Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

    
Grundlagen und Methoden der Physiologie; molekulare und zelluläre Aspekte 
 
   Energiegewinnung und -speicherung in der Zelle

© H. Hinghofer-Szalkay 
Anabolismus: ανα-βολισμός = Hinauf-wurf (βάλλειν = werfen)
Energie: εν = innen, ἔργον = Wirken
Enzym: ἐν = in, ζύμη = Hefe, Sauerteig
Glykogen: γλυκύς = süß,
γενεά = Abstammung
Katabolismus: κατα-βολισμός = Herab-wurf, Kräfteverfall
Metabolismus:
μετα = (her)um, βάλλειν = werfen
Mitochondrium: μίτος = Faden, χόνδρος = Korn (sehen lichtmikroskopisch wie aufgefädelte Körnchen aus)
Oxid(ation): ὀξύς = sauer, scharf (Oxy-gen: γεννάω = erzeugen; Sauerstoff wurde im 18. Jh. als Grundkomponente zur Bildung von Säuren gesehen, z.B. Carbonate, Nitrate, Phosphate, Sulfate)



Der Stoffwechsel verknüpft Auf-, Ab- und Umbauvorgänge im Organismus:
 

   -- Einerseits liefert der Abbau (Katabolismus: Exergone Prozesse setzen Energie frei) neben Endprodukten (wie CO2, H2O und NH3) energiereiche Phosphate (ATP) - Elektronenübertragung in der Atmungskette spielt dabei eine zentrale Rolle
 
   -- andererseits synthetisiert der Anabolismus aus organischen Bausteinen (Zucker, Aminosäuren..) größere Moleküle (Proteine, Polysaccharide, Lipide, Nukleinsäuren) - die zugrundeliegenden endergonen Prozesse liegen thermodynamisch ungünstig, d.h. sie konsumieren Energie.

Als Energiespeicher dienen vor allem Glykogen (Leber- und Muskelzellen) und Neutralfette (Fettzellen). Glykolyse bis zur Brenztraubensäure (Pyruvat) liefert auch ohne Sauerstoff Energie (anaerob), wesentlich rascher als im aeroben Weg, allerdings nur für kurze Zeit und um den Preis der Laktazidose (Ansäuerung durch Milchsäure). Die weitere "Verbrennung" bis zu Kohlendioxid erfolgt unter Verbrauch von Sauerstoff (Mitochondrien) und ist viel ertragreicher als der anaerobe Weg, benötigt aber mehr Zeit für seinen Ablauf.

Die ATP-Synthese in den Mitochondrien erfolgt mittels Enzymen der Atmungskette. Diese bauen einen pH-Gradienten auf, der die ATP-Synthese antreibt: Sie nutzt die Diffusion von Protonen zum Aufbau von ATP. Dabei wird Sauerstoff für die Oxidation von Nahrungsstoffen benötigt, Elektronen werden für die Energiegewinnung frei und auf Sauerstoff übertragen - das Resultat ist “Oxidationswasser” (~0,3 Liter pro Tag).

Für den Körper gilt: Die Größe des Energieumsatzes ist proportional der Hautoberfläche (Wärmeverlust!), dieser Betrag dient auch zur Normierung physiologischer Größen wie des cardiac index (~3 l/min/m2) oder der glomerulären Filtration (~120 ml/min/1,73 m2).



Übersicht  Energie für metabolische Reaktionen Sauerstoffverbrauch und Anabolismus Abschätzung der Hautoberfläche  Mitochondrien


Energie
    Oxidative Phosphorylierung    ß-Oxidation    Acetyl-Coenzym A    Transkriptom

Core messages
 

Energie ist die Voraussetzung dafür, dass ein System Aktivität entfalten kann. Alle lebenden Systeme benötigen sie, um Moleküle auf- und umzubauen, zu wachsen, sich zu vermehren, sich zu erhalten und zu regenerieren (Stoffwechsel, Metabolismus ). Sie beziehen die dafür nötige Energie aus ihrer Umwelt - ob in Form von Licht, Wärme, mechanischer, elektrischer oder chemischer Energie.

Bioenergetik beschäftigt sich damit, wie Organismen Energie aus ihrer Umwelt beziehen, um sie in ihrem Stoffwechsel zu nutzen und damit Lebensvorgänge anzutreiben. Dazu sind chemische Reaktionen notwendig: "Substrate" werden dabei zu "Produkten". Dabei unterscheidet man verschiedene Typen der Reaktion:
   Kombination - Substrate A + B werden zum Produkt C
   Abbau (decomposition) - Substrat A wird zu Produkten D + E
  Austausch - z.B. A + BC wird zu AB + C

Wie rasch eine solche Veränderung erfolgt, kann durch verschiedene Kennzahlen angegeben werden (z.B. Reaktionsrate: Menge umgesetzter Teilchen pro Zeit, angegeben z.B. in mol /s).

So können Zellen Energie von einem Molekül auf ein anderes übertragen oder Energie chemisch speichern - diese kann dann später bei Bedarf abgerufen werden. Potentielle Energie, die in den Bindungen eines Biomoleküls gespeichert ist und verfügbar gemacht werden kann, ist die "freie Energie" dieses Moleküls. Je mehr Bindungen, desto mehr freie Energie: Beispielsweise verfügt das Glucosepolymer Glykogen über mehr freie Energie als Glucose, und diese wiederum über mehr freie Energie als Kohlendioxid und Wasser (aus denen Glucose aufgebaut ist).
 

Abbildung: Wie eine Reaktion "angeschoben" werden muss
Nach einer Vorlage in Silverthorn, Human Physiology - an integrated approach, 4th ed. 2007 (Pearson International)

Um eine biochemische Reaktion zu starten, muss das Energieniveau des Substrats / der Substrate auf eine höhere Stufe (freie Energie bei Reaktionsbeginn plus Aktivierungsenergie) angehoben werden. Dann läuft die Reaktion ab und erreicht ein neues Niveau (freie Energie des Produkts / der Produkte nach Ablauf der Reaktion).
 
Die Kugeln symbolisieren Substrat- bzw. Produktmoleküle, ihre Höhe (Ordinate) den Betrag der freien (potenziellen) Energie. Die Abszisse ist die Zeitachse


Bringt eine Zelle potenzielle Reaktionspartner zusammen, ist dies alleine meist zu wenig, um eine Reaktion zwischen ihnen zu initiieren. Es bedarf dann einer Aktivierungsenergie ( Abbildung), die investiert werden muss, um die Reaktion ablaufen zu lassen. Enzyme können die nötige Aktivierungsenergie reduzieren (die Schwelle zur Überwindung des Gipfels herabsetzen). Die Netto-freie Energie der Reaktion ist die Differenz der freien Energie des Substrats / der Substrate (Beginn der Reaktion) einerseits, und des Produkts / der Produkte (Ende der Reaktion) andererseits.

Nach Ablauf der Reaktion tragen die entstandenen Produkte ein Ausmaß an freier Energie mit sich, das sich von dem der Ausgangsstoffe (Substrate) meist unterscheidet: Entweder, die freie Energie hat abgenommen, oder sie ist angestiegen. Ist das Ausmaß an freier Energie der an der Reaktion beteiligten Moleküle gesunken, hat die Reaktion Energie freigesetzt, sie war exergon. Oder aber das Ausmaß der freien Energie der Produkte ist größer als das der Substrate, dann hat die in den Molekülen gespeicherte freie Energie zugenommen, die Reaktion hat Energie verbraucht, sie war endergon (
Abbildung).
 

Abbildung: Änderung der freien Energie bei exergonen und endergonen Reaktionen
Nach einer Vorlage in Silverthorn, Human Physiology - an integrated approach, 4th ed. 2007 (Pearson International)

Exergone Reaktionen (links) setzen Energie frei, da ihre Produkte weniger freie Energie enthalten als die Substrate. Diese Energie kann von der Zelle genutzt werden, um andere Reaktionen (z.B. Synthesen) anzutreiben.
 
Endergone Reaktionen (rechts) nehmen in die Produktmoleküle Energie auf, die sie aus exergonen Reaktionen gewinnen können. Synthesevorgänge sind endergon


Was hat es mit exergonen und endergonen Reaktionsabläufen im Organismus an sich? Ein Beispiel einer grundlegenden exergonen Reaktion ist Spaltung von ATP, dem universellen Direkt-Energiespender der Zelle, an der energiereichen Phosphatbindung:

ATP + H2O → ADP + H+ + Pi + Energie

Die bei dieser Dekomposition frei gewordene Erergie kann z.B. für Bewegung und Kraftentfaltung (z.B. in Muskelzellen) oder
(im Rahmen endergoner Reaktionen) für den Aufbau verschiedenster Biomoleküle verwendet werden.

Energie, die im Rahmen endergoner Reaktionen (z.B. für die Synthese von Glycogen aus Glucose) gespeichert wurde, wird bei Umkehr der Reaktion (z.B. Glucose aus Glycogen - exergon) wieder frei (und für andere Zwecke nutzbar).

Freie Energie treibt Lebensvorgänge an

Bindungsstärke, Reaktionswahrscheinlichkeit und Metabolismus: Stoffwechsel bedeutet, dass die Zelle Verbindungen auflöst (Hydrolyse - energetisch "günstig") oder herstellt (Kondensation), um Moleküle zu spalten oder aus Bausteinmolekülen komplexere Verbindungen herzustellen. Letzteres (Kondensationsreaktion) ist energetisch "ungünstig" (Änderung der freien Energie ΔG positiv, d.h. >0) und nur durch Koppelung an eine andere Reaktion möglich, die ein zulänglich (=stärker) negatives ΔG hat und die Kondensationsreaktion energetisch "bergauf" anhebt, also freie Energie abgibt oder "überträgt" (Reaktionskoppelung).

     Unter
Energie versteht man die Fähigkeit eines Systems, Arbeit (Kraft mal Weg) zu verrichten (mechanisch, chemisch, thermisch oder elektrisch). Als freie Energie (Symbol: G ) wird in der Physiologie eine Energie bezeichnet, welche für Lebensvorgänge verfügbar ist - die Zelle bringt sie auf, um "Ordnung zu schaffen" und notwendige Reaktionen (Hydrolyse von ATP, Lösung von Kohlenstoffbindungen, Oxidation von Energieträgern, Proteinsynthese etc.) anzutreiben, fern vom chemischen Gleichgewicht.

vgl. dort

So muss z.B. eine konkrete Energiemenge zugeführt werden, um eine bestimmte Bindung zu lösen - ihre Bindungsstärke, angegeben in kJ/mol (
Abbildung).
 
  
Abbildung: Bindungsstärken
Modifiziert nach einer Vorlage bei Alberts et al, Molecular Biology of the Cell, Garland 2008

Die Stärke einer Bindung entspricht der Energiemenge (kJ/mol), die zu ihrer Auflösung zugeführt werden muss.
 
So ist die durchschnittliche thermische Bewegung (links) in einer Zelle nicht ausreichend, um Bindungen zu lösen. Kovalente C-C-Bindungen sind um ~2 Zehnerpotenzen stärker als nichtkovalente (Wasserstoffbrücken)


Beispielsweise bezieht die Zelle freie Energie für ihre anabolen Reaktionen (Synthesevorgänge) meist aus der Koppelung an die Spaltung von ATP (Adenosintriphosphat). Dieses entsteht durch Nutzung freier Energie aus Nahrungsstoffen, die letztlich von Pflanzenzellen mit Hilfe von Sonnenenergie synthetisiert wurden.

Zum Anstoßen jeder Reaktion (auch einer energetisch "günstigen") ist ein bestimmter Energiebetrag notwendig. Dieser liegt über dem durchschnittlichen Energiebetrag, den die Wärmebewegung ("Molekularbewegung") liefert - ansonsten wären die Verbindungen durch spontanen  Zerfall gefährdet, also instabil. (Andererseits dürfen die für eine Reaktion notwendigen Energien nicht zu hoch sein, weil dann kein Stoffwechsel mehr erfolgen könnte.) Eine Bindung ist umso stabiler, je größer der Energiebetrag ist, der zu ihrer Spaltung aufgebracht werden muss ( Abbildung).

Die Veränderung an freier Energie (ΔG) in einem lebenden System bedingt dessen Dynamik. Hat eine Reaktion z.B. die Form  A + B C + D, dann ist die Änderung der freien Energie proportional zu ([C].[D]) / ([A].[B]). Änderungen der Stoffkonzentrationen verändern auch die Dynamik der Reaktion: Steigen die Beträge für [A] oder [B], läuft die Reaktion leichter nach rechts, und steigen sie für [C] oder [D], leichter nach links ab.

Die meisten Reaktionen in der Zelle können in beiden Richtungen ablaufen (sie sind reversibel). Welche Richtung in einer bestimmten Situation bevorzugt wird, hängt nicht nur von den jeweiligen Stoffkonzentrationen ([A], [B], [C], [D]) ab, sie kann auch von Enzymen gesteuert werden, die jeweils eine Reaktion begünstigen. Bildung und Abbau von Enzymen sind wiederum von verschiedenen Faktoren abhängig - außer aktuellen Konzentrationswerten der Reaktionspartner z.B. von hormonellen Einflüssen.


Kopplung und Energiespeicherung: Im Stoffwechsel können endergone Reaktionen an exergone gekoppelt werden, sodass die exergonen (die "nützliche" Energie beisteuern können) endergone antreiben. Dazu müssen allerdings die beiden Reaktionen gleichzeitig und an derselben Stelle ablaufen, was oft nicht sinnvoll wäre. Stattdessen kann die Energie aus einer exergonen Reaktion zwischengespeichert werden - meist in Form hochenergetischer Bindungen in Nukleotiden (NADH, FADH2, NADPH).
NADH und FADH2 übertragen üblicherweise solche Energie auf ATP, das dann endergone Reaktionen antreiben kann.

Enzymatische Steuerung.
Biochemische Reaktionen erfolgen nicht spontan, sondern müssen über eine Energieschwelle (Aktivierungsenergie) gehoben werden, um ablaufen zu können. Diese Aktivierungsenergie wird durch Interaktion mit Enzymen erniedrigt, die den Reaktionspartnern "zueinanderhelfen". Die Expression verschiedener Enzyme ist von Zelle zu Zelle und von Zustand zu Zustand unterschiedlich, so werden Richtung und Intensität der metabolischen Reaktionen gesteuert.
 
Sauerstoffverbrauch und Anabolismus
 
  Zu Energie und Energieeinheiten s. dort

Der tägliche Energieverbrauch
einer erwachsenen Person beträgt etwa 10 MJ (Megajoule: 106 J - 1 MJ = 0,278 kWh) - abhängig von spezifischer Stoffwechselintensität, Körperoberfläche, Alter, Geschlecht, Trainingszustand, körperlicher Belastung und Umgebungsbedingungen (Temperatur). Diese Energie wird weitgehend durch Oxidationsvorgänge im Zellstoffwechsel bereitgestellt. Der Verbrauch an Sauerstoff einer erwachsenen Person beträgt rund 0,3 Liter/Minute (ebenfalls abhängig von den genannten Größen), er entspricht dem Energieumsatz und kann daher zu dessen Berechnung herangezogen werden (indirekte Kalorimetrie).

Die Bereitstellung von Nahrung mit ausreichendem nutzbaren Energiegehalt (physiologischer Brennwert) ist global sehr unterschiedlich verteilt
. Wie schwierig die Produktion adäquater Ernährung sein kann, zeigt sich u.a. an der Problematik materiell geschlossener bioregenerativer Lebenserhaltungssysteme.

  Da in der Biosphäre durch Photosynthese Sauerstoff in die Atmosphäre abgegeben wird (21 Vol-%), können Lebewesen mit entsprechender Enzymausstattung diesen zur Bereitstellung von Stoffwechselenergie nützen. Aufgrund unterschiedlicher Genexpression und Enzymausstattung ist der Stoffwechsel gewebespezifisch gestaltet.

     Unter einem Transkriptom versteht man die Gesamtheit aller zu einem bestimmten Zeitpunkt von einer Zelle hergestellten RNS-Moleküle.
 

Abbildung: Energietransfer in der Zelle

Exergone (katabole) Reaktionen liefern Energie für die Synthese von ATP, die dann für endergone (anabole) Vorgänge konsumiert werden kann. Eine typische Zelle setzt ~107 ATP-Moleküle pro Sekunde um, entsprechend einem Umsatz ihres gesamten ATP-Bestandes alle 1-2 Minuten.
 
Der gesamte Organismus setzt
größenordnungsmäßig 1g ATP pro Minute um


Dabei wirkt im Körper ein wechselseitiges Netzwerk: Abbauvorgänge (katabole Prozesse) liefern Energie, die - vor allem in Form von Adenosintriphosphat (ATP) - an anderer Stelle für Aufbauvorgänge (anabole Prozesse) verwendet werden kann. Diese zwei großen Umsatzströme im Stoffwechsel (Metabolismus) sind durch Energieübertragung miteinander verknüpft:

     Abbau energieliefernder Nährstoffe (Katabolismus : exergone, d.h. thermodynamisch günstige Prozesse - bei exergonen Prozessen liegt das Gleichgewicht stärker auf der Seite der Reaktionsprodukte als bei endergonen) zu Endprodukten wie CO2, H2O und NH3 - dabei werden energiereiche Phosphate gewonnen (via Elektronenübertragung in der Atmungskette oder anderweitige Energiegewinnung), und Hydrolyse von ATP erlaubt die Energieübertragung auf anabole Prozesse:

     Aufbau (Anabolismus : Endergone, d.h. thermodynamisch ungünstige Prozesse - z.B. Aufbau eines Proteins aus Aminosäuren) von organischen Grundbausteinen zu Makromolekülen (Eiweiß, Polysaccharide, Lipide, Nukleinsäuren).
 
Abschätzung der Hautoberfläche
 
Der basale Energieverbrauch hängt eng mit dem Ausmaß der Körperoberfläche (Body surface area, BSA) zusammen.
  

Abbildung: Abschätzung der Hautoberfläche (in m2) aus Körpergröße (Ordinate; in cm) und Körpergewicht (Abszisse; in kg)
Nach Daten bei Boyd E: The growth of the surface area in the human body. University of Minnesota Press 1935

Beispiel: Bei einem Körpergewicht von 80 kg und einer Körperlänge von 180 cm kann eine Hautoberfläche von ~2 m2 angenommen werden (roter Punkt)


     Der Betrag der Körperoberfläche ist nicht nur theoretisch interessant, sondern auch praktisch wichtig, z.B. zur Abschätzung

      des Wärmeverlusts,

      des Ausmaßes von Hautdefekten (Verbrennung) oder

      des Medikamentenbedarfs (z.B. Chemotherapie) von Patienten.

Die Berechnung kann über zahlreiche verschiedene Annäherungsformeln erfolgen, oder mit Hilfe von Nomogrammen
( Abbildung).

Beispiele für die Körperoberfläche als Relativmaß ist z.B. der Cardiac index, d.h. das Herzminutenvolumen bezogen auf einen Quadratmeter Hautoberfläche (Normalwert ~3 l/min/m2, also z.B. bei zwei Quadratmetern Hautoberfläche 6 l/min), oder die glomeruläre Filtrationsleistung der Nieren
(Normalwert ~120 ml/min/1,73 m2).


Mitochondrien nutzen Energie aus dem Transport von Elektronen
 
Eine Schlüsselaufgabe der Mitochondrien ist die Energiegewinnung unter Sauerstoffverbrauch. Eine zentrale Stellung nimmt dabei die oxidative Phosphorylierung ein:
 
    Oxidative Phosphorylierung
ist die Phosphorylierung von ADP unter Verbrauch von Sauerstoff; dabei entsteht ATP. Sie erfolgt über eine Elektronentransportkette (Atmungskette), die (via mehrere Redoxsysteme, insbesondere die Komplexe I bis IV) über die innere Mitochondrienmembran einen pH-Gradienten generiert, der wiederum die ATP-Synthase antreibt. Oxidative Phosphorylierung erzeugt bei weitem mehr ATP als Glykolyse bzw. Citratzyklus. Schätzungsweise produziert der Mensch in 24 Stunden eine Menge ATP, die etwa der Hälfte seines Körpergewichts entspricht.
 
Ein hoher ATP/ADP-Quotient (hohe Energieverfügbarkeit) senkt, ein niedriger ATP/ADP-Quotient (mehr Energie wird benötigt) steigert das Ausmaß der oxidativen Phosphorylierung in der betreffenden Zelle.
 
Oxidative Phosphorylierung findet in allen Lebewesen mit aerobem Stoffwechsel statt, und zwar in mitochondrienhältigen Zellen (Mitochondrien enthalten die für den Vorgang notwendigen Komponenten). Dabei passieren Elektronen (in unterschiedlicher Form: e-, :H-, .H) mit zunächst hoher freier Energie ein komplexes System von Enzymen / Faktoren mit steigender Elektronenaffinität (steigendem Redoxpotential - dieses ist ein Maß für die Affinität eines Redoxsystems für Elektronen) an der inneren Mitochondrienmembran. Anders als bei der Knallgasreaktion (H2 + 1/2 O2 → H2O) - bei der Reaktionsenergie schlagartig verpufft - wird hier Energie stufenweise freigesetzt und biologisch genutzt. In der Mitochondrienmembran vorhandene Redoxsysteme mit niedrigem / negativem Redoxpotential geben dabei Elektronen an Redoxsysteme mit hohem / positivem Redoxpotential weiter, verbunden mit der Nutzung dabei verfügbar gewordener Energie. Das Ausmaß an (biologisch verfügbarer) freier Energie nimmt dabei Schritt für Schritt ab.
 
Die Komponenten der Atmungskette sind also auf der inneren Mitochondrienmembran so angeordnet, dass ihr Redoxpotential (ihre Affinität für Elektronen) in der Richtung des Elektronenstroms schrittweise zunimmt - bis Sauerstoffmoleküle am Komplex IV erreicht sind (und H2O entsteht). Der Vorgang beginnt damit, dass Elektronenakzeptoren (Komplex I, Komplex II) von einem Reduktionsmittel (NADH, FADH2 - hauptsächlich aus dem Citratzyklus) Elektronen übernehmen. Diese werden über mehrere Stationen (Coenzym Q, Komplex III, Cytochrom C, Komplex IV) entlang der inneren Mitochondrienmembran weitergereicht. Diese Sequenz des für den Energiehaushalt unverzichtbaren Elektronentransports wird als Atmungskette bezeichnet.
 
Durch die Verzahnung des Elektronentransports mit der Beförderung von Protonen (über Redox-Systeme der Komplexe I, III und IV - "abgezweigte" Energie wird zum Transport von Wasserstoffionen genutzt) wird H+ aus der Mitochondrienmatrix in den Intermembranraum gepumpt ( Abbildung). Dieser ist folglich sauer (hohe [H+], niedriger pH-Wert).
 

Abbildung: Elektronentransport und ATP-Synthese durch oxidative Phosphorylierung
Modifiziert nach einer Vorlage in Panini SR, Medical Biochemistry, 2nd ed. 2021 (Thieme)
Die Nukleotide NADH und FADH2 übertragen aus Glykolyse und Citratzyklus gewonnene metabolische Energie auf  Proteinkomplexe der mitochondriellen Elektronentransportkette (Atmungskette) in der inneren Mitochondrienmembran. Das treibt an den Komplexen I, III und IV H+-Ionen aus dem Matrix- in den Intermembranraum. Am Ende dieser Transportkette haben die Elektronen ihr normales Energiemaß erreicht und verbinden sich mit Wasserstoffionen und Sauerstoff zu H2O ("endogenes Wasser", ca. 0,3 l/d). Sauerstoff ist der terminale Elektronenakzeptor: Er ist die letzte Substanz, die Elektronen im Rahmen der Atmungskette aufnimmt.
 
Die durch den H+-Konzentrationsgradienten eingefangene potenzielle Energie wird in kinetische Energie umgewandelt, wenn Wasserstoffionen durch die ATP-Synthase strömen. Ein Teil dieser Energie wird von der Umwandlung von ADP zu ATP eingefangen.
 
vgl. Abbildung unten


FMN: Flavin-Mononukleotid, Fe-S: Ferredoxin (elektronenübertragendes Protein), Q: Coenzym Q (Ubiquinon), Cyt = Cytochrom; Cu = Kupfer
 
Komplex I = NADH-Hydrogenase, Komplex II = Succinat-Dehydrogenase, Komplex III = Cytochrom c-Reduktase, Komplex IV = Cytochrom c-Oxidase, Komplex V = ATP-Synthase


Vom Intermembranraum gelangen die H+-Ionen über Transporter (ATP-Synthasen, Komplex V) wieder in die Mitochondrienmatrix zurück. ATP-Synthasen bauen wie eine verkehrt laufende ATPase ATP auf statt es zu verbrauchen. Der H+-Strom treibt also die ATP-Synthese (ADP + P → ATP) via ATP-Synthasen an, durch welche die Protonen - entsprechend ihrem Konzentrationsgradienten - in die Mitochondrienmatrix zurückströmen.

  Oxidative Phosphorylierung beruht auf folgenden Komponenten:
 
    Elektronentransfer von NADH und FADH2 auf O2 via Atmungskette
 
    Aufbau eines Protonengradienten über die innere Mitochondrienmembran
 
    ATP-Synthese via Protonenstrom durch die innere Mitochondrienmembran
 
Der komplette Abbau eines Moleküls Acetyl-CoA zu CO2 und H2O liefert 12 Moleküle energiereiches Phosphat (neun ATP aus der Oxidation von 3 NADH + H+, zwei von einem FADH2, und ein GTP aus der Reaktion der Succinyl-CoA-Synthetase (die Gleichgewichtskonstante GTP + ADP GDP + ATP beträgt ungefähr 1).

Einige Details über die Komponenten der Atmungskette
:
  Komplex I (NADH-Dehydrogenase): Dieses Transmembran-Protein überträgt Elektronen mittels mehreren integralen Bestandteilen: FMN (Flavin-Mononukleotid, phosphoryliertes Riboflavin, wirkt stärker oxidierend als NAD) und Fe-S-Clustern (Ferredoxine, elektronenübertragende Hämoproteine, die im Cytochrom-P-450-System Elektronen übertragen - mittels Eisen und Schwefel in unterschiedlichem Mengenverhältnis, z.B. Fe2-S2, Fe3-S4, Fe4-S4). Funktion: Komplex I nimmt einerseits von NADH zwei Elektronen (e-) auf und reicht sie an Coenzym Q weiter, andererseits pumpt es vier Wasserstoffionen (H+) aus der Matrix in den Intermembranraum.
  Komplex II (Succinat-Dehydrogenase) ist ein an der Matrixseite der inneren Membran befestigtes Protein. Funktion: Es fördert den Elektronentransfer (2 e-) von FADH2 auf Coenzym Q mittels FMN und Fe-S-Clustern.
  Coenzym Q (Ubichinon-10, Q-10, ubiquinone UQ) ist ein lipophiles Molekül (C6-Ring mit Isoprenoid-Seitenkette), das sich frei in der inneren Mitochondrienmembran bewegen kann. Funktion: Es übernimmt 2 Elektronen von Komplex I oder II und überträgt sie auf Komplex III (es überträgt Elektronen auch von zytosolischem NADH, und von elektronentransferierendem Flavoprotein ETF im Rahmen der ß-Oxidation).
  Komplex III (Cytochrom c-Reduktase) ist ein Transmembranprotein; es enthält Cytochrom b und c sowie Fe-S-Cluster mit eisenhältigen Häm-Molekülen. Funktion: Es übernimmt 2 e- von Ubiquinol, die es auf Cytochrom c überträgt; und pumpt 4 H+ aus der Matrix in den Intermembranraum.
  Cytochrom c ist ein mobiles Protein, das sich an der Seite des Intermembranraums über die innere mitochondrielle Membran bewegt. Funktion: Es übernimmt Elektronen von Komplex III und übergibt sie an Komplex IV (dies wird durch eine eisenhältige Hämgruppe erleichtert).
 
Apoptotische Reize wie Stress, Sauerstoffradikale oder DNA-Schäden machen die Mitochondrienmembran undicht und bewirken die Freisetzung von Cytochrom c. Das aktiviert Caspasen und triggert programmierten Zelltod.
  Komplex IV (Cytochrom c-Oxidase) ist ein Transmembranprotein, das Elektronen von Cytochrom c übernimmt und diese an Sauerstoff transferiert - es entsteht H2O - und pumpt 2 H+ aus der Matrix in den Intermembranraum. Kupfer, Cytochrome und Häm-a3 sind an diesem Vorgang beteiligt.
 
Die Reduktion des Sauerstoffs über Cytochrom-a3-Hämoglobin - also der letzte Schritt in der Elektronentransportkette - kann durch Kohlenmonoxid verhindert werden, und zwar bereits bei sehr niedrigen Anteilen in der Atemluft (s. dort).
  Komplex V (ATP-Synthase) ist ein komplexes Transmembranprotein. Die F0-Domäne ermöglicht Protonen den Übertritt aus dem Intermembranraum in die Matrix, die in die Matrix vorragende F1-Domäne die (durch den Protonenstrom angetriebene) ATP-Synthese.
 
Mitochondrien sind folgendermaßen aufgebaut (von innen nach außen aufgezählt):
 
Die mitochondrielle Matrix ist ein Reaktionsraum, in dem sich u.a. die ß-Oxidation von Fettsäuren, der Citratzyklus (Mitochondrien enthalten sämtliche Enzyme der Atmungskette und des Krebs-Zyklus), die Synthese von Ketonkörpern, Teile des Harnstoffzyklus und der Hämsynthese abspielen. Die Matrix ist außerdem ein Reservoir für Calciumionen: Diese werden in der Matrix als Phosphatkomplex reversibel gebunden. Die äußere Mitochondrienmembran ist ziemlich durchgängig für Ca++, wobei es über die innere Membran mittels eines Uniporters eintritt und durch einen Na+/Ca++-Austauscher wieder austritt ( Abbildung unten).
 
  Unter Beta-Oxidation (so bezeichnet, weil jeweils das C-Atom der Fettsäure in der ß-Position oxidiert wird - s. Biochemie) versteht man die Bildung von Acetyl-Coenzym A (AcCoA) durch Abbau von Fettsäuren. AcCoA wird in den Citratzyklus geschleust, wo es 2C-Moleküle in Form von Essigsäureresten bereitstellt. Dabei entstehen die reduzierten Coenzyme FADH2 und NADH, die für den Elektronentransport und damit für die ATP-Synthese eine zentrale Rolle spielen (oxidative Phosphorylierung). ß-Oxidartion findet in der Matrix der Mitochondrien statt.

ATP kann man mit einer gespannten Feder vergleichen: Es kann überall in der Zelle zum Antreiben energieverbrauchender Reaktionen herangezogen werden, die gespeicherte Energie wird dabei auf die zu fördernde Reaktion übertragen.

 
Die innere Mitochondrienmembran ist mehrfach gefaltet (cristae) und hat eine dementsprechend vergrößerte Oberfläche, an der parallel mehrere Reaktionen ablaufen. Sie ist direkt durchlässig für Atemgase (O2, CO2) und Ammoniak (NH3); andere Substanzen bedürfen spezifischer Transporter für die Membranpassage. Die Membran ist also ziemlich dicht und selektiv: Sie tauscht nur Stoffe aus, für die eigene Transportsysteme vorhanden sind. Sie trägt Proteinkomplexe und mobile Elektronenträger für die oxidative Phosphorylierung.
 
Der Intermembranraum hat eine hohe [H+] (niedriger pH-Wert), ein zentrales Merkmal im Rahmen der oxidativer Phosphorylierung. Durch den Intermembranraum erfolgt der Austausch verschiedener Stoffe in Richtung Matrix (Malat, Glutamat, Phosphat, Pyrutat) oder in Richtung Zytoplasma (ATP, α-Ketoglutarat, Aspartat, Malat) - vorwiegend über Austausch (Malat gegen Ketoglutarat, Aspartat gegen Glutamat, Pyruvat gegen OH- etc).
 
Die äußere Mitochondrienmembran ist für kleine Moleküle (<10 kDa) permeabel - dank zahlreicher aus Porinen aufgebauter Poren. Durch diese treten z.B. Malat, Glutamat, Glycerinphosphat aus dem Zytoplasma in den Intermembranraum ein; oder sie verlassen ihn Richtung Zytoplasma, wie Ketoglutarat, Aspartat oder DHAP (Dihydroxyacetonphosphat).

Mitochondrien wandern an Orte erhöhten Energiebedarfs. Mitochondrien werden entlang des Zytoskeletts (an Mikrotubuli) durch Motorproteine aktiv durch die Zelle transportiert ( Abbildung). So kann die ATP-Synthese dort intensiviert werden, wo viel Stoffwechselenergie benötigt wird.
 

Abbildung: Mitochondrium
Nach
Vos M, Lauwers E, Verstreken P. Synaptic mitochondria in synaptic transmission and organization of vesicle pools in health and disease. Front Synaptic Neurosci 2010; 2: 139

Mitochondrien können sich in der Zelle an Aktinfäden mittels Myosin (über kurze Strecken) oder in Nervenfasern entlang von Mikrotubuli bewegen - mittels Motorproteinen (Kinesin für anterograden, Dynein für retrograden axonalen Transport). So gelangen sie rasch an Orte, an denen Energie benötigt wird.
 
Der Citratzyklus (Krebs-Zyklus) läuft in der Matrix ab, dabei entstehen u.a. Elektronendonatoren (NADH, FADH2). Rechts oben und links unten: Transport von Elektronen (e-) entlang der Atmungskette (Komplexe I-IV) und von Protonen (H+) in den mitochondrialen Spaltraum.
 
Mitochondrien sind auch in die Calciumregulation eingebunden: Der Übertritt über die innere Mitochondrienmembran erfolgt über ein Uniporter / Austauscher-System, und die Matrix kann Calcium reversibel als Phosphat speichern


Mitochondrien ermöglichen die Zellatmung. Bei diesem Vorgang wird Bindungsenergie (aus Kohlenhydraten, Fetten, Proteinen) gewonnen und in ATP umgesetzt. In ATP (kurzfristig) gespeicherte Energie wird dann freigesetzt (Hydrolyse) und treibt chemische (z.B. Biosynthese) oder mechanische Prozesse an (z.B. Kontraktionen). Die zentralen Stoffwechselwege dabei:

    Glykolyse (Zytoplasma): 1 Mol Glucose → 2 Mol Pyruvat → ATP, NADH
  
 
  Mitochondrienmatrix: Pyruvat wird decarboxyliert → Acetyl-CoA NADH
  
 
  Mitochondrienmatrix: Citratzyklus: Acetyl-CoA → CO2 + NADH, FADH2, GTP
  
    Innere Mitochondrienmembran: Oxidative Phosphorylierung: Elektronentransport von NADH / FADH2 auf O2 → Protonengradient über Mito-Membran ATP-Synthase

   Acetyl-Coenzym A (AcCoA) ist die "aktivierte Form der Essigsäure" (acidum aceticum): Sie besteht aus einer Acetylgruppe, die an ein Enzym - das Coenzym A - gekoppelt ist. Die
Mitochondrienmatrix stellt diesen zentralen Faktor im Energiestoffwechsel aus oxidativer Decarboxylierung von Pyruvat sowie oxidativem Abbau von Fettsäuren und einigen Aminosäuren her. AcCoA ist ein zentraler Vorläufer bei der Synthese von Lipiden und Ketonkörpern und dient der Herstellung von ATP.

Mitochondrien bestehen zu ~70% aus Eiweiß und enthalten (mehr als 100) Enzyme des Citratzyklus, des Elektronentransports (Atmungskette zur oxidativen Phosphorylierung: Übertragung von Elektronen durch NADH (Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid) und FADH2 (Hydrochinonform des Flavin-Adenin-Dinukleotid) bereitgestellten Elektronen auf Oxidationsmittel ) und der Bildung energiereicher Phosphate. An der inneren Mitochondrienmembran treibt der Elektronentransport (e-) einen Auswärtstransport von H+ in den mitochondrialen Intermembranraum an (vgl. weiter oben).

Energie kann in Form elektrochemischer Gradienten an Zellmembranen gespeichert werden, z.B. [Na+] oder [H+]. Strömen diese Ionen (durch spezielle Kanäle) entlang ihres Gradienten durch die Membran, wird dabei Energie nutzbar. So kann z.B. Glucose mittels Natriumgradienten "bergauf" in die Zelle geschleust werden (SGLT1).
 

Abbildung: Kaskade freier Energie im mitochondrialen Elektronentransport
Nach einer Vorlage in Campbell / Urry / Cain / Wasserman / Minorsky / Orr: Biology, A Global Approach, 12th ed. Pearson Education Ltd 2021

Glykolyse und Citratzyklus liefern lediglich je zwei mol ATP pro mol Glucose. Der Großteil der Energieextraktion beim Glucoseabbau erfolgt durch NADH und FADH2 im Rahmen der oxidativen Phosphorylierung. Elektronen, die direkt aus dem Abbau von Pyruvat im Citratzyklus gewonnen wurden, gelangen in der Form von NADH + H+ in den Elektronentransport der Atmungskette.
 
Der Großteil der Energieabschöpfung erfolgt im Rahmen von Redox-Reaktionen des Elektronentransports an der inneren Mitochondrienmembran, deren Einfaltungen Platz für tausende entsprechender Proteinkomplexe (I-IV) bieten.
 
Die meisten Komponenten dieser Elektronentransportkette (auch Atmungskette genannt) sind Proteine, an die prosthetische Gruppen (Nicht-Proteine - für katalytische Funktion unverzichtbare Coenzyme / Cofaktoren) fest gebunden sind.
 
Der Betrag an freier (verfügbarer) Energie (y-Achse) nimmt hier schrittweise ab, während Elektronen von einem Träger (Carrier) zum nächsten weitergereicht werden. Dabei wechseln die Elektronencarrier zwischen reduziertem (wenn sie vom "bergauf" liegenden Partner mit geringerer Affinität für Elektronen diese aufnehmen) und oxidiertem Zustand (wenn sie Elektronen an die "bergab" liegende nächste, elektronen-affinere Komponente abgeben).

Fe.S = Eisen-Schwefel-Protein in Komplex I; Q = Ubiquinon, Cyt = Zytochrome


Erhöhung der Mitochondrienzahl: Mitochondrien vermehren sich, wenn die Zelle zusätzliche Energie braucht; ihre Hauptaufgabe ist die Bereitstellung von Energie.

Zusätzlich haben Mitochondrien weitere Funktionen, z.B.

     Bildung und Verwertung von Ketonkörpern
 
     Abbau von Aminosäuren
 
     Bildung von Neurotransmittern
 
     Oxidation von Fettsäuren
 
     Harnstoffsynthese: Teile des Harnstoffzyklus laufen in Mitochondrien ab
 
     Speicherung von Calciumionen (vor allem in Muskelzellen)
 
     Mitochondrien können sich auch an der Apoptose ("innerer" / mitochondrialer Weg) beteiligen: Dies wird ausgelöst, wenn in der Mitochondrienwand (bedingt durch ionisierende Strahlung, Chemikalien u.a.) Proteine wie der Apoptose-Regulierer Bax (Bcl-2-associated X protein) aktiviert werden. Bax bindet dann an die äußere Mitochondrienmembran, bildet Oligomere und ermöglicht die Freisetzung von Cytochrom c, das wiederum (über ein zytoplasmatisches Protein, APAF1 - apoptotic protease activating factor 1) Caspasen aktiviert.
 

Abbildung: Das Elektronentransportsystem in Mitochondrien
Nach einer Vorlage bei Thibodeau / Patton, Anatomy & Physiology (6th ed), Mosby Elsevier 2007

An der inneren Mitochondrienmembran treibt der Transport von Elektronen den Auswärtstransport von Protonen (H+) in den mitochondrialen Intermembranraum an.
 
Oben
: Hochenergetische Elektronen
(e-) werden über Coenzyme zu Komponenten des Elektronentransportsystems gebracht (NADH gibt H+ ab, es entsteht NAD+), H+ wird entlang von Proteinkomplexen ("I bis IV", u.a. Cytochromen) an der inneren Mitochondrienmembran weitergereicht.
 
Mitte: Die dabei frei werdende Energie nutzen die Proteinkomplexe, um H+ in den Intermembranraum zu befördern.
 
Unten: Die Wasserstoffionen diffundieren durch die ATP-Synthase wieder in das Mitochondrium zurück, dieser Vorgang treibt die Synthese von ATP an. Dabei wird die energetisch ungünstige Reaktion ADP + Pi → ATP durch den nach innen gerichteten Protonengradienten angetrieben. Als Akzeptor für Elektronen und Protonen fungiert Sauerstoff, dabei entsteht "Oxidationswasser" (im gesamten Körper etwa 0,3 Liter pro Tag)


Mitochondrien sind einige µm lang und haben eine Lebensdauer von 1-4 Wochen. Leberzellen enthalten mehr als 2000, Nervenzellen bis zu 10.000 Mitochondrien. Der Mitochondrienanteil am Volumen von Leber- und Dünndarmzellen (die sehr stoffwechselintensiv sind) beträgt ~13%.

NADH (
Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid) und FADH2 (Flavin-Adenin-Dinukleotid-Hydrat) bringen Elektronen an die Atmungskette und letztlich an Sauerstoffmoleküle. Dabei wird Energie frei, welche genutzt wird, um Wasserstoffionen (H+) über die innere Mitochondrienmembran zu pumpen. Der entstandene elektrochemische Gradient treibt schließlich die ATPase an ("Turbomotor", Abbildung unten).

In braunem Fettgewebe können Adipozyten H+-Permeasen in der inneren Mitochondrienmembran öffnen, welche Wasserstoffionen vom Intermembranraum in die mitochondrielle Matrix eindringen lassen, ohne dabei die ATP-Synthase zu passieren. Diese Entkopplung (uncoupling) von Protonenstrom und ATP-Generierung lässt statt ATP Wärme entstehen, was vor allem Neugeborene nützen können, um in kühler Umgebung nicht hypothermisch zu werden.

Der Elektronentransport in den Mitochondrien produziert nicht direkt ATP, sondern vermittelt die Energieübertragung auf energiereiche Phosphate (von Nahrungsmittel zu Sauerstoff) in kleinen Schritten. Die ATP-Synthese erfolgt schließlich durch eine "rückwärtslaufende Protonenpumpe" (eine F-Typ ATPase): Dieses Transmembranprotein nutzt die Rückdiffusion von Protonen zur ATP-Synthese (chemiosmotische Kopplung). Wahrscheinlich bedarf es der Passage von mindestens 3 Protonen aus dem Intermembranraum in die Matrix, um 1 ATP zu generieren.
 

Abbildung: Der "Turbomotor" F-Typ ATPase
Nach einer Vorlage in Boron W, Boulpaep E: Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016

Die mitochondrielle ATP-Synthase besteht aus dem transmembranalen F0-Teil (dieser enthält den H+-Kanal) und dem F1-Teil, der aus ADP und einem Phosphatrest ATP zusammenbaut. Die fühlerförmige Struktur (rechts) hält den "Rotor" in Position.
 
Beim Durchtritt von Wasserstoffionen (=Protonen) vollführt der F1-Teil Drehbewegungen (wie Schaufeln der Turbine eines Wasserkraftwerks). Diese Rotation treibt die ATP-Synthase an (oben)



  Zu Redoxpotential und Elektronentransport s. auch dort

Mehr als 1600 Gene im Zellkern codieren für mitochondrielle Proteine, die von zytoplasmatischen Ribosomen produziert uind dann in die Mitochondrien importiert werden. mtDNA dient der Synthese ribosomaler RNA und tRNA, die zur Bildung von Mitoribosomen benötigt werden, nicht aber anderer Komponenten wie z.B. von Proteinen, die für die Replikation, Ablesung oder Reparatur der mitochondriellen DNA benötigt werden (s. Tabelle).

Die DNA der Mitochondrien stammt zum Großteil aus dem Zellkern, ein "Restbestand" eigener DNA stammt aus ihrer Zeit als aerobe Bakterien, die vor Urzeiten mit Eukaryoten in eine Symbiose eingetreten sind (Endosymbiontentheorie). Beim Menschen beträgt der mitochondrielle Anteil ~1% der gesamten zellulären DNA. Mitochondrielle DNA liegt in Form eines ringförmigen DNA-Doppelstrangs vor (pro Zelle existieren zwischen 102 und 104 Kopien). Die Replikation erfolgt unabhängig von chromosomaler DNA. Mitochondrielle DNA codiert für eine geringe Anzahl der in der Atmungskette benötigten Proteine.

Nur ein kleiner Teil der von Mitochondrien benötigten Enzyme wird vom mitochondriellen Genom codiert:


Beschränkte Autonomie des mitochondriellen Genoms

Nach Strachan / Read, Human Molecular Genetics, 5th ed. 2020 (CRC Press)
Mitochondrielle Proteine und RNAs
Gene in Mito-
chondrien
Gene im Zellkern
Oxidative Phosphorylierung
13
84
Komplex I
NADH-Ubiquinon-Oxidoreduktase- Komplex
7
37
Komplex II
Succinat-Dehydrogenase
0
4
Komplex III
Ubichinol-Cytochrom C-Reduktase- Komplex
1
9
Komplex IV
Cytochrom C-Oxidase- Komplex
3
16
Komplex V
ATP-Synthase- Komplex
2
18
Proteinsynthese
24
>100
rRNA
2
0
tRNA
22
0
Ribosomale Proteine
0
80
Aminoacyl tRNA-Synthasen
0
19
Translationsfaktoren u.a.
0
alle
Proteine für Replikation, Transkription, mtDNA-Reparatur
0
alle
Weitere mitochondrielle Proteine
0 alle

Cyanidvergiftung: Blausäure (HCN) inaktiviert Enzyme der Atmungskette und blockiert dadurch deren Elektronentransport. Die Zellen können Sauerstoff nicht mehr verarbeiten, es kommt zu "innerem Ersticken" (trotz vorhandenem Sauerstoff). Das venöse Blut enthält ähnlich viel O2 wie das arterielle, es färbt sich rot, ebenso die Haut. (Ähnliche Symptome zeigen sich bei CO-Vergiftung.)

Als sofort verfügbare Energiespeicher stehen Kohlenhydrate (Glykogen in Leber- und Muskelzellen) und Fette als Langzeitreserve zur Verfügung (Neutralfette in Fettzellen).

Die Energiegewinnung der Zelle kann

      kurzzeitig (wenige Minuten) anaerob erfolgen, z.B. indem die Glykolyse nur bis zur Stufe der Brenztraubensäure (Pyruvat) erfolgt (laktazid: Es entsteht Laktat) bzw. (im Muskel) Kreatinphosphat genützt wird (alaktazid); oder

      aerob, indem Brenztraubensäure oder Fettsäuren unter Verbrauch von Sauerstoff zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut werden. Zum Betrieb des aeroben Weges benötigen die Mitochondrien einen Sauerstoffgehalt von mindestens ~0,3 Vol-%, entsprechend einen Mindest-Sauerstoffpartialdruck von 0,15-0,3 kPa pO2 - der sogenannte Pasteurpunkt (Pasteur point). Typischerweise beträgt der pO2 im Bereich der Mitochondrien etwa 1 kPa (rund ein Zwanzigstel des pO2 in der Außenluft).

Der Vorteil des aeroben Mechanismus ist die hohe Energieausbeute ~ etwa 14 mal höher auf molarer Basis im Vergleich zum anaeroben Weg: Aerob 27-29 statt anaerob 2 mol ATP pro mol Glucose (theoretisch 36-38 mol, aber die metabolische Kopplungseffizienz (coupling efficiency) ist deutlich geringer als 100%). ATP wird auf aerobem Wege allerdings relativ langsam gebildet, und es muss ausreichend Sauerstoff zur Verfügung stehen.

Der anaerobe Mechanismus hingegen benötigt keinen Sauerstoff und kann ATP ~100-mal schneller bereitstellen als Atmungskette / oxidative Phosphorylierung im Citratzyklus; Nachteil ist (neben der geringeren Ausbeute) die Belastung des pH-Stoffwechsels durch die Entstehung von Laktat - das wiederum von Herzmuskel-, Nierentubulus-, Leber- und anderen Zellen konsumiert werden kann.
 

 
      Der Metabolismus löst Verbindungen (Hydrolyse: Energetisch günstig, exergon, Änderung der freien Energie negativ, [ΔG]<0) oder baut sie auf (Kondensation: "Bergauf", endergon, Änderung der freien Energie positiv, [ΔG]>0). Letzteres ist möglich durch Reaktionskoppelung: Ein Stoffwechselschritt mit stärker negativem ΔG übeträgt freie Energie an den Kondensationsvorgang. Freie Energie für Synthese stammt aus der Spaltung energiereicher Phosphate (meist ATP)
 
      Bindungen sind umso stabiler, je größer der für ihre Spaltung nötige Energiebetrag ist. Um eine Reaktion zu starten, ist mehr Energie notwendig als bei der thermischen "Molekularbewegung" frei wird (Energieschwelle). Enzyme reduzieren diese Aktivierungsenergie; ihre Expression ist zell- und zustandsspezifisch, resultierend in unterschiedlicher Art, Richtung und Intensität der metabolischen Reaktionen, die in der betreffenden Zelle ablaufen
 
      Der ATP-Bestand der Zellen wird alle 1-2 Minuten umgesetzt, entsprechend  ~1 g ATP pro Minute: Katabole Prozesse liefern Energie (in Form von ATP, entstanden via Elektronenübertragung in der Atmungskette), anabole Prozesse verbrauchen sie. Eine erwachsene Person setzt etwa 10 MJ Energie täglich um - abhängig von Stoffwechselintensität, Körperoberfläche, Alter, Geschlecht, Trainingszustand, körperlicher Belastung, Umgebungstemperatur. Dazu verbraucht sie rund 0,3 Liter Sauerstoff pro Minute - proportional dem Energieumsatz, der aus dem O2-Verbrauch berechnet werden kann (indirekte Kalorimetrie). Die Körperoberfläche dient als Relativmaß für Vorgänge, deren Größe mit dem Energiestoffwechsel korreliert, z.B. als Cardiac index (Herzminutenvolumen pro m2) oder GFR - solche Werte sind zwischen Personen besser vergleichbar
 
      Mitochondrien (Leberzellen >2000, Nervenzellen bis 10.000) werden über Mikrotubuli an Orte erhöhten Energiebedarfs in der Zelle transportiert und können sich dort vermehren. Sie enthalten sämtliche Enzyme des Citratzyklus, des Elektronentransports (Atmungskette zur oxidativen Phosphorylierung) und der Bildung energiereicher Phosphate. Hochenergetische Elektronen werden auf die Komponenten der Elektronentransportkette an der inneren Mitochondrienmembran übertragen, diese sezerniert H+ in den Intermembranraum. Der so entstandene Protonengradient treibt ATP-Synthasen an, durch die H+ in das Mitochondrium zurückdiffundieren und dabei den Aufbau von ATP antreiben (rückwärtslaufende H+-ATPase, chemiosmotische Koppelung). Die Elektronen verlieren schrittweise Energie und verbinden sich schließlich mit Sauerstoff, es entsteht Oxidationswasser. Mitochondrien verwerten Ketonkörper, bauen Aminosäuren ab, oxidieren Fettsäuren und speichern Ca++-Ionen
 
      Energie wird als Glykogen kurzfristig, in Neutralfetten langfristig gespeichert. Anaerober Abbau bildet ATP rasch, aber unergiebig (bis Pyruvat) und unter Belastung des Säure-Basen-Haushalts (Laktat), aerober vollständig (CO2) und mit ~15 mal höherer Energieausbeute, allerdings ~100-mal langsamer
 

 




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