Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

    
Energie- und Stoffwechsel

  Insulinsystem
© H. Hinghofer-Szalkay

Diabetes mellitus: διαβαίνειν = hindurchfließen, mel = Honig (mellitus = honigsüß)
Glucagon: γλυκύς = süß, agere = treiben, bewegen ("Zuckerbringer")
Glucosurie:
γλυκύς = süß, ούρα = Harn
Hyperglykämie: ὑπερ = über, γλυκύς = süß, αἷμα = Blut
Insulin: insula = Insel (endokrinen Gewebes im ansonsten exokrinen Pankreas)
Visfatin: Stammt vorwiegend aus viszeralem Fettgewebe (visceral fat) und hat Insulineffekte

 
Insulin wirkt über Tyrosinkinase-Rezeptoren am Zielgewebe (vor allem Fett-, Muskel- und Leberzellen) je nach Enzymausstattung unterschiedlich: In der Leber fördert es die Synthese von Glykogen und Fett; im Muskel die Protein-, im Fettgewebe die Lipogenese, in beiden die Aufnahme von Glucose über den Einbau entsprechender Transporter (GLUT-4) in die Zellmembran.

Zahlreiche Signale regen die Insulinsekretion in den B-Zellen des Pankreas an: Erhöhung des Glucose-, Amino- und Fettsäurespiegels im Blut; Aktivität autonomer Nerven (sympathisch, parasympathisch); vermehrte Hormonkonzentrationen (Inkretin-Effekt durch Gastrin, Sekretin u.a.), einschließlich des Insulins selbst (autokrines Feedback).

Die Anregung der B-Zelle durch Glucose erfolgt so: GLUT-2-Transporter lassen Glucose in die Zelle, ATP wird vermehrt gebildet und sein Spiegel steigt an. Das blockiert ATP-sensitive Kaliumkanäle und reduziert den K+-Ausstrom - die resultierende Depolarisierung führt zu Einstrom von Ca++-Ionen und Freisetzung des in Vesikeln gespeicherten Hormons.

Dieser Vorgang erfolgt nicht kontinuierlich, sondern pulsatil (alle 3-6 Minuten) - so lange dauert auch die biologische Halbwertszeit des Insulins, das auf diese Weise wirksam bleibt (kontinuierliche Anwesenheit des Hormons führte zu receptor downregulation, die Zelle wäre refraktär, der Signalweg blockiert).

Ein herausragender Insulineffekt ist die Senkung des Blutzuckerspiegels - Glucose wandert aus dem extrazellulären Raum in die Zellen. Die Glucosekonzentration im Blutserum sollte nüchtern (postabsorptiv) 3,3-6,0 mM (60-110 mg/dl) betragen.

Erniedrigte Glucosewerte (Hypoglykämie) gefährden die Funktion primär glucoseabhängiger Gewebe, insbesondere des Gehirns. Erhöhung des Blutzuckerspiegels (Hyperglykämie) ist nach Mahlzeiten physiologisch, weil resorbierter Zucker zunächst ins Blut gelangt. Der darauf erfolgende Insulinanstieg senkt den Glucosespiegel rasch wieder in den Referenzbereich.

Im Gehirn hat Insulin Signalwirkung im Sinne eines Sättigungssignals (es wird bei Zuckerzufuhr ausgeschüttet) und beeinflusst ausser Essverhalten, Blutzuckerregulation, Energiehaushalt und Körpergewicht auch Bewusstsein und Gedächtnisbildung.

Glucose kann sich mit anderen Biomolekülen verbinden, Komplexe bilden und - bei chronisch erhöhten Werten - längerfristig degenerativ wirken (Durchblutungsstörungen, Nervenschäden bei chronischem unbehandeltem Diabetes).


Übersicht Entdeckung Zentralnervöse Wirkungen Bildung und Abbau Inkretinwirkung Normalwerte Steuerung, (pulsatile) Freisetzung Insulinrezeptor Metabolische Wirkungen

    Insulinresistenz, Glucosetoleranz
    Inkretine    Insulinempfindlichkeit

Praktische Aspekte       Core messages
  
Insulin entsteht in den ß-Zellen der Langerhans-Inseln (daher der Name) des Pankreas als Prohormon (86 Aminosäuren). Eine spezifische Endopeptidase spaltet einen Mittelteil (C-Peptid) heraus, es bleiben zwei über Disulfidbrücken miteinander verbundene Peptide (A-Kette: 21, B-Kette: 30 Aminosäuren) als aktives Insulin übrig. Insulin senkt den Glucosespiegel im Blut, es wirkt vor allem auf Fett- (besonders hohe Rezeptordichte), Leber- und Muskelzellen, aber auch auf andere Zellen mit Insulinrezeptoren, u.a. im Gehirn.

Insulin ist das wichtigste anabole Hormon, es fördert zelluläre Aufbauprozesse
 
Das Peptidhormon Insulin (51 Aminosäuren, bestehend aus zwei Peptidketten) ermöglicht rasche Glucoseaufnahme und Energiespeicherung insulinabhängiger Zellen (vor allem in Fett- und Muskelgewebe). Das geschieht durch Einlagerung von Glucosetransportern (GLUT4) in die Zellmembran. Seine Hauptwirkungen sind: Bewegung von Glucose in insulinabhängige Zellen, Speicherung von Stoffwechselsubstraten (Glykogenese und Fettsäuresynthese in Leberzellen, Triglyzeriden in Fettzellen), Hemmung endogener Glucoseproduktion. Außerdem fördert Insulin die zelluläre Aufnahme von Kaliumionen (verhindert Hyperkaliämie, wie sie z.B. durch Nahrungsaufnahme auftreten könnte) und Aminosäuren.
 

Abbildung: 24-Stunden-Profil des Insulinspiegels einer gesunden Person
Nach einer Vorlage bei medscape.org

Der Blutzuckerspiegel beträgt im Nüchternzustand 4-5 mM, der Insulinspiegel unter 100 pM (1 mU entspricht ~7 pM).
 
 Nahrungsaufnahme (Frühstück, Mittagessen, Abendessen) steigert den Glucosespiegel (Blutzuckerwert, unten), dies führt zu Ausschüttung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse und entsprechenden Anstieg der Hormonkonzentration im Blut (oben). Aufgrund der kurzen Halbwertszeit (~5 Minuten) sinkt der Insulinspiegel rasch wieder ab, wenn sich der Blutzuckerspiegel zum Nüchternwert zurückbewegt
(basaler Insulinspiegel).
 
Etwa eine Stunde nach Beginn der Nahrungsaufnahme erreicht auch der Laktatspiegel (nicht gezeigt) im Blut ein Maximum, das ein Mehrfaches des Ruhewertes betragen kann; das Laktat stammt aus anaerober Glucosenutzung in diversen Geweben, Laktat wird dann von der Leber zu Glucose-6-Phosphat verwandelt und in Glykogen eingebaut


Insulin regt Zellen zur Glucoseaufnahme an und kann den Blutzuckerspiegel senken; unzureichende Insulinwirkung führt zu Diabetes ("Zuckerkrankheit" = Diabetes mellitus ), gekennzeichnet durch erhöhten Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie ). Bei Überschreiten des tubulären Transportmaximums für Glucose (höchstmögliche Rückgewinnung von filtrierter Glucose ins Blut) kann es zu Verlust von Zucker mit dem Harn (Glucosurie ) kommen. Da der Zucker Wasser aus osmotischen Gründen "mitnimmt" (osmotische Diurese), kommt es zu vermehrtem Wasserverlust (Diabetes = "Durchfluss").

  
   Als Insulinresistenz bezeichnet man eine verringerte zelluläre Antwort (insulinabhängiger, d.h. mit Insulinrezeptoren ausgestatteter Gewebe) auf Insulin (sowohl körpereigenes als auch exogenes). Dabei ist die Glucosetoleranz erniedrigt, d.h. Aufnahme einer definierten Glucosemenge führt zu überhöhtem Anstieg des Blutzuckerspiegels (oGTT: Oraler Glucosetoleranztest).Insulinresistenz ist ein Element des metabolischen Syndroms ("Syndrom X": Insulinresistenz, Bluthochdruck, Hypertriglyzeridämie, erniedrigtes HDL-Cholesterin, abdominelle Fettleibigkeit) und gehört zu den dringlichsten Gesundheitsproblemen der Wohlstandsgesellschaft.
 
Polyurie (osmotische Diurese) ist ein Hauptsymptom eines unbehandelten Diabetes mellitus
 
1869 beschrieb der Pathologe Paul Langerhans in seiner Doktorarbeit die später (1893 durch den Histopathologen Edouard Laguesse) nach ihm benannnten Zellinseln. Ihre Funktion war zunächst unbekannt. Dass die Bauchspeicheldrüse mit der Regulierung des Blutzuckerspiegels zusammenhängt, wurde durch Forschungen von Josef Mering und Oskar Minkowski (um 1900) klar. Sie konnten zeigen, dass Hunde, denen das Pankreas entfernt wurde, Diabetes mellitus entwickelten (Minkowski's Labordiener fiel auf, dass sich am Urin der Tiere Fliegen gütlich taten). Damit bestätigten sie die Hypothese des Franzosen Etienne Lanceraux, dass Diabetes etwas mit einer Fehlfunktion der Bauchspeicheldrüse zu tun hätte (1877) - eine Hypothese, die im Widerspruch zur Position stand, die seinerzeit der berühmte Physiologe Claude Bernard vertrat.

Anfang des 20. Jahrhunderts behandelte der deutsche Pädiater Georg Zülzer Diabetiker mit Bauchspeicheldrüsenextrakt von Kälbern - mit mäßigem Erfolg. 1916 wies der rumänische Physiologe Nicolae Paulescu nach, dass Extrakte aus Bauchspeicheldrüsen zuckerkranke Hunde kurieren können. 1922 publizierten die Kanadier Frederick Banting und John Macleod über die erfolgreiche Behandlung von Diabetes mellitus mit einem Pankreasextrakt beim Menschen. Banting hatte 1920 die Idee, den Pankreasgang von Versuchstieren zu ligieren und so das exokrine Gewebe zur Selbstverdauung zu bringen, mit dem Resultat isolierten Inselzellgewebes (das abgestorbene Gewebe wird vom Immunsystem abtransportiert).

Schon 1923 wurde Banting und Macleod der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin zugesprochen. Banting's Student und Mitarbeiter Charles Best ging (wie Paulescu) leer aus; Banting, der diese Entscheidung nicht billigte, teilte den Preis mit seinem Schüler. Dies tat auch Macleod mit seinem Mitarbeiter James Collip. Das Patent für Insulin wurde der Universität Toronto für 50 Cent überlassen.

Das wirksame Prinzip des Inselzellextrakts (zuerst als "Isletin" bezeichnet) war zunächst chemisch nicht definiert. 1950 gelang es Frederick Sanger, die Aminosäuresequenz des nunmehr als Insulin bezeichneten Proteohormons zu ermitteln. 1958 erhielt er dafür den Nobelpreis für Chemie.
 
Zentralnervöse Insulinwirkungen
 
Anstieg des Insulinspiegels ist ein wichtiges Sättigungssignal, das auf die zuständigen Zentren des Gehirns (wie den nucleus arcuatus) wirkt. Insulin hat darüber hinaus zahlreiche Wirkungen auf die Funktionen des Gehirns:


Abbildung: Insulinempfindliche Gehirnareale und zentrale Insulinwirkungen
Nach Heni M, Kullmann S, Preissl H, Fritsche A, Häring HU. Impaired insulin action in the human brain: causes and metabolic consequences. Nature Rev Endocrinol 2015; 11: 701-11

Insulin wirkt auf den
 
     Hypothalamus (zentrale metabolische Steuerung),
 
     präfrontalen Kortex (Hemmung der Nahrungsaufnahme),
 
     Hippocampus (Gedächtnis und Bewusstseinszustand) und auf den
 
     an der Objekterkennung beteiligten gyrus fusiformis (Identifikation, Belohnung, Emotionslage)


Das Gehirn ist insgesamt ein insulinsensitives Organ: Insulin beeinflusst zerebrale Gebiete, die
 
     Gedächtnisbildung
(Bewusstsein),
 
     Belohnungsempfinden,
 
     Essverhalten,
 
     Geruchsempfindlichkeit und
 
     Energiehaushalt (Blutzuckerregulation, Körpergewicht) steuern.

Extern (z.B. nasal) appliziertes Insulin reduziert die Nahrungsaufnahme und erhöht die motorische Aktivität - vorausgesetzt, der Rezeptorbesatz ist nicht vermindert (was proportional zum Grad eines Übergewichts der Fall ist).

Die Ansprechbarkeit auf hormonelle Signale ist individuell verschieden; zahlreiche Menschen sind - auch genetisch disponiert - insulinresistent. Je besser die Insulinsensitivität, desto besser fallen funktionelle Indikatoren der Hirnleistung aus.
 

Bildung und Abbau des Insulins
 
Insulin ist Teil einer Proteinfamilie, zu der auch die insulinähnlichen Wachstumsfaktoren IGF-1 und IGF-2, Relaxine und einige weitere insulinähnlichen Peptide gehören. Insulin wird in den ß-(B-) Zellen der Bauchspeicheldrüse gebildet. Etwa eine Million Langerhans-Inseln machen 1-2% der Masse der Bauchspeicheldrüse aus, sie beinhalten mehrere Zellarten (s. dort).
 

Abbildung: Typische Organisation einer Langerhans-Insel in der Bauchspeicheldrüse
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016

Etwa 90% der Inseln haben eine Verteilung der Epithelzellen wie in der Abbildung gezeigt (überwiegend ß-Zellen, die u.a. Insulin exprimieren). In den restlichen ~10% der Inseln überwiegen F-Zellen (die pankreatisches Polypeptid bilden).
 
Der Blutstrom ist von einem zentralen Versorgungsgefäß zwischen den Epithelzellen peripherwärts gerichtet (rote Pfeile).
So gelangt z.B. aus ß-Zellen freigesetztes Insulin zunächst zu äußeren Inselzellen und hemmt dort die Freisetzung von Glucagon aus α-Zellen
Die ß-Zellen (50-70% der Inselzellen) sind in der Insel von anderen inkretorisch tätigen Zellen umgeben und interagieren mit diesen - Signalstoffe diffundieren in die Nachbarschaft ( vgl. dort). Die Langerhans-Inseln sind stark vaskularisiert, ihre spezifische Durchblutung beträgt ein Mehrfaches derjeniger des Herzmuskels. Der Blutstrom zwischen den Inselzellen ist vom Zentrum der jeweiligen Insel zur Peripherie ausgerichtet ( Abbildung), die kapillären Spalträume zwischen den Inselzellen erfüllen eine pfortaderähnliche Funktion: So gelangen z.B. Produkte zentraler ß-Zellen relativ "unverdünnt" zu peripher liegenden F-Zellen.

Neben Insulin bilden ß-Zellen auch das 37-AS-Peptidhormon Amylin (IAPP: islet amyloid polypeptide), das die Glucoseresorption im Darm verzögert und so den Glucoseanstieg im Blut dämpft. Amylin wird zusammen mit Insulin (Verhältnis Amylin / Insulin
~1:100) sezerniert.
 
   Das primäre Translationsprodukt der ß-Zellen ist Präproinsulin, dieses enthält das für den Durchtritt durch die Membran des endoplasmatischen Retikulums erforderliche 24-Aminosäuren-Signalpeptid. Das Signalpeptid wird beim Eintritt in das endoplasmatische Retikulum durch mikrosomale Enzyme abgespalten, wodurch Proinsulin entsteht. Dieses besteht aus drei Teilen: Der A-Kette des Insulins (21 Aminosäuren), dem C-Peptid (31 Aminosäuren; C: connecting) und der B-Kette des Insulins (30 Aminosäuren). Proinsulin hat ~7% der biologischen Wirksamkeit des Insulins, ein wenig davon entgeht der Spaltung zu Insulin und wird zusammen mit diesem von der ß-Zelle sezerniert.

Durch Abspaltung des C-Peptids aus der Mitte des Proinsulins entstehen äquimolare Mengen C-Peptid und Insulin, dessen A- und B-Ketten des Moleküls sind über Disulfidbrücken miteinander verknüpft. Insulin wird im Golgi-Apparat zu membrangebundenen Partikeln verdichtet
und zusammen mit abgespaltenem C-Peptid in sekretorischen Granula der ß-Zellen in Form von Zink-Komplexen gespeichert.

Die Freisetzung aus den (großen) Sekretgranula verläuft nach ähnlichen Mechanismen wie die Sekretion von Neuropeptiden, aber im Vergleich zu Nervenzellen ca. 10-mal langsamer. ß-Zellen liegen in den inneren Regionen der Inseln, sodass freigesetztes Insulin mit dem peripherwärts gerichteten Blutstrom zu äußeren Inselzellen gelangt und dort die Freisetzung von Glucagon aus α-Zellen hemmt (vgl. Abbildung).

Etwa 60% des in den Pfortaderkreislauf freigesetzten Insulins wird von der Leber entfernt (first pass-Effekt). Im Gegensatz dazu rühren die Leberzellen das (äquimolar sezernierte) C-Peptid nicht an; es gelangt in den systemischen Kreislauf und wird mit dem Harn ausgeschieden, seine Menge im 24-Stunden-Harn erlaubt einen Rückschlusss auf die Intensität der Insulinbildung.

   Insulin wird vorwiegend in Leber, Nieren und Muskulatur endozytiert (vielleicht ist das für die Hormonwirkung von Bedeutung) und lysosomal abgebaut (IDE, insulin degrading enzyme); seine Halbwertszeit beträgt etwa 5 Minuten:
 
     Kaum aus dem Pankreas in den Pfortaderkreislauf gelangt, werden ~70% des neugebildeten Insulins von der Leber abgebaut (first passage), bevor es den systemischen Kreislauf erreichen kann (das dämpft Schwankungen des Insulinspiegels im systemischen Kreislauf und bedeutet gleichzeitig, dass die Leber wesentlich höheren Insulinkonzentrationen ausgesetzt ist als der Rest des Organismus).
 
     In der Niere wird Insulin glomerulär filtriert (nur 51 Aminosäuren!), resorbiert und tubulär zerstückelt.
 
     Und auch Muskelzellen lassen Insulinmoleküle nicht weit kommen.

Die Skelettmuskulatur ist die wichtigste Stelle insulinabhängiger (GLUT4-vermittelter) Glucoseaufnahme (
~80%). Muskelfasern exprimieren auch GLUT1, was wohl der "basalen" Glucoseaufnahme des Muskels dient. Ein zusätzlicher Mechanismus fördert die Glucoseaufnahme durch NO (aus Endothelzellen).

Neben
Insulin und C-Peptid bilden ß-Zellen ferner GABA (dieses diffundiert zu Alphazellen und hemmt dort die Freisetzung von Glucagon ) und Amylin (das vermutlich ähnlich wirkt).
 
 Inkretinwirkung
 
Verglichen mit dem Effekt einer i.v.-Glucosegabe (direkte Glucosewirkung auf ß-Zellen) ist die Insulinsekretion nach oraler Aufnahme der gleichen Glucosemenge wesentlich intensiver (Inkretineffekt). Was sind und was bewirken Inkretine?
 
    Inkretine sind Verdauungshormone, deren Ausschüttung durch Nahrungsaufnahme angeregt wird, ihrerseits die Insulinsekretion stimulieren und so eine zusätzliche Abnahme des Blutzuckerspiegels bewirken. Dieser Inkretineffekt macht 25-60% der gesamten Insulinantwort aus. Er erklärt, warum oral aufgenommene Glucose stärker insulinanregend wirkt als i.v. verabreichte. Zu Inkretinen zählen Cholecystokinin, GIP und GLP-1.
 

Abbildung: Wirkungen von GIP und GLP-1
Nach Seino Y, Fukushima M, Yabe D. GIP and GLP-1, the two incretin hormones: Similariries and differences. JDI 2010; 1: 8-23

Beide Inkretine wirken direkt auf Gehirn, Pankreas und Gastrointestinaltrakt.
 
GIP wirkt zusätzlich auf Knochen und Fettzellen, GLP-1 auf das Herz


Wie die Abbildung zeigt, wirken sowohl GIP als auch GLP-1 auf das Gehirn gedächtnisstärkend (GLP-1 steigert auch den Appetit). Im Pankreas fördern beide die Insulinausschüttung (Inkretineffekt!) sowie Betazellproliferation und senken die ß-Zell-Apoptoserate; auf die Glucagonsekretion wirken sie gegenläufig. Am Magen wirkt GIP sekretagog, GLP-1 fördert die Magenentleerung.

GIP regt den Einbau von Lipiden in das Fettgewebe an und wirkt auf den Knochen anabol; GLP-1 stärkt und schützt den Herzmuskel.
 
Normalwerte
 
Der Nüchtern-Insulinspiegel beträgt <50 pM.
 
    Ein Insulinspiegel von ~120 pM hemmt die Glucoseproduktion halbmaximal, die Glucoseverwertung ist halbmaximal stimuliert bei ~300 pM.

Nach Aufnahme einer umfangreichen kohlenhydratreichen Speise kann der Insulinspiegel auf einen Spitzenwert um die 1000 pM (etwa das 20-fache des Nüchternwertes) ansteigen.

  Blutzuckerspiegel (Glucose im Serum)
Nüchtern: 3,3-6,0 mM (60-110 mg/dl)
C6H12O6 hat das Molekulargewicht 180, daher entspricht 1 mM = 180 mg/l (=18 mg/dl) Glucose
(z.B. 5 mM = 90 mg/dl oder 90 mg%)
Oraler Glucosetoleranztest (oGTT) mit 75 g Glucose: Blutzuckerspiegel nach 2 h <140 mg/dl (>200 mg/dl sicher pathologisch)
HbA1c (glykiertes Hämoglobin, "Zucker-Langzeitgedächtnis") < 5,0 / 6,5% (verschiedene Angaben)

  Insulin (Serum)
Molare Masse 5,8 kDa
1 mU entspricht 6-7,5 pM
Nach >12 h Nahrungskarenz: 20-50 pM oder 5-10 mU/l (verschiedene Quellen, beides gerundet)
Pulsatile Freisetzung: Oszillationen bis 800 pM möglich
>6h nach Nahrungsaufnahme (postabsorptiv) 14-165 pM (2-23 mU/l)
Nach Glucoseaufnahme (oGTT: 75 g) 360-1430 pM (50-200 mU/l)
Biologische Halbwertszeit ~5 min

  C-Peptid (Serum)
Nach >12 h Nahrungskarenz: < 0,2 nM (< 0,7 µg/l)
>6h nach Nahrungsaufnahme (postabsorptiv) 0,3-0,7 nM (1,0-2,1 µg/l)
90 min nach Aufnahme von 600 Cal 0,5-5,5 nM (3,6-40 µg/l)

   Inselzellen beeinflussen einander regulatorisch; so hemmt Amylin die Glucagonsekretion, GLP-1 fördert die Bildung von Insulin und hemmt die von Glucagon ( s. auch dort). Die Betazellen liegen zentral und modulieren (parakrin, d.h. auf Nachbarzellen) die Aktivität umliegender α-, δ- und PP-Zellen.
 
Wie, wodurch und wann wird Insulin freigesetzt?
 
Die basale Insulinfreisetzung beträgt beim Erwachsenen ~1 U/h (eine Einheit Insulin pro Stunde), der basale Insulinspiegel oszilliert im systemischen Blut um ~10-15 µU/ml Serum (in der Pfortader ~60 µU/ml). Insulin wird oszillierend (pulsatil) freigesetzt: Alle 3-6 Minuten, d.h. in 10-20 Pulsen pro Stunde. Dabei sind die ß-Zellen über gap junctions synchronisiert; isoliert zeigen sie eine stärkere Variabilität der Oszillationen (2-10/min).
 


Freisetzung Anregung Hemmung Zeitprofil
 
Die Oszillationen des Blutinsulinspiegels sind beträchtlich: Dieser kann z.B. zwischen Werten von weniger als 40 pM und 800 pM schwanken. Die Schwankungen verhindern vermutlich eine Downregulierung der Insulinrezeptoren an den Zielzellen. Dazu passt die kurze (5 min) Halbwertszeit des Insulins.
 
  
   Sekretionsverhalten: Bei Werten unter 3 mM extrazellulärer Glucosekonzentration sezernieren ß-Zellen nur eine basale Mindestmenge Insulin. Bei 5 mM ist die Bildungsrate bereits verdoppelt und steigt S-förmig mit zunehmendem Zuckerspiegel an, bis sie bei ~15 mM (etwa dem Vierfachen des normalen Ruhewertes) ein Maximum (beim 4-fachen der Basissekretion) erreicht.

  Jeden Tag wird etwa ein Fünftel des in den Inselzellen gespeicherten Insulins freigesetzt.
 
      Die Insulinkonzentration im Blutplasma kann von der (effektiven) an den Zielzellen (also im Interstitium) sehr verschieden sein. Die endotheliale Barriere behindert den Übertritt des Insulins ins Zielgewebe.

  So kann es bei einer konstanten Insulininfusion über eine Stunde dauern, bis der Blutspiegel auch im Interstitium erreicht ist.
 
      Der Zeitverlauf der Glucoseaufnahme (etwa im Muskel) entspricht dem der interstitiellen Insulinkonzentration, nicht dem des Blut-Insulinspiegels.

Der Golgi-Apparat der Betazelle verpackt Proinsulin (das zwischen dem A- und B-Peptid, aus dem das fertige Insulin besteht, noch als Resultat der Translation ein C-Peptid enthält) in sekretorische Granula. Hier wird das Hormon als Insulin-Zink-Komplex gespeichert. Bei Anregung der Zelle schneiden Peptidasen im Vesikel das C-Peptid heraus, Insulin wird zusammen mit C-Peptid und Zink sezerniert.

Der Insulinvorrat der Bauchspeicheldrüse beträgt etwa 10 mg (250 IE), reicht also theoretisch für 5 Tage (praktisch wird es laufend nachproduziert). Pro Tag
wird etwa 1/5 davon (50 IE oder 2 mg) sezerniert - ~5% in Form von Proinsulin (dieses hat ~5% der biologischen Wirkung von Insulin, hat also keine Bedeutung für die Blutzuckerregulation).

Das mitausgeschiedene C-Peptid kann im Blut nachgewiesen werden als Indikator der endogenen (körpereigenen) Insulinproduktion (injizierte Insulinpräparate entalten kein C-Peptid).

Insulin und andere Hormone aus dem endokrinen Pankreas (insbesondere Glucagon) gelangen nach ihrer Sekretion über die vv. pancreaticae direkt zur Leber und wirken dort, bevor sie im systemischen Kreislauf weiter verdünnt werden.

 

Abbildung: Mechanismus der Insulinfreisetzung aus Inselzellen
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016

Steigender Blutzuckerspiegel triggert die Insulinsekretion:
Aufnahme von Glucose (GLUT2 - wie in der Abbildung - bei Mäusen, beim Menschen hauptsächlich GLUT1), Galaktose, Mannose, Fructose oder Aminosäuren (Arginin, Leuzin u.a.) regt den Stoffwechsel der Betazelle an.
Das steigert den ATP-Gehalt bzw. stoffwechselindizierende Quotienten (ATP/ADP etc.). Folge ist Behinderung des Kalium-Ausstroms (ATP-sensitiver Kaliumkanal), Depolarisierung, Calciumeinstrom und Insulinfreisetzung.
 
Der Kaliumkanal (KATP-Kanal) besteht aus vier Kir6.2-Kanälen sowie vier Sulfonylharnstoff- Rezeptoren (SUR1). Letztere sprechen auf den intrazellulären ATP-Spiegel an (bindet ATP an sie, schließt der Kaliumkanal), fungieren also als Energiesensoren der Zelle.
 
Einige Hormone können diesen Vorgang unterstützen (z.B. cholinerg, ß-adrenerg) oder behindern (z.B. α2-adrenerg - verhindert Hypoglykämie bei Muskelarbeit) - über Gq und Phospholipase C (Acetylcholin, CCK), Gs und PKA (Adrenalin, Glucagon) oder Gi (Somatostatin, Galanin)


Second-messenger-Wege s. dort
 
Insulin wird vermehrt freigesetzt, wenn der Blutzuckerspiegel steigt.
Der Mechanismus (Abbildungen):



 
    Glucose wird (beim Menschen) vorwiegend über einen Glut-1-Transporter in die Zelle aufgenommen. Glut-1 hat einen niedrigeren KM-Wert als Glut-2, dem wichtigsten Glucosetransporter in ß-Zellen von Mäusen ( Abbildung) - dies könnte erklären, warum ß-Zellen des Menschen die Insulinsekretion schon bei niedrigeren Zuckerspiegeln starten als ß-Zellen bei Mäusen

      Glucose wird glykolytisch abgebaut, dies regt die ATP-Synthese an - die Aktivität der Glucokinase ist der limitierende Schritt. Im Gegensatz zu anderen Hexokinasen (z.B. im Skelettmuskel) hat die Glucokinase einen hohen KM-Wert (12 mM) und durch ihr Produkt Glucose-6-Phosphat nicht inhibiert. Zusammen mit GLUT2 mit dessen hoher Kapazität dient die Glucokinase als Glucosesensor. Das System reagiert automatisch: Steigt [Glucose] außerhalb des Hepatozyten über den Nüchternwert, wird Glucose aufgenommen und phosphoryliert (dabei reichert sich Glucose-6-Phosphat nicht in der Zelle an, sondern wird zu Glykogen umgebaut, zu Pyruvat glykolysiert, oder in den Pentosephosphatweg eingeschleust)

      Anstieg der intrazellulären ATP-Konzentration blockiert ATP-sensible Kaliumkanäle (KATP-Kanäle) - und damit den K+-Ausstrom aus der Zelle  ( Abbildung), die Membran depolarisiert (pharmakologische Blockade dieses Kanals - wie durch Sulfonylharnstoffe - erhöht die Insulinsekretion und senkt damit den Blutzuckerspiegel)

      Depolarisation führt zu Calciumeinstrom - hauptsächlich durch L-Typ-Ca++-Kanäle -, [Ca++]i steigt an, was wiederum

      die Exozytose des Hormons aus Speichervesikeln anregt - allerdings nur unter Anwesenheit verstärkender Faktoren (wie Zitrat bzw. Membranderivaten wie DAG, 12-S-HETE - die Arachidonsäureproduktion ist ATP-abhängig und damit an den Energiestatus der Zelle geknüpft).
 
Wirkungskette Insulin: Glucoseeinstrom über GLUT2 → Glykolyse, ATP-Synthese → Blockade ATP-sensitiven K+-Ausstroms → Depolarisation → Ca++-Einstrom über L-Typ-Calciumkanäle → [Ca++]i steigt Exozytose, Insulinfreisetzung



Hexokinasen "fangen" Glucose ein. Ist Glucose in die Zelle gelangt, wird sie durch Hexokinasen (deren Traskription durch Insulin angeregt wird) zu Glucose-6-Phosphat phosphoryliert. Dieses kann die Zellmembran nicht mehr passieren, es ist in der Zelle "gefangen" und kann - über Isomerisierung zu Glucose-1-Phosphat - zu Glykogen polymerisiert werden (Glykogensynthase), oder es wandert in die Glykolyse bzw. den Pentosephosphatweg.
 

Abbildung: Funktion der Betazelle abhängig vom Glucosespiegel
Modifiziert nach Müller TD, Finan B, Clemmensen C, DiMarchi RD,  Tschöp MH. The New Biology and Pharmacology of Glucagon. Physiol Rev 2017; 97: 721-66

Bei niedrigen extrazellulären Glucosewerten (oberes Bild) sind KATP-Kanäle offen, die Zelle ist aufgeladen und der Einstrom von Calciumionen gering - die Insulinfreisetzung ist gehemmt.
 
Bei hohem Glucosespiegel (unteres Bild) nimmt der ATP-Spiegel zu. Je mehr Glucose verfügbar ist, desto höher steigt der ATP-Spiegel in der Zelle. Dadurch werden KATP-Kanäle geschlossen, weniger Kaliumionen strömen aus, die Zelle depolarisiert, was spannungsabhängige Calciumkanäle (VDCC, voltage-dependent calcium channels) öffnet - der Calciumeinstrom wird angeregt und Insulin sezerniert


Die glucoseabhängige Insulinfreisetzung wird von mehreren Hormonen und Transmittern beeinflusst -

      teils verstärkt (Glucagon, GIP, GLP-1, ß2-adrenerg, cholinerg),
      teils abgeschwächt (Somatostatin, α2-adrenerg).

Glucagon und Somatostatin erreichen die Betazelle aufgrund der Anordnung der Gefäße in den Langerhans-Inseln über den systemischen Kreislauf, nicht aber über lokale Diffusion (d.h. endokrin, nicht parakrin).
 
  Die Freisetzung richtet sich nach dem Blutzuckerspiegel; ein rascher Anstieg (Resorption / Infusion von Zucker) führt zu biphasischer Sekretion ( Abbildung unten):

      Zunächst durch Exozytose aus bereits nahe der Membran der Betazellen gelegenen, fusionsbereiten Vesikeln (readily releasable pool)

      Dann durch Rekrutierung tiefer gelegener Vesikel ("Speichergranula"; weniger intensive, aber anhaltende Sekretion) sowie Neusynthese.
 
Anregung der Insulinfreisetzung
 
  Die Freisetzung von Insulin aus dem Pankreas wird physiologisch angeregt durch

      Aktivität des Parasympathikus (cholinerg über M-Rezeptoren) sowie des Sympathikus (ß2-adrenerg)
 
      Anstieg des Blutzuckerspiegels (Wirkungskette s. Abbildung: "Glucosespiegel hoch")
 
      Anstieg der Konzentration einiger Amino- (Alanin, Arginin, verzweigtkettige) und Fettsäuren
  

      Freigesetztes Insulin (autokrines positives Feedback, Selbstverstärkung der Insulinsekretion). Dass Insulin pulsatil freigesetzt wird, verhindert vermutlich eine Desensibilisierung (durch receptor downregulation)
 
      Wirkung einiger gastrointestinaler Hormone (vor allem GIP; GLP-1, Abbildung; auch CCK, Gastrin, Sekretin). Diese bewirken über Steigerung der cAMP-Konzentration in der ß-Zelle den "Inkretin-Effekt", d.h. orale Zufuhr von Glucose wirkt sich stärker auf die Insulinfreisetzung aus als eine intravenöse Gabe derselben Dosis.
 
 
Abbildung: Wie GLP-1 in der Betazelle die Insulinsekretion anregt
Nach Müller TD, Finan B, Clemmensen C, DiMarchi RD,  Tschöp MH. The New Biology and Pharmacology of Glucagon. Physiol Rev 2017; 97: 721-66

Einerseits steigt der Kalziumspiegel in der Zelle und regt die Insulinsekretion an (rascher Effekt); andererseits wird die Transkription des Insulingens angeregt, was die Neubildung von Insulin zur Folge hat (verzögerter Effekt)

  CICR, calcium-induced calcium release (vgl. dort)  Epac, exchange protein associated with cAMP, Proteine, die MAP-Kinasen aktivieren  ER, endoplasmatisches Retikulum
 
    Pdx-1, pancreatic and duodenal homeobox 1, Transkriptionsfaktor mit fördernder Wirkung auf Pankreas und Dünndarm
 
  PKA, Proteinkinase A  RYR, Ryanodin-Calciumkanal  VDCC, spannungsbetriebener Calciumkanal


Inkretine aus der Dünndarmschleimhaut "melden", dass Nährstoffe resorbiert werden und veranlassen die ß-Zellen des Pankreas zu verstärkter Antwort auf die Glucosebelastung (feed-forward-Effekt).
 
  Inkretin-Analoga eignen sich gut zur insulinabhängigen Blutzuckersenkung bei Diabetikern: Sie federn die Gefahr einer Hypoglykämie ab, denn wenn der Glucosespiegel sinkt, hört ihre Wirkung auf die Insulinfreisetzung auf.
 
Hemmung der Insulinfreisetzung
  
  Die Freisetzung von Insulin aus dem Pankreas wird physiologisch gehemmt durch

      Sympathikusaktivität (über α2-Rezeptoren, welche [cAMP] senken; ß2-Rezeptoren stimulieren gleichzeitig die Glykogenolyse / Gluconeogenese in Muskulatur und Leber, beides wirkt blutzuckersteigernd). Bei körperlicher Arbeit wird so die Insulinausschüttung gesenkt, und so kommt es bei Belastung nicht nur zu Senkung des Blutzuckerspiegels (vermehrter Verbrauch durch die arbeitende Muskulatur), sondern auch des Insulinspiegels (bei gut Trainierten bis auf die Hälfte des Ruhewertes)

   
  Weiters hemmen mehrere Peptide die Insulinsekretion, wie

       Somatostatin aus den D-Zellen (dessen Freisetzungs u.a. durch Adrenalin angeregt wird)

Somatostatinome führen zu leichter Form der Glucoseintoleranz.
 
       der Cotransmitter Galanin
 
       Amylin - auch Insel-Amyloid-Polypeptid (IAPP) genannt -, das zusammen mit Insulin aus der ß-Zelle stammt und vermutlich durch Hemmung der Glucagonsekretion den Blutzuckerspiegel stabilisiert
 
   
  Auch Leptin (aus Fettgewebe) wirkt sich auf Insulin aus: Es hemmt - über eine Leptinrezeptor-assoziierte Januskinase - sowohl die Transkription und Biosynthese des Insulins als auch (über Öffnung von Kaliumkanälen) dessen Freisetzung aus der Betazelle. Je mehr das Fettgewebe zunimmt, umso stärker wirkt sich der hemmende Effekt des Leptins auf die Insulinsekretion aus.
 
Die Insulinsekretion wird u.a. gehemmt durch sympathische Aktivität (via α-Rezeptoren) und Somatostatin (aus D-Zellen)
 

Zeitprofil
 

Die Insulinfreisetzung erfolgt - entsprechend den unterschiedlichen stimulierenden Mechanismen während der Verdauungsphasen - in mehreren Schüben ( Abbildung):
 
 

Abbildung: Phasenweise Freisetzung von Insulin ins Blut
Nach Woods SC, Stricker EM. Food intake and metabolism. In: Zigmond MJ et al (eds): Fundamental Neuroscience, pp. 1091-109. New York: Academic Press 1999

Der Zeitverlauf der pankreatischen Insulinfreisetzung in die Blutbahn spiegelt die Phasen der Anregung wider: Zephal (vom Gehirn gesteuert), gastrisch (durch Anregung des Magens) und intestinal.
 
In der intestinalen Phase steigt der Blutzuckerspiegel an, was den intensivsten Reiz zur Sekretion von Insulin verursacht. Sie kann mehrere Stunden dauern


  
   In der zephalen Phase erklärt sich die vagale Stimulation durch die Wahrnehmung der Nahrung (z.B. wenn das Essen auf den Tisch kommt - Anblick, Geruch). Diese präabsorptive Phase dauert etwa 10 Minuten. Sie ist unabhängig von der Freisetzung von GIP oder GLP1, sie wird hauptsächlich vagal (parasympathisch) mediiert;
 
      in der gastrischen Phase durch Einflüsse aus dem Magen, insbesondere Gastrinfreisetzung;
 
      in der intestinalen Phase durch das Anströmen von Substratmolekülen ("Substratphase" - Anstieg des Glucosespiegels!). Letztere hält am längsten an und gibt einen intensiven Effekt auf die Insulinfreisetzung.

Insulin zeigt innerhalb kurzer Zeit (Sekunden bis Minuten) Wirkung auf transmembranalen Glucose- und Ionentransport, sowie Phosphorylierung oder Dephosphorylierung von Enzymen. Für die volle Auswirkung auf Gentranskription und Proteinsynthese braucht es
Minuten bis Stunden, für die auf Proliferation / Differenzierung mehrere Tage.
 

Abbildung: Rückkopplungsschleifen der Blutzuckerregulation
Nach einer Vorlage bei Benjamin Cummings / Addison Wesley Longman 2001

Blutzuckeranstieg regt die Freisetzung von Insulin an, Blutzuckerabfall die Freisetzung von Glucagon


Das Konzentrationsverhältnis Insulin / Glucagon ( s. dort) kennzeichnet den Status des Energiestoffwechsels ( Abbildung oben):

Es ist hoch nach dem Essen (Resorptionsphase; viel Insulin), im Überschuss vorhandene Glucose wird gespeichert

In der Postresorptionsphase ist es niedrig (wenig Insulin), die Energiespeicher werden angegriffen.

Insulin integriert durch sein Wirkungsspektrum den Stoffwechsel und die Energiespeicherstände des Körpers sowohl in Perioden der Nahrungsaufnahme (postprandial) als auch in Zeiten des Mangels (Nüchternzustand und Hunger). Dabei ändern sich einige Zustandsvariablen sehr deutlich:


Einfluss des Stoffwechselstatus

Nach Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Variable / Organ
Nach 24 Stunden Nahrungskarenz
2 Stunden nach Nahrungsaufnahme (Mischkost)
Blutzuckerspiegel
60-80 mg/dl
3,3-4,4 mM
100-140 mg/dl
5,6-7,8 mM
Insulinspiegel
3-8 µU/ml
50-150 µU/ml
Glucagonspiegel
40-80 pg/ml
80-200 pg/ml
Leber
Glykogenolyse
Gluconeogenese
GlykogensyntheseGlykogenolyse
Gluconeogenese
Fettgewebe
Mobilisierung von Lipiden
Synthese von Lipiden
Muskelgewebe
Metabolisierung von Lipiden

Proteinabbau, Amibosäurenexport
Glucose oxidiert oder als Glykogen gespeichert

Proteine gespart
   
Wie wirkt Insulin auf seine Zielzellen?
 

Insulinrezeptoren gehören zur Gruppe der Kinase-gekoppelten Rezeptoren (RTK, receptor tyrosin kinases). Diese bilden präformierte Dimere; Bindung des Hormons führt zu Autophosphorylierung von Tyrosingruppen des Rezeptors. Diese Gruppen werden von docking proteins - den insulin receptor substrates (IRS1, IRS2) - erkannt, die dann ebenfalls phosphoryliert und von weiteren Adapterproteinen erkannt und gebunden werden.
 

Abbildung: RAS-abhängige und -unabhängige Wege für insulinstimulierte intrazelluläre Signalkaskaden
Nach einer Vorlage in Panini SR, Medical Biochemistry, 2nd ed. 2021 (Thieme)

  Lagert sich Insulin an seinen (dimeren) Rezeptor, kommt es zu Selbstphosphorylierung intrazellulärer Tyrosingruppen. Das merken Dockingproteine (IRS: insulin receptor substrate) und lagern sich intrazellulär an den Rezeptor an. Anschließend binden an diesen Komplex Grb-2 (growth factor receptor-bound protein 2: dieses aktiviert den Ras-abhängigen Signalweg) und PI3-Kinase (phosphoinositide 3-kinase: aktiviert den Ras-unabhängigen Signalweg) via Proteinkinase B (PKB).
 
Der Ras-abhängige Weg schaltet spezifische Gentranskriptionen ein (z.B. für Glucokinase), der Ras-unabhängige aktiviert u.a. die Einlagerung von GLUT4 in die Zellmembran und aktiviert Glykogensynthase.
 
Die folgende Abbildung gibt zahlreiche weitere Details der Signalwege wieder


Die weitere Aktivierung der Zielzelle des Insulins kann auf zwei Wegen erfolgen ( Abbildung):
 
   Ras-abhängig über IRS1 / IRS2 und
das Adapterprotein Grb-2 (growth factor receptor-bound protein 2) und Aktivierung der RAS / MAPK Kaskade und Einfluss auf die Gentranskription (z.B. für Glucokinase) im Zellkern. Die Aktivierungsschritte sind die folgenden:
 
   Bindung des Insulinmoleküls an den Rezeptor (liegt als Dimer vor)
 
   Autophosphorylierung der Tyrosinreste am Rezeptor
 
   Über die Phosphotyrosinreste binden Dockingproteine wie IRS-1
 
   Der Insulinrezeptor phosphoryliert IRS-1 (IRS-2 bindet an andere Adapterproteine, hat ähnliche Funktion)
 
   An das phosphorylierte IRS-1 binden Adapterproteine (Grb2)
 
   Diese Bindung leitet die Aktivierung von Ras und der MAPK-Kaskade ein...
 
   ...Proteine im Zellkern, welche die Transkription von Glucokinase steigern, werden phosphoryliert

   Ras-unabhängig über IRS1, Aktivierung von Phosphoinositid-3-Kinasen (PI3K) und Proteinkinase B und nachfolgende Proteinphosphorylierungen, was z.B. Aktivierung der Glykogensynthase oder die Einlagerung von Glucosetransportern (GLUT4) - und damit Glucoseaufnahme in die Zelle - zur Folge hat.

   Bindung des Insulinmoleküls an den Rezeptor
 
   Autophosphorylierung der Tyrosinreste am Rezeptor
 
   Über die Phosphotyrosinreste binden Dockingproteine wie IRS-1
 
   Der Insulinrezeptor phosphoryliert IRS-1 (bis zu diesem Schritt wie bein Ras-abhängigen Weg)
 
   Phosphoryliertes IRS-1 aktiviert PI3-Kinase, die Phosphatidylinositolphosphate (PIP2, PIP3) generiert
 
   Diese membrangebundenen Phosphoinositide wirken als second messengers, schalten Proteinkinase B (PKB) ein, die durch Phosphorylierung aktiviert wird
 
   PKB ändert die Aktivität zahlreicher Proteine in der Zelle, die nun die Aufnahme und Speicherung von Glucose fördern und die Glykogensynthese anregen
 
Über den Ras-unabhängigen Weg erfolgt u.a. der entscheidende Schritt der Einlagerung von GLUT4-Transportern in die Zellmembran von Fett- und Muskelzellen (
Abbildungen ). Bindet Insulin an seinen Rezeptor, autophosphoryliert dieser, das Phosphotyrosin wird vom Dockingprotein IRS (insulin receptor substrate) erkannt und gebunden. Dieses akiviert in weiterer Folge Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3K); resultierendes PIP2 / PIP3 schaltet über eine weitere Kinase (PDK) Proteinkinase B ein, und diese bewirkt die Mobilisierung (aus intrazellulären Depots) und Insertion von Glucosetransportmolekülen (GLUT4) in die äußere Membran der Zelle, die nun Glucose aus dem Interstitium aufnehmen kann.
 

Insulinrezeptoren werden von fast allen Zellen des Körpers exprimiert - Fett- und Leberzellen verfügen über ~3.105 Insulinrezeptoren pro Zelle, andere haben nur wenige (Erythrozyten: ca. 40). Bedeutsam für die Regulation des Blutzuckerspiegels sind die Leber, Fettgewebe, Skelettmuskeln, die Langerhans-Inseln im Pankreas, sowie metabolisch relevante Neurone im Gehirn. Das Insulinsignal fördert die Aufnahme, Verwertung und Speicherung von Glucose, Lipiden und Aminosäuren. Insulin  fördert Glykogenbildung, Lipogenese und Proteinsynthese, und hemmt den Abbau dieser Stoffe.
  
    Als Insulinempfindlichkeit bezeichnet man das Ausmaß an insulinabhängiger Glucoseaufnahme in die Zelle.

Auf der Ebene der Zelle erleichtert Insulin die Aufnahme von Substraten und Ionen, fördert die Verlagerung von Proteinen in der Zelle, reguliert Enzymaktivitäten und kontrolliert Transkriptions- und Translationsschritte:
 


Abbildung: Insulin: System der Signaltransduktion (Details)
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Der Insulinrezeptor besteht aus zwei extrazellulären α-Ketten (sie binden das Insulinmolekül) und zwei transmembranalen ß-Ketten.
 
Bindung von Insulin an den Rezeptor aktiviert Tyrosinkinase, führt zur Phosphorylierung von Enzymen und aktiviert verschiedene metabolische und wachstumsfördernde Effekte. Mehrere intrazelluläre Signalwege sind involviert, insbesondere
 
-- der PIP2-PIP3-WEG, der u.a. die Einlagerung von GLUT4 in die Membran und damit die Glucoseaufnahme der Zelle fördert
 
-- über SHC oder GRB2, beides schaltet den Ras-Signalweg (zu MEK - MAPK) ein und steigert Genexpression und Wachstum
 
-- über Bindung von SH2-enthaltenden Proteinen an spezifische Phosphotyrosingruppen am Insulinrezeptor oder an IRS-Proteinen (was SH2-enthaltende Proteine aktiviert)

Akt, Proteinkinase B, Sammelbegriff für mehrere Proteinkinasen    FOXO1, forkhead box protein O1, ein Transkriptionsfaktor, der im Insulin-Signalweg Gluconeogenese und Glykolyse reguliert    G6Pase, Glucose-6-Phosphatase, hydrolysiert Glucose-6-Phosphat   GRB2, Growth-factor receptor-bound protein 2, Adapterprotein    GS, Glykogensynthase    GSK, GS-Kinase

IF, Initiation factor, Proteinkomplexe, helfen bei der mRNA-Translation    IRS, insulin receptor substrate, Adapterproteine    JNK, Proteinkinase MAPK, Mitogenaktivierte Proteinkinase    MEK, Mitogenaktivierte Proteinkinase-Kinase    mTOR, target of rapamycin, eine Kinase

p38, Proteinkinase    PDK, Phosphoinositide- dependent kinase, eine "Master"-Kinase  in der Insulin- Signalkette   PEPCK, Phosphoenolpyruvate carboxykinase, gluconeogenetische Lyase    PHAS-1, phosphorylated heat- and acid- stable protein, Initiation der Translation regulierendes Protein    PI3K, Phosphatidylinositol 3-Kinase    Raf-1, nach rapidly accelerated fibrosarcoma, Proteinkinase    Ras (nach rat sarcoma), eine GTPase    SH2, SRC homology domain 2, Interaktion von Proteinen vermittelnde Proteindomäne    SHC = src homology domain C terminus, ein Transformationsprotein  SOS, son of sevenless, Guaninnukleotid- Austauschfaktor


Der (dimere) Insulinrezeptor ist eine Tyrosinkinase. Er besteht aus unterschiedlichen Bestandteilen (Abbildungen): Zwei extrazellulären α-Ketten - diese binden das Insulinmolekül - und zwei in die Membran eingezapften ß-Ketten. Disulfidbrücken koppeln die Moleküle als ß-α-α-ß; diese Struktur ist dem IGF-I-Rezeptor sehr ähnlich (Insulin und IGF-I können die Rezeptoren des jeweils anderen Hormons in höherer Konzentration stimulieren).

Die extrazellulären Teile des Insulinrezeptors sind glykosyliert, was für die Insulinbindung wichtig ist. Der intrazelluläre Teil der ß-Ketten hat Tyrosinkinase-Aktivität, die durch Bindung von Insulin an die
α-Kette verstärkt wird. Die α-Ketten hemmen die Tyrosinkinase-Aktivität der ß-Ketten, solange sie kein Insulin gebunden haben. Hat Insulin an die α-Kette angedockt, wird diese Inhibition aufgehoben. Die ß-Kette aktiviert dann in der Zelle "Vermittlerproteine" (adapter proteins) - IRS (Insulin Receptor Substrates) und Shc (src homology domain containing protein), die dann intrazelluläre Insulineffekte anstoßen ( Abbildung).

Die Insulinwirkung auf den Glucosetransport hängt von der Aktivierung der Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3K) ab; diese wird durch Zusammenwirken von IRS-Proteinen und PIP3 "eingeschaltet". Das ermöglicht u.a. den Einbau von GLUT4 in die Zellmembran (Translokation intrazelluläre Speicherform
→ Zellmembran). Gleichzeitig wird die Endozytose von GLUT4 reduziert; die Verweildauer der Transporter an der Grenzfläche zum Extrazellulärraum und damit die Verfügbarkeit für die Glucoseaufnahme steigt.

In der Zielzelle werden Proteinphosphatasen aktiviert, was zu veränderten Enzymaktivitäten führt. Transkription und Proteinsynthese werden aktiviert, Lipogenese, Glykolyse und der Pentosephosphatweg (Kohlenhydratverwertung) angeregt. Wachstumseffekte des Insulins werden über den MAP-Kinase-Weg aktiviert.

Die Phosphorylierung von Zielstrukturen in der Zelle ist für die Insulinwirkung essentiell.
Der Insulinrezeptor bindet Insulin und insulinähnliche Wachstumsfaktoren (IGF-I, IGF-II) und ändert darauf seine Konformation und Aktivität: Als Tyrosinkinase-Rezeptor phosphoryliert er Zielproteine in der Zelle und aktiviert so mehrere intrazelluläre Signalwege. Einserseits wird der cAMP-Spiegel gesenkt, andererseits der RAS-Weg genutzt (mitogene Insulineffekte: RAS ist ein Protoonkogen).
 
Begrenzung der Insulinwirkung: Die Zahl der Insulinrezeptoren in der Zellmembran insulinempfindlicher Zellen ist wesentlich größer als für eine maximale biologische Wirkung nötig ist. So bewirkt das Engagement von nur
~5% der verfügbaren Insulinrezeptoren an Fettzellen bereits 100% der Insulinantwort. Der Insulinrezeptor wird rasch internalisiert und dann entweder mitsamt dem gebundenen Insulin abgebaut oder wiederverwertet (Recycling). Die Zahl der Rezeptoren an der Oberfläche der Zelle hängt vom Gleichgewicht zwischen Neusynthese und Recycling (Exozytose) einerseits, Endozytose mit Abbau andererseits ab.

Insulin veranlasst über verschiedene Mechanismen die Endozytose seiner eigenen Rezeptoren (receptor downregulation). Werden Zellen über längere Zeit einer erhöhten Insulinkonzentration ausgesetzt, nimmt die Zahl der Rezeptoren an ihrer Oberfläche ab - das Ergebnis reduzierter Neusynthese einerseits, erhöhten Abbaus andererseits. Die Sensitivität gegenüber dem Hormon ist auf diese Weise reduziert, ohne dass die maximal erreichbare Insulinantwort eingeschränkt wäre.
 
Insulinwirkungen
 
Abgesehen von seinen zentralnervösen Effekten, beeinflusst Insulin peripher vor allem den Blutzuckerspiegel und hat breite metabolische Wirkung. Die Glucoseaufnahme wird durch Insulin nur in Fett- und Muskelzellen angeregt; in Hepatozyten kann Glucose insulinunabhängig diffundieren (GLUT2). Insulin ist nicht nur ein blutzuckersenkendes, sondern auch ein anaboles Hormon.

Die Insulinwirkung auf Zielzellen betrifft zahlreiche gewebespezifische enzymatische und strukturelle Vorgänge. Die hauptsächlichen Adressaten sind Hepatozyten, Myozyten und Adipozyten. Der Haupteffekt des Insulins in der Leber ist eine Erhöhung der Glykogenreserven; im Muskel wird die (im Ruhezustand sehr beschränkte) Glucoseaufnahme gefördert; im Fettgewebe ebenfalls, was die Fettsynthese unterstützt.
 
Leberzellen Muskelzellen Fettzellen
 

Insulineffekte auf Kohlenhydrat-, Fett- und Proteinstoffwechsel

Nach Ritter / Flower / Henderson / Loke / MacEwan / Rang, Rang & Dale's Pharmacology, 9th ed. Elsevier 2020
Metabolismus
Hepatozyten
Adipozyten
Myozyten
Kohlenhydrate
↓Gluconeogenese
↓Glykogenolyse
↑Glykolyse
↑Glykogensynthese
↑Glucoseaufnahme
↑Glycerinsynthese
↑Glucoseaufnahme
↑Glykolyse
↑Glykogensynthese
Fette
↑Fettaufbau
↓Lipolyse
↑Triglyzeridsynthese
↑Fettsäuresynthese
↓Lipolyse
-
Proteine
↓Proteinabbau -
↑Aminosäurenaufnahme
↑Proteinsynthese


 Hepatozyten

 
In Hepatozyten regt Insulin die Speicherung von Glucose in Form von Glykogen (das osmotisch so gut wie unwirksam ist, im Gegensatz zu frei gelösten Glucosemolekülen - s. dort) an und baut Glucose in Triglyzeride um ( Abbildung).


Abbildung: Insulinwirkungen auf Hepatozyten
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 1st ed. Saunders 2003

Die Hauptwirkungen sind: Anregung der Glykogensynthese, der Glykolyse, der Fettbildung sowie der Proteinsynthese:
 
Insulin erhöht die Glykogensynthese, indem es die Bildung der Glucokinase (1) und die Aktivität der Glykogensynthase (2) steigert; gleichzeitig reduziert es den Glykogenabbau durch Hemmung der Glykogen- Phosphorylase (3 - Glucose hat dieselbe Wirkung) und der Glucose-6- Phosphatase (4).
 
Insulin befördert die Glykolyse und Oxidation von Kohlenhydraten durch Anregung der Glucokinase (1), Phosphofructokinase (5) und Pyruvatkinase (6), und durch den Hexose- Monophosphat- Shunt (7). Auch begünstigt Insulin die Pyruvatoxidation durch Aktivierung der Pyruvat-Dehydrogenase (8) und hemmt die Gluconeogenese durch Inhibition der Phosphoenolpyruvat-  Carboxykinase (9), Fructose-1,6-  Biphosphatase (10) sowie der Glucose-6- Phosphatase (4).
  
Insulin bewirkt Synthese und Speicherung von Fett durch Aktivierung der Acetyl-CoA-Carboxylase (11) und der Fettsäuresynthase (12) sowie durch die Synthese verschiedener VLDL-Apoproteine. Die Oxidation von Fetten wird durch Insulin indirekt supprimiert, indem Malonyl-CoA CAT 1 - die Carnitin-Acyltransferase (13) - hemmt. Freie Fettsäuren (FFS) werden zu Triglyzeriden verestert und als Lipidtröpfchen gespeichert oder zu VLDL exportiert.
 
Insulin erhöht schließlich die Proteinsynthese (14) und reduziert den Proteinabbau (15)

Da die Bauchspeicheldrüse Insulin in das Pfortaderblut abgibt und dieses unmittelbar zur Leber gelangt, ist deren Positionierung sowohl für die Reaktion auf das hormonelle Signal aus dem Pankreas als auch für die Verwertung aus dem Darm anflutender Substrate (Zucker, Aminosäuren etc) ideal. Die Leber ist umgekehrt für Insulin ein primäres Wirkungsziel, andererseits Stätte raschen Abbaus - die Insulinkonzentration ist im Pfortaderblut etwa 4-fach höher als im systemischen Kreislauf.

Die vier Hauptwirkungen des Insulins auf die Leber betreffen (
Abbildung)
 
      Glykogensynthese und Glykogenolyse: Insulin begünstigt die Bildung frischen Glykogens und hemmt dessen Abbau. Glucose gelangt via GLUT2 (insulin-unabhängig) in die Zelle.
Glucokinase und Glykogensynthase (dessen Dephosphorylierung seine Aktivität steigert) werden durch Insulin angeregt
sowohl Glucose als auch Insulin senken die Aktivität der Glykogenphosphorylase (was den Glykogenaufbau fördert)
Insulin hemmt die Glucose-6-Phosphatase, was die Konvertierung von G6P zu Glucose reduziert.
  

      Glykolyse und Gluconeogenese: Insulin begünstigt auch den Abbau von Glucose zu Pyruvat, das über mitochondrielles Acetyl-Coenzym A zur Bildung von Triglyzeriden genutzt wird.
Insulin fördert die Transkription des Glucokinase-Gens; dascurch wird mehr Glucose zu G6P phosphoryliert.
Insulin stimuliert Phosphofructokinase-1 (PFK-1), das geschwindigkeitsbestimmende Enzym der Glykolyse. PFK-1 fördert die Phosphorylierung von Fructose-6-Phosphat zu Fructose 1,6-Biphosphat. PFK-1wird aktiviert durch AMP und Fructose-2,6-Biphosphat (dessen Spiegel durch Insulin ansteigt), gehemmt durch ATP und Citrat.
Insulin regt (über Proteinphosphatasen) die Aktivität der Pyruvatkinase (diese bildet irreversibel Pyruvat aus Phosphoenolpyruvat) und der Pyruvatdehydrogenase (die Pyruvat oxidiert) an.

Die Gluconeogenese wird durch Insulin durch mehrere Effekte inhibiert; PEPCK (Phosphoenolpyruvat Carboxylase) wird weniger transkribiert, und der erhöhte Spiegel an
Fructose-2,6-Biphosphat hemmt die Aktivität der Fructose-1,6-Biphosphatase.
  
      Lipogenese: Die Triglyzeridsynthese wird angeregt, und
Malonyl-CoA hemmt mitochondrielle Carnitin-Acyltransferase 1 (CAT 1) - und damit den Fettsäuretransport in die Mitochondrien (wo Fettsäuren oxidiert würden). CAT 1 bildet Acylcarnitin, was notwendig ist, damit langkettige Fettsäuren die innere Mitochondrienmembran passieren können.
Insulin sorgt für Dephosphorylierung der Acetyl-Coenzym A Carboxylase 2 (ACC2), was wiederum - über vermehrt entstehendes Malonyl-CoA - zu allosterischer Hemmung der CAT 1 führt. Insulin aktiviert gleichzeitig Fettsäuresynthase und damit die Bildung von Neutralfetten.
 
Die Leber kann Neutralfette speichern (Lipidtröpfchen) oder als VLDL-Partikel exportieren (Insulin fördert auch die Synthese der dafür notwendigen Apoproteine). Muskel- und Fettzellen können die Fette speichern oder für ihren Energiestoffwechsel oxidieren.
  
      Proteinmetabolismus: Über komplexe Wege wird die Synthese von Eiweiß angeregt und sein Abbau gehemmt.
  
 Myozyten
 
In Muskelzellen stimuliert Insulin die Glucoseaufnahme und die Speicherung in der Form von Glykogen. Das erfolgt durch Einlagerung von GLUT4   ( Abbildung), Aminosäuretransportern und Na-K-ATPase in die Plasmamembran, was u.a. die Eiweißsynthese und Aufnahme von Kaliumionen erleichtert.


Abbildung: Insulinwirkungen auf Myozyten
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 1st ed. Saunders 2003

Die Hauptwirkungen sind ähnlich wie in Leberzellen, unterscheiden sich aber im Detail:
 
-- Förderung der Glucoseaufnahme durch Einlagerung von GLUT4 in die Zellmembran. GLUT4 findet sich fast ausschließlich in Muskel- und Fettzellen und ist insulinsensitiv (anders als das hormonunabhängige GLUT2 in der Leberzelle) - es wird auf Insulinreiz hin aus intrazellulären Speichern in die Außenmembran integriert
 
-- Anregung der Glykogensynthese durch Aktivierung der Hexokinase (1) und Glykogensynthase (2)
 
-- Stimulierung der Glykolyse. Die Aktivität der Hexokinase (1), Phosphofructokinase (3) sowie Pyruvat-Dehydrogenase (4) wird durch Insulin angeregt
 
-- Verstärkte Proteinsynthese (5), verringerter Proteinabbau (6). Das unterstützt die Kraft des Bewegungssystems


Zwischen Muskelzellen, Insulin und Glucose besteht ein spezieller Zusammenhang. In "guten Zeiten" nehmen Myozyten Glucose aus dem Extrazellulärraum auf, was durch Insulin interstützt wird (Wirkung auf GLUT4-System); der Blutzuckerspiegel sinkt ab, die Muskulatur arbeitet sozusagen gegen hyperglykämische Exzesse an (was durch Muskelarbeit sehr effizient unterstützt wird). In "mageren" Zeiten sinkt der Glucosespiegel weiter, der Insulinspiegel nimmt ab, und es werden nicht nur Lipide aus dem Fettgewebe mobilisiert, sondern auch Aminosäuren, insbesondere aus der Muskulatur.

Insulin fördert den Einbau von GLUT-4 in Skelettmuskelzellen, diese nehmen dadurch vermehrt Glucose auf - der Blutzuckerspiegel sinkt
 
Durch Wirkung auf mehrere Enzyme (Hexokinase,
Glykogensynthase, Phosphofructokinase, Pyruvat-Dehydrogenase) werden die Stoffwechselwege durch Insulinwirkung entsprechend umgestellt.

Insulin fördert die K+-Aufnahme in den Muskel durch Anregung der Na/K-ATPase
 
Insulininjektion kann zu akuter Hypokaliämie führen

 
Die Gesamtwirkung ist eine erhöhte Utilisation (Oxidation) von Glucose, was indirekt den Proteinpool der Zelle schont. Auch werden die Fettspeicher eher erhöht als angegriffen; und die Neubildung von Muskelglykogen wird gefördert.
 
Insulin regt die Proteinsynthese in Skelettmuskelzellen an
 
Der genaue Mechanismus, der die Muskelzelle befähigt, unter Wirkung des Insulins die Proteinsynthese zu steigern und die Proteolyse zu hemmen, ist Gegenstand der Forschung.
  
 Adipozyten
 
In Fettzellen hemmt Insulin vor allem die Lipolyse und regt die Aufnahme und Speicherung von Fettsäuren an. Sie verfügen (wie Hepatozyten) über ~3.105 Insulinrezeptoren pro Zelle, von denen nur ~5% mit Insulin besetzt sein müssen, um bereits den vollen Insulineffekt zu erzielen (s. oben).


Abbildung: Insulinwirkungen auf Adipozyten
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 1st ed. Saunders 2003

Die Hauptwirkungen des Insulins auf Fettgewebe sind:
 
-- Förderung der Glucoseaufnahme durch Einlagerung von (insulinsensitivem) GLUT4 aus intrazellulären Speichern in die Zellmembran
 
-- Anregung der Glykolyse sowie der Umwandlung von Pyruvat (Pyruvat-Dehydrogenase (1) und Acetyl-CoA-Carboxylase (2) werden durch Insulin angeregt) zu metabolischen Speicherformen (vor allem Fettsäuren, kaum Glykogen)
 
-- Triglyzeridsynthese und Speicherung in Fetttröpfchen. Die Aktivität der Triglyzeridlipase und der hormonsensitiven Lipase (Box 3) wird durch Insulin reduziert (diese würden Triglyzeride zu Glycerin und freien Fettsäuren abbauen)
 
-- Synthese von Lipoproteinlipase, die von Fett- an Endothelzellen exportiert und an deren Blutseite verankert wird (Abspaltung von Triglyzeriden aus Chylomikronen und VLDL - die Fettsäuren gelangen zu den Adipozyten, diese bauen sie in ihren Triglyzeridpool ein)
  
Insulin hemmt die Lipolyse
 
Auch regt Insulin die Transkription von Lipoproteinlipase (LPL, auch Triacylglycerol-Acylhydrolase) an. Dieses Enzym wird von Muskel- und Fettzellen als Homodimer synthetisiert und glykosyliert, in das Interstitium freigesetzt und zu Endothelzellen bzw. das Kapillarlumen verlagert.
 
LPL löst aus Triglyzeriden in Lipoproteinen Fettsäuren heraus (die dann freie Fettsäuren - free fatty acids, FFA - heißen; Monoglycerid bleibt übrig), fördert also die FFA-Mobilisierung hauptsächlich aus VLDL (und Chylomikronen) im Blutplasma. LPL fördert auch die rezeptorvermittelte Aufnahme von Lipoproteinen.
 
Fettsäuren werden von Gewebszellen teils direkt metabolisiert (Energiegewinnung), teils zwecks Speicherung von Adipozyten aufgenommen, esterifiziert und in Fetttröpfchen gespeichert ( Abbildung). Der Transport der Fettsäuren in die Zelle erfolgt mittels Bindungs- bzw. Transportproteinen (fatty acid binding / transport proteins), die sich sowohl in der Zellmembran als auch im Zytoplasma befinden. So gelangen Fettsäuren leichter in die Zelle sowie in Zellorganellen (z.B. Mitochondrien).
 
Anregende und hemmende Wirkungen des Insulins im Überblick:

Anregende Wirkungen: Über Kaskaden intrazellulärer Vorgänge (Kinasen, Phosphatasen, Enzymsynthese, Glucosetransporter-Bereitstellung) steigert Insulin

      die Bildung und Speicherung von Glykogen (Anregung der Glykogensynthase in Leber und Muskel)

      die Proteinsynthese (Aminosäureaufnahme)

      die Entfernung (Clearance) von Chylomikronen aus dem Blut (s. auch dort)
 
      Triglyzeridsynthese und Fetteinlagerung
 

      Glucoseaufnahme (Einbau von GLUT 4 in Fett- und Muskelzellen) und Glucoseverbrauch in Leber-, Muskel- und Fettzellen
 
      Aufnahme von Kalium, Calcium, Nukleosiden, Phosphat (Hyperkaliämie lässt sich mit i.v.-Insulin-Glucose-Gabe behandeln) - die Kaliumaufnahme wird durch Anregung der Na/K-ATPase intensiviert;
 

      Wachstum und Genexpression. Langfristig wirkt Insulin (vor allem während der fetalen Entwicklung) wachstumsfördernd (über Insulinrezeptoren s. auch dort).
 
Inhibierende Wirkungen: Insulin hemmt

      den Proteinabbau in peripheren Geweben

      die Glucoseabgabe der Leber

      die Produktion von VLDL in der Leber

      die Lipolyse: Insulin ist das einzige Hormon, das - über eine hormonsensitive Lipase - die Lipolyse hemmt und so die Fettdepots schützt

      die Aktivität der Fruktose-1,6-Biphosphatase, des Schlüsselenzyms der Gluconeogenese (in einer Situation des Glucoseüberflusses nicht gefragt).
 


Rasche Effekte: Die Insulinwirkungen auf den Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel sowie auf den Transport von Aminosäuren und Kaliumionen erfolgt im Sekunden- bis Minutenbereich nach Bindung an der Rezeptor, also rasch. Auf die Leber wirkt Insulin innerhalb von ~20 Minuten nach Beginn der Nahrungsaufnahme (Gluconeogenese), die Anregung der Glucoseaufnahme in der Peripherie beginnt nach etwa einer Stunde.

Verzögerte Effekte: Die Effekte des Insulins auf Transkription und Proteinsynthese erfolgen innerhalb von Stunden. Das Zellwachstum wird erst nach Tagen merklich angeregt. Die Anregung der Proteinsynthese ermöglicht die Bildung neuer Enzym- und Transportmoleküle. Insulin ist in der Fetalperiode ein wichtiges anaboles Hormon, das mitogen wirkt, Wachstum und Entwicklung anregt.
 


Abbildung: Anregung des Insulinrezeptors
Nach Murphy KG, Bloom SR, Are all fats created equal? Nat Med. 2006; 12: 32-3

Der Insulinrezeptor wird vielleicht auch durch Visfatin (aus Adipozyten) angeregt (physiologische Bedeutung unklar)
 
  MAPK, Mitogen-aktivierte (Serin/Threoninspezifische) Proteinkinase  IRS, Insulinrezeptor-Substrat - vermittelt Insulinwirkung auf intrazelluläre Pfade wie PI3K = Phosphoinositid-3-Kinase und Akt = (Gene der) Proteinkinase B


       Über Glucosetransporter (GLUT) s. dort
Insulinrezeptoren werden nicht nur durch Insulin, sondern auch durch andere Proteine angeregt.

Visfatin ( Abbildung) ist ein Proteohormon, das in viszeralem Fettgewebe (=im freien Bauchraum um die inneren Organe angelagertes Fett, auch intraabdominales Fett) gebildet wird. Sein Plasmaspiegel korreliert mit dem Grad einer Adipositas.

Wirkungen:
Zu seinen Effekten zählen weiters

     Reifung von B-Zellen (Zytokinwirkung; daher auch die Bezeichnung pre-B-cell colony-enhancing factor 1)
 
     Hemmung der Neutrophilen-Apoptose
 
     Wachstumswirkung auf Blutgefäße.
  

 
Ursache eines Diabetes mellitus ist entweder
mangelnde Hormonbildung (insuffiziente B-Zellen im Pankreas - Typ-1-Diabetes)
oder
Insulinunempfindlichkeit der Peripherie (blockierte bzw. fehlende Insulinrezeptoren - Typ-2-Diabetes).
 

Abbildung: Insulininjektion in das Unterhautfettgewebe

Die subkutane Schichtdicke ist sehr unterschiedlich und beträgt z.B. im Abdominalbereich bei Männern 2 bis 30 (Durchschnitt 14), bei Frauen 6 bis 58 Millimeter (Durchschnitt 23 mm)


Bei Diabetes mellitus leiden die Zellen (trotz Hyperglykämie) unter Glucosemangel. Der Stoffwechsel weicht zur Energiegewinnung auf einen Hungerstoffwechsel aus, bei dem vermehrt Ketonkörper (Acetessigsäure, Beta-Hydroxybuttersäure und Aceton) gebildet werden und im Blut auftreten. Bei erhöhter Blutkonzentration können sowohl Glucose als auch Ketonkörper im Harn nachgewiesen werden (Resorption kann Filtration nicht mehr ausbalancieren, tubuläres Maximum überschritten).
 
Metabolische Azidose (Ketoazidose) mit vertiefter Atmung (respiratorische Kompensation) ist typisch für unbehandelten Diabetes mellitus

     Zu den schweren gesundheitlichen Konsequenzen eines nicht oder unzureichend behandelten Diabetes mellitus gehören Nierenversagen, Neuropathien, Infarkte, Erblindung.
 

Abbildung: Oraler Glucose-Toleranztest
Nach einer Vorlage bei foyupdate.blogspot.co.at

Glucosedosis meist 75 Gramm per os in Flüssigkeit gelöst. Normalerweise steigt der Blutzuckerspiegel nicht über 120 mg/dl an (blaue Kurve)


Die Reaktionsfähigkeit des Insulinsystems prüft man mittels Zuckerbelastung (oGTT = oraler Glucose-Toleranztest, Abbildung). Da das Insulin eine kurze Halbwertszeit (~5 min) hat, sagt seine Serumkonzentration wenig über die längerfristige Regulation aus.

Daher wird klinisch als Maß für den "Langzeit-Blutzucker" ("Blutzuckergedächtnis") die Konzentration des glykierten roten Blutfarbstoffes (HbA1C) bestimmt. Dieser Indikator liegt in den Erythrozyten vor, die für 2-3 Monate im Blut kreisen.

 
  Der Anteil des HbA1C am gesamten Hämoglobin im Blut liegt bei Nichtdiabetikern unter 5% (<50 mM HbA1C /M Hb). Bei Werten über 9% (>90 mM/M) werden die mit Diabetes mellitus einhergehenden Gesundheitsrisiken als extrem erhöht eingestuft.

C-Peptid wird zusammen mit Insulin aus der Beta-Zelle freigesetzt, hat aber eine ≥10-fach längere Halbwertszeit, seine Konzentration "mittelt" über Insulin-Pulse. (Insulinpräparate für i.v.-Gabe enthalten kein C-Peptid, die Kombination hoher Insulinwert - normaler C-Peptidspiegel zeigt daher, dass das Insulin verabreicht wurde, nicht etwa aus einem Insulinom stammt - evt. forensische Bedeutung.) C-Peptid hat eine eigenständige Wirkung (Erhöhung der NOS-Aktivität, Verbesserung der Nierenfunktion).

Insulin muss bei Bedarf (beim Zuckerkranken, wenn orale Diabetesmittel nicht wirken oder ausreichen) parenteral verabfolgt werden (im Verdauungstrakt wird es abgebaut). Wird eine zu hohe Dosis Insulin gegeben, dann sinkt der Blutzuckerspiegel so stark ab, dass es zu Schocksymptomen (Bewusstseinsverlust infolge Mangelernährung des Gehirns) kommt. In solchen Fällen führt eine Glucoseinfusion zu rascher Besserung.
 
  Sulfonylharnstoffe hemmen den ATP-abhängigen Kaliumkanal der Betazellen (s. oben) und erhöhen dadurch die Insulinfreisetzung (Therapie bei Diabetes Typ II).
 
Sulfonylharnstoffe senken den Blutzuckerspiegel durch Blockade des ATP-sensitiven Kaliumkanals der pankreatischen Betazelle und Insulinfreisetzung

  Fall 1
 

 
      Zunahme des Glucosespiegels um ~50% verdreifacht den Insulinspiegel. Insulin fördert durch Einlagerung insulinabhängiger Glucosetransporter (GLUT4) in die Zellmembran Glucoseaufnahme und Energiespeicherung vor allem in Fett- und Muskelgewebe, der Blutzuckerspiegel sinkt. Insulin wirkt auf die Funktionen des Gehirns, Anstieg des Insulinspiegels ist auch ein Sättigungssignal
 
      Proinsulin besteht aus der A-Kette des Insulins, dem C-Peptid und der B-Kette des Insulins. Insulin wird zusammen mit abgespaltenem C-Peptid in sekretorischen Granula der ß-Zellen in Form von Zink-Komplexen gespeichert. Der Insulinvorrat der Bauchspeicheldrüse beträgt etwa 10 mg (250 IE), jeden Tag wird etwa ein Fünftel des in den Inselzellen gespeicherten Insulins freigesetzt. Die basale Insulinfreisetzung beträgt beim Erwachsenen ~1 IE/h. ß-Zellen liegen im Inneren der Inseln, freigesetztes Insulin diffundiert zu äußeren Inselzellen und moduliert die Aktivität von α-, δ- und PP-Zellen. ß-Zellen sind über gap junctions synchronisiert, Insulin wird alle 3-6 Minuten freigesetzt. Der Blutspiegel kann zwischen <40 pM (nüchtern) und ~1000 pM schwanken (postprandial). Die Insulinkonzentration im Blut und im Interstitium verhalten sich unterschiedlich: Die endotheliale Barriere behindert den Übertritt in das Zielgewebe, wo der Zeitverlauf der Glucoseaufnahme dem der interstitiellen, nicht dem der Insulinkonzentration im Blut entspricht. Insulin wird in Leber (~50%), Nieren und Muskulatur lysosomal abgebaut, seine Halbwertszeit beträgt ~5 Minuten
 
      Aufnahme von Glucose, Galaktose, Mannose oder Aminosäuren (Arginin, Leuzin u.a.) regt den Stoffwechsel der ß-Zelle an. Das steigert den ATP-Gehalt, senkt den Kalium-Ausstrom (ATP-sensitiver Kaliumkanal), führt zu Depolarisierung, Calciumeinstrom und Insulinfreisetzung. Das mitausgeschiedene C-Peptid ist im Blut ein Indikator der endogenen Insulinproduktion (injizierte Insulinpräparate entalten kein C-Peptid). Die glucoseabhängige Insulinfreisetzung wird u.a. verstärkt durch Glucagon, GIP, GLP-1, cholinerg; abgeschwächt α2-adrenerg und durch Somatostatin
 
      Die Insulinfreisetzung wird entsprechend den Verdauungsphasen reguliert: In der zephalen Phase parasympathisch, in der gastrischen Phase durch Gastrin, in der intestinalen Phase durch Substratmoleküle (längste Dauer, intensiver Effekt). Das Konzentrationsverhältnis Insulin / Glucagon kennzeichnet den Status des Energiestoffwechsels (Resorptionsphase viel Insulin, Postresorptionsphase wenig Insulin). Insulin fördert die Aufnahme, Verwertung und Speicherung von Glucose, Lipiden und Aminosäuren, Glykogenbildung, Lipogenese und Proteinsynthese. Als Insulinempfindlichkeit bezeichnet man das Ausmaß an insulinabhängiger Glucoseaufnahme in die Zellen. Aktivierung des Insulinrezeptors (einer Tyrosinkinase) hat metabolische und wachstumsfördernde Effekte. Zielproteine in der Zelle werden phosphoryliert und intrazelluläre Signalwege aktiviert. Der Insulinrezeptor wird rasch internalisiert (Refrakterität)
 
      In Fettzellen hemmt Insulin die Lipolyse und regt die Aufnahme von Glucose sowie die Speicherung von Fettsäuren an. In Muskelzellen stimuliert es die Einlagerung von Aminosäuretransportern und Na/K-ATPase in die Zellmembran. Hexokinasen phosphorylieren Glucose zu Glucose-6-Phosphat, das in der Zelle "gefangen" ist und über Isomerisierung zu Glucose-1-Phosphat zu Glykogen polymerisiert werden kann, oder in die Glykolyse bzw. den Pentosephosphatweg geleitet wird. Die Insulinwirkungen auf den Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel sowie auf den Transport von Aminosäuren und Kaliumionen erfolgt im Sekunden- bis Minutenbereich. Auf die Leber wirkt Insulin innerhalb von ~20 Minuten nach Beginn der Nahrungsaufnahme (Gluconeogenese), die Anregung der Glucoseaufnahme in der Peripherie beginnt nach etwa einer Stunde. Zellwachstum wird erst nach Tagen merklich angeregt
 
      Metabolische Azidose (Ketoazidose) mit vertiefter Atmung (respiratorische Kompensation) ist typisch für unbehandelten Diabetes mellitus. Sulfonylharnstoffe senken den Blutzuckerspiegel durch Blockade des ATP-sensitiven Kaliumkanals der Betazelle, was die Insulinfreisetzung anregt
 

 




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