Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

  
Integrative Funktionen des Nervensystems, Physiologie des Verhaltens

  Neokortikale Anteile des Temporallappens
© H. Hinghofer-Szalkay
Heschl'sche Querwindung: Richard Heschl
Prosopagnosie: πρόσωπον = Gesicht, ἀγνωσία = Nichterkennen
semantisch: σημαίνειν = bezeichnen - von σημεῖον = Zeichen, Signal -- Semantik: Bedeutungslehre

temporal: tempus = Zeit, anatomisch Schläfe (erste graue Haare deuten die Zeit des Alters an)
Tonotopie: τόνος = Saite, Spannung, Klang der Stimme; τόπος = Ort, Stelle
Wernicke'sches Areal: Carl Wernicke
Wernicke-Geschwind-Modell: Carl Wernicke / Norman Geschwind



Das Temporalhirn enthält neokortikale, paralimbische (Insel) und limbische Anteile. Es enthält das Hörzentrum, beteiligt sich an Sprachverständnis und Sprechvorgang, bewertet Schmerzen und Gerüche, übernimmt Anteile der emotionalen Kontrolle.

Der gyrus parahippocampalis im medialen Temporalhirn verarbeitet Sinnesinformationen und erkennt Orte, Gegenstände und Personen. Er ist eine zentrale Schaltstelle des limbischen Systems und ermöglicht Lernen und Gedächtnis.

Die Insel vermittelt "Körperbewusstsein" nach innen (Schmerz, Eingeweide) und außen (Geschmacks-, Gleichgewichtssinn) und reagiert mit der Beteiligung an vegetativen (Herztätigkeit, Blutdruckstabilisierung, Atmung) und motorischen Abläufen (Augen- und Handbewegungen, Lachen, Schlucken).

Das Hörzentrum in der Heschl'schen Querwindung empfängt tonotop (nach Frequenzen) geordnete Information aus dem Corti'schen Organ der Gehörschnecke. Über ventrale Pfade projiziert von hier Information zum motorischen Sprachzentrum (Broca'sches Areal), das weiters über dorsale Pfade vom sensorischen Sprachzentrum (Wernicke) für die Verbalisierung nötige akustische Information erhält.

Der vordere Temporallappen hilft den Sprachzentren bei der Analyse des Gesprochenen. Anteile des Temporallappens reagieren auf Formen und Muster; spezifische Objekte, insbesondere Gesichter, werden im okzipito-temporalen posterioren gyrus fusiformis erkannt.


Temporalkortex  Wernicke-Sprachzentrum
Insel  Gyrus parahippocampalis

Core messages
  
Zu den Aufgaben des Temporalhirns gehören die Bildung und Verwaltung von Gedächtnisinhalten (Funktionsausfälle führen zu Amnesie, Lern- und Gedächtnisstörungen) und Emotionen (bei Schäden kann es zu Übererregbarkeit bis affektiver Indifferenz kommen). Komplexes Erkennen (Objekte, Gesichter, Sprache - der Temporallappen enthält u.a. das Hörzentrum) ist eine Domäne des Temporalhirns. Läsionen können schwere Veränderungen der Persönlichkeit zur Folge haben.
 
Das Temporalhirn verarbeitet Sinnesinformationen und ist für Erkennen, Erinnern und Emotionen zuständig

Zu den Funktionen und Fähigkeiten des
Temporallappens (Schläfenlappen, lobus temporalis. temporal lobe) gehören
   Gedächtnis (
Wissen und Erinnern),
   visuelles Erkennen,
   Hören und Sprachverständnis,
   Geschmacks- und Schmerzempfindung,
   Beteiligung an der emotionalen Kontrolle.


Abbildung: Laterale und mediale Ansicht des Gehirns
Nach einer Vorlage bei wikipedia

Temporallappen dunkelgrün, lobus limbicus violett gezeigt.
 
Der gyrus fusiformis ist u.a. für Identifikation, Belohnung und Emotionslage zuständig


Das Temporaljirn enthält assoziative Teile des Neokortex, den kortikalen Apparat des Hörsinns (Hörrinde, Abbildung unten) sowie das Wernicke-Areal , ferner Anteile des limbischen Systems (Hippocampus plus entorhinaler, perirhinaler und parahippocampaler Kortex). Es ist für Aufbau und Speicherung von Gedächtnisinhalten entscheidend.

Verletzungen im limbischen Bereich des Temporalhirns können zu massiven Gedächtnis- und Verhaltensstörungen führen (retrograde Amnesie, Verlust des expliziten Lernens: Beispiel
Henry Gustav Molaison).

Ist der assoziative Kortex betroffen, können auditive, aber auch visuelle Agnosien auftreten, das Erkennen oder Benennen von Objekten oder Gesichtern kann erschwert bis unmöglich werden (Objektagnosie, Prosopagnosie
).

Die primäre Hörrinde im mittleren und oberen Temporalhirn (
Heschl-sche Querwindung = gyri temporales transversi) erhält aus dem medialen Kniehöcker über die Hörstrahlung akustische Information aus der Innenohrschnecke ( s. dort). Dieser Rindenbereich enthält eine tonotope Karte, welche die Frequenzabbildung im Corti-schen Organ widerspiegelt.
 

Abbildung: Frequenzentsprechung auf der Hörrinde
Nach einer Vorlage in Carlson NR / Birkett MA, Physiology of Behavior, 12th ed. Pearson 2017

Die "Frequenzkarte" der Basilarmembran bleibt bei der Informationsverarbeitung in der Hörbahn sowie der Projektion auf die Hörrinde erhalten.
 
Hier besteht daher eine
tonotope Abbildung: Die wahrgenommenen Frequenzen nehmen in der primären Hörrinde von anterior (hier rechts: "Schneckenspitze") nach posterior (hier links dargestellt: "Schneckenbasis") zu

   vgl. dort


Hier ist die komplexe Wahrnehmung auditiver Muster und mit dem Wernicke-Zentrum das Sprachverständnis lokalisiert.

Der Temporalkortex analysiert Gesprochenes (vorwiegend links) und musikalische Muster (rechts).

Wahrscheinlich gibt es spezies-spezifische Mustererkennung lockender, warnender, emotionaler Inhalte (Beteiligung des limbischen Systems).

Das planum temporale - eine auditive Rindenregion auf der oberen Fläche des Temporallappens, das
einen Teil des Wernicke-Zentrums enthält - ist in der Mehrzahl der untersuchten Fälle links stärker ausgeprägt als rechts (65%; rechts bei 11%;  Abbildung). Die meisten Menschen verarbeiten Sprache mit der linken Hemisphäre.

Dies kann mit Hilfe des Wada-Tests nachgewiesen werden: Ein kurzwirksames Anästhetikum wird in eine Halsschlagader injiziert, worauf die betroffene Hirnhälfte vorübergehend (für einige Minuten) ihre Funktionen einbüßt - bei 90-95% der untersuchten Personen ist z.B. die Fähigkeit zu Sprechen bei Stillegung der linken - nicht aber der rechten - Hemisphäre beeinträchtigt. Die Sprachkontrolle ist bei ~70% der linkshändigen und >95% der rechtshändigen Personen in der linken Hemisphäre repräsentiert.
 

Abbildung: Ebene des planum temporale
Nach Vorlagen bei open.edu und thebrain.mcgill.ca/flash

Trägt man den Frontal- und den Parietallappen ab und blickt auf die obere Fläche des freigelegten Temporallappens, sieht man hier direkt hinter der Heschl-schen Querwindung das planum temporale. Das hier lokalisierte sensorische Areal ist bei der Mehrzahl der Menschen links stärker ausgeprägt (ca. 70%) als rechts (ca. 10%). Durch entsprechende Übung kann der Flächenanteil dieses Kortexareals vergrößert werden


     Der vordere Teil des Temporallappens erkennt die Bedeutung gesprochener Worte (250-350 ms nachdem diese geäußert wurden) - zusammen mit den eigentlichen Sprachzentren (Broca motorisch, Wernicke sensorisch - bei den meisten Menschen im linken Gehirn, Abbildung).

     Von den visuellen Rindengebieten (V1 bis V4) über den temporo-okzipitalen Kortex gelangt visuelle Information zum unteren Temporallappen. Dieser ist das primäre Zerntrum für die Objekterkennung. Die Neurone sind hier in funktionell spezialisierten Säulen angeordnet und codieren komplexe visuelle Reize. Die Muster der jeweils erkannten Reize sind in Nachbarkolumnen (Abstand etwa 0,4 mm) oft ähnlich, sodass auf einen bestimmten Auslöser (z.B. das Bild eines Stocks) mehrere benachbarte Kolumnen (z.B. "Schirm", "Queue") ansprechen, wenn auch weniger intensiv. Horizontale Kontakte zwischen "ähnlichen" Kolumnen können sich über mehrere Millimeter der Gehirnrinde erstrecken.

      Die vorderen Anteile der unteren Temporalregion erlauben die Erkennung der Bedeutung gesehener Objekte (Störungen in diesem Bereich führen zu assoziativer Agnosie, gesehene Gegenstände können nachgezeichnet, aber nicht benannt werden),

      die hinteren Anteile ermöglichen die Einordnung und Darstellung solcher Objekte (Störungen in diesem Bereich führen zu apperzeptiver Agnosie, gesehene Gegenstände können benannt, aber nicht nachgezeichnet werden).

Neurone im unteren Temporalhirn sind in der Lage, kortikal abgebildeten Objekten
weitgehend unabhängig vom tatsächlichen Netzhautbild eine bestimmte Größe (size constancy) und Lage zuzuordnen (position constancy), und unabhängig von der Reflektanz (z.B. schwarz auf weiß vs. weiß auf schwarz) zu identifizieren (form-cue invariance) - das Ansprechverhalten der einzelnen objekterkennenden Neurone bleibt ziemlich konstant. Diese Art der kategorisierenden Wahrnehmung (das Objekt wird einer bestimmten Kategorie zugeordnet, z.B. "Apfel") erleichtert die Steuerung objektbezogener Verhaltensweisen.

Objekterkennung (
visuelle Kategorisierung) ist intensiv mit Gedächtnis und Emotion verknüpft. Die untere Temporalregion sendet Efferenzen zur perirhinalen und parahippokampalen Formation, die wiederum auf den entorhinalen und hippokampalen Kortex projizieren - Gebiete, die Langzeitgedächtnis aufbauen und abrufen. Umgekehrt beeinflusst das visuelle Gedächtnis die Verarbeitung neu eintreffender visueller Information. So können objekterkennende Neurone auf die Identifikation bestimmter Merkmale trainiert werden (Beispiel: Erlernen neuer Gesichter).
 

Abbildung: Gesichtserkennung und biographische Information
Modifiziert nach Szpir M: Accustomed to your face. Am Sci 1992; 80: 537-9

Einschlägige visuelle Information gelangt aus dem Okzipitalhirn in Teile des Temporallappens (hellgrün); die Gesichtserkennung erfolgt bei Rechtshändern vorwiegend in der rechten Hemisphäre (die linke ist bei der Gesichtserkennung weniger stark aktiviert).
 
Individuelle Erfahrungen (biographische Information) sind im Gebiet des vorderen Temporalpols gespeichert, das blau gezeigte Gebiet integriert diese Information mit der Analyse der Charakteristika des aktuell analysierten Gesichts


      Der okzipito-temporale gyrus fusiformis (Brodmann 37) beschäftigt sich mit Objekt- und Gesichtserkennung; die Fusiform Face Area (FFA) des gyrus fusiformis - vor allem des rechten Temporallappens - dient der Erkennung und Zuordnung von Gesichtszügen ( Abbildung). Auch Teile des Präfrontalhirns beteiligen sich an der Gesichtserkennung. Dabei sprechen Millionen einzelner gesichtserkennender Neurone (face cells) auf jeweils unterschiedliche Gesichtsmuster an und sind in der Lage, diese sehr rasch zu identifizieren. Diese Zellen sind zu einem face-processing network miteinander funktionell verbunden.

Ein Funktionsausfall der Gesichtserkennung heißt Prosopagnosie
(Gesichtsblindheit), was bei ausgedehnten Läsionen sogar die Erkennung des eigenen Spiegelbildes unmöglich macht.

      Nach posterior grenzt daran die Fusiform Body Area (FBA) an, ein Teil des visuellen Kortex außerhalb der area striata. Die FBA ist an der Erkennung von Körpern und Körperteilen beteiligt und erzeugt davon ein ganzheitliches Bild. Die FBA erleichtert auch die Unterscheidung zwischen dem Körper und körperähnlichen Gegenständen.

  Durch Verbindungen mit ventralen Rindengebieten und dem limbischen System (Amygdala) wird deren emotionale Bedeutung ermittelt (z.B. Freund, Feind?). Diese Analyse erfolgt (≤200 ms nach Ankunft des Gesprochenen am Ohr) noch bevor die Bedeutung gesprochener Worte klar wird. (Das bewusste Erfassen der Bedeutung geäußerter Worte erfolgt erst eine halbe Sekunde nach deren Äußerung im Frontalhirn.)

Inhalte aus dem deklarativen Gedächtnis (Wissensgedächtnis) können bewusst bearbeitet und wiedergegeben werden. Es besteht aus semantischem und episodischem Gedächtnis. Das semantische Gedächtnis enthält allgemeine Fakten („Graz ist die Hauptstadt der Steiermark“) - Wissen, das von der Person unabhängig ist. Das episodische Gedächtnis betrifft Erinnerungen, die persönlicher Natur sind (Erlebnisse).
 
Sensorisches Sprachzentrum
 
Das Wernicke'sche Sprachzentrum liegt bei den meisten Menschen in der linken Hemisphäre, hinter dem primären Hörzentrum, im rückwärtigen Teil der ersten Schläfenwindung, im Brodmann-Areal 22 (Bild unten) und erhält Afferenzen vor allem aus der Hörrinde sowie der Sehrinde. Es dient dem Verstehen des Gesprochenen.
 
Störungen im Bereich des Wernicke-Zentrums können sensorische Aphasie
zur Folge haben. Betroffene Personen können fließend und (auffallend) ungehemmt sprechen, erfassen aber den Zusammenhang gehörter Sprache nicht und werden sich dieses Umstandes auch nicht bewusst.
 
Dies ist ein Beispiel für die Notwendigkeit sensomotorischer Rückkopplung.

  
1874 veröffentlicht Carl Wernicke seine Beobachtungen an Patienten, deren Sprachverständnis aufgrund eines Schlaganfalls verlorengegangen ist.


Die linke Hemisphäre ist in der Regel sprachdominant, d.h. sie enthält die motorische und sensorische Sprachregion. Die Sprachbildung (Verbalisierung) ist Voraussetzung für bewusstes Erleben und Äußern, die linke Hirnhälfte ist so für die Entstehung des Bewusstseins verantwortlich. Die rechte Hemisphäre dient komplexen visuellen Verarbeitungen (dreidimensionale Vorstellung, Mustererkennung, beispielsweise eines Gesichts), Musikverständnis usw.
 

Abbildung: Verbindungen zwischen sensorischem und motorischem Sprachzentrum
Modifiziert nach Friederici AD, The Brain Basis of Language Processing: From Structure to Function. Phys Rev 2011; 92: 1357-92


 Dorsale Pfade: Der fasciculus arcuatus und fasciculus longitudinalis superior verbinden das Wernicke-Areal im rückwärtigen Teil der oberen Temporalwindung mit dem prämotorischen Kortex und dem Broca-Areal (Pfad 1 und Pfad 2).
 
Ventrale Pfade: Kurze Verbindungen der oberen Temporalwindung mit Broca-Areal (Pfad 1) und Operculum (Pfad 2). Das Operculum ("Deckel") besteht aus Teilen des Frontal-, Parietal- und Temporalkortex, die im Bereich des sulcus lateralis die Insel bedecken


Nach dem Wernicke-Geschwind-Modell wird nach dem Erkennen geschriebener oder gesprochener Sprache im sensorischen Sprachzentrum Information u.a. über den fasciculus arcuatus (verbindet das Broca- mit dem Wernicke-Zentrum) an das motorische Sprachzentrum im Frontallappen gesendet, um dort in die Sprachgenerierung einzufließen ( Abbildung). Das würde auch der Rückkopplung (Kontrolle des eigenen Gesprochenen) dienen.

Nach dem dual-stream-Modell des Sprachmanagements erfolgt dieses - nach zeitlicher und Frequenzanalyse gesprochener Sprachinhalte in area 41, 42 und 22 sowie phonetischer Analye im postero-superioren Temporallappen - auf zwei separaten Wegen:

      Einem - linksdominanten - dorsalen Pfad, der gesprochene akustische Muster mit motorischer Planung (Artikulation) verknüpft: Pfad 1 zum somatomotorischen Kortex, Pfad 2 zum Broca-areal im postero-inferioren frontalen Kortex und zur Insel) und als sensorimotor stream bezeichnet wird; und

      einem - bilateralen - ventralen Pfad, der den vorderen Temporalpol mit dem postero-inferioren Frontalhirn verknüpft. Dieser sensory-conceptual stream verbindet mit der akustischen Information ihre Bedeutung. Die Leitung erfolgt über fasciculus frontooccipitalis inferior, fasciculus uncinatus und capsula extrema.

Für die Sprachanalyse werden auch andere Teile des Gehirns herangezogen, z.B. der gyrus cinguli, der präfrontale Kortex (Aufmerksamkeit) und Teile des Frontal-, Parietal- und Temporallappens, die Gedächtnisinhalte beisteuern.

Es hat sich gezeigt, dass das Broca-Zentrum auch einige der Fähigkeiten hat, die man zuerst dem Wernicke-Zentrum zugeschrieben hat; die Verbindung der beiden Sprachzentren über den fasciculus arcuatus ist bidirektional; und die Sprachzentren verfügen über weitere Verbindungen (
Abbildung: Das Wernicke-Areal ist mit prämotorischem Kortex und dem Broca-Zentrum über dorsale und ventrale Pfade verbunden).

Beschädigung des Wernicke-Zentrums (das bei den meisten Menschen links lateralisiert ist) führen zu Störungen, die als sensorische Aphasie bezeichnet wurden. Die Betroffenen können zwar flüssig sprechen, machen aber Fehler, Wortneuschöpfungen und Lautverdrehungen; vor allem haben sie Schwierigkeiten beim Sprachverständnis.

  Elektrische Reizung des Temporalhirns kann komplexe Sensationen, wie die Erinnerung an vergangene Erlebnisse, und auch Halluzinationen auslösen. Assoziative Gebiete des Temporallappens verarbeiten multimodale sensorische Afferenzen (Eingänge) aus dem auditiven, somatosensorischen und visuellen Assoziationskortex, und nehmen Verbindung auf (Ausgänge) mit

    assoziativen Kortexgebieten des Frontalhirns

    dem ventromedialen Temporallappen

    assoziativen Kortexgebieten des Parietalhirns

    den Basalganglien.
Die posterioren (an das Okzipitalhirn grenzenden) Teile des Temporalhirns (mittlere und untere Temporalwindung; area 20, 21, 37) verarbeiten visuelle Information. Diese wird zur Objekterkennung mit bereits gespeicherten Konstrukten (z.B. geometrische Formen, Gesichtszüge,..) verglichen.

Durch Verbindungen mit dem ventromedialen Temporalhirn (area 38) werden gesehenen Objekten
emotionale Werte zugeordnet (Zuwendung, Gefahr,..).

Die untere Temporalwindung - vor allem area 20 - nimmt endgültige Bewertungen zur Natur gesehener - insbesondere fixierter (auf die fovea centralis projizierter) - Objekte wahr. Von hier gehen Projektionen zum präfrontalen Orbitalhirn aus, welches das Gefühl der 'Vertrautheit' mit erkannten Objekten vermittelt und Verbindungen zwischen dem Temporalhirn und dem limbischen System liefert.
 

Funktionen der Insel
 
Die Insel (insula) wird - mit der präfrontalen Orbitalrinde und dem Temporalpol - zum paralimbischen System (paralimbic cortex) gerechnet: Dies ist eine zusammenfassende Bezeichnung für alle eng mit dem limbischen System verschalteten Hirnbereiche (posteromedialer orbitofrontaler Kortex, gyrus cinguli, Insel).

    
Abbildung: Insel und ganglion stellatum
Nach einer Vorlage in dardipainclinic.com

Das Ganglion stellatum versorgt Kopf, Hals, obere Extremität, Herz und Lunge mit sympathischen Fasern und spielt u.a. für Schmerzzustände in diesen Gebieten eine wesentliche Rolle

Sensorische ("homöostatische") Afferenzen erhält die Insel aus dem Thalamus. Sie hat zahlreiche Efferenzen zu / funktionelle Verbindungen mit

     dem limbischen System (Mandelkerne)

  
  motorischen Rindengebieten

     dem Orbitofrontalhirn

     sensorischen Assoziationsarealen.

Die Insel wird als viszerosensorisches Rindengebiet gesehen. Sie repräsentiert den vegetativen Zustand des Organismus und hat zahlreiche Funktionen, wobei der Körper somatotopisch repräsentiert ist:
 

      Die Insel bewertet den Geschmackssinn,

      ist in die Verarbeitung / Bewertung von Schmerzsignalen eingebunden und spielt für die emotionalen Aspekte des Schmerzes eine Rolle - u.a. ist sie mit dem ganglion stellatum verbunden ( Abbildung), das Kopf, Hals, obere Extremität, Herz und Lunge mit sympathischen, insbesondere Schmerzfasern versorgt;

      die Insel ist in die Steuerung der Herz-Kreislauffunktion involviert, z.B. koordiniert die hintere Insel die Kreislaufantwort bei beginnender körperlicher Belastung (Anstieg des Herzminutenvolumens, Blutdruckstabilisierung), und gilt als kardialer Kontrollkortex ('Herzzentrum');

      sie beteiligt sich an der Kontrolle des Sprechens.

      Auch Funktionen des Immunsystems werden von der Inselrinde mitreguliert.
 

Abbildung: Emotionale Körpersprache und Insel
Nach deGelder B: Towards the neurobiology of emotional body language. Nature Rev Neurosci 2006; 7: 242-9

Zur Verwaltung des "Körperbewusstseins" befindet sich die Insel mit somatosensorischem Kortex, vorderem Zingulum und ventromedialem Frontalhirn in einer reziproken Kreisschaltung


Die Insel vermittelt "introspektives" Erleben, das emotionale Erfahrungen aufruft. Zum "Körperbewusstsein" gehört die Wahrnehung verschiedener motorischer Abläufe (somatomotorische wie Augen- oder Handbewegungen;  Abbildung), aber auch die Beachtung der eigenen Herztätigkeit, Magenmotorik oder Blasendehnung, sowie der Gleichgewichtssinn (Auslösung von Kinetose).

Weiters ist die Inselrinde beteiligt an der Verarbeitung von Musikerlebnis, Mitgefühl und Lachen.


 
  Die vorderen Inselteile - im Wesentlichen die area 43 - beherbergen das primäre gustatorische Zentrum. Die vordere Insel steht in Zusammenhang mit zahlreichen Emotionen - Liebe, Romantik, Glück, Vertrauen, Sexualität, Schönheit, Empathie, religiöse Verzückung, Halluzination; andererseits Angst, Trauer, Zorn, Ablehnung, Abscheu, Unsicherheit, soziale Zurückweisung, Unsicherheit.

Rechte und linke Insel weisen unterschiedliche funktionelle Spezialisierung auf. So wurde beschrieben, dass positive Emotionen wie angenehme Musik zusammen mit Aktivierung der linksseitigen vorderen Insel sowie dem linken vorderen gyrus cinguli und dem linken Frontalhirn auf
treten; negative Emotionen (Furcht) aktivieren die korrespondierenden rechtsseitigen Strukturen. Andererseits nimmt das Volumen der rechten vorderen Insel bei regelmäßigem Meditieren zu.
 
 
  Die hinteren Inselteile sind reziprok mit dem sekundären somatosensorischen Kortex verbunden und erhält Afferenzen aus dem Thalamus (nucl. ventralis).
 
Parahippocampaler Kortex
  
Der gyrus parahippocampalis liegt im medialen Temporallappen und wird dem limbischen System zugezählt. Zusammen mit dem gyrus cinguli baut er den lobus limbicus (nach Paul Broca) auf, der sich um den Balken windet und zwischen telenzephalen Rindengebieten und subkortikalen limbischen Strukturen liegt. Er ist das "Einfallstor" aufgearbeiteter multimodaler sensorischer Information zum Hippokampus.
 
   
Abbildung: Lage des gyrus parahippocampalis
Nach Raslau FD, Mark IT, Klein AP, Ulmer JL, Mathews V, Mark LP. Memory Part 2: The Role of the Medial Temporal Lobe. Am J Neuroradiol 2015; 36: 846-9

Der gyrus parahippocampalis grenzt an die Hippokampusformation (blau-grün) und liegt mit diesem im medialen Temporallappen.
 
Der entorhinale (braun) und perirhinale Kortex (gelb) bilden die mediale bzw. laterale Komponente des gyrus parahippokampalis, der cortex parahippocampalis (weiß) dessen posterioren Teil

Der gyrus parahippocampalis scheint auch an der Erkennung von Umweltmerkmalen (Landschaft, Wohnung etc) beteiligt zu sein (place cells). Wahrscheinlich geht die Funktion des gyrus parahippocampalis über visuelles Zuordnen hinaus und schließt die Erkennung von Sprache und auch von sozialen Zusammenhängen ein (so soll der rechte gyrus parahippocampalis die Erkennung von Sarkasmus ermöglichen).

Der Informationsfluss erfolgt im Wesentlichen vom perirhinalen und parahippokampalen zum entorhinalen Kortex und von hier zur Hippokampusformation, wobei zwischen diesen Stationen auch "unterwegs" Information ausgetauscht wird. Im mittleren Temporallappen werden Signale aus der Umwelt sowie aus dem Körper zur Gedächtnisbildung verwendet.

Der rostrale Hippokampus verarbeitet Signale betreffend Emotionen und Motivationen, der kaudale solche betreffend die Orientierung in der aktuellen Umgebung (scene learning). Dazu dient eine ventrale Bahn (ventral stream) vom Okzipitallappen (vermittelt Objekterkennung) und eine dorsale Bahn (dorsal stream) von Parietallappen (vermittelt räumliche Information).

  Näheres zum Hippokampus s. dort

Schädigungen (wie bei Schlaganfall) können bewirken, dass Orte, Personen oder Gegenstände nicht korrekt erkannt werden.

 

 
     Der lobus temporalis beherbergt das Hörzentrum (Heschl-sche Querwindung), das Wernicke-Areal, Assoziationskortices (Erkennen und Benennen von Objekten und Gesichtern) und Anteile des limbischen Systems (Hippokampus, entorhinaler, perirhinaler, parahippokampaler Kortex), das Gedächtnisinhalte speichert und verwaltet
 
     Die primäre Hörrinde im mittleren und oberen Temporalhirn (gyri temporales transversi) enthält tonotope Karten: Diese spiegeln die Frequenzabbildung im Corti-schen Organ der Innenohrschnecke wider, die über medialen Kniehöcker und Hörstrahlung (radiatio acustica) zum Temporalhirn gelangt
 
     Der anteriore Teil des Temporallappens erkennt die Bedeutung gesprochener Worte, posteriore Anteile des gyrus temporalis medius und inferior Formen und visuelle Muster. Objekt- und Gesichtserkennung erfolgt über den okzipito-temporalen gyrus fusiformis. Dessen fusiform face area (vor allem rechts) erkennt Gesichtszüge, sein Ausfall bedingt Gesichtsblindheit (Prosopagnosie)
 
     Die Sprachzentren (Broca motorisch, Wernicke sensorisch) liegen bei der Mehrzahl der Personen in der linken (sprachdominanten) Hemisphäre. Das sensorische Sprachzentrum erhält Afferenzen aus Hör- und Sehrinde und dient dem Verstehen des Gesprochenen (Störungen führen zu sensorischer Aphasie). Die rechte Hemisphäre ermöglicht dreidimensionale Vorstellung, Mustererkennung, Musikverständnis
 
     Das sensorische Sprachzentrum projiziert über den fasciculus arcuatus auf das motorische Sprachzentrum im Frontallappen. Dieses generiert die für das Sprechen notwendige Motorik. Die Verbindung der Sprachzentren ist bidirektional und erfolgt über mehrere - dorsale und ventrale - Pfade
 
     Die Insel bewertet Geschmacksempfindungen (primäres gustatorisches Zentrum in der vorderen Insel) und Schmerzsignale, und beeinflusst somatische (Sprachkontrolle) und vegetative Funktionen (Kreislaufsteuerung, Immunabwehr). Sie vermittelt "introspektives" Erleben und emotionale Erfahrungen ("Körperbewusstsein", Lachen, Sexualität, Angst, Zorn u.a.). Rechte und linke Insel sind unterschiedlich spezialisiert (positive Emotionen eher linksseitig, negative eher rechtsseitig repräsentiert)
 
     Der gyrus parahippocampalis ist das "Einfallstor" aufgearbeiteter multimodaler sensorischer Information zum Hippokampus und ist in die Kreisschaltung des limbischen Systems integriert. Er beteiligt sich an der Erkennung von Orten, Personen und Gegenständen, Sprache, sozialen Zusammenhängen. Das Temporalhirn bewertet gesehene Objekte nach Bekanntheit und emotionaler Färbung
 

 




  Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen: Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.