>Abbildung: Säure-Basen-Bilanz einer 70 kg schweren Person auf westlicher Standarddiät
Nach: Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 1st ed. Saunders 2003
Etwa
70 mM "nichtflüchtige" Säuren scheidet die Niere täglich aus - ≈40 mM
als Ammoniumionen, ≈30 mM als "titrierbare" Säure (Schwefel-,
Phorphorsäure u.a.).
Über die Nahrung nimmt man ca. 20 mM/d saure
Valenzen auf; der Stuhl entfernt ≈10 mM OH-Ionen pro Tag (Bilanz im
Gastrointestinaltrakt: 30 mM/d Säure - zum Vergleich: 70 mM/d Verlust
über die Niere, 15.000 mM/d über die Atmung).
Für die Säure-Basen-Bilanz ist nicht entscheidend, wie viel Säure
mit Essen und Trinken aufgenommen wird ("säureüberschüssige Kost"), sondern was der Metabolismus aus den resorbierten Stoffen macht, d.h. die Gesamtbilanz im Stoffwechsel.
Die bei weitem intensivste Säureausscheidung erfolgt - als Kohlendioxid - über die Atmung (hier: 15.000 mM/d)
Saure Nahrung kann basisch wirken: Bezüglich der Säurewirkung von Speisen und Getränken kommt es nicht auf deren pH-Wert an, sondern darauf, was im Stoffwechsel daraus entsteht - CO2 wird abgeatmet und verliert dadurch seine biologische Säurewirkung. So hat etwa Orangenjuice einen niedrigen pH
(≈4.0), aber die im Körper verbleibenden metabolischen Produkte wirken als Pufferbasen.
Sämtliche Stoffwechselschritte im Körper haben jeweils einen der drei folgenden Effekte:

Sie
produzieren H+ (als Abfallprodukt) →
Säurebildung (Bikarbonatverbrauch, gesenkter Pufferbasenwert)

oder

Sie
verbrauchen H+ (als Reaktionspartner) →
Basenbildung (Bikarbonatzuwachs, gesteigerter Pufferbasenwert)

oder

Keines von beiden (
pH-neutral, z.B. Abbau von Zucker zu CO
2 - das ausgeatmet wird).
Ob
eine Nahrung "säureüberschüssig" wirkt oder nicht, hängt nicht von den
aufgenommenen Stoffen (deren pH-Wert) ab, sondern von den Substanzen,
zu denen diese verstoffwechselt werden. Normalerweise stammen die
meisten sauren Valenzen des Metabolismus aus dem Eiweißabbau (besonders
bei katabolen Patienten, die wenig Nahrung aufnehmen und körpereigenes
Protein für ihren Energiestoffwechsel verwenden). Früchte und Gemüse
hingegen liefern bei ihrer Verstoffwechslung eher basische Valenzen
(Bikarbonat). So wirken "saure" Fruchtgetränke, die reichlich Zitrat, Laktat usw. enthalten, alkalisierend und steigern den Harn-pH.
Der Großteil der metabolisch
generierten sauren Valenzen (rund 15.000 mM/d, >Abbildung) fällt als CO2 aus dem Abbau neutraler Kohlenhydrate und Fette sowie der meisten neutralen Aminosäuren an - das ist mehr als das 100-fache der im Körper gelösten CO2-Menge. CO2 wird
ausgeatmet und belastet den
Säure-Basen-Haushalt bzw. die Pufferfähigkeit des Blutes überhaupt
nicht. Die Atmung ist der beiweitem wichtigste Mechanismus der Säureausscheidung.
"Endogene" Säuren: Lediglich Ammoniumionen (NH4+) und "titrierbare"
Säure - das ist die durch Rücktitration des Harns mit NaOH bestimmbare Säuremenge (Phosphat, Harnsäure, Kreatinin..) - müssen renal
ausgeschieden werden (>Abbildung: ≈70 mM/d) - rund 1 mM / kg Körpergewicht / Tag oder ≈0,5% der gesamten
Säureausscheidung. Diese "nichtflüchtigen" Säuren entstehen bei
Abbau
phosphorhaltiger Stoffe,
unvollständiger
Oxidation von Kohlenhydraten und Fetten (Laktat, Ketosäuren), oder
Oxidation schwefelhaltiger Aminosäuren
und werden mit dem Harn ausgeschieden:
≈40 mM/d als Ammonium (aus Glutamin), das als Kation nicht mehr rückresorbiert und damit ausgeschieden wird (ion trapping - besonders bei Azidose
), und
bis zu ≈30 mM/d als "titrierbare Säure" - Phosphat (≈80%), Harnsäure (≈20%), andere organische Säuren, Sulfat (Harm-pH bis 4,7).
Die Säureausscheidung in Form von freien Wasserstoffionen spielt
mengenmäßig keine Rolle (Rechenbeispiel: pH 4 entspricht einer H+-Konzentration
von lediglich 0,1 mM/l - um 70 mM in Form von Protonen auszuscheiden,
müssten dann mindestens 700 l Harn produziert werden).
Über die Zusammensetzung des Urins s. dort.
Zum Ammoniummechanismus s. auch dort.
Die "endogene" Säurebildung (ESB) bezieht sich auf relativ starke "nichtflüchtige"
Säuren und beruht auf zwei Komponenten:
"Metabolische" Säurebildung
(MSB) - z.B. Laktatproduktion bei körperlicher Belastung - sowie
Säure, die im Rahmen der Verdauungsfunktion (netto)
entsteht (gastrointestinale Säurebildung, GSB). Daher ergibt sich
ESB = MSB + GSB
wobei die beiden zu etwa gleichen Teilen zur Belastung des Säure-Basen-Haushalts durch nichtflüchtige Säuren beitragen.
Pufferbasen halten Störungen des pH-Wertes gering. Ihre Konzentration beträgt 48 mM, die Hälfte davon (24 mM) geht auf das Konto von Bikarbonat. Die anderen werden als Nichtbikarbonatpuffer zusammengefasst, diese sind vorwiegend intrazellulär aktiv.
Pufferbasen im Blut (Gesamt: 48-50 mM/l)
|
Bikarbonatpuffer
|
24-25 mM/l
|
Nichtbikarbonatpuffer
(Hämoglobin, Phosphat u.a.)
|
24-25 mM/l
|
Die Nieren bilden ≈70 mM/d Bikarbonat neu (außer, wenn basische Valenzen
ausgeschieden werden müssen, z.B. nach massivem Erbrechen). Dies dient
der Pufferung des Blutes, das die Niere durchströmt: Würde die Niere
nämlich die in das Tubulussystem sezernierten Säuren nicht puffern, müsste sie den Harn auf pH=1,3 ansäuern (70 mM H+ in 1,5 Liter Harn) - tatsächlich ist die maximal mögliche H+-Konzentration um mehrere Zehnerpotenzen geringer (Harn-pH meist über 5,0).
Glomerulär filtriertes Bikarbonat (4320 mM/d in der >Abbildung oben) wird in der
Niere so gut wie vollständig rückresorbiert (80% im proximalen Tubulus,
10% im aufsteigenden Schenkel der Henle-Schleife, 10% im distalen
Tubulus). Die Neubildung von Bikarbonat (hauptsächlich im proximalen Tubulus) erfolgt vor allem über den
Ammoniummechanismus (Bikarbonatbildung durch NH3 → NH4+) sowie den Phosphatmechanismus (Bikarbonatbildung durch Hydrogenphosphat →
Dihydrogenhosphat).
Glomerulär
filtriertes Phosphat wird zu 90% renal rückgewonnen; 10% werden
ausgeschieden und dienen der Pufferung. Phosphat ist als Puffer vor
allem intrazelluläer sowie in der Niere von Bedeutung; die
Konzentration im Plasma ist gering (≈1 mM/l), daher ist die Beteiligung
des Phosphatpuffers an der Stabilisierung des Blut-pH trotz des
günstigen pK-Wertes des Systems primäres / sekundäres Phosphat (7,1)
gering.
Plasmaproteine haben im Extrazellulärraum, zelluläre Proteine im Intrazellulärraum puffernde Wirkung (
s. dort).
Hämoglobin ist eine besonders bemerkenswerte Pufferbase, da es seine Pufferkapazität mit der Sauerstoffbeladung ändert (Haldane-Effekt).
Aktive Muskelzellen konsumieren oft mehr Sauerstoff, als der Blutfluss akut anbietet ("Sauerstoffschuld").
In derart "unterversorgten" Regionen steigt die Anforderung an die
Pufferkapazität des Blutes, pH-Wert, Pufferbasenkonzentration und
BE-Wert in venösen Blutproben aus solchem Gewebe sinken - natürlich
auch pO2 und die Sauerstoffsättigung des Hämoglobins.
pH und Gesundheit. Die
Erhaltung des Säure-Basen-Gleichgewichts ist von großer Bedeutung für
den Gesundheitszustand des Körpers, und Störungen können u.a.
Wachstumsstörungen bei Neugeborenen, Elektrolytstörungen, Übelkeit,
Herzrhythmusstörungen, Kreislaufunempfindlichkeit gegenüber
Noradrenalin / Adrenalin, Muskelatrophie,
Osteoporose, Nierensteinbildung, Parästhesien, im Extremfall Koma
bedingen; Abweichungen des Bikarbonatspiegels im Blut sind mit erhöhter
Mortalität korreliert.
Blutproben
(analog zu Gewinnung von Blut aus Arterien: Blut in
Kapillaren abgenommen, daher "Kapillarblut") spiegeln den systemischen
Zustand des Säure-Basen-Haushalts wider. Dazu
ist es nicht notwendig, eine
Arterie zu punktieren. Beim Einstechen in gut durchblutete
Akren (Fingerbeere, Ohrläppchen, Ferse bei Babys) werden kleine
Arterien geöffnet, aus denen - bedingt durch den arteriellen Druck -
arterielles (hellrotes)
Blut austritt. Durch Kapillarwirkung fließt es leicht in enge
Kunststoff- oder heparinisierte Glasröhrchen.
Eine
lokale Störung des Säure-Basen-Haushalts (z.B. Säurebildung bei
Herzinfarkt oder in Tumoren) muss nicht zu systemischen Abweichungen
des Blut-pH führen; die Blutwerte "mitteln" vielmehr über den
Stoffwechswel des gesamten Organismus (zentral durchmischt). Nur wenn sich massive Veränderungen ergeben
(z. B. Muskelarbeit, veränderte Atmung, Erbrechen,
Nierenfunktionsstörung), sind auch pH und Blutgase merklich
beeinträchtigt.
Die Bestimmung von pH-Wert, Sauerstoff- und CO2-Partialdruck nennt man Blutgasanalyse. Aus diesen Werten werden die Pufferkapazität
(buffer bases, BB, normalerweise ≈50 mM) und vom Messgerät die
Bikarbonatkonzentration (≈25 mM) ermittelt. Weicht der BB-Wert ab, wird die
Abweichung als Basenabweichung (BE, base excess) - positiv oder negativ - in mM angegeben.
Die Bikarbonatkonzentration ist ein wichtiger Kennwert des
"metabolischen Schenkels" des Säure-Basen-Status. Sie ändert sich mit
Temperatur, pH-Wert und pCO2. Standardbikarbonat: Die Bikarbonatkonzentration, den man in einer
Blutprobe bei Standardbedingungen, d.h.

37°C

vollständiger Sauerstoffsättigung des
Hämoglobins

pCO
2 = 40 mmHg
findet, heißt Standardbikarbonat.

< Abbildung: Störungen des Säure-Basen-Haushalts im Van Slyke-Diagramm 
Nach einer Vorlage in New Human Physiology
Durch
doppelt-logarithmische Darstellung des Kohlendioxidpartialdrucks als
Funktion der Wasserstoffionenkonzentration (pH = -log [H+])
ergeben sich Pufferlinien, die schräg durch das Diagramm ziehen (je
weniger Pufferbasen, desto weiter links, d.h. im saureren Bereich).
Blaues Band: Pufferbasenkonzentration im Normbereich, rein respiratorische Störungen
Braunes Band: Metabolisch kompensierte respiratorische Störungen (Pufferbasengehalt verändert)
Violette Bänder: Akute metabolische Störungen
Rote Bänder: Respiratorisch kompensierte metabolische Störungen (pCO2 verändert)
Linien gleichen pCO2 (isokapnische Linien) horizontal (Werte links in mmHg, rechts in kPa angegeben; 1 kPa = 7,5 mmHg).
Typische Positionen klinischer Zustandsbilder sind gezeigt (AMS = acute mountain sickness )

Dieser Wert lässt sich aus dem Blut-pH über die
Henderson-Hasselbalch-Gleichung (s. unten) berechnen (vorausgesetzt,
die Standardbedingungen sind eingehalten).
Der tatsächlich in einer Blutprobe vorliegende Bikarbonatwert wird als Aktualbikarbonat oder aktuelles Bikarbonat bezeichnet.Ein Van Slyke-Nomogramm (<Abbildung) stellt den pCO2 als Funktion des pH-Wertes dar (pCO2 logarithmisch, da der pH ein Logarithmus ist).
Normalerweise beträgt der pCO2 ≈40 mmHg und der pH ≈7,4 (<grüner Bereich: "normal").
Ändert man an dieser Blutprobe den pCO2, kommt es - bei gegebener Pufferbasenkonzentration - zu
entsprechenden pH-Änderungen (blauer Bereich: akute respiratorische
Störung).
Ändert man umgekehrt die Pufferbasenkonzentration (entspricht einer "metabolischen" Störung), bleibt der pCO2 (zunächst) gleich, der Zustandspunkt im Diagramm rückt "isokapnisch" (gleich bleibender pCO2) nach links (Azidose) oder rechts (Alkalose). 
>Abbildung: Bikarbonat-pH-Plot einer normalen Blutprobe
Die grüne Linie stellt den Pufferstatus der Blutprobe dar, die Kurven entsprechen einem pCO2
von 60, 40 (arterieller Normalwert) und 27 mmHg. Solche Werte können
durch Äquilibrierung einer Blutprobe vorgegeben werden.
Der Normalpunkt
in der Mitte liegt bei einem pH=7,4 und einem Aktualbikarbonat von 24 mM

Der Pufferstatus einer Blutprobe kann auch in Form eines Bikarbonat-pH-Plots
dargestellt werden (>Abbildung). Der Normalpunkt liegt in der
Mitte des Diagramms (pH 7,4 und aktueller Bikarbonatwert 24 mM). Die
grüne Linie gilt für einen bestimmten Pufferbasengehalt der Probe bei
variierendem pCO2, die rote Kurve für einen pCO2 = 40 mmHg bei unterschiedlichem Pufferbasengehalt.
Mittels Durchströmung einer (motorisch geschüttelten) Blutprobe mit einem Testgas
("Äquilibrierung") kann der pCO2
beliebig eingestellt werden. Die in der Abbildung grau gezeigten Kurven
stellen den Effekt eines Einstellens auf 60 bzw. 27 mmHg pCO2
dar. Diese Werte entsprechen der Auswirkung respiratorischer Störungen
und der damit einhergehenden Hyper- bzw. Hypokapnie (bei unverändertem
Pufferbasengehalt).
Mit dem pH ändert sich auch ein wenig der Aktualbikarbonatwert. Steigt z.B. infolge einer Hypoventilation der pCO
2 (Pfeil nach links: Hyperkapnie, respiratorische Azidose), entstehen vermehrt H
2CO
3, Bikarbonat und Wasserstoffionen (Formeln in der >Abbildung links unten). Die vermehrt gebildeten H
+-Ionen verbrauchen Nichtbikarbonatpuffer, und zwar in dem Ausmaß, in dem [HCO
3-]
ansteigt (Pufferlinie nach links) - die Gesamtpufferkonzentration
bleibt unverändert (und der BE bleibt bei Null), solange keine
Kompensation einsetzt. (Umgekehrtes gilt für respiratorische Alkalose -
Pfeil nach rechts.)
Kompensation. Hält eine Störung an, wird sie vom Körper kompensiert - durch veränderte Atmung (respiratorisch, Auswirkung auf den pCO
2) oder andere Organfunktionen, z.B. der Niere (nichtrespiratorisch, "metabolisch" - Änderung der Pufferkapazität).
<Abbildung: Beispiel einer Kompensation im Bikarbonat-pH-Plot
Theoretisch: Schritt 1: Störung - respiratorische Alkalose durch Hyperventilation, Pufferbasengehalt (grüne Kurve) unverändert (Punkt A→C). Schritt 2: Kompensation (Punkt C→F) - nichtrespiratorisch,
durch Erniedrigung des Pufferbasengehalts (negativer BE) - Bikarbonat
sinkt auf ≈18 mM, pH wird von 7,55 (Alkalose) auf 7,42 reduziert
(kompensierte Alkalose, pH im Normbereich).
Physiologischerweise würde die Kompensation kontinuierlich mit dem Ausmaß der Störung greifen (Punkt A→F), der pH den Normbereich nicht verlassen (vollständig kompensierte Störung)
Kompensationen bezwecken eine Normalisierung des pH. Bei
"unvollständig" kompensierten Störungen wird die Abweichung des pH vom
Normwert 7,4 nur teilweise aufgefangen. Vollständig
kompensierte
Störungen zeichnen sich durch einen arteriellen pH-Wert im Normbereich
(7,36 bis 7,42)
aus. Im Idealfall wird die Störung kontinuierlich mit ihrem Ausmaß
kompensiert, sodass der Normbereich des Blut-pH gar nicht erst
verlässt (in der <Abbildung direkte Verbindung von Punkt A zu
Punkt F).
Puffer
sind Stoffe, welche in der Lage sind, die Wasserstoffionenkonzentration
zu stabilisieren - d.h. Änderungen des pH bei Zugabe von sauren oder
basischen Stoffen in engem Rahmen zu halten.
Die allgemeine Puffergleichung lautet:
pH = pKa + log ([A-] / [HA]) |
Im Fall des Kohlensäuresystems (CO2 <--> H2CO3 <--> H+ + HCO3-) beträgt pKa 6,1, wenn man die molaren Werte von H2CO3 (ein Zwischenprodukt mit sehr geringer Konzentration) und CO2 (physiologisch relevant,
s. Atmung) zusammenzählt. Diese Sonderform der allgemeinen Puffergleichung heißt Henderson-Hasselbalch-Gleichung: Die Antionenkonzentration [A-] ist der Bikarbonatwert (in mM - z.B. 24 mM). Für die undissoziierte Säure [HA] setzt man den pCO2 (in mmHg, also z.B. 40) mal einem Umrechnungsfaktor (Partialdruck → molare Konzentration, d.h. Lösungskoeffizient entsprechend dem Henry-Gesetz - in diesem Fall 0,03) ein:
Dann ergibt sich z.B. als pH-Wert 7,4 aus 6,1 + log (24 / 1,2)
, weil

0,03 x 40 = 1,2
und
24 / 1,2 = 20
und
log 20 = 1,3
Der pH-Wert hängt also vom Gleichgewicht zwischen Bikarbonat und CO2 (molares Verhältnis 20 : 1)
ab - dieses steuert den pH-Wert:

Gleichgewicht zwischen
"metabolischer" (Bikarbonat) und respiratorischer Komponente
(Kohlendioxid) oder anders ausgedrückt:
Gleichgewicht
Nierenaktivität,
Leberfunktion,
Muskeltätigkeit etc. einerseits (
nichtrespiratzorisch),
Atmung (
respiratorisch) andererseits (>Abbildung).
>Abbildung: pH-Gleichgewicht als "römische Schnellwaage"
Nach einer Vorlage in Praktische
Physiologie
Diese
Darstellung stellt schematisch das pH-relevante Funktionsgleichgewicht
Atmung / renale Säureausscheidung bei körperlicher Ruhe dar (andere
metabolische Faktoren wie z.B. Muskelarbeit sind ausgeklammert).
Beträgt das molare Verhältnis CO2 / HCO3- 1:20, ergibt sich ein pH-Wert von 7,4 (Henderson-Hasselbalch-Gleichung)


Bedeutung der Niere für die pH-Stabilität:
Die Nieren können über den Harn saure (bei üblicher Ernährung) oder
auch basische Valenzen (bei vegetarischer Ernährungsweise) aus dem
Körper entfernen, und
Gluko- sowie Mineralkortikoide regen über verschiedene Mechanismen die renale Säureausscheidung an.
Vor allem aber beteiligen sich die
Nieren durch ihr Bikarbonathandling an der Regulierung des
Säure-Basen-Gleichgewichts: Täglich filtrieren die Glomeruli einer
erwachsenen Person etwa 4200 mM Bikarbonat, dieses wird zum Großteil tubulär wieder aufgenommen (Bikarbonatresorption) und neues HCO3- wird tubulär gebildet (Bikarbonatsynthese).
Die Rückgewinnung filtrierten Bikarbonats ist für die Erhaltung des
Blut-pH kritisch, jedoch bei einer Ernährungsweise (viel Fleisch), die
intensive endogene Säurebildung zur Folge hat (rund 1 mM pro kg Körpergewicht täglich),
für die Aufrechterhaltung der Säure-Basen-Balance nicht ausreichend.
Daher die Notwendigkeit zur Synthese "neuen" Bikarbonats im Zuge der
Pufferung saurer Valenzen im Körper (wobei HCO3- laufend verbraucht wird).
Die renale Neubildung von Bikarbonat beruht sowohl auf der Ausscheidung
titrierbarer Säurevalenzen als auch auf dem Ammonium-Mechanismus.
Letzterer hat quantitativ größere Bedeutung, vor allem wenn das System
zusätzlich belastet wird.

Abweichungen
des pH-Wertes können in Richtung Azidose (pH<7,36) oder Alkalose
gehen (pH>7,42). Eine weitere Unterscheidung berücksichtigt die Ursache der Störung: durch die Atmung, d.h. den pCO2 (respiratorische Störung) oder den Metabolismus ("metabolische" Störung), d.h. über den Bikarbonatwert.
Insgesamt unterscheidet man also (bei Verlassen des pH-Referenzbereichs)
Respiratorische Azidose (Hypoventilation = Steigerung des pCO
2 auf >45 mmHg -
Hyperkapnie
- infolge ungenügender Abatmung). Beispielsweise ergibt sich beim
Apnoetauchen (Luftanhalten) eine respiratorische Azidose: Kohlendioxid
kann nicht abgeatmet werden, der resultierende Anstieg des pCO
2 erhöht im Atemzentrum den Atemantrieb ("Lufthunger").
Durch den Anstieg des pCO
2 entstehen vermehrt H
2CO
3, Bikarbonat und Wasserstoffionen (CO
2 + H
2O <-> H
2CO
3 <-> HCO
3- + H
+). Die H
+-Ionen binden vorwiegend an Nichtbikarbonatpuffer, und deren Konzentration sinkt in dem Ausmaß, in dem [HCO
3-] ansteigt.
Solange
keine Kompensation eingesetzt hat, bleiben die
Gesamt-Pufferbasenkonzentration unverändert und der BE (base excess) im
Normalbereich (d.h. nahe 0).
Weitere Beispiele: Lungenemphysem, Lungenödem, Pneumothorax,
Kyphoskoliose, Asthma bronchiale, Verlegung der Atemwege,
neuromuskuläre Erkrankungen, Hemmung des Atemzentrums
Nicht-respiratorische ("metabolische")
Azidose durch erhöhte Zufuhr saurer Valenzen in den Kreislauf, z.B. durch starke
Muskeltätigkeit: Laktatanstieg, pH-Abfall.

Ein Kennzeichen der nichtrespiratorischen Azidose ist ein Absinken der
Pufferbasen und ein negativer BE- (base excess-) Wert.
Weitere Beispiele: Ketoazidose (chronischer Hungerzustand), Diarrhoe mit Bikarbonatverlust, Niereninsuffizienz mit Urämie
Respiratorische Alkalose (Hyperventilation = Senkung des pCO
2 auf <35 mmHg -
Hypokapnie
- infolge ungenügender Abatmung). Dies kann z.B. durch psychische
Belastung bedingt sein - extrem aufgeregte Menschen können "schnaufen",
bis die
Gehirndurchblutung durch verstärkte Atmung und pCO
2-Abfall kritisch absinkt.
Forcierte Atmung kann durch die dadurch ausgelöste Alkalose und das Absinken des freien Kalziumspiegels eine
Hyperventilationstetanie auslösen (zum Mechanismus der hypokalzämischen Krampfauslösung s.
dort).
Umgekehrt wie bei respiratorischer Azidose, verringert das Absinken des pCO
2 sowohl [H
2CO
3], [HCO
3-] als auch die Wasserstoffionenkonzentration. Die Bindung von H
+-Ionen an Nichtbikarbonatpuffer sinkt, deren Konzentration steigt in dem Ausmaß, in dem [HCO
3-] absinkt. Auch hier gilt: Solange keine Kompensation eingesetzt hat, bleibten die
Gesamt-Pufferbasenkonzentration unverändert und der BE im
Normalbereich.
Weitere Beispiele: Enzephalitis, Fieber, Hypoxie
Nicht-respiratorische ("metabolische")
Alkalose
durch Verlust von Säure, z.B. durch starkes Erbrechen. Der HCl-Verlust
aus dem Magen wird wettgemacht (erhöhte Sekretionstätigkeit der
Belegzellen), was die Bikarbonatproduktion Richtung Blut steigert und zu Alkalose führt.

Ein Kennzeichen der nichtrespiratorischen Alkalose ist ein Ansteigen der
Pufferbasen und ein positiver BE- (base excess-) Wert.
<Abbildung: Störungen und Kompensationen im Bikarbonat-pH-Plot (schematisch)
Nach einer Vorlage bei memorangapp.com
Comp. = Kompensation, "Renal" = nichtrespiratorisch, "Resp" = respiratorisch
Acid. = Azidose, Alk. = Alkalose
Rote Punkte: Nichtkompensierte Störungen (Azidose bzw. Alkalose)
Grüne Punkte: Kompensierte Störungen (pH im Normbereich)
Linie D-E: Positiver BE (erhöhte Pufferbasenkonzentration)
Linie B-A-C: BE = 0 (normale Pufferbasenkonzentration)
Linie G-F: Negativer BE (erniedrigte Pufferbasenkonzentration)
Rosa Fläche: Erhöhte Pufferbasen (positiver BE)
Blaue Fläche: Erniedrigte Pufferbasen (negativer BE)
A: Normalpunkt
B: Nichtkompensierte respiratorische Azidose
C: Nichtkompensierte respiratorische Alkalose
D: Kompensierte respiratorische Azidose / nichtrespiratorische Alkalose
E: Nichtkompensierte nichrespiratorische Alkalose
F: Kompensierte respiratorische Alkalose / nichtrespiratorische Azidose
G: Nichtkompensierte nichrespiratorische Azidose
Auch hier gilt: Physiologischerweise werden - ausgehend vom Normalpunkt
A - die Punkte D bzw. F direkt erreicht, der pH-Normbereich nicht
verlassen. Die Abbildung verdeutlicht das gedankliche 2-Stufen-Schema -
zuerst kompletter Störungseffekt ohne Kompensation (rote Punkte), dann
vollständige Kompensation (grüne Punkte)
Die Kompensation einer Störung erfolgt durch den Organismus selbst, indem das Gleichgewicht von pCO2 und [HCO3-] in der Henderson-Hasselbalch-Gleichung bestehen bleibt bzw. wiederhergestellt wird:
Säure-Basen-Haushalt: Störungen und Kompensationen
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Störung / Kompensation
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Ursache (Beispiele)
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pH
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pCO2
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Base excess
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aktuelles Bikarbonat
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nichtrespiratorische Azidose |
Vermehrt anfallende Säuren
(Muskelarbeit
Niereninsuffizienz Diabetes mellitus)
Basenverlust
(Diarrhoe)
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kompensiert |
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nichtrespiratorische Alkalose
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Verlust von Säure
(vegane Ernährung
Erbrechen)
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kompensiert |
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respiratorische Azidose |
Hypoventilation
(verringerte Diffusionskapazität
Ventilations-Perfusions-Störung)
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kompensiert |
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respiratorische Alkalose
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Hyperventilation
(Hypoxie
Angst)
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kompensiert |
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Veränderungen des pH-Wertes im extrazellulären Raum beeinflussen auch den Kaliumhaushalt (vgl. dort):
Bei azidotischer Stoffwechsellage dringen H+-Ionen durch die Zellmembran und senken den intrazellulären pH.
Die erhöhte Wasserstoffionenkonzentration hemmt sowohl die Tätigkeit der Na+-K+-ATPase (Na-K-Pumpe) als auch (wo vorhanden) der Na+-K+-Cl--Kotransporter, die Aufnahme von Kalium in die Zelle sinkt.
Weiters konkurrieren Wasserstoffionen mit Kaliumionen um Bindungsstellen an zellulärem Eiweiß.
Kalium diffundiert aus den Zellen, die extrazelluläre [K
+] steigt an und kann zu Hyperkaliämie führen.
Im Fall einer Azidose (<Abbildung) bedeutet das, dass einerseits
weniger Kalium in die Zelle aufgenommen wird und andererseits mehr
Kaliumionen von intrazellulären Bindungsstellen freiwerden und die
Zelle verlassen können.
Wichtige praktische Konsequenz: Azidose führt zu einer Umverlagerung
von Kalium aus dem Intra- in den Extrazellulärraum. Umgekehrt senkt Alkalose den Kaliumspiegel.
Azidose → Hyperkaliämie
Alkalose → Hypokaliämie |
(Merkhilfe: Wasserstoffionen treiben der Zelle das Kalium aus.)

Behandlung einer Azidose (=pH-Wert <7,35, erhöhte [H+]) führt aufgrund des oben geschildertern Mechanismus automatisch zu einer Aufnahme von Kalium in die Zellen. Die Beseitigung einer Azidose senkt den Kaliumspiegel im Blut,
eine allenfalls mit der Azidose bestehende Hyperkaliämie muss u.U.
nicht eigens behandelt werden - oft normalisiert sich der Kaliumspiegel
schon durch eine Puffergabe.
Über physiologische Kompensationsmechanismen bei Vorliegen einer Hyperkaliämie (Serum-[K+] > 5 mM/l) s. dort.
Bei einem Mangel an Sauerstoff (oxidativer Apparat) oder Insulin (Glukoseaufnahme) fallen vermehrt nichtflüchtige ("fixe", endogene) Säuren
an: z.B. bei vermehrter Bildung von Milchsäure (Laktazidose) oder
Ketonkörpern (hungerbedingte oder diabetische Ketoazidose). Folge ist
eine metabolische Azidose, die sowohl renal (vermehrte Rückgewinnung
von Bikarbonat) als auch respiratorisch kompensiert wird (Mehratmung).
Ein solcher vermehrter Anfall von nichtflüchtigen Säuren führt auch zu einer Vergrößerung der Anionenlücke. Diese kann man definieren als die Differenz von Serum-Natriumkonzentration
einerseits und der Summe von
Bikarbonat- und Chloridkonzentration andererseits; manchmal wird zur
Natrium- auch die Kaliumkonzentration gezählt. Bedenkt man das normale Ionenmuster
im Blutplasma, ergibt sich für die Anionenlücke ein Normalwert von ≈10 mM,
auch je nachdem, ob man Kalium in die Definition einbezieht oder nicht.
Die Anionenlücke ist bedingt durch die Konzentrationswerte an Aminosäuren (≈2,4 mM), Protein
(≈2 mM), Laktat (≈1,5 mM), Phosphat (≈1 mM), Sulfat (≈0,5 mM),
Ketonkörpern (≈0,4 mM), Pyruvat und Zitrat (zusammen ≈0,3 mM) und
anderen Anionen geringer Konzentration, also in Summe etwas weniger als
10 mM.
Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen:
Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie
sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und
Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.