κB |
Typ-I-Interferone und IL-1ß |
Bakterien und Pilzen
|
TLR 3
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intrazelluläre (ssRNA und dsRNA)
|
IRF-3 (vorwiegend)
|
Typ-I-Interferone und proinflammatorische Zytokine
|
Viren
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TLR 7,8,9
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intrazelluläre (RNA, DNA, CpG)
|
NF-κB |
proinflammatorische Zytokine
|
Viren (RNA/DNA), CpG-Motive auf DNA von Bakterien oder Pilzen
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TLR 4
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extrazelluläre (LPS), ENV Proteine von RSV
|
IRF-3 und NF-κB |
Typ-I-Interferone und proinflammatorische Zytokine |
Bakterien, Pilze, RSV
|
CLR = C-Typ Lektinrezeptor
CpG = DNA-Stelle mit Cytosin-Guanin in 5'-3'-Richtung
dsRNA = doppelsträngige RNA
ENV = = envelope (virales Protein)
IL = Interleukin
IRF-3 = interferon regulatory factor 3 (ein Transkriptionsfaktor)
LPS = Lipopolysaccharid
NLR = NOD-like Rezeptor
PAMPs = pathogen-accociated molecular patterns
RIG-1 = retinoid acid-inducible gene 1
RSV = respiratory syncytial virus (RNA-Viren, die den oberen Respirationstrakt infizieren)
ssRNA = einzelsträngige RNA
Th17 = T17-Helferzelle
TLR = toll-like receptor
Was genau erkennen Mustererkennungsrezeptoren?
Zu PAMPs zählen z.B. Lipopolysaccharide (LPS), wie sie sich in der Außenmembran Gram-negativer Bakterien finden. LPS können von mehreren Rezeptorarten erkannt
werden, darunter das Lipopolysaccharid-bindende Protein (LBP) oder
Toll-like-Rezeptoren (TLR). LPS aktivieren schon in geringer
Konzentration Makrophagen und Monozyten, was zur Freisetzung entzündungsfördernder (inflammatorischer) Zytokine führt. LPS gelten als sehr wirksame Endotoxine, sie wirken pyrogen (fiebererzeugend).
Auch formylierte Proteine
- charakteristisch für bakterielle Proteinsynthese und auch von
beschädigten Mitochondrien freigesetzt - werden von PRR des
Immunsystems erkannt (FPR: formyl peptide receptors). Sowohl Bakterien als auch Mitochondrien nutzen Formylmethionin als Starter-Aminosäure
ihrer Proteinsynthese (Körperzellen hingegen nutzen Methionin als
Starter). Damit kann das Immunsystem über formylierte Proteinmoleküle
einerseits die Anwesenheit von Bakterien (MAMPs / PAMPs), andererseits
mitochondrialer Eiweiße im Extrazellulärraum (DAMPs: Mithchondrien aus
verletzten Zellen) detektieren.
Weiters sind körperfremde DNA / RNA
bedrohlich - solche Nukleinsäuren sind Überträger potentiell
gefährlicher Information. Die Unterscheidung zwischen fremder und
eigener Nukleinsäure gelingt durch das Zusammenwirken mehrerer PRRs,
wie TLR3 auf der Zellmembran; TLR3, 7, 8 und 9 auf Endozytosevesikeln
und zahlreichen weiteren Nukleinsäuresensoren im Zytoplasma. Sowohl der
Ort als auch die Struktur der DNA sind wesentlich: Die Anwesenheit
außerhalb des Zellkerns deutet auf Zellschädigung hin; die Basenfolge
spielt eine Rolle für die Erkennung mikrobiellen Ursprungs. Zur
Erkennung intrazellulärer Fremdnukleotide dienen zelluläre
(körpereigene) Proteine, die mikrobielle RNA (RLRs, RIG-like receptors, und MDA5, melanoma differentiation-associated protein 5) oder DNA erkennen (CDSs, cytosolic DNA sensors).
RIG-I (retinoid acid-inducible gene 1)-Rezeptoren (RLRs) sind intrazelluläre PRRs. Es sind Hekilasen zur
Erkennung von kurzen doppelsträngigen viralen RNA-Sequenzen (dsRNA).
Sie können Typ I-Interferon-Antworten auslösen und sind ein
essentieller Faktor der angeborenen Abwehr. RLRs werden von zahlreichen
Zelltypen exprimiert, die zu Infektion durch RNA-Viren neigen.
MDA5 (melanoma differentiation-associated protein 5)
gehört zur RLR-Famile und kann u.a. lange doppelsträngige virale DNA
erkennen. In aktivierter Form wirkt es - wie andere RLRs - mit mitochondriellen antiviralen
Signalwegen (MAVS) zusammen, was die Transkription von Typ I-Interferonen anregt.
Kohlenhydrate werden von Immunrezeptoren nach ihrem Glykosylierungsmuster
klassifiziert; beispielsweise sind Mannose (Bakterien) oder ß-Glukan
(pathogene Pilze) Hinweise auf die Anwesenheit körperfremder
Oberflächen.
Rezeptoren auf Phagozyten (Scavangerrezeptoren) erkennen unterschiedliche Liganden und vermitteln Aufnahme und lysosomalen Abbau der gebundenen Merkmale.
PAMPs können von beiden Armen des Immunsystems (angeboren und adaptiv) erkannt
werden:
PAMPs und angeborene Abwehr
PAMPs und adaptive Abwehr
Somatische Rekombination
PAMPs und angeborene Abwehr
Die
Erkennung und Neutralisierung "auffälliger", d.h. immunrelevanter
Strukturen erfolgt schon im Rahmen der angeborenen Abwehr mit Hilfe von
Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) auf und in Phagozyten, dendritischen Zellen, B-Lymphozyten, Endothel- und vielen anderen Zellen, und
Anregung zur Phagozytose (Opsonisierung) und Antigenpräsentation.
Das angeborene System nutzt beinahe 100 verschiedene Rezeptoren (wie z.B. Toll-like
Rezeptoren), mit denen schätzungsweise 1000 mikrobielle Molekülmuster
erkannt werden können - diese Rezeptoren sind jeweils immer gleich
aufgebaut (invariant) und in ihrem Bauplan genetisch festgelegt. Im Gegensatz dazu erkennt das adaptive System mehr als 10 Millionen verschiedene Antigene; dazu braucht es lediglich zwei Typen (Familien) von Rezeptoren, Immunglobuline und T-Zell-Rezeptoren, allerdings mit einer fast beliebig großen Zahl molekularer Variationen (somatische Rekombination von Gensegmenten).
Damit erkennt das angeborene
System Mikrobenklassen und kann
gesunde von beschädigten Zellen unterscheiden (gesunde Zellen werden
nicht angegriffen). Das adaptive
System hingegen kann verschiedene mikrobielle Antigene - auch auf ein
und derselben Mikrobe - spezifisch auseinanderhalten (es kann auch
irrtümlich körpereigene Zellen attackieren: Autoimmunerkankungen).
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Abbildung: Pattern Recognition- Rezeptoren
Nach Lionakis MS, Netea MG. Candida and host
determinants of susceptibility to invasive candidiasis. PLoS Pathog. 9,
e1003079 (2013)
Beispiel:
Erkennung von Candida (einer Pilzgattung)
. Die Rezeptoren erkennen ganz unterschiedliche
Moleküle der Pilze, z.B. Bestandteile der Zellmembran oder Nukleotide.
Der Effekt ist z.B. spezifische Proteinsynthese (Transkription, Translation).
Die TLR (Toll-like Rezeptoren) TLR2 und TLR4 erkennen Mannane (Maltosepolymere), TLR9 erkennt Pilz-DNA.
Dectin, Galectin 3 und Mincle (Macrophage inducible Ca-dependent lectin receptor)
sind Mitglieder der Lektin-Familie. Galectin 3 erkennt zusammen mit
TLR2 ß-Mannoside. Mannosereiche Candida-Strukturen (Candida albicans
ist ein pathogener Hefepilz) werden u.a. durch Makrophagenrezeptoren
und Mincle detektiert, Mannane und Glucane durch Dectin. Der
Komplementrezeptor 3 (CR3) auf neutrophilen Granulozyten erkennt außerdem ß-Glucane.
ASC, Apoptosis-associated speck-like protein containing a CARD, CARD-haltiges Protein
BCL-10, B-cell lymphoma/leukemia 10, CARD-hältiges Protein
CARD9, Caspase recruitment domain-containing protein 9, Adapterprotein
Caspasen s. dort
IRAK, Interleukin-1 receptor-associated kinases, Proteinkinasen
IRF3, Interferon regulatory factor 3, spielt eine wichtige Rolle bei der angeborenen Virenabwehr
MALT1, Mucosa-associated lymphoid tissue lymphoma translocation protein 1, Paracaspase
MKK, MAP-Kinase-Kinase
MyD88, Myeloid differentiation primary response 88, Adapterprotein
Ras/Raf-System:
Ras sind normalerweise inaktive Proteine an Tyrosinkinasemolekülen der
Zellmembran, sie werden durch Bindung eines Signalstoffs an den
Rezeptor "eingeschaltet" und aktivieren intrazelluläre Proteine, die
wiederum die Transkription entsprechender Genabschnitte induzieren
Syk (Spleen tyrosine kinase), Tyrosinkinase
TRAF, TNF receptor associated factors, Signaltransduktionsproteine
TRIF, TIR-domain-containing adapter-inducing interferon-β, Adapterprotein
Zu den PAMPs, welche Mustererkennungsrezeptoren detektieren, gehören
mit
Zellen assoziierte Rezeptoren (in der Zellmembran, in
Phagozytosevesikeln und im Zytoplasma - überall, wo Mikroben sein
können) wie Toll-like Rezeptoren (TLRs), intrazelluläre Nod-like receptors (NLRs), Scavenger receptors u.a., sowie
lösliche Faktoren, wie Collectine, Ficoline, Pentraxine oder Komplementfaktoren.
Molekulare Kennzeichen (PAMPs),
die zur Erkennung von Mikroben vom angeborenen Immunsystem über (~100
verschiedene, gleichbleibende Rezeptoren in Zellmembranen) erkannt
werden können, umfassen fremde
Nukleinsäuren (z.B. Doppelstrang-RNA),
Proteine (z.B. Flagellin, erkannt durch TLR5; Pilin),
Zellwandlipide (z.B. Lipopolysaccharid, erkannt durch TLR4; Lipoteichonsäuren) und
Kohlenhydrate (z.B. Glucane, Mannane).
Diese Muster sind häufig essentiell für das Überleben der Mikroben, sodass die Erkennung nicht ohne weiteres durch Mutationen (die für die Mikrobe problematisch wären) unterlaufen werden kann.
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Das angeborene Immunsystem erkennt auch Produkte von beschädigten Zellen (DAMPs):
Stressinduzierte Proteine (z.B. Hitzeschockprotein),
Kristalle (z.B. Harnsäure),
Matrixproteine (z.B. Proteoglykanpeptide),
Mitochondrien bzw. deren Komponenten (z.B. formylierte Proteine),
Kernproteine (z.B. Histone).
DAMPs können z.B. infolge Einwirkung von Hitze, Toxinen, Sauerstoffmangel oder Traumen entstehen. Zellen, die einer Apoptose unterliegen, setzen keine DAMPs frei.
Das Erkennen von MAMPs
/ PAMPs / DAMPs aktiviert Signaltransduktionswege mit dem
Ziel antimikrobieller und entzündungsfördernder Aktivität.
PAMPs und adaptive Abwehr
Die adaptive Abwehr nutzt spezifische Immunrezeptoren. Diese gehören zur Immunglobulin-Superfamilie (
Abbildung).
Das sind Rezeptorkomplexe, die integral in der
Zellmembran verankert sind und extrazelluläre Liganden (antigene
Epitope) spezifisch
erkennen. Zytoplasmatische Enden (meist begleitender) Moleküle tragen
spezielle Sequenzen zur Beeinflussung intrazellulärer Signalwege.
Als antigene Determinante oder Epitop bezeichnet man den Teil eines Antigens, der von Lymphozyten / Antikörpermolekülen spezifisch erkannt und gebunden wird.
|
Inhibitorische Rezeptoren finden sich in T- und B-Lymphozyten sowie natürlichen Killerzellen (NK) und spielen eine wichtige Rolle bei der Begrenzung von Immunreaktionen. Dazu trägt auch der ubiquitinabhängige Abbau von Signalproteinen in der Zelle bei.
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Abbildung: Mitglieder der Immunrezeptorfamilie (Auswahl)
Nach einer Vorlage in Abbas / Lichtman / Pillai: Cellular and Molecular Immunology, 9th ed. 2018
Im Allgemeinen bestehen aktivierende
Immunrezeptoren aus zwei separierten Teilen:
Einem mit extrazellulären
Erkennungsdomänen (BCR = B-Zell-Rezeptor, TCR = T-Zell-Rezeptor, FcεRI
= IgE-Rezeptor) und
einem assoziierten mit intrazellulären ITAMs (Immunoreceptor Tyrosin-based Activation Motifs). Auf intrazelluläre Signalwege inaktivierend wirken ITIMs (Immunoreceptor Tyrosin-based Inhibitory Motifs) - wie beim inhibitorischen Rezeptor FcγRIIB.
B-Zell-Rezeptoren sind mit den ITAM-Trägern Igα und Igβ assoziiert,
T-Zell-Rezeptoren mit CD3 und ζ-Ketten (zusammen der
T-Zell-Rezeptorkomplex). Einige andere Rezeptorkomplexe enthalten ITIMs.
Disulfidbrücken gelb angedeutet
Meist sind antigenerkennende und intrazellulär aktive Moleküle assoziiert, aber unterschiedlich wirksam. Tyrosinbindende Sequenzen (ITAMs) aktivieren intrazelluläre Signalwege, andere (ITIMs) hemmen sie (
Abbildung) durch Phosphatase-Aktivität.
Ein ITAM (Immunoreceptor Tyrosin-based Activation Motif) ist
ein Proteinmotiv in der Membran von Immunzellen, in der Nachbarschaft
diverser anderer Membranproteine (Immunglobuline, Fc-Rezeptoren, CD3
u.a). Binden betreffende Rezeptoren ihre Liganden, werden ITAMs an
Tyrosinresten phosphoryliert und bewirken die Produktion von Zytokinen,
Exozytose zytotoxischer Granula u.a.
Ein ITIM (Immunoreceptor Tyrosin-based Inhibitory Motif) ist
ein Proteinmotiv im intrazellulären Ende verschiedener inhibitorischer
Rezeptoren in Immunzellen, wie immungobulinähnliche oder FcγRIIB-Rezeptoren auf
NK-Zellen. In aktivierter (phosphorylierter) Form hemmt es Transduktionswege.
Zur Immunglobulin-Superfamilie gehören B-Zell-Rezeptoren (auf B-Lymphozyten), T-Zell-Rezeptoren (auf T-Lymphozyten) und Fc-Rezeptorern (auf Mastzellen) sowie Rezeptoren auf NK-Zellen.
Die Rezeptorkomplexe (
Abbildung) enthalten teils ITAMs (und
aktivieren Signalwege), teils ITIMs (und hemmen diese). Bei Bindung von
Ligenden kommt es meist zur Gruppierung (Clustering)
der Rezeptorkomplexe und Wirksamwerden der intrazellulären
Polypeptidketten, z.T. durch deren Entfaltung und Freiwerden von
Tyrosinresten an ITAM-Motiven, was Phorphorylierung durch
Tyrosinkinasen der Src-Familie (Src-Kinasen aktivieren z.B. Adhäsions- und Adapterproteine und Transkriptionsfaktoren) erlaubt.

Abbildung: Interaktion (cognate recognition) zwischen antigenpräsentierender Zelle (APC - z.B. dendritische Zelle) und antigenspezifischer T-Zelle
Nach O'Hagan DT,
Valiante NM, Recent advances in the discovery and delivery of vaccine
adjuvants. Nature Rev Drug Discov 2003; 2: 727-35
Eine
erfolgreiche Interaktion ist
von der Erkennung von Peptid-MHC-Dimeren durch T-Zellen (mittels
TC-Rezeptoren) in Zusammenwirken mit streng regulierter
Cofaktor-(CD)-erkennung und Zytokinfreisetzung abhängig. Dieses Signal
reicht aber nicht aus, um eine spezifische T-Zell-Reaktion auszulösen
und zu verstärken: Dies bedarf eines zusätzlichen Signals.
Der von antigenpräsentierenden Zellen (APC) exprimierte Bindungspartner von CD28 - B7 (B7-1 = CD80, B7-2 = CD86) - wirkt als Costimulator; fehlt er, bleibt die Aktivierung der T-Zelle aus (fehlende Antwort oder Toleranz).
Die
Expression von Costimulatoren und Zytokinen durch APCs ist streng
reguliert und findet nur statt, wenn die APC Antigene zusammen mit
pathogenassoziierten molekularen Mustern vorfindet
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Ein
Costimulator ist ein von antigenpräsentierenden Zellen exprimiertes Molekül. Zusätzlich zum Antigenreiz
vermittelt er ein Signal zur
Aktivierung einer naiven T-Zelle
Der Signalmechanismus in der angeregten Zelle hängt von Begleitumständen ab. Während der Entwicklung der Lymphozyten ist eine schwache Anregung der Rezeptoren für das Überleben der Zelle notwendig (positive Selektion). Lymphozyten, deren Rezeptoren durch MHC-assoziierte normale, körperspezifische Molekülmuster intensiv angeregt werden, werden im Thymus ausgeschaltet (negative Selektion).
Die Toleranz gegenüber körpereigenen
Zellen ist bei Autoimmunerkrankungen durchbrochen. Zahlreiche Erkrankungen sind auf Fehler im immunologischen Gedächtnis
zurückzuführen: Körpereigene Strukturen werden als fremd erkannt und
vom Immunapparat angegriffen - einige Beispiele: Primär chronische
Polyarthritis, Hashimoto-Thyreoiditis, erworbene hämolytische Anämie,
Myasthenia gravis.
Corezeptoren
(wie CD4 und CD8) mit ihren intrazellulären Domänen - die stimulierend
oder inhibierend auf den intrazellulären Signalweg wirken können - spielen eine entscheidende Rolle. Sie binden an
Komponenten des vom Antigenrezeptor erkannten Liganden; ihre
Anwesenheit ist für die Rezeptoraktivierung an B- oder T-Lymphozyten notwendig.
Dazu kommt im Immunsystem noch die zusätzliche Wirkung von Costimulatoren, das sind zusätzliche Rezeptoren, die nicht
an Komponenten des vom Antigenrezeptor erkannten Liganden binden. Auch
ihre Anwesenheit ist für die Aktivierung von B- oder
T-Lymphozyten-Rezeptoren notwendig (
Abbildung). Sie tragen ein für
die Aktivierung benötigtes "zweites Signal" (second signal) bei (die Antigenerkennung ist das erste Signal).
Wie erlangen
lymphozytäre Rezeptoren und Antikörper ihre enorme Vielfalt? Immerhin
bilden sich bei jedem Menschen (mit insgesamt ~2.104 Genen)
zig Millionen Lymphozyten mit jeweils unterschiedlicher Spezifität
ihrer Rezeptoren / Antikörper aus, und erst im Rahmen der
zufallsgesteuerten klonalen Selektion
bestimmt das allfällige Rendez-vous mit passenden Antigenen, welche
Lymphozyten für Vervielfältigung und spezifische Abwehr "auserlesen"
werden.
Man schätzt, dass der Mensch die Kapazität zur Erkennung / spezifischen Bindung von 1015 (~eine Billiarde) unterschiedlicher Epitope hat.
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Abbildung: Chromosomale Genorte für Immunglobuline
Nach einer Vorlage in Bröker / Schütt / Fleischer, Grundwissen Immunologie, 4. Aufl. Springer 2019
Genloci
für variable (V, D, J) und konstante (C) Domänen am Ig-Molekül. Die
Zahlen geben an, wie viele Genorte für die einzelnen Globulinabschnitte
zur Kombinatorik durch die Zelle bereitstehen
Keimbahnkonfiguration:
Dabei befinden sich die Anleitungen zur Synthese der Bausteine für
lymphozytäre Rezeptoren auf verschiedenen Chromosomen (Abbildungen): Lymphozytäre Rezeptoren bzw. Antikörper sind aus mehreren
Typen von Bausteinen zusammengesetzt, bezeichnet mit V (variable), D (diversity), J (joining) und C (constant).
Die
konstanten Elemente (C) werden nach dem Zusammenstellen der variablen
Regionen (dem rekombinierten Genbereich) durch Spleißen an das
entstandene RNA-Molekül angeknüpft. Dann wird durch Translation das
fertige Protein (Antikörper, T-Zell-Rezeptor) gebildet.
B-Zellen codieren ihre Immunglobulin-Information auf Chromosom 2 (κ-Leichtkette), 14 (schwere Kette) und 22 (λ-Leichtkette) (
Abbildung). Beispielsweise beinhaltet Chromosom 14 für die schwere Kette (H: heavy) des Antikörpermoleküls 40, für den D-Abschnitt 25, für den J-Abschnitt 6 Genorte.
Diese Bestandteile werden nach einem "Baukastensystem" frei
kombiniert zusammengesetzt. Die Gencluster codieren nur den Bausatz an
sich, nicht die Auswahl der
realisierten Sequenzen, d.h. die Zusammensetzung der fertigen Rezeptor-
bzw. Antikörpermoleküle eines Lymphozyten. Diese Auswahl trifft die
individuelle Zelle ("Genpuzzle", somatische Rekombination); dabei wird die DNA dieses Zellklons bleibend verändert und an alle Tochterzellen so übertragen.
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Abbildung: Chromosomale Genorte für T-Zell-Rezeptoren (TCR)
Nach einer Vorlage in Bröker / Schütt / Fleischer, Grundwissen Immunologie, 4. Aufl. Springer 2019
Genloci für variable (V, D, J) und konstante (C) Domänen der Rezeptor-Proteine
Bei den T-Zell-Rezeptorgenen werden diejenigen für die β- und γ-Ketten über Chromosom 7, für α- und δ-Ketten über Chromosom 14 codiert (
Abbildung).
Sowohl bei B- (Knochenmark) als auch T-Lymphozyten (Thymus) bedarf es
bei der Differenzierung der Zusammenfügung der Elemente, was - wie
geschildert - für jeden Lymphozyten ein spezifisches Muster ergibt. Wie
das Muster aussieht, ist nicht vorhersehbar - welche V- mit welchen D-
und J-Elementen zusammenkommen, unterliegt dem Spiel des Zufalls.
Immer werden Elemente innerhalb desselben Chromosoms rekombiniert, und die Reihenfolge VDJ wird immer eingehalten.
Kombinatorische Vielfalt: Die
Zelle verfügt über jeweils ein Allel vom Vater und eines von der
Mutter; diese Gene sind zunächst in der Keimbahnkonfiguration
angeordnet (Abbildungen). Durch den Einfluss von Enzymen (z.B. Rag-1 und
Rag-2), die sich vor den Genen an
konservierte Signalsequenzen anheften, Genabschnitte aus der DNA
herauslösen und neu kombinieren, entstehen vielfältige neue Genkombinationen.
RAG1 und RAG2 sind
Gene (RAG: Recombination activating gene), die den Bauplan für VDJ-Rekombinasen (wie Rag-1, Rag-2) codieren. Sie werden von
sich entwickelnden B- und T-Lymphozyten exprimiert. Dadurch können
diese reifen und durch genetische Rekombination funktionsfähige Immunglobuline bzw. T-Zell-Rezeptoren
ausbilden.
So entsteht zunächst eine
DJ-Kombination, die dann mit einem V-Element zusammengefügt wird
(VJ-Verknüpfung). In B-Zellen werden zusätzlich leichte und schwere Ketten zufallsgesteuert gepaart. Die kombinatorische Diversität beträgt bei Antikörpern ~2.106, bei T-Zell-Rezeptoren knapp 6.106 mögliche Muster.
Dabei werden die Verbindungen zwischen den Genblöcken nicht präzise zusammengestellt (junktionale Diversität); das erhöht zwar die Zahl möglicher Muster, birgt aber auch die Gefahr verschobener Transkriptionsraster
("Nonsense"-Proteine, die Zelle versucht es noch einmal).
Mit
junktionaler Diversität erhöht sich die Zahl möglicher Muster bei
Antikörpern auf ~5.1013, bei T-Zell-Rezeptoren auf ~1018.
Immunogenität und Immunantwort
Eine Immunantwort (immune response) auf entsprechende Reize (z.B. Anwesenheit von Pathogenen) besteht aus folgenden Teilen bzw. Phasen:
Erkennung des fraglichen Materials als fremd bzw. gefährlich
Frühe (angeborene) Reaktion auf die Erkennung
Langsamere spezifische Reaktion auf ein bestimmtes Antigen (adaptive Antwort)
Verstärkung dieser Antwort
Immunologisches Gedächtnis
Identifikation: Das
Immunsystem
erkennt molekulare Strukturen,
die
nur auf körpereigenen Zellen vorhanden sind (Selbsterkennung, "SELF"): Dadurch wird festgestellt, dass eine Interaktion zwischen Zellen im Organismus sicher
ist (um bestimmte physiologische Aufgaben gemeinsam wahrzunehmen).
Solche Strukturen sollten auf Mikroben, körperfremden oder auch
abnormen körpereigenen Zellen (z.B. Krebszellen) nicht vorhanden sein;
nur auf Fremdzellen vorhanden sind (Fremderkennung, "NON-SELF"): Das funktioniert entweder über genetisch vorgegebene Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) oder das Komplementsystem, oder über Rezeptoren /Antikörper, die von Lymphozyten (T- oder B-Zellen) gebildet werden,
wenn sie durch Begegnung mit einem
entsprechen "passenden" Antigen zur Teilung veranlasst wurden
(Klonselektion). Im ersten Fall ist die Abwehr unmittelbar, aber auf
relativ wenige Merkmale (ca. 102) beschränkt und nicht
lernfähig (angeboren); im zweiten Fall ist sie hochspezifisch, mit
ungeheurer Variabilität und einem "Gedächtnis" versehen, braucht aber
mehrere Tage, um wirksam werden zu können (adaptiv).
Auch die Abwesenheit eines Selbst-Merkmals (ABSENCE OF SELF) kann einen Angriff auf die betreffende Zelle veranlassen, z.B. durch NK-Zellen.
Diese stellen fest, ob die Zahl an MHC-I Molekülen (die von jeder
kernhaltigen Zelle exprimiert werden) auf der potentiellen Zielzelle
gesunken ist (wie das bei virusinfizierten oder Krebszellen passiert) -
nur dann töten sie die Zelle ab.
Als Antigene bezeichnet
man Moleküle, die von Antikörpern und/oder Lymphozyten über Rezeptoren spezifisch erkannt und gebunden werden. Die
kleinsten individuell erkennbaren Teile von Antigenen (minimum recognition unit), die von
Immunrezeptoren gebunden werden können (in diesen Rezeptor "passen"),
nennt man Epitope (jedes Antigen enthält ein oder mehrere Epitope) oder antigene Determinanten (vermutlich 4-6 Aminosäuren). Im adaptiven System bindet das Antigen spezifisch an Antikörper, B-Zell- oder T-Zell-Rezeptoren (oft ist die Verwendung der Begriffe "Antigen" und "Epitop" auf das adaptive System beschränkt). Die
zu Grunde liegenden Erkennungsmechanismen sind hochspezifisch. Gestalt
und Ladung der Bindungspartner Rezeptor - Epitop bestimmen jeweils die
entsprechende Affinität, im Falle verschiedener Rezeptoren heißt deren kollektive Affinität Avidität.
Antigege werden in zwei Gruppen eingeteilt:
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Solche, deren Produktion eine Beteiligung von T-Lymphozyten erfordert (thymus-dependent antigens), z.B. die meisten Proteine; und
solche, welche spezifische B-Lymphozyten direkt anregen können (thymus-independent antigens), z.B. bakterielle Polysaccharide.
Letztere benötigen zur Antikörperbildung keine Kooperation mit
T-Zellen, vernetzen direkt B-Zell-Rezeptoren an der Oberfläche von
B-Zellen, produzieren vor allem IgM und IgG2-Antikörper und lassen nur schwach ausgeprägtes immunologisches Gedächtnis zurück.
Verschiedene Lymphozyten - jeder mit seinen eigenen spezifischen
Rezeptoren - können verschiedene Epitope eines bestimmten Antigens
erkennen (und auf dieses reagieren). Einige Rezeptoren (solche von
B-Lymphozyten) erkennen "ihre" Epitope sowohl an Oberflächen
(Zellmembranen) befestigt oder frei gelöst, unter Umständen sogar nach
Proteolyse des Antigens. Andere Rezeptoren (vor allem solche von
T-Lymphozyten) können Epitope nur binden, wenn diese an spezifische
Oberflächenmoleküle angelagert sind (MHC-System).
Je nach der Art der Immunantwort, welche sie auslösen, unterscheidet man folgende drei funktionellen Gruppen von Antigenen / Epitopen: Immunogene, Haptene und Tolerogene.
Immunogene lösen nicht nur eine Antwort des Immunsystems aus, sondern diese Antwort ist auch spezifisch gegen sie gerichtet. Im angeborenen
System erfolgt die Antwort sofort, bei wiederholter Exposition des
Körpers wiederholt sich der Vorgang immer in gleicher Weise. Im adaptiven
System hingegen erfolgt auf die erstmalige Konfrontation des Körpers
eine Klonselektion, die Zahl der spezifisch gegen das Epitop / Antigen
gerichteten Zellen vermehrt sich (und damit die Intensität der -
verzögerten - spezifischen Abwehr), einige Gedächtniszellen bleiben für
lange Zeit im Körper und erlauben bei einer nächsten Konfrontation mit
demselben Epitop / Antigen eine raschere spezifische Abwehrreaktion.
Haptene sind
kleine Moleküle (meist
nicht-biologischen Ursprungs: z.B. Dinitrophenol, Nickel,..), die sich
wie synthetische Epitope verhalten. Alleine sind sie nicht in der Lage,
eine Immunreaktion auszulösen, können aber mit bereits existierenden
Antikörpern reagieren: Sind sie an ein Immunogen (hier
auch als Carrier bezeichnet -
insbesondere körpereigene Proteine) gebunden, können Immunantworten
sowohl gegen dieses als auch gegen das Hapten ausgelöst werden
(Sensibilisierung). Wiederholte Exposition mit einem solchen
Immunogen-Hapten-Komplex führt zu entzündlichen Reaktionen und u.U.
Autoimmunität.
Tolerogene
lösen immunologische Toleranz gegen sie aus. Das können körpereigene
Merkmale sein, gegen die das Immunsystem im Zuge der Entwicklung des
immunologischen Repertoirs lernt, nicht zu reagieren (immunologische Toleranz) oder auch Antigene, die oral aufgenommen werden (Nahrungsbestandteile).
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Abbildung: Aufbereitung und Präsentation von antigenen Peptiden
Nach einer Vorlage in Strachan / Read, Human Molecular Genetics, 5th ed. 2020 (CRC Press)
MHC-I-Proteine
(bei menschlichen Zellen auch HLA-I genannt) binden Peptide aus dem
Abbau (vor allem) intrazellulär synthetisierter Proteine (zellulär oder
mikrobiell - viral, intrazellulär-bakteriell) und zeigen sie an der
Zelloberfläche vor.
Der Abbau intrazellulär produzierter Proteine erfolgt mittels Proteasomen. Dabei entstandene Peptidfragmente wandern in das endoplasmatische Retikulum, wo sie durch Aminopeptidasen (ERAP: endoplasmic reticulum aminopeptidase)
in Oligopeptide (8-9 Aminosäuren lang) zerlegt werden (die richtige
Größe, um auf die Bindungsnische des MHC-Proteins zu passen).
Hat die Bindung
stattgefunden, wandert der MHC-Peptid-Komplex an die Zelloberfläche und
kann dort von Lymphozyten (in diesem Fall Killer-T-Zellen) erkannt werden.
Alle intrazellulär gebildeten Proteine werden laufend diesem
"Qualitätscheck" unterzogen; Zellen mit "unauffälligen"
Peptidfragmenten bleiben unbehelligt, infizierte oder Tumorzellen
werden abgetötet.
MHC-II-Proteine binden über einen
analogen Vorgang etwas größere Peptidbruchstücke von Proteinen, die
(vorwiegend) von außerhalb der Zelle stammen, und präsentieren sie an
Helfer-T-Zellen. Sie werden nur von "professionellen
antigenpräsentierenden Zellen" (dendritischen Zellen, Makrophagen,
B-Zellen) gebildet
Die Immunogenität einer Substanz hängt u.a. ab von
Molekülgröße (Proteine >10 kDa sind meist immunogener als kleinere),
Komplexität des Moleküls (zahlreichere Epitope möglich),
Konformation (räumliche Anordnung - Epitope müssen zugänglich sein für den immunologischen Erkennungsmechanismus),
chemischen Eigenschaften: Phagozyten
bauen das Immunogen enzymatisch ab und "präsentieren" Spaltprudukte (
Abbildung oben) als potenzielle Epitope an Lymphozyten. Polypeptide aus
L-Aminosäuren sind der Proteolyse zugänglich, gut abbaubar und
immunogen; Lipide, Steroide, viele Kohlenhydrate sind hingegen kaum immunogen.
Abwehrmechanismen können einerseits Moleküle aus
dem Inneren verletzter Zellen betreffen (zusammengebrochene Kompartimentierung), andererseits molekulare Charakteristika eingedrungener Mikroben. In beiden Fällen handelt es sich um Gefahrensignale (danger signals), deren molekulare Eigenschaften enorme Variabilität aufweisen.
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Abbildung: Angeborenes und adaptives System
Nach einer Vorlage in Strachan / Read, Human Molecular Genetics, 5th ed. 2020 (CRC Press)
Die Barrieren des
angeborenen
Immunsystems (links) können physikalischer (dichte Epithelschichten),
chemischer (z.B. Magensäure, antimikrobielle Enzyme) oder biologischer
Natur sein (NK = natürliche Killerzellen, Phagozytose,
Entzündungsreaktion etc).
Das
adaptive Immunsystem stützt
sich auf die Aktivität von Lymphozyten. Diese entwickeln sich aus
Lymphoblasten, die noch unreif sind. B-Lymphozyten bilden Antikörper
(Immunglobuline, die an den Extrazellulärraum abgegeben werden),
T-Lymphozyten nutzen membranständige Rezeptoren zur Erkennung von
Antigenen, die von anderen Zellen "präsentiert" werden.
Lymphoblasten sind "
naive" Lymphozyten
Man unterscheidet ein angeborenes Immunsystem - von der Geburt an verfügbar und in der Lage, definierte, weitgehend invariante chemische Merkmale von Gefahrensignalen zu erkennen - und ein (nur bei Wirbeltieren vorhandenes) adaptives,
dessen Erkennungsmoleküle (Antikörper bzw. entspechende Rezeptoren)
eine enorme Vielfalt möglicher Erkennungsspezifitäten ausbilden und
dadurch gegen ein breites Spektrum beliebiger molekularer
Charakteristika - die im Rahmen von Infektionen auftreten können -
spezifisch zu binden und zu bekämpfen. Diese beiden Systeme kooperieren und ergänzen einander. Das (entwicklungsgeschichtlich ältere) angeborene System ist jederzeit aktivierbar, das (phylogenetisch jüngere) adaptive System braucht zur vollen Ausbildung aktuell benötigter spezifischer Werkzeuge länger (Tage nach einer Infektion).
Bei einer ungestörten Teilungsrate von 1/Stunde würde ein Bakterium
innerhalb von 24 Stunden schon an die 20 Millionen Nachkommen haben und
eine ernste Infektion verursachen. Es ist daher klar, dass in der
Anfangsphase die angeborene Immunität alleine mit mikrobiellen Herausforderungen fertig werden muss; der adaptive
Teil des Immunsystems braucht mehrere Tage, um über Klonselektion und
entsprechende Mitosekaskaden effizient an der Bekämpfung von Mikroben
teilzunehmen.
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Abbildung: PAMPs und DAMPs
Nach Rosin DL, Okusa MD. Dangers Within: DAMP Responses to Damage and Cell Death in Kidney Disease. JASN 2011; 22: 416-25
"
Strangers":
Infektionen bzw. pathogene Mikroorganismen setzen pathogen-assoziierte
molekulare Muster (PAMPs:
Pathogen-associated molecular patterns) frei. Diese binden an
Mustererkennungsrezeptoren (PRR) auf Immunzellen. Das stimuliert das
angeborene wie auch das adaptive Immunsystem, Gewebeschäden werden
behoben und Mikroben abgewehrt.
"
Dangers": Ähnliche
Mechanismen werden durch gestresste oder beschädigte Zellen aktiviert.
Entsprechende molekulare Komponenten (DAMPs:
Danger--associated molecular patterns) binden ebenfalls an PRRs
oder spezielle DAMP-Rezeptoren. Auch das löst Immunantworten aus, an
denen sich u.a. antigenpräsentierende Zellen (APC) - wie dendritische
Zellen und Makrophagen - sowie T-Lymphozyten und neutrophile
Granulozyten beteiligen
Normalerweise
halten intakte Haut und Schleimhäute mit ihren natürlichen
Abwehrmechanismen (Talg, Säure, Schleim, Zilienschlag, antivirale /
antibakterielle Stoffe etc) Mikroorganismen auf Distanz. Wenn Pathogene
diese erste Barriere durchbrechen (durch Produktion spezieller Anheftungsstrukturen, Enzyme, Toxine sowie Wachstumsfaktoren), muss das angeborene Immunsystem molekulare Muster auf den Mikroorganismen detektieren, um sinnvoll reagieren zu können - in erster Linie über Rezeptorproteine ("Alarmsystem").
Bewertung des pathogenen Potentials: Mikrobielle
Merkmale finden sich nicht nur auf pathogenen Mikroorganismen, sondern auch
auf Kommensalen
, d.h. Mitgliedern der Normalflora - sogenannte
Mikrobiotope:
Ektokommensalen auf äußeren Oberflächen (z.B.
Haut).
Endokommensalen
auf inneren Oberflächen (z.B. Darm).
Das Immunsystem bewertet die
Eigenschaften als harmlos, solange die Mikroben auf Haut- oder
Schleimhautoberflächen verbleiben, hingegen als gefährlich, wenn sie
diese Oberflächen überschreiten.
Immunreaktion / Abwehr: Der Identifikation betreffender Merkmale (DAMPs, PAMPs / MAMPs) folgen verschiedene
Wirk- bzw. Abtötungsmechanismen (auch Fremdsubstanzen können gelegentlich Immunantworten auslösen).
Die Antwort der Immunzelle kann Zellteilung und Differenzierung,
Entleerung von Granula, Zytokinbildung, oder auch Apoptose sein. Bei
der "Übersetzung" des Reizes an der Membran zur zellulären Reaktion
spielen Enzyme, second messengers, Transkriptionsfaktoren u.a. eine
tragende Rolle (vgl. Zellphysiologie).
Das Immunsystem greift gefährlich gewordene Mikroorganismen und "verdächtige"
körpereigene Zellen an, die infiziert (Viren, intrazelluläre Bakterien)
oder anderweitig verändert sind ("gestresste" Zellen, Tumorzellen). Autophagie ist der lysosomale Abbau von Molekülen und Organellen aus geschädigten Zellen.
Eindämmung immunologischer Abwehrmechanismen:
Immunologische Abwehrmechanismen
unterliegen selbst einer strengen Kontrolle, damit sie nicht
ausufern und mehr Schaden als Nutzen anrichten. Beispielsweise wirken
Gewebemakrophagen entzündungshemmend und können so Immunreaktionen
limitieren; Lymphozyten bauen negative Rückkopplungskreise auf; etc.
(Manche sagen, die eine Hälfte des Immunsystems dient dazu, die andere
Hälfte im Zaum zu halten.)
Immunität ist systemisch: Immunzellen und Immunmoleküle bewegen sich durch den gesamten Körper (sie patrouillieren durch Kreislauf und Gewebe, diese
Mobilität ist einmalig unter allen Zellsystemen des Organismus)
und bringen den immunologischen Schutz überallhin, unabhängig davon, wo
der primäre Kontakt mit Krankheitserregern stattgefunden hat. Zur Steuerung der Migration der Immunzellen in die richtige Richtung dienen Konzentrationsgradienten chemotaktisch aktiver Moleküle, wie Spaltprodukten des Komplementsystems oder Chemokinen.
Das
Lymphsystem dient dem Transport extrazellulärer Flüssigkeit in den
Venenwinkel. Es wird auch vom Immunsystem als "Verkehrsmittel" genützt: Potentielle Schädlinge werden auf dem Weg vom
Interstitium zum Blutkreislauf in Lymphknoten überprüft, gefiltert, abgetötet, abgebaut. Auf diese Weise kann z.B. eine Bakteriämie (Bakterieneinsaat) eingedämmt oder ganz verhindert werden. Zeitweiliges Vorhandensein von Bakterien im Blut ohne Vermehrung (da erfolgreich bekämpft) ist physiologisch, tritt nach kleinen Verletzungen - z.B. Zähneputzen - häufig auf und ist normalerweise folgenlos.
Werden Bakterien direkt in das Blut eingebracht (z.B. über kontaminierte Katheter) und vermehren sich dort, spricht man von primärer, gelangen sie über infiziertes Gewebe in die Blutbahn, von sekundärer Bakteriämie.