Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

  
Abwehrvorgänge (Immunologie)
 
Abwehrstrategien, mikrobielle Besiedlung des Körpers
© H. Hinghofer-Szalkay
Akne: v. ἀκμή a= Spitze
Bakterien: βακτήριον = Stäbchen
Corynebakterien: κορύνη = Keule
Gram-Färbung: Hans Ch. Gram
Klonselektion: κλών = Zweig, Schößling, selectio = Auslese (legere = sammeln, (vor)lesen)
Kommensalen: commensalis = Tischgenosse
Kokken: κόκκος = Kern, Korn
Lektine: legere = lesen, auswählen
Lymphatisch: lymphe (lat) = klares Wasser
Myeloisch: μύελος = (Knochen-) Mark
Parasit: παρά = neben, σίτειν = mästen, sich ernähren
Phagozyt:
φαγεῖν = (fr)essen, κύτος = Gefäß (Zelle)
Staphylokokken: σταφυλή = Traube, κόκκος = Kern
Viren: virus = Gift


Eine erwachsene Person ist von etwa 1014 Bakterien besiedelt. Sie finden sich vor allem im Darm, aber auch auf der Haut, im Respirations- und Urogenitaltrakt, vereinzelt sogar im Kreislauf. Dieses Mikrobiom ist biologisch hochaktiv und beeinflusst zahlreiche Körperfunktionen, stellt aber auch eine potentielle Gefahr für die Gesundheit seines Trägers dar. Bei Infektionen treten größere Zahlen über physiologische Barrieren in Gewebe über und können sich dort rasch vermehren, wenn sie das Immunsystem nicht erfolgreich bekämpft.

Eine primäre Schutzbarriere aus intakter Haut, unverletzten Schleimhäuten und der auf ihnen wirkenden Komponenten der Immunabwehr hält normalerweise den Großteil der Mikroorganismen (Bakterien, Viren, Parasiten) davon ab, in das "eigentliche Innere" des Körpers vorzudringen.

Mikroorganismen, die es schaffen, in
Gewebe, Lymphe und Blutbahn vorzudringen, werden von der sekundären Barriere angegriffen: Ein hochkomplexes System aus teils angeborenen (Phagozyten, NK-Zellen, Komplementsystem), teils adaptiven ("spezifischen") Komponenten - etwa 1012 Lymphozyten, 1019 Antikörpermoleküle u.a.

Das Immunsystem orientiert sich an individualspezifischen Markermolekülen an der Oberfläche der Körperzellen einerseits (MHC-System: Major histocompatibility complex), an mikrobiellen Molekülen andererseits (PAMPs: Pathogen-associated molecular patterns). Auf diese Weise können einerseits Mikroorganismen anhand ihrer Erkennungsmoleküle, andererseits defekte oder virusbefallene eigene Zellen (MHC in Kombination mit Virusprodukten) erkannt und abgetötet werden.

Die Zahl an involvierten (gegenseitig bindenden) Molekülen ist groß, die Erkennungsmechanismen komplex und die Konsequenzen eines "falschen Alarms" gravierend (Überempfindlichkeitsreaktionen, Autoimmunerkrankungen). Auch die Folgen mangelnder Abwehrstärke sind fatal (potentiell tödliche Immunschwäche).


Übersicht
  Mikrobiom Positionierung des Immunsystems   Immunrezeptoren   Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) Immunogenität und Immunantwort   Immunsystem und Gesamtorganismus CD (cluster of differentiation) Lymphatische Schutzbarrieren und immunprivilegierte Gewebe



Antigen, Epitop, Affinität, Avidität
    Entzündung   PAMPs    Aktivierung     RIG-I, MDA5  Lymphatische Gewebe    Effektorzellen    Lektine, MBL    ITAM, ITIM    Antigene Determinante    Costimulator    RAG1, RAG2

Core messages
  
Solange der Fetus im Uterus heranwächst, lebt er in einer praktisch keimfreien (sterilen) Umgebung. Mit der Geburt beginnt mit dem Kontakt zur "normalen" Umwelt die Kolonisierung des Körpers des Neugeborenen mit einer Hundertschaft verschiedener Spezies von Mikroorganismen: Die Hautoberfläche (Kontakt mit der Mutter etc), aber auch sehr rasch Mund- und Nasenhöhle, Intestinaltrakt (Füttern) sowie obere Luftwege (Atmung) werden mit Keimen besiedelt - unterschiedliche Stämme an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten, auch abhängig von genetischen und kulturellen Einflüssen. (Beispielsweise dauert die Besiedelung des Darms mit E. coli bei Neugeborenen in Entwicklungsländern nur einige Tage, in Europa meist mehrere Monate). Nunmehr ist der Körper Gefahren durch Viren, Bakterien, Protozoen, Pilze, manchmal auch Würmer, Giftstoffe, zusehends auch Veränderungen an körpereigenen (gestressten oder Krebszellen) ausgesetzt.
 
Schutz vor all diesen potentiellen Bedrohungen bietet das Immunsystem. Dessen Zellen stammen von lymphoiden und myeloiden Vorläuferzellen ab ( Abbildung), die zum Großteil auf angeborene oder adaptive Mechanismen spezialisiert sind - manche spielen in beiden Systemen eine tragende Rolle (dendritische Zellen, Makrophagen). Sequenzierungen des gesamten humanen Genoms haben in letzter Zeit Zweifel an der ursprünglichen Annahme (monophyletische Theorie) geweckt, dass alle Zellen des hämatopoetischen Systems aus einer gemeinsamen Stammzelle hervorgehen.
  

Abbildung: Hämatopoetischer "Stammbaum" und Immunzellen
Nach einer Vorlage in Strachan / Read, Human Molecular Genetics, 5th ed. 2020 (CRC Press)

Die Abbildung folgt dem klassischen Konzept, dass alle Blutzellen von einer gemeinsamen hämatopoetischen Stammzelle abstammen (oben). Untersuchungen des humanen Genoms wecken Zweifel an dieser "monophyletischen" Theorie.
 
Aus lymphoiden Vorläuferzellen entstehen B-, T- und NK-Zellen (links), aus Granulozyten- Makrophagen- Vorläuferzellen werden Monozyten, dendritische Zellen, Makrophagen, Granulozyten und Mastzellen (Bildmitte).
               
Monozyten sind patrouillierende Phagozyten im Kreislauf, die sich - wenn in das Gewebe "abgerufen" - zu Makrophagen (z.B. Kupffer-Zellen in der Leber, Osteoklasten im Knochen, Mikroglia im ZNS, Gewebsmakrophagen im Bindegewebe) oder zu dendritischen Zellen (deren Aufgabe in der "Alarmierung" des adaptiven Systems besteht) entwickeln. Mastzellen scheinen das Gewebeäquivalent von basophilen Granulozyten zu sein.
 
Spezifische Wachstumsfaktoren regen entsprechende Differenzierungsschritte an -   s. dort.

Unten: Lymphozyten sind im adaptiven System tätig, Granulozyten und Mastzellen im angeborenen; dendritische Zellen und Makrophagen können phagozytieren, "präsentieren" aber auch (aufgearbeitete) Antigene an lymphatische Zellen und beteiligen sich so an Aktivitäten beider Systeme


Sowohl die Zellen der lymphoiden als auch diejenigen der myeloiden Reihe stammen primär aus dem roten Knochenmark ("myelos"). Lymphozyten wurden deshalb so benannt (und werden in die "lymphoide" Reihe gruppiert), weil sie als einzige Blutzellen regulär auch in der Lymphe vorkommen.

Das Immunsystem kann - teils spontan (angeboren), teils erst nach einer längeren "Lernphase" (adaptiv) - entsprechende chemische Signaturen identifizieren und gegebenenfalls neutralisieren. Dazu muss es in der Lage sein, Merkmale körpereigener (gesunder) von denen fremder (bzw. veränderter) Zellen sowie Substanzen zu unterscheiden. Auch die allfällige Abwesenheit von "Selbst"-Merkmalen wird detektiert.

Die Fähigkeit, diese Unterscheidungen vorzunehmen, ist eine wesentliche Eigenschaft des Immunsystems. Dazu nutzen seine Zellen Rezeptormoleküle, die (so wie ihre Liganden) teils auf Zelloberflächen befestigt, teils im Extrazellulärraum gelöst vorliegen. Diese Rezeptoren erkennen und binden teils fremde, teils körpereigene Moleküle. Die Interaktion von Rezeptoren mit ihren Bindungspartnern löst verschiedenste Immunreaktionen aus.
 
Mikrobiom
 
Haut und Schleimhäute sind von Mikroben besiedelt - hauptsächlich in den oberflächlichsten Epithelschichten ('obligate Keimbesiedelung'). Man spricht von physiologischer oder Normalflora, deren Zusammensetzung ist ("wie ein Fingerabdruck") bei jedem Menschen individuell, hängt aber auch von Umweltfaktoren ab.
 

Abbildung: Mikrobiom der menschlichen Haut
Nach Grice EA & Segre JA, The skin microbiome. Nature Rev Microbiol. 2011; 9: 244-53

Die Verteilung der Bakterienarten ist je nach Hautstelle unterschiedlich und individuell ziemlich konstant.
 
Der Farbencode der Kreissegmente bezieht sich auf die Bakterienarten (Inset rechts oben), aus denen sich die typische Flora der angegebenen Körperregionen (blaue Schrift: talgproduzierende Haut; grüne Schrift: feuchte Haut; rote Schrift: trockene Haut) zusammensetzt.
 
Talgproduzierende Haut (sebaceous skin) befindet sich an der Glabella (zwischen den Augenbrauen), den Seiten der Nasenflügel, dem äußeren Gehörgang, hinter dem Ohr, am Hinterhaupt, über dem Manubrium (Thoraxwand) und am Rücken.
 
Feucht (moist skin) ist die Haut innerhalb der Nostrillen, in der Axilla, der Ellenbeuge, interdigital (zwischen Mittel- und Ringfinger), am Nabel, in der Leistengegend, im Oberteil der Gesäßfalte, in der Kniekehle, an der Ferse, zwischen den Zehen


Mikrobiom des Menschen (normale Mikroflora): Man schätzt die Zahl an Mikroorganismen - Bakterien, Viren u.a. - auf und in dem Körper eines erwachsenen Menschen auf etwa 1014-1015, das ist mehr als die Anzahl körpereigener Zellen (insgesamt 4.1013). Die Schleimhäute in Nebenhöhlen-Nasen-Rachen-Raum, Luftwegen, Darm und Urogenitalsystem haben zusammen eine Oberfläche von ~400 m2 (das 200-fache der ~2 m2 Hautoberfläche). Diese inneren und äußeren Grenzflächen gilt es zu überwachen und ihren physiologischen Zustand gegen (potenzielle) Pathogene zu verteidigen (ihr Eindringen in das "eigentliche Innere" des Körpers zu vermeiden) - auch wenn die überwiegende Mehrzahl der Mikroorganismen keine Gefahr darstellt, ja sogar die Gesundheit des Menschen unterstützt (z.B. intestinales Mikrobiom).

Auf der Haut gibt es mehrere umgrenzte Mikrobiotope (feuchte Epithelien), z.B. im Bereich des Bauchnabels, der Achselhöhlen und der Nasenflügel - mit deutlichen Unterschieden zur umliegenden trockenen Haut. Unterschiede in der mikrobiellen Besiedelung bestehen auch zu Zonen, die reich an Talgdrüsen mit ihrem öligen Sekret sind (beidseits der Nase - sogenannte Supraalarfalte, hintere Kopfhaut, Rücken, obere Brustpartie). Jede dieser Nischen wird von bestimmten mikrobiellen Species bevorzugt (z.B. Corynebakterien in feuchter, Propionsäurebakterien in fettiger Haut; trockene Haut wird wieder von anderen Stämmen bevorzugt). Insgesamt kommen mehr als 200 Gattungen regelmäßig auf der Haut vor, mit starken individuellen Abweichungen von kollektiven Mittelwerten.
 

Mikrobielle Umgebung des menschlichen Körpers

Nach Doan / Lievano / Swanson-Mungerson / Viselli, Immunology, (3rd ed. Wolters Kluwer 2022
Ort
Zahl relativ
Zahl insgesamt
Haut
103/cm2
1012
Kopfhaut
106/cm2 --
Nasenschleim
107/g --
Speichel
108/g --
Mund --
1010
Gastro-
intestinaltrakt
-- 1014
Stuhl
>108/g --

Die Gesamtheit der einen Organismus besiedelnden Mikroorganismen wird als Mikrobiom  bezeichnet. Diese natürliche Flora besteht jeweils aus mehreren hundert verschiedenen Arten von Bakterien, stark abhängig vom untersuchten Ort (Rachen-Nasen-Raum, Dünndarm / Dickdarm etc). Dazu kommt mindestens die gleiche Anzahl an Viren, die meisten davon Phagen (Virobiom). Diese interagieren mit Bakterien - können sie spezifisch erkennen, Erbgut übertragen und sie auch (im Rahmen einer lytischen Phase) zerstören.
 

  Abbildung: Haut und Schleimhäute als "erste Verteidigungslinie"
Nach einer Vorlage bei open.edu

Die Oberflächen (Haut, Schleimhäute) werden mechanisch (Intaktheit, Transport, Schleim), chemisch (Lysozym, Magensäure, Spermin), biologisch (Bakterienflora) und immunologisch (Immunglobuline) geschützt


Das funktionelle Gleichgewicht zwischen körpereigenen Zellen, Mikroben und Viren ist naturgemäß außerst komplex, wird gegenwärtig intensiv erforscht, ist abhängig von zahlreichen Begleitumständen (Ernährung, Zustand des Immunsystems, Alter, Geschlecht, Medikation...) und wirkt sich auf Gesundheit und Krankheit in vielfacher Weise aus.
 
Die Besiedelung des Neugeborenen mit Mikroorganismen beginnt spätestens mit der Geburt, die Mikroorganismen stammen teils von der Mutter (Scheidenflora), teils aus der Umwelt. Kleine Kinder haben eine vielfältigere Mikroflora und beherbergen mehr potenziell pathogene gramnegative Bakterien als Erwachsene. Schon während der ersten Lebenswochen gleicht sich die mikrobielle Flora allmählich der von Erwachsenen an.

Individualspezifische mikrobiologische Muster: Die normale Bakterienflora im Mundraum des Menschen (~1010 an der Zahl) enthält von über 700 bekannten Arten jeweils etwa 250 Arten im Mund eines Menschen - mit enormen individuellen sowie örtlichen Charakteristika (benachbarte Stellen können komplett unterschiedliche Bakterienmuster aufweisen). Besonders reichhaltig ist auch die Darmflora (~600 verschiedene Bakterienstämme, 99% davon Anaerobier).

Die mikrobielle Besiedelung des Körpers (Haut, Schleimhäute) hat zahlreiche Funktionen und Wirkungen, zum Beispiel:
 
      Bakterien stimulieren das Immunsystem
 
      Bakterielle Stoffwechselprodukte werden von Epithelzellen verwendet, die sie für ihren Metabolismus benötigen
 
      Bakterielle Enzyme nützen Nährstoffe, z.B. verwandeln Bakterien im Mundraum Nitrate (Obst, Gemüse) zu Nitrit, das zu blutdrucksenkendem Stickstoffmonoxid wird
 
      Anaerobe Bakterien produzieren Vitamin K (Dickdarm)
 
      Bakterien können entgiftend wirken (z.B. auf kanzerogene Substanzen)

Ein Drittel der Stuhlmasse besteht aus Bakterien - dies ist das bei weitem größte Mikrobenreservoir des Organismus.

  

Abbildung: Das lymphatische Gewebe als "zweite Verteidigungslinie"
Nach einer Vorlage bei louis.pressbooks.pub


Das lymphatische System umfasst lymphatische Organe - Lymphknoten, Milz, Thymus, Knochenmark, Adenoide, Tonsillen, Peyer-Plaques, Wurmfortsatz - sowie Lymphgefäße.
 
Mikroben werden vom lymphatischen System aufgehalten und bekämpft. Adenoide, Tonsillen und darmassoziiertes System sind "Vorposten", Lymphknoten zwischengelagerte Kampfstationen. Im Blut befindliche Mikroorganismen können in der Milz bekämpft werden. Thymus und Knochenmark sind "Lymphozytenfabriken"



Die Mikroorganismen der normalen Hautflora werden eingeteilt in residente und transitorische:

    Residente (obligate) Mikroorganismen sind solche, die ständig auf der Haut vorhanden sind und sich dort auch vermehren. Es sind hauptsächlich grampositive Bakterien, die sich auf wenige Gruppen beschränken (Staphylokokken , Corynebakterien , Propionibakterien -- u.a. Aknebakterien --, Mikrokokken u.a.) sowie Hefen (Pityrosporum auf der Kopfhaut). Acinetobakterien gehören zu den wenigen gramnegativen residenten Hautbewohnern.

Wahrscheinlich sind grampositive Bakterien besser an die trockene Umgebung der Haut angepasst als gramnegative, die andererseits bei antibiotischer Behandlung einen Überlebensvorteil haben können.
 

  
  Transitorische Mikroorganismen sind solche, die gelegentlich auf die Haut gelangen, dort aber üblicherweise sich weder vermehren noch dauerhaft verbleiben können.
 
Die Talgproduktion der Haut ist regional unterschiedlich und schützt Keime z.B. vor Desinfektion. Besonders reichlich wird im Bereich von Kopf / Gesicht, Vorderseite der Brustwand, Achselhöhlen und im Genital- und Afterbereich Talg sezerniert. Eine deutliche Keimreduktion erfolgt hier erst nach mehrminütiger Behandlung mit Hautdesinfektionsmitteln; die Hände sind hingegen schon nach etwa einer halben Minute Einwirkungsdauer weitgehend desinfiziert.
 
     Zur Bakterienwand und Gram-Färbung  s. Abbildung
 

Abbildung: Struktur der Bakterienwand
Nach einer Vorlage bei watcut.uwaterloo.ca

Die auf der inneren Membran (Zellmembran) der Mikrobe aufliegende Schicht der Bakterienwand besteht aus Murein oder Peptidoglykan, einem Maschenwerk aus Polysaccaridketten, die durch Oligopeptide kreuzvernetzt sind.
 
Gramnegative Bakterien (links) verfügen über eine dünne Peptidoglykanschicht (blau), umgeben von einer äußeren Membran, mit Lipopolysacchariden (Endotoxin) in der Außenlamelle. Porine erleichtern die Diffusion kleiner Moleküle. Multidrug resistance (MDR)-Proteine (sie entfernen Antibiotika aus der Zelle) können membranübergreifend auftreten.
 
Grampositive (Mitte) haben keine äußere Membran, aber eine wesentlich dickere Mureinwand mit Lipoteichonsäuren (hydrophile Ketten mit Glykolipiden als Membrananker). Sie sind besser für Antibiotika zugänglich.
 
Mykobakterien (rechts) haben auf ihrer Mureinschicht langkettige Fettsäuren (Mykolsäuren, rot), die eine wachsähnliche, undurchdringliche äußere Membran verankern


Das Immunsystem schützt vor Infektionen und reagiert auf Gewebeschäden
  
Einen Zustand des Gesundseins können wir nur genießen, weil bzw. so lange unser Immunsystem einen maßvollen Kampf gegen zahllose mikrobiologische Herausforderungen führt und sich an der Reparatur allfälliger Gewebeschäden beteiligt.

Das Immunsystem schützt den Organismus und wahrt seine Integrität, indem es
 
      bei Schädigung von Zellen und Geweben reparative Maßnahmen ergreift,
 
      das Eindringen von Infektionserregern (pathogenen Mikroben) bekämpft.

Diese beiden Bereiche beeinflussen einander: Schädigungen des Gewebes können einerseits Pathogenen das Eindringen in den Körper erleichtern, andererseits schädigen Infektionen (auch deren Abwehr) das Gewebe. Gewebeschäden gehören zum "physiologischen Alltag", und Mikroben befinden sich zeitlebens auf und in unserem Körper; daher sind die in diesem Kapitel geschilderten Mechanismen bei jedem gesunden Organismus anzutreffen und als Teil der normalen Physiologie zu sehen.

An Grenzflächen zwischen "Außenwelt" und "Innenwelt" (Haut, Schleimhäuten) finden sich unzählige Fremdorganismen, die durch Sekrete mit unspezifisch mikrobiziden Stoffen sowie spezifisch wirkenden Antikörpern - und vor allem Intaktheit der Oberflächenstrukturen - einen Eintritt in darunter liegendes Gewebe verhindern. Bei Verletzungen dieser Oberflächen wirken Phagozyten, NK-Zellen und Komplementfaktoren im Rahmen der angeborenen Abwehrsysteme an Ort und Stelle und ohne Verzögerung.
Diese Vorgänge alarmieren auch das spezifische System, das verzögert mit molekularen Strukturen der Angreifer reagiert. Das "Erwecken" einer passenden, exquisit gegen konkrete Antigene gerichteten Immunreaktion bedarf komplexer Erkennungsvorgänge und führt zur Selektion entsprechender Lymphozytenklone, bevor die spezifische Immunität (zellulär und humoral) gegen ganz bestimmte Invasoren wirksam werden kann (das dauert bei einem Ertstkontakt 1-2 Wochen, bei bereits bestehender Immunität wesentlich kürzer).

Angeborene ("unspezifische", innate) sowie erworbene (adaptive, "spezifische", adaptive) Immunwerkzeuge und Regelkreise dienen einerseits der Verstärkung, andererseits der Kontrolle von Immunantworten. Immunangriffe sind sehr wirksam und münden oft im Untergang attackierter Zellen. Beide Systeme nutzen daher verschiedene Mechanismen, um Angriffe auf eigene Zellen zu verhindern.

Dennoch kann es vorkommen, dass sich immunologische Abwehrmechanismen gegen den eigenen Körper richten ("molekulare Missverständnisse") und auf diese Weise Gewebeschäden bzw. Krankheiten
(Autoimmunerkrankungen) verursachen.

Was geschieht, wenn Viren , Bakterien , Parasiten oder Pilze in den Körper einzudringen drohen? Um dies zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass die Haut nur zu einem kleinen Teil (Erwachsener: ~2 m2) zur Oberfläche gegen die Außenwelt beiträgt. Die äußerste Schichte der (je nach Lage 0,05 bis 1,5 mm dicken) Haut besteht aus abgestorbenen Zellen (Keratinozyten - stratum corneum), die laufend abschuppen. Sie ist meist relativ trocken, wasserdicht und haltet Mikroben zurück. Die Haut produziert antimikrobielle Peptide (wie Defensine, Cathelicidin), Fettsäuren (die Bakterienwachstum behindern), DNasen (Desoxyribonukleasen) und RNasen. Schweiß enthält Lysozyme (sie spalten Peptidoglycan, das in der Zellwand der meisten Bakterien vorkommt).

  Primäre Barriere: Haut und Schleimhäute schützen den Körper vor physikalischen und chemischen Belastungen (Verletzungen durch mechanische, thermische, chemische Einflüsse), und vor dem Eindringen von Krankheitserregern.
 
  Haut ( s. auch dort): Abschuppung keratinisierten Epithels, Fettsäuren, Talg, mikrobizide Moleküle, (saure) DNasen, RNasen, residente Hautflora (Commensalen)
 
  Respirationstrakt ( s. auch dort): Nasenhaare, Nasenmuscheln, Zilien, Schleim (Mucin aus Becherzellen), mikrobizide Moleküle (u.a. IgA)
 
  Gastrointestinaltrakt ( s. auch dort): pH, Schleim (Mucin), Enzyme (Verdauungsenzyme), mikrobizide Moleküle (Defensine, Lysozyme,IgA,..), Peristaltik, Commensalen
 
  Urogenitaltrakt ( s. unten): pH, Schleim, mikrobizide Moleküle, Peristaltik / Harnströmung
  

Abbildung: Epitheliale Barrieren
Nach Abbas / Lichtman / Pober, Cellular and Molecular Immunology

Epithelien schützen mehrfach vor dem Eintritt von Mikroben in das Körperinnere:
 
  Sie bilden eine physikalische Barriere, indem sie zwischen den luminalen und basolateralen Teilen mittels interzellulärer Schlussleisten eine Abdichtung aufbauen, die für Mikroben normalerweise undurchdringlich ist
 
  Sie bilden antibiotisch wirksame Peptide (Defensine u.a.), die Mikroben abtöten können
 
  Intraepitheliale Lymphozyten (T-Zellen und andere) bilden ebenfalls Antibiotika, erkennen mittels T-Zell-Rezeptoren mikrobielle Antigene und können Mikroben sowie infizierte Zellen eliminieren


Der hauptsächliche Schutz an epithelialen Grenzflächen ist ein physikalischer; intaktes Epithel verhindert das Durchdringen von Mikroben. In der Haut kommt die protektive Wirkung der Keratinschicht dazu; an Schleimhäuten ein Film aus Mucin; zusätzlich - als "Ausputzerfunktion" - die Peristaltik in Darm und Harnleiter und der ziliäre Transport in den Atemwegen.

Dazu kommen antimikrobiell wirksame Peptide aus Epithel- und Lymphzellen, sowie angeborene (sofortiger
Infektionsschutz) und erworbene (spezifische, adaptive) Mechanismen (Antigenerkennung mittels Rezeptoren / Antikörpern).
 
  Sekundäre Barriere: Überwinden Mikroben / Antigene die natürlichen epithelialen Barrieren (Haut, Schleimhäute), reagieren periphere (sekundäre) lymphatische Organe mit entsprechenden Immunantworten. Mehrere Abwehrmechanismen kommen ins Spiel: Angeborene und adaptive, zelluläre und humorale. Dazu verfügt das Immunsystem über zwei Flanken, die eine komplementäre Rolle spielen, d.h. sich in ihrer Wirkung gegenseitig ergänzen:
  
   Das humorale System schützt vor extrazellulären Angreifern (Toxinen, Mikroorganismen, Pollen etc) - mittels Antikörpern und Hilfsfaktoren, die geeignet sind, Antigenträger zu inaktivieren;
      das zelluläre System erkennt intrazelluläre Antigene (z.B. Viren) sowie Tumorzellen und Protozoen; gegebenenfalls identifiziert es auch transplantiertes Gewebe. Hier geht es vor allem darum, Zellen auf Identität (körpereigen?) und Intaktheit (virusbefallen? genetisch verändert?) zu überprüfen. Dazu werden Peptide (Abbauprodukte im Zellinneren) über Rezeptormoleküle an der Zellmembran präsentiert - abgesichert durch Cofaktoren - und entsprechende Abwehrmaßnahmen eingeleitet.

     Periphere lymphatische Organe / Gewebe umfassen Lymphknoten, Milz und mukosa-assoziiertes Gewebe (z.B. Peyer'sche Plaques im Darm). Hier werden adaptive Immunreaktionen gestartet.
 


Abbildung: Leukozyten auf Patrouille
Nach Funaro A, Ortolan E, Bovino P, Lo Buono N, Nacci G, Parrotta R, Ferrero E, Malavasi F:
Ectoenzymes and innate immunity: the role of human CD157 in leukocyte trafficking. Front Biosci 2009; 14: 929-43

Leukozyten mit einem passenden Rezeptormuster gehen durch eine mehrstufige Anheftungskaskade (Blutseite, oben) und wandern schließlich durch die Kapillarwand - wobei die die Basalmembran durchdringen -, um im Gewebe ihre Abwehrfunktion zu erfüllen. Dies spielt bei Entzündungen eine tragende Rolle.
 
Die wichtigsten beteiligten Stoffe sind in den Kästchen angegeben:
  PSGL1
, P-Selektin Glycoprotein-Ligand 1, wird von allen Leukozyten exprimiert, induziert deren Interaktion mit dem Endothel
  LFA1, leukocyte funtion-associated antigen 1, ein Integrin auf Leukozyten, an mehreren Immunfunktionen beteiligt
  ICAM1, intercellular adhesion molecule 1, in Leukozyten und Endothelzellen immer vorhanden, durch IL-1 und TNF hinaufregulierbar - Leukozyten binden dann an das Endothel
  VLA4, very late antigen 1, ein Integrin, das von Lymphozyten, NK-Zellen, Monozyten und eosinophilen Granulozyten exprimiert wird
  VCAM1, vascular cell-adhesion molecule 1, fördert die Anheftung von eosinophilen / basophilen Granulozyten, Lymphozyten sowie Monozyten an das Endothel
  MAdCAM1, mucosal vascular addressin cell-adhesion molecule 1, wird von mukösen Endothelzellen exprimiert und regt die Rezirkulation von T-Gedächtniszellen an
  Mac-1, Makrophagen-Antigen 1, ein aus zwei Integrinen bestehender Komplementrezeptor (CR3), der als Mustererkennungsrezeptor wirkt und von Lymphozyten, Granulozyten, NK-Zellen und Makrophagen exprimiert wird
  CD31, CD99, CD157, Gewebemarker
  JAM, junctional adhesion molecule (JAM-1 erleichtert die Transmigration von Leukozyten)
 
vgl. dort  


Leukozyten patrouillieren unablässig durch den Körper - aus dem Blut in das Gewebe, und oft zurück in den Kreislauf. Diese Beweglichkeit dient drei Hauptfunktionen:

      Transport von Leukozyten der myeloiden Reihe (hauptsächlich Neutrophile und Monozyten) zu Orten der Infektion oder Verletzung (Schutz, Pathogenbekämpfung, Reparatur)

      Transport von z.T. "naiven" Lymphozyten (solchen, die noch nie einem Antigen ausgesetzt waren) vom Ort ihrer Reifung (Knochenmark, Thymus) zu sekundärem lymphatischem Gewebe (z.B. Lymphknoten) in der Peripherie (Antigenerkennung, Proliferation, Differenzierung in Effektor- und Gedächtniszellen)

      Transport von Effektorlymphozyten von sekundärem lymphatischem Gewebe zu Infektionsherden überall im Organismus (spezifische Abwehr).

     Effektorzellen führen spezifische Funktionen einer Immunantwort aus: So sezernieren Helfer-T-Zellen Zytokine, töten Makrophagen Mikroben, bilden
B-Zellen bzw. Plasmazellen Antikörper. Diese Effektormechanismen stehen oft unter dem Einfluss regulierender Zellen; diese produzieren Zytokine wie Interleukine, Interferone oder Chemokine als lösliche Signalstoffe im Dienste solcher Steuerungen.
 

Abbildung: Komponenten der angeborenen und der adaptiven Immunität
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024
Die Mechanismen wehren einerseits das Eindringen von Pathogenen ab (z.B. epitheliale Schranken), andererseits bekämpfen sie Mikroben (Phagozyten, NK-Zellen, ILCs, Komplementfaktoren wirken im angeborenen System, sie sind unmittelbar verfügbar). Adaptiv funktionieren Lymphozyten: Nach Selektion entsprechender Zellklone sind sie zu spezifischen Attacken gegen Antigenträger fähig: B-Zellen elminieren extrazelluläre, T-Zellen intrazelluläre Mikroben

Sowohl das angeborene als auch das adaptive System verfügt über humorale und zelluläre Anteile, und beide nutzen Erkennungsmechanismen dendritischer Zellen; diese identifizieren allgemeine pathogene oder spezielle antigene Moleküle, arbeiten diese zur Präsentation an spezifische Immunzellen (Lymphozyten) auf und lösen nichtspezifische Reaktionen (Entzündung) aus. In der darauf folgenden Effektorphase eliminieren Faktoren und Zellen des angeborenen (z.B. Komplement, Makrophagen, neutrophile Granulozyten) sowie des adaptiven Systems (Antikörper, T-Lymphozyten) das Antigen.
 

Abbildung: Typen adaptiver Immunität
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024

Adaptive Immunität gibt es in zwei Spielarten: Humoral (über Antikörper vermittelt) und zellulär. Antikörper stammen aus Plasmazellen und bekämpfen extrazelluläre Ziele (Mikroben); Helfer-T-Zellen verstärken die Abtötung phagozytierter Mikroben; und zytotoxische T-Zellen töten infizierte Körperzellen ab, wodurch sie Infektionsreservoirs eliminieren.
 
Mikroben können intrazellulär entweder in phagozytotischen Vesikeln (in Phagozyten) oder im Zytoplasma befallener Körperzellen überleben (z.B. Viren) und sich hier auch vermehren. Helfer-T-Zellen können mittels Zytokinen eine große Zahl an Phagozyten rekrutieren, die Mikroben in infiziertem Gewebe bekämpfen


Reaktionsgeschwindigkeit: Das angeborene System reagiert auf die Anwesenheit von Gefahrenträgern innerhalb kurzer Zeit (Stunden) - was meist Entzündungen involviert - und ist im Allgemeinen weniger effizient als das adaptive. Das adaptive ("spezifische") Immunsystem benötigt Zeit für die Migration, Interaktion und Reifung involvierter Zellen, entfaltet dann äußerst effektive und gezielte Immunantorten und bildet ein spezifisches Gedächtnis an den speziellen Angreifer bzw. Fremdkörper aus.
 
Die folgende Tabelle vergleicht Komponenten und Eigenschaften des angeborenen und adaptiven Systems. Die Bandbreite der erkannten Eigenschaften ist bei der angeborenen ("unspezifischen") Abwehr - die nicht "lernfähig" ist - begrenzt, bei der adaptiven ("spezifischen") Abwehr - die von Lymphozyten getragen wird und ein individuelles immunologisches Gedächtnis aufbaut - nahezu unbegrenzt:
 
Angeborenes vs. adaptives Immunsystem

Nach Abbas / Lichtman / Pillai, Cellular and Molecular Immunology, 9th ed. Elsevier 2018
Charakteristika Angeboren
Adaptiv
Spezifität
Für gruppenspezifische mikrobielle Moleküle / Moleküle aus beschädigten Zellen
Für mikrobielle und nichtmikrobielle Antikörper
Diversität
Begrenzt

Durch Gene codierte Erkennungsmoleküle
Sehr groß

Rezeptorgene durch somatische Rekombination lymphozytärer Gensegmente
Gedächtnis
Keines / begrenzt
Ja
Nicht selbstreaktiv
Ja
Ja
Komponenten

Zelluläre und chemische Barrieren
Haut, Schleimhäute

Antimikrobielle Moleküle
Lymphozyten in Epithelien

An epithelialen Oberflächen sezernierte Antikörper
Proteine im Kreislauf
Komplement
Lektine*
Agglutinine
Antikörper
Zellen
Phagozyten (Makrophagen, Neutrophile)

Dendritische Zellen

Natürliche Killerzellen

Mastzellen

Lymphoide Zellen
Lymphozyten
 
  Lektine (lectins) sind Proteine, die bestimmte Kohlenhydratstrukturen spezifisch binden können. Beim Menschen vermitteln zirkulierende Lektine die Bindung zahlreicher Pathogene an Zielstrukturen des Immunsystems (Lektinweg der Komplementaktivierung). Einige Lektine in der Zellmembran (Dectine) erkennen spezifisch Glucane in Pilzwänden, andere (Mannoserezeptoren) terminale Mannosereste in Bakterienwänden; sie beteiligen sich am Mechanismus der Phagozytose dieser Mikroben sowie an der Auslösung entzündlicher Reaktionen.
 
Die Leber produziert bei Infektionen
Mannose-bindendes Lektin (MBL, mannan-binding protein MBP) und gibt dieses an den Kreislauf ab. Es ist ein Akutphasenprotein und zählt zu den Collectinen; strukturell ähnelt es dem hexameren Faktor C1q des Komplementsystems. Ihre Bindung an Kohlenhydratmuster (Mannose) vieler verschiedener Pathogene (Viren, Balterien, Pilze..) triggert den Lektinweg der Komplementaktivierung. So haben z.B. Makrophagen Rezeptoren sowohl für Mannose als auch für MBL (=C1q-Rezeptor).
 
Phylogenese: Die Mechanismen der angeborenen Immunität sind im Tierreich in ähnlicher Weise weit verbreitet und lassen sich auf erste multizelluläre Organismen vor ~750 Millionen Jahren zurückführen. Die adaptive Immunität hat sich erst später - und in klarer Form nur bei Wirbeltieren - entwickelt (vor 350-500 Millionen Jahren).
 
Kooperation: Zwischen den beiden Teilen des Immunsystems bestehen zahlreiche Querverbindungen. Das angeborene System sendet frühe Warnsignale an das adaptive System, das auf diese spezifisch reagiert; und das adaptive System verstärkt oftmals die protektiven Mechanismen des angeborenen Systems.
 

"Horror autotoxicus": Beide Schenkel des Immunsystems greifen normalerweise körpereigene Eigenschaften ("Selbst") nicht an, sie sind nicht selbstreaktiv (andernfalls handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung).
 
Systemische Wirkung: Immunzellen patrouillieren durch den Körper, wodurch der Immunschutz im gesamten Organismus auftritt, unabhängig vom Ort einer auslösenden Infektion.
 
Regulation: Immunologische Abläufe werden einerseits durch positive Rückkopplungsschleifen verstärkt, andererseits durch negative Rückkopplungsschleifen im Zaum gehalten, um überschießende Angriffe zu vermeiden. 
  
Die Rezeptoren des Immunsystems erlauben spezifische Erkennungsvorgänge

Das Immunsystem kann nur funktionieren, wenn eine spezifische Identifikation bestimmten Liganden durch einschlägige Rezeptoren stattfindet. Diese "Schlüssel-Schloss"-Sicherung steht am Anfang jedes Erkennungsprozesses (wie bei Hormonen auch), der von entsprechenden Reaktionen gefolgt ist (wie Neutralisierung, Abwehr oder Toleranz). Diese Rezeptoren können

      präformiert sein, sind also schon vor einem Antigenkontakt vorhanden: Mustererkennungsrezeptoren (PRRs), NK-Zell-Aktivatoren (KARs: Killer activation receptors), NK-Zell-Inhibitoren (KIRs: Killer inhibition receptors), Komplementrezeptoren, Fc-Rezeptoren). Solche Rezeptoren sind genetisch fix vorgegeben, ändern sich nicht und sind Bestandteil der angeborenen Immunität;

      somatisch generiert werden, d.h. individuell (in jeder Person anders) in B- und T-Lymphozyten - je Zelle bzw. Klon unterschiedlich - aus dem "genetischen Arsenal" neu rekombiniert. Je nach mikrobiologischer Herausforderung vermehren sich Lymphozyten mit passenden Rezeptoren und ermöglichen dadurch eine adaptive Immunabwehr.

PRRs (Mustererkennungsrezeptoren, pattern recognition receptors) erkennen molekulare Erkennungsmerkmale (DAMPs, damage-asssociated molecular patterns; PAMPs, pathogen-asssociated molecular patterns) und lösen lokale Entzündungsreaktionen u.ä. aus.
 
    Eine Entzündung (inflammation) ist eine komplexe Reaktion vaskularisierten (Blutgefäße enthaltenden) Gewebes auf Zellschäden oder eine Infektion. Die Durchlässigkeit der Gefäßwände nimmt zu, es kommt zu extravaskulärer Ansammlung von Leukozyten und Plasmaproteinen ( Abbildung). Angeborene Abwehrmechanismen führen generell zu akuten Entzündungen, gelegentlich auch adaptive Reaktionen. Entzündungen sollen Reparatur und Infektionskontrolle erleichtern, können aber auch schädlich wirken. Sowohl die Zytokinfreisetzung als auch die Expression von Zytokinrezeptoren auf entsprechenden Zellen nimmt bei entzündlichen Vorgängen enorm zu.
 

Abbildung: Akute Entzündung
Nach einer Vorlage bei Abbas / Lichtman / Pillai, Basic Immunology, 7th ed. Elsevier 2024

Abwehrzellen wie Makrophagen, dendritische Zellen, Mastzellen u.a. - zu diesen "Wächterzellen" (sentinel cells) zählen auch Fibroblasten, Epithelzellen, einige Lymphozyten - bilden bei Kontakt mit mikrobiellen Substanzen oder beschädigten Gewebezellen Zytokine und andere Mediatorstoffe. Einige davon (wie Histamin oder Prostaglandine) erhöhen die Gefäßpermeabilität, was den Austritt von Proteinen (z.B. Komplementfaktoren) aus dem Kreislauf in das Gewebe fördert. Andere (wie IL-1, TNF) regen die Expression von Chemokinen und endothelialen Adhäsionsmolekülen an.
 
Diese Umstellungen resultieren in der Extravasation von Leukozyten in das Gewebe, wo sie Mikroben abtöten, Reste beschädigter Zellen entfernen und Reparaturvorgänge anregen


Mastzellen und Makrophagen setzen Mediatoren wie Histamin, TNF, Prostaglandine u.a. frei. Diese Mediatoren bewirken
   Vasodilatation und erhöhen dadurch die Durchblutung (Rötung, Erwärmung des entzündeten Gewebes - rubor, calor),
   Austritt (Exsudation) von Proteinen und dadurch (kolloidosmotischer Effekt) Schwellung (tumor).
 
Diese Symptome (rubor, calor, tumor) gelten als klassische Zeichen der Entzündung - neben Schmerz (dolor) und beeinträchtigter Funktion (functio laesa).
 
 vgl. dort

  
   Im Falle verletzter körpereigener Strukturen treten Moleküle im Extrazellulärraum auf, die aus intrazellulären Kompartimenten (z.B. Hitzeschockproteine, ATP aus Mitochondrien, Histone aus dem Zellkern..) oder vom Abbau extrazellulärer Matrix (Proteoglykanpeptide) stammen und Gewebeschädigung signalisieren; man nennt sie daher DAMPs (damage-asssociated molecular patterns).

      Die molekularen Merkmale auf Mikroorganismen, die vom angeborenen Immunsystem erkannt werden, nennt man PAMPs (pathogen-asssociated molecular patterns) - pathogenassoziierte molekulare Muster, die entwicklungsgeschichtlich hoch konserviert und weit verbreitet sind (von zahlreichen unterschiedlichen Mikroben exprimiert werden). PAMPs kommen als Teile von Proteinen, Lipiden, Polysacchariden und Nukleinsäuren vor. Sie werden von Mustererkennungsrezeptoren gebunden, sind aber nicht für krankheitsverursachende Mikroorganismen spezifisch.

     PAMPs sind Strukturen auf Mikroben, die vom angeborenen Immunsystem erkannt und durch sie stimuliert werden. Beispiele: Bakterielle Lipopolysaccharide, virale RNA. PRRs (Mustererkennungsrezeptoren, pattern recognition receptors) des angeborenen Systems erkennen PAMPs und regen Immunreaktionen an. Beispiele: Toll-like Rezeptoren (Zellmembran), NOD-like Rezeptoren (intrazellulär).

Man spricht auch von Mikroben-assoziierten molekularen Mustern (MAMPs, microbe-asssociated molecular patterns). Vita-PAMPs werden von aktiven Mikroorganismen gebildet und rasch abgebaut, wenn sie nicht mehr vital sind; auf diese Weise kann das Immunsystem zwischen lebendigen und toten Erregern unterscheiden und reagiert vor allem auf erstere.

Für seine Funktionen benötigt das Immunsystem Rezeptoren sowie Liganden, die an diese gebunden werden. Solche Bindungen lösen - zell-, rezeptor- und ligandenspezifisch - eine breite Palette an Reaktionen aus.
  Einige dieser Rezeptoren prüfen ihre Umgebung auf die allfällige Anwesenheit pathogener Eindringlinge.
  Andere zielen darauf ab, nach Bindung des Liganden Signale zwischen Zellen auszutauschen.
  Wieder andere stellen fest, ob Nachbarzellen gesunde Zellen des eigenen Organismus sind oder (wenn nicht) eine Gefahr darstellen (Krebszellen).
  Man kann Immunrezeptoren in zwei große Gruppen einteilen: Präformierte des sogenannten angeborenen Immunsystems und solche des adaptiven Systems, die von Lymphozyten neu gebildet werden - je nach Antigenmuster auftauchender Pathogene. Zum adaptiven System s. dort.
  

Abbildung: Normale Immunantwort
Nach einer Vorlage in Hammer / McPhee, Pathophysiology of Disease, 8th ed. 2018, Lange / McGraw Hill

Links T-Zell-Reaktion, rechts Reaktion einer T-Helferzelle.
  
Links: Die meisten CD8-T-Zellen erkennen über HMC-I präsentierte Antigene und zerstören infizierte Zellen. Dadurch wird die Virenreplikation infizierter Zellen gestoppt. Aktivierte T-Zellen sowie infizierte Zellen produzieren Interferone (IFN), das verhindert die Infektion weiterer Zellen mit Viren.
  
Rechts: CD4-Helferzellen erkennen Antigene, die über MHC-II von Immunzellen präsentiert werden. Interleukin (IL) 2 und INF-γ aktivieren Makrophagen und zytotoxische T-Zellen, was intrazelluläre Pathogene abtötet. TH2-Zellen sezernieren IL 4, 5 und 6, das hilft B-Zellen, Antikörper zu produzieren. B-Zellen erkennen Antigene direkt in Form von Immunkomplexen auf dendritischen Zellen in lymphatischem Gewebe.
  
TCR, T-Zell-Rezeptor


     Unter Aktivierung von Leukozyten versteht man die Transformation vom Ruhezustand zu einem funktionell aktiven (Effektor-) Zustand.

Präformierte Rezeptoren ermöglichen eine rasche Reaktion auf immunologische Herausforderungen. Unter ihrem Schutz können Pathogene im Zaum gehalten werden, während das adaptive, spezifisch auf die Erkennung konkreter Epitope abzielende System seine Abwehr aufbaut (was mehrere Tage dauert). In der großen Gruppe präformierter Rezeptoren unterscheidet man
  Pattern recognition receptors (PRRs): Diese erkennen Strukturen, die auf beschädigten Strukturen sowie Mikroben / Pathogenen, nicht aber auf gesunden körpereigenen Zellen vorkommen.
  Killer activation receptors (KARs) auf NK-Zellen detektieren von gestressten Zellen sezernierte Moleküle, was zu Anlagerung und Abtötung dieser körpereigenen gestressten Zellen führt.
  Killer inhibition receptors (KIRs): Diese NK-Zell-Rezeptoren erkennen MHC-I-Moleküle an körpereigenen Zellen. Nur wenn diese zu wenig HMC-I erkennen lassen, kommt es zur Abtötung der Zielzelle.
  Komplementrezeptoren auf Phagozyten und B-Lymphozyten binden Komplementfragmente und lösen dann den Abbau "markierter" Mikroben aus (s. dort).
  Fc-Rezeptoren: s. dort.
  
Mustererkennungsrezeptoren (PRR)
 

Mustererkennungsrezeptoren (PRRs: pattern recognition receptors) erlauben dem angeborenen Immunsystem die Detektion von Mikroben (MAMPs: microbe-asssociated molecular patterns bzw. PAMPs: pathogen-asssociated molecular patterns) und von beschädigten Körperzellen (DAMPs: damage-asssociated molecular patterns). Sie werden von zahlreichen Zellarten exprimiert, u.a. dendritischen Zellen und Epithelzellen. Auf Phagozyten (Makrophagen, neutrophilen Granulozyten) vermitteln sie die Aufnahme "markierter" Strukturen in Phagosomen und deren lysosomalen Abbau. Es sind nicht-antigenspezifische Rezeptoren, die verschiedene DNA-Abschnitte, Lipopolysaccharide oder Lipoproteine von Krankheitserregern (Viren, Bakterien, Pilzen) erkennen und binden. Intrazelluläre PRRs können intrazelluläre Pathogene (Viren) detektieren und bekämpfen.

Die Aktivierung von PRRs regt
Phagozyten / dendritische Zellen an, führt zu Entzündungen und aktiviert auch das adaptive Immunsystem. PRRs vermitteln Transkription, Synthese und Sekretion von Zytokinen, was dendritische Zellen, Makrophagen, Neutrophile und NK-Zellen anlockt, s. auch dort.

Mustererkennungsrezeptoren sind z.B. Toll-like (membrangebunden auf der Oberfläche oder in Zellen), NOD-ähnlich (NLRs - erkennen Bakterien; NOD = nucleotide-binding oligomerization domain), C-Typ-Lektinrezeptoren (CLRs, z.B. der Mannoserezeptor von Makrophagen, beteiligen sich an der Phagozytose von Viren, Bakterien, Pilzen, Parasiten über Zuckerverbindungen). Sie binden an spezifische Proteine, Lipopolysaccharide, Nukleinsäuren u.a.:
  

Mustererkennungsrezeptoren
Pattern recognition receptors

Nach Doan / Lievano / Swanson-Mungerson / Viselli, Immunology (3rd ed). Lippincott Illustrated Reviews, Wolters Kluwer 2022
Rezeptor
Erkennt folgende PAMPs:
Aktiviert folgenden Transkriptionsfaktor:
Aktiviert folgende Zytokine / Zelltypen:
Schützt vor:
CLR
extrazelluläre
(Kohlenhydrate)
NF-κB
Th17-Zellen
(Produktion von IL-17)
Pilzen und Mykobakterien
NLR
intrazelluläre (Peptidoglycane)
n/a
IL-1ß und IL-18
Bakterien
RIG-1
zytoplasmatische
IRF-3 und NF-κB Typ-I-Interferone und IL-1ß
Viren
TLR 2, 5
extrazelluläre (Lipopeptide, Peptidoglycan, Flagellin)
NF-κB Typ-I-Interferone und IL-1ß Bakterien und Pilzen
TLR 3
intrazelluläre (ssRNA und dsRNA)
IRF-3 (vorwiegend)
Typ-I-Interferone und proinflammatorische Zytokine
Viren
TLR 7,8,9
intrazelluläre (RNA, DNA, CpG)
NF-κB proinflammatorische Zytokine
Viren (RNA/DNA), CpG-Motive auf DNA von Bakterien oder Pilzen
TLR 4
extrazelluläre (LPS), ENV Proteine von RSV
IRF-3 und NF-κB Typ-I-Interferone und proinflammatorische Zytokine Bakterien, Pilze, RSV

CLR = C-Typ Lektinrezeptor    CpG = DNA-Stelle mit Cytosin-Guanin in 5'-3'-Richtung    dsRNA = doppelsträngige RNA    ENV = = envelope (virales Protein)    IL = Interleukin    IRF-3 = interferon regulatory factor 3 (ein Transkriptionsfaktor  LPS = Lipopolysaccharid    NLR = NOD-like Rezeptor    PAMPs = pathogen-accociated molecular patterns    RIG-1 = retinoid acid-inducible gene 1    RSV = respiratory syncytial virus (RNA-Viren, die den oberen Respirationstrakt infizieren)    ssRNA = einzelsträngige RNA   Th17 = T17-Helferzelle    TLR = toll-like receptor
 
Was genau erkennen Mustererkennungsrezeptoren?

    Zu PAMPs zählen z.B. Lipopolysaccharide (LPS), wie sie sich in der Außenmembran Gram-negativer Bakterien finden. LPS können von mehreren Rezeptorarten erkannt werden, darunter das Lipopolysaccharid-bindende Protein (LBP) oder Toll-like-Rezeptoren (TLR). LPS aktivieren schon in geringer Konzentration Makrophagen und Monozyten, was zur Freisetzung entzündungsfördernder (inflammatorischer) Zytokine führt. LPS gelten als sehr wirksame Endotoxine, sie wirken pyrogen (fiebererzeugend).

    Auch formylierte Proteine - charakteristisch für bakterielle Proteinsynthese und auch von beschädigten Mitochondrien freigesetzt - werden von PRR des Immunsystems erkannt (FPR: formyl peptide receptors). Sowohl Bakterien als auch Mitochondrien nutzen Formylmethionin als Starter-Aminosäure ihrer Proteinsynthese (Körperzellen hingegen nutzen Methionin als Starter). Damit kann das Immunsystem über formylierte Proteinmoleküle einerseits die Anwesenheit von Bakterien (MAMPs / PAMPs), andererseits mitochondrialer Eiweiße im Extrazellulärraum (DAMPs: Mithchondrien aus verletzten Zellen) detektieren.

    Weiters sind körperfremde DNA / RNA bedrohlich - solche Nukleinsäuren sind Überträger potentiell gefährlicher Information. Die Unterscheidung zwischen fremder und eigener Nukleinsäure gelingt durch das Zusammenwirken mehrerer PRRs, wie TLR3 auf der Zellmembran; TLR3, 7, 8 und 9 auf Endozytosevesikeln und zahlreichen weiteren Nukleinsäuresensoren im Zytoplasma. Sowohl der Ort als auch die Struktur der DNA sind wesentlich: Die Anwesenheit außerhalb des Zellkerns deutet auf Zellschädigung hin; die Basenfolge spielt eine Rolle für die Erkennung mikrobiellen Ursprungs. Zur Erkennung intrazellulärer Fremdnukleotide dienen zelluläre (körpereigene) Proteine, die mikrobielle RNA (RLRs, RIG-like receptors, und MDA5, melanoma differentiation-associated protein 5) oder DNA erkennen (CDSs, cytosolic DNA sensors).
 
    RIG-I (
retinoid acid-inducible gene 1)-Rezeptoren (RLRs) sind intrazelluläre PRRs. Es sind Hekilasen zur Erkennung von kurzen doppelsträngigen viralen RNA-Sequenzen (dsRNA). Sie können Typ I-Interferon-Antworten auslösen und sind ein essentieller Faktor der angeborenen Abwehr. RLRs werden von zahlreichen Zelltypen exprimiert, die zu Infektion durch RNA-Viren neigen. 
 
MDA5 (
melanoma differentiation-associated protein 5) gehört zur RLR-Famile und kann u.a. lange doppelsträngige virale DNA erkennen. In aktivierter Form wirkt es - wie andere RLRs - mit mitochondriellen antiviralen Signalwegen (MAVS) zusammen, was die Transkription von Typ I-Interferonen anregt.

    Kohlenhydrate werden von Immunrezeptoren nach ihrem Glykosylierungsmuster klassifiziert; beispielsweise sind Mannose (Bakterien) oder ß-Glukan (pathogene Pilze) Hinweise auf die Anwesenheit körperfremder Oberflächen.

    Rezeptoren auf Phagozyten (Scavangerrezeptoren) erkennen unterschiedliche Liganden und vermitteln Aufnahme und lysosomalen Abbau der gebundenen Merkmale.


PAMPs können von beiden Armen des Immunsystems (angeboren und adaptiv) erkannt werden:
 
PAMPs und angeborene Abwehr  PAMPs und adaptive Abwehr Somatische Rekombination
 
PAMPs und angeborene Abwehr
 
Die Erkennung und Neutralisierung "auffälliger", d.h. immunrelevanter Strukturen erfolgt schon im Rahmen der angeborenen Abwehr mit Hilfe von
 
      Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) auf und in Phagozyten, dendritischen Zellen, B-Lymphozyten, Endothel- und vielen anderen Zellen, und
 
      Anregung zur Phagozytose (Opsonisierung) und Antigenpräsentation.

Das angeborene System nutzt beinahe 100 verschiedene Rezeptoren (wie z.B. Toll-like Rezeptoren), mit denen schätzungsweise 1000 mikrobielle Molekülmuster erkannt werden können - diese Rezeptoren sind jeweils immer gleich aufgebaut (invariant) und in ihrem Bauplan genetisch festgelegt. Im Gegensatz dazu erkennt das adaptive System mehr als 10 Millionen verschiedene Antigene; dazu braucht es lediglich zwei Typen (Familien) von Rezeptoren, Immunglobuline und T-Zell-Rezeptoren, allerdings mit einer fast beliebig großen Zahl molekularer Variationen (somatische Rekombination von Gensegmenten).

Damit erkennt das angeborene System Mikrobenklassen und kann gesunde von beschädigten Zellen unterscheiden (gesunde Zellen werden nicht angegriffen). Das adaptive System hingegen kann verschiedene mikrobielle Antigene - auch auf ein und derselben Mikrobe - spezifisch auseinanderhalten (es kann auch irrtümlich körpereigene Zellen attackieren: Autoimmunerkankungen).
 

Abbildung: Pattern Recognition- Rezeptoren
Nach Lionakis MS, Netea MG. Candida and host determinants of susceptibility to invasive candidiasis. PLoS Pathog. 9, e1003079 (2013)

Beispiel: Erkennung von Candida (einer Pilzgattung)
. Die Rezeptoren erkennen ganz unterschiedliche Moleküle der Pilze, z.B. Bestandteile der Zellmembran oder Nukleotide. Der Effekt ist z.B. spezifische Proteinsynthese (Transkription, Translation).
 
Die TLR (Toll-like Rezeptoren) TLR2 und TLR4 erkennen Mannane (Maltosepolymere), TLR9 erkennt Pilz-DNA.
 
Dectin, Galectin 3 und Mincle (Macrophage inducible Ca-dependent lectin receptor) sind Mitglieder der Lektin-Familie. Galectin 3 erkennt zusammen mit TLR2 ß-Mannoside. Mannosereiche Candida-Strukturen (Candida albicans ist ein pathogener Hefepilz) werden u.a. durch Makrophagenrezeptoren und Mincle detektiert, Mannane und Glucane durch Dectin. Der Komplementrezeptor 3 (CR3) auf neutrophilen Granulozyten erkennt außerdem ß-Glucane.
 
    ASC, Apoptosis-associated speck-like protein containing a CARD, CARD-haltiges Protein    BCL-10, B-cell lymphoma/leukemia 10, CARD-hältiges Protein    CARD9, Caspase recruitment domain-containing protein 9, Adapterprotein    Caspasen s. dort
 
  IRAK, Interleukin-1 receptor-associated kinases, Proteinkinasen    IRF3, Interferon regulatory factor 3, spielt eine wichtige Rolle bei der angeborenen Virenabwehr
 
    MALT1, Mucosa-associated lymphoid tissue lymphoma translocation protein 1, Paracaspase    MKK, MAP-Kinase-Kinase    MyD88, Myeloid differentiation primary response 88, Adapterprotein
 
    Ras/Raf-System: Ras sind normalerweise inaktive Proteine an Tyrosinkinasemolekülen der Zellmembran, sie werden durch Bindung eines Signalstoffs an den Rezeptor "eingeschaltet" und aktivieren intrazelluläre Proteine, die wiederum die Transkription entsprechender Genabschnitte induzieren
 
    Syk (Spleen tyrosine kinase), Tyrosinkinase    TRAF, TNF receptor associated factors, Signaltransduktionsproteine    TRIF, TIR-domain-containing adapter-inducing interferon-β, Adapterprotein


Zu den PAMPs, welche Mustererkennungsrezeptoren detektieren, gehören
 
   
   mit Zellen assoziierte Rezeptoren (in der Zellmembran, in Phagozytosevesikeln und im Zytoplasma - überall, wo Mikroben sein können) wie Toll-like Rezeptoren (TLRs), intrazelluläre Nod-like receptors (NLRs), Scavenger receptors u.a., sowie
 
       lösliche Faktoren, wie Collectine, Ficoline, Pentraxine oder Komplementfaktoren.

Molekulare Kennzeichen (PAMPs), die zur Erkennung von Mikroben vom angeborenen Immunsystem über (~100 verschiedene, gleichbleibende Rezeptoren in Zellmembranen) erkannt werden können, umfassen fremde
 
      Nukleinsäuren (z.B. Doppelstrang-RNA),
 
      Proteine (z.B. Flagellin, erkannt durch TLR5; Pilin),
 
      Zellwandlipide (z.B. Lipopolysaccharid, erkannt durch TLR4; Lipoteichonsäuren) und
 
      Kohlenhydrate (z.B. Glucane, Mannane).

Diese Muster sind häufig essentiell für das Überleben der Mikroben, sodass die Erkennung nicht ohne weiteres durch Mutationen (die für die Mikrobe problematisch wären) unterlaufen werden kann.

Das angeborene Immunsystem erkennt auch Produkte von beschädigten Zellen (DAMPs
):
 
      Stressinduzierte Proteine (z.B. Hitzeschockprotein),
 
      Kristalle (z.B. Harnsäure),
 
      Matrixproteine (z.B. Proteoglykanpeptide),
 
      Mitochondrien bzw. deren Komponenten (z.B. formylierte Proteine),
 
      Kernproteine (z.B. Histone).

DAMPs können z.B. infolge Einwirkung von Hitze, Toxinen, Sauerstoffmangel oder Traumen entstehen. Zellen, die einer Apoptose unterliegen, setzen keine DAMPs frei.

Das Erkennen von MAMPs / PAMPs / DAMPs aktiviert Signaltransduktionswege mit dem Ziel antimikrobieller und entzündungsfördernder Aktivität.
 
  PAMPs und adaptive Abwehr
 

Die adaptive Abwehr nutzt spezifische Immunrezeptoren. Diese gehören zur Immunglobulin-Superfamilie ( Abbildung). Das sind Rezeptorkomplexe, die integral in der Zellmembran verankert sind und extrazelluläre Liganden (antigene Epitope) spezifisch erkennen. Zytoplasmatische Enden (meist begleitender) Moleküle tragen spezielle Sequenzen zur Beeinflussung intrazellulärer Signalwege.
 
  Als antigene Determinante oder Epitop bezeichnet man den Teil eines Antigens, der von Lymphozyten / Antikörpermolekülen spezifisch erkannt und gebunden wird.
 
Inhibitorische Rezeptoren finden sich in T- und B-Lymphozyten sowie natürlichen Killerzellen (NK) und spielen eine wichtige Rolle bei der Begrenzung von Immunreaktionen. Dazu trägt auch der ubiquitinabhängige Abbau von Signalproteinen in der Zelle bei.
 

Abbildung: Mitglieder der Immunrezeptorfamilie (Auswahl)
Nach einer Vorlage in Abbas / Lichtman / Pillai: Cellular and Molecular Immunology, 9th ed. 2018

Im Allgemeinen bestehen aktivierende Immunrezeptoren aus zwei separierten Teilen:
 
   Einem mit extrazellulären Erkennungsdomänen (BCR = B-Zell-Rezeptor, TCR = T-Zell-Rezeptor, FcεRI = IgE-Rezeptor) und
 
   einem assoziierten mit intrazellulären ITAMs (Immunoreceptor Tyrosin-based Activation Motifs). Auf intrazelluläre Signalwege inaktivierend wirken ITIMs (Immunoreceptor Tyrosin-based Inhibitory Motifs) - wie beim inhibitorischen Rezeptor FcγRIIB.
 
B-Zell-Rezeptoren sind mit den ITAM-Trägern Igα und Igβ assoziiert, T-Zell-Rezeptoren mit CD3 und ζ-Ketten (zusammen der T-Zell-Rezeptorkomplex). Einige andere Rezeptorkomplexe enthalten ITIMs.
 
Disulfidbrücken gelb angedeutet


Meist sind antigenerkennende und intrazellulär aktive Moleküle assoziiert, aber unterschiedlich wirksam. Tyrosinbindende Sequenzen (ITAMs) aktivieren intrazelluläre Signalwege, andere (ITIMs) hemmen sie ( Abbildung) durch Phosphatase-Aktivität.
 
     Ein ITAM (Immunoreceptor Tyrosin-based Activation Motif) ist ein Proteinmotiv in der Membran von Immunzellen, in der Nachbarschaft diverser anderer Membranproteine (Immunglobuline, Fc-Rezeptoren, CD3 u.a). Binden betreffende Rezeptoren ihre Liganden, werden ITAMs an Tyrosinresten phosphoryliert und bewirken die Produktion von Zytokinen, Exozytose zytotoxischer Granula u.a.
 
Ein
ITIM (Immunoreceptor Tyrosin-based Inhibitory Motif) ist ein Proteinmotiv im intrazellulären Ende verschiedener inhibitorischer Rezeptoren in Immunzellen, wie immungobulinähnliche oder FcγRIIB-Rezeptoren auf NK-Zellen. In aktivierter (phosphorylierter) Form hemmt es Transduktionswege.
 
Zur Immunglobulin-Superfamilie gehören B-Zell-Rezeptoren (auf B-Lymphozyten), T-Zell-Rezeptoren (auf T-Lymphozyten) und Fc-Rezeptorern (auf Mastzellen) sowie Rezeptoren auf NK-Zellen. Die Rezeptorkomplexe ( Abbildung) enthalten teils ITAMs (und aktivieren Signalwege), teils ITIMs (und hemmen diese). Bei Bindung von Ligenden kommt es meist zur Gruppierung (Clustering) der Rezeptorkomplexe und Wirksamwerden der intrazellulären Polypeptidketten, z.T. durch deren Entfaltung und Freiwerden von Tyrosinresten an ITAM-Motiven, was Phorphorylierung durch Tyrosinkinasen der Src-Familie (Src-Kinasen aktivieren z.B. Adhäsions- und Adapterproteine und Transkriptionsfaktoren) erlaubt.

   

Abbildung: Interaktion (cognate recognition) zwischen antigenpräsentierender Zelle (APC - z.B. dendritische Zelle) und antigenspezifischer T-Zelle
Nach O'Hagan DT, Valiante NM, Recent advances in the discovery and delivery of vaccine adjuvants. Nature Rev Drug Discov 2003; 2: 727-35

Eine erfolgreiche Interaktion ist von der Erkennung von Peptid-MHC-Dimeren durch T-Zellen (mittels TC-Rezeptoren) in Zusammenwirken mit streng regulierter Cofaktor-(CD)-erkennung und Zytokinfreisetzung abhängig. Dieses Signal reicht aber nicht aus, um eine spezifische T-Zell-Reaktion auszulösen und zu verstärken: Dies bedarf eines zusätzlichen Signals.
 
Der von antigenpräsentierenden Zellen (APC) exprimierte Bindungspartner von CD28 - B7 (B7-1 = CD80, B7-2 = CD86) - wirkt als Costimulator; fehlt er, bleibt die Aktivierung der T-Zelle aus (fehlende Antwort oder Toleranz).
 
Die Expression von Costimulatoren und Zytokinen durch APCs ist streng reguliert und findet nur statt, wenn die APC Antigene zusammen mit pathogenassoziierten molekularen Mustern vorfindet
 
    Ein Costimulator ist ein von antigenpräsentierenden Zellen exprimiertes Molekül. Zusätzlich zum Antigenreiz vermittelt er ein Signal zur Aktivierung einer naiven T-Zelle


Der Signalmechanismus in der angeregten Zelle hängt von Begleitumständen ab. Während der Entwicklung der Lymphozyten ist eine schwache Anregung der Rezeptoren für das Überleben der Zelle notwendig (positive Selektion). Lymphozyten, deren Rezeptoren durch MHC-assoziierte normale, körperspezifische Molekülmuster intensiv angeregt werden, werden im Thymus ausgeschaltet (negative Selektion).

Die Toleranz gegenüber körpereigenen Zellen ist bei Autoimmunerkrankungen durchbrochen. Zahlreiche Erkrankungen sind auf Fehler im immunologischen Gedächtnis zurückzuführen: Körpereigene Strukturen werden als fremd erkannt und vom Immunapparat angegriffen - einige Beispiele: Primär chronische Polyarthritis, Hashimoto-Thyreoiditis, erworbene hämolytische Anämie, Myasthenia gravis.

Corezeptoren (wie CD4 und CD8) mit ihren intrazellulären Domänen - die stimulierend oder inhibierend auf den intrazellulären Signalweg wirken können - spielen eine entscheidende Rolle. Sie binden an Komponenten des vom Antigenrezeptor erkannten Liganden; ihre Anwesenheit ist für die Rezeptoraktivierung an B- oder T-Lymphozyten notwendig.

Dazu kommt im Immunsystem noch die zusätzliche Wirkung von Costimulatoren, das sind zusätzliche Rezeptoren, die nicht an Komponenten des vom Antigenrezeptor erkannten Liganden binden. Auch ihre Anwesenheit ist für die Aktivierung von B- oder T-Lymphozyten-Rezeptoren notwendig ( Abbildung). Sie tragen ein für die Aktivierung benötigtes "zweites Signal" (second signal) bei (die Antigenerkennung ist das erste Signal).
 
Somatische Rekombination
 
Wie erlangen lymphozytäre Rezeptoren und Antikörper ihre enorme Vielfalt? Immerhin bilden sich bei jedem Menschen (mit insgesamt ~2.104 Genen) zig Millionen Lymphozyten mit jeweils unterschiedlicher Spezifität ihrer Rezeptoren / Antikörper aus, und erst im Rahmen der zufallsgesteuerten klonalen Selektion bestimmt das allfällige Rendez-vous mit passenden Antigenen, welche Lymphozyten für Vervielfältigung und spezifische Abwehr "auserlesen" werden.
    Man schätzt, dass der Mensch die Kapazität zur Erkennung / spezifischen Bindung von 1015 (~eine Billiarde) unterschiedlicher Epitope hat.
 

Abbildung: Chromosomale Genorte für Immunglobuline
Nach einer Vorlage in Bröker / Schütt / Fleischer, Grundwissen Immunologie, 4. Aufl. Springer 2019

Genloci für variable (V, D, J) und konstante (C) Domänen am Ig-Molekül. Die Zahlen geben an, wie viele Genorte für die einzelnen Globulinabschnitte zur Kombinatorik durch die Zelle bereitstehen


Keimbahnkonfiguration: Dabei befinden sich die Anleitungen zur Synthese der Bausteine für lymphozytäre Rezeptoren auf verschiedenen Chromosomen (Abbildungen): Lymphozytäre Rezeptoren bzw. Antikörper sind aus mehreren Typen von Bausteinen zusammengesetzt, bezeichnet mit V (variable), D (diversity), J (joining) und C (constant).

Die konstanten Elemente (C) werden nach dem Zusammenstellen der variablen Regionen (dem rekombinierten Genbereich) durch Spleißen an das entstandene RNA-Molekül angeknüpft. Dann wird durch Translation das fertige Protein (Antikörper, T-Zell-Rezeptor) gebildet.

B-Zellen codieren ihre Immunglobulin-Information auf Chromosom 2 (κ-Leichtkette), 14 (schwere Kette) und 22 (λ-Leichtkette) ( Abbildung). Beispielsweise beinhaltet Chromosom 14 für die schwere Kette (H: heavy) des Antikörpermoleküls 40, für den D-Abschnitt 25, für den J-Abschnitt 6 Genorte.

Diese Bestandteile werden nach einem "Baukastensystem" frei kombiniert zusammengesetzt. Die Gencluster codieren nur den Bausatz an sich, nicht die Auswahl der realisierten Sequenzen, d.h. die Zusammensetzung der fertigen Rezeptor- bzw. Antikörpermoleküle eines Lymphozyten. Diese Auswahl trifft die individuelle Zelle ("Genpuzzle", somatische Rekombination); dabei wird die DNA dieses Zellklons bleibend verändert und an alle Tochterzellen so übertragen.
 

Abbildung: Chromosomale Genorte für T-Zell-Rezeptoren (TCR)
Nach einer Vorlage in Bröker / Schütt / Fleischer, Grundwissen Immunologie, 4. Aufl. Springer 2019

Genloci für variable (V, D, J) und konstante (C) Domänen der Rezeptor-Proteine

Bei den T-Zell-Rezeptorgenen werden diejenigen für die β- und γ-Ketten über Chromosom 7, für α- und δ-Ketten über Chromosom 14 codiert ( Abbildung).

Sowohl bei B- (Knochenmark) als auch T-Lymphozyten (Thymus) bedarf es bei der Differenzierung der Zusammenfügung der Elemente, was - wie geschildert - für jeden Lymphozyten ein spezifisches Muster ergibt. Wie das Muster aussieht, ist nicht vorhersehbar - welche V- mit welchen D- und J-Elementen zusammenkommen, unterliegt dem Spiel des Zufalls.

Immer werden Elemente innerhalb desselben Chromosoms rekombiniert, und die Reihenfolge VDJ wird immer eingehalten.

Kombinatorische Vielfalt: Die Zelle verfügt über jeweils ein Allel vom Vater und eines von der Mutter; diese Gene sind zunächst in der Keimbahnkonfiguration angeordnet (Abbildungen). Durch den Einfluss von Enzymen (z.B. Rag-1 und Rag-2), die sich vor den Genen an konservierte Signalsequenzen anheften, Genabschnitte aus der DNA herauslösen und neu kombinieren, entstehen vielfältige neue Genkombinationen.
 
     RAG1 und RAG2 sind Gene (RAG: Recombination activating gene), die den Bauplan für VDJ-Rekombinasen (wie Rag-1, Rag-2) codieren. Sie werden von sich entwickelnden B- und T-Lymphozyten exprimiert. Dadurch können diese reifen und durch genetische Rekombination funktionsfähige Immunglobuline bzw. T-Zell-Rezeptoren ausbilden.

So entsteht zunächst eine DJ-Kombination, die dann mit einem V-Element zusammengefügt wird (VJ-Verknüpfung). In B-Zellen werden zusätzlich leichte und schwere Ketten zufallsgesteuert gepaart. Die kombinatorische Diversität beträgt bei Antikörpern ~2.106, bei T-Zell-Rezeptoren knapp 6.106 mögliche Muster.

Dabei werden die Verbindungen zwischen den Genblöcken nicht präzise zusammengestellt (junktionale Diversität); das erhöht zwar die Zahl möglicher Muster, birgt aber auch die Gefahr verschobener Transkriptionsraster ("Nonsense"-Proteine, die Zelle versucht es noch einmal).
Mit junktionaler Diversität erhöht sich die Zahl möglicher Muster bei Antikörpern auf ~5.1013, bei T-Zell-Rezeptoren auf ~1018.


Immunogenität und Immunantwort
 
Eine Immunantwort (immune response) auf entsprechende Reize (z.B. Anwesenheit von Pathogenen) besteht aus folgenden Teilen bzw. Phasen:
    Erkennung des fraglichen Materials als fremd bzw. gefährlich
    Frühe (angeborene) Reaktion auf die Erkennung
    Langsamere spezifische Reaktion auf ein bestimmtes Antigen (adaptive Antwort)
    Verstärkung dieser Antwort
    Immunologisches Gedächtnis
 
Identifikation: Das Immunsystem erkennt molekulare Strukturen, die
nur auf körpereigenen Zellen vorhanden sind (Selbsterkennung, "SELF"): Dadurch wird festgestellt, dass eine Interaktion zwischen Zellen im Organismus sicher ist (um bestimmte physiologische Aufgaben gemeinsam wahrzunehmen). Solche Strukturen sollten auf Mikroben, körperfremden oder auch abnormen körpereigenen Zellen (z.B. Krebszellen) nicht vorhanden sein;
nur auf Fremdzellen vorhanden sind (Fremderkennung, "NON-SELF"): Das funktioniert entweder über genetisch vorgegebene Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) oder das Komplementsystem, oder über Rezeptoren /Antikörper, die von Lymphozyten (T- oder B-Zellen) gebildet werden, wenn sie durch Begegnung mit einem entsprechen "passenden" Antigen zur Teilung veranlasst wurden (Klonselektion). Im ersten Fall ist die Abwehr unmittelbar, aber auf relativ wenige Merkmale (ca. 102) beschränkt und nicht lernfähig (angeboren); im zweiten Fall ist sie hochspezifisch, mit ungeheurer Variabilität und einem "Gedächtnis" versehen, braucht aber mehrere Tage, um wirksam werden zu können (adaptiv).
Auch die Abwesenheit eines Selbst-Merkmals (ABSENCE OF SELF) kann einen Angriff auf die betreffende Zelle veranlassen, z.B. durch NK-Zellen. Diese stellen fest, ob die Zahl an MHC-I Molekülen (die von jeder kernhaltigen Zelle exprimiert werden) auf der potentiellen Zielzelle gesunken ist (wie das bei virusinfizierten oder Krebszellen passiert) - nur dann töten sie die Zelle ab.

    Als Antigene bezeichnet man Moleküle, die von Antikörpern und/oder Lymphozyten über Rezeptoren spezifisch erkannt und gebunden werden.
Die kleinsten individuell erkennbaren Teile von Antigenen (minimum recognition unit), die von Immunrezeptoren gebunden werden können (in diesen Rezeptor "passen"), nennt man Epitope (jedes Antigen enthält ein oder mehrere Epitope) oder antigene Determinanten (vermutlich 4-6 Aminosäuren). Im adaptiven System bindet das Antigen spezifisch an Antikörper, B-Zell- oder T-Zell-Rezeptoren (oft ist die Verwendung der Begriffe "Antigen" und "Epitop" auf das adaptive System beschränkt). Die zu Grunde liegenden Erkennungsmechanismen sind hochspezifisch. Gestalt und Ladung der Bindungspartner Rezeptor - Epitop bestimmen jeweils die entsprechende Affinität, im Falle verschiedener Rezeptoren heißt deren kollektive Affinität Avidität.

Antigege werden in zwei Gruppen eingeteilt:

   Solche, deren Produktion eine Beteiligung von T-Lymphozyten erfordert (thymus-dependent antigens), z.B. die meisten Proteine; und
   solche, welche spezifische B-Lymphozyten direkt anregen können (thymus-independent antigens), z.B. bakterielle Polysaccharide. Letztere benötigen zur Antikörperbildung keine Kooperation mit T-Zellen, vernetzen direkt B-Zell-Rezeptoren an der Oberfläche von B-Zellen, produzieren vor allem IgM und IgG2-Antikörper und lassen nur schwach ausgeprägtes immunologisches Gedächtnis zurück.

Verschiedene Lymphozyten - jeder mit seinen eigenen spezifischen Rezeptoren - können verschiedene Epitope eines bestimmten Antigens erkennen (und auf dieses reagieren). Einige Rezeptoren (solche von B-Lymphozyten) erkennen "ihre" Epitope sowohl an Oberflächen (Zellmembranen) befestigt oder frei gelöst, unter Umständen sogar nach Proteolyse des Antigens. Andere Rezeptoren (vor allem solche von T-Lymphozyten) können Epitope nur binden, wenn diese an spezifische Oberflächenmoleküle angelagert sind (MHC-System).

Je nach der Art der Immunantwort, welche sie auslösen, unterscheidet man folgende drei funktionellen Gruppen von
Antigenen / Epitopen: Immunogene, Haptene und Tolerogene.
Immunogene lösen nicht nur eine Antwort des Immunsystems aus, sondern diese Antwort ist auch spezifisch gegen sie gerichtet. Im angeborenen System erfolgt die Antwort sofort, bei wiederholter Exposition des Körpers wiederholt sich der Vorgang immer in gleicher Weise. Im adaptiven System hingegen erfolgt auf die erstmalige Konfrontation des Körpers eine Klonselektion, die Zahl der spezifisch gegen das Epitop / Antigen gerichteten Zellen vermehrt sich (und damit die Intensität der - verzögerten - spezifischen Abwehr), einige Gedächtniszellen bleiben für lange Zeit im Körper und erlauben bei einer nächsten Konfrontation mit demselben Epitop / Antigen eine raschere spezifische Abwehrreaktion.
Haptene sind kleine Moleküle (meist nicht-biologischen Ursprungs: z.B. Dinitrophenol, Nickel,..), die sich wie synthetische Epitope verhalten. Alleine sind sie nicht in der Lage, eine Immunreaktion auszulösen, können aber mit bereits existierenden Antikörpern reagieren: Sind sie an ein Immunogen (hier auch als Carrier bezeichnet - insbesondere körpereigene Proteine) gebunden, können Immunantworten sowohl gegen dieses als auch gegen das Hapten ausgelöst werden (Sensibilisierung). Wiederholte Exposition mit einem solchen Immunogen-Hapten-Komplex führt zu entzündlichen Reaktionen und u.U. Autoimmunität.
Tolerogene lösen immunologische Toleranz gegen sie aus. Das können körpereigene Merkmale sein, gegen die das Immunsystem im Zuge der Entwicklung des immunologischen Repertoirs lernt, nicht zu reagieren (immunologische Toleranz) oder auch Antigene, die oral aufgenommen werden (Nahrungsbestandteile).
 

  Abbildung: Aufbereitung und Präsentation von antigenen Peptiden
Nach einer Vorlage in Strachan / Read, Human Molecular Genetics, 5th ed. 2020 (CRC Press)

MHC-I-Proteine (bei menschlichen Zellen auch HLA-I genannt) binden Peptide aus dem Abbau (vor allem) intrazellulär synthetisierter Proteine (zellulär oder mikrobiell - viral, intrazellulär-bakteriell) und zeigen sie an der Zelloberfläche vor.
 
Der Abbau intrazellulär produzierter Proteine erfolgt mittels Proteasomen. Dabei entstandene Peptidfragmente wandern in das endoplasmatische Retikulum, wo sie durch Aminopeptidasen (ERAP: endoplasmic reticulum aminopeptidase) in Oligopeptide (8-9 Aminosäuren lang) zerlegt werden (die richtige Größe, um auf die Bindungsnische des MHC-Proteins zu passen).
 
Hat die Bindung stattgefunden, wandert der MHC-Peptid-Komplex an die Zelloberfläche und kann dort von Lymphozyten (in diesem Fall Killer-T-Zellen) erkannt werden. Alle intrazellulär gebildeten Proteine werden laufend diesem "Qualitätscheck" unterzogen; Zellen mit "unauffälligen" Peptidfragmenten bleiben unbehelligt, infizierte oder Tumorzellen werden abgetötet.
 
MHC-II-Proteine binden über einen analogen Vorgang etwas größere Peptidbruchstücke von Proteinen, die (vorwiegend) von außerhalb der Zelle stammen, und präsentieren sie an Helfer-T-Zellen. Sie werden nur von "professionellen antigenpräsentierenden Zellen" (dendritischen Zellen, Makrophagen, B-Zellen) gebildet


Die Immunogenität einer Substanz hängt u.a. ab von
 
      Molekülgröße (Proteine >10 kDa sind meist immunogener als kleinere),
 
      Komplexität des Moleküls (zahlreichere Epitope möglich),
 
      Konformation (räumliche Anordnung - Epitope müssen zugänglich sein für den immunologischen Erkennungsmechanismus),
      chemischen Eigenschaften: Phagozyten bauen das Immunogen enzymatisch ab und "präsentieren" Spaltprudukte (  Abbildung oben) als potenzielle Epitope an Lymphozyten. Polypeptide aus L-Aminosäuren sind der Proteolyse zugänglich, gut abbaubar und immunogen; Lipide, Steroide, viele Kohlenhydrate sind hingegen kaum immunogen.
 
Abwehrmechanismen können einerseits Moleküle aus dem Inneren verletzter Zellen betreffen (zusammengebrochene Kompartimentierung), andererseits molekulare Charakteristika eingedrungener Mikroben. In beiden Fällen handelt es sich um Gefahrensignale (danger signals), deren molekulare Eigenschaften enorme Variabilität aufweisen.

 

Abbildung: Angeborenes und adaptives System
Nach einer Vorlage in Strachan / Read, Human Molecular Genetics, 5th ed. 2020 (CRC Press)

Die Barrieren des angeborenen Immunsystems (links) können physikalischer (dichte Epithelschichten), chemischer (z.B. Magensäure, antimikrobielle Enzyme) oder biologischer Natur sein (NK = natürliche Killerzellen, Phagozytose, Entzündungsreaktion etc).
 
Das adaptive Immunsystem stützt sich auf die Aktivität von Lymphozyten. Diese entwickeln sich aus Lymphoblasten, die noch unreif sind. B-Lymphozyten bilden Antikörper (Immunglobuline, die an den Extrazellulärraum abgegeben werden), T-Lymphozyten nutzen membranständige Rezeptoren zur Erkennung von Antigenen, die von anderen Zellen "präsentiert" werden.
 
Lymphoblasten sind "naive" Lymphozyten


Man unterscheidet ein angeborenes Immunsystem - von der Geburt an verfügbar und in der Lage, definierte, weitgehend invariante chemische Merkmale von Gefahrensignalen zu erkennen - und ein (nur bei Wirbeltieren vorhandenes) adaptives, dessen Erkennungsmoleküle (Antikörper bzw. entspechende Rezeptoren) eine enorme Vielfalt möglicher Erkennungsspezifitäten ausbilden und dadurch gegen ein breites Spektrum beliebiger molekularer Charakteristika - die im Rahmen von Infektionen auftreten können - spezifisch zu binden und zu bekämpfen. Diese beiden Systeme kooperieren und ergänzen einander. Das (entwicklungsgeschichtlich ältere) angeborene System ist jederzeit aktivierbar, das (phylogenetisch jüngere) adaptive System braucht zur vollen Ausbildung aktuell benötigter spezifischer Werkzeuge länger (Tage nach einer Infektion).

Bei einer ungestörten Teilungsrate von 1/Stunde würde ein Bakterium innerhalb von 24 Stunden schon an die 20 Millionen Nachkommen haben und eine ernste Infektion verursachen. Es ist daher klar, dass in der Anfangsphase die angeborene Immunität alleine mit mikrobiellen Herausforderungen fertig werden muss; der adaptive Teil des Immunsystems braucht mehrere Tage, um über Klonselektion und entsprechende Mitosekaskaden effizient an der Bekämpfung von Mikroben teilzunehmen.
 

Abbildung: PAMPs und DAMPs
Nach Rosin DL, Okusa MD. Dangers Within: DAMP Responses to Damage and Cell Death in Kidney Disease. JASN 2011; 22: 416-25

"Strangers": Infektionen bzw. pathogene Mikroorganismen setzen pathogen-assoziierte molekulare Muster (PAMPs: Pathogen-associated molecular patterns) frei. Diese binden an Mustererkennungsrezeptoren (PRR) auf Immunzellen. Das stimuliert das angeborene wie auch das adaptive Immunsystem, Gewebeschäden werden behoben und Mikroben abgewehrt.
 
"Dangers": Ähnliche Mechanismen werden durch gestresste oder beschädigte Zellen aktiviert. Entsprechende molekulare Komponenten (DAMPs: Danger--associated molecular patterns) binden ebenfalls an PRRs oder spezielle DAMP-Rezeptoren. Auch das löst Immunantworten aus, an denen sich u.a. antigenpräsentierende Zellen (APC) - wie dendritische Zellen und Makrophagen - sowie T-Lymphozyten und neutrophile Granulozyten beteiligen


Normalerweise halten intakte Haut und Schleimhäute mit ihren natürlichen Abwehrmechanismen (Talg, Säure, Schleim, Zilienschlag, antivirale / antibakterielle Stoffe etc) Mikroorganismen auf Distanz. Wenn Pathogene diese erste Barriere durchbrechen (durch Produktion spezieller Anheftungsstrukturen, Enzyme, Toxine sowie Wachstumsfaktoren), muss das angeborene Immunsystem molekulare Muster auf den Mikroorganismen detektieren, um sinnvoll reagieren zu können - in erster Linie über Rezeptorproteine ("Alarmsystem").

    Bewertung des pathogenen Potentials: Mikrobielle Merkmale finden sich nicht nur auf pathogenen Mikroorganismen, sondern auch auf Kommensalen, d.h. Mitgliedern der Normalflora - sogenannte Mikrobiotope:
 Ekto
kommensalen auf äußeren Oberflächen (z.B. Haut).
Endokommensalen auf inneren Oberflächen (z.B. Darm).

Das Immunsystem bewertet die Eigenschaften als harmlos, solange die Mikroben auf Haut- oder Schleimhautoberflächen verbleiben, hingegen als gefährlich, wenn sie diese Oberflächen überschreiten.

    Immunreaktion / Abwehr: Der Identifikation betreffender Merkmale (DAMPs, PAMPs / MAMPs) folgen verschiedene Wirk- bzw. Abtötungsmechanismen (auch Fremdsubstanzen können gelegentlich Immunantworten auslösen). Die Antwort der Immunzelle kann Zellteilung und Differenzierung, Entleerung von Granula, Zytokinbildung, oder auch Apoptose sein. Bei der "Übersetzung" des Reizes an der Membran zur zellulären Reaktion spielen Enzyme, second messengers, Transkriptionsfaktoren u.a. eine tragende Rolle (vgl. Zellphysiologie).

Das Immunsystem greift gefährlich gewordene Mikroorganismen und
"verdächtige" körpereigene Zellen an, die infiziert (Viren, intrazelluläre Bakterien) oder anderweitig verändert sind ("gestresste" Zellen, Tumorzellen). Autophagie ist der lysosomale Abbau von Molekülen und Organellen aus geschädigten Zellen.

    Eindämmung immunologischer Abwehrmechanismen: Immunologische Abwehrmechanismen unterliegen selbst einer strengen Kontrolle, damit sie nicht ausufern und mehr Schaden als Nutzen anrichten. Beispielsweise wirken Gewebemakrophagen entzündungshemmend und können so Immunreaktionen limitieren; Lymphozyten bauen negative Rückkopplungskreise auf; etc. (Manche sagen, die eine Hälfte des Immunsystems dient dazu, die andere Hälfte im Zaum zu halten.)

Immunität ist
systemisch: Immunzellen und Immunmoleküle bewegen sich durch den gesamten Körper (sie patrouillieren durch Kreislauf und Gewebe,
diese Mobilität ist einmalig unter allen Zellsystemen des Organismus) und bringen den immunologischen Schutz überallhin, unabhängig davon, wo der primäre Kontakt mit Krankheitserregern stattgefunden hat. Zur Steuerung der Migration der Immunzellen in die richtige Richtung dienen Konzentrationsgradienten chemotaktisch aktiver Moleküle, wie Spaltprodukten des Komplementsystems oder Chemokinen.

Das Lymphsystem dient dem Transport extrazellulärer Flüssigkeit in den Venenwinkel. Es wird auch vom Immunsystem als "Verkehrsmittel" genützt: Potentielle Schädlinge werden auf dem Weg vom Interstitium zum Blutkreislauf in Lymphknoten überprüft, gefiltert, abgetötet, abgebaut. Auf diese Weise kann z.B. eine Bakteriämie (Bakterieneinsaat) eingedämmt oder ganz verhindert werden. Zeitweiliges Vorhandensein von Bakterien im Blut ohne Vermehrung (da erfolgreich bekämpft) ist physiologisch, tritt nach kleinen Verletzungen - z.B. Zähneputzen - häufig auf und ist normalerweise folgenlos.

Werden Bakterien direkt in das Blut eingebracht (z.B. über kontaminierte Katheter) und vermehren sich dort, spricht man von primärer, gelangen sie über infiziertes Gewebe in die Blutbahn, von sekundärer Bakteriämie.


Immunsystem und Gesamtorganismus
 
Das Immunsystem hat enge funktionelle Beziehungen zu anderen Körpersystemen ( Abbildung). So verändern Zytokine neuroendokrine Funktionen (das äußert sich z.B. in Schlafstörungen, herabgesetztem Antrieb, Gewichtsverlust, "Krankheitsverhalten") und beeinflussen zerebrale Stressmechanismen (beispielsweise aktiviert ACTH die Freisetzung von Cortisol aus Lymphozyten).


  Abbildung: Neuroimmunachse
Nach Holdes GE, Kana V, Ménard C, Russo SJ. Neuroimmune mechanisms of depression. Nature Neurosci 2015; 18:1386-93

Das autonome (vegetative) Nervensystem verknüpft periphere Immunorgane mit dem ZNS und reguliert homöostatische und Entzündungsvorgänge (Zytokinbildung).
 
(a): Knochenmark: Sympathische Fasern innervieren Nestin-positive Knochenmarkszellen (Nestin ist ein Filamentprotein, das als neuroektodermaler Stammzellmarker gilt). Zirkadiane Freisetzung von Noradrenalin (nachts) aktiviert ß3-Adrenozeptoren (ß3AR) und bewirkt so Herunterregulierung des chemotaktisch wirksamen Zytokins CXCL12 und damit erhöhte Freisetzung hämatopoetischer Stammzellen.
 
(b): Milz: Nervenfasern des N. vagus werden durch Entzündungsmediatoren gereizt und melden an den Hirnstamm: Von hier aus gelangen sympathische  Impulse über das ganglion coeliacum an ß2-adrenerge Rezeptoren (ß2AR) an T-Lymphozyten in der Milz (inflammatorischer Reflex). Die T-Zellen sezernieren Acetylcholin, das an nikotinische Rezeptoren (nAChR) an Makrophagen in der Randzone bindet und die Bildung von Zytokinen - wie TNF-α and IL-1β - hemmt.
 
(c): Nebennieren: Glucocorticoide haben entzündungshemmende Wirkung, indem sie an intrazelluläre Rezeptoren (GR) binden und die monozytäre Freisetzung von Interleukin-6 hemmen


Immunzellen wirken über Zytokine auf Gehirn und endokrine Zellen, diese beeinflussen auf endokrinem Weg Gehirn und Immunsystem, und Nervenzellen bilden Katecholamine und Neuropeptide, die wiederum auf Immun- und endokrine Zellen wirken.

Zum Zeitpunkt der Geburt ist das Neugeborene zwar noch über das Immunsystem seiner Mutter (Antikörper in Blut, Milch) geschützt, sein Immunsystem ist aber im Wesentlichen angelegt - bis in die frühe Jugend expandiert es weiter und funktioniert dann bis ins hohe Alter.
 
Immunsystem und Stoffwechsel
 
Energiebedarf: Das Immunsystem einer erwachsenen Person als Ganzes verbraucht mehr als 1 MJ/d Energie, das ist ein erheblicher Teil des Grundumsatzes (~8 MJ/d). Im Ruhezustand decken die Immunzellen ihren Bedarf vorwiegend über Glucose und Lipide. Das Gesamtgewicht des Immunsystems eines erwachsenen Menschen beträgt ~2 kg. Der Organismus verfügt über ~1012 Lymphozyten und ~1019 Antikörpermoleküle. Ein µl (mm3) Blut beinhaltet etwa 3200 neutrophile, 150 eosinophile und 50 basophile Granulozyten; 250 Monozyten; 1800 T- und 400 B-Lymphozyten, weiters 250 große granuläre Zellen.

Allein an Lymphozyten ergibt sich in Summe f
ür einen erwachsenen Menschen (ohne besondere immunologische Herausforderung) eine Gesamtzahl von etwa 500 Milliarden, vor allem in Lymphknoten und Milz, Knochenmark, Darm und Lunge:
 

Lymphozyten: Anzahl
(in Milliarden, gerundet)

Nach Abbas / Lichtman / Pillai, Cellular and Molecular Immunology, 9th ed. 2018; Bröker / Schütt / Fleischer, Grundwissen Immunologie, Springer Spektrum, 4. Aufl. 2019

Lymphknoten
190-200
Lunge
30
Milz
70
Haut
20
Knochenmark
50
Leber
10
Darm
50
Blut
10
 
Der basale Energiemetabolismus von T-Lymphozyten beruht auf der Oxidation von Fettsäuren und etwas Glykolyse; teilt sich ein aktivierter Lymphozyt und bildet einen entsprechenden Klon, steigt der Bedarf an Aminosäuren, Lipiden und Nukleotiden - und Energie (ATP) - exponentiell an. Dabei erhöht er die Zahl der GLUT-1-Transporter in seiner Membran; es wird viel Glutamin oxidiert, aber auch für Lipidsynthese benützt; und der Aufbau von Lipiden über den Zitratzyklus führt zur Bildung von beträchtlichen Mengen an Lactat.

Die vorwiegend benutzten Wege zur Energiegewinnung hängen von der Art der herausgeforderten Immunzellen ab und unterscheiden sich wesentlich - z.B. steigern Effektorzellen den glykolytischen Weg, Makrophagen verlassen sich auch in sauerstoffreicher Umgebung auf Glykolyse und haben beträchtliche lipogene Kapazität (Phospholipidsynthese), regulatorische Zellen nutzen eher Fettsäureverbrennung. Der Sauerstoffbedarf aktiver Immunzellen ist generell hoch, da sie oxidativ ausreichend ATP generieren können.

Ein herausgefordertes Immunsystem (Infektion, ..) kann ein Mehrfaches des Energiebedarfs beanspruchen, den ein nicht herausgefordertes Immunsystem benötigt (z.B. bei Sepsis - hier steigt u.a. der Lactatspiegel über 2 mM an).
 
Über die Verteilung des Energieaufgebotes auf verschiedene Körpersysteme s. dort

CD-System: Charakterisierung von Zellen über Oberflächenproteine

Zellen können über biochemische Charakteristika - Membranproteine, meist Glykoproteine - definiert werden, welche sie an ihrer Oberfläche exprimieren. CD-Moleküle finden sich in unterschiedlichen Mustern an der Oberfläche fast aller Zellen. Man bezeichnet solche Eigenschaften als Marker, die Zellen mit bestimmten Funktionen kennzeichnen und sie bestimmten Klassen zuordnen lassen (Zell-Linien, Differenzierungsstadien, Struktur und Funktion). CD-Marker erlauben auch eine funktionelle Zuordnung von Immunzellen, denn sie beteiligen sich an zahlreichen Funktionen ihrer Trägerzellen.
 
  
   CD steht für Cluster of differentiation. Das CD-System wurde aufgebaut, um Ordnung in die Vielzahl von monoklonalen Antikörpern zu bringen, die weltweit in verschiedenen Labors hergestellt wurden, um Epitope auf der Zelloberfläche von Leukozyten nachzuweisen. Beispielsweise bedeutet "CD2" das entsprechende Epitop (Molekül) und "CD2 Ab" einen Antikörper (antibody), der CD2 spezifisch bindet. Die Charakterisierung definierter CD-Epitope auf Zellen werden sowohl als wissenschaftliches als auch diagnostisches Instrument genutzt.

Es sind mehrere hundert Arten von CD-Epitopen bekannt, die von mindestens zwei (unabhängig voneinander erstellten) Klonen bzw. deren Antikörpern spezifisch erkannt werden (wie z.B. CD2). Ist nur ein spezifischer Antikörper bekannt, der ein bestimmtes Epitop markiert, wird seiner Nummer der Buchstabe "w" vorangestellt.

Funktionen CD-charakterisierbarer Membranproteine: CD-Moleküle können verschiedene Aufgaben haben, z.B. als Rezeptoren (Signalübertragung) oder Liganden (z.B. für Immunfunktionen), für die Anhaftung (Adhäsion) der Zelle an ihre Nachbarschaft (extrazelluläre Strukturen) u.a.
Mit monoklonalen Antikörpern und Immunfluoreszenztechnik kann über CD-Typisierung der Zustand verschiedener (auch entarteter) Zellen präzise erfasst werden.
 
Die Tabelle gibt einige Beíspiele:
 
 
CD-Nummer
Exprimiert von
Funktion(en)
CD1e
Dendritische Zellen
Antigenpräsentation
CD4
MHC-II-restringierte T-Zellen, einige Makrophagen
Korezeptor bei MHC II-restringierter antigeninduzierter T-Zell-Aktivierung
CD40
Antigenpräsentierende Zellen (B-Zellen, Makrophagen, dendritische Zellen, Endothelzellen)
Bindet CD154 (=CD40L)
aktiviert dadurch T-Zell-vermittelt antigenpräsentierende Zellen
CD45
Hämatopoetische Zellen
Tyrosinphosphatase, reguliert B- und T-Zell-Aktivierung
CD46
Leukozyten, Epithelzellen, Fibroblasten
Regulierung der Komplementaktivierung
CD206
Makrophagen
Bindet mannosereiche Glykoproteine an Pathogenen, beeinflusst Phagozytose

 
  
Abbildung: Clusters of Differentiation (CD): Differenzierungsantigene und Lymphozytenreifung
Nach einer Vorlage bei immunologyonline.wordpress.com / J. Groth

Das CD-System wird zum Immunophenotyping verwendet, d.h. zur Kennzeichnung von Zellen nach Maßgabe der Oberflächenmerkmale, die sie exprimieren. Mit dieser Typisierung sind  immunologische Eigenschaften der Zelle verknüpft.
 
Der Nachweis von Kombinationen auf der Zelle vorhandener CD-Marker erlaubt eine präzise Zuordnung der betreffenden Zelle (z.B. CD8 + CD3 + CD45 = zytotoxischer T-Lymphozyt); sie können auch zur Zellsortierung mittels Durchflusszytometrie (Flow cytometry) dienen


Die Expression von CD-Molekülen ist spezifisch und charakterisiert Art und Entwicklungsstand der jeweiligen Zelle ( Abbildung).

CD-Komponenten haben diverse Funktionen: Als Rezeptoren (z.B. für Wachstumsfaktoren) und Korezeptoren, für Signaltransduktion, Zelladhäsion, enzymatische Eigenschaften, Aktivierung oder Hemmung diverser Faktoren usw.

Besonders aussagekräftig ist dieses System zur Charakterisierung von Leukozyten. Die Merkmale CD4 und CD8 sind für die Antigenerkennung fundamental bedeutsam:

     So bindet CD4 das Membranmerkmal MHC-II, das sich auf antigenpräsentierenden Zellen befindet und Produkte der Phagozytose zur immunologischen Überprüfung vorweist;

     CD8 hingegen bindet MHC-I, das von allen kernhaltigen Zellen exprimiert wird und intrazelluläre Abbauprodukte präsentiert (diese können u.a. viraler Herkunft sein und einen Virenbefall der betreffenden Zelle signalisieren).

Schutzbarrieren und lokale immunologische Besonderheiten
Über die Schutzfunktion der Haut s. dort
 

Bevor Mikroorganismen in das 'eigentliche Innere' des Körpers eindringen, werden sie daran von primären Barrieren gehindert. Dazu gehört eine unversehrte Schutzschicht (Haut und Schleimhäute) mit ihren Hilfsmechanismen (andere Mikroorganismen, Talg, Schleim, darin enthaltene Enzyme und Antikörper, spezifischer pH-Wert). Arrangements von Immunzellen und Molekülen, die spezielle Aufgaben an bestimmten anatomischen Orten erfüllen, nennt man regionale Immunsysteme.

Regionale Immunsysteme sind in der Lage, unerwünschte Reaktionen gegen nichtpathogene Mikroben sowie Fremdsubstanzen zu verhindern. Verschiedenen Geweben / Organen schreibt man daher ein "Immunprivileg" zu, ein Konzept, das zum Teil revidiert werden muss.
 
Darm    Lunge    Urogenitaltrakt    Gehirn    Auge    Hoden    Fetoplazentare Einheit
 
Immunschutz an Schleimhäuten. Bei dem unter epithelialen Oberflächen (Haut: Dermis, Schleimhäute: lamina propria) untergebrachten Immunsystem unterscheidet man mehrere Spielarten, je nach Lage und spezifischer Ausprägung (Überbegriff MALT - mucosa-associated lymphatic tissue: Darm, Bronchien, Nase, Speicheldrüsen, Bindehaut, Tränenwege, Ohrtrompete, Kehlkopf).

Zu den gemeinsamen Merkmalen immunologischer Schutzbarrieren muköser Oberflächen und Auskleidungen gehören:
 
      Epithelien, die geringe Durchgängigkeit aufweisen und Mucin, Defensine, IgA u.a. sezernieren
 
      Unter der Mukosa liegendes regionales lymphatisches Gewebe
 
      Fortwährende Sammlung von Antigenen durch Immunzellen an der epithelialen Oberfläche
 
      Mikrobielle Produkte binden an dendritische und Epithelzellen und generieren regulatorische Signale
 
      IgA-vermittelte spezifische Abwehr verhindert im Idealfall ein Eindringen von Mikroben in das "eigentliche Innere" des Körpers
 
      Dendritische Zellen regen spezifisch Effektor- und regulatorische T-Zellen an

Darüber hinaus weisen die einzelnen Schleimhautregionen spezielle Eigenschaften auf, die ihrer besonderen Funktion entsprechen:
  
Gastrointestinal
 

Das Immunsystem des Darms  (GALT, gut-associated lymphoid tissue) beschützt spezifisch die Darmschleimhaut. Dabei ist es in der Lage, pathogene Mikroben (Viren, Bakterien, Pilze u.a.) anzugreifen, ohne aber gegen harmlose Kommensalen oder in der Nahrung vorhandene Stoffe vorzugehen. Wie es das schafft, ist noch weitgehend unklar. Die Gesamtzahl an Bakterien im menschlichen Gastrointestinalsystem wird auf 1014 geschätzt; einige werden mit der Nahrung neu zugeführt, viele vermehren sich im Darm. Bleiben sie auf der Schleimhautoberfläche, sind sie harmlos bis nützlich; durchdringen sie diese Barriere, können sie gesundheitsgefährdend werden. Das Immunsystem des Darms muss in der Lage sein, zwischen harmlosen und gefährlichen Mikroorganismen zu unterscheiden.

Im Darm des Menschen finden sich 500-1000 mikrobielle Spezies, die zusammengerechnet über ~0,6 Millionen Gene verfügen (30mal mehr als der Mensch), wobei die meisten harmlos und nützlich sind (Kommensalen) und nur wenige eine Gefahr darstellen (Pathogene). Das Immunsystem des Darmes muss zwischen (einigen wenigen) bedrohlichen und (den sehr zahlreichen) harmlosen Mikroben unterscheiden und seine Abwehrmaßnahmen entsprechend gezielt einsetzen.

Das intestinale Immunsystem verfügt im Wesentlichen über folgende Mechanismen zur Infektionsvorbeugung:

       Die Schleimschicht, welche die meisten Mikroorganismen vom mukösen Epithel fernhält. Ein durch Mucine aufgebauter, weniger als 1 mm dicker Gelfilm hält Mikroorganismen vom Epithel fern, das außerdem über eine Glykokalix verfügt. Der menschliche Darm produziert jeden Tag mehrere Liter Schleim;

      Von Epithelzellen produzierte antibiotische Peptide - diese töten Pathogene bzw. reduzieren ihr Eindringen in das Epithel;

      "Sekretorische Immunität": IgA aus Plasmazellen der Mukosa, das Pathogene im Darmlumen sowie Toxine bindet und neutralisiert, bevor sie durch das Epithel dringen können (IgA gelangt auch mit der Muttermilch in den Darm des Säuglings). An die sekretorische Komponente des IgA gebundene Glykane reduzieren das Andockvermögen von Mikroben an die Schleimhaut. Daneben werden auch andere Immunglobuline (IgM, IgG) über die Mukosa sezerniert.

Angeborene Immunität des Darms: Epithelzellen sind an Immunantworten und Antigenverarbeitung beteiligt: Einerseits bilden sie Defensine, andererseits sind sie über seitliche Schlussleistensysteme gegen den Untergrund abgedichtet; Becherzellen, M-Zellen, Paneth-Zellen haben spezifische Schutzaufgaben. Antigenpräsentierende Zellen, Makrophagen und angeborene lymphoide Zellen können - meist über Mustererkennungsrezeptoren angeregt - antiviral wirken und Entzündungen auslösen. Solche entzündlichen Reaktionen sind streng limitiert - durch dendritische Zellen und Makrophagen -, um Schäden am Gewebe zu vermeiden. Becherzellen können ihre Schleimproduktion auf Immunsignale (Interleukine, TNF, Typ-I-Interferon) hin sehr stark steigern und den Glykosylierungsgrad des Mucins verändern.

Adaptive Immunität des Darms: Diese unterscheidet sich in mehrererlei Hinsicht von der spezifischen Abwehr an anderen Orten des Körpers. Die Hauptlast trägt hier das sekretorische Immunglobulin A (aus Plasmazellen der Schleimhaut oder der Muttermilch). Helferzellen stellen den zellulären Arm der spezifischen Abwehr dar, vor allem Th17-Lymphozyten, während Treg-Zellen Immunreaktionen restringieren und dadurch Toleranz gegenüber Nahrungsmitteln möglichst gewährleisten.
 

  Abbildung: Dünndarm als Teil des Immunapparats
Nach Cheroutre H & Madakamuti L, Acquired and natural memory T cells join forces at the mucosal front line. Nat Rev Immunol 2004; 4: 290-300

Das schleimhautassoziierte lymphatische Gewebe (MALT) nimmt Antigene an der Darmoberfläche auf (Makromoleküle, Viren, Bakterien, Parasiten) und gibt sie an das intestinale Lymph- und Immunsystem weiter.

M-Zelle: Microfold cell (so genannt wegen ihrer Mikrovilli)

    CCR9 und CCL25 sind Chemokine    E-Cadherin dient der Zellkommunikation    Addressin oder MAdCAM-1 ist ebenfalls ein Zelladhäsionsmolekül    Tight junctions dichten den Raum zwischen Epithelzellen ab


Die Spezialaufgabe von M-Zellen ( Abbildung) auf der Oberfläche (am Dom) intestinaler Lymphfollikel ist der Transport von Antigenen (Viren, Bakterien, löslichen Stoffe) zu darunter gelegenen dendritischen Zellen und B-Lymphozyten.

Zu diesem Zweck sind sie der Phagozytose und clathringestützten Endozytose befähigt und exprimieren zahlreiche verschiedene Rezeptormoleküle.

In den 100 bis 150 mesenterialen Lymphknoten werden die Antigene gesammelt und veranlassen die Reifung entsprechender Lymphozyten, die dann über die Blutbahn an betreffenden Stellen wieder die lamina propria betreten (homing). Dazu verfügen sie über Adhäsionsmoleküle und Chemokinrezeptoren.

T-Zellen verschiedener Ausprägung beschützen den Darm und sind durch die Funktion antigenpräsentierender (dendritischer) Zellen beeinflusst. Man findet sie in der lamina propria, Submukosa und in lymphatischem Gewebe des Darms (Peyer-Plaques und andere Strukturen des GALT).

Im Darm sind die meisten intraepithelialen CD8+-Lymphozyten; etwa 10% gehören zu den "nicht-traditionellen" γδ-T-Lymphozyten. Beide haben ein begrenztes Repertoire an Antigenrezeptoren, was mit einer Fokussierung auf die Erkennung üblicher Bakterienstämme erklärbar ist. In der lamina propria und in Peyer-Plaques hingegen überwiegen CD4+-Zellen - Effektor-, Regulator- und Gedächtniszellen. Diese sind von dendritischen Zellen und Makrophagen gesteuert, die einerseits unter Sekretion bestimmter Zytokin-Cocktails spezielle Antigene verarbeiten und präsentieren, andererseits - unter steuerndem Einfluss von Treg-Zellen - Immunreaktionen gegen Nahrungsmittelantigene und Mikroben der normalen Darmflora unterdrücken. Die Immunantwort fällt also sehr selektiv aus.

Fehlsteuerungen durch mangelhafte Zytokinwirkung (ungenügende Sekretion, Mangel an Zytokinrezeptoren) können zu fehlender Immuninhibition und entzündlichen Erkrankungen im gastrointestinalen System führen.
   
Respiratorisches System
 

Das  Immunsystem des Atemapparates  (BALT, bronchus-associated lymphoid tissue) spielt im bronchopulmonalen Bereich der Lunge eine protektive Rolle mit zellulären und humoralen, angeborenen und adaptiven Komponenten. IgA spielt eine Hauptrolle bei der Abwehr in den Atemwegen, vor allem im oberen Respirationstrakt, in Zusammenarbeit mit Tonsillen (lymphatischer Rachenring) sowie Lymphknoten in der Nachbarschaft der Bronchien sowie im Mediastinum.

IgA gelangt - wie im Darm - über einen Poly-Immunglobulin-Rezeptormechanismus durch die Schleimhaut an deren Oberfläche. Bei Allergien spielt weiters IgE eine Rolle (z.B. Heuschnupfen). Mastzellen sind im Bereich der Luftwege reichlich vorhanden, sodass reichlich Histamin freigesetzt werden kann und die Bronchien verengt (asthma bronchiale),

Dendritische Zellen des
Respirationstrakts - zwischen mukösen Epithelzellen (teils ragen ihre Zellfortsätze in den Luftraum hinein) und in der lamina propria - sammeln Antigene und präsentieren diese in peribronchialen und mediastinalen Lymphknoten an naive T-Tellen. Diese entwickeln sich vor allem zu Th2-Zellen, die zurück in die Bronchialschleimhaut wandern (homing) und dort durch "ihre" Antigene reaktiviert werden können, was zur Entwicklung von allergischem Asthma führen kann.
 
Urogenital
 

Lymphatisches Gewebe im Bereich des Urogenitaltrakts hat analoge Schutzfunktionen. Das Epithel von Urethra, Scheide und Zervix weist Langerhans-Zellen, dendritische Zellen und Makrophagen, sowie B- und T-Lymphozyten auf. Deutliche MALTs fehlen. Der führende Antikörpertyp ist hier nicht IgA, sondern IgG, zur Hälfte lokal produziert, zur anderen Hälfte aus dem Kreislauf.

Vergleichbar der Bewegung von Exspirationsluft in der Lunge, welche die Reinigung des Bronchialbaums assistiert, hilft die nach außen gerichtete Strömung des Urins, Infektionen in Nieren, Ureter, Blase und Urethra vorzubeugen. So sind die Epithelien von Nierenbecken, Ureter (Harnleiter) und Harnblase normalerweise keimfrei, in der Urethra (Harnröhre) hingegen finden sich Bakterien (Stäbchen und Kokken, evt. E. coli u.a.).

Die Einbringung von Harnkathetern behindert die physiologischen Reinigungsmechanisen und verursacht etwa 50% der Infektionen des Harntrakts.

Männer: Durch die mit zunehmendem Alter immer häufiger vorkommende Vergrößerung der Prostata nimmt die Ausstromgeschwindigkeit des Harns bei der Detrusion ab, was es Pathogenen leichter macht, den Harntrakt zu besiedeln und - mit abnehmender Effizienz immunologischer Abwehmechanismen - Harnwegsinfekte zu verursachen.

Frauen: Die Oberfläche der Vaginalschleimhaut ist präpubertär neutral, bei geschlechtsreifen Frauen glykogenreich und leicht sauer (p<5) - bedingt durch Milchsäure, ein Produkt des hier ansässigen Lactobacillus acidophilus. Nach der Menopause sistiert die Glykogenbildung, die Scheide wird wieder neutral und beherbergt (wie in der Pubertät) keine Lactobazillen, dafür aber Streptokokken, Staphylokokken, E. coli und andere Stämme.

 
Schleimhäute
 
Speziesabhängig unterschiedlich ausgeprägt sind weitere immunologische Schutzwälle, wie NALT (nose-), SALT/DALT (salivary-gland- or duct-), CALT (conjunctiva-), LDALT (lacrymal-drainage-), TALT (Eustachian tube-), LALT (larynx-associated lymphoid tissue).

     Die Mehrzahl aller Lymphozyten befinden sich in Lymphknoten und mukösem Gewebe (vorwiegend GALT, BALT); viele davon sind Gedächtniszellen.

Wird die primäre Barriere durchbrochen, kommt es zum Kontakt mit Zellen der 'unspezifischen' (z.B. Langerhans-Zellen in der Haut) und 'spezifischen' Abwehr (z.B. T-Zellen). Klonselektion
und Ausbildung von Gedächtnis- sowie Effektorzellen führt einige Tage nach dem 'Erstkontakt' zu gezielter spezifischer Abwehr mit dem Ziel einer Überwindung der Erkrankung.

Gibt es bereits Gedächtniszellen gegen die betreffenden Merkmale ('Zweitkontakt'), so wird die Infektion rascher überwunden, eine Erkrankung bleibt wahrscheinlich aus ('Feiung', Impfschutz).
 
"Immunprivilegierte" Organe erfahren einen spezifisch restringierten Immunschutz. Zu ihnen zählt man folgende Gewebe:
  
ZNS
 
Das Gehirn kann durch entzündliche Vorgänge bedroht sein. Die Blut-Hirn-Schranke trägt dazu bei, mittels Schlussleisten (tight junctions) zwischen den Endothelzellen den Durchtritt von löslichen Faktoren und Immunzellen einzuschränken.

Dass das Gehirn über ein lymphatisches System (brain lymphatic system) verfügt, ist erst seit kürzerer Zeit bekannt. Auf dieser Route gelangt interstitielle Flüssigkeit zu nahe gelegenen Lymphknoten. Zu den Funktionen dieses Systems zählt der Abtransport metabolischer Endprodukte, die Stabilisierung des Flüssigkeits- und Ionenhaushalts sowie die Rückresorption von gelösten Stoffen - inklusive Proteinen. Mit zunehmendem Alter nimmt die Strömung extrazellulärer Flüssigkeit im Gehirn ab; möglicherweise spielt unzureichende Proteinresorption dieses Systems bei der Pathogenese der Alzheimer-Krankheit eine Rolle.
 

Abbildung: Zerebrales Immunsystem
Nach Kwon D: Guardians of the brain: how a special immune system protects our grey matter. Nature News Feature (online) 2022

T-Zellen verlassen den venösen Blutkreisluf (Sinus), patrouillieren die Meningen und betreten anschließend zerebrale Lymphgefäße, womit die in Lymphknoten gelangen. Im Gehirn nehmen Zellen der Mikroglia, an den Gefäßrändern Makrophagen am Immunschutz teil

Nur wenige dendritische Zellen finden sich im Gehirn, was mögliche adaptive Immunantworten (Antigenpräsentation) gering hält. Die Aktivierungsschwelle der Mikroglia (zerebrale Makrophagen) ist vermutlich höher als bei Makrophagen in anderen Geweben.

Eine Überwachungsfunktion gegenüber Mikroben ist im Gehirn dennoch gegeben; T-Lymphozyten und Monozyten nehmen Überwachungsfunktion wahr.
Nervenzellen produzieren die Neuropeptide vasoaktives intestinales Peptid (VIP) und melanozytenstimulierende Hormone (MSH). Bei antigener Stimulation oder Entzündung werden diese Faktoren weiters von T-Helferzellen (Th2) und Makrophagen freigesetzt.

Das Gehirn ist also nicht (wie ursprünglich gedacht) "immunprivilegiert" in dem Sinne, dass es von der Überwachungfunktion des Immunsystems separiert wäre. Das Knochenmark der Schädeldecke ist dabei eine Quelle von Immunzellen in unmittelbarer Nähe zum Cortex (Abbildung). Klar ist, dass T-Lymphozyten und Makrophagen im Gehirn aktiv werden können. Inwieweil sie das Gehirn dabei beschützen oder unter Umständen eher beschädigen, ist noch eine offene Frage.
 
Auge
 

Vordere Augenkammer: Entzündungen und ihre Folgewirkungen können das Sehvermögen wesentlich beeinflussen. Vor allem in der vorderen Augenkammer müssen Infektionen abgewehrt werden - Ziliarkörper, Iris und Chorioidea enthalten zahlreiche Immunzellen wie dendritische Zellen, Makrophagen, Mastzellen.

Um Entzündungsfolgen - Hornhaut-, Linsen- oder Glaskörpertrübung - möglichst zu vermeiden, verfügt das Auge über ein spezielles Muster an anti-inflammatorischen Mechanismen, z.B. exprimieren Zellen viel Fas-Ligand (FasL), sodass T-Lymphozyten (die über Fas verfügen) einer Apoptose ausgeliefert sind, bevor sie aktiv werden können.


Die Kapillaren des Ziliarkörpers im Auge sind selektiv durchgängig (Blut-Augen-Schranke). So
lassen sie z.B. Immunglobuline nicht in das Kammerwasser, wohl aber andere Immunkomponenten, wie antigenpräsentierende Zellen, die das Auge über den Kammerwasserabfluss verlassen und in den Blutkreislauf gelangen können (Blut-Kammerwasser-Schranke). Die Abwesenheit von Blutgefäßen in Hornhaut und Linse und die Tatsache, dass die vordere Augenkammer nicht von Lymphgefäßen drainiert wird, trägt dazu bei, dass das adaptive Immunsystem kaum Zugang zum vorderen Auge hat.

Stattdessen enthält das Kammerwasser Stoffe mit immunsuppressiver und entzündungshemmender Wirkung: Neuropeptide wie VIP und Somatostatin, TGF-ß u.a. Außerdem exprimieren Epithelzellen, welche die vordere Augenkammer auskleiden, Liganden (wie den Fas-Ligand), deren Anwesenheit T-Lymphozyten inaktivieren bzw. abtöten kann. Das geht sogar so weit, dass das Einführen von Fremdeiweiß in die vordere Augenkammer zu Toleranzentwicklung gegenüber diesem Antikörper führt (
Anterior Chamber-Associated Immune Deviation, ACAID).
  
Hoden
 
Entzündungen im Hodenbereich können die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen. Sertoli-Zellen haben die Aufgabe, eine Schranke zwischen Spermatogonien und Spermatozyten aufzubauen. Diese Blut-Hoden-Schranke baut eine geeigneten Mikro-Umgebung der Samenzellen auf und schützt u.a. vor dem Eindringen von Gefahrenstoffen, z.B. mutagenen Giften.
 
  Näheres dazu s. dort
  
 Fetus
 

Der Fetus hat ebenfalls einen spezifischen Immunstatus: Obwohl eigentlich ein Allograft (genetisch nicht identisches Gewebe), werden Produkte seiner väterlichen Gene von der Mutter nicht abgestoßen. Das ist überraschend, denn Antikörper gegen fetale Antigene sind im Blut der Mutter nachweisbar.

Es gibt also Mechanismen, die den Fetus vor dem mütterlichen Immunsystem schützen. Dazu zählt die Tatsache, dass Trophoblastenzellen
MHC-Moleküle nur selektiv und/oder Kostimulatoren nicht exprimieren, sowie vor Lyse durch mütterliche NK-Zellen geschützt sind. Die Immuntoleranz der Mutter gegenüber fetalem Gewebe steht möglicherweise unter steuerndem Einfluss von Treg-Zellen.
 

 
      Als Mikrobiom bezeichnet man die Gesamtheit der einen Organismus besiedelnden Mikroorganismen. Insbesondere die residente Darmflora stimuliert das Immunsystem, liefert Stoffwechselprodukte für Darmepithelzellen, wirkt antitoxisch und vitaminbildend. Mikroben können aber auch pathogen werden
 
     Das Immunsystem repariert beschädigtes Gewebe und bekämpft Infektionen. Dazu erkennt es "verdächtige" Moleküle (Gefahrensignale) - einerseits aus verletzten Zellen (DAMPs: damage-asssociated molecular patterns), andererseits auf Mikroben (PAPMs: pathogen-assoziierte molekulare Muster). Mikroben bleiben meist harmlos, solange sie auf intakte Oberflächen beschränkt bleiben ("primäre Barriere")
 
     Sekundäre Barriere: Haut und Schleimhäute (Darm, Bronchien, Nase, Speicheldrüsen, Bindehaut, Tränenwege, Ohrtrompete, Kehlkopf) verfügen über einen besonderen Immunschutz. Epithelien sezernieren Mucin, Defensine, IgA; IgA-vermittelte spezifische Abwehr erschwert ein Eindringen von Mikroben; mikrobielle Produkte generieren regulatorische Signale; Immunzellen sammeln Antigene und transportieren sie an Lymphknoten weiter; dendritische Zellen regen spezifisch Effektor- und regulatorische T-Zellen an
 
     Man unterscheidet angeborene und adaptive, zelluläre und humorale Abwehr. Das humorale System schützt vor extrazellulären Angreifern (Toxinen, Mikroorganismen, Pollen etc), das zelluläre erkennt intrazelluläre Antigene (z.B. Viren) sowie Tumorzellen und Protozoen
 
     Das angeborene System nutzt ~100 verschiedene Rezeptoren zur Erkennung von ~1000 invarianten mikrobiellen Molekülmustern; das adaptive erkennt spezifisch mehr als 10 Millionen verschiedene Antigene mittels Immunglobulinen und T-Zell-Rezeptoren. Der Teil eines Antigens, den Lymphozyten bzw. Antikörper spezifisch erkennen und binden, heißt antigene Determinante oder Epitop. Somatische Rekombination ("Genpuzzle") erklärt die große Zahl spezifischer lymphozytärer Rezeptoren und Antikörper
 
     Immunität ist systemisch: Immunzellen und Immunmoleküle patrouillieren durch Kreislauf und Gewebe und schützen alle Gewebe, unabhängig vom Ort des Primärkontakts mit Krankheitserregern. Neutrophile und Monozyten gelangen zu Orten der Infektion oder Verletzung zwecks Schutz, Pathogenbekämpfung, Reparatur; "naive" Lymphozyten wandern zu sekundärem lymphatischem Gewebe (z.B. Lymphknoten) zwecks Antigenerkennung, Proliferation, Differenzierung in Effektor- und Gedächtniszellen; Effektorlymphozyten wandern zu Infektionsherden überall im Organismus zwecks spezifischer Abwehr
 
     Zu den Membranproteinen, die Zellen (z.B. Leukozyten) spezifisch und je nach Art und Entwicklungsphase exprimieren, gehören auch mehrere hundert CD-Moleküle (Cluster of differentiation). Diese lassen sich mittels monoklonaler Antikörper bestimmen und erlauben eine funktionelle Zuordnung von Immunzellen (als Rezeptoren, Enzyme, Aktivatoren, zur Zelladhäsion u.a.)
 
     Immunprivilegierte" Organe erfahren einen spezifisch restringierten Immunschutz. Die Blut-Hirn-Schranke schränkt den Durchtritt von löslichen Faktoren und Immunzellen ein; das Auge hat spezielle entzündungshemmende Mechanismen (Blut-Augen-Schranke); Sertoli-Zellen bilden eine Schranke zwischen Spermatogonien und Spermatozyten (Blut-Hoden-Schranke)

     Immunologische Abwehrmechanismen unterliegen strenger Selbstkontrolle und Limitation. Eine wichtige Rolle spielen dabei inhibitorische Rezeptoren auf Lymphozyten und natürlichen Killerzellen
 

 




  Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen: Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.