Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

     
Blutdruck, Wasserhaushalt, Säure-Basen-Status

Säure-Basen-Haushalt
© H. Hinghofer-Szalkay

Azidose: acidus = sauer, unangenehm
Alkalose:
القلية‎ "al-qalya", (alkalische) Pflanzenasche
Henderson-Hasselbalch-Gleichung (Puffergleichung): Lawrence Henderson, Karl Hasselbalch
meta-bolisch: μετα-βολισμός = Um-wurf
Kußmaul-Atmung: Adolf Kußmaul
pH: potentia hydrogenii (Konzentration der Wasserstoffionen, ausgedrückt als deren negative Hochzahl auf der Basis 10)
re-spiratorisch: spirare = blasen, wehen, hauchen
Titration: titulus = Inschrift, Titel ("Rang" einer Lösung in Relation zu Wasser mit pH=7)
Van Slyke-Nomogramm: Donald D. Van Slyke


Der Stoffwechsel bildet und verbraucht Wasserstoffionen; dabei überwiegt die Säurebildung, der Körper scheidet saure Valenzen aus, um im Säure-Basen-Gleichgewicht zu bleiben. Das geschieht überwiegend in Form von Kohlendioxid (=Anhydrid der Kohlensäure): Rund 15.000 mM Säurevalenzen werden täglich ausgeatmet (bei körperlicher Belastung entsprechend mehr). Nur etwa 0,5% der Säure (~70 mM) fällt in "nichtflüchtiger" Form an (Ammonium, Sulfat, Phosphat, organische Säuren) und wird von den Nieren ausgeschieden (Harn-pH bei gemischter Kost 5 bis 6).

Atmung und Nierenfunktion sind Hauptakteure in diesem Spiel, daher kann die pH-Balance als ein Funktionsgleichgewicht gesehen werden. Wenn zu viel Säure aus dem Körper entfernt wird, verschiebt es sich zu höheren pH-Werten (>7,45: Alkalose); ist die Säureausscheidung zu gering, zu niedrigeren pH-Werten (<7,35: Azidose).

Der physiologische Blut-pH beträgt 7,4, liegt also im leicht alkalischen Bereich. Ursache ist das Vorhandensein puffernder Stoffe im Blut, die basisch reagieren (Pufferbasen: Bicarbonat, Proteine, Phosphat). Ist die Ursache einer solchen Störung in der Atmung zu sehen, bezeichnet man sie als respiratorisch; andernfalls als nicht-respiratorisch ("metabolisch").

Eine solche Abweichung kann auch dann vorliegen, wenn der Blut-pH noch im Normbereich liegt. Die Störung ist dann kompensiert, z.B. balanciert vermehrte Atmung die erhöhte Säureproduktion bei starker Muskeltätigkeit aus (kompensierte nicht-respiratorische Azidose).

Ist die Atmung nicht in der Lage, genügend CO2 zu entfernen, bezeichnet man diese Atemform als Hypoventilation. Die Folge ist ein Anstieg des pCO2 im Blut (Hyperkapnie: pCO2>45 mmHg). Umgekehrt führt Überatmung (Hyperventilation) zu Hypokapnie (pCO2<35 mmHg). Hyperkapnie bedingt respiratorische Azidose (und erhöhte Hirndurchblutung), Hypokapnie respiratorische Alkalose (und verringerte Hirndurchblutung).


Was bedeutet pH? Säurewirkung Intrazellulärer pH Pufferbasen Blutgasanalyse Bicarbonat-pH-Diagramm Puffergleichung Niere und pH-Regulation Störungen


pH
    Nichtflüchtige Säuren    Titrierbare Säuren    Puffer    Pufferkapazität    pK-Wert    Standardbicarbonat    Anionenlücke

Praktische Aspekte       Core messages
  
Die Protonenkonzentration [H+] an verschiedenen Stellen des Körpers wirkt sich empfindlich auf biochemische / physiologische Systeme aus, und ihre Stabilisierung ist von großer Bedeutung für das normale Funktionieren von Stoffwechsel und Lebensvorgängen.
  
Was bedeutet pH?
 
     Der pH-Wert - pH steht für potentia (Hochzahl) Hydrogenii (gemeint sind Wasserstoffionen) - ist der negative dekadische Logarithmus der molaren Wasserstoffionenkonzentration in der betreffenden wässrigen Lösung. Beispielsweise bedeutet ein pH von 7,4 eine Wasserstoffionenkonzentration von 10-7,4 mol/l (40 nM).
 

Abbildung: pH-Skala
Nach einer Vorlage in Butler / Brown / Stephenson / Speakman, Animal Physiology - An Environmental Perspective, Oxford University Press 2021

Molare Konzentration (M = mol/l) von Wasserstoffionen ([H+]) und Hydroxylionen ([OH-]) beim entsprechenden pH-Wert bei 25°C. Mit steigender Konzentration an Wasserstoffionen sinkt diejenige von OH-Ionen und umgekehrt, das Produkt [H+].[OH-] beträgt (bei 25°C) in jedem Fall 10-14.
 
Magensaft weist einen pH-Wert zwischen 1 und 3 auf (hohe Konzentration an Salzsäure), Speichel zwischen 6,5 und 7,5 (ungefähr im Neutralbereich), Pankreassekret von etwa 9 (hoher Anteil an Bicarbonat). Blut hat (bei körperlicher Ruhe und 37°C) einen pH-Wert von 7,35 bis 7,45, ist also (wegen der Anwesenheit von sogenannten Pufferbasen) leicht alkalisch.
 
Reines Wasser hat bei 25°C einen pH-Wert von 7,0 (grüner Pfeil), es ist "neutral". Der Neutralwert ist der pH-Wert bei [H+] = [OH-] und wird mit dem Kürzel pN bezeichnet. Bei Temperaturen >25°C liegt der pN-Wert unter, bei solchen <25°C über 7,0; bei 37°C beträgt er 6,8. Hat also eine Flüssigkeit bei Körpertemperatur einen pH von 7,0, ist sie nicht neutral, sondern leicht alkalisch.
 
Für eine neutrale Lösung ([H+] = [OH-]) gilt [pH - pN] = 0, für eine saure ([H+] > [OH-]) gilt [pH - pN] < 0, und für eine alkalische ([H+] < [OH-]) gilt [pH - pN] > 0. Der Vorteil der so definierten relativen Alkalinität / Azidität: Sie ist unabhängig von der Temperatur


Weil sich die Protonenkonzentration im physiologischen Rahmen um mehrere Zehnerpotenzen unterscheiden kann ( Abbildung: Beispielsweise hat Magensäure eine [H+] von 10-1 bis 10-3 mol/l, das Blut von 10-7,4 mol/l), hat es sich bewährt, ihre Hochzahl (=dekadischen Logarithmus) statt der molaren Konzentration anzugeben - und das Minuszeichen wegzulassen. Das vereinfacht die Angabe der Wasserstoffionenkonzentration.

Der pH-Wert in den Zellen beträgt - bis auf wenige Ausnahmen - etwa 7,1 (6,9-7,2), er kann mit dem intrazellulären Kompartiment stark variieren (je nach Organelle zwischen 4,5 und 8,0). Extrazellulär (außerhalb der Zellen) ist sein Betrag etwas höher - im Blut 7,4 (geringere H+-Konzentration als intrazellulär). Der physiologische Bereich des Blut-pH-Wertes beginnt bei etwa 6,9 (dieser Wert kann kurzfristig bei extremer körperlicher Belastung auftreten). Bei körperlicher Ruhe liegt er etwa zwischen 7,3 und 7,5 (ab Werten dauerhaft unter 7,2 oder über 7,55 treten gravierende Probleme auf). Werte unter 6,9 (entsprechend [H+] = 126 nM) oder über 7,8 (entsprechend [H+] = 16 nM) sind mit dem Leben nicht vereinbar (126 ist immerhin fast das 8-fache von 16).
 
Bei Blut-pH-Werten von unter 7,35 spricht man von einer "Azidose", obwohl der Neutralpunkt (pN) bei Körpertemperatur bei 6,8 liegt (klinisch-chemische Blutgasanalysen werden üblicherweise bei 37°C durchgeführt). Demnach ist eine Körperflüssigkeit, die bei 37°C einen pH-Wert von 6,9 hat, nicht sauer ([H+] > [OH-]), sondern leicht alkalisch ([H+] < [OH-]).
 
Säuren sind Protonenlieferanten
  

Beim Verzehr einer typischen westlichen Diät werden dem Körper täglich etwa 70 mM (0,8-1,0 mEq/kg/d) Wasserstoffionen zugeführt - mehr als basische Valenzen, wie Bicarbonat (HCO3-). Das Essen, dass die meisten von uns zu sich nehmen, ist also - wie man sagt - säureüberschüssig. Was bedeutet dieser "Säureüberschuss"?
 
Dazu ist wichtig zu verstehen, was der Körper aus den aufgenommenen Nahrungsstoffen macht: Kohlenhydrate und Fette (~85% aller Kalorien) werden zum Großteil zu Wasser und CO2 - dem
Anhydrid der Kohlensäure - metabolisiert. Der pCO2 des Extrazellulärraums wird über die Atemregulation stabilisiert, überschüssiges (neu entstandenes) CO2 verlässt den Körper prompt über die Atmung (ca. 15.000 mM pro 24 Stunden) - er wird von dem "Säureüberschuss" der Nahrung über die Respiration automatisch wieder befreit. Nur die vergleichsweise winzige Menge an entstehenden nicht-CO2-Valenzen (70 mM/d - also weniger als 0,5% der insgesamt gebildeten Säurevalenzen: "nichtflüchtige Säure") muss über andere Routen - ganz überwiegend über den Harn - ausgeschieden werden, um das pH-Gleichgewicht des Körpers zu wahren.
 

Abbildung: Tägliche Aufnahme und Ausscheidung saurer Valenzen
Nach einer Vorlage in Danzinger / Zeidel / Parker: Renal Physiology - A Clinical Approach. Wolters Kluwer / Lippincott Williams & Wilkins 2012

Für eine ausgeglichene Säurebilanz muss der Input (Aufnahme und Produktion) gleich dem Output (Ausscheidung) an sauren Valenzen sein. Über die Nahrung werden in 24 Stunden ~70 mmol nichtflüchtige saure (Nicht-Kohlensäure-) Valenzen aufgenommen (hauptsächlich Sulfat aus dem Proteinabbau: Cystein, Methionin); das wird durch die Ausscheidung von 70 mmol (ebenfalls nichtflüchtigen) sauren Valenzen mit dem Harn ausgeglichen.

Mehr als 200-mal so viele saure Valenzen entstehen im katabolen Stoffwechsel in der Form von Kohlensäure, die in Form ihres Anhydrids (CO2) abgeatmet wird. Die Atmung entfernt so bei weitem die größte Säuremenge aus dem Körper

Der allergrößte Teil der im Stoffwechsel auftauchenden sauren Valenzen wird in Form von CO2 abgeatmet ( Abbildung) und verliert dadurch seinen pH-Effekt.

Tatsächlich kann saure Nahrung basisch wirken: Bezüglich der Säurewirkung von Speisen und Getränken
kommt es nicht auf deren pH-Wert an, sondern darauf, was im Stoffwechsel daraus entsteht - das Endprodukt CO2 verschwindet laufend aus dem System. So hat etwa Orangenjuice einen niedrigen pH (~4.0), aber die daraus entstehenden Metabolisierungsprodukte (vor allem Bicarbonat) wirken als Pufferbasen.



Sämtliche Stoffwechselschritte im Körper haben jeweils einen der drei folgenden Effekte:

      Sie produzieren H+ (als Abfallprodukt) → Säurebildung (Bicarbonatverbrauch, gesenkter Pufferbasenwert). Beispiel: Glucose → Laktat, Zystin → Sulfat

     oder

      Sie verbrauchen H+ (als Reaktionspartner) → Basenbildung (Bicarbonatzuwachs, gesteigerter Pufferbasenwert). Beispiel: Laktat → Glucose, Citrat → CO2

     oder


      Keines von beiden (pH-neutral). Beispiel: Triglyzeride, Zucker → CO2 (wird abgeatmet und verlässt den Körper)
  
Genauer aufgeschlüsselt erbibt sich ein aus fünf Reaktionstypen aufgebautes Bild::
 
Substrat
Produkt
Säure-Basen-
Effekt
organische Kationen
neutrale Moleküle
Protonen freigesetzt
schwefelhältige Aminosäuren
Schwefelsäure
Protonen freigesetzt
neutrale Moleküle
organische Säuren
Protonen freigesetzt
organische Anionen
neutrale Moleküle
Protonen verbraucht
neutrale Moleküle
neutrale Moleküle
kein Effekt
 
Nach dieser Einteilung setzen drei Reaktionstypen Wasserstoffionen frei (und konsumieren Bicarbonat), einer konsumiert sie (und produziert Bicarbonat). Ein Beispiel für den ersten Typ ist die Verwandlung von Ammonium zu Harnstoff in der Leber (Harnstoffzyklus), für den 2. Typ der Abbau von schwefelhaltigen Aminosäuren zwecks Energiegewinnung, für den 3. Typ der Abbau von Kohlenhydraten oder Fetten. Ein organisches Anion ist z.B. Acetoacetat, sein Abbau verbraucht ein Proton (es entsteht CO2); und der 5. Typ ist z.B. beim Abbau von Glucose gegeben.
 
Ob Nahrungen / Getränke "säureüberschüssig" wirken oder nicht, hängt vor allem vom pH-Wert ihrer Stoffwechselprodukte ab
 
Saure Valenzen werden vorwiegend als CO2 abgeatmet

  
Wasserstoffionen (H+, Atommasse 1) kommen im Körper millionenfach seltener vor als Bicarbonat (HCO3-), sind aber dennoch bedeutsam, z.B. im Rahmen des Energiestoffwechsels (Regenerierung von ATP durch gekoppelte oxidative Phosphorylierung): Wasserstoff- und Phosphationen betreten Mitochondrien über einen Symporter, und H+ wird zur Oxidation von NADH verwendet. Das stellt den ersten Schritt für die Elektronen-Transportkette im Mitochondrium dar, an deren Ende Zytochrom B die Energie zum Hinauspumpen von H+ aus der Mitochondienmatrix liefert. Die im mitochondrialen Spaltraum angereicherten Wasserstoffionen treiben schließlich die H+-ATP-Synthase zur ATP-Neubildung an.

Die
H+-Konzentration liegt im Organismus im nanomolaren Bereich (in Blut 10-7,4 Mol, entsprechend ~40 nM). Sie wird in fast allen Kompartimenten des Körpers niedrig gehalten, da Protonen eifrig mit Histidinresten in Proteinen reagieren und diese positiv aufladen, was ihre Gestalt und Funktion verändern kann. Weil Proteine wichtige Funktionsträger sind (Transporter, Enzyme, Strukturelemente..), wäre dies rasch lebensbedrohlich. Die Wasserstoffionenkonzentration im intrazellulären Raum beträgt im Mittel ~80 nM, liegt also rund doppelt so hoch wie im Blut; dementsprechend ist der pH-Wert geringer, im Mittel bei 7,1 (das liegt über dem Neutralwert von 6,8 bei 37°C, vgl. oben).

Vergleicht man diese Zahlen mit dem täglichen Umsatz des Körpers (etwa 15 Milliarden nmol H+/d), wird klar, wie intensiv der Protonenstoffwechsel im Organismus ist. Das wird an folgendem Beispiel klar: Das (zu 80% aus Intrazellulärvolumen bestehende) Gehirn (~1,5 kg) enthält nur einige Gramm ATP (molare Masse ~700, Konzentration ~5 mM). Die zerebrale ATP-Synthese erreicht hingegen fast 20 kg/d - Adenosintriphosphat wird im Gehirn in 24 Stunden mehrere tausend mal umgesetzt.

    Als nichtflüchtige Säuren (nonvolatile / metabolic / fixed acids) bezeichnet man im Körper gebildete Säuren, die nicht als CO2 mit der Atmung ausgeschieden werden können (Sulfat, Phosphat, organische Säuren). Der Organismus kann auch nichtflüchtige Basen erzeugen, die dann als Bicarbonat anfallen.

Normalerweise stammen die meisten nichtflüchtigen sauren Valenzen des Metabolismus aus dem Eiweißabbau (besonders bei katabolen Patienten, die wenig Nahrung aufnehmen und körpereigenes Protein für ihren Energiestoffwechsel verwenden). Früchte und Gemüse hingegen liefern bei ihrer Verstoffwechslung eher basische Valenzen (Bicarbonat).
So wirken "saure" Fruchtgetränke, die reichlich Citrat, Laktat usw.
enthalten, alkalisierend und steigern den Harn-pH.

Ein 70 kg schwerer Mensch unter typischer Kost produziert
netto (d.h. saure minus basische Valenzen) etwa 40 mmol nichtflüchtige saure Valenzen pro 24 Stunden. Der Großteil der metabolisch generierten sauren Valenzen (rund 15.000 mmol/d Abbildung) fällt als CO2 aus dem Abbau neutraler Kohlenhydrate und Fette sowie der meisten neutralen Aminosäuren an - das ist mehr als das 100-fache der im Körper gelösten CO2-Menge. CO2 wird ausgeatmet und belastet den Säure-Basen-Haushalt bzw. die Pufferfähigkeit des Blutes überhaupt nicht.
  
Die Atmung ist der bei weitem wichtigste Mechanismus der Säureausscheidung
  
Lediglich Ammoniumionen (NH+) und "titrierbare" Säure - das ist die durch Rücktitration des Harns mit NaOH bestimmbare Säuremenge (Phosphat, Harnsäure, Kreatinin..) - müssen renal ausgeschieden werden ( Abbildung: ~70 mmol/d) - rund 1 mmol / kg Körpergewicht / Tag oder ~0,5% der gesamten Säureausscheidung (~99,5% erfolgen über die Armung). Zur Gesamtbilanz des Körpers kommt noch,  dass mit dem Stuhl pro Tag typischerweise ~10 mmol basische Valenzen (OH-) verloren gehen (das bedeutet für den Organismus eine zusätzliche Säurelast von 10 mmol/d).
 

Abbildung: Säure-Basen-Bilanz einer 70 kg schweren Person auf westlicher Standarddiät
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 1st ed. Saunders 2003

Etwa 70 mmol "nichtflüchtige" Säuren scheidet die Niere täglich aus - ~40 mmol als Ammoniumionen, ~30 mmol als "titrierbare" Säure (Schwefel-, Phorphorsäure u.a.).
 
Für die Säure-Basen-Bilanz ist nicht entscheidend, wie viel Säure mit Essen und Trinken aufgenommen wird ("säureüberschüssige Kost"), sondern was der Metabolismus aus den resorbierten Stoffen macht, d.h. die Gesamtbilanz im Stoffwechsel.
 
Die bei weitem intensivste Säureausscheidung erfolgt - als Kohlendioxid - über die Atmung (hier: 15.000 mmol/d)

Diese "nichtflüchtigen" Säuren entstehen bei

      Abbau phosphorhaltiger Stoffe (Nukleinsäuren)
 

      unvollständiger Oxidation von Kohlenhydraten und Fetten (Laktat, Ketosäuren)
 
      Oxidation schwefelhaltiger (Zystin, Methionin - Ausscheidung von Sulfat) oder kationischer (wie Lysin, Arginin) Aminosäuren

und
werden mit dem Harn ausgeschieden:

      ~40 mmol/d als Ammonium (aus Glutamin), das als Kation nicht mehr rückresorbiert und damit ausgeschieden wird (ion trapping - besonders bei Azidose), und

      bis zu ~30 mmol/d als "titrierbare Säure" - Phosphat (~80%), Harnsäure (~20%), andere organische Säuren, Sulfat (Harn-pH bis 4,7).
  

Abbildung: Pufferung titrierbarer Säuren im Tubuluslumen
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Sezernieren Tubuluszellen H+ in das Lumen, kombiniert dieses mit Bicarbonat (oben), "titrierbaren" Anionen wie Phosphat (Mitte) sowie Ammoniak (unten).
 
Ammoniumausscheidung im proximalen Tubulus, Bicarbonatresorption und Bildung titrierbarer Säure (hier Phosphat) auch in anderen Tubulusabschnitten.

CA = Carboanhydrase

 
     Unter titrierbarer Säure versteht man Anionen, die als Puffer im Harn wirken - sie binden Wasserstoffionen und ermöglichen der Niere die Ausscheidung von Säuren bei nur mäßiger Reduktion des Harn-pH.

   Dass die renale Ausscheidung nichtflüchtiger saurer Valenzen für die Aufrechterhaltung des Säure-Basen-Gleichgewichts im Körper entscheidend ist, wird durch die Tatsache unterstrichen, dass Nierenversagen zum Rückstau saurer Valenzen und metabolischer Azidose führt.

Die Säureausscheidung in Form von freien Wasserstoffionen spielt mengenmäßig keine Rolle (Rechenbeispiel: pH 4 entspricht einer H+-Konzentration von lediglich 0,1 mmol - um 70 mmol in Form von Protonen auszuscheiden, müssten dann mindestens 700 l Harn produziert werden). Saure Valenzen werden mit dem Harn in Form saurer Salze entsorgt.
 
Um das pH-Gleichgewicht im Körper zu stabilisieren, muss die Niere so gut wie das gesamte (>99,9%) glomerulär filtrierte Bicarbonat (die mengenmäßig führende Pufferbase) aus den Tubuli wieder zurückgewinnen (
Abbildung) - das sind mehr als 4000 mmol in 24 Stunden ( s. dort). Der Mechanismus ist immer derselbe: Unter der beschleunigenden Wirkung von Carboanhydrase (CA), die in mehreren Nephronabschnitten exprimiert wird, entsteht im Tubulus aus Bicarbonat und H+ einer Säure CO2; dieses diffundiert durch die apikale Membran (die für CO2 hohe Durchlässigkeit hat) in Tubulusepithelzellen; hier entsteht wieder Bicarbonat (CA sei Dank), das basolateral die Zelle verlässt; das entstandene H+ rezirkuliert in das Tubuluslumen.

Zur apikalen / basolateralen Membran vgl. dort

Das Bicarbonat kümmert sich um die laufende Säurelast (acid challenge) durch
 
      Neutralisierung des Großteils saurer Valenzen durch Bildung (und Ausatmung) von CO2
 
      Bildung neuen Bicarbonats in den Nieren

Die renale Netto-Säureausscheidung stellt sich dar als

{H+ in Phosphat, Creatinin, Harnsäure} + {H+ in Ammonium} - {ausgeschiedenes Bicarbonat}

Der erste Klammerausdruck entspricht der titrierbaren Säure - die Anionen sind Nicht-Ammoniak- und Nicht-Bicarbonat-Puffer, hauptsächlich HPO42-, Creatinin und Urat. Saure Valenzen dieser Kategorie werden vor allem in der monovalenten Form von H2PO4- ausgeschieden. Für jedes ausgeschiedene
H2PO4- gelangt ein neu gebildetes HCO3- in Richtung Blut ( Abbildung).

Was den zweiten Klammerausdruck betrifft, liegt dieser praktisch vollständig in Form von Ammoniumionen vor, da der pK-Wert des NH3/NH4+-Systems bei >9,0 (also weit über dem Harn-pH) liegt (
vgl. dort). Ammoniak ist ein Protonenakzeptor; da die Konzentration an freiem Ammoniak (NH3) im glomerulären Filtrat sehr niedrig ist (Plasmaspiegel <1 µM/l), stammt das tubuläre Ammoniak im Wesentlichen aus den Tubuluszellen durch Abspaltung von H+ - das in den Tubulus wandert und dort wieder NH4+ bildet ( Abbildung).

Proximale Tubuluszellen können Glutamin zu
α-Ketoglutarat und 2 NH4+ umwandeln, Quelle für je zwei Protonen und Ammoniakmoleküle; und zwei dabei entstandene OH--Ionen werden mit CO2 (CA-Wirkung) zu Bicarbonat, das wiederum über die basolaterale Membran Richtung Blut wandert ( Abbildung).

Anionische
Aminosäuren (wie Glutamat oder Aspartat) werden zu neutralen Stoffwechselprodukten verwandelt (Harnstoff, Glucose,
CO2, H2O).

      Über die Zusammensetzung des Urins s. dort
 
      Zum Ammoniummechanismus s. auch dort
 
Die "endogene" Säurebildung (ESB) (endogenous acid production EAP) bezieht sich auf relativ starke "nichtflüchtige" Säuren und beruht auf zwei Komponenten:

      "Metabolische" Säurebildung (MSB) (metabolic acid production MEP) - z.B. Laktatproduktion bei körperlicher Belastung - sowie

      Säure, die im Rahmen der Verdauungsfunktion (netto) entsteht (gastrointestinale Säurebildung, GSB) (gastrointestinal acid production GAP). Daher ergibt sich
 
       ESB = MSB + GSB   (oder: EAP = MAP + GAP)

wobei die beiden zu etwa gleichen Teilen zur Belastung des Säure-Basen-Haushalts durch nichtflüchtige Säuren beitragen.

Zur endogenen Säureproduktion vgl. dort
  
Wie reagieren Zellen auf intrazelluläre pH-Änderungen?
 
Normalerweise besteht über die Zellmembran ein Gleichgewicht zwischen der Aktivität von Transportern, welche Säure aus der Zelle bringen (z.B. via Natrium-Bicarbonat-Cotransport) und solchen, die saure Valenzen in die Zelle bringen (z.B. via Chlorid-Bicarbonat-Austausch). Dann bleibt die Wasserstoffionenkonzentration in der Zelle stabil (der intrazelluläre pH-Wert beträgt meist ~7,1).

Ändert sich der pH-Wert im Extrazellulärraum, wirkt sich das oft auf den intrazellulären pH aus (und umgekehrt). So hemmt metabolische Azidose (Erhöhung der extrazellulären [H+]) den Export saurer Valenzen und fördert deren Import; dadurch sinkt auch der intrazelluläre pH-Wert. Umgekehrt führt metabolische (extrazelluläre) Alkalose zu vermehrter Aufnahme basischer Valenzen, und auch der intrazelluläre pH-Wert steigt an.

Extrazelluläre Abweichungen (Azidose, Alkalose) führen also zu gleichsinnigen Änderungen in der Zelle. Diese benötigt jedoch für eine optimale Funktion eine stabile
Wasserstoffionenkonzentration. Wie korrigiert die Zelle Störungen des pH-Wertes?
 

Abbildung: Kompensation nach Einbringen von sauren oder basischen Valenzen in eine Zelle
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Reaktion auf intrazelluläre metabolische Azidose (links): Einbringen von Säure (hier: HCl mittels Mikropipette) in die Zelle regt die Ausscheidung saurer Valenzen an (grüne Pfeile) und bremst deren Import (roter Pfeil).
 
Reaktion auf intrazelluläre metabolische Alkalose (rechts): Umgekehrt wird der Säureimport angeregt und der Import inhibiert, wenn basische Valenzen in die Zelle verbracht werden (hier: Kaliumhydroxid). In beiden Fällen kann die Zelle die metabolische Störung durch Steuerung membranaler Transportsysteme metabolisch kompensieren.

NBCn1 = elektroneutraler Na/HCO3-Cotransporter, NHE1 = Na-H-Austauscher, AE2 = Cl-HCO3-Austauscher


Statt eine Zelle azidotischer oder alkalotischer Umgebung auszusetzen, damit sie saure oder basische Valenzen aufnimmt, könnte man mittels Mikropipette direkt Säure oder Base injizieren, um festzustellen, wie die Transporter in ihrer Membran auf die Änderung des intrazellulären pH reagieren ( Abbildung): Dieser kehrt nach einiger Zeit zum Normalwert zurück. Dabei spielen Cotransporter (Symport) und Austauscher (Antiport) eine Rolle:

      Behebung einer intrazellulären Azidose: NBCn1 (elektroneutraler Na/HCO3-Cotransporter) und NHE1 = (Na-H-Austauscher) sind Säureausscheider (acid extruder) steigern den intrazellulären pH-Wert und beheben dadurch eine intrazelluläre Azidose. Beide Transporter nützen den Natriumgradienten, einerseits um mit Na (stark basisch) Bicarbonat (schwach sauer) aufzunehmen, andererseits um Wasserstoffionen gegen Na auszutauschen (und damit auszuscheiden).

      Behebung einer intrazellulären Alkalose: AE2 = Cl-HCO3-Austauscher (anion exchanger) ist ein Säureimporter (acid loader), er importiert Chloridionen (stark sauer) im Austausch gegen Bicarbonat (schwach sauer) und senkt dadurch den intrazellulären pH-Wert.
 
Puffer(basen) stabilisieren den pH-Wert
 
     Unter einem Puffer versteht man eine Substanz, die bei Zusatz von Säure (pH sinkt) oder alkalischer Stoffe (pH steigt) Wasserstoffionen (H+) so aufnimmt (Protonenakzeptor) oder abgibt (Protonendonator), dass die Änderung des pH dabei geringer ist als das ohne Anwesenheit des Puffers der Fall wäre. Der Puffer stabilisiert also den pH-Wert - Blutpuffer (buffer bases) tun das im Kreislauf.
 

Abbildung: pH- Bicarbonat- Diagramm (vgl. weiter unten)
Nach einer Vorlage in Butler / Brown / Stephenson / Speakman, Animal Physiology - An Environmental Perspective, Oxford University Press 2021

Beziehung zwischen pH-Wert (Abszisse), pCO2 (in kPa, grüne Linien) und Bicarbonatkonzentration (Ordinate) im Blutplasma (rote Linie: Pufferlinie bei BE=0; blauer Punkt: Aktualwerte pH 7,4, pCO2 = 5,3 kPa, [HCO3-] = 25 mM).
 
Ändert man den
pCO2 (z.B. infolge einer respiratorischen Störung) bei gleich bleibender Pufferkapazität (rote Linie), ändert sich der pH-Wert des Blutes dementsprechend. Die Neigung der (in dieser Darstellung so gut wie linearen) Pufferlinie wird als Pufferwert (buffer value) ß bezeichnet, definiert als
ß = ∆ [HCO3-] / ∆ [pH]
 
Respiratorische Störungen bewegen die Aktualwerte entlang der Pufferlinie, metabolische Störungen entlang der betreffenden pCO2-Kurve (Linien gleicher CO2-Konzentration nennt man Isobare, gleichen pCO2 Isoplethen)


Die Beziehung zwischen Blutgaswerten (pCO2), Blutpufferkapazität / Bicarbonat und der Auswirkung von Variationen dieser Zustandsvariablen auf den Blut-pH lässt sich in verschiedener Weise darstellen. Ein Standard ist das pH-Bicarbonat-Diagramm ( Abbildung). Es quantifiziert, wie Veränderungen des Kohlendioxidgehalts im Blut dessen pH-Wert verändert (grüne Kurven: der pH-Wert ist ein Logarithmus!) und stellt die Verortung der Aktualwerte in Abhängigkeit von der Pufferkapazität des Blutes dar.

Alternativ kann auf den Ordinate statt der Bicarbonatkonzentration der pCO2 aufgetragen sein
(wie im van Slyke-Diagramm, s. Abbildung unten).

Pufferbasen
halten Störungen des pH-Wertes gering. Ihre Konzentration im Blut beträgt 48 mM, die Hälfte davon (24 mM) geht auf das Konto von Bicarbonat. Die anderen werden als Nichtbicarbonatpuffer zusammengefasst, diese sind vorwiegend intrazellulär aktiv.


Pufferbasen im Blut
(Gesamt: 48-50 mM)
Bicarbonatpuffer
24-25 mM
Nichtbicarbonatpuffer
(NBP: Hämoglobin, Proteine, Phosphat)
24-25 mM
  
Bicarbonat: Die Nieren bilden ~70 mmol/d Bicarbonat neu (außer, wenn basische Valenzen ausgeschieden werden müssen, z.B. nach massivem Erbrechen). Dies dient der Pufferung des Blutes, das die Niere durchströmt: Würde die Niere nämlich die in das Tubulussystem sezernierten Säuren nicht puffern, müsste sie den Harn auf pH=1,3 ansäuern (70 mmol H+ in 1,5 Liter Harn) - tatsächlich ist die maximal mögliche H+-Konzentration um mehrere Zehnerpotenzen geringer (Harn-pH meist über 5,0).

Glomerulär filtriertes Bicarbonat (4320 mmol/d in der Abbildung oben) wird in der Niere so gut wie vollständig rückresorbiert (80% im proximalen Tubulus, 10% im aufsteigenden Schenkel der Henle-Schleife, 10% im distalen Tubulus). Die Neubildung von Bicarbonat (hauptsächlich im proximalen Tubulus) erfolgt vor allem über den Ammoniummechanismus (Bicarbonatbildung durch NH3 NH4+) sowie den Phosphatmechanismus (Bicarbonatbildung durch Hydrogenphosphat Dihydrogenhosphat).

Durch die Offenheit des Bicarbonatsystems (CO2 kann abgeatmet, Bicarbonat von den Nieren nachgebildet werden) beträgt seine
Kapazität 55 mM pro ΔpH (als geschlossenes System würde dieser Wert lediglich 2 mM pro ΔpH betragen).
 
    Als Maß für die Pufferkapazität einer Lösung gilt die Menge an H+ (eigentlich H3O+) bzw. OH+, die man einer Lösung zuführen muss, um deren pH-Wert um eine Einheit zu verändern.

Ein Beispiel: Gibt man zu einem Liter Wasser (destilliert, 25°C) 1 ml 10-molare Salzsäure, sinkt der pH von 7 auf 2 (die [H+] nimmt von 10-7 auf 10-2 zu). Gibt man dieselbe Menge 10-molare HCl zu einem Liter Blutplasma, sinkt der pH-Wert von 7,4 lediglich auf 7,2 - also um 0,2 (statt 5) pH-Einheiten.
 



Nichtbicarbonatpuffer: Glomerulär filtriertes Phosphat wird zu 90% renal rückgewonnen; 10% werden ausgeschieden und dienen der Pufferung. Phosphat ist in der Niere von Bedeutung; die Konzentration im Plasma ist gering (~1 mM), daher ist die Beteiligung des Phosphatpuffers an der Stabilisierung des Blut-pH trotz des günstigen pK-Wertes des Systems primäres / sekundäres Phosphat (7,1) gering. Im Intrazellulärraum spielt der Phosphatpuffer wegen seiner höheren Konzentration und der Nähe zum pK-Wert die Hauptrolle als Puffer.
 
    Als pK-Wert kann man denjenigen pH-Wert bezeichnen, bei dem eine schwache Säure oder Base zu 50% in dissoziierter und zu 50% in undissoziierter Form vorliegt (Halbäquivalenzpunkt).
 
Organische Puffer - Proteine, Peptide, Aminosäuren -
puffern vor allem über Imidazol-, Sulfhydryl- und NH2-Gruppen. Bei Plasmaproteinen ( s. dort) - Kapazität 5 mM pro ΔpH - puffert vor allem Albumin.

Hämoglobin
ist eine besonders bemerkenswerte Pufferbase, da es seine Pufferkapazität mit der Sauerstoffbeladung ändert
(Haldane-Effekt). Dadurch ist seine physiologische Bedeutung besonders hoch: Die Pufferkapazität beträgt in den Erythrozyten 60 mM (Erys) pro ΔpH.

Aktive Muskelzellen konsumieren oft mehr Sauerstoff, als der Blutfluss akut anbietet ("Sauerstoffschuld"). In derart "unterversorgten" Regionen steigt die Anforderung an die Pufferkapazität des Blutes, pH-Wert, Pufferbasenkonzentration und BE-Wert in venösen Blutproben aus solchem Gewebe sinken - natürlich auch pO2 und die Sauerstoffsättigung des Hämoglobins.
 
     pH und Gesundheit. Die Erhaltung des Säure-Basen-Gleichgewichts ist von großer Bedeutung für den Gesundheitszustand des Körpers, und Störungen können u.a. Wachstumsstörungen bei Neugeborenen, Elektrolytstörungen, Übelkeit, Herzrhythmusstörungen, Kreislaufunempfindlichkeit gegenüber Noradrenalin / Adrenalin, Muskelatrophie, Osteoporose, Nierensteinbildung, Parästhesien, im Extremfall Koma bedingen; Abweichungen des Bicarbonatspiegels im Blut sind mit erhöhter Mortalität korreliert.
 
Blutgasanalyse
 

Blutproben spiegeln den systemischen Zustand des Säure-Basen-Haushalts wider. Dazu ist es nicht notwendig, eine Arterie zu punktieren. Beim Einstechen in gut durchblutete Akren (Fingerbeere, Ohrläppchen, Ferse bei Babys) werden kleine Arterien geöffnet, aus denen - bedingt durch den arteriellen Druck - arterielles (hellrotes) Blut austritt. Durch Kapillarwirkung fließt es leicht in enge Kunststoff- oder heparinisierte Glasröhrchen. Man spricht von "Kapillarblut" - es stammt aber aus kleinen Arterien, aus Kapillaren strömt kein Blut aus.
Eine lokale Störung des Säure-Basen-Haushalts (z.B. Säurebildung bei Herzinfarkt oder in Tumoren) muss nicht zu systemischen Abweichungen des Blut-pH führen; die Blutwerte "mitteln" vielmehr über den Stoffwechsel des gesamten Organismus (zentral durchmischt). Nur wenn sich massive Veränderungen ergeben (z. B. Muskelarbeit, veränderte Atmung, Erbrechen, Nierenfunktionsstörung), sind auch pH und Blutgase merklich beeinträchtigt.

Die Bestimmung von
pH-Wert (bei 37°C), Sauerstoff- und CO2-Partialdruck nennt man Blutgasanalyse. Aus diesen Werten werden die Pufferkapazität (buffer bases, BB, normalerweise ~50 mM) und vom Messgerät die Bicarbonatkonzentration (~25 mM) ermittelt. Weicht der BB-Wert ab, wird die Abweichung als Basenabweichung (BE, base excess) - positiv oder negativ - in mM angegeben.
 
Der BE ist negativ bei respiratorischen Alkalosen (als Kompensation) oder bei metabolischen Azidosen (als Ursache)


Die Bicarbonatkonzentration ist ein wichtiger Kennwert des "metabolischen Schenkels" des Säure-Basen-Status. Sie ändert sich mit Temperatur, pH-Wert und
pCO2.
 
    Als Standardbicarbonat bezeichnet man die Bicarbonatkonzentration, den man in einer Blutprobe bei Standardbedingungen findet, d.h.
 
     37°C
 
     vollständiger Sauerstoffsättigung des Hämoglobins
 
     pCO2 = 40 mmHg (5,3 kPa)

Folgende Normalwert(bereich)e für den Säure-Basen-Status sollte man sich merkern:

Blut-pH-Wert: 7,4 (7,37-7,43)
 
arterieller pCO2: 5,3 kPa (40 mmHg)
 
(Standard-) Bicarbonatkonzentration: 24 mM (21-28)
 
Pufferbasen (BB): 48 mM (42-56)
 
Basenüberschuss (BE): 0 mM (-2,5 bis +2,5)
 

Abbildung: Störungen des Säure-Basen-Haushalts im Van Slyke-Diagramm
Nach einer Vorlage in New Human Physiology

Durch doppelt-logarithmische Darstellung des Kohlendioxidpartialdrucks als Funktion des pH (= -log [H+]) ergeben sich Pufferlinien, die schräg durch das Diagramm ziehen (je weniger Pufferbasen, desto weiter links, d.h. im saureren Bereich).
 
  Blaues Band: Pufferbasenkonzentration im Normbereich, rein respiratorische Störungen 
 
  Braunes Band: Metabolisch kompensierte respiratorische Störungen (Pufferbasengehalt verändert) 
 
  Violette Bänder: Akute metabolische Störungen 
 
  Rote Bänder: Respiratorisch kompensierte metabolische Störungen (pCO2 verändert)
 
Linien gleichen pCO2 (isokapnische Linien) horizontal (Werte links in mmHg, rechts in kPa angegeben; 1 kPa = 7,5 mmHg).
 
Typische Positionen klinischer Zustandsbilder sind gezeigt (AMS = acute mountain sickness)


Dieser Wert lässt sich aus dem Blut-pH über die Henderson-Hasselbalch-Gleichung (s. unten) berechnen (vorausgesetzt, die Standardbedingungen sind eingehalten).
 
Der tatsächlich in einer Blutprobe vorliegende Bicarbonatwert wird als Aktualbicarbonat oder aktuelles Bicarbonat bezeichnet.
Ein Van Slyke-Nomogramm ( Abbildung) stellt den pCO2 als Funktion des pH-Wertes dar (pCO2 logarithmisch, da der pH ein Logarithmus ist).

Normalerweise beträgt der
pCO2 ~40 mmHg und der pH ~7,4 (<grüner Bereich: "normal"). Ändert man an dieser Blutprobe den pCO2, kommt es - bei gegebener Pufferbasenkonzentration - zu entsprechenden pH-Änderungen (blauer Bereich: akute respiratorische Störung).

Ändert man umgekehrt die
Pufferbasenkonzentration (entspricht einer "metabolischen" Störung), bleibt der pCO2 (zunächst) gleich, der Zustandspunkt im Diagramm rückt "isokapnisch" (gleich bleibender pCO2) nach links (Azidose) oder rechts (Alkalose).
 
Bicarbonat-pH-Diagramm
(vgl. oben)
 
Der Pufferstatus einer Blutprobe kann auch in Form eines Bicarbonat-pH-Plots dargestellt werden ( Abbildung). Der Normalpunkt liegt in der Mitte des Diagramms (pH 7,4 und aktueller Bicarbonatwert 24 mM). Die grüne Linie gilt für einen bestimmten Pufferbasengehalt der Probe bei variierendem pCO2, die rote Kurve für einen pCO2 = 40 mmHg bei unterschiedlichem Pufferbasengehalt.

 
Abbildung: Bicarbonat-pH-Plot einer normalen Blutprobe

Die grüne Linie stellt den Pufferstatus der Blutprobe dar, die Kurven entsprechen einem pCO2 von 60, 40 (arterieller Normalwert) und 27 mmHg. Die Werte können durch Äquilibrierung einer Blutprobe (Begasung mit bekanntem pCO2) vorgegeben werden.
 
Der Normalpunkt in der Mitte liegt bei einem pH=7,4 und einem Aktualbicarbonat von 24 mM


Mittels Durchströmung einer (motorisch geschüttelten) Blutprobe mit einem Testgas ("Äquilibrierung") kann der pCO2 beliebig eingestellt werden. Die in der Abbildung grau gezeigten Kurven stellen den Effekt eines Einstellens auf 60 bzw. 27 mmHg pCO2 dar. Diese Werte entsprechen der Auswirkung respiratorischer Störungen und der damit einhergehenden Hyper- bzw. Hypokapnie (bei unverändertem Pufferbasengehalt).

Mit dem pH ändert sich auch ein wenig der Aktualbicarbonatwert. Steigt z.B. infolge einer Hypoventilation der pCO2 (Pfeil nach links: Hyperkapnie, respiratorische Azidose), entstehen vermehrt H2CO3, Bik´carbonat und Wasserstoffionen (Formeln in der Abbildung links unten). Die vermehrt gebildeten H+-Ionen verbrauchen Nichtbicarbonatpuffer, und zwar in dem Ausmaß, in dem [HCO3-] ansteigt (Pufferlinie nach links) - die Gesamtpufferkonzentration bleibt unverändert (und der BE bleibt bei Null), solange keine Kompensation einsetzt. (Umgekehrtes gilt für respiratorische Alkalose - Pfeil nach rechts.)

Kompensation. Hält eine Störung an, wird sie vom Körper kompensiert - durch veränderte Atmung (respiratorisch, Auswirkung auf den
pCO2) oder andere Organfunktionen, z.B. der Niere (nichtrespiratorisch, "metabolisch" - Änderung der Pufferkapazität).
 
 
Abbildung: Beispiel einer Kompensation im Bicarbonat-pH-Plot
Theoretisch besteht der Vorgang aus zwei Schritten:
 
Schritt 1: Störung - respiratorische Alkalose durch Hyperventilation, Pufferbasengehalt (grüne Kurve) unverändert (Punkt A→C).
 
Schritt 2: Kompensation (Punkt C→F) - nichtrespiratorisch, durch Erniedrigung des Pufferbasengehalts (negativer BE) - Bicarbonat sinkt auf ~18 mM, pH wird von 7,55 (Alkalose) auf 7,42 reduziert (kompensierte Alkalose, pH im Normbereich).
 

Tatsächlich greift die Kompensation kontinuierlich mit dem Ausmaß der Störung (Punkt A→F), der pH verlässt dabei den Normbereich nicht (vollständig kompensierte Störung)


Kompensationen bezwecken eine Normalisierung des pH. Bei "unvollständig" kompensierten Störungen wird die Abweichung des pH vom Normwert 7,4 nur teilweise aufgefangen. Bei vollständig kompensierten Störungen bleibt der arterielle pH-Wert im Normbereich (7,36 bis 7,42 - in der Abbildung direkte Verbindung von Punkt A zu Punkt F).
 
Puffergleichung
 

Puffer sind Stoffe, welche in der Lage sind, die Wasserstoffionenkonzentration zu stabilisieren - d.h. Änderungen des pH bei Zugabe von sauren oder basischen Stoffen in engem Rahmen zu halten. Die allgemeine Puffergleichung lautet:
 
pH = pKa + log ([A-] / [HA])
 
Im Fall des Kohlensäuresystems (CO2  H2CO3 H+ + HCO3-) beträgt pKa 6,1, wenn man die molaren Werte von H2CO3 (ein Zwischenprodukt mit sehr geringer Konzentration) und CO2 (physiologisch relevant, s. Atmung) zusammenzählt.

Diese Sonderform der allgemeinen Puffergleichung heißt Henderson-Hasselbalch-Gleichung : Die Anionenkonzentration [A-] ist der Bicarbonatwert (z.B. 24 mM). Für die undissoziierte Säure [HA] setzt man den pCO2 (in mmHg, also z.B. 40) mal einem Umrechnungsfaktor (Partialdruck molare Konzentration, d.h. Lösungskoeffizient entsprechend dem Henry-Gesetz - in diesem Fall 0,03) ein:



 Dann ergibt sich z.B. als pH-Wert 7,4 aus 6,1 + log (24 / 1,2), weil

     0,03 x 40 = 1,2

und

     24 / 1,2 = 20

und

     log 20 = 1,3


Der pH-Wert hängt also vom Gleichgewicht zwischen Bicarbonat und CO2 (molares Verhältnis 20 : 1) ab - dieses steuert den pH-Wert:
 
  Gleichgewicht zwischen "metabolischer" (Bicarbonat) und respiratorischer Komponente (Kohlendioxid) oder anders ausgedrückt: Gleichgewicht Nierenaktivität, Leberfunktion, Muskeltätigkeit etc. einerseits (nichtrespiratorisch), Atmung (respiratorisch) andererseits ( Abbildung). 
 

Abbildung: pH-Gleichgewicht als "römische Schnellwaage"
Modifiziert nach einer Vorlage in H. Hinghofer-Szalkay: Praktische Physiologie, 3. Aufl. Blackwell Berlin 1994

Diese Darstellung stellt schematisch das pH-relevante Funktionsgleichgewicht Atmung / renale Säureausscheidung bei körperlicher Ruhe dar (andere metabolische Faktoren wie z.B. Muskelarbeit sind ausgeklammert).
 
Beträgt das molare Verhältnis CO2 / HCO3- 1:20, ergibt sich ein pH-Wert von 7,4 (Henderson-Hasselbalch-Gleichung)


Bedeutung der Niere für die pH-Stabilität
vgl. dort

Die Nieren entfernen - je nach Ernährung und metabolischer Situation - über den Harn saure (bei üblicher Ernährung) oder auch basische Valenzen (metabolische Alkalose, vegetarische Kost) aus dem Körper. Der [Harn-pH] kann zwischen 4,5 und 8,2 liegen (der pH ist eine Hochzahl, d.h. diese Spanne bedeutet einen Konzentrationsunterschied von 103,7!).

Üblicherweise fallen pro Tag ~70 (50-100) mmol (~1 mmol / kg Körpergewicht) "fixe" Säuren in Form von Ammoniumionen (NH4+) und "titrierbarer" Säure an (s. oben). 70 mmol Protonen in 1,5 l Wasser gelöst (~tägliche Harnmenge) würde einen pH von 1,3 ergeben, was verständlich macht, dass H+ in gepufferter Form aus dem Körper entfernt wird, z.B. als H2PO4- (das aus HPO4-- entsteht). Als freie Protonen werden nur ~5 µmol/d ausgeschieden (also weniger als 0,01%).
 

Abbildung: Pufferung im Tubulus
Nach einer Vorlage bei veteriankey.com/acid-base-balance

Lumenseite oben, Interstitium unten. Im proximalen Tubulus (rechts) überwiegt die Pufferung durch filtriertes Bicarbonat - es entsteht CO2, dieses gelangt in den Kreislauf (und wird abgeatmet). Im Sammelrohrbereich (links) überwiegt die Pufferung durch Phosphat und Ammonium


Bicarbonat: Täglich filtrieren die Glomeruli einer erwachsenen Person etwa 4200 mmol Bicarbonat, dieses wird zum Großteil tubulär wieder aufgenommen (Bicarbonatresorption) und neues HCO3- wird tubulär gebildet (Bicarbonatsynthese). Bicarbonat wird vor allem im proximalen Tubulus zu Zwecken der Pufferung verbraucht ( Abbildung).

Die Rückgewinnung filtrierten Bicarbonats ist für die Erhaltung des Blut-pH kritisch, jedoch bei einer Ernährungsweise (viel Fleisch), die intensive endogene Säurebildung zur Folge hat, für die Aufrechterhaltung der Säure-Basen-Balance nicht ausreichend. Daher die Notwendigkeit zur Synthese "neuen" Bicarbonats im Zuge der Pufferung saurer Valenzen im Körper (wobei
HCO3- laufend verbraucht wird).
 
Phosphat: Im Harn ist Phosphat das bedeutsamste Puffersystem. Der pK-Wert des primär / sekundären Phosphatsystems beträgt bei Körpertemperatur 6,8 (bei diesem pH sind die Konzentrationswerte für primäres und sekundäres Phosphat gleich hoch);
 
      bei pH>6,8 (wie im Blut: pH=7,4) überwiegt sekundäres Phosphat HPO4-- (im Blut 80:20),
      bei pH<6,8 (wie im Harn: pH meist 5-6) überwiegt primäres Phosphat H2PO4- (z.B. bei pH 6,2 ebenfalls 80:20, aber zugunsten des primären Phosphats, das bei niedrigerem Harn-pH noch stärker dominiert).
 
Ammonium: Die renale Neubildung von Bicarbonat beruht sowohl auf der Ausscheidung titrierbarer Säurevalenzen als auch auf dem Ammonium-Mechanismus. Letzterer hat quantitativ größere Bedeutung. Protonen werden mit dem Harn zu 30-50% als Ammonium ausgeschieden. (Zum Ammonium-Glutamin-Mechanismus s. dort)
 
Alle Abschnitte des Nephrons können über die apikale Zellmembran H+ in das Tubuluslumen ausscheiden. Wasserstoffionen können in allen Tubulusabschnitten unter ATP-Verbrauch über die apikale Zellmembran in das Tubuluslumen sezerniert werden.

Tubulusepithelzellen des proximalen Tubulus gewinnen aus Glutamin (Nachschub über die basolaterale Membran) Ammoniumionen und Bicarbonat (Glutaminase). Ein Na/H-Austauscher befördert Protonen über die apikale Membran in das Tubuluslumen, dort werden sie gepuffert, z.B. durch Bildung von Ammoniumionen aus Ammoniak, das über die Membran diffundiert ist. Die basolaterale Membran befördert Bicarbonat - das über Wirkung der Carboanhydrase (CAH) aus CO2 gewonnen werden kann - mittels eines Na/HCO3-Symporters Richtung Blut (Bicarbonatnachschub).

Im spätproximalen Tubulus und im absteigenden Schenkel der Henle-Schleife wird Bicarbonat  im Cotransport mit Natrium, im dicken aufsteigenden Schenkel im Austausch gegen Chlorid zurückgewonnen. Der aufsteigende Schenkel kann mittels seines Na/K/2Cl-Cotransporters statt Kalium auch Ammoniumionen resorbieren (Anreicherung im Nierenmark). Das Ammonium rezirkuliert (über den absteigenden Schenkel) im Nierenmark (so entgeht es der Rückresorption in das Blut) und steht auch den Sammelrohren zur Verfügung.
 
So kann NH4+ "auf kurzem Weg" direkt zum Sammelrohr gelangen, das über eigene Ammonium-Transporter (Rh-assoziierte Glykoproteine) verfügt. Die Schaltzellen können je nach Bedarf (Säure-Basen-Gleichgewicht) zwischen Typ-A-Zelle (Sekretion saurer Valenzen, Abbildung) und Typ-B-Zelle (Sekretion von Bicarbonat) wechseln.
 

Abbildung: Säureausscheidung in verschiedenen Nephronabschnitten
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Alle Nephronabschnitte können H+ unter ATP-Verbrauch über die apikale Zellmembran in das Tubuluslumen sezernieren.
  
Oben:  Im proximalen Tubulus übernimmt der elektrogene Na/Bicarbonat- Symporter (1 Na+ und 3 HCO3-) den Großteil der Bicarbonat- Rückresorption der basolateralen Membran. In der pars recta arbeitet hier auch ein Chlorid-Bicarbonat- Austauscher, so wie auch in späteren Nephronabschnitten (unten)
  
CA, Carboanhydrase


      Der proximale Tubulus sezerniert H+ über einen apikalen Na/H-Antiporter (NHE), der seine Energie aus dem Natriumgradienten (in die Zelle gerichtet) bezieht. H+ stammt u.a. aus der Dissoziation von Kohlensäure, die aus CO2 nachgeliefert wird (Wirkung der Carboanhydrase); das dabei entstehende Bicarbonat wird über die basolaterale Membran exportiert (Na/HCO3-Cotransporter NBC - effektiv wird Natriumbicarbonat resorbiert). Insgesamt wird also sowohl Natrium als auch Bicarbonat resorbiert.

Ammoniumionen entstehen aus dem Abbau von Glutamin (Glutaminase, Glutamatdehydrogenase - durch metabolische Azidose induzierbar). Ammoniak (das in sehr geringer Konzentration vorliegt - pK-Wert 9,0!) diffundiert in den Tubulus, nimmt ein Wasserstoffion auf und liegt wieder fast vollständig als Ammoniumion vor (Ammonium gelangt nur schwer über die Zellmembran).
 
      Im Bereich der Henle-Schleife setzt sich die Rückgewinnung von Bicarbonat an der basolateralen Membran fort; einerseits im Austausch gegen Chlorid, andererseits (absteigender Schenkel) im Cotransport mit Natrium. Wasserstoffionen werden unter ATP-Verbrauch in den Harn sezerniert. Der dicke Schenkel resorbiert Ammoniumionen (statt Kalium) über den Na/K/2Cl-Cotransporter; Ammoniumsalz rezirkuliert (der absteigende Schenkel nimmt es wieder auf) und reichert sich dadurch im Nierenmark an. So entgeht es einerseits der Resorption in das Blut (das würde in der Rindenregion passieren) und steht andererseits dem Sammelrohrsystem zur Verfügung (falls notwendig - abhängig vom Säure-Basen-Status).
 
      Die Sammelrohre können auf die Stoffwechselsituation (säure- vs. basenüberschüssig) reagieren, indem sie zwischen einem "Säuresekretionsmodus" und einem "Säureresorptionsmodus" wählen - durch Austausch der Transporter der apikalen und der basolateralen Membran: Die Schaltzellen der Sammelrohre können zwischen
 
     dem Typ A - diese Zellen tragen Protonenpumpen in ihrer apikalen Membran (H+-Sekretion) und exportieren Bicarbonat, das via HCO3/Cl-Austauscher durch die basolaterale Membran Richtung Blut wandert - und
 
     dem Typ B wechseln, bei dem die Transporter zwischen apikaler und basolateraler Membran "geswitcht" worden sind (Bicarbonat gelangt in den Tubulus, Protonen in das Interstitium).
   
Der Membranbesatz mit Transportern hängt vom pH-Status ab: Müssen saure Valenzen entfernt werden, dominiert Typ A; muss der Körper basische Valenzen ausscheiden (metabolische Alkalose), überwiegen in den Sammelrohren Schaltzellen vom Typ B.

Glucocorticoide und Mineralcorticoide regen über verschiedene Mechanismen die renale Säureausscheidung an.
 
Störungen des Säure-Basen-Haushalts: Azidosen, Alkalosen

Respiratorische Alkalose  Respiratorische Azidose  Nicht-respiratorísche Alkalose  Nicht-respiratorische Azidose 

Vgl. dort.

Abweichungen des pH-Wertes können in Richtung Azidose (pH<7,36) oder Alkalose gehen (pH>7,42). Eine weitere Unterscheidung berücksichtigt die Ursache der Störung: durch die Atmung, d.h. den pCO2 (respiratorische Störung) oder den Metabolismus ("metabolische" Störung), d.h. über den Bicarbonatwert.
 
      Respiratorische Alkalose (Hyperventilation = Senkung des pCO2 auf <35 mmHg - Hypokapnie - infolge ungenügender Abatmung). Dies kann z.B. durch psychische Belastung bedingt sein - extrem aufgeregte Menschen können "schnaufen", bis die Gehirndurchblutung durch verstärkte Atmung und pCO2-Abfall kritisch absinkt.
 
Durch den pH-Anstieg (=Sinken der H+-Konzentration) werden negative Bindungsstellen an Plasmaproteinen frei, es werden vermehrt Calciumionen gebunden, der Plasma-[Ca++] sinkt ab, was zu Krampfneigung führt (Steigerung der neuromuskulären Erregbarkeit, tetanische Krämpfe, Hyperventilationstetanie). Zum Mechanismus der hypocalcämischen Krampfauslösung s. dort.
 
Umgekehrt wie bei respiratorischer Azidose, verringert das Absinken des pCO2 sowohl [H2CO3], [HCO3-]  als auch die Wasserstoffionenkonzentration. Die Bindung von H+-Ionen an Nichtbicarbonatpuffer sinkt, deren Konzentration steigt in dem Ausmaß, in dem [HCO3-] absinkt. Auch hier gilt: Solange keine Kompensation eingesetzt hat, bleibt die Gesamt-Pufferbasenkonzentration unverändert und der BE im Normalbereich.

Weitere Beispiele: Enzephalitis, Fieber, Hypoxie
 

Alveoläre Hyperventilation → Hypokapnie → respiratorische Alkalose, Abfall Plasma-[Ca++] → erhöhte Erregbarkeit von Nerven und Muskeln
  
Die folgenden Abbildungen stellen verschiedene Ursachen dar, welche Alkalose bzw. Azidose bewirken können. Hyper- oder Hypoventilation bedingen respiratorische Störungen, alle anderen sind nicht-respiratorisch (früher: "metabolisch"):
 

Abbildung: Mögliche Ursachen einer Alkalose
Nach einer Vorlage bei Roger TannerThies: Physiology - An Illustrated Review. Thieme 2012

1: Die Metabolisierung von Säuren kann in Kombination mit der Entfernung von H-Ionen zu Basenüberschuss und damit zu Alkalose führen.

2: Ebenso die Herauslösung basischer Salze aus dem Knochen, z.B. bei Immobilisierung (mangelnde Knochenbelastung)

3: Hyperventilation entfernt mehr CO2 aus dem Körper als nachgebildet wird, Hypokapnie und respiratorische Alkalose ist die Folge.

4: Hypokaliämie erhöht den chemischen Gradienten des K+-Ausstroms aus den Zellen. Einige Zellen laden sich dann stärker auf, was Anionen wie Bicarbonat aus der Zelle treibt und den extrazellulären pH-Wert anhebt.

5: Intrazellulär sinkt der pH-Wert; das regt in der Niere (proximale Nierentubuli) H+-Sekretion (Na/H-Austauscher der apikalen Membran) und Bicarbonatproduktion an (Na/HCO3- Cotransport der basolateralen Membran); Aldosteron regt die apikale H+-Sekretion in distalen Tubuli an; all das führt zu Alkalose.

6: Erbrechen führt zu Verlust von Salzsäure und damit Alkalose.

7: Bei gestörter Harnstoffsynthese in der Leber verbraucht diese weniger Bicarbonat, erhöhte Bicarbonatwerte im Blut heben dessen pH-Wert.

8: Wird weniger Protein abgebaut als üblich (z.B. Mangel an Nahrungseiweiß), favorisiert das eine sinkende H+-Konzentration (pH-Anstieg) im Extrazellulärraum


     Respiratorische Azidose (Hypoventilation = Steigerung des pCO2 auf >45 mmHg - Hyperkapnie - infolge ungenügender Abatmung). Beispielsweise ergibt sich beim Apnoetauchen (Luftanhalten) eine respiratorische Azidose: Kohlendioxid kann nicht abgeatmet werden, der resultierende Anstieg des pCO2 erhöht im Atemzentrum den Atemantrieb ("Lufthunger").
Durch den Anstieg des pCO2 entstehen vermehrt H2CO3, Bicarbonat und Wasserstoffionen (CO2 + H2O H2CO3 HCO3- + H+). Die H+-Ionen binden vorwiegend an Nichtbicarbonatpuffer, und deren Konzentration sinkt in dem Ausmaß, in dem [HCO3-] ansteigt.

Solange keine Kompensation eingesetzt hat, bleiben die Gesamt-Pufferbasenkonzentration unverändert und der BE (base excess) im Normalbereich (d.h. nahe 0).

Weitere Beispiele: Lungenemphysem, Lungenödem, Pneumothorax, Kyphoskoliose, Asthma bronchiale, Verlegung der Atemwege, neuromuskuläre Erkrankungen, Hemmung des Atemzentrums
 

Alveoläre Hypoventilation → Hyperkapnie → respiratorische Azidose, Bicarbonatanstieg
 
      Nicht-respiratorische ("metabolische") Alkalose durch Verlust von Säure, z.B. durch starkes Erbrechen. Der HCl-Verlust aus dem Magen wird wettgemacht (erhöhte Sekretionstätigkeit der Belegzellen), was die Bicarbonatproduktion Richtung Blut steigert und zu Alkalose führt.

Ein Kennzeichen der nichtrespiratorischen Alkalose ist ein Ansteigen der Pufferbasen und ein positiver BE- (base excess-) Wert.

Beispiele: Milch-Alkali-Syndrom, Hypokaliämie, Hyperaldosteronismus
  
Einen positiven BE findet man bei respiratorischer Azidose (als Kompensation) oder nicht-respiratorischer Alkalose (als Ursache)
 
Die folgende Abbildung gibt weitere Beispiele für das Auftreten von Azidosen:

 
Abbildung: Mögliche Ursachen einer Azidose
Nach einer Vorlage bei Roger TannerThies: Physiology - An Illustrated Review. Thieme 2012

1: Entstehen im Stoffwechsel vermehrt organische Säuren oder werden zu wenig davon abgebaut, sinkt der pH-Wert im Blut.

2: Vermehrte Mineralisierung (Knochenwachstum) steigert ebenfalls die Bildung von H+-Ionen.

3: Verminderte Abatmung von CO2 (Hypoventilation) führt zu Hyperkapnie und respiratorischer Azidose.

4: Hypokaliämie senkt den Austritt von Bicarbonat aus den (depolarisierten) Zellen und damit auch die Pufferbasenkonzentration und den pH-Wert im Blutplasma.

5: Auch der Na/HCO3-Cotransport in den proximalen Nierentubuli - der zum Efflux von Bicarbonat beiträgt - wird schächer, es kommt zu intrazellulärer Azidose, diese wiederum hemmt die H+-Sekretion und Bicarbonatproduktion. Dieses Muster tritt auch bei Hypoaldosteronismus in distalen Tubuli auf.

6: Durchfall bewirkt Bicarbonatverlust mit dem Stuhl.

7: Zur Synthese von Harnstoff benötigt die Leber Bicarbonat (und Ammoniumionen). Verstärkte Harnstoffsynthese kann daher zu Azidose führen.

8: Proteinexzess (eiweißreiche Kost) führt zu erhöhtem Abbau von Aminosäuren, dabei fallen vermehrt H+-Ionen an

      Nicht-respiratorische ("metabolische") Azidose durch erhöhte Zufuhr saurer Valenzen in den Kreislauf, z.B. durch starke Muskeltätigkeit: Laktatanstieg, pH-Abfall.

Ein Kennzeichen der nichtrespiratorischen Azidose ist ein Absinken der Pufferbasen und ein negativer BE- (base excess-) Wert.

Weitere Beispiele: Ketoazidose (chronischer Hungerzustand, unkompensierter Diabetes mellitus), Diarrhoe mit Bicarbonatverlust, Niereninsuffizienz mit Urämie. Die respiratorische Kompensation erfolgt in Form einer vertieften Atmung (Kußmaul-Atmung)
 
Der arterielle pCO2 ist bei einer (teil)kompensierten metabolische Azidose (z.B. diabetische Ketoazidose) vermindert

Metabolische Azidosen werden durch beschleunigte / vertiefte ("Kußmaul-") Atmung kompensiert

  
Kompensationsmechanismen
   
 
Abbildung: Störungen und Kompensationen im Bicarbonat-pH-Plot (schematisch)
Nach einer Vorlage bei memorangapp.com

Comp. = Kompensation, "Renal" = nichtrespiratorisch, "Resp" = respiratorisch
Acid. = Azidose, Alk. = Alkalose
Rote Punkte: Nichtkompensierte Störungen (Azidose bzw. Alkalose)
Grüne Punkte: Kompensierte Störungen (pH im Normbereich)
Linie D-E: Positiver BE (erhöhte Pufferbasenkonzentration)
Linie B-A-C: BE = 0 (normale Pufferbasenkonzentration)
Linie G-F: Negativer BE (erniedrigte Pufferbasenkonzentration)
Rosa Fläche: Erhöhte Pufferbasen (positiver BE)
Blaue Fläche: Erniedrigte Pufferbasen (negativer BE)

A: Normalpunkt
B: Nichtkompensierte respiratorische Azidose
C: Nichtkompensierte respiratorische Alkalose
D: Kompensierte respiratorische Azidose / nichtrespiratorische Alkalose
E: Nichtkompensierte nichrespiratorische Alkalose
F: Kompensierte respiratorische Alkalose / nichtrespiratorische Azidose
G: Nichtkompensierte nichrespiratorische Azidose

Auch hier gilt: Physiologischerweise werden - ausgehend vom Normalpunkt A - die Punkte D bzw. F direkt erreicht, der pH-Normbereich nicht verlassen. Die Abbildung verdeutlicht das gedankliche 2-Stufen-Schema - zuerst kompletter Störungseffekt ohne Kompensation (rote Punkte), dann vollständige Kompensation (grüne Punkte)


Die Kompensation einer Störung erfolgt durch den Organismus selbst, indem das Gleichgewicht von pCO2 und [HCO3-] in der Henderson-Hasselbalch-Gleichung bestehen bleibt bzw. wiederhergestellt wird:

 
    Respiratorische Azidose wird (abgesehen von Steigerung der CO2-Abatmung) durch Erhöhung des Bicarbonatgehalts im Blut, d.h. "metabolisch" kompensiert (renal) → BE wird positiv. Renale Kompensation schließt ein: Erhöhte Produktion "neuen" Bicarbonats, vermehrte Ausscheidung von NH4+, vermehrte Ausscheidung titrierbarer Säuren, vermehrte Resorption von Bicarbonat aus dem Tubulus.
 
     Nicht-respiratorische Azidose wird respiratorisch kompensiert, d.h. durch Steigerung der CO2-Abatmung (Hyperpnoe) → pCO2 sinkt. Renale Kompensation schließt ein: Erhöhte Produktion "neuen" Bicarbonats, vermehrte Ausscheidung von NH4+, vermehrte Ausscheidung titrierbarer Säuren.
 

Nichtrespiratorische Azidose vertieft und beschleuningt die Atmung (Kußmaul-Atmung)
  

     Respiratorische Alkalose wird (abgesehen von Senkung der CO2-Abatmung) durch Senkung des Bicarbonatgehalts im Blut, d.h. "metabolisch" kompensiert (renal) → BE wird negativ. Renale Kompensation schließt ein: Reduzierte Resorption von Bicarbonat aus dem Tubulus, verringerte Ausscheidung von NH4+, verringerte Ausscheidung titrierbarer Säuren.
 
     Nicht-respiratorische Alkalose wird respiratorisch kompensiert, d.h. durch Senkung der CO2-Abatmung (Hypopnoe) → pCO2 steigt. Renale Kompensation: Vermehrte Bicarbonatausscheidung.


 
Säure-Basen-Haushalt: Störungen und Kompensationen
 
Störung / Kompensation
Ursache (Beispiele)
pH
pCO2
Base excess
Aktual- Bicarbonat
nicht-
respiratorische Azidose
Vermehrt anfallende Säuren
(Muskelarbeit
Niereninsuffizienz
Diabetes mellitus)
 
Basenverlust
(Diarrhoe)

---


   kompensiert ---


nicht-
respiratorische Alkalose

Verlust von Säure
(vegane Ernährung
Erbrechen)

---

   kompensiert ---



respiratorische Azidose Hypoventilation
(verringerte Diffusionskapazität
Ventilations- Perfusions- Störung)


---

   kompensiert ---



respiratorische Alkalose
Hyperventilation
(Hypoxie
Angst)

---
   kompensiert ---



Veränderungen des pH-Wertes im extrazellulären Raum beeinflussen auch den Kaliumhaushalt (vgl. dort):

   
  Bei azidotischer Stoffwechsellage dringen H+-Ionen durch die Zellmembran und senken den intrazellulären pH.

      Die erhöhte Wasserstoffionenkonzentration hemmt sowohl die Tätigkeit der Na+-K+-ATPase (Na-K-Pumpe) als auch (wo vorhanden) der Na+-K+-Cl--Cotransporter, die Aufnahme von Kalium in die Zelle sinkt.

      Weiters konkurrieren Wasserstoffionen mit Kaliumionen um Bindungsstellen an zellulärem Eiweiß.

      Kalium diffundiert aus den Zellen, die extrazelluläre [K+] steigt an und kann zu Hyperkaliämie führen.

Im Fall einer Azidose (
Abbildung) bedeutet das, dass einerseits weniger Kalium in die Zelle aufgenommen wird und andererseits mehr Kaliumionen von intrazellulären Bindungsstellen freiwerden und die Zelle verlassen können.
 
     Praktische Konsequenz: Azidose führt zu einer Umverlagerung von Kalium aus dem Intra- in den Extrazellulärraum. Umgekehrt senkt Alkalose den Kaliumspiegel.
 
Azidose → Hyperkaliämie
 
Alkalose → Hypokaliämie

  (Merkhilfe: Wasserstoffionen treiben der Zelle das Kalium aus.)



 
Behandlung einer Azidose (=pH-Wert <7,35, erhöhte [H+]) führt aufgrund des oben geschildertern Mechanismus automatisch zu einer Aufnahme von Kalium in die Zellen. Die Beseitigung einer Azidose senkt den Kaliumspiegel im Blut, eine allenfalls mit der Azidose bestehende Hyperkaliämie muss u.U. nicht eigens behandelt werden - oft normalisiert sich der Kaliumspiegel schon durch eine Puffergabe.
 
  Über physiologische Kompensationsmechanismen bei Vorliegen einer Hyperkaliämie (Serum-[K+] > 5 mM) s. dort

  
  Bei einem Mangel an Sauerstoff (oxidativer Apparat) oder Insulin (Glucoseaufnahme) fallen vermehrt nichtflüchtige ("fixe", endogene) Säuren an: z.B. bei vermehrter Bildung von Milchsäure (Laktazidose) oder Ketonkörpern (hungerbedingte oder diabetische Ketoazidose). Folge ist eine metabolische Azidose, die sowohl renal (vermehrte Rückgewinnung von Bicarbonat) als auch respiratorisch kompensiert wird (Mehratmung).

Ein solcher vermehrter Anfall von nichtflüchtigen Säuren führt auch zu einer Vergrößerung der Anionenlücke (anion gap). Diese ergibt sich aus der Tatsache, dass in der klinischen Laborroutine nicht immer alle Ionen des Serums gemessen werden und der Wert der "unter den Tisch gefallenen" dann nicht bekannt ist. Die Anionenlücke ist (meist) folgendermaßen definiert:
 

Anionenlücke = ([Na  +] + [K+]) / ([HCO3-] + [Cl-])

Das ist die Differenz zwischen der Serumkonzentration zweier Kationen (Natrium und Kalium) einerseits und zweier Anionen (Bicarbonat und Chlorid) andererseits. Andere Ionen werden nicht berücksichtigt (manchmal auch Kalium nicht, der Serumwert - zwischen 3,6 und 4,4 mM - wird vom Körper sehr genau reguliert und bietet insoferne keine Überraschungen).

Bedenkt man das normale Ionenmuster im Blutplasma, ergibt sich für die Anionenlücke ein Normalwert von knapp 10 mM (sollte nicht über 12 mM betragen):
Aminosäuren (~2,4 mM), Proteine (~2 mM), Laktat (~1,5 mM), Phosphat (~1 mM), Sulfat (~0,5 mM), Ketonkörpern (~0,4 mM), Pyruvat und Citrat (zusammen ~0,3 mM) und anderen Anionen geringer Konzentration.

Akute Laktazidose erhöht den Betrag der Anionenlücke im Blutplasma

 

 
      Der pH-Wert in den Zellen liegt meist um 7,1, der Blut-pH um 7,4 - die Wasserstoffionenkonzentration im intrazellulären Raum liegt doppelt so hoch wie im Extrazellulärraum. Die biochemischen Systeme reagieren empfindlich auf Änderungen des pH, der durch Pufferbasen stabilisiert und durch Atmung, Leber- und Nierentätigkeit reguliert wird (Werte <6,9 und >7,8 sind lebensbedrohlich). Pro Tag fallen im Körper ~70 mM nichtflüchtige Säuren zur Ausscheidung an (~40 mM Ammonium, ~30 mM titrierbare Säure - Sulfat, Phosphat). Etwa 15.103 mM (>200mal so viel) verlassen den Körper über die Atmung (CO2: Anhydrid der Kohlensäure)
 
      Wie Speisen / Getränke den pH-Wert beeinflussen, hängt davon ab, was im Stoffwechsel aus ihnen entsteht - CO2 wird exspiriert, entstehendes Bicarbonat ist eine Pufferbase ("säureüberschüssiges" Essen kann als Base wirken). Stoffe wirken säureüberschüssig (z.B. Glucose → Laktat, Zystin → Sulfat → saurer Harn), säureverbrauchend (z.B. Milchsäure → Glucose, Citrat → CO2 ) oder pH-neutral (z.B. Triglyzeride, Zucker → CO2 )
 
      Wasserstoffionen werden im Rahmen der mitochondrialen Elektronentransportkette zur Oxidation von NADH / NADPH benötigt. H+ wird aus der Mitochondienmatrix befördert (Zytochrom), die im Intermembranraum angereicherten Wasserstoffionen treiben bei ihrer Rückdiffusion H+-ATP-Synthase an
 
      Pufferbasen halten Störungen des pH-Wertes gering. Ihre Konzentration beträgt 48 mM, jeweils zur Hälfte (24 mM) Bicarbonat und Nichtbicarbonatpuffer (Hämoglobin, ~10% des glomerulär filtrierten Phosphats). Hämoglobin ändert seine Pufferkapazität mit der Sauerstoffbeladung (Haldane-Effekt), das macht es zu einem effizienten Blutpuffer. Im Intrazellulärraum ist Phosphat wegen seiner Konzentration und Nähe zum pK-Wert der wichtigste Puffer
 
      Die Bestimmung von pH-Wert, pO2 und pCO2 nennt man Blutgasanalyse. Dazu wird meist "Kapillarblut" (in eine Kapillare abgefülltes arterielles Blut) verwendet. Pufferkapazität (~48 mM), Aktualbicarbonat (~24 mM) und Basenabweichung werden berechnet. StandardBicarbonat gilt für 37°C, pCO2 = 40 mmHg, 100% O2-Sättigung des Hämoglobins. Das Van Slyke-Nomogramm stellt den pCO2 (Maßstab logarithmisch) als Funktion des pH-Wertes (pH ist ein Logarithmus) dar. Störungen des pH-Gleichgewichts werden respiratorisch (pCO2) oder nichtrespiratorisch ("metabolisch": Pufferkapazität) kompensiert. Unvollständige Kompensation fängt die Abweichung des pH vom Normwert nur teilweise auf, vollständig kompensierte Störungen stellen den Normbereich (pH 7,36 bis 7,42) wieder her
 
      Die Nieren entfernen über den Harn (je nach Ernährung und Stoffwechsellage) saure oder auch basische Valenzen aus dem Körper. Der [Harn-pH] liegt zwischen 4,5 und 8,2. Harn wäre ohne renale Pufferung sehr sauer (pH 1,3: 70 mmol H+ in 1,5 l/d). Bicarbonat wird vor allem im proximalen Tubulus zur Pufferung verbraucht, zur Stabilisierung der Pufferbasen im Blut dient sowohl seine Rückresorption als auch die Neusynthese (~70 mmol/d). Der proximale Tubulus gewinnt aus Glutamin Bicarbonat und Ammoniumionen; Bicarbonatsynthese erfolgt vor allem über den Ammonium- und Phosphatmechanismus. Der Ammonium-Mechanismus scheidet Protonen als Ammonium aus (Ammoniak diffundiert durch Zellmembranen; Ammonium kaum, zirkuliert im Nierenmark und kann vom Sammelrohrsystem genützt werden). Die Schaltzellen im Sammelrohr können je nach Säure-Basen-Status zwischen Typ-A-Zelle (Sekretion saurer Valenzen) und Typ-B-Zelle (Sekretion von Bicarbonat) wechseln. Phosphat ist das bedeutsamste Puffersystem im Harn (pK-Wert des primär / sekundären Phosphatsystems 6,8; bei niedrigerem pH (Harn) überwiegt primäres Phosphat (H2PO4-), bei höherem sekundäres Phosphat (HPO4--: Blut 80%)
 
      Azidose liegt bei pH<7,36 vor, Alkalose bei pH>7,42. Störungen können respiratorisch (pCO2) oder nicht-respiratorisch bedingt sein (Pufferbasen). Hypoventilation (pCO2 >45 mmHg - Hyperkapnie) bewirkt respiratorische Azidose, Hyperventilation (pCO2 <45 mmHg - Hypokapnie) respiratorische Alkalose, sinkende Hirndurchblutung  und Hypocalcämie (Krampfneigung). Nicht-respiratorische (metabolische) Störungen äußern sich primär in verändertem Pufferbasengehalt und können respiratorisch kompensiert werden. Veränderungen des extrazellulären pH beeinflussen den Kaliumhaushalt: Dringen H+-Ionen in die Zelle, nimmt deren Kaliumaufnahme ab; bei Alkalose ist es umgekehrt: Azidose → Hyperkaliämie; Alkalose → Hypokaliämie
 

 




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