Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

     
Medizinische Physiologie der Leberfunktionen

Funktionelle Organisation des Lebergewebes
© H. Hinghofer-Szalkay

Disse'scher Raum: Joseph Disse
Glisson'sches Dreieck: Francis Glisson
hepatisch:
ἧπαρ = Leber
Ketonkörper: Abgeleitet von ahd. Aketon (für Aceton)
portaler Azinus: porta = Pforte, acinus = Weinbeere



Die meisten im Darm resorbierten Stoffe gelangen über den Pfortaderkreislauf direkt zur Leber. Hier werden sie gespeichert, umgebaut, (in)aktiviert, für Syntheseprozesse verwendet - darum kümmern sich die Hepatozyten. Andere (nichtparenchymale) Zellen übernehmen immunologische Schutz- und Abwehrfunktionen. Auch endokrin ist die Leber aktiv (Hepatokine, IGF).

Die Leber bildet Gallesekret und nimmt damit u.a. an Fettverdauung (Gallensäuren) und Hämabbau teil (Gallenfarbstoffe).

Als stark durchblutetes Organ ist die Leber sehr kreislaufwirksam (~30% des Ruhe-Herzminutenvolumens) und weist einen höheren spezifischen Sauerstoffverbrauch auf (>5 ml/min/100g) als das Gehirn (3,5 ml/min/100g). Auch im Säure-Basen-Gleichgewicht hat die Leber eine wichtige Position: Im periportalen Bereich baut sie den Großteil der Ammoniumionen zu Harnstoff um, im perivenösen Bereich baut sie Ammonium in Glutamat ein (dabei entsteht Glutamin).

Die Stoffwechselleistung der Leberläppchen hängt vom lokalen Sauerstoffpartialdruck ab: Die sauerstoffreichen periportalen Felder konzentrieren sich auf die Synthese von Harnstoff, Cholesterin, Glucose und Gallensäuren, den oxidativen Energiemetabolismus sowie den Abbau von Aminosäuren und Glykogen; die sauerstoffärmeren perivenösen Felder auf Abbau, Entgiftung und Ausscheidung, Biotransformation, Glykolyse, Glutamin- und Lipidsynthese.


Aufgaben der Leber Leber und Kreislauf Galle: Produktion und Aufgaben Säure-Basen-Haushalt Mikrostruktur

    Disse-Raum

Core messages
 
Die bei erwachsenen Personen ungefähr 1,5 kg schwere Leber (~3% des Körpergewichts - bei Neugeborenen mit ca. 120 g 4%) nimmt aus dem Blut Stoffe auf, die sie speichert (Kohlenhydrate, Lipide, Mineralien, Vitamine), verändert (Synthese von Proteinen und Kohlenhydraten, Bildung intermediärer Metabolite) oder abbaut; sie gibt ihrerseits Stoffe an das Blut ab oder sezerniert sie in die Gallenflüssigkeit. Dazu nimmt die Leber etwa 20% des Ruhe-Sauerstoffverbrauchs des gesamten Körpers und fast 30% des Ruhe-Herzminutenvolumens in Anspruch. Die Energieversorgung anderer Organe bestreitet sie vorwiegend mit Glucose und / oder Ketonkörpern.
  
Die Leber stabilisiert das "innere Milieu"
 
Die Leber ist so etwas wie der "heilige Gral" der Biochemie. Sie erfüllt zahllose Stoffwechselaufgaben und hat einen hohen Energieumsatz. Die wichtigsten: Energie-, Hunger-, Lipidstoffwechsel; Proteinsynthese; Bildung des Gallesekrets (Ausscheidung, Fettverdauung); Kreislaufwirkung (Blutbildung und -speicherung); Aktivierung / Inaktivierung / Entgiftung von Wirkstoffen wie Hormonen, Medikamenten, Toxinen; Speicherung von Vitaminen und Spurenelementen.

Zur Erfüllung dieser verschiedenen metabolischen Funktionen werden über 300 Gene in den Hepatozaten bedarfsabhängig aktiviert und wieder abgeschaltet; auch zirkadiane Rhythmen kommen in dieser Dynamik zum Ausdruck (üblicherweise ist die Leber nachts besonders aktiv, während dieser Zeit kann sie auch an Volumen zunehmen).

 

Abbildung: Stoffwechselaufgaben der Leber und ihre Steuerung
Nach einer Vorlage bei Levinson RS et al. in Nature Medicine

Die Leber ist das zentrale Stoffwechselorgan des Körpers. Sie integriert nutritive, neurale und endokrine Signale, mobilisiert Reserven und weist anderen Organen / Geweben Kohlenhydrate, Aminosäuren, Lipide sowie Vitamine und Spurenelemente zu.
 
Neuro-endokrine Kontrolle der Leberfunktionen erfolgt über die hypothalamisch- hypophysäre Achse, über autonom-nervöse Signale sowie periphere Hormone wie Insulin und Glucagon. Letztere gelangen aus dem Pankreas über den Pfortaderkreislauf direkt zur Leber und wirken hier konträr (Speicherung vs. Entspeicherung).
 
Insulin regt die Glykogensynthese an. Bei vollem Glykogenspeicher werden Kohlenhydrate zu Fettsäuren umgebaut und Triglyzeride zum Fettgewebe geleitet (Transport im Blut über Apoproteine).
 
Bei sinkendem Blutzuckerspiegel stimuliert Glucagon den Abbau gespeicherten Leberglykogens (Glykogenolyse), Glucose-6-Phosphat entsteht, Glucose wird abgespalten und via Glut-2-Transporter exportiert. Ist der Glykogenvorrat verbraucht, wird Glucose aus freien Fettsäuren, Glycerin sowie Aminosäuren neu gebildet (Gluconeogenese)
 
  ACTH, Adrenokortikotropin, wirkt über Kortisol auf die Leber    BCAA, Branched-Chain Amino Acid - die verzweigtkettigen essentiellen Aminosäuren Valin, Leuzin und Isoleuzin     FFA, Free Fatty Acid, freie Fettsäure - stammt aus dem Abbau von Triglyzeriden     FGF, Fibroblastenwachstumsfaktor     GH, Wachstumshormon    TGs, Triglyzeride


    TH, TSH s. Schilddrüse       HDL, LDL, VLDL, reverser Lipidtransport s. dort        second messenger s. dort        Leber und Insulin s. dort        Leber und Glucagon s. dort   

Die meisten metabolischen Aufgaben übernehmen (als Parenchymzellen) die Hepatozyten ("Leberzellen" i.e.S.): Um-, Ab-, Neuaufbau von Nährstoffen, Bereitstellung von Energieträgern (Glucose, Fettsäuren, Ketonkörper ), Biotransformation, Bildung und Sekretion der Galle, Abbau von Signalmolekülen (inkl. Hormonen), Säure-Basen-Regulation, Bildung verschiedener Signalstoffe, z.B. Zytokine. Da die Leberkapillaren (Sinusoide) fenestrierte Endothelien haben und so nicht nur für Mikro-, sondern auch für Makromoleküle durchgängig sind, haben Hepatozyten über den Disse-Raum zu allen diesen Komponenten (und Nährstoffen) direkten Zugang.

Nichtparenchymzellen der Leber (Endothel, Kupffer'sche Sternzellen, Stellatumzellen) übernehmen spezielle Aufgaben wie Phagozytose, Toxinelimination, Matrixkomponentenbildung, Antigenpräsentation, Perfusionssteuerung, Vitaminspeicherung.

Die Funktionen wie Auf-, Um- und Abbau sowie das bedarfsabhängige Umschalten zwischen Speichern und Entspeichern sind vom Blutspiegel zahlreicher Substrate abhängig und werden von autonomem Nervensystem, Hormonen und Mediatoren gesteuert und koordiniert (
Abbildung). Die Leber beteiligt sich an fast allen Stoffwechselvorgängen. Dabei ist ihre Aktivität Rhythmen unterworfen:

       In der Resorptionsphase (2-4 Stunden) nimmt sie im Überschuss aus dem Darm anflutende Nährstoffe auf (in dieser Phase ist vor allem Insulin wirksam). Die Entfernung im Darm resorbierten Zuckers aus dem Blut (Pfortaderblut kann postprandial leicht 10 mM Glucose enthalten, mehr als das Doppelte des Nüchternwerts) durch Umwandlung zu Glykogen in der Leber bedeutet, dass der sonst unvermeidliche Anstieg der Osmolalität im systemischen Kreislauf verhindert wird. Glucose wird auch zu Fett umgebaut, das dann exportiert wird (s. VLDL);
 
       in der Postresorptionsphase stellt die Leber z.B. Glucose für ZNS (~6 g/h), Erythrozyten (~1,5 g/h), Nierenmark u.a. zur Verfügung (dazu bedient sie sich rasch auch der Gluconeogenese).
 

Abbildung: Mikrostruktur der Leber
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016


Die Struktur erlaubt optimale Funktionserfüllung mit verlässlicher Isolation (tight junctions, rechts oben) verschiedener Kompartimente einerseits, minimalen Diffusionsstrecken und Transportwegen andererseits


Die Leber nimmt über die Pfortader im Darm resorbierte Stoffe auf und baut diese ab oder um, oder speichert sie, um sie später an das Blut abzugeben; sie aktiviert oder entgiftet eine Reihe endogener (z.B. Hormone) sowie exogener Substanzen (z.B. Pharmaka); und sie bildet das Gallensekret.

Darüber hinaus wirkt sie als Blutspeicher im Kreislauf, beteiligt sich
an der Verdauung, am Säure-Basen-Haushalt und hat zahlreiche endokrine und immunologische Aufgaben:
 
     Speicherung / Bereitstellung von Blut
 

     Bildung von Gallenflüssigkeit - Ausscheidung und Beteiligung an Verdauungsvorgängen

     Bildung von Hormonen, wie IGF-1, Angiotensinogen, Hepcidin, Thrombopoetin

     Aktivierung von Hormonen, z.B. von Vitamin D oder die Umformung von T4 zu T3

     Inaktivierung von Hormonen, z.B. von Insulin (nur die Hälfte des im Pankreas gebildeten Insulins "entkommt" dem Abbau bei der hepatischen Passage), Vasopressin, Aldosteron,. Östrogenen

     Bildung verschiedener Gerinnungsfaktoren

     Synthese hormonbindender Proteine, wie das sexhormon-bindende Globulin SHBP und das thyroxinbindende Globulin TBG

     Synthese verschiedener Transportproteine (Albumin, diverse Globuline)

     Bildung von Protease-Inhibitoren, insbesondere von α1-Antitrypsin, das vor der Wirkung von Enzymen schützt, die im Rahmen entzündlicher Vorgänge entstehen (z.B. Elastase aus Neutrophilen)

     Bildung von Hepatokinen (mit diesen kann die Leber hormonell auf den Glucosestoffwechsel einwirken):
 
        Fetuine, Bindeproteine wie Albumin, die besonders in fötalem Blutplasma zu finden sind (daher der Name). Fetuin-A ist ein α2-Glykoprotein, das die Leber bei hohem Blutzuckerspiegel und Überernährung bildet. Es reduziert die Insulinwirkung in Leber- (parakrin) und Muskelgewebe (endokrin), ruft also einen Zustand der Insulinresistenz hervor; die Glucoseaufnahme in die Zellen wird verringert
 
        FGF-21 (Fibroblasten-Wachstumsfaktor 21) wirkt ebenfalls auf Insulinsensitivität und Glucoseaufnahme (beim Menschen vermutlich ähnlich wie Fetuin-A)
 
        Betatrophin (Lipasin) fördert die Proliferation pankreatischer ß-Zellen

     Metabolische Aufgaben:
 
    » Eiweißstoffwechsel - inklusive Bildung von Plasmaproteinen, z.B. Gerinnungsfaktoren
 
    » Kohlenhydratstoffwechsel - inklusive Speicherung / Bereitstellung von Glykogen
 
    » Fettstoffwechsel
 
    » andere metabolische Aufgaben
 
    » Auf-, Um- und Abbau
 
    » Entgiftung / Ausscheidung

     Speicherung / Bereitstellung von Vitaminen und Spurenelementen, z.B. Eisen
 

     Beteiligung am Säure-Basen-Haushalt
 

     Beteiligung an Immunfunktionen. Zu diesen Aufgaben gehören

        Phagozytose: Kupffer-Zellen "fangen" Viren, Bakterien oder Parasiten aus der Blutbahn, bevor sie nach einem Eindringen in die v. portae in den systemischen Kreislauf gelangen

        Proteinsynthese: Die Leber synthetisiert Komponenten des angeborenen Abwehrsystems, wie Komplementfaktoren oder C-reaktives Protein

        Entzündungsreaktion: Kupffer-Zellen können proinflammatorische Zytokine bilden und dadurch entzündliche Abwehrreaktionen triggern

     Beteiligung am Körperwachstum - Rolle bei der Wachstumsregulierung: Expression von IGFs als auch die von IGF-Bindungsproteinen unterliegt der Kontrolle durch GH
 
Die Leber transportiert zahlreiche organische Kationen: Amine (aliphatisch und aromatisch), u.a. Cholin, Thiamin, auch Antibiotika, Anaesthetika und andere Pharmaka (bei physiologischem pH-Wert liegen etwa 40% aller Medikamente als organische Kationen vor). Zahlreiche lipophile organische Kationen gelangen über OCT (organic cation transporter, s. dort) durch die Zellmembran von Hepatozyten.

Intrazellulärer Transport: Zahlreiche Verbindungen scheinen im Hepatozyten proteingebunden (intracellular binding proteins)
- z.B. gallensaure Salze über Dihydrodioldehydrogenase, Glutathion-S-Transferase B sowie FABPs (fatty acid binding proteins) - oder über vesikulären Transport von der basolateralen zur apikalen Membran zu gelangen. Diese Wege kommen als Ansatzpunkt für die Regulation von Transport und Synthese in Betracht. Auch Bilirubin wird von basolateraler zu apikaler Membran gebracht, mit einer Möglichkeit der Zwischenspeicherung im endoplasmatischen Retikulum.
 
Leber und Kreislauf
  
Der Blutgehalt der Leber einer erwachsenen Person beträgt ~450 ml (~9% des gesamten Blutvolumens). Dieses Volumen schwankt, z.B. mit Atemtätigkeit (bei Einatmung ist der hepatisch-venöse Ausstrom blockiert, die Leber wird größer; bei der Ausatmung entspeichert die Leber das entsprechende Volumen und wird wieder kleiner) oder Körperlage, und kann im Extremfall 2-3fach zunehmen, wenn sich im Bereich der vena cava inferior Blut vor dem Herzen zurückstaut (Herzinsuffizienz): Sinusoide und Venen sind sehr dehnbar (hohe Volumencompliance).

    
  Mehr zur Durchblutung der Leber s. dort
 

Abbildung: Blutversorgung der Leber
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016


"Klassische" Leberläppchen sind etwa hexagonal strukturiert. Das Blut strömt von der Stelle der portalen Triaden zur Zentralvene, Gallenflüssigkeit in der Gegenrichtung zu Gallengängen in den Triaden


Andererseits hängt die Füllung vom arteriellen Druck ab (die Venen werden über die Arterien "aufgeblasen"). Sinkt der arterielle Blutdruck, nimmt auch der Druck in den Venen ab und diese ziehen sich dehnungspassiv zusammen, was Blut für die Füllung des Herzens bereitstellt (die Vorlast steigert) und zur Aufrechterhaltung des arteriellen Drucks beiträgt. Dieser Speicherungs- / Entspeicherungszyklus von Blut in der Leber ist Teil der Volumenregulation im gesamten Splanchnicusgebiet und ein wichtiger Faktor für die Stabilität des Kreislaufs. Erhöhung des Sympathikustonus (körperliche Arbeit!) senkt, hoher Vagustonus (Nahrungsaufnahme!) steigert Durchblutung und Blutvolumen der Leber.

      Das Pfortaderblut bringt resorbierte Stoffe aus dem Darm und beteiligt sich zu 70-75% an der Perfusion, aber nur zu 50-60% an der Sauerstoffversorgung der Leber (Pfortaderblut hat ~65% Sauerstoffsättigung, arterielles fast 100%).

      Die restlichen 25-30% sind arterielles Blut (Aufzweigungen der a. hepatica), das zu 40-50% zur Sauerstoffversorgung der Leber beiträgt. Spezielle Widerstandsgefäße (lange Arteriolen → relativ hoher Reibungsverlust) reduzieren den Blutdruck in diesen Gefäßen von arteriellen (~100 mmHg) auf venöse Blutdruckwerte (≤10 mmHg), bevor das Blut in die Sinusoide eintritt.
 
Der spezifische Sauerstoffverbrauch des Lebergewebes liegt mit ~4-5 ml/100 g/min (d.h. 40-75 ml insgesamt, etwa 1/5 des gesamten O2-Verbrauchs des Körpers in Ruhe) etwa gleich wie der des Gehirns (~4 ml/100 g/min) und unter dem von Niere (6 ml/100 g/min) oder Herzmuskel (≥7 ml/100 g/min), aber deutlich über demjenigen großer Gebiete mit geringer Stoffwechselaktivität (z.B. Haut, nicht-aktiver Skelettmuskel).
 

 
Die Leber zeigt eine intensive Lymphproduktion. Die Wände der Sinusoide sind sehr durchlässig, auch Eiweißmoleküle können leicht zwischen Blut und Disse-Raum ausgetauscht werden.

    Als Disse-Raum
(perisinusoidal space) bezeichnet man den extrazellulären Spaltraum zwischen der basolateralen Zellmembran von Hepatozyten einerseits und sinusoidalen Endothelzellen andererseits. Die basolateralen Membranen der Hepatozyten haben Mikrovilli, welche die Fläche zum Disse-Raum um ein Mehrfaches vergrößern und den Austausch von Stoffen mit dem Blut intensivieren.

Die aus der Leber stammende Lymphe hat eine Eiweißkonzentration von etwa 60 g/l (Blutplasma ~70 g/l).
 
   Unter Ruhebedingungen stammt etwa die Hälfte der im ganzen Körper produzierten Lymphflüssigkeit aus der Leber.

Steigt der Druck im Bereich der Lebervenen um nur wenige mmHg, kommt es zu einer starken Erhöhung der Lymphproduktion, und Flüssigkeit tritt auch über die Organoberfläche direkt in die Bauchhöhle über. Der Lymphabfluss kann bis zu 20-fach steigen, und die eiweißreiche "Überschussflüssigkeit", die in den Bauchraum übertritt, verursacht (ab 10-15 mmHg Druck in der V. cava) einen Aszites (Bauchwassersucht).

Zum enterohepatischen Kreislauf s. dort
 
Galle: Produktion und Aufgaben
 


Abbildung: Leberläppchen
Modifiziert nach einer Vorlage bei amboss.com

Die Gallenflüssigkeit wird von Hepatozyten in ein extrazelluläres Netzwerk von Gallencanaliculi sezerniert. Deren Inhalt ergießt sich in interlobuläre Gallengänge (diese bilden zusammen mit einem Zweig der Leberarterie sowie der Portalvene eine portale Trias).

Die Galle aus den Leberläppchen mündet (hier nicht gezeigt) in Lebergänge (ductus hepaticus dexter und sinister, anschließend communis - common hepatic tract). Letzterer wird am Abgang des ductus cysticus (zur Gallenblase) zum ductus choledochus (common bile duct)



Gallenflüssigkeit hat zwei Hauptfunktionen:
Ausscheidung zahlreicher Stoffe, die nicht über die Nieren entfernt werden (können) - u.a. weil sie nach allfälliger glomerulärer Filtration tubulär rückresorbiert werden, z.B. Gallensäuren -, wie Cholesterin, Gallenfarbstoffe, lipophile Substanzen (u.a. Medikamente, pflanzliche Sterole), oxidiertes Glutathion, Antigen-Antikörper-Komplexe u.a.
Bereitstellung von gallensauren Salzen bzw. Gallensäuren für Fettverdauung und -resorption.

Die Produktion der Gallenflüssigkeit übernehmen zu 80% die Hepatozyten und zu 20% die Zellen des Gallengangepithels. (Übrigens machen die Leberparenchymzellen an die 70% und die Gallenepithelzellen knapp 25% aller hepatischen Zellen aus.)

Die tägliche Produktion an Gallensekret beträgt beim Erwachsenen ~700 ml (Maximalwert über 1500 ml). Die hepatisch
sezernierte Gallenflüssigkeit gelangt etwa zur Hälfte direkt in den Darm und zur Hälfte in die Gallenblase. 
 
  
  Dieser Anteil an primärer ("Leber"-) Galle kann hier innerhalb von ~4 Stunden auf 10% des ursprünglichen Volumens eingedickt werden ("Blasengalle").

Immunglobulin A wird in die Galle ausgeschieden und verhindert hier bakterielles Wachstum.

        Mehr zu Sekretion, Transport und Funktion des Gallensafts s. dort
 
pH-Stabilisierung
 

Am Säure-Basen-Haushalt nimmt die Leber durch Umwandlung von Ammoniumionen aus dem Eiweißstoffwechsel teil ("Ammonium-Mechanismus"):

      70-95% des NH4+ werden im periportalen Feld, d.h. in sauerstoffreichen Teilen der Leberläppchen unter Verbrauch von Bicarbonat in Harnstoff umgewandelt,


      der Rest (5-30%) im sauerstoffärmeren perivenösen Feld zur Bildung von Glutamin aus Glutamat verwendet.

Harnstoff gelangt direkt in den Urin, aus Glutamin setzt die Niere Ammonium frei (Glutaminase), welches als Salz (hauptsächlich Chlorid) mit dem Harn ausgeschieden wird.



Ammoniak (NH3) ist primäres Abbauprodukt der Aminosäuren (Proteinstoffwechsel!). Es gelangt als Bestandteil des Ammoniumsystems teilweise zur Niere, teilweise zur Leber und wird dort vor allem zu Harnstoff umgebaut.


Ammonium
(Blutplasma < Serum)
bei pH=7,4: 2% als NH3 und 98% als NH4+
Bis ~50
µM
(Venöses Plasma: Männer 15-60, Frauen 11-51, Kinder <48, Neugeborene 5-6 Tag <134, 1. Tag <144 µM)
Erwachsene: Hyperammonämie bei über 53 µM (90 µg/dl)
 
Frauen 11-51 µM, Männer 15-60 µM, Kinder <48 µM
Ammonium im Serum: Erhöhte Werte sind fast immer auf gestörte Ausscheidung (Erkrankungen der Leber) zurückzuführen. Schon Konzentrationen von weniger als 100 µM wirken neurotoxisch (Händezittern, Sprachstörungen, eingeschränktes Sehvermögen, Verwirrtheitszustände, bei höheren Dosen Bewusstseinsverlust, Koma).
  
Funktionelle Mikrostruktur
  
Die Mikrostruktur der Leber lässt sich unterschiedlich definieren ( Abbildung):
 
      Einerseits ist das (klassische) Leberläppchen (hepatic lobule) das Zustromgebiet zu einer (zentral gelegenen) Vene - Zellbalken sind hier radiär um die Vene angeordnet, an der Peripherie liegen (jeweils in einem Glisson'schen Dreieck) eine Arterie, interlobuläre Vene und ein Gallengang (ductus interlobularis) als portale Trias ("Lebertrias"). Das Kriterium für diese Sicht ist die Blutströmung.
 
      Andererseits bietet sich als funktionelle Einheit der portale Acinus (liver acinus) an: Dieses Konzept orientiert sich am Sauerstoffpartialdruck, der von Zone 1 (Nähe zu arteriellen Gefäßen) zu Zone 3 (Gegend der Zentralvene) abnimmt und dementsprechend unterschiedliche metabolische Schwerpunkte aufweist (Zone 1 z.B. ß-Oxidation, Zone 3 z.B. Entgiftung, s. unten).
 
      Orientiert man sich an der Strömung der Galle, steht das Konzept des portalen Lobulus (portal lobule) im Vordergrund (und die portale Trias im Zentrum).
 

  Abbildung: Organisation des Lebergewebes
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016

Leberläppchen: Drainagegebiet zu einer Zentralvene (bzw. -venole), portaler Lobulus: Drainagegebiet zu einem Gallengang, portaler Azinus: Raute zwischen zwei Zentralvenen.
 
Eine portale Trias besteht jeweils aus Arteriole, Venole und Gallengang (links oben)

      Ein klassisches Leberläppchen ist das Drainagegebiet zu einer (hepatischen, "zentralen") Venole und kann sechseckig gedacht werden (Drainage des Blutes von bis zu 6 hepatischen Arteriolen und Portalvenen im periportalen Feld).

Die Leber enthält 50-100 Tausend solcher Lobuli.
  
      Ein portaler Lobulus ist das Drainagegebiet zu einem Gallengang und kann als Dreieck gedacht werden, dessen Eckpunkte drei Zentralvenen darstellen. Sein Mittelpunkt ist eine portale Triade (=Arterie, Portalvene, Gallenkanälchen).
 
      Ein portaler Azinus ist etwa rautenförmig - außen liegen Zentralvenen (Zone 3), innen zwei portale Triaden (Zone 1). Das Modell des portalen Azinus orientiert sich am Gefälle des Sauerstoffpartialdrucks im Lebergewebe. Die 1-1,5 mm großen portalen acini werden in drei funktionelle Zonen gegliedert, welche schwerpunktmäßig unterschiedliche Aufgaben übernehmen und dementsprechend unterschiedlich mit Enzymen ausgestattet sind:

     Zone 1 nahe der Leberarteriole (periportal) weist einen hohen Sauerstoffpartialdruck auf und konzentriert sich auf oxidativen Metabolismus. Diese Zellen sind besonders resistent (sie sind aus dem Darm kommenden Stoffen direkt ausgesetzt). Hier überwiegen

     Synthese von Harnstoff (aus Ammoniak: Harnstoffzyklus), Cholesterin (eine der kompliziertesten Biosynthesen), Glucose (Gluconeogenese), Gallensäuren
 

     ß-Oxidation (Abbau der Fettsäuren - liefert Acetyl-CoA), oxidativer Energiemetabolismus (Abbau von Acetyl-CoA aus Kohlenhydraten, Lipiden, Aminosäuren → Energie, CO2, Reduktionsäquivalente - NADH/H+, FADH2)
 

     Abbau von Aminosäuren (Transaminierung entfernt die Aminogruppe, die entstehende Ketosäure wird decarboxyliert), Glykogen
 
 
Abbildung: Biochemische Funktionen der Leber
Nach einer Vorlage bei intranet.tdmu.edu.ua

Wie in den folgenden Kapiteln beschrieben, erfüllt die Leber zentrale Aufgaben im Eiweiß-, Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel sowie im Rahmen von Biotransformation, Abbau, Entgiftung und Ausscheidung


Zone 2 ist ein Übergangsgebiet mit gemischter Funktion. Sauerstoffpartialdruck und Syntheseprofile liegen zwischen denen der Zone 1 und Zone 3.
 
     Zone 3 nahe der Zentralvene (perivenös) weist den geringsten Sauerstoffpartialdruck auf und konzentriert sich auf Detoxifizierung. In diesem Gebiet finden vorwiegend folgende Vorgänge statt:

    Synthese von Glutamin (Glutamin-Synthetase,  Abbildung), Lipiden (Lipogenese - vollständig im Zytoplasma, in Kombination mit dem Pentosephosphatweg, der das dazu notwendige NADPH/H+ liefert. Die Leber ist ein Hauptproduzent von Lipiden), Glykogen (hepatische Reserve), evt. Ketonkörpern

    Glykolyse (Abbau von Glucose bis Pyruvat)

    Abbau / Entgiftung / Ausscheidung (Biotransformation: Hormone, Medikamente, Alkohol, Toxine ..)
 
 
  Abbildung: Interkonversion Glutamat - Glutamin

Hepatische Glutaminsynthetase fügt der Aminosäure Glutamat eine NH3-Gruppe an. Es entsteht Glutamin, das zu den Nieren exportiert wird. Dort wird vom Glutamin die NH3-Gruppe wieder abgespalten, die als Ammonium-Kation nicht mehr rückresorbiert (ion trapping) und mit dem Harn ausgeschieden wird (etwa 40 mM/d)


Anpassungsfähigkeit: Experimentelle Umdrehung des Blutflusses hat gezeigt, dass sich die Zonen-Spezialisierung der Hepatozyten entsprechend dem Sauerstoffangebot verändern kann.
 

 
      Zu den Aufgaben der Leber zählen Energie-, Hunger-, Lipidstoffwechsel; Proteinsynthese; Gallesekretion; Blutspeicher; Aktivierung / Inaktivierung / Entgiftung von Hormonen, Medikamenten, Toxinen; Speicherung von Glykogen, Eiweiß, Vitaminen und Spurenelementen; Beteiligung am Wachstum (Expression von IGFs, IGF-Bindungsproteinen). Hunderte Gene werden dazu situationsabhängig aktiviert. Die Leber ist nachts besonders aktiv (zirkadianer Rhythmus). Substratabhängige, autonom-nervöse und endokrine Signale steuern die Leberfunktionen (z.B. Speicherung vs. Entspeicherung)
 
      In der Resorptionsphase (2-4 Stunden) nimmt die Leber Nährstoffe aus dem Darm auf und baut Zucker zu Fett um; in der Postresorptionsphase stellt die Leber Glucose für Gehirn, Erythrozyten, Nebennieren u.a. zur Verfügung. Die meisten metabolischen Aufgaben übernehmen Hepatozyten: Um-, Ab-, Neuaufbau von Nährstoffen, Bereitstellung von Energieträgern (Glucose, Fettsäuren, Ketonkörper ), Biotransformation, Gallebildung, Säure-Basen-Regulation, Bildung von Hepatokinen, Abbau von Hormonen, Zytokinen u.a. Nichtparenchymzellen (Endothel, Kupffer'sche Sternzellen, Stellatumzellen) übernehmen Phagozytose, Toxinelimination, Antigenpräsentation, Perfusionssteuerung, Vitaminspeicherung
 
      Lange Arteriolen gleichen den Druck vom arteriellen (~100 mmHg) auf den Wert in Lebersinusoiden (≤10 mmHg) an; die Leberlymphe (aus Disse-Räumen) ist sehr proteinreich; die Leber produziert den Großteil der Plasmaproteine. Der Sauerstoffverbrauch der Leber (~4-5 ml/100 g/min) beträgt ~20% des gesamten Ruheverbrauchs des Körpers in Ruhe
 
      Gallenflüssigkeit entsteht zu 80% in Hepatozyten, 20% im Gallengangepithel - täglich ~700 ml ("Lebergalle"). Sie gelangt zur Hälfte direkt in den Darm, zur Hälfte in die Gallenblase - und wird innerhalb von ~4 Stunden auf ~10% des ursprünglichen Volumens eingedickt ("Blasengalle"). Mit dem Ammonium-Mechanismus beteiligt sich die Leber am Säure-Basen-Haushalt: Der Großteil des
Ammoniums aus dem Proteinabbau wird unter Verbrauch von Bicarbonat in Harnstoff umgewandelt, der Rest zur Bildung von Glutamin (aus Glutamat) verwendet. Bei Azidose verlagert sich die Stickstoffausscheidung in Richtung Ammonium (normalerweise ~40 mM/d), bei Alkalose in Richtung Harnstoff (~450 mM/d)
 
      50-100 tausend klassische Leberläppchen empfangen Blut von bis zu 6 hepatischen Arteriolen und Portalvenen im periportalen Feld. Portale Lobuli drainieren zu einem Gallengang, ihr Mittelpunkt ist eine portale Triade (Arterie, Portalvene, Gallenkanälchen). Portale Azini sind nach dem Gefälle des Sauerstoffpartialdrucks orientiert (Zone 1 nahe einer Arteriole konzentriert sich auf oxidativen Metabolismus: Harnstoff-, Cholesterin-, Gallensäurensynthese, Glykogenolyse, Gluconeogenese, ß-Oxidation, Transaminierungen; Zone 3 nahe der Zentralvene: Detoxifizierung, Glutaminsynthese, Ketonkörperbildung. Die Zonen-Spezialisierung kann sich entsprechend dem Sauerstoffangebot verändern
 

 




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