Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

  
Integrative Funktionen des Nervensystems, Physiologie des Verhaltens

Frontalhirn
© H. Hinghofer-Szalkay
Aphasie: ἀ-φασία = Sprachlosigkeit - φασϰω = sagen
Brodmann-Areale:
Korbinian Brodmann
Broca'sches Areal: Paul Broca
frontal: frons = Stirn





Der Frontallappen ist Sitz der motorischen Planung und Steuerung, von Teilen des Arbeitsgedächtnisses, und der Kontrolle der Persönlichkeit. Information aus anderen Kortexarealen wird dabei berücksichtigt: Sehen, Hören, Fühlen, Erinnerung an frühere Erfahrungen. Das Frontalhirn tauscht sich mit dem limbischen System aus: Während dieses Emotionen generiert, ermöglicht das Frontalhirn deren Beherrschung.

Das motorische (Broca'sche) Sprachzentrum (area 44/45) grenzt an prämotorische Areale und die vordere Zentralwindung (Bereiche für Gesicht, Rachen und Kehlkopf). Es verwaltet Motorik und Bedeutungsanalyse im Rahmen der Sprachverarbeitung. Bei ~95% der rechtshändigen, auch der Mehrzahl linkshändiger Personen ist das motorische Sprachzentrum in der linken Großhirnhemisphäre angesiedelt ("sprachdominante" Hemisphäre), manchmal ist das Sprachzentrum auch bilateral angelegt.

Das Präfrontalhirn - der vordere Teil des Frontallappens - berücksichtigt aktuelle Sinnesinformation in Hinblick auf angebrachte Verhaltensmuster (Analyse- und Überwachungssystem): Es organisiert das Verhalten im Sinne einer rationalen Kontrollinstanz (Beherrschung emotionaler Impulse aus dem limbischen System). Seine Afferenzen stammen nicht nur aus dem (mediodorsalen) Thalamus (glutamaterg), sondern auch aus Hirnstamm (dopaminerg, noradrenerg, serotoninerg) und Zwischenhirn (cholinerg, GABAerg).

Der orbitale Präfrontalkortex kann Glücks- und Angstgefühle generieren - mit seinen Verbindungen u.a. zu Amygdala und Insel steuert er die "emotionale Persönlichkeit".

Übersicht Motorisches Sprachzentrum Präfrontalkortex  Orbitofrontalhirn   Integrierte Steuerung

Core messages
   
Die Rinde des Fontallappens kann als "Aktionskortex" gesehen werden, so wie posteriore Rindengebiete als sensorisch einzustufen sind: Sie steuert die Motorik. Der größte Anteil der Frontalhirnrinde wird als Präfrontalkortex bezeichnet, dieser liegt vor dem motorischen Kortex und gilt als "Sitz der Vernunft" und der Persönlichkeitskontrolle. Das Präfrontalhirn koordiniert Augenbewegungen (Okulomotorik), Sprechen (Artikulation) und das Ausdrücken von Emotionen (Mimik) - weitgehend über Hirnnerven. Die vor der Zentralfurche liegenden Gebiete (motorische, prämotorische und supplementärmotorische Rinde) steuern die Skelettmuskulatur über absteigende spinale Pfade (Pyramidenbahn).
 
Das Frontalhirn koordiniert Motorik und Persönlichkeit
 

  Abbildung: Die wichtigsten mit der Kontrolle der Morotik befassten Areale der Großhirnrinde
Nach einer Vorlage in Banich / Compton, Cognitive Neuroscience, 4th ed. 2018, Cambridge Univ. Press

Linke Hemisphäre von lateral, rechte von medial gesehen.
 
Motorische Rindenareale befinden sich sowohl auf der lateralen als auch der medialen Oberfläche des Gehirns.
 
Die primäre motorische Rinde liegt unmittelbar rostral von der Zentralfurche. Sie kontrolliert Kraft und Richtung geplanter Bewegungen.
 
Vor ihr liegen prä- und supplementärmotorische Gebiete, weiter vorne das frontale Augenfeld. Diese Gebiete sind auf Auswahl, Vorbereitung und Auslösung von Bewegungen spezialisiert.
 
Der anteriore gyrus cinguli liegt über dem Balken und unter dem sulcus cinguli. Seine Aufgabe ist die Selektion und Überwachung motorischer Programme.
 
Der parietale Kortex verwaltet und interpretiert sensorische Eingänge und hilft dem motorischen Gehirn bei der situationsgerechten Auswahl seiner Programme


Die Großhirnrinde steht im Mittelpunkt der Planung, Entscheidung und Initiierung willkürlich beeinflussbarer Kraftentwicklung bzw. Bewegungen. In die Kontrolle des Ablaufs sind alle Instanzen der motorischen Steuerung integriert ( Abbildung):
 
 
Abbildung: Kontrolle von Willkürbewegungen
Nach einer Vorlage bei Silverthorn, Human Physiology, an integrated approach, 4th Int'l ed. 2007, Pearson / Benjamin Cummings

1:  Sensorische Meldungen (somatisch, visuell etc) - z.B. Feststellung der eigenen Körperposition im Raum

2:  Planung und Entscheidung - z.B. Abschätzen der Wirksamkeit einer Handlung

3:  Koordination und zeitliche Struktur (Kleinhirn)

4:  Ausführung: Kortikospinaltrakt → Skelettmuskeln

5:  Ausführung: Extrapyramidalmotorische Beeinflussung von Haltung, Körperbalance, Gang

6:  Kontinuierliches Feedback (grüne Pfeile) zu Rückenmark, Kleinhirn und Kortex


Der Frontallappen (Stirnlappen, lobus frontalis, frontal lobe) zeichnet sich durch komplexe Leistungen aus, die mit der Steuerung von Bewegungsabläufen, Eigenschaften der Persönlichkeit sowie dem Bewusstsein zu tun haben:
 
      Das Frontalhirn verwaltet bewusst beeinflussbare motorische Abläufe
 
      Es vollbringt höchste Hirnleistungen wie das Deuten komplexer Sachverhalte, Selbstbeherrschung, Urteilen und Handeln nach moralischen / ethischen Kriterien, Berücksichtigen sozialer Signale und Situationen
 
      Es verhindert die Verwechslung aktueller Eindrücke (Erleben der Umwelt) mit Erinnerungen. Im Schlaftraum ist diese Funktion zumeist blockiert - Realität und Fantasie können dann nicht unterschieden werden
 
      Das Frontalhirn erhält den Großteil der dopaminergen kortikalen Eingänge; diese können thalamische Afferenzen modifizieren und dämpfen und so Aufmerksamkeitsspanne, Planung und Motivation beeinflussen.

 
Abbildung: Lateraler Präfrontalkortex
Nach einer Vorlage in Banich / Compton, Cognitive Neuroscience, 4th ed. 2018, Cambridge Univ. Press

Die rückwärtige Grenze des Frontallappens (zum Parietallappen) ist der sulcus centralis (caudal von area 4).
 
Area 8
enthält das frontale Augenfeld, area 9 ist das d
orsale präfrontale Areal (Arbeitsgedächtnis, Entscheidungsfindung, soziales Erkennen), area 10 der anteriore Präfrontalkortex, area 12 der Orbitofrontalkortex (sensorische Integration, Entscheidungsfindung)area 44 / 45 der motorische Sprachkortex (Broca-Zentrum), area 47 der orbitale Teil des unteren Frontalkortex


Zuordnung zu Brodmann-Arealen ( Abbildung):

Der präfrontale Kortex wird uneinheitlich eingeteilt; anatomische, histologische und physiologische Kriterien überschneiden sich teilweise. Morphologisch unterscheidet man beispielsweise einen lateralen, polaren, orbitalen und medialen Abschnitt:

      Lateraler Teil: Laterale Seitenfläche (lateraler gyrus frontalis superior, gyrus frontalis medialis, gyrus frontalis inferior)
 
      Polaler Teil: Vorderer Pol (gyrus frontopolaris, gyrus frontomarginalis)
 
      Orbitaler Teil: An Augenhöhle angrenzend (orbitale Gyri, gyrus rectus) - Brodmann-Areale 11, 12
 
      Medialer Teil (medialer gyrus frontalis superior, gyrus cinguli)

Der präfrontale Kortex beteiligt sich an der Abstimmung von inneren mit externen Motivationen sowie der Kontrolle von Verhaltensweisen - er ordnet Gefühle und Verhaltensweisen höhergestellten Aspekten unter -, in enger Kooperation mit dem limbischen System (dessen assoziativer Kortex liegt teilweise im Frontalhirn).
  

Abbildung: Kortikale Bewegungsplanung
Nach einer Vorlage in Carlson NR / Birkett MA, Physiology of Behavior, 12th ed. Pearson 2017

Posterior gelegene assoziative Rindengebiete beteiligen sich an Wahrnehmung und Erinnerung, frontale an der Planung motorischer Abläufe. Die Bewegungsplanung scheint im präfrontalen Kortex zu beginnen und sich über prä-supplementärmotorische und supplementärmotorische Areale zum primären Motorkortex "vorzuarbeiten" - ein Vorgang, der mehrere Sekunden in Anspruch nimmt.
 
Die Bewegungsplanung des Frontalhirns beruht auf Eingängen aus assoziativen Arealen in Okzipital- (visuelle Empfindungen), Parietal- (Raum- und Lageempfindung) und Temporallappen (Hörempfindung)



Der supplementärmotorische Kortex (SMA: supplementary motor area) spielt eine entscheidende Rolle für die Durchführung von Bewegungsabfolgen. Er kümmert sich um die Planung jeweils nachfolgender (nächster) Komponenten einer Reihe motorischer Elemente (deren tatsächliche Durchführung dann dem primären motorischen Kortex obliegt).

Der weiter vorne liegende Prä-supplementärmotorische Kortex (pre-SMA) (
Abbildung) scheint in die Planung spontaner Bewegungen und damit in die Willkürmotorik eingebunden zu sein (Bewegungsintention). Dies scheint schon zu beginnen, bevor (2-3 Sekunden) die Person den "Drang" zur Durchführung dieser Bewegung verspürt (sie also zu planen vermeint). Der primäre Impuls zur motorischen Planung scheint allerdings noch weiter anterior - im präfrontalen Kortex - zu reifen.

Frontalhirnausfall
führt zu Schwankungen zwischen Antriebslosigkeit und Euphorie, Beharren auf Tätigkeitsabläufen (Perseverationen), Ablenkbarkeit und Reizbarkeit, gestörter Planung motorischer Abläufe, emotionaler Labilität, Distanzlosigkeit, Impulsivität und sexuellem Fehlverhalten.


Der rückwärtige Teil des Frontallappens enthält motorische und prämotorische Rindengebiete. Der weiter vorne gelegene präfrontale Kortex übernimmt kognitive Aufgaben und wird in einen dorsolateralen und einen orbitofrontalen Anteil gegliedert.

      Schädigungen des dorsolateralen Präfrontalhirns schwächen das Urteilsvermögen, Planung, Einsicht und zeitliche Zuordnung
 
      Schädigungen des orbitofrontalen Präfrontalhirns beeinträchtigen motorisches Antwortverhalten (Mimik!), emotionale Stabilität, soziale Einsicht und Zielkonzentration

Fluss und Aufrechterhaltung des Arbeitsgedächtnisses (Sekunden bis Minuten) werden vom Frontallappen gesteuert - zusammen mit Parietalhirn, gyrus cinguli und Basalganglien. Zur prämotorischen Rinde gehört auch das frontale Augenfeld in der area 8;  es steuert Kerne in Mittel- und Zwischenhirn an, welche dann die Aktivität der motorischen Augenmuskelkerne (N. III, IV, VI) koordinieren.

Über motorische Efferenzen (absteigende Bahnen von Gehirn bis Rückenmark) s. dort
 
Motorisches Sprachzentrum (Broca)
  
Als motorisches (Broca'sches ) Sprachzentrum (meist der linken Hemisphäre) gelten die Brodmann-Areale 44 und 45, was der etwa viereckigen pars opercularis (das Operculum bedeckt die Insel) und der etwa dreieckigen pars triangularis des gyrus frontalis inferior (untere Frontalwindung) entspricht ( vgl. dort). Zum gyrus frontalis inferior gehört auch die pars orbitalis, welche der Augenhöhle anliegt (~ Brodmann 47). Das Broca-Zentrum wird in erster Linie in der pars triangularis verortet.

Diese Teile spielen neben der Generierung der Sprachmotorik (z.B. beim Vorlesen, beim spontanen Sprechen) auch eine wichtige Rolle für die kognitive Gedächtniskontrolle (die verbalisiert, d.h. in Worte gefasst wird) und semantische (bedeutungsmäßige) Sprachverarbeitung
.

Das Broca-Areal grenzt an das prämotorische Areal und Teile der vorderen Zentralwindung, die Gesicht, Rachen und Kehlkopf steuern und beinhaltet die Bewegungsprogramme, die beim Sprechen benötigt werden.

Störungen dieses Zentrums führen zu motorischer Aphasie (Sprechstörung infolge kortikaler Schädigung). Betroffene Personen können einer Unterhaltung zwar folgen, selbst aber keine Sätze formulieren und auch einzelne Worte nur bruchstückhaft sprechen - und sind sich dessen auch bewusst.

Wie für andere Kortexareale gilt allerdings auch für das Broca-sche Sprachzentrum, dass seine Leistungen - manchmal, nicht immer - auf benachbarte oder kontralateral- korrespondierende
Rindengebiete umgelernt werden können (z.B. bei Auftreten eines langsam wachsenden Tumors - neuronale Plastizität).
 
      Lateralisation: Die linke Hemisphäre ist in der Regel sprachdominant, d.h. sie enthält die motorische und sensorische Sprachregion. Die Sprachbildung (Verbalisierung) ist Voraussetzung für bewusstes Erleben und Äußern, die linke Hirnhälfte ist so für die Entstehung des Bewusstseins verantwortlich.

Die rechte Hemisphäre dient komplexen visuellen Verarbeitungen (dreidimensionale Vorstellung, Mustererkennung, beispielsweise eines Gesichts ... Fehlfunktion: Prosopagnosie), Musikverständnis usw. Die Gesamtleistungen des Gehirns ergeben sich durch Zusammenarbeit der beiden spezialisierten Hemisphären (vgl. split brain).
 
Präfrontalhirn
 
Das Präfrontalhirn ist der vordere Teil des Frontallappens; es enthält Afferenzen aus dem mediodorsalen Thalamus. Das Präfrontalhirn kontrolliert Emotionen und gilt als der "Sitz der Persönlichkeit". Es verwaltet das Kurzzeitgedächtnis und organisiert ein motorisch und emotional angemessenes Verhalten. Bei Primaten ist es besonders stark entwickelt; es ermöglicht die laufende Kurzzeitspeicherung neuer Information und konstituiert so eine wesentliche Stütze des Arbeitsgedächtnisses.
 

Abbildung: Frontalhirn
Nach einer Vorlage in Banich / Compton, Cognitive Neuroscience, 4th ed. 2018, Cambridge Univ. Press

Die drei Hauptabschnitte des Frontalhirns sind der motorische (M), prämotorische (PM) und präfrontale Kortex (PF).
 
Die Präfrontalregion wird weiter unterteilt in eine dorsolaterale, orbitale (orbitofrontale) und mediale (ventromediale). Dorsolaterale Kortexanteile beschäftigen sich mit Gedächtnis und exekutiven Funktionen, orbitale mit der Verarbeitung von Emotionen, mediale mit Beurteilung,
Fehlererkennung und Entscheidungsfindung


Der mediale Präfrontalkortex ist Teil des Default Mode Network, dessen Teile ihre Aktivität beim "Versenken" in das "Innere Ich" synchronisieren ( s. dort).
 
Zu den Aufgaben des medialen Präfrontalkortex
gehört auch die Bewegungsplanung; er übernimmt dabei die Rolle eines central command für die Kreislaufsteuerung während körperlicher Belastung.
 
Das Präfrontalhirn

     hat intensive Verbindungen mit sensorischen Assoziationsgebieten
 
     verfügt über komplex aufgearbeitete, aktuelle visuelle, auditorische und somatosensorische Information
 
     integriert diese laufend in Hinblick auf die aktuelle Situation, in der man sich gerade befindet.
 
Man spricht von einem Analyse- und Überwachungssystem (supervisory attentional system).
Im Präfrontalhirn erfolgt u.a. auch die Bewusstwerdung der komplexen Bedeutung gesprochener Worte.
 
  
  Der (phylogenetisch junge) Präfrontalkortex macht ein Drittel der gesamten Großhirnrinde aus und ist erst mit der Adoleszenz vollständig differenziert (später als andere Kortexregionen). Er fungiert als mentale Kontrollinstanz, Sitz des Arbeitsgedächtnisses und der Aufmerksamkeit. Als rationale Kontrollinstanz hält er entwicklungsgeschichtlich ältere Strukturen - wie das limbische System (insbesondere die Mandelkerne) und den Hirnstamm - im Zaum ("Selbstbeherrschung") und hemmt konfliktträchtige Gedanken und Verhaltensweisen.

Glutamat, Aspartat und
GABA sind - wie im gesamten Kortex - die am häufigsten verwendeten Transmitterstoffe.

Weiters
erhält der Präfrontalkortex folgende Eingänge:

    dopaminerge aus dem Mittelhirn
 

    noradrenerge aus dem locus coeruleus
 
    serotoninerge aus den Raphekernen
 
    cholinerge aus dem Zwischenhirn.
 
Ausgänge: Das Frontalhirn projiziert intensiv auf andere Kortexregionen, wie über den fasciculus longitudinalis superior auf das Okzipitalhirn und das Temporalhirn (fasciculus arcuatus, fascuculus uncinatus). Auf Thalamus, Hirnstamm und Rückenmark projizieren absteigende Fasern, vor allem über die capsula interna (deren Fasern zwischen Thalamus und nucl. caudatus ziehen).
 

Abbildung: Verlagerung von Frontalhirn- auf limbische Kontrolle bei Stresseinwirkung
Nach Arnsten AF, Stress signalling pathways that impair prefrontal cortex structure and function. Nature Rev Neurosci 2009; 10: 410-22

Links: Im entspannten Zustand kann sich das Frontalhirn ungestört seinen Funktionen widmen. Das Präfromtalhirn ist mit kortikalen und subkortikalen Nachbarregionen topographisch geordnet verknüpft - Emotionen regulierende Zonen liegen ventral und medial  (grün markiert) und solche, die Gedanken und Handlungen steuern, dorsal und lateral (blau markiert). Die dorsolateralen Zonen sind intensiv mit sensorischen und motorischen Rindengebieten verbunden, die ventromedialen mit subkortikalen Strukturen wie Hypothalamus, nucleus amygdalae und nucleus accumbens. Dorsomediale präfrontale Rindenzonen schließlich ermöglichen Fehleranalyse und Realitätsabgleich, sie unterstützen Planung und Entscheidungsfindung. Insgesamt ermöglicht dieses System intelligentes Denken und Verhalten.
 
Rechts: Kommen ablenkende, intensive oder akut bedrohliche sensorische Impulse dazu, erzeugen die Mandelkerne Stressreaktionen mit vegetativen und motorischen Mustern, die vom Frontalhirn schwer beherrschbar werden können. Durch Aktivierung entsprechender Kerngebiete im Hirnstamm kommt es zu intensiver Ausschüttung von Noradrenalin (NA) und Dopamin (DA), was regulative Funktionen des Frontalhirns schwächt (Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeit) und die Mandelkerne anregt - eine Art circulus vitiosus baut sich auf: "Kontrolle von unten" (z.B. grelle Sinneseindrücke) ersetzt zusehends die "Kontrolle von oben" (Prüfung auf Relevanz), Impulse aus den Mandelkernen engen den Entscheidungsspielraum motorischer Programme ein


Unter Stresseinwirkung kann erhöhte Aktivität dieser ("archaischen") Gebiete - insbesondere über dopaminerge und noradrenerge Afferenzen an präfrontale Kortexneurone - die Funktionen des Frontalhirns empfindlich stören ( Abbildung). Folge ist - insbesondere nach chronischem Stresseinfluss, der z.B. die Synapsen im Frontalhirn verändern kann - Angst, Depression, unkontrolliertes, emotionsbetontes Verhalten bis hin zu hemmungslosem Essen und Trinken, Alkohol- und Drogenkonsum etc. (posttraumatische Belastungsstörungen, posttraumatic stress disorder PTSD).

Östrogen scheint die Stressanfälligkeit zu erhöhen, dies könnte erklären, warum das Depressionsrisiko bei Frauen höher ist als bei Männern.
 
Orbitofrontalhirn
   s. auch dort


Abbildung: Lage des orbitofrontalen Kortex
Nach einer Vorlage in Banich / Compton, Cognitive Neuroscience, 4th ed. 2018, Cambridge Univ. Press

Dieser Abschnitt des Frontallappens liegt direkt über der Augenhöhle (orbita) - daher die Bezeichnung. Der mediale Teil wird manchmal auch als ventromedialer präfrontaler Kortex bezeichnet.
 
Links Lateralansicht, rechts Ansicht von ventral


Der orbitale Präfrontalkortex (orbitofrontal cortex OFC, Brodmann-Areale 11, 12 und 14, s. Abbildungen) verfügt über intensive reziproke Projektionen, u.a. für komplexe motorische Kontrolle - insbesondere

  Gesichts- und Handsteuerung (Mimik, Greifbewegungen).

  Auch auditive Aufgaben werden orbitofrontal koordiniert (rostrale Bahn für phonetische Verarbeitung, kaudale Bahn für akustisch-räumliche Analyse).

  Intensive Verbindungen bestehen mit dem oberen Temporalgebiet, was für Objekt- und Raumerkennung wesentlich ist.

  Das Präfrontalhirn unterstützt zielgerichtete Aufmerksamkeit und unterdrückt störende (zusätzliche, ablenkende) Komponenten bei der Verhaltensausführung.

  Es führt Informationen verschiedener Modalität (Sehen, Riechen, Schmecken..) zusammen.

  Das soziale Umfeld wird berücksichtigt, die Persönlichkeit betreffende Situationen und Maßnahmen (wie Belohnung, Bestrafung) werden identifiziert.

Der orbitale Präfrontalkortex ist in die Erzeugung und Kontrolle von Glücks-, aber auch Angstgefühlen involviert - er bringt Emotionen in das Bewusstsein. Für Emotions- und Persönlichkeitssteuerung zuständig, ist er mit der vorderen Insel, Hippokampus und parahippokampalem Komplex, dem Temporalpol, Hypothalamus, dem unteren Parietallappen, dem gyrus cinguli und dem Mandelkern verbunden und empfängt sowohl exterozeptive (die Umwelt betreffende) als auch interozeptive (den Körper betreffende) Information.

Das  erklärt die große Bedeutung der orbitofrontalen Region für die Kontrolle des Gefühlslebens. Sind diese Verbindungen gestört, resultieren Beeinträchtigungen der Entscheidungsfindung, emotionalen Balance und Motivation.
 
Läsionen können tiefgreifende Störungen von Verhalten und Persönlichkeit
verursachen. Betroffene Personen zeigen sozial unangebrachtes und verantwortungsloses Verhalten, sie haben Schwierigkeiten, die Konsequenzen ihrer Handlungen abzuschätzen, und sie scheinen nicht aus betreffenden Fehlern lernen zu können ("verlorener moralischer Kompass"). Intellektuelle Fähigkeiten sind aber ansonsten nicht beeinträchtigt.
 
 Integrierte Steuerung
 
Einerseits sind kortikale Gebiete auf verschiedene Aspekte der Motorik spezialisiert, andererseits finden sich erhebliche funktionelle Überlappungen. Die folgende Tabelle stellt die Leistungen involvierter Hirngebiete einander gegenüber:
 
Funktionen von Gehirnarealen, die auf Bewegungskontrolle spezialisiert sind

Nach Banich / Compon, Cogntive Neuroscience, 4th ed. 2018
Gehirnregion
Rechenleistung
Bewegungsplanung
Unteres Parietalhirn
Abschätzung des Zustandes der Extremitäten
Supplementäre motorische Rinde
Auswahl und Auslösung der Reihenfolge der Bewegungen
Prämotorisches Areal
Auswahl der Art von Bewegung (z.B. Greifen)
Frontales Augenfeld
Willkürliche Kontrolle von Sakkaden
Posteriore Teile des vorderen gyrus cinguli
Auswahl aus alternativen Abläufen, Auslösung neuer und "Überschreiben" gewohnter Abläufe
Präzisierung und Auslösung von Bewegungen
Kleinhirn
Erstellung von "Vorwärts-Modellen"
Basalganglien
Umschalten zwischen, und Aufteilung / Modulation von Bewegungen und -mustern
Motorischer Kortex
Einstellen von Kraft und Richtung, Antrieb der Muskelaktivität
Bewegungsüberwachung
Vorderer gyrus cinguli
Abschätzung der Folgen motorischer Aktionen
Parietalkortex
Berücksichtigung sensorischer Information für Korrekturen der Motorik
 
Beispielsweise kann das Kleinhirn sehr präzise vorgeplante Bewegungsabläufe exekutieren, eine Korrektur während der Ausführung ist nicht mehr möglich; dafür sind das Parietalhirn und die
Basalganglien zuständig. Die Hirngebiete arbeiten zusammen, um eine optimale Steuerung der Motorik zu erzielen.

Dazu kommt, dass zwischen den beteiligten Regionen unterschiedliche Verzögerungszeiten des Informationsflusses auftreten (abhängig von Signalstrecke und Leitungsgeschwindigkeit, also Myelinisierungsgrad) und auf diese Weise ein bestimmtes Muster für die Reihenfolge auftritt, in der Aktionspotentialsalven an beteiligten Hirnregionen auftreten.

Die Funktionen des anterioren (frontopolaren) Präfrontalkortex (
Abbildung: APFC - area 10) ist trotz seiner erheblichen Ausdehnung beim Menschen unklar. Vielleicht ermöglicht er die Zuwendung zu neuen Zielen, während die Aufmerksamkeit sich noch mit dem letzten aktuellen Thema befasst (multitasking, 'cognitive branching').


Abbildung: Präfrontaler Kortex - Struktur und Verbindungen
Nach Simons JS, Spiers HJ. Prefrontal and medial temporal lobe interactions in long-term memory. Nature Rev Neurosci 2003; 4: 637-48

Der Präfrontalkortex kann in einen vorderen (APFC - area Brodmann 10), dorsolateralen (DLPFC - area 46 und 9), ventrolateralen (VLPFC - area 44, 45, 47) und medialen Abschnitt (MPFC - area 25, 32) eingeteilt werden. Die Brodmann-Areale 11, 12 und 14 werden auch als Orbitofrontalkortex bezeichnet.
 
Hippocampus, Mandelkerne, Parahippocampus, ento- und perirhinaler Kortex sind Teile des medialen Temporallappens, der intensiv mit dem Präfrontalhirn verbunden ist.
 
Orbitofrontalhirn und dorsolaterale Rindenanteile sind reziprok mit dem peri- und entorhinalen Kortex verbunden. Der Hippocampus projiziert unidirektional auf den medialen Präfrontalkortex, sensorische Assoziationen werden aus dem medialen Temporalkortex in die perirhinale und parahippocampale Region projiziert. So tauscht der Präfrontalkortex reziprok Information mit sensorischen Assoziationsgebieten in Temporal- und Parietallappen sowie mit zahlreichen subkortikalen Strukturen aus


Der mediale Präfrontalkortex ( Abbildung: MPFC) ist vor allem durch die a. cerebri anterior versorgt (bei Ausfall: A. cerebri anterior-Syndrom). Er berücksichtigt Emotionen bei der Entscheidungsfindung, steuert die Motivation und beteiligt sich an der Einleitung von Handlungen.

Läsionen äußern sich u.a. in mangelnder Aufmerksamkeit bis Apathie ('Pseudodepression'), Antriebs- und Muskelschwäche.

Der dorsolaterale Präfrontalkortex ( Abbildung: DLPFC) ist ein entscheidendes Funktionselement für eine intakte Persönlichkeit. Er steht für problemlösendes und planendes Denken und gilt als Sitz der Intelligenz.

Er verknüpft unterschiedliche Ideen und Wahrnehmungen, vergleicht die momentane Situation mit Erinnerungen und gilt als die Stelle, an der sich 'Vergangenheit und Zukunft treffen'
. Er blickt in der Zeit zurück, um aus dem sensorischen Input Bekanntes herauszufiltern, und gleichzeitig voraus, um einen motorischen Handlungsplan zu entwerfen.

Der dorsolaterale Präfrontalkortex ist wesentlich am Arbeitsgedächtnis beteiligt (z.B. wenn man eine Telefonnummer liest und sich kurzzeitig merkt). Er reguliert den Fluss motorischer Information; die oberen Regionen sind dabei auf zeitlich-sequentielle, die unteren auf räumliche Aufgaben spezialisiert.

Diese verschiedenen Aufgaben des 'zentralen Processing' sind schwerpunktmäßig auf unterschiedliche Regionen des präfrontalen Kortex verteilt.
 
      Etwa 40% der Neuronen des
dorsolaterale Präfrontalkortex sind mit Gedächtnisaufgaben beschäftigt, 60% mit motorischen.
 
Ein dorsales System integriert vor allem Information aus der Netzhautperipherie und somatosensorische aus Rumpf und unteren Extremitäten zu zeitlich-räumlicher Abfolge des Verhaltens.

Ein ventrales System empfängt Meldungen aus der Netzhautmitte und der unteren Temporalregion und kümmert sich um die Einbettung der Identifikation von Objekten in das Verhalten.
  
 
  Abbildung: Ventromedialer Kortex des Frontalhirns
Nach einer Vorlage in Carlson NR / Birkett MA, Physiology of Behavior, 12th ed. Pearson 2017

Dieser Teil der Gehirnrinde liegt an der anterioren Basis des Gehirns und erhält Eingänge aus dorsomedialen Thalamuskernen, Kortex des Temporalhirns, ventralem Tegmentum, Riechhirn und Mandelkernen. Es projiziert auf benachbarte Gebiete des Frontalhirns, Cingulum, Hypothalamus, Hippocampusformation, sowie zurück zu Temporalkortex und Mandelkernen.

Durch diese Verschaltungen erhält der ventromediale Kortex Information über das Geschehen in der Umgebung sowie Intentionen, die im restlichen Frontalhirn entstehen. Seine Outputs beeinflussen Verhalten, emotionale und neuroendokrine Reaktionen. Dabei spielen die nucll. amygdalae eine zentrale Vermittlerrolle. Auch Gefühle der Angst können so entstehen


Der ventromediale präfrontale Kortex (vmPFC, ventromedial prefrontal cortex: Abbildung) beeinflusst die Aktivität der Mandelkerne (die u.a. Angstgefühle generieren können). Dabei wird der Zustand des limbischen Systems bezüglich der "inneren Befindlichkeit" berücksichtigt, Impulse aus dem parahippokampalen Gebiet beeinflussen die gefühlsmäßige Ausrichtung des Verhaltens. Der ventromediale präfrontale Kortex ist in der Lage, das emotionale Verhalten zu kontrollieren. Das berühmte Beispiel eines kalifornischen Vorarbeiters (Phineas Gage), der im 19. Jahrhundert aufgrund eines Unfalls Teile seines Frontalhirns verlor (der ventromediale präfrontale Kortex war beidseitig weitgehend zerstört) und daraufhin zunehmend Persönlichkeitsstörungen entwickelte, zeigt die Bedeutung dieses Gehirnteils für normales Verhalten und soziale Interaktion.

Angstgefühle werden beim Menschen sehr häufig durch soziales Lernen, weniger durch persönliche Erfahrung aufgebaut (emotionale Konditionierung). Die Mandelkerne spielen dabei eine zentrale Rolle.
Der ventromediale präfrontale Kortex kann umgekehrt solche emotionalen Konditionierungen wieder löschen (Extinktion). Insgesamt scheint der ventromediale präfrontale Kortex eine Brücke aufzubauen zwischen Abläufen automatisierter emotionaler Abläufe einerseits und solchen komplexen Verhaltens andererseits.

Personen mit Störungen des
ventromedialen Präfrontalkortex können die Bedeutung bestimmter Situationen nur in einem abstrakten Sinn (für Andere) korrekt erkennen, persönliche Konsequenzen (für sich selbst) erkennen sie nicht und es fällt ihnen schwer, Triviales von Wichtigem zu unterscheiden. Sie werden emotional instabil, haben eine geringe Frustrationstoleranz, werden reizbar, ängstlich, manchmal aggressiv. Weiters können Defekte des ventromedialen Präfrontalkortex zu Psychosyndromen wie einer posttraumatischen Belastungsstörung führen.
 
Unter Stressbedingungen tritt der Einfluss des Frontalhirnsystems zugunsten limbischer Funktionskreise zurück. Dopaminerge und noradrenerge Projektionen interferieren dann mit der Informationsverarbeitung im Präfrontalkortex, dessen Gedanken- und Gefühlskontrolle unterdrückt wird; der Schwerpunkt der Kontrolle verlagert sich
zu limbischen Hirnregionen.
Schädigungen im präfrontalen Kortex bedingen einen Symptomenkomplex, der unter der Bezeichnung Frontalhirnsyndrom zusammengefasst wird. Defekte des Frontalhirns haben z.T schwere Persönlichkeitsveränderungen zur Folge.

     Zu motorischen Funktionen des Frontallappens s. auch dort
 

 
      Der lobus frontalis befasst sich mit der Steuerung von Bewegungsabläufen, dem Deuten komplexer Sachverhalte, Eigenschaften der Persönlichkeit. Es erlaubt die Unterscheidung zwischen aktuellem Erleben der Umwelt und Erinnerungen (nicht aktiv im Schlaftraum)

     Das Frontalhirn erhält den Großteil dopaminerger Einflüsse, die thalamische Afferenzen, Aufmerksamkeitsspanne, Planung und Motivation modifizieren
 
     Das Präfrontalhirn verwaltet und kontrolliert Gefühle und Verhaltensweisen zusammen mit dem limbischen System, dessen assoziativer Kortex teilweise im Frontalhirn lokalisiert ist. Es ist verbunden mit sensorischen Assoziationsgebieten (aktuelle visuelle, auditorische und somatosensorische Information) und integriert deren Inhalte laufend in Hinblick auf die aktuelle Situation (supervisory attentional system). Es richtet die Aufmerksamkeit auf ein Ziel und unterdrückt störende Einflüsse
 
     Das dorsolaterale Präfrontalhirn beschäftigt sich mit Urteilsvermögen, Planung, Einsicht und zeitlicher Zuordnung; das orbitofrontale mit Mimik, emotionaler Stabilität, sozialer Einsicht und Zielkonzentration
 
     Das orbitale Präfrontalhirn macht Emotionen bewusst und ist für Emotions- und Persönlichkeitssteuerung zuständig. Es ist in die Generierung und Kontrolle von Glücks- oder Angstgefühlen involviert
 
     Das motorische Sprachzentrum (Broca) liegt meist in der linken (sprachdominanten) Hemisphäre und grenzt an das prämotorische Areal und Teile der vorderen Zentralwindung, die Gesicht, Rachen und Kehlkopf steuern. Es steuert für das Sprechen benötigte Bewegungsprogramme. Störungen führen zu motorischer Aphasie
 

 




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