Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

   
Physiologie der Sinnesorgane

  Geruchs- und Geschmackssinn
© H. Hinghofer-Szalkay

A-, Dysgeusie: γευσις = Geschmack
An-, Dysosmie: ὀσμή = Geruch
facialis: facies = Form, Fläche, Gesicht
glossopharyngeus: γλῶσσα = Zunge, φάρυγξ = Rachen
Gustducin: gustus = Geschmack, ductare = führen
Olf(aktorisch): olere = riechen; facere = tun, bewirken (olfacere = riechen)
Rhinencephalon: ρις = Nase


Geschmackszellen sind kurzlebige (10 Tage) sekundäre Sinneszellen. Bindung eines Geschmacksstoffes an Rezeptormoleküle (TR: taste receptors) aktiviert ein spezielles G-Protein (Gustducin), Phospholipase und Inositolphosphat. Ca++-Ionen strömen ein und erhöhen daraufhin den Kationeneinstrom durch Kanalproteine (TRP).

Geschmacksinformation wird von Zunge, Gaumen und Rachenwand über den VII. (chorda tympani), IX. und X. Hirnnerven zum Hirnstamm (nucl. tractus solitarii) geleitet. Sie trägt zur reflektorischen Steuerung von Motorik (Kau- und Schluckbewegungen), Speichelfluss und Anregung des Verdauungssystems bei; andererseits werden höhergelegene Zentren (Insel, Orbitofrontalkortex, Hypothalamus, Mandelkerne) eingebunden.

Geruchszellen sind primäre Sinneszellen, die in die nasale Mukosa (Riechepithel) ragen - diese enthält odorant-binding proteins zur Lösung hydrophober Geruchsstoffe. Auch Geruchs-Sinneszellen sind kurzlebig (4 Wochen). Der - rasch adaptierende - Geruchssinn steht im Dienst von Nahrungsbeurteilung, Orientierung, sozialer und sexueller Kommunikation sowie der Warnung vor Gefahr (brenzliger Geruch).

Die Geruchsinformation wird in das phylogenetisch sehr alte (vom Thalamus noch unabhängige) Riechhirn projiziert, das eng mit dem limbischen System - und damit intensiv emotionalen Dimensionen - zusammenhängt: Das allokortikale Rhinencephalon grenzt direkt an den Hippocampus.


Geschmack (gustatorisches System) Geruch (olfaktorisches System)
  Zentrale Informationsverarbeitung  Bulbus olfactorius und Netzhaut: Vergleich der Verschaltungsmuster

Praktische Aspekte       Core messages
  
Geschmack und Geruch sind chemische Sinne - ersterer prüft in den Mund aufgemommene Substanzen auf deren Beschaffenheit, letzterer die Umgebung (und den Mundinhalt, Abbildung) - auf attraktive, abstoßende (z.B. Giftstoffe) oder warnende Komponenten (z.B. Brandgeruch).
 
 
Abbildung: Lage der Geruchs- und Geschmacksrezeptoren
Nach einer Vorlage in Bear / Connors / Paradiso, Neuroscience - Exploring the Brain, 4th ed 2016

Geruch wird im Nasenraum, Geschack im Mund- und Rachenraum detektiert. Aus dem Mund retrograd in die Nasenhöhle gelangende Geruchsstoffe werden hier als Komponente des "Geschmacks" empfunden


Für den Geschmack von Speisen ist der Geruchssinn ('retronasal') sehr wesentlich mitbeteiligt (bei Schnupfen leidet nicht nur die Geruchs-, sondern auch die Geschmacksempfindung).

Außerdem spielen auch Mechanorezeptoren (Textur), Thermorezeptoren (kalt, heiß) und Nozizeptoren (Schmerz, z.B. scharfer Geschmack) eine wesentliche Rolle für den jeweiligen Gesamteindruck.

Der Geruchssinn ist im (paläokortikalen) Rhinencephalon (bulbus und pedunculus olfactorius) - ohne thalamische Beteiligung -, der Geschmackssinn im (neokortikalen) Parietallappen repräsentiert (Insel) - mit Schaltung über den Thalamus (nucl. ventralis posteromedialis). Beide Sinnesinformationen (olfaktorisch, gustatorisch) werden dem limbischen System (Amygdala, Hypothalamus) als zentraler Instanz - mit autonom-nervösen und emotionalen Komponenten - zugeleitet.
 
Gustatorisches System (Geschmackssinn)
 
Der Geschmackssinn entsteht mittels Sinneszellen (Geschmacksrezeptorzellen) in 2000 bis 8000 Geschmacksknospen, die sich hauptsächlich in der Zunge, aber auch in Gaumen, Rachen, Kehldeckel und oberem Ösophagus befinden.

Rezeptoren  Zentrale Verarbeitung

Mit steigender Konzentration kann ein Stoff zunächst geschmeckt, aber noch nicht identifiziert werden (Entdeckungsschwelle); dies ist erst bei Überschreiten der Erkennungsschwelle möglich.

So wird Chininsulfat ab 0,008 µM/l als bitter; Zitronensäure ab ~2 M/l als sauer; Kochsalz ab 10 µM/l als salzig; Glucose ab 80 µM/l als süß erkannt. "Bitter" wird in weitaus niedrigeren Konzentrationen erkannt als andere Geschmäcker - Giftstoffe sind häufig bitter (Warnfunktion).

Geschmacksrezeptoren haben ein ausgeprägtes Differentialverhalten: Bei gleichbleibender Konzentration nimmt die Empfindung in Sekunden bis Minuten stark ab (Adaptation).

Geschmacksrezeptoren
 
Sinnes- und Begleitzellen sind in Geschmacksknospen organisiert (die meisten Menschen verfügen über 2000 bis 5000 davon), die wiederum auf Geschmackspapillen angeordnet sein können. Diese werden nach ihrer Form als papillae fungiformes (150-400 Pilzpapillen mit je 2-4 Geschmacksknospen), foliatae (15-30 Blätterpapillen mit je 50-100 Geschmacksknospen) oder circumvallatae (7-15 Wallpapillen mit je mehreren hundert bis tausend Geschmacksknospen) bezeichnet.
 
 
Abbildung: Zunge, Papillen, Geschmacksknospen
Nach einer Vorlage in Bear / Connors / Paradiso, Neuroscience - Exploring the Brain, 4th ed 2016

Papillen sind geschmackssensible Strukturen, Geschmacksknospen sind organisierte Gruppen von Geschmackszellen mit Sinneshärchen (Mikrovilli), die sich in eine Geschmackspore erstrecken (s. Abbildung unten) - über diese haben im Speichel gelöste Geschmacksstoffe Zugang zu den Rezeptormolekülen der Mikrovilli.
 
Papillae fungiformes (1-5 Geschmacksknospen) finden sich auf den vorderen 2/3 der Zunge, papillae foliatae auf der hinteren Zungenkante, papillae circumvallatae (
bis zu mehrere 103 Geschmacksknospen) am Zungengrund


Geschmacksknospen sind ca. 0,08 mm hohe knoblauchzehenförmige Gebilde. Sie enthalten 30-60 Sinneszellen (Geschmackszellen - TRCs, taste receptor cells), weiters zahlreiche Stützzellen und am Grunde der Knospe Basalzellen, durch deren Teilung laufend neue Sinneszellen hervorgehen (die Sinneszellen haben eine durchschnittliche Lebensdauer von etwa 10  Tagen).

Geschmacksporen
sind einerseits eng und schützen dadurch die Sinneszellen, andererseits bieten sie eine Öffnung für die Diffusion von Geschmacksstoffen zu den Sinneszellen ( Abbildung). Die Sinneszellen haben bis zu 50 Mikrovilli (1-2 µm lang), die zur Geschmackspore hin ragen und Geschmacksstoffe detektieren (Oberflächenvergrößerung).
  

Abbildung: Geschmacksrezeptoren und Geschmacksknospe
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Auf der Zunge befinden sich papillae foliatae, circumvallatae und fungiformes, mit einigen mm Durchmesser. Sie tragen zahlreiche Geschmacksknospen (ca. 75 µm Durchmesser).
 
Die Geschmackspore ist die Öffnung in einen geschützten Raum, in den die Mikrovilli der Sinneszellen eintauchen. Hier detektieren sie in der Flüssigkeit gelöste Geschmacksstoffe.
 
Sinneszellen weisen an den Kontaktstellen zu sensorischen Neuronen Charakteristika chemischer Synapsen auf (präsynaptische Vesikel), sind erregbar (spannungssensitive Na+-, K+-, Ca++-Kanäle) und bilden Aktionspotentiale. Ihre Lebensdauer beträgt etwa 2 Wochen, sie werden laufend ersetzt


Die Rezeptoren (T receptors, T für taste) der Geschmacksrezeptorzellen sind einerseits Ionenkanäle (für "salzig", "sauer"), andererseits G-Protein-gekoppelte (metabotrope) Rezeptoren (süß, umami, bitter). "Bitter" wird über monomere T2-Rezeptoren detektiert (mehr als zwei Dutzend sind beim Menschen bekannt, sie werden pro Zelle unterschiedlich kombiniert - diese Vielfalt verschärft die Detektion verschiedener Varianten von Bitter-Warnsignalen); "süß" und "umami" wird durch Kombinationen von T-Rezeptoren identifiziert.

Die Rezeptorzellen reagieren auf den betreffenden chemischen Reiz nur vorübergehend, bei konstanter Reizung adaptieren sie weitgehend (wie der Geruchssinn innerhalb von 1-2 Minuten), die Entdeckungsschwelle steigt an (PD-Verhalten).
 
Geschmacksrezeptoren adaptieren innerhalb weniger Minuten fast vollständig
 
Geschmacksrezeptorzellen sprechen auf 4000 bis 10.000 verschiedene chemische Verbindungen an, detektieren aber lediglich fünf Geschmacksqualitäten: Zwei davon werden über die Öffnung von Ionenkanälen aktiviert (salzig und sauer), drei über die Aktivierung von G-Proteinen (süß, umami, bitter) - es handelt sich um GPCR's. In allen Fällen werden in der Geschmackszelle Calciumionen freigesetzt, was die Freisetzung eines Transmitterstoffes triggert - bei Sauer- und Salzig-Detektoren Serotonin, bei den anderen (für süß, umami, bitter) ATP.
  

  Abbildung: Geschmackstransduktion in einer Geschmackszelle
Nach einer Vorlage in Silverthorn, Human Physiology, an integrated approach, 4th Int'l ed. 2007, Pearson / Benjamin Cummings

Allen Signalwegen der Geschmackstransduktion ist gemeinsam, dass Ca++ in das Zytoplasma der Geschmackszelle einströmt - entweder (über verschiedene Wege) aus intrazellulären Speichern (süß, bitter, Umami) oder infolge von Depolarisierung aus dem Extrazellulärraum über spannungsgesteuerte Calciumkanäle in der Zellmembran (salzig, sauer, Umami).
 
Gesteigertes intrazelluläres [Ca++] bewirkt Exozytose des Neurotransmitters (ATP oder Serotonin) und Anregung afferenter Nervenfasern (erstes sensorisches Neuron)



Transduktion:
Binden Geschmacksstoffe an Geschmacksrezeptoren bzw. Ionenkanäle, ändert sich das Membranpotential (Rezeptorpotential) der Zelle - meist im Sinne einer Depolarisierung. Dies öffnet spannungsabhängige Ca++-Kanäle, was die Freisetzung von Transmittermolekülen und die Auslösung von Aktionspotentialen an sensorischen Neuronen bewirkt.

Während die Rezeptoren für sauer und salzig ihren Transmitter (Serotonin) in präsynaptischen Vesikeln speichern und auf Depolarisierung hin freisetzen, gibt es bei Rezeptoren für bitter, süß und umami keine präsynaptische Speicherung; stattdessen aktiviert ihr G-Protein-Mechanismus Phospholipase C, was IP3 freisetzt, und dieses führt zur Freisetzung intrazellulär gespeicherter
Calciumionen.
 
Das intrazelluläre Ca
++ öffnet einerseits Natriumkanäle, andererseits ATP-Permeasen, was zur Freisetzung des Transmitters ATP führt.
 
Süß-, Bitter- und Umami-Rezeptoren aktivieren G-Proteine
 
In die Signalkette sind Adenylylcyclase (→ cAMP), Phospholipase C (→ IP3) und Ca++ involviert. K
+-Kanäle schließen, Ca++-Kanäle öffnen, die Zelle wird depolarisiert
  
Nach gegenwärtigem Stand des Wissens verfügen Säugetiere über fünf Typen von Geschmacksrezeptoren ( Abbildung). Ob die Zunge des Menschen allerdings ENaCs exprimiert, ist fraglich (das ENaC-blockierende Diuretikum Amilorid scheint die Detektion sauren Geschmacks nicht zu beeinflussen), andererseits gibt es Geschmacksrezeptoren, welche keines der bekannten Geschmacksrezeptor-Moleküle exprimieren. Es kann vermutet werden, dass es weitere, bisher nicht entdeckte Sensormoleküle gibt.
 

Abbildung: Geschmacksrezeptoren
Nach einer Vorlage in Liqun Luo, Principles of Neurobiology, 2nd ed. CRC Press 2021
Umami und süß werden von zwei GPCRs jeweils gekoppelt mit einem T1R3 als Corezeptor detektiert, bitter von GPCRs aus der T2R-Familie, sauer u.a. von einem Otopetrin-Ionenkanal, salzig (niedriger, geschmackverstärkender Salzgehalt) vielleicht von epithelialen Natriumkanälen (ENaCs), jeweils bestehend aus α-, β- und γ-Untereinheiten


     Salzig: Epitheliale Natriumkanäle (ENaC) in salzsensitiven Geschmackszellen stehen normalerweise offen; steigt die extrazelluläre Natriumkonzentration, dringt Na+ vermehrt in die Zelle ein, die dadurch depolarisiert wird (es entsteht ein Rezeptorpotential). Die physiologische Reaktion auf "Salzigkeit" ist konzentrationsabhängig: Kochsalz wird in niedrigerer Konzentration (10-150 mM) als angenehm empfunden, höhere Konzentrationen meist als unangenehm (diese stimulieren auch Sauer- und  Bitter-Rezeptoren). Das Begleitanion bestimmt die "salzig"-Empfindung mit (Natriumchlorid schmeckt z.B. anders als Natriumbicarbonat gleicher molarer Konzentration).

     Sauer: Protonen gelangen durch Ionenkanäle oder unmittelbar durch die Membran in die Zelle. Der Einfluss auf verschiedene Ionenkanäle ( TRPP3ASICs, HCNs) wirkt depolarisierend, öffnet Ca++-Kanäle und führt zur Freisetzung des Transmitters (Serotonin) aus Speichervesikeln. Neuerdings wurde ein Mitglied der Otopetrin-Proteine (das für die Bildung der Otolithen im Innenohr eine Rolle spielt, daher der Name), OTOP-1, als Säurerezeptor identifiziert ( Abbildung).

     Süß stimuliert eine G-Protein-abhängige T1R2/T1R3-Rezeptorkombination (diese Kombinationen gehören zur T1-Rezeptorfamilie). Diese Rezeptoren haben sehr große extrazelluläre Domänen, welche "süße" Substanzen (Zucker, Zuckerersatzstoffe, einige Aminosäuren und Peptide) mit niedriger Affinität im millimolaren Bereich binden (so werden nur ernährungsphysiologisch relevante Mengen an Zuckern erkannt) und den Rezeptor aktivieren. Fällt einer dieser Rezeptoren aus, ist kein Empfinden für "süß" mehr möglich.

     Umami (japanisch "schmackhaft", "köstlich") wird über metabotrope Rezeptoren für L-Aminosäuren vermittelt (verkörpert durch L-Glutamat, monosodium glutamate MSG): Einem Komplex aus zwei T1-Subtypen, T1R1 und T1R3. Sie finden sich in allen geschmacksempfindlichen Schleimhautzonen, vor allem in papillae fungiformes. Entwicklungsgeschichtlich dürften diese Rezeptoren die Präferenz für Proteine in der Nahrung gefördert haben.

     Bitter hat Warnfunktion (viele Giftstoffe schmecken bitter), ist aber auch eine Geschmackskomponente in Koffein und Alkaloiden (Nikotin). Die (beim Menschen etwa 25) verschiedenen Bittersensoren von der Gruppe T2R sind heptahelikale metabotrope Rezeptoren, welche die verschiedenen Bitterstoffe hochaffin (im mikromolekularen Bereich) binden. Jede bitterempfindliche Geschmackszelle exprimiert die meisten oder alle der T2R-Typen, integriert also die Bittersignale. Mutationen in T2R-Genen können individuelle Unterschiede in der Empfindlichkeit gegenüber "bitter" bedingen.
  

  Abbildung: Geschmackstransduktion
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Reizung von Geschmackszellen steigert intrazelluläres [Ca++]. Der Einfachheit halber sind mehrere Geschmacksqualitäten auf jeweils einer Sinneszelle dargestellt, tatsächlich detektiert eine Sinneszelle jeweils nur einen Geschmack.
 
Sauer und salzig werden über Ionenkanäle rezipiert (natriumsensitives ENaC, säuresentitives TRPP3), die anderen (bitter, süß, umami) über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (Gustducin ist ein G-Protein). TRPM5 ist ein unselektiver Kationenkanal, dessen Öffnung die Geschmackszelle depolarisiert (zu TRP-Kanälen s. dort).
 
Depolarisierte salzig- und sauer-Geschmackszellen exozytieren Serotonin, süß-, umami- und bitter-Zellen ATP als Transmitter.
 
DAG = Diacylglycerol, ER = endoplasmatisches Retikulum, IP3 = Inositoltriphosphat, PLC = Phospholipase C


Bittersensitive Zellen befinden sich vor allem an den großen Papillen; die Afferenzen laufen über den N. glossopharyngeus (IX) und vagus (X).
 
Geschmack
salzig
sauer
süß
umami
bitter
Rezeptor
PKD2L1
TRPP3
T1R2/T1R3
T1R1/T1R3
T2R
Art
Ionenkanal
Ionenkanal
GPCR
GPCR
GPCR
Effekt in Zelle
Depolari-
sierung
[Ca++]
Exozytose
Depolari-
sierung
[Ca++]
Exozytose
PLC
IP
3, PIP2
[Ca++],
TRPM5
Depolari-
sierung, Transmitter-
freisetzung
PLC
IP
3, PIP2
[Ca++],
TRPM5
Depolari-
sierung, Transmitter-
freisetzung
PLC
IP
3, PIP2
[Ca++],
TRPM5
Depolari-
sierung, Transmitter-
freisetzung
Transmitter
Serotonin
Serotonin
ATP
ATP
ATP
 
Obwohl z.T. recht systematisch (Protonendonatoren schmecken sauer, Salze salzig), ist die Verknüpfung zwischen chemischer Struktur und Geschmack oft unklar (z.B. können Zuckerersatzstoffe Proteine sein; bitter schmecken Kalium- und Magnesiumionen, aber auch komplexe organische Stoffe, wie das Alkaloid Chinin).

Zum "Geschmack" einer Speise gehört auch die Information vom Geruchssinn, sowie von Mechano- (Textur), Thermo- (warm, kalt) und Nozizeptoren ("scharfer" Geschmack z.B. durch Capsaicin).


Geschmacksrezeptorzellen sind sekundäre Sinneszellen (Typ-II-Zellen sind die eigentlichen Sinneszellen, Typ-III-Zellen bilden Aktionspotentiale). Ihre Oberfläche (und damit Empfindlichkeit) ist durch Mikrovilli vergrößert. Ihre Lebensdauer beträgt nur wenige Tage, dann werden sie durch basal liegende Basalzellen (Typ-IV-Zellen) ersetzt. Zwischen ihnen liegen in der Geschmacksknospe Stützzellen (Typ-I-Zellen).
  
Zelltyp
Bezeichnung
Funktion / Eigenschaft
I
Stützzelle
unterstützende Funktion (wie Gliazelle), mehrere Mikrovilli
II
Sinneszelle
wahrscheinlich Großteil der Geschmacksrezeptoren, exprimiert α-Gustducin, einzelner Mikrovillus am apikalen Pol
III
Typ-III-Zelle
bilden Synapsen mit afferenten Hirnnervenzellen (VII, IX, X)
IV
Basalzelle
bilden neue Geschmackssinneszellen
  
Bindung eines Geschmacksstoffs an eine Typ-II-Rezeptorzelle (taste receptors: TR) aktiviert - insbesondere für bitter, süß und umami - das G-Protein Gustducin. Dieses dem Transduzin sehr ähnliche Protein aktiviert Phospholipase (ß2) und den Inositolphosphatweg. IP3 steigert die intrazelluläre Freisetzung von Calciumionen, was wiederum den Kationeneinstrom in die Zelle erhöht (der spezifische Geschmackstransduktionskanal heißt Transient receptor potential cation channel subfamily M member 5, TRPM5).

Geschmacksrezeptorzellen werden von mehreren afferenten Fasern innerviert, diese wiederum versorgen mehrere Sinneszellen (Kon- und Divergenzschaltung), jede Nervenfaser meldet vorwiegend eine Geschmacksqualität (ist aber nicht auf diese eine beschränkt).

Unter dem Begriff "Geschmack" versteht man im allgemeinen das Aroma, welches stark vom Geruch beeinflusst wird. "Scharf" ist keine Geschmacks-, sondern eine Schmerzempfindung
(Capsaicin, Chili, Peperoni usw. aktivieren einen TRP-Kanal).
 
Zentrale Bearbeitung der Geschmacksinformation
  
Jedes afferente Geschmacksneuron einer Geschmacksknospe versorgt mehrere Sinneszellen und wird von deren Neurotransmitter zur Bildung von Aktionspotentialen angeregt. Diese gelangen - ähnlich wie Schmerz - über langsam leitende Fasern (Typ Aδ bzw. III bis C bww. IV) dreier Hirnnerven - Nn. facialis (chorda tympani) von den vorderen Partien der Zunge, glossopharyngeus vom Zungengrund, und vagus von Gaumen und Epiglottis - zum ZNS ( Abbildung):


Abbildung: Zentrale Projektionen vom Geschmackssinn
Nach einer Vorlage in Carlson NR / Birkett MA, Physiology of Behavior, 12th ed. Pearson 2017

Geschmacksinformation aus Zunge und Mundhöhle gelangt über den VII. (N. facialis - chorda tympani), IX. (N. glossopharyngeus) und X. Hirnnerven (N. vagus) zum Gehirn. Umschaltungen erfolgen im nucl tractus solitarii ("Geschmackskern") sowie im Thalamus (nucl. ventralis posteromedialis - dieser erhält auch somatosensorische Impulse über den N. trigeminus).
 
Vom Thalamus gelangen zentrale Fasern zu Rindengebieten des Geschmackssinns. Primäres Geschmackszentrum ist die Insel (gustatorischer Kortex: Vordere Insel und Operculum), Projektionen erfolgen auch auf gyrus postcentralis (Somatosensorik) und orbitofrontalen Kortex (Teil des primären Geschmackszentrums). Zusätzliche Projektionen erfolgen auf Hypothalamus (Essverhalten, neurohumorale Begleitphänomene) und anderen Teilen des limbischen Systems (Amygdala)


         Der N. facialis (VII - chorda tympani, Zellkörper im ggl. geniculi) versorgt den vorderen Teil der Zunge und des Gaumens,

         der N. glossopharyngeus (IX, Zellkörper im ggl. petrosum) rückwärtige Teile der Zunge (papillae circumvallatae),

         der N. vagus (X, Zellkörper im ggl. nodosum) Rachenwand und Kehldeckel.
 
Der IX. und X. Hirnnerv leiten vorwiegend Bitter-, der N. facialis alle weiteren Geschmacksinformationen. Die Afferenzen aller drei Hirnnerven projizieren auf den nucleus tractus solitarii, dessen entsprechender Teil als 'Geschmackskern' (gustatory nucleus) bzw. Geschmacksareal (gustatory area) bezeichnet wird.
 
Alle Geschmacksafferenzen projizieren auf den nucleus tractus solitarii
  
Der nucleus tractus solitarii löst Kau- und Schluckbewegungen sowie Speichelfluss aus und baut bilaterale Verbindung mit dem Verdauungssystem auf.

Die unterschiedliche Leitung kann zu partiellem Ausfall führen (dissoziierte Geschmackswahrnehmungsstörung - z.B. Bestehen der Bitterempfindung bei Block der über den N. facialis geleiteten Geschmackskomponenten).

Die Geschmacksinformationen gelangen vom nucl. tractus solitarii weiter

        zum (kontralateralen) Thalamus (nucl. ventralis posteromedialis, nucl. ventrobasalis),
 
Im nucleus posteromedialis des Thalamus wird vom 2. auf das 3. Neuron umgeschaltet
  
        von hier zum Geschmacksareal der vorderen Insel und dem frontalen Operculum (area 36: primäre Geschmacksrinde, primary gustatory cortex) sowie zum unteren gyrus postcentralis; und weiter in die Geschmacksareale des orbitofrontalen Kortex (hier entstehen Aromaeindrücke);

        zu Hypothalamus (der vermutlich auch Impulse betreffend süß, leicht salzig sowie Umami verstärkt) und Mandelkernen (autonom-endokrine und emotionale Verarbeitung der Geschmackswahrnehmung);

        zum Hirnstamm - hauptsächlich medulla oblongata (Reflexverwaltung: Speichelbildung, Schlucken, Brechreflex..).

        Einige Fasern projzieren auf den Vaguskern (Verdauungsreflexe).

Außer von Geschmackrezeptoren erhält die Geschmacksrinde auch mechanische, thermische, Schmerz- und viszerale Informationen, die alle für die Analyse der Schmackhaftigkeit eine wichtige Rolle spielen.

Die Konzentrationsschwellen für die Auslösung von Geschmacksempfindungen liegen zwischen ≥0,001 nM (bitter) und ~10 nM (salzig, süß). Die subjektive Bewertung hängt vom gereizten System und teilweise von der Konzentration ab: Süß und umami wirkt meist angenehm, bitter fast immer unangenehm; mäßige Salz- und H+-Konzentrationen werden als positiv, höhere als negativ empfunden. Bei Veränderung der Konzentration eines Geschmacksstoffes kann es auch zu einem Qualitätswechsel kommen (z.B. schmeckt Kochsalz bei ~10 mM eher süßlich, erst ab ~100 mM eindeutig salzig).

In diesen Konzentrationsabhängigkeiten spiegeln sich physiologische Notwendigkeiten wider: Bitterstoffe können schon in geringer Konzentration toxisch wirken. Auch ist der Geschmackssinn adaptiv. An der Natrium-Empfindlichkeit ist ein ENaC beteiligt; dieser steht unter der Kontrolle von Aldosteron. Wahrscheinlich ist so die erhöhte Salzempfindlichkeit des Geschmackssinns bei Salzmangel zu erklären ("Salzhunger"). Die extrazelluläre Kochsalzmenge bestimmt die extrazelluläre Flüssigkeitsmenge (Osmoregulation) und damit auch Blutvolumen und Kreislauffunktion.

 
Vergleich olfaktorisches / gustatorisches System

Geruchssinn
Geschmackssinn
Sinneszellen
Primäre Sinneszellen
Zilien
Riechepithel
Sekundäre Sinneszellen
Mikrovilli
Geschmacksknospen
Hirnnerven
I (V) VII, IX, X
1. Umschaltung im ZNS
Bulbus olfactorius Hirnstamm (nucl. tractus solitarii)
Kortexareal
Piriformer und Orbitofrontalkortex
Insel
Adäquate Reize
Einige 109 Duftstoffe
5 Grundqualitäten
Funktion
Fern- und Nahsinn
Nahrungskontrolle
Verdauungsreflexe
Kommunikation / Fortpflanzung
Nahsinn
Nahrungskontrolle
Steuerung Nahrungsaufnahme
Verdauungsreflexe
 
Olfaktorisches System (Geruchssinn)     
Über Geruchsnerv und Siebbeinplatte als Lymphpfad für das Gehirn s. dort
 
Der Geruchssinn steht im Dienst von Nahrungsbeurteilung, Orientierung, sozialer Kommunikation (sexuelle Stimulation, Territorialabgrenzung), und hat Warnfunktion (brenzliger Geruch .. Gefahr). Menschen können mehr als 400.000 volatile Substanzen (Gerüche) wahrnehmen. Die Geruchsschwelle (Absolutschwelle) wird mit >107 Molekülen / ml Luft überschritten, die Erkennungsschwelle liegt ca. eine Zehnerpotenz darüber.
 

Abbildung: Struktur eines Geruchsrezeptormoleküls
Nach einer Vorlage in Liqun Luo, Principles of Neurobiology, 2nd ed. CRC Press 2021
Das Molekül enthält sieben membrandurchspannende Domänen (grün); konservierte Aminosäuren (identisch bei verschiedenen Rezeptortypen) in gelben, variable (spezifisch für bestimmte Rezeptortypen) in blauen Kreisen dargestellt.
 
Zahlreiche der wechselnden (variablen) Aminosäuren befinden sich in transmembranalen Domänen, wo sich die Bindungsstellen für Geruchsstoffe befinden. Diese Bereiche bestimmen die spezifische Empfindlichkeit des Rezeptors.
 
Im Genom des Menschen kommen etwa 800 Gene für Geruchsrezeptormoleküle vor, davon sind 388 funktional (der Rest sind sogenannte Pseudogene)


Die Detektion von Geruchsstoffen erfolgt mit Hilfe von Rezeptoren (odorant receptors) in der Membran von Zilien (Dendriten) von Geruchszellen. Über die Freisetzung zyklischer Nukleotide und Aktivierung von Calciumkanälen aktivieren sie die Zelle (s. unten). Die hohe Zahl verschiedener, jeweils ein bestimmtes Empfindlichkeitsspektrum für Geruchsstoffe aufweisender Rezeptoren (beim Menschen sind 388 funktional) ergibt sich aus Variationen ihrer Aminosäuresequenz ( Abbildung). Die Geruchsrezeptor-DNA gehören zur umfangreichsten Genfamilie des Genoms von Säugetieren. Individuelle Unterschiede in der Empfindlichkeit gegenüber definierten Stoffen ergibt sich aus Polymorphismen in der jeweiligen Genaustattung einer Person.

Jede einzelne Form eines Rezeptormoleküls wird von einem kleinen Anteil aller Geruchszellen (ORNs: olfactory neurons) exprimiert - in der Geruchsschleimhaut weit gestreut, ohne ersichtliche räumliche Organisation der Verteilungsdichte. Olfaktorische Sinneszellen exprimieren jeweils einen (und nur diesen einen) Typ von Rezeptormolekülen. Es sind bipolare Nervenzellen, die sich zeitlebens erneuern. Basalzellen stellen das Reservoir für die Bildung neuer Sinneszellen dar (Regeneration): Die Lebensdauer der Sinneszellen beträgt 4-8 Wochen, sie werden laufend ersetzt.

Immunologischer Schutz: Bowman'sche Drüsen der olfaktorischen Schleimhaut produzieren mit ihrem lipidreichen Sekret (Geruchsstoffe brauchen eine gewissen Fettlöslichkeit, um wahrgenommen zu werden) eine 20-50 µm dicke Schleimschicht. Diese enthält Antikörper, was die Zellen vor Viren und Bakterien (die auf diesem Wege direkt in das Gehirn gelangen könnten) schützt.
 

Abbildung: Geruchssinn
Modifiziert nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016

Die Schleimschichte ist 20-50 µm dick und wird alle ~10 Minuten erneuert. Sie enthält - neben Wasser und Elektrolyten - geruchsstoffbindende Proteine (erleichterte Interaktion mit Rezeptoren), Enzyme (Abbau von Geruchsstoffen), Glykosaminoglykane (Komponenten des Mukus) und Antikörper (über die Riechschleimhaut können Bakterien und Viren zum Gehirn gelangen).
 
Basal- und Stützzellen betten die olfaktorischen Neuronen ein, ernähren und erneuern sie.
 
Geruchsstoffe verspeister Nahrung strömen aus der Mund- in die Nasenhöhle ein (blaue Pfeile) und werden als Komponenten des "Geschmacks" detektiert


Das olfaktorische Epithel hat - auf einer Gesamtfläche von ~5-10 cm2 Riechschleimhaut, was 3-5% der gesamten Nasenschleimhaut ausmacht - ungefähr 20 Millionen Geruchssinneszellen ( Abbildung). Dies sind primäre Sinneszellen mit einem apikalen "Riechköpfchen" - einem singulären Dendriten mit einigen (8 bis 20) Zilien, die bündelartig in die Schleimschicht der Mukosa ragen und so die olfaktorisch aktive Fläche erweitern - und einem Axon, das durch die lamina cribriformis bis zu einem Glomerulus in bulbus olfactorius zieht. Die Zilien enthalten die Geruchsrezeptoren, der Schleim spezielle odorant-binding proteins, welche die Löslichkeit hydrophober Geruchsstoffe erhöhen. Die Enden der Zilien sind verdickt und enthalten Vakuolen, welche pinozytotisch aktiv sind: Sie nehmen Flüssigkeit auf und transportieren diese über den olfaktorischen Nerven zum Gehirn (die physiologische Bedeutung dieser Tatsache ist unklar). Die Summe aller Axone (fila olfactoria) macht den 1. Hirnnerven aus.

Zusätzlich zu den Sinneszellen gibt es
in der Riechschleimhaut Stamm- bzw. Basalzellen (sie dienen der Zellnachfuhr und können die Riechschleimhaut regenerieren) und Stützzellen, welche Schleim produzieren, die Sinneszellen umschließen, gliaähnliche Funktion haben und ihnen vermutlich Nährstoffe liefern.
  
  
  Abbildung: Geruchsrezeptoren im Körper
Nach Maßberg D, Hatt H. Human Olfactory Receptors: Novel Cellular Functions Outside of the Nose. Physiol Rev 2018; 98: 1739-63

Geruchsrezeptoren werden nicht nur im Geruchsorgan, sondern von Zellen im ganzen Körper (extranasal) exprimiert. Die funktionelle Bedeutung ist noch weitgehend unklar


Interessanterweise finden sich im ganzen Körper des Menschen Geruchsrezeptoren ( Abbildung); die Expression einiger Rezeptortypen ist streng zellspezifisch beschränkt, andere finden sich weit über die Gewebe verstreut. Die Funktion dieser Rezeptoren - wie Beteiligung an interzellulären Erkennungsprozessen, Zellmigration und -proliferation, Exozytose oder Apoptose - und das mögliche therapeutische Potential sind Gegenstand aktueller Forschung.  
 
Gerüche, Duftstoffe, Geruchsrezeptoren
 
Jede olfaktorische Sinneszelle exprimiert jeweils nur einen Rezeptortyp. Knapp 400 Gene für entsprechende GPCRs codieren beim Menschen funktionstüchtige Geruchsrezeptoren; mindestens ebenso viele sind nicht funktionsfähig (Pseudogene - ein Zeichen für die abnehmende Bedeutung des Geruchssinnes in der menschlichen Evolution).
    
Unterschiedliche Geruchsrezeptoren werden von unterschiedlichen Genen codiert
      
Spezifische Bindung der Geruchsstoffe: Geruchs-Rezeptorproteine sind G-Protein-gekoppelt (metabotrop), wie andere Rezeptoren dieses Typs heptahelikal (7 transmembranale Domänen), mit zahlreichen Abweichungen von üblichen Aminosäuresequenzen, was vermutlich mit der Bildung geruchsstoffbindender Molekültaschen zusammenhängt. Dazu kommt eine kleine Gruppe weiterer G-Protein-gekoppelter Geruchsrezeptoren mit völlig unterschiedlichen Aminosäuresequenzen (TAARs: Trace amine- associated receptors).
 
Signaltransduktion in olfaktorischen Neuronen
 
Die Signaltransduktion funktioniert ähnlich wie bei der Phototransduktion:
 

  Abbildung: Geruchsrezeption
Nach einer Vorlage in Liqun Luo, Principles of Neurobiology, 2nd ed. CRC Press 2021

Jede Sinneszelle (ORN: Olfaktorisches Rezeptor-Neuron) trägt auf ihrer terminalen Verbreiterung bis zu >20 Zilien, welche Geruchsrezeptoren und die Maschinerie zur Signalverstärkung tragen. Die Anlagerung des Geruchsstoffes an den Rezeptor führt zur Abdissoziierung von G-Proteinen, Adenylylcyclase III (AC) erzeugt cAMP, dieses öffnet Kationen-Permeasen (für Na+, Ca++), die Zelle depolarisiert. CNG, Cyclic nucleotide -gated channel
 
Negative Rückkopplungsschleifen sind rot gezeigt. Diese begrenzen die Aktivierung der Rezeptoren durch den Geruchsstoff (olfactory recovery) und geben den Weg frei für neuerliche Reizung:
1, Inhibition des CNG-Kanals durch Ca++-Calmodulin-Komplexe (CaM)
2, Aktivierung einer Phosphodiesterase (PDE1c) durch CaM
3, Inhibition der Adenylylcyclase (AC) durch CaMKII (CaM-Kinase II)
 
Eingedrungenes Ca++ öffnet schließlich Ca++-abhängige Cl--Kanäle (nicht gezeigt); Chloridionen strömen aus, depolarisieren die Rezeptorzelle (Rezeptorpotential), was schließlich Aktionspotentiale (Afferenz zum Bulbus olfactorius) auslöst


( Abbildung)

     Der Geruchsstoff bindet an spezifische Rezeptorproteine in der Zilienmembran
 
     Die Aktivierung des Rezeptors stimuliert ein heterotrimeres G-Protein, Golf
 
     Golf  aktiviert Adenylylcyclase III (ein spezieller Typus der Adenylylcyklase), diese kann zahlreiche cAMP-Moleküle produzieren (Verstärkung)
 
     cAMP bindet an einen nichtselektiven Kationenkanal (CNG: Cyclic nucleotide-gated ion channel)
 
     cAMP öffnet den Kationenkanal - das tut auch cGMP -, und die Permeabilität für Kationen (Na+, K+, Ca++) nimmt zu
 
     Der Netto-Einstrom von Kationen depolarisiert die Zelle
 
     Die in das Zytoplasma eingedrungenen Ca++-Ionen öffnen calciumabhängige Chloridkanäle (Anoctamin 2); der Chloridausstrom verstärkt die Depolarisierung
 
     Der Betrag des so entstandenen Rezeptorpotentials ist der Konzentration des Duftstoffes proportional. Bei Überschreiten des Schwellenpotentials treten - nicht nur an den Zilien, sondern an der gesamten olfaktorischen Zelle - Aktionspotentiale auf, die dem bulbus olfactorius zufließen.
 
Jeder Geruchsstoff aktiviert ein bestimmtes Muster an stimulierten Rezeptoren (und vielleicht auch verschiedene Stellen der Bindung am Rezeptormolekül). Jeder einzelne Rezeptor spricht auf mehrere Duftstoffe an, aber die Kombination erregter Rezeptoren ist für einen bestimmten Stoff spezifisch. Auch Moleküle mit sehr ähnlicher Struktur haben unterschiedliche Wirkung auf verschiedene Rezeptoren. Ähnliches gilt für Konzentrationsunterschiede, wobei mehr Duftstoff auch eine höhere Zahl ansprechender Rezeptoren bedeutet ("Umschlagen" des empfundenen Geruchs).
    
Geruchsrezeptoren sind metabotrope heptahelikale G-Protein-gekoppelte Rezeptoren
 
Aktivierung der Adenylylcyclase erhöht [cAMP], öffnet Ionenkanäle und führt zu Depolarisation
  
Duftstoffe: Es handelt sich meist um kleine Moleküle, die flüchtig sind. Da sie sich in der wässrigen Schleimschicht lösen müssen, um an die Rezeptoren zu gelangen, sind es vorwiegend hydrophile Substanzen.

       Die Anwesenheit reiner Duftstoffe wird exquisit über den N. olfactorius übermittelt (z.B. Zimt, Vanille).
 
      Zahlreiche Duftstofe haben eine trigeminale Komponente: Diese haben eine nozizeptive Warnunktion (z.B. Ammoniak, Salmiak, Chlor). Für eine Schmerzwahrnehmung sind typischerweise höhere Konzentrationen notwendig als für die reine Geruchswahrnehmung; sie bleibt andererseits auch bei völligem Ausfall des Geruchsempfindens (Anosmie) intakt.
 
      Duftstoffe mit Geschmackkomponente beteiligen sich an der Auslösung von Geschmacksempfindungen (z.B. Pyridin oder Chloroform).
 
Man unterscheidet acht Grundgerüche: Kampferartig, malzig, minzig, moschusartig, fischig, spermatisch, schweißig und urinös. Diese Grundgerüche sind den drei Grundfarben (rot, grün, blau) vergleichbar: Aus ihnen lassen sich alle anderen Geruchsmuster kombinieren. Besonders empfindlich ist der Geruchssinn für eher unangenehme Gerüche wie faulig und schweißig.

Der Körpergeruch hängt in seinem "Basiswert" (unabhängig von den unten aufgezählten Begleitfaktoren) vom MHC-Muster des jeweiligen Menschen ab, d.h. er ist genetisch festgelegt und individualspezifisch (und spielt bei der Partnerwahl eine Rolle). Er stellt sozusagen einen molekularbiologischen Fingerabdruck dar.

Der Körpergeruch ist weiters beeinflusst von

       Schweißproduktion (bakterielle Abbauvorgänge)

      Hygiene (Mundgeruch)

      Alter (Geruchsintensität hängt mit Hormonmuster und Riechvermögen zusammen)

      Ernährung (z.B. Knoblauchgeruch)

      Zustand (z.B. Acetongeruch bei Hunger: Ketose)

      Krankheit (z.B. Ammoniakgeruch bei Leberschäden).
 
Geruchsintensität: Maßeinheit der Geruchsintensität ist das Olf (subjektive Skala: ein ruhender Erwachsener emittiert 1 Olf, ein 12jähriges Kind 2 Olf, ein Sportler nach athletischer Betätigung 30 Olf).

Die Schwellenkonzentration beträgt beim Menschen ~107 Moleküle / ml Luft.

Hunde verfügen über eine 20mal größere Riechschleimhaut als Menschen, ihre Geruchsempfindlichkeit ist um ein Mehrtausendfaches höher.


Der Geruchssinn zeichnet sich durch rasche und starke Adaptation aus, die nur wenige (1-2) Minuten dauert - die adaptive Empfindlichkeitsabnahme kann bis zu 75% betragen.

Analyse- und Warnfunktion: Bei intensiveren, insbesondere unangenehmen Gerüchen, die auch Warncharakter haben - z.B. Rauch (Brandgefahr) - ist das anders. Scharfe / ätzende Geruchssensationen (z.B. Ammoniak, Chlor, auch Capsaicin, das Schmerzrezeptoren anregt) reizen Fasern des N. trigeminus, und diese Information kann auch bei kompletter Anosmie (Verlust des Geruchssinns) noch wahrgenommen werden.
    
Geruchsrezeptoren adaptieren rasch und fast vollständig (gilt nicht für Gerüche mit Warncharakter)
    
Die Geruchsschleimhaut befindet sich in der posterioren Nasenhöhle. Rasches abwechselndes Ein- und Ausatmen geringer Luftmengen ("Schnüffeln") ermöglicht eine olfaktorische Analyse der Außenluft (mit potentiell schädlichen Inhalten), ohne dass diese tief in die Lunge inhaliert werden muss.

Die Adaptation der Sinneszellen beruht auf mehrfachen Mechanismen:

 
 
       Ca++-Ionen, die infolge Reizung der Rezeptoren frei werden, verstärken und verlängern die Depolarisation nicht nur, sondern binden auch an Calmodulin. Der Ca++-Calmodulin-Komplex hemmt den CNG-Kanal, was die Depolarisation verringert
 
       Ca++-Ionen aktivieren die Phosphodiesterase, was cAMP abbaut und den CNG-Kanal ebenfalls inhibiert
 
       Die Rezeptoren der Zilien werden nach Bindung des Geruchsstoffs endozytiert (receptor downregulation)
  
Weiterleitung und beginnende Verarbeitung der Geruchsinformation

Die Information von den Geruchsrezeptoren am Dach der linken und der rechten Nasenhöhle (Riechepithel - beim Menschen jeweils ~2 cm2) werden durch die Siebbeinplatte über die Bündel (fila olfactoria) des jeweiligen N. olfactorius (I. Hirnnerv; Riechnerv) geleitet.
 

Abbildung: Das Riechsystem
Nach einer Vorlage in Kandel / Koester / Mack / Siegelbaum (eds), Principles of Neural Sciences, 6th ed. 2021 (McGraw Hill)

Die Axone der Geruchszellen enden in Glomeruli des Bulbus olfactorius (Riechkolben) an Dendriten von Büschel- und Mitralzellen. Diese projizieren auf die olfaktorische Rinde, wo sie an Dendriten von Pyramidenzellen enden (diese projizieren auf andere Gehirngebiete).
 
Glomeruli sind chemotop organisiert: Etwa 103 Sinneszellen, die einen identischen Duftrezeptor exprimieren, konvergieren auf jeweils eine Mitral- (mitral cell) oder Büschelzelle (tufted cell). Mitral- und Büschelzellen senden ihre Axone in den tractus olfactorius, projizieren also in das Gehirn


Die Axone (fila olfactoria) der geruchsempfindlichen Nervenzellen enden im Riechkolben (bulbus olfactorius, olfactory bulb). Hier werden die Eingänge nach Rezeptortyp organisiert:
 
In den - einigen hundert - Glomeruli (Durchmesser rund 0,1 mm) des bulbus olfactorius erfolgt die Umschaltung auf das sekundäre Neuron, vor allem Mitralzellen (die wegen ihrer Form, die an eine liturgische Kopfbedeckung erinnert, so benannt wurden). Dabei konvergiert die Information von mehreren tausend Sinneszellen auf die Dendriten von 40-50 Relaisneuronen. Dadurch reduziert sich die Zahl der sekundären Neurone um etwa das 100fache - auf einen Glomerulus entfallen ungefähr 100 sekundäre Neurone (Mitral- und Büschelzellen).
 
Jeder Glomerulus - und die darin enthaltenen Mitral- und Büschelzellen - empfängt Impulse von nur einem Typ von Geruchsrezeptoren (chemotope Projektion). Wie auch die Rezeptoren, werden dabei einzelne Glomeruli von jeweils mehreren Geruchsstoffen angeregt; die Identifikation einer bestimmten Substanz erfolgt durch das Erkennen des Musters an angeregten Glomeruli.
 
    Die auf einen Glomerulus konvergierende Information stammt von Sinneszellen, die einen bestimmten Geruchsrezeptor exprimieren. Das Gehirn orientiert sich an der Stärke der Erregung der Glomeruli, das Muster entspricht einer "Geruchslandkarte" der Umgebung.

Glomeruli erfüllen for
sensorische Systeme typische Aufgaben:
  Kontrastierung der afferenten Erregungsmuster durch laterale Hemmung.
Projektionen von Mitral- und Büschelzellen regen Interneurone an: Periglomeruläre und Körnerzellen. Diese hemmen benachbarte Mitral- und Büschelzellen (ähnlich wie Horizontalzellen der Netzhaut auf Photorezeptorzellen oder olivo-cochleäre Efferenzen (Neurone aus der oberen Olive) auf Haarzellen im Innenohr inhibierend wirken).
  Modifikation afferenter Aktivität durch negative Rückkopplung sowie durch Efferenzen aus dem limbischen System. Diese regen glutamaterg periglomeruläre und Körnerzellen an und hemmen die Weiterleitung von Geruchsinformation über sekundäre Geruchsneuronen. Die Übertragung von Geruchsinformation wird so eingeschränkt (Adaptation).
 

Abbildung: Interneurone im bulbus olfactorius
Nach einer Vorlage in Kandel / Koester / Mack / Siegelbaum (eds), Principles of Neural Sciences, 6th ed. 2021 (McGraw Hill)

Olfaktorische Neuronen, die denselben Geruchsrezeptor exprimieren, projizieren mit ihren Axonen auf dieselben Glomeruli. Dort wirken sie synaptisch auf Mitralzellen (mitral cells) und (hier nicht dargestellt) Büschelzellen (tufted cells). Diese entsenden apikale Dendriten zu jeweils einem Glomerulus und projizieren glutamaterg (exzitatorisch) auf die olfaktorische Hirnrinde. Sie unterscheiden sich in ihrem Ansprechverhalten und ihren Projektionsmustern.
 
Zusätzlich zu Mitral- und Büschelzellen befinden sich im Riechkolben GABAerge Zellen: Periglomeruläre (periglomerular cells) sowie Körnerzellen (granule cells). Diese wirken inhibitorisch auf sekundäre Geruchsneuronen. Sie werden von den sensorischen Neuronen (reziproke Synapsen)
glutamaterg angeregt, was die Geruchswahrnehmung eindämmt (Adaptation).
 
  Exzitatorische Einflüsse grün, inhibitorische rot angedeutet


Glomeruli sind also synaptische Komplexe mit intensiver Konvergenzschaltung (~103:1) auf sekundäre Geruchsneurone (Mitral- und Büschelzellen), deren Axone im tractus olfactorius weiterziehen. Das Muster der Erregung dieser Zellen ergibt olfaktorische Karten, sie entsprechen der Natur der jeweiligen Geruchsstoffe (Kombination mehrerer angeregter Rezeptorarten). Von spezifischen Geruchszellen (ORNs) über zugehörige Mitral- und Büschelzellen bis zum olfaktorischen Kortex bestehen so diskrete Verarbeitungskanäle (olfactory processing channels): Jeder Glomerulus empfängt Signale von mehreren tausend (einen definierten Rezeptor exprimierenden) ORNs, etwa 25 Mitralzellen sammeln gepoolte (geschärfte, kontrastierte) Information von jeweils mehreren hundert ORNs im Glomerulus ein und leiten diese weiter zum Gehirn.

  Dieser Mechanismus kann seinerseits durch Endocannabinoide gehemmt werden (die präsynaptischen Endigungen der modifizierenden efferenten Faserrn verfügen über CB1-Rezeptoren). Das erklärt, warum Cannabis die Geruchsempfindung steigert (Disinhibition) und so appetitanregend wirkt ("Geschmack" ist zu einem guten Teil Geruch).

Neben periglomerulären und Körnerzellen existiert in den Glomeruli noch eine weitaus größere Zahl anderer Interneurone. Die meisten sind GABAerg, einige dopaminerg oder glutamaterg. Ihre Aufgaben sind Gegenstand der Forschung.

Werden mehrere Geruchsstoffe gleichzeitig angeboten, kann es sein, dass das Resultat der olfaktorischen Analyse zwischen mehreren Mustern wechselt (d.h. die Wahrnehmung wird zwischen verschiedenen Zuständen umgeschaltet).


Zentralnervöse
Mechanismen beeinflussen die Empfindlichkeit zusätzlich (Habituation); diese Anpassung dauert allerdings lange (Wochen statt Minuten).

Zentrale Verarbeitung olfaktorischer Information
 
Zentrale Verarbeitung der Geruchs- und Geschmacksinformation erfolgt im Bereich der Insel - das kortikale Geschmackszentrum (gustatorische Zentrum) liegt oberhalb, das Geruchs- (olfaktorische) unterhalb der Linie des sulcus lateralis ( Abbildung):
 

 
Abbildung: Zentren für die kortikale Verarbeitung von Geruchs- und Geschmacksinformation
Nach einer Vorlage in Banich / Compton, Cognitive Neuroscience, 4th ed. 2018, Cambridge Univ. Press

Der gustatorische Kortex besteht aus zwei Teilen: Einer in der vorderen Inselwindung (AI) und einer im frontalen Operculum (FO, ein die Insel bedeckender Teil der Frontalrinde) - daher auch das Kürzel "AI/FO".

Der olfaktorische Kortex liegt auf dem hinteren cortex orbitofrontalis (cortex piriformis), Teilen der Amygdala, im tuberculum olfactorium des basalen Vorderhirns sowie am vordersten Ende (uncus) des cortex parahippocampalis


Wenn auch mit unterschiedlicher "Reichweite", erfüllen doch beide Systeme - das olfaktorische wie das gustatotrische - ähnliche Aufgaben, nämlich die Analyse der chemischen Zusammensetzung der Umwelt. Beide können Belohnungs- bzw. Anregungsimpulse vermitteln (wie Düfte, Lock- und Geschmackstoffe), beide vor Gefahren warnen (z.B. Brandgeruch, Gestank). Ihre Nähe zu, bzw. enge funktionelle Verknüpfung mit entsprechenden Gehirnabschnitten ist naheliegend.

Riechbahn: Die im bulbus olfactorius aufgearbeitete Information wird über Axone der Mitral- und Büschelzellen, die - als zweites afferentes Neuron - den tractus olfactorius bilden, weitergeleitet und projiziert ( Abbildung) - ohne Umschaltung im Thalamus (als einzige sensorische Afferenz) - u.a. auf
 
      das tuberculum olfactorium - von hier geht es zum bulbus olfactorius der Gegenseite,
 
      das limbische System (Lernvorgänge im Hippocampus),
 
      den piriformen und orbitofrontalen Kortex (Duftdiskriminierung und bewusste Wahrnehmung),
 
      den entorhinalen Kortex, von hier zu Hypothalamus und Tegmentum (emotionale Effekte).
 
  Der entorhinale Kortex (EC) ist ein Teil des Allocortex im medialen Temporallappen. Er ist zentral beteiligt an den Mechanismen von Zeitgefühl, Gedächtnis und Körperbewegung und stellt eine funktionelle Brücke zwischen Großhirnrinde und Hippocampusformation dar (EC-hippocampus system). Dieses System verwaltet vor allem den Aufbau und die Verfestigung des (deklarativen) Gedächtnisses, räumliches Gedächtnis, sowie Gedächtnisaufbau im Schlaf.
     
 
Abbildung: Zentrale Teile des olfaktorischen Systems

Im bulbus olfactorious liegen synaptische Kontakte ("Umschaltungen") zwischen 1. (Riechzellen) und 2. Neuron (Mitralzellen). Deren Neurit zieht über den tractus olfactorius, der sich im trigonum olfactorium in mehrere Faserzüge (striae olfactoriae) teilt.
 
Die stria olfactoria medialis projiziert auf das tuberculum olfactorium (Riechhügel), zum Septum (nuclei septales) und  zu den nuclei habenulares. Von hier können vegetative Hirnnervenkerne des Hirnstamms aktiviert werden (unbewusste Reaktionen).
 
Die stria olfactoria lateralis projiziert auf primäres Riechhirn (cortex piriformis, area entorhinalis) und Amygdala / area periamygdaloidea. Auf diesem Wege wird die Geruchswahrnehmung bewusst gemacht


All diese Destinationen projizieren ihrerseits auf den Thalamus (nucleus mediodorsalis), andererseits auf den frontalen Kortex ( Abbildung). Inwieweit der Thalamus bei dem afferenten Informationsfluss dieses phylogenetisch sehr alten Systems "umgangen" werden kann, wird in der Literatur unterschiedlich dargestellt (über den rhinalen Kortex zu Hypothalamus, Septumkernen, Mandelkernen?). Thalamus und frontaler Kortex haben Verbindungen zum gyrus cinguli und orbitofrontalen Kortex (Bewusstwerdung). Der Hypothalamus wird von Fasern aus dem Thalamus sowie den Amygdalae angesteuert, und der entorhinale Kortex sendet Axone an den Hippocampus (Emotionen).
 


Abbildung: Afferenzen vom bulbus olfactorius zum olfaktorischen Kortex
Modifiziert nach einer Vorlage in Kandel / Koester / Mack / Siegelbaum (eds), Principles of Neural Sciences, 6th ed. 2021 (McGraw Hill)

Die Axone von Mitral- und Büschelzellen im bulbus olfactorius ziehen über den lateralen tractus olfactorius zur Riechrinde, die aus mehreren Teilen besteht (der umfangreichste ist der cortex piriformis neben dem tuberculum olfactorium). Der nucleus olfactorius anterior verbindet die beiden Riechkolben über einen Teil der commissura anterior.
 
Von den sekundären olfaktorischen Arealen ziehen tertiäre Projektionen zu anderen Hirngebieten - teils direkt, teils über den Thalamus, u.a. zu frontalen und orbitofrontalen Kortexarealen, zum limbischen System (Mandelkerne, Hippocampus), zur vorderen Insel und zum Hypothalamus. Von diesem gehen entsprechende hormonelle und autonom-nervöse Reaktionen aus


Die Funktion der verschiedenen olfaktorischen Zentren ist zum Teil noch unklar. Der piriforme Kortex spielt wohl eine Rolle beim Geruchsgedächtnis und empfängt modulierende Signale von tertiären Rindengebieten, und Teile des limbischen Systems vermitteln neurohumorale Reaktionen auf entsprechende Geruchssignale. Der orbitofrontale Kortex scheint entscheidend für die Fähigkeit der Geruchsdiskrimination zu sein. Geruchsinformation beeinflusst emotionale Aktivitäten der Mandelkerne, und der Hypothalamus verwaltet das Appetitverhalten.

Der Geruchssinn
ist entwicklungsgeschichtlich besonders alt und der einzige, der direkt vom limbischen System kontrolliert wird. Dieses steuert Gefühls- und Triebreaktionen; unangenehmer Geruch (Gestank) kann aggressives, angenehmer (Duft) Glücksgefühle und positives Verhalten (Zuwendung etc) auslösen. Widerliche Gerüche können auch den Brechreflex auslösen.

Gerüche lösen Emotionen aus. Pheromone sind geruchlose Stoffe, die (bei Mitgliedern derselben Spezies) auf das sexuelle Verhalten wirken. Sie werden u.a. von apokrinen Drüsen in Achselhöhlen, Brust und Genitalien an die Umgebung abgegeben. Versuche haben gezeigt, dass solche Stoffe Versuchspersonen in Handlungen und Beurteilungen unbewusst, aber deutlich beeinflussen. Über olfaktorische Afferenzen werden Neuronengruppen im limbischen System zu neurohumoralen Reaktionen angeregt; auf diesem Wege können sich z.B. Menstruationszyklen eng zusammenlebender Frauen synchronisieren (weibliche Pheromone wie - vermutlich - Androstenol) oder der Zyklus durch männliche Pheromone (vielleicht Androstenon) beeinflusst werden.
 
Pheromone können von vielen Vertebraten über das paarig angelegte vomeronasale (Jacobson'sche) Organin der Schleimhaut der Nasenscheidewand (in einer Mulde unter und vor der Riechschleimhaut beginnend und einige mm nach dorsal ziehend, stark durchblutet und dicht innerviert) wahrgenommen werden. Der Mensch verfügt wohl (wenn überhaupt) lediglich über ein funktionsloses Rudiment des Jacobson-Organs
.


Auch die wissenschaftliche Untersuchung des Geruchssinns kann zur Erlangung hoher Würden führen: Richard Axel und Linda Buck erhielten 2004 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin "für die Erforschung der Riechrezeptoren und der Organisation des olfaktorischen Systems". Beim Studium der Geruchsrezeptorentwicklung stellten sie u.a. fest, dass die für die Geruchswahrnehmung verantwortlichen Gene (eine Genfamilie von ~103 Mitgliedern) verschiedene Rezeptoren codieren, von denen jede Sinneszelle jeweils nur einen ausbildet.

Bulbus olfactorius und Netzhaut: Vergleich der Verschaltungsmuster

Die "Schaltpläne" im Riechkolben und in der Netzhaut weisen einige Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede auf ( Abbildung):
 

Abbildung: Schema der Verschaltungen in bulbus olfactorius und Netzhaut
Nach einer Vorlage in Liqun Luo, Principles of Neurobiology, 2nd ed. CRC Press 2021

  Im bulbus olfactorius (links) wirken periglomeruläre und Körnerzellen inhibitorisch (rote Pfeile), in der Retina (rechts) Horizontal- und amakrine Zellen. Alle anderen sind exzitatorisch (grüne Pfeile).
 
Die inhibitorischen Zellen bewirken mittels GABA laterale Hemmung auf die afferenten Neuriten. Außer den gezeigten gibt es noch weitere Interneurone.
 
Die Dendriten der Mitral-, Körner- und periglomerulären sowie auch der Horizontal- und amakrinen Zellen können nicht nur Information empfangen, sondern auch senden (bidirektionale Kommunikation, dendro-dendritische Synapsen).
 
Horizontalzellen hemmen einige Bipolarzellen, aber hauptsächlich präsynaptische Endigungen von Sinneszellen (Photorezeptoren), während periglomeruläre Zellen hauptsächlich Dendriten von Mitralzellen inhibieren.
 
ORNs, Olfaktorische Rezeptor-Neuronen


Wie die Abbildung zeigt, verändert laterale Inhibition durch periglomeruläre sowie Körnerzellen im bulbus olfactorius die Geruchsdarstellung (Projektionen zum olfaktorischen Kortex) der Mitralzellen. Zwischenzellen überwiegen (um einen Faktor 102 zahlreicher als Mitralzellen) im bulbus olfactorius, die meisten davon sind GABAerg und daher inhibitorisch. Ähnlich wie Horizontalzellen und amakrine Zellen in der Netzhaut, bauen periglomeruläre und Körnerzellen
im bulbus  olfactorius Hemmungshöfe auf. Erstere beziehen Impulse sowohl von den Sinneszellen als auch von Dendriten der Mitralzellen, letztere von Dendriten der Mitralzellen, die sie ihrerseits inhibieren (dendro-dendritische Synapsen).

Jede Mitralzelle ist mit einem definierten Geruchsrezeptor verknüpft, und jeder Glomerulus repäsentiert einen bestimmten olfaktorischen Verarbeitungskanal. Im Schnitt senden mehrere tausend
olfaktorische Rezeptorneuronen Impulse an einen Glomerulus (was die Empfindlichkeit erhöht und die Wirkung von Störungen bei der olfaktorischen Darstellung reduziert), und der Glomerulus hat etwa 25 Ausgänge (Axone) von Mitralzellen.
   

  
Störungen des Geruchssinns heißen Dysosmien ; eine Abschwächung Hyposmie, ein völliger Ausfall des Riechvermögens Anosmie (z.B. angeboren, als Frühsymptom neurologischer Systemerkrankungen wie Mb. Alzheimer, oder nach Virusinfektionen). So zeigt sich z.B. bei einem Schnupfen, wie stark der Geruchssinn an der Entstehung von "Geschmack" beteiligt ist (Speisen erscheinen geschmacksarm, obwohl die Geschmackszellen normal arbeiten).

Meist beziehen sich Anosmien nur auf bestimmte Gerüche (spezifische Anosmien); das Geruchsempfinden gegenüber anderen Duftstoffen bleibt dabei erhalten. Vermutlich handelt es sich um Mutationen betreffender Rezeptorgene.

Auch bei vollständiger (genereller) Anosmie - z.B. infolge Erkrankungen des Atemtrakts - bleibt im Bereich der Nasenschleimhaut die Aktivität freier Nervenendigungen des N. trigeminus intakt; diese sprechen z.B. auf scharf riechende Substanzen (z.B. Ammoniak) an. Dieser Reiz wird auch von Menschen mit Anosmie wahrgenommen (Prüfung auf simulierte Anosmie: Patient behauptet, auch stechende Grüche nicht wahrzunehmen).

Geschmacksinn: Eine völlige Unempfindlichkeit gegenüber Geschmacksstoffen wird als Ageusie bezeichnet. Geschmacksstörungen heißen Dysgeusien (evt. bedingt durch Medikamente, Bestrahlungen etc); verminderte bzw. verstärkte Geschmackswahrnehmung Hypo- und Hypergeusie (gr. geusis = Geschmack).

Die Leitung über den Facialisnerven (VII)
kann bei Mittelohrentzündung (chorda tympani!) geschädigt werden; diejenige über den Glossopharyngeus (IX) bei Entfernung der Gaumenmandeln (Tonsillektomie).
 

 
      2000 bis 8000 Geschmacksknospen finden sich in Zunge, Gaumen, Rachen, Kehldeckel, oberem Ösophagus. "Bitter" wird in niedrigeren Konzentrationen erkannt als andere Geschmäcker (Warnfunktion). Geschmacksporen bieten eine Öffnung für die Diffusion von Geschmacksstoffen zu den Sinneszellen. Diese tragen Mikrovilli (Oberflächenvergrößerung) und detektieren Geschmacksstoffe. Sie adaptieren rasch (1-2 Minuten); ihre Lebensdauer beträgt ~10 Tage
 
      Geschmackssensible Sinneszellen sind sekundäre Sinneszellen. Ihre Zellmembran enthält Ionenkanäle (salzig: Epitheliale Natriumkanäle, sauer: protonenaktivierte Kationenkanäle) oder G-Protein-gekoppelte Rezeptormoleküle. Bitter, süß und umami werden über unterschiedlich kombinierte T1- und T2-Rezeptoren detektiert
 
      G-Protein-gekoppelte Rezeptoren wirken über Adenylylcyclase (→ cAMP), Phospholipase C (→ IP3) und Ca++. K+-Kanäle schließen, Ca++-Kanäle öffnen, die Zelle wird depolarisiert
 
      Geschmack wird über langsame Fasern (Aδ / C) über die Hirnnerven VII (chorda tympani: anteriore Zunge, Gaumen), IX (posteriore Zunge) und X (Rachenwand, Kehldeckel) geleitet - zum nucl. tractus solitarii (Geschmackskern). Projektionen erfolgen auf Hypothalamus und Mandelkerne, medulla oblongata (Speichelbildung, Schlucken), Vaguskerne (Verdauungsreflexe). Im nucleus posteromedialis thalami erfolgt eine Umschaltung vom 2. auf das 3. Neuron zu vorderer Insel, frontalem Operculum (primäre Geschmacksrinde), unterem gyrus postcentralis, orbitofrontalem Kortex (Aromaeindrücke)
 
      Die ~20 Millionen Geruchssinneszellen (Lebensdauer ~4 Wochen) haben Zilien mit G-Protein-gekoppelten  Geruchsrezeptoren, die im Nasenschleim gelöste Duftstoffe detektieren - unterstützt durch odorant-binding proteins, welche die Löslichkeit hydrophober Stoffe erhöhen. Jede olfaktorische Sinneszelle exprimiert jeweils nur einen Rezeptortyp
 
      G-Protein-gekoppelte Rezeptoren wirken über Adenylylcyclase, cAMP öffnet einen nichtselektiven Kationenkanal (CNG: Cyclic nucleotide-gated ion channel), der Einstrom von Na+ und Ca++ depolarisiert die Zelle und öffnet calciumabhängige Chloridkanäle
 
      Jede olfaktorische Sinneszelle exprimiert jeweils nur einen Rezeptortyp. Unterschiedliche Gene codieren unterschiedliche Geruchsrezeptoren; der Mensch verfügt über etwa 400 funktionstüchtige Geruchsrezeptorgene

      Die Geruchsschwelle liegt bei ~107 Molekülen / ml Luft. Glomeruli sind chemotop organisiert: Etwa 103 Sinneszellen mit identischen Duftrezeptoren projizieren auf jeweils eine Mitral- oder Büschelzelle, und diese in den tractus olfactorius. Periglomeruläre und Körnerzellen werden von efferenten Neuriten glutamaterg angeregt und wirken inhibitorisch (rasche Adaptation, außer bei Gerüchen mit Warncharakter)
 
      Die Adaptation beruht auf mehrfachen Mechanismen: Ca++-Ionen binden an Calmodulin, Ca++-Ionen aktivieren die Phosphodiesterase (beides verringert die Depolarisation); Rezeptoren werden endozytiert. Zentralnervöse Mechanismen bedingen Habituation, für diese braucht es aber Wochen, nicht Minuten
 
      Zentrale Verarbeitung: Aus dem bulbus olfactorius erfolgen Projektionen auf tuberculum olfactorium und bulbus olfactorius der Gegenseite; limbisches System (Lernvorgänge im Hippocampus); piriformen und orbitofrontalen Kortex (Duftdiskriminierung, bewusste Wahrnehmung); entorhinalen Kortex, Hypothalamus und Tegmentum (emotionale Komponenten); Thalamus (nucleus mediodorsalis), frontalen Kortex, Hypothalamus
 

 




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