Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
Limbisches System
© H. Hinghofer-Szalkay
corpus amygdaloideum: Mandelkern (amygdala = Mandel)
fornix (lat): Bogen, Gewölbe
gyrus cinguli: γύρος = Rundung, Saum, cingulum = Gürtel(windung)
Hippocampus: ἱππόκαμπος von ἵππος = Pferd und κάμπος = Monster (Mythologie: vordere Hälfte Pferd, hintere Fisch)
Klüver-Bucy-Syndrom: Heinrich Klüver, Paul Bucy
Limbisch: limbus = Saum, Besatz (ringförmige Struktur um Thalamus und Basalganglien: Fornix, gyrus cinguli, Hippocampus)
nucleus accumbens: accumbere = sich hinlegen, anlehnen (an das Septum)
Papez-Kreis: James Papez
Das
limbische System ist das Zentrum für Erkennen, Zurechtfinden, Lernen, Erinnerungen und Gefühle. Es
ordnet Sinnesmeldungen emotionale Bedeutung zu und beeinflusst
dementsprechend die Aktivität des autonomen Systems, endokrine
Kontrolle, motorische Muster, Motivation, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Befindlichkeit.
Besonders eng ist die Beziehung zum Riechhirn (emotionale Bedeutung des olfaktorischen Systems).
Das System hat kortikale (gyrus cinguli, gyrus parahippocampalis) und subkortikale
Anteile (Amygdala, Hippocampus, Septumkerne); seine Funktionen laufen
unter Kommunikation mit dem gesamten Großhirn ab. Der anteriore gyrus cinguli
vermittelt emotionale Komponenten, die u.a. Schmerz betreffen, posteriore Teile beeinflussen Aufmerksamkeit, Gedächtnis und
wahrscheinlich auch Empathiefähigkeit.
Die Amygdala
- zuständig für emotionale Konditionierung, affektrelevante
Lernvorgänge, Verunsicherung und Angst - korrespondiert intensiv mit Riechhirn,
Hypothalamus, Septumkernen und Hippocampusformation.
Der nucleus accumbens gilt als "Belohnungszentrum". Der Hippocampus
mit seinen zirkulären Verbindungen (entorhinaler Kortex) ermöglicht
Langzeitpotenzierung (Lernen), Abspeichern (und Wiederfinden) von Erfahrungen,
Gedächtnis und Lernen.
Eine spezielle Aufgabe des limbischen Systems ist die Orientierung im
Raum; es verfügt über Neuronen, die Orte und Richtungen erkennen und
zuordnen, sowie die Umwelt in ein virtuelles Koordinatensystem
einteilen (grid cells, place cells im entorhinalen Kortex).
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Übersicht Motivation und Antrieb; nucl. accumbens Orientierung im Raum Gyrus cinguli Somatisierung von Emotionen Limbische Funktionsmuster Mandelkerne Hippocampus und Frontalhirn
Praktische Aspekte
Core messages
Voraussetzung
für das Auftreten von Emotionen, Motivation, Gedächtnisaufbau und
Lernen ist die Funktion einer Nervenzone, die zwischen Großhirnrinde
und subkortikalen Teilen des Gehirns liegt und
entwicklungsgeschichtlich älter ist als der Kortex: Das limbische
System. Es liefert die Impulse, die dem Handeln "menschliche" Merkmale
verleiht (Emotionen werden über Mimik, Körpermotorik und Sprache
erkennbar), hilft bei der räumlichen Orientierung (Zurechtfinden
implementiert Wiedererkennen räumlicher Gegebenheiten) und ermöglicht
das Abspeichern (Lernen) und Aufrufen (Erinnern) von Gedächnisinhalten.
Ist das limbische System beschädigt, können gravierende
Persönlichkeitsveränderungen die Folge sein.
Limbisches System: Interpretation, Emotion, Lernen, Motivation
Das limbische System
gehört zusammen mit den Basalganglien zu den subkortikalen Systemen des Zwischen- und Mittelhirns. Es beurteilt Sinnesreize auf vorwiegend emotionale Aspekte (bekannt? neu? angenehm?
bedrohlich? etc) und macht es möglich, Gefühle und Emotionen (Freude, Lust, Angst, Trauer..)
zu empfinden, zu bewerten, zu merken und zu verarbeiten sowie mit entsprechenden Taten (Hinwendung, Abwehr, Flucht,..) und
physiologischen Vorgängen (Hormonausschüttung, Blutdruckänderung,
Pupillenweite etc.) zu beantworten und entsprechende Antriebe (Motivation) aufzubauen. Mit seiner Funktion ist auch die Fähigkeit des Lernens eng verknüpft.
Abbildung: Anteile des limbischen Systems
Nach einer Vorlage in Nieuwenhuys R, Voogd J, van Huijzen Chr
1988. The Human Central Nervous System: A Synopsis and Atlas, 3rd ed.
Berlin: Springer-Verlag
Oben: Medialansicht des Gehirns (entwicklungsgeschichtlich alte Kortexanteile blau unterlegt)
Unten:
Verbindungen zwischen tief liegenden Strukturen des limbischen
Systems. Die Pfeile geben die Vorzugsrichtung neuronaler Aktivität an.
Der Fornix
verbindet den Hippocampus mit dem Corpus mamillare und hilft bei der
Verfestigung von Gedächtnisinhalten (Kurzzeit → Langzeitgedächtnis).
Das Cingulum
ist ein Fasersystem im gyrus cinguli, das vom Frontallappenpol zum
Temporallappenpol zieht, Fasern vom Thalamus empfängt und Verbindungen
zum Subiculum (Verbindung zwischen Hippocampus und gyrus parahippocampalis) bzw. entorhinalen Kortex (area 28 / 34, beim gyrus parahippocampalis) herstellt.
Die stria terminalis ist die wichtigste efferente Bahn der Amygdala, sie projiziert auf den Hypothalamus und andere Gebiete des Hirnstamms.
Die ventrale amygdalofugale Bahn projiziert in den präfrontalen Kortex, in den Hypothalamus und zum zentralen Höhlengrau.
Der fasciculus longitudinalis dorsalis verbindet das corpus mamillare mit parasympathischen Hirnnervenkernen.
Das mediale Vorderhirnbündel (fasciculus medialis telencephali) verbindet das Tegmentum mit nucleus accumbens und Amygdala.
Die Kreisschaltung zwischen Kortex, Hippocampus, Hypothalamus, Thalamus und Kortex bezeichnet man als Papez-Kreis
Das limbische System besteht aus mehreren Teilen ( Abbildungen): Mandelkerne (amygdalae), Hypothalamus, gyrus cinguli, vordere Anteile des Thalamus, Mamillarkörper, Hippocampus.
Abbildung: Limbisches System
Nach einer Vorlage in Banich / Compton, Cognitive Neuroscience, 4th ed. 2018, Cambridge Univ. Press
Ansicht von vorne. Man erkennt die laterale Ausbreitung von gyrus cinguli und Hippocampus (Blautöne)
(Allo-) kortikale Anteile (in der Abbildung blau) sind der gyrus cinguli und der gyrus parahippocampalis des Temporallappens
Subkortikale Anteile sind die Hippocampusformation , Mandelkerne
(rotviolett in der Abbildung), Septumkerne (Kerngebiete an der
Basis des Septum pellucidum, versorgen den Hippocampus mit Acetylcholin)
Eng verknüpft sind Riechhirn, Hypothalamus, sensorischer Assoziationskortex, orbitaler Präfrontalkortex, nucleus accumbens :
Motivation und Antrieb: Der nucleus accumbens ( Abbildung) - ein Kerngebiet im unteren Vorderhirn, zwischen nucl. caudatus und Putamen gelegen - wird zu den Basalganglien gezählt und ist ein "Belohnungszentrum",
das durch entsprechende Reizmuster (Zuwendung, Gerüche,
Sex, Genussmittel, auch Vorstellung von Geld) angeregt wird und Lustgefühle generiert.
Sein Gegenspieler (Aufbau von Unlust- und Ablehnungsgefühlen) ist
in dieser Beziehung die Insel.
Abbildung: Nucleus accumbens
Nach einer Vorlage in Banich / Compton, Cognitive Neuroscience, 4th ed. 2018, Cambridge Univ. Press
Das paarig angelegte "Belohnungszentrum" nucleus accumbens
ist Teil des ventralen Striatum und liegt im basalen Vorderhirn,
rostral von der präoptischen Region des Hypothalamus. Es wird aus dem
Mittelhirn angeregt und projiziert über thalamische und
Basalganglienkerne auf das Präfrontalhirn.
Das ventrale tegmentale Areal (area tegmentalis ventralis) projiziert über das mediale Vorderhirnbündel (mesolimbische Leitungsbahn) dopaminerg auf Mandelkerne (Amygdala) und Hippocampus, nucleus accumbens und präfrontalen Kortex
Über den nucleus accumbens s. auch dort
Hat die Großhirnrinde ein entsprechendes Signal empfangen
und bearbeitet, sendet sie ein Signal an das ventrale tegmentale Areal
des Mittelhirns und regt dieses an. Vom ventralen tegmentalen Areal
gehen dann - über das mediale Vorderhirnbündel - dopaminerge Impulse an nucleus accumbens, Septum, Amygdala, Hippocampus
und präfrontalen Kortex ( Abbildung).
Der nucleus accumbens erhält dopaminerge Afferenzen aus dem Mittelhirn
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Der nucl. accumbens aktiviert anschließend entsprechende motorische Funktionen, der präfrontale Kortex kümmert sich um die Aufmerksamkeit. Die Verbindung dieser Zentren erfolgt auf- und absteigend - monoaminerg - über das mediale Vorderhirnbündel (mesolimbische Leitungsbahn), das daher auch als "pleasure (reward) bundle"
bezeichnet wird. Es verstärkt Tätigkeiten, welche die Belohnung
intensivieren können. Sein Ursprung liegt in der formatio reticularis,
kreuzt das ventrale Tegmentum, zieht durch den lateralen Hypothalamus
und erreicht schließlich den nucleus accumbens, das Septum, die Amygdala und den präfrontalen Kortex (blaue Pfeile in der <Abbildung).
Eine Entwicklung von Suchtverhalten ist auch mit Aktivität des nucl. accumbens verknüpft.
Zu den Aufgaben des limbischen System gehört auch die Orientierung im Raum.
Untersuchungen haben ergeben, dass das limbische Gehirn über spezielle
Nervenzellen verfügt, welche eine dynamische Orientierung des
Organismus in seiner (sich "passiv", d.h. von außen, und "aktiv", d.h.
entsprechend der Eigenbewegung, ständig ändernden) Umwelt erlauben.
Diese Neuronen sind jeweils auf eine bestimmte Aufgabe spezialisiert
und untereinander verschaltet, sodass sie die Aufgaben der Raumorientierung kooperativ wahrnehmen können.
So werden positionssensible
Ortszellen (place cells) im
Hippocampus immer dann aktiv, wenn bestimmte Stellen -
place fields - in der Umwelt angesprochen werden. Ortszellen
sind hippocampale Pyramidenzellen, die aktiv werden, wenn das Individuum einen bestimmten Ort - das place field - seiner persönlichen Umgebung betritt. Sie werden zeitlebens erneuert (Neurogenese).
Meldungen aus dem Gleichgewichtsorgan
sind nicht nur für das aktuelle Zurechtfinden im Schwerefeld, sondern
auch für das räumliche Gedächtnis wesentlich, und Menschen mit
beidseitig beschädigtem Vestibularapparat zeigen veränderte Aktivität
hippocampaler Ortszellen. Die Aktivität der Ortszellen nimmt unter Alkoholeinfluss deutlich ab und reduziert das Vermögen, sich zurechtzufinden - auch und insbesondere in Hinblick auf Langzeitwirkungen.
Gitterzellen (grid cells)
befinden
sich im
entorhinalen Kortex (grid-like cells im entorhinalen Kortex des Menschen). Sie entwerfen
ein hexagonales Raummuster (auch ohne Sinneseinflüsse), d.h. sie
konstruieren sozusagen einen abstrakten Euklidischen Raum um den
Organismus (
Abbildung), in den dann die aktuellen Sinneseindrücke "eingepasst"
werden.
Wie diese Neuronen (insbesondere place cells und grid cells)
zusammenarbeiten und wie diese Muster im menschlichen Gehirn
funktionieren, ist Gegenstand aktueller Forschung. Man vermutet, dass
der Hippocampus in der Lage ist, "kognitive Karten" der individuellen
Umgebung aufzubauen und für die Orientierung zu nutzen. Vermutlich organisieren diese Zellen die Gedankenwelt in einen räumlichen Kontext.
Abbildung: Grid cells
Nach einer Vorlage bei Mattias Karlén / The Nobel Committee for Physiology or Medicine 2014
Gitterzellen (grid cells) im entorhinalen Kortex legen über das persönliche Umfeld (z.B. ein Zimmer, in dem man sich befindet) ein bienenwabenförmiges (hexagonales) Koordinatensystem. Diese virtuelle neuronale "Umgebungskarte" dient der Orientierung: Bewegt man sich durch den Raum, feueren entsprechend zugeordnete Neuronen, wenn man deren Position im virtuellen Koordinatennetz passiert.
Ortszellen (place cells) sind der Zuordnung bestimmten Gitterzellneuronen im entorhinalen Kortex entsprechende Punkte ("Adressen") im Hippocampus, an denen bestimmte Gedächtnisinhalte (Assoziationen) festgemacht werden können.
Das System
dient dem Zurechtfinden im Umgebungsraum und der Zuordnung bestimmter
Gedächtnisinhalte bzw. Erinnerungen, die mit diesem Raum verknüpft sind.
Ist man an einem bestimmten Zielort der inneren Landkarte angekommen, werden
border cells
aktiv. Diese feuern im entorhinalen Kortex des Temporallappens auch
dann, wenn man eine Begrenzung seiner Bewegungsfreiheit registriert.
Head direction cells
finden sich in mehreren limbischen Hirnarealen; sie arbeiten
orientierungsspezifisch und erhöhen ihre Aktivität, wenn das Tier
seinen Kopf in eine bestimmte Richtung hält. Ihre Aktivität entspricht
einer
Proportionalantwort,
d.h. sie adaptieren
nicht, sondern ihre Entladungstätigkeit bleibt solange aufrecht, wie
die Kopfposition beibehalten wird. Sie ändern ihre Aktivität auch kurz
vor einem Wechsel der Kopfposition. Beeinflusst werden sie vor allem
durch Sinnesinformationen von Vestibularsystem (Lage des Kopfes im
Raum) und Netzhaut (Position in Relation zur Umwelt).
Auch hat man zeitempfindliche
time cells
nachgewiesen - diese lernen Zeitintervalle (z.B. den Abstand zwischen
zwei definierten Reizen) und reagieren dann auf das Auftreten eines
"ersten" Reizes mit Aktivität nach Ablauf der programmierten Zeitspanne
(sie "erwarten" das Auftreten des entsprechenden zweiten Stimulus).
Time cells informieren über
zeitliche Assoziationen.
2014 erhielten John O'Keefe, May-Britt Moser und Edvard I. Moser den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für ihre Entdeckung des "Navigationssystems" im Gehirn durch grid cells.
Funktionen des gyrus cinguli
Der gyrus cinguli erfüllt mehrere Aufgaben, die sich auf motorische Kontrolle, Erkennen, Lernen, Gedächtnis und Emotionen konzentrieren.
Abbildung: Vorderer gyrus cinguli als Teil des kortikolimbischen Systems
Nach Benes FM, Amygdalocortical circuitry in schizophrenia: from circuits to molecules. Neuropsychopharmacol 2010; 35: 239-57
Das
kortikolimbische System besteht u.a. aus dem rostralen cortex cinguli,
der Hippocampusformation (Hippocampus, Gyrus dentatus, Subiculum) und
den basolateralen Amygdalakernen.
Der gyrus cinguli anterior beeinflusst emotionale Erfahrungen,
Aufmerksamkeitssteuerung und Motivationslage. Emotionales Lernen wird
mediiert durch das Zusammenwirken von Mandelkernen und
Hippocampusformation, motivationale Antworten vom dorsolateralen
Präfrontalhirn verwaltet
Der gyrus cinguli gehört zum kortikolimbischen System, wie auch
der Hippocampus und der basolaterale Mandelkern, und ist besonders
aktiv, wenn Reize angeboten werden, die leicht verwechselt werden
können (Entscheidungsdruck). Er ist in zahlreiche Bewusstseinsvorgänge involviert und vermittelt emotionale
Komponenten, die auch Reaktionen auf Schmerz betreffen.
Der gyrus cinguli vermittelt die Wahrnehmung emotionaler Schmerzkomponenten
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Der vordere Teil (gyrus cinguli anterior, anterior cingulate cortex ACC)
- ein Teil des Frontalhirns -
hat Funktionen im Bereich der Motorik, der Aufmerksamkeitssteuerung und
emotionaler Kontrolle. Er enthält Eingänge aus ventralen
Thalamuskernen und aus dem Neokortex, konzentriert
sich auf das Abschätzen der Folgen einer Handlung, Erkennen von Fehlern und Konflikten,
bewertet deren Ausmaß und leitet entsprechende Korrekturen ein.
Insbesondere für die Kontrolle "neuer" motorischer Muster unter
kognitiver Kontrolle spielt er eine Rolle.
Der ACC hat drei Abschnitte, die - wie der motorische Kortex - jeweils somatotop gegliedert sind und sich offenbar funktionell gegenseitig ergänzenden (Komplementarität):
Der anteriore Abschnitt des ACC ist mit dem dorsolateralen präfrontalen Kortex verknüpft, er korrigiert komplexe Bewegungen und löst motorische Konflikte,
der mittlere korrespondiert mit dem prämotorischen Kortex und konzentriert sich auf die Auswahl von Bewegungen,
der posteriore (kaudale) ist mit dem primär-motorischen sowie dem parietalen Kortex verbunden und gliedert sich wiederum in separate Gebiete für Hand, Gesicht sowie Auge. Seine Aufgabe ist die Planung und Korrektur von Bewegungen.
Parallel zur Aktivierung des ACC kommt es zur Mobilisierung von Energieträgern:
Der locus coeruleus aktiviert Aufmerksamkeit und Lernfähigkeit, wobei der zerebrale Energiebedarf (Glucose) steigt
Der Hypothalamus aktiviert Sympathikus und Nebenniere - beide Mechanismen erhöhen den Blutzuckerspiegel
Die höchste Konzentration NMDA-sensitiver Glutamatrezeptoren befindet sich im Hippocampus und vorderen gyrus cinguli. (Intensive
Emotionen erhöhen die Aktivität im gyrus cinguli anterior, dessen
spezielle Spindelzellen wahrscheinlich mit emotionaler Kommunikation zu
tun haben).
Der kaudale Teil (gyrus cinguli posterior) ist intensiv durchblutet (40% über dem zerebralen
Durchschnittswert). Er beteiligt sich an der Kontrolle und Planung von Bewegungen,
insbesondere wenn diese neu und ungewohnt sind und erlernt werden
müssen.
Dabei wird er typischerweise mit motorischen Rindengebieten
koaktiviert. Er beteiligt sich weiters an der Verarbeitung von
Emotionen und
Gedächtnis.
Der gyrus cinguli posterior ist Teil des "Default Mode Network", einem System an korreliert agierenden Hirnregionen, die in einem Zustand fehlender aufgabenspezifischer Anforderungen ("Ruhezustand", resting state) aktiv sind und beim Lösen bestimmter Aufgaben "ausgeschaltet" werden ( s. dort).
Der hintere gyrus cinguli hat reziproke Verbindung mit
dem medialen Temporallappen - entorhinaler Kortex, Parahippocampus (Gedächtnis, Assoziationen),
dem Parietallappen (Aufmerksamkeit, Sozialverhalten, Emotionen),
Orbitofrontalhirn, gyrus cinguli anterior, Thalamus, nucl. caudatus (Lernen und Motivation).
Somatisierung von Emotionen
Emotionen
bedingen verschiedene somatische Effekte. Das
autonome Nervensystem beeinflusst die Organe unter anderem im Rahmen
von Affekten, Emotionen und Gefühlen, wie Freude, Wut, Ärger,
Trauer, Angst etc.
Abbildung:
Somatische "Gefühlskarte" (bezogen auf den Kontrollwert,
"neutral" rechts oben) bei verschiedenen emotionalen Zuständen
Nach Nummenmaa L. et al, Bodily maps of emotions. PNAS 2013; 111: 646–51
Mehrere hundert Probanden unterschiedlicher Ethnie. Somatisierung der
subjektiv empfundenen Wirkung von Worten, Kurzgeschichten, Filmen und
Gesichtsausdrücken. Die Probanden wurden aufgefordert, auf einer
computergenerierten Körpersilhouette Zonen mit "warmen" Farben zu
belegen, wo sie eine erhöhte Aktivität empfanden, und mit "kalten" bei
empfundener verringerter Aktivität.
So regt Glücksgefühl das
Körpergefühl an, vor allem im Bereich des Kopfes und der Brust (gelbe
und rote Farbtöne). Vermutlich spiegelt dies Anregung der Herz- und
Atemtätigkeit wider.
Bei Niedergeschlagenheit wird der Körper als
weniger angeregt empfunden (blaue und schwarze Farbtöne)
Dabei zeigen sich physiologische Effekte wie
Erblassen / Erröten (Hautgefäße)
Tachykardie (ß1-Rezeptoren)
Blutdrucksteigerung (periphere Vasokonstriktion)
Atemfrequenzsteigerung
Gänsehautbildung usw.
Sind
diese Auswirkungen universell (also am ganzen Körper gleich ausgeprägt)
oder je nach Gefühlslage unterschiedlich beschaffen? Tatsächlich wirken
sich bestimmte emotionale Zustände auf die Körperregionen verschieden
aus. So wurde untersucht, wie diverse Befindlichkeiten das somatische Aktivierungsmuster verändert.
Es stellte sich heraus, dass diese Muster bei Menschen europäischer und
asiatischer Herkunft (physiologisch offenbar vorgegeben) gleich sind
(kulturell universelle kategorische somatotope "Körperkarten",
s. Abbildung).
Limbische Funktionsmuster
Das Funktionsmuster des limbischen Systems ist spezialisiert auf kontextadäquates Interagieren und Reagieren. So wird das räumliche Gedächtnis im hinteren Hippocampus mit aufgebaut
(Orientierungsvermögen).
Das Frontalhirn wird von Thalamus und ARS
(=aktivierendem
retikulären System im Hirnstamm) angeregt und ordnet limbische
Verhaltensprogramme bestimmten übergeordneten Zielen (z.B. soziales
Verhalten, ethische Erwägungen) unter.
Umgekehrt unterliegt das
Frontalhirn dem Einfluss des dorsomedialen Thalamuskerns, der vom Temporalhirn (inferotemporaler
Neokortex, Amygdala) beeinflusst wird. Die funktionellen Beziehungen
sind also reziprok; die Zahl der Fasern, die vom limbischen System zum
Kortex ziehen, überwiegt allerdings diejenige der Fasern der
Gegenrichtung, was zeigt, dass Emotionen starke Wirkung auf die
Gedanken haben (umgekehrt weniger).
Das
limbische System ist dem Hypothalamus aufgeschaltet und steuert mit
diesem emotional betonte Reaktionen auf Umwelt- und
Innenreize. Es koordiniert weiters biologische Rhythmen, vor allem den
Tag-Nacht- (zirkadianen) Rhythmus, was sich auf zahlreiche Hormonsysteme
auswirkt.
Zustände von Traurigkeit gehen mit gesteigerter Durchblutung in
limbischen Strukturen einher; Glücksgefühl senkt die
Durchblutung paralimbischer Areale.
Pharmakologische Anregung des
limbischen Systems (z.B. Prokaininfusion) löst emotionale und
psychomotorische Phänomene aus (Angst, Halluzinationen, Euphorie u.a.).
Das limbische System ist Angriffspunkt zahlreicher Systeme, die im Hirnstamm
ihren Ursprung haben (z.B. dopaminerg). Hier ist z.T. die Erklärung für
stark triebgesteuerte und emotionsgefärbte Reaktionen auf spezifische
Reizmuster zu suchen.
Emotionale Gefühlsmuster werden von einem Netzwerk zephaler Strukturen
erzeugt und verwaltet, die man - im Fall von positiver Erregung und
Glückserlebnissen - als "neuronales Glücksnetzwerk" bezeichnen kann. Dazu gehören vor allem Teile der Basalganglien (nucleus accumbens, ventrales Pallidum, Teile des Tegmentum), das Orbitofrontalhirn ( Abbildung) und der vordere gyrus cinguli.
Abbildung: Einige an der Erzeugung / Verarbeitung von Glücksgefühlen beteiligte Hirnstrukturen
Nach einer Vorlage bei white.stanford.edu
Gezeigt sind Verbindungen des orbitofrontalen Gehirns
Besondere Bedeutung hat das limbische System für Lernen und Gedächtnis.
Insbesondere der Hippocampus mit seinen spezifischen Verschaltungen
(zirkuläre synaptische Einbindung von CA-Zellen vom und zum
entorhinalen Kortex) und Langzeitpotenzierung ermöglicht einen Mechanismus zum Abspeichern und Wiederfinden von Erfahrungen / Fähigkeiten / Gedächtnisinhalten.
Mit bildgebenden Verfahren (PET: Positronenemissionstomografie)
konnte nachgewiesen werden, dass beim (auch nur vorgestellten)
Navigieren durch die (imaginäre) Umwelt eine hohe Aktivität des
(rechten) Hippocampus nachweisbar ist. Dies deckt sich mit Befunden bei
Versuchsratten, bei denen während ähnlicher Aufgaben direkt (mittels Mikroelektroden) Aktivität von Zellen im Hippocampus abgeleitet wurde. Solche Neuronen (place cells) repräsentieren place fields,
d.h. Stellen in der individuellen Umgebung, die aktiv sind, wenn sich
das Tier dort befindet oder wenn es sich auf diese Orte
konzentriert (s. weiter oben).
Vermutlich gibt es solche Zellen auch beim Menschen. Man hat gefunden,
dass bei Londoner Taxifahrern der posteriore
Hippocampus größer ist als bei Vergleichspersonen (proportional zum
Grad ihrer Berufserfahrung), während der anteriore Hippocampus
verkleinert ist. Der Hippocampus spielt bei der Erinnerung an
persönliche Umgebungsmerkmale eine Schlüsselrolle (räumliches Gedächtnis).
Die Mandelkerne (corpora amygdaloidea ) liegen in der Tiefe
des Uncus des Temporallappens und sind mit Riechhirn, Hypothalamus,
Septumkernen und Hippocampusformation
verbunden. Ihre Efferenzen - u.a. zu Hypothalamus, gyrus cinguli, regio praeoptica, septum pellucidum und Habenulae - laufen über
die
stria terminalis, sie projiziert u.a. auf den Hypothalamus, den Thalamus und den
nucleus striae terminalis (bed nucleus of the stria terminalis, extended amygdala)
die
ventrale amygdalofugale Bahn, diese projiziert in den präfrontalen Kortex, den Hypothalamus und zum
zentralen Höhlengrau
die
commissura anterior, über sie sind die beiden Mandelkerne miteinander verbunden
Abbildung: Efferenzen der Mandelkerne
Nach einer Vorlage bei http://what-when-how.com
Ein Hauptausgang führt über die stria terminalis, sie projiziert auf den nucleus striae terminalis (bed nucleus)
und den rostralen Hypothalamus. Der ventrale amygdalofugale Weg läuft
zum periaquäduktalen Höhlengrau des Mittelhirns. Andere Fasern
projizieren auf den präfrontalen Kortex
Die Mandelkerne ermöglichen
emotionale Konditionierung sowie emotions- und affektrelevante Lernvorgänge,
insbesondere in Verbindung mit Verunsicherung und Angst (Projektionen
in den orbitalen Präfrontalkortex; beim Klüver-Bucy-Syndrom (s. ganz unten) kommt es u.a. zu Verlust
des Angstempfindens). Sie beteiligen sich an der Steuerung
des gesellschaftlich angebrachten Verhaltens
(Beachtung von Regeln, Manieren, Hierarchien etc.).
Eine wesentliche Rolle spielen die Mandelkerne bei der Bewertung der das Individuum betreffenden Gesamtsituation und bei der Entscheidungsfindung
- und zwar beim emotionalen (raschen) Teil ("aus dem Bauch heraus", was
in bestimmten Situationen überlebenswichtig sein kann), im Gegensatz zu
langsameren, rationalen ("vernünftigen") Entscheidungsmechanismen, die
durch andere Teile des Großhirns (vor allem das Frontalhirn) ermöglicht
werden und in Bereichen einer komplexen Kultur oder Technosphäre für
optimale Problemlösungen unabdingbar sein können.
Die Mandelkerne bilden ein Furchtgedächtnis: Das dient der raschen Erkennung von Gefahren. Die Amygdalae spielen auch für das emotionale Lernen
eine Hauptrolle, z.B. im sozialen Kontext (welche Signale bedeuten
was?). Läsionen im Bereich der Mandelkerne beeinträchtigen die
Fähigkeit, die emotionale Bedeutung von Gesichtsausdrücken (insbesondere von Angst)
richtig zu erkennen. Diese Bedeutung bestimmt auch, wie stark die
Amygdalae angeregt werden: Die Betrachtung glücklicher Gesichter regt
sie nur geringgadig, diejenige ängstlicher hingegen stark an. Die
entsprechenden Informationen gehen den Mandelkernen vor allem von subkortikalen
Umschaltestellen zu - Pulvinar thalami, obere Vierhügel -, nicht vom
visuellen Assoziationskortex. So reagieren auch "rindenblinde" Personen
(mit defektem visuellen Kortex) auf emotionale Ausdrücke (affective blindsight)
- indem ihre Mimik unbewusst auf emotionale Signale dargebotener
Gesichter reagiert (z.B. Kontraktion des m. zygomaticus major bei
Lächeln, des m. corrugator supercilii bei Stirnrunzeln).
Die corpora amygdaloidea bilden ein Angstgedächtnis
|
Sowohl Stimulation als auch Ausfälle im Bereich der Mandelkerne
beeinflussen das Verhalten; so wurde z.B. gezeigt, dass Schädigung
bestimmter Teile der nucl. amygdalae besonders verständnisvolle,
einfühlsame Verhaltensweisen zur Folge haben können.
Abbildung: Schema der wichtigsten Verbindungen im und des Amygdalasystem(s)
Nach einer Vorlage bei unifr.ch
Der
Eingangskern ist der nucleus lateralis, der nucl. basolateralis kann
Ansgt generieren, der nucl. basalis bearbeitet Schmerzimpulse, der
nucl. medialis ist auf Geruchs- und Geschmacksbewertung spezialisiert.
Der nucl. centralis (Ausgangskern) projiziert auf Hypothalamus und Hirnstamm
Das
Amygdalasystem besteht aus etwa einem Dutzend Kernen mit jeweils
spezifischen Aufgaben und Verbindungen. Die wichtigsten sind der
laterale, basolaterale, basale, mediale und zentrale Kern
( Abbildung):
Der laterale
Amygdalakern ist der "Eingangskern", an ihn gelangen Informationen über
den inneren und äußeren (Sinnesorgane) Zustand des Organismus von Thalamus und Kortex. Der
Lateralkern sucht
nach emotionalen Erfahrungsbildern und verleiht somatischen und viszeralen Sinnesreizen
gefühlsmäßige Signifikanz. Verbindungen mit dem Präfrontalhirn und dem gyrus cinguli ordnen
die Gefühle ein, lassen emotionale Erinnerungen wach werden und helfen
bei der Formulierung angemessener somatischer und autonomer Antworten.
In weiterer Folge kann der basolaterale Kern Angstreaktionen
anregen; solche reflexhafte Reaktionen entziehen sich der bewussten
Kontrolle, Zweck ist die rechtzeitige Vermeidung von Verletzung und Schmerz.
(Parallele Verarbeitungswege laufen über den Kortex, werden bewusst verarbeitbar und
benötigen mehr Zeit.) Der Basolateralkern speichert Muster ab, die als
Schlüssel zur plötzlichen Akivierung von Angstreaktionen dienen
(Konsolidierung).
Abbildung: Das emotionale Gehirn
Nach Dolan RJ, Emotion, cognition and behavior. Science 2002; 298: 1191-4
An
emotionaler Verarbeitung und Kontrolle beteiligte Hirnregionen im
Mediansagittalschnitt (links), anterior-coronalem (Mitte) und
posterior-coronalem Schnitt (rechts)
Bei Gefahr wird der nucleus basalis eingeschaltet,
der den nucleus centralis und das basale Höhlengrau aktiviert
(Schmerzminderung) und im Kortex die Ausschüttung von Acetylcholin (und
damit eine Aufmerksamkeitsreaktion) stimuliert. Der nucl. basalis hat Zugang zum zentralen Höhlengrau und dessen Schmerzmodifikation.
Der mediale Amygdalakern ist auf die emotionale Kontrolle
von Geruch (Eingang vom bulbus olfactorius), Geschmack und Schmerz spezialisiert.
Verbindungen zum lateralen Kern sowie zu Hypothalamus und Vorderhirn dienen der
Kontrolle motorischer und autonomer Kerne im Hirnstamm.
Der zentrale Amygdalakern ist der "Ausgangskern". Hier konvergieren
Impulse aus den Nachbarkernen, wobei enge Verbindung zur emotionalen Instrumentalisierung
des Parasympathikus besteht. Der basale Anteil kann fight-or-flight-Verhalten auslösen, der zentrale eine 'Erstarrungsreaktion' (Verbindung mit dem
zentralen Höhlengrau).
Über Feedback von den Eingeweiden
vermittelt der Zentralkern Kontrolle der autonom-nervösen
Aktivität (vegetativer Tonus).
Die Hippocampusformation organisiert das was, wo, wann, mit wem
Die Hippocampusformation unterstützt
das Erinnern an Fakten
und Erfahrungen, bis diese im Kortex endgültig abgespeichert sind. Sie ermöglicht es, die Bedeutung
spezifischer Außenreize einzuschätzen. Sie
steht mit Hypothalamus, Septum und Amagdalakernen
in reziproker Verbindung. Sie bezieht aufgearbeitete sensorische
Information aus dem entorhinalen Kortex ( Abbildung).
Abbildung: Temporalhirn und Hippocampus
Nach einer Vorlage in Banich / Compton, Cognitive Neuroscience, 4th ed., Cambridge Univ Press 2018
Links oben laterale Ansicht, rechts coronal, links unten Schnitt durch den Hippocampus.
Aufgearbeitete
Sinnesinformation aus temporalen Arealen gelangt über
parahippocampalen, peri- und entorhinalen Kortex zum Hippocampus.
Dieser projiziert zurück auf assoziativen Kortex, und über den Fornix
auf Thalamus (via Mamillarkörper) und Hypothalamus
Über hippocampale Verschaltungen s. auch
dort
Erneuerung des Neuronenpools: Als besondere
Ausnahme im Nervensystem ist die Hippocampusformation auch in der Lage, jederzeit neue Neuronen auszubilden; die jungen Nervenzellen sind außerordentlich erregbar und bilden zahlreiche synaptische
Kontakte aus, was die Prägung neuer Gedächtnisspuren unterstützt. Man
schätzt, dass die Neubildung hippocampaler Neuronen den laufenden
Verlust zeitlebens kompensiert (konstante Neuronenzahl).
Der Hippocampus verfügt über reziproke Verbindungen mit dem entorhinalen Kortex im gyrus parahippocampalis ( Abbildung s. dort),
der aus so gut wie allen kortikalen Assoziationsarealen Informationen
über die Situation erhält, in der sich die Person gerade befindet.
Der gyrus parahippocampalis erzeugt einen Gesamteindruck der aktuellen Umwelt (scene recognition); die in unteren Windungsteilen gelegene parahippocampal place area (PPA)
wird aktiv, wenn Probanden vertraute Landschaften oder Räume
erblicken. Das trifft auch für die soziale Umgebung sowie den
zeitlichen Kontext der Ereignisse zu.
Ist diese Region beschädigt,
haben betroffene Personen
Schwierigkeiten, sich in einer - sonst vertrauten - Umgebung
zurechtzufinden.
Zur Bedeutung des Hippocampus für die Raumorientierung s. oben
Abbildung: Der entorhinale Kortex bereitet sensorische Information
für den Hippocampus auf, dieser projiziert auf Hypothalamus und
Septumkerne
Nach einer Vorlage in Clark / Boutros: The Brain and Behavior, Blackwell Science 1999
Modifizierende Einflüsse aus locus coeruleus und Raphekernen
Der direkt benachbarte gyrus fusiformis dient der Gesichtserkennung, er wird dabei wahrscheinlich durch die PPA unterstützt.
Der perirhinale Kortex hat für Lernen und Gedächtnis besondere Bedeutung,
Beschädigungen machen sich in ausgeprägten Störungen von Merkfähigkeit und Erinnerungsvermögen bemerkbar (anterograde Amnesie).
Zum Hippocampus s. auch dort
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Das Frontalhirn (präfrontaler
Kortex) ist an der Abstimmung von inneren mit externen Motivationen
sowie der erlernten Kontrolle angeborener Verhaltensweisen beteiligt -
in enger Verbindung mit dem limbischen System, dessen
assoziativer Kortex teilweise im Stirnhirn lokalisiert ist. Es hat eine
zentrale Steuerfunktion und ermöglicht es u.a., Gefühle und impulsive
Verhaltensweisen zu kontrollieren und höhergestellten (sozialen, kulturellen..)
Aspekten unterzuordnen.
Frontalhirnausfall führt zu Schwankungen zwischen
Antriebslosigkeit und Euphorie, Beharren auf Tätigkeitsabläufen
(Perseverationen), Ablenkbarkeit und Reizbarkeit des Patienten. Die Planung
motorischer Abläufe ist gestört. Emotionale Labilität,
Distanzlosigkeit, Impulsivität und sexuelles Fehlverhalten sind
kennzeichnend.
Abbildung: Lage und Projektionen des nucl. basalis (Meynert'scher Kern)
Nach Gauthier S, Advances in the pharmacotherapy of Alzheimer's disease. CMAJ 2002; 166: 616-23
Der
nucleus basalis projiziert cholinerg in die Großhirnrinde, Zellgruppen des septum pellucidum in den
Hippocampus
Zerstörung der Mandelkerne kann durch Hirnverletzungen, Enzephalitis oder andere Enzephalopathien erfolgen und in einem Klüver-Bucy-Syndrom resultieren. Signale,
die das Sozialverhalten regulieren, werden dann nicht mit affektiven
Zuständen (Stimmung) der Betroffenen in Beziehung gesetzt. Typische
Symptome sind unkontrolliertes Sexualverhalten, abnorme
Furchtlosigkeit, emotionale Verflachung, Aphasie und optische Agnosie
bis zur Demenz.
Beidseitiger
Ausfall der Hippocampusformation hat katastrophale Folgen für das
Aufnehmen neuer Information und Erinnern. Die Septumkerne und der
basale Meynert-Kern (nucleus basalis, Abbildung) sind cholinerg und ebenfalls am Erinnern beteiligt
(degeneriert bei Alzheimer-Krankheit; Hyperemotionalität kann eine
weitere Folge sein).
Bei Schizophrenie wurden Veränderungen in dopaminergen und glutaminergen Bahnen des limbischen Systems nachgewiesen.
Das limbische System besteht aus kortikalen (gyrus cinguli, gyrus
parahippocampalis) und subkortikalen Anteilen (Hippocampusformation,
Mandelkerne, Septumkerne) und ist eng mit Riechhirn, Hypothalamus,
sensorischem Assoziationskortex, orbitalem Präfrontalkortex und nucleus
accumbens verbunden
Der nucleus accumbens fördert Motivation und Antrieb und generiert
Lustgefühle - als Gegenspieler der Insel. Angeregt wird er - wie auch
Septum, Mandelkerne, Hippocampus und präfrontaler Kortex - domapinerg
vom ventralen Tegmentum des Mittelhirns über das mediale
Vorderhirnbündel
Das limbische System hilft bei der Orientierung im Raum. Grid cells erkennen Richtungen und Grenzen in einem virtuellen Koordinatensystem. Ortszellen (place cells) im Hippocampus werden aktiv, wenn bestimmte Orte der Umwelt angezielt werden. Head direction cells entladen - ohne zu adaptieren -, solange eine bestimmte Kopfposition beibehalten wird. Border cells werden aktiv, wenn man an einem Zielort der inneren Landkarte angekommen ist
Der gyrus cinguli ist an Erkennen, Lernen, Gedächtnis, "Mitfühlen" und Emotionen beteiligt:
-- Der gyrus cinguli anterior
beeinflusst die Aufmerksamkeit und konzentriert sich auf das Erkennen
von Fehlern und Konflikten, bewertet deren Ausmaß und veranlasst
entsprechende Handlungen. Dabei aktiviert er den locus coeruleus
(Aufmerksamkeit, Lernfähigkeit) und den Hypothalamus (Sympathikus -
Nebenniere - Erhöhung des Blutzuckerspiegels)
-- Der stark durchblutete gyrus cinguli posterior beteiligt sich an Motivationen und Emotionen, Schmerzverarbeitung und persönlichem Langzeitgedächtnis, und ist Teil des "default mode network", einem System von Hirnregionen, die im Ruhezustand aktiv sind
Die Mandelkerne projizieren über die stria terminalis auf Hypothalamus,
Thalamus und nucleus striae terminalis; über die ventrale
amygdalofugale Bahn auf präfrontalen Kortex, Hypothalamus und zentrales
Höhlengrau; und über die commissura anterior zum kontralateralen
Mandelkern. Emotionale Konditionierung und affektrelevante Lernvorgänge
im Rahmen der Verhaltenssteuerung gehören zu ihren Aufgaben. Sie
bewerten die individuelle Gesamtsituation und helfen bei "intuitiver"
Entscheidungsfindung. Sie bilden ein Furchtgedächtnis zur raschen
Erkennung von Gefahren
Der laterale Amygdalakern ist
der "Eingangskern", er sucht nach emotionalen Erfahrungsbildern und
verleiht somatischen und viszeralen Sinnesreizen gefühlsmäßige
Signifikanz. Der basolaterale Kern kann reflexhafte Angstreaktionen anregen. Der mediale Kern übernimmt die emotionale Kontrolle von Geruch, Geschmack und Schmerz. Der zentrale Amygdalakern ist der "Ausgangskern", er kann Flucht- oder Kampfverhalten, oder eine Erstarrungsreaktion auslösen (flight, fight or fright). Zerstörung der Mandelkerne führt zum Klüver-Bucy-Syndrom
Die Hippocampusformation - ihre Neuronen werden ständig erneuert, was
ihre Zahl konstant hält - unterstützt das Erinnern an Fakten und
Erfahrungen, bis diese im Kortex endgültig abgespeichert sind. Sie
erzeugt einen Gesamteindruck der aktuellen Umwelt (scene recognition). Ausfall der Hippocampusformation führt zum Verlust des Lern- und Erinnerungsvermögens
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