Die beiden Nieren (kidneys)
des Menschen liegen retroperitoneal auf der Höhe zwischen dem 12.
Brust- (Th12) und 3. Lendenwirbel (L3) - die rechte (wegen der Leber)
etwas niedriger als die linke (beide rücken bei der Einatmung nach
kaudel, bei der Ausatmung zurück nach kranial). Eine
Niere wiegt bei Männern 125-170 g, bei Frauen 115-155 g; zusammen tragen beide Nieren mit etwa 0,4% zum Körpergewicht bei. Mit ihrer hohen
Durchblutung (ca. 1 l/min) haben die Nieren große Bedeutung für die Kreislauffunktion: Mit nur 0,4% des Körpergewichts beanspruchen sie (im Ruhezustand) 20% des Herzminutenvolumens.
Bei Verletzung renaler Gefäße kann es zu akut lebensbedrohlichem
Blutverlust in den Bauchraum kommen, was rasch zu Schocksymptomen führt.
Die
Nieren haben mehrere Aufgabenbereiche: Clearancefunktion (Filtration
von
Stoffen aus dem Blut in den Harn), selektive Rückgewinnung zahlreicher
filtrierter Substanzen aus den Tubuli zurück in den Kreislauf,
Stabilisierung des Flüssigkeits- und Elektrolythaushaltes sowie des pH (Ausscheidung / Rückresorption von
Wasser, Kationen, Anionen, sauren oder basischen Valenzen), Bildung oder
Aktivierung von Hormonen und anderen Wirkstoffen (Blutdruckregulation, Hämatopoese, Vitaminsynthese, Elektrolythaushalt).
Durch die Nieren fließt ein Liter Blut pro Minute
Der harnbildende Baustein der Niere ist das
Nephron
(

Abbildung), bestehend aus einem Blutplasma
filtrierenden 
Teil - einem Kapillarknäuel, genannt Glomerulus

(auch: Glomerulum) im
Nierenkörperchen (Malpighi-Körperchen
), das von der Bowman-Kapsel
druckdicht umrahmt ist - und einem langen, geschlungenen Rohr, dem
Tubulus
. Letzterer
verändert das im Glomerulus entstandene Filtrat, indem er Stoffe in (peritubuläre) Kapillaren
rückresorbiert, teilweise aus ihnen auch
sezerniert.

Abbildung: Aufbau des harnbildenden Systems
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Nephrone sind
die harnbildenden Elemente der Niere, bestehend aus einem Filtrations-
(Glomerulus) und einem Resorptions - / Sekretionsorgan (Tubulus).
Letzterer mündet jeweils in ein Sammelrohr.
Sammelrohre münden über Nierenkelche in das Nierenbecken (pelvis
renalis), aus dem der Harn mittels peristaltischer Kontraktionswellen
über den Harnleiter (Ureter) in die Harnblase (vesica urinaria)
transportiert wird.
Rechts: Blutgefäßsystem der Niere

Zur
Durchblutung der Nieren s.
dort
Jede Niere verfügt über etwa eine Million Nephrone. Ihr Inhalt ist im eigentlichen Sonne extrakorporal,
also mit der Außenwelt in Verbindung (über Ureteren, Blase und
Urethra), wenn auch durch Sphinkteren temporär von dieser abgedichtet -
vergleichbar mit anderen Austauschorganen, wie das gastrointestinale
System (über Mund und Speiseröhre einerseits, Anus andererseits) oder
die Atmung (Mund, Kehlkopf, Atemwege).
Die
Filtrationsleistung der Nieren
- 150 bis 200 Liter pro Tag - ist enorm (Sinn
der hohen Filtrationsleistung ist eine energieeffiziente Ausscheidung von
Abbauprodukten und Toxinen). Dabei
fallen in 24 Stunden u.a. etwa
25.000 mM Natrium,
18.000 mM Chlorid,
4.500 mM Bicarbonat,
900 mM Glucose und
720 mM Kalium an.
Bei weitem
der größte Teil dieser Mengen wird von den Tubuli rückresorbiert -
energetisch (direkt und indirekt) angetrieben durch die Na/K-Pumpe in der basolateralen Membran der Tubulusepithelzellen.

Zur
apikalen /
basolateralen Membran von Epithelzellen s.
dort


Abbildung: Superfizielle und juxtamedulläre Nephrone
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Oberflächliche
(kapselnahe, superfizielle) Nephrone (rechts) tauchen nur bis in das
äußere Nierenmark ein, das weniger hohe osmotische Konzentration
aufweist als das innere Mark, in das sich nur die Henle-Schleifen der
relativ wenigen (12% aller) juxtamedullären Nephrone erstrecken.
Juxtamedulläre Neurone (links) nutzen die volle Bandbreite der
osmotischen Konzentration des inneren Marks und haben für
Flüssigkeitshaushalt und Osmoregulation entsprechend hohe Bedeutung
Die Nieren schleusen enorme Flüssigkeitsmengen durch die Nephronen und steuern die Passage der Stoffe durch zwei Selektivitätsfilter - einerseits die Glomeruli, die ein Ultrafiltrat des Blutplasmas bilden; andererseits die Tubuli,
die Stoffe sowohl resorbieren als auch sezernieren. Die apikale (zum
Tubulusinhalt orientierte) Zellmembran der Tubuli ist - bedingt durch
die Ausstattung mit besonderen Lipiden - wasserundurchlässig. Permeasen für Wasser (Aquaporine) und verschiedenste Ionen
steuern jeweils eine definierte Auswahl von Teilchen, welche diese
Barriere überwinden und transzellulär transportiert werden können, je nach Bedarf des Organismus.
Die Nieren sind homöostatische Organe: Stoffe, die den Körper verlassen
sollen, bleiben im Tubulussystem und werden hier automatisch
angereichert, einige werden sogar aktiv sezerniert; andere werden -
mehr oder weniger vollständig - entweder erst gar nicht filtriert (wie
Makromoleküle, die nicht durch den glomerulären Filter gehen) oder sie
werden im Tubulussystem rückresorbiert (z.B. Glucose, Aminosäuren,
Salze etc) - dazu bedarf es selektiver Transportsysteme entweder durch
die Epithelzellen der Tubuli (transzellulär) oder zwischen ihnen hindurch (parazellulär).

Über
Flüssigkeitskompartimente des Körpers s.
dort

Abbildung: Schema eines Nephrons
Nach einer Vorlage bei physproject-2011.wikispaces.com/N.+UROLOGY
Filtration
(abhängig von Druck / Molekülgröße / Ladung) durch die Kapillarwände im
Nierenkörperchen mit seinem Kapillarknäuel, dem Glomerulus; Rückresorption und Sekretion (abhängig von Transportmechanismen / Ladung) durch das Epithel des Tubulus

Filtrierte (und sezernierte) Moleküle, die nicht rückresorbiert wurden,
gelangen in den Harn. Beispielsweise werden ~99% des filtrierten
Wassers rückresorbiert, ~1% als Harnwasser ausgeschieden. Jede Niere
verfügt über ~1 Million Nephrone.
Die Nieren haben folgende Aufgaben:
Homöostase: Die Nieren halten ein "inneres Milieu" im Körper (Claude
Bernard:
Milieu interieur) aufrecht - sie regulieren die Ausscheidung von
Wasser (
Flüssigkeitsbilanz,
Osmoregulation),
Salzen (Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium, Chlorid - gestörte Nierenfunktion äußert sich oft in Abweichungen der Elektrolyte) und beeinflussen damit
Membranpotentiale,
Nervenleitung,
Muskelkontraktion,
Blutvolumen und
Blutdruck; und

stabilisieren den
pH-Wert (Ausscheidung von Wasserstoffionen, Bicarbonat, Phosphat,
Säuren)
Entgiftung: Die Nieren scheiden Stoffe aus, deren Anhäufung sonst
toxisch wäre (harnpflichtige
Substanzen müssen mit dem Harn ausgeschieden werden, weil sie auf
keinem anderen Weg ausreichend aus dem Körper entfernt werden können),
z.B.

Stickstoffverbindungen
(Harnstoff,
Ammoniumsalze)
Harnsäure (Urate)
Kreatinin
Kalium
Endokrine Funktionen der Nieren: Die Nieren sind

in den
Reninmechanismus involviert (Stabilisierung bzw. Erhöhung des Blutdrucks),

bilden
Erythropoetin (Erhöhung des Sauerstofftransports),

aktivieren
Vitamin D3-Hormon (
Calcium- und Phosphatmetabolismus, Knochenstoffwechsel u.a.),
bilden Kinine (Bradykinin),
synthetisieren bei Bedarf Prostaglandine. In der Niere gebildete Prostaglandine beeinflussen sowohl ihre Hämodynamik als auch ihre Ausscheidungsfunktion: Prostacyclin (PGI2) in den Glomeruli und PGE2 im Nierenmark wirken vasodilatatorisch - erhöhen damit Perfusion und Filtration -
und natriuretisch. Unter Basisbedingungen ist die renale
Prostaglandinsynthese gering; angeregt wird sie bei geringer Perfusion,
d.h. bei Ischämie bzw. durch Vasokontriktoren wie Angiotensin II, Noradrenalin, Vasopressin.
Daneben
haben die Nieren metabolische Funktionen, wie den Abbau von Glutamin, Peptiden
und Peptidhormonen in den Tubuli.
Steuerung der Nierenfunktion
Wie wird die Nierenfunktion
in die Anforderungen des Organismus eingebunden? Dies erfolgt über
mehrere Wege: Direkt über den Kreislauf (Autoregulation) und via
autonom-nervöse sowie endokrine Kontrollsignale (Genaueres s. dort).
Hämodynamik:
Die hohe renale Durchblutung (ca. 500
ml/min/Organ) ist von erheblicher Bedeutung für den Kreislauf. Renale Perfusion und glomeruläre Filtration (GFR) hängen vom Blutdruck ab (
s. dort):

Bis zu einem Blutdruck von etwa 80 mmHg nimmt die
Perfusion
(und der renale Plasmafluss RPF) fast linear mit dem Druckwert zu,
anschließend bleibt sie ziemlich konstant (Autoregulation), bis sie bei
rund 180 mmHg mit dem Druck weiter zunimmt (Autoregulationsbereich
erschöpft)

Glomeruläre Filtration findet bei Werten unter ca. 50 mmHg arteriellem
Druck so gut wie nicht statt (keine Primärharnbildung!), nimmt dann mit
weiter steigendem Blutdruck bis ca. 80 mmHg zu und bleibt dann im
Autoregulationsbereich ziemlich konstant. Erst bei Werten über ~180
mmHg nimmt auch die GFR weiter zu.
Unter Glomerulärer Filtrationsrate (GFR)
versteht man die Menge an Flüssigkeit, die in den Nierenglomeruli pro
Zeiteinheit filtriert wird. Der Betrag hängt u.a. von Alter und
Geschlecht ab, er sollte bei erwachsenen Personen mindestens ~90 ml/min betragen (Lehrbuchwert 120 ml/min).
Autonom-nervöse Einflüsse: Die nervöse Steuerung der Nieren erfolgt ausschließlich über den
Sympathikus (parasympathische Fasern sind nicht vorhanden). Sympathische Reizung der Niere hat folgende (katecholaminergen) Auswirkungen:
Vasokonstriktion
(sowohl am vas afferens als auch am vas efferens), dadurch steigt der
Gefäßwiderstand und die renale Perfusion nimmt ab (wiederholte / lang
anhaltende Stresseffekte können die Nierenfunktion beeinträchtigen)

Verstärkte
Natriumresorption im proximalen Tubulus, dadurch Zunahme des extrazellulären Volumens

Intensive Steigerung der
Reninsekretion
durch Stimulierung granulärer Zellen im juxtaglomerulären Apparat,
dadurch Aktivierung des Angiotensinsystems und Blutdrucksteigerung
Humorale Einflüsse:
Die Niere spricht an auf
Angiotensin II
(Vasokonstriktion, insbesondere des vas efferens, dadurch Anstieg des
glomerulär-kapillären Blutdrucks und Filtrationssteigerung, Blutdrucksteigerung)
Aldosteron (Verstärkte Natriumresorption, Erhöhung des extrazellulären Volumens, Blutdrucksteigerung)
Parathormon (Calcium- / Phosphathandling)
Calcitonin (Calcium- / Phosphathandling)