Synaptische
Verschaltungen zwischen den kortikalen Neuronen folgen bestimmten
Mustern, z.B. die Beeinflussung von Pyramidenzellen (
Abbildung):
Die Mehrzahl der exzitatorischen (depolarisiernden) Synapsen findet sich auf dendritischen Dornenfortsätzen (dendritic spines) im Bereich der Dendriten - typischerweise ein präsynaptischer Input pro Dornenfortsatz.
Inhibitorische Synapsen treten auf allen Teilen der Zielneurone auf
- schwerpunktmäßig je nach Art des Interneurons: Martinotti-Zellen
zielen auf distale Dendriten (und damit auf dendritische Spikes),
Korbzellen auf den Zellkörper (und damit auf die Integration der
Einflüsse von allen Dendriten), und Kandelaberzellen auf das Axon und
damit auf die Triggerung von Aktionspotentialen.
Diese Positionierung ermöglicht es inhibitorischen Synapsen, lokal auf
die Erregungsbildung des Zielneurons Einfluss zu nehmen
(Martinotti-Zellen hemmen die Bildung dendritischer Spikes, Korbzellen
beeinflussen die Summe dendritischer Einflüsse auf den Axonhügel,
Kandelaberzellen dämpfen direkt die Propagation axonaler
Aktionspotentiale).
Die axonalen Endigungen (axon terminals)
postsynaptischer Neuronen können ihrerseits synaptisch beeinflusst
werden (z.B. durch Acetylcholin, Monoamine, Glutamat, GABA). Dabei wird
nicht die Aktionspotentialfrequenz verändert, sondern die Effizienz der
Freisetzung des Neurotransmitters.
Die Großhirnrinde des Menschen enthält etwa 16 Milliarden Nervenzellen, die in säulenförmigen Funktionseinheiten (Kolumnen, Minikolumnen) organisiert sind.
Die Gehirnrinde ist je nach Lokalisation auf bestimmte Aufgaben spezialisiert (z.B. motorisch, sensorisch, assoziativ). Der
größte Teil (~90%) kann aus sechs Schichten aufgebaut gesehen werden
und wird als Isokortex
(ίσος = gleich) bezeichnet. Davon grenzt man den Allokortex (άλλος =
anders) ab, der sich vor allem im Riechhirn und Hippocampus findet (2-3
Schichten).
Inwieweit diese nach histologischen Merkmalen gegebene Einteilung mit der entwicklungsgeschichtlichen in Neokortex (Neopallium), Archikortex (Archipallium - Innenseite des Temporallappens: Hippocampus, gyrus dentatus, Fornix) und Paläokortex (Paläopallium: Riechhirn) übereinstimmt, ist nicht ganz klar.
Man unterscheidet folgende Gruppen kortikaler Neurone:
Pyramidenzellen sind glutamaterg. Große Pyramidenzellen bauen die Efferenzen des Großhirns auf, ihre Axone verlassen den Kortex (Ausgang). Kleine Pyramidenzellen wirken assoziativ und projizieren auf kortikale Nachbargebiete.
Körnerzellen (bedornte Sternzellen) empfangen extrakortikale Signale (Eingang)
und dominieren die lamina IV, wo zahlreiche Afferenzen aus dem Thalamus
und auch aus anderen Hirnregionen enden. Auch Körnerzellen sind
glutamaterg.
Interneurone. Sie sind meist GABAerg, wirken also dämpfend; man unterscheidet zahlreiche Formen (unbedornte Sternzellen, fusiforme Zellen, Marinotti-Zellen, Horizontalzellen, Doppelbuschzellen, Kandelaberzellen / Kronleuchterzellen, bipolare Zellen).
Abbildung: Entladungsmuster verschiedener kortikaler Neuronen
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Reizt man einzelne Nervenzellen der Großhirnrinde mit Gleichstrom (I), antworten diese mit unterschiedlichen Entladungsmustern (Vm: Membranpotential). Abszisse: Zeit in Millisekunden.
Inhibitorische Interneurone adaptieren nicht, sondern senden während
der Reizdauer in regelmäßigen Zeitintervallen Aktionspotentiale (oben).
Kleine Pyramidenzellen adaptieren, d.h. der zeitliche Abstand zwischen den Aktionspotentialen nimmt während des Reizes zu (Mitte).
Wieder andere (große Pyramidenzellen) antworten während der Reizung mit Salven (bursts) von Aktionspotentialen, getrennt durch Ruhephasen - sie generieren Entladungsrhythmen (unten)
Unterschiedliches Entladungsverhalten von Neuronen:
Nervenzellen reagieren auf Stimulation mit verschiedenen
Entladungsmustern (
Abbildung). Einige reagieren auf kontinuierliche
elektrische Reizung mit fortdauernder Erregung (z.B. inhibitorische
Neurone); andere adaptieren (z.B. kleine Pyramidenzellen); wieder
andere beginnen sich rhythmisch zu entladen (z.B. große
Pyramidenzellen). Solche Zellen wirken u.a. als Rhythmusgeneratoren in
motorischen Kernen (z.B. im Atemzentrum).
Diese unterschiedlichen Entladungsmuster erklären sich durch den spezifischen Besatz der Zellmembranen mit Ionenkanälen.
So exprimieren Neuronen unterschiedliche Sets langsamer Kanäle, die in
verschiedener Weise an Dendriten, Soma und Axonhügel placiert sind.
Getriggert werden sie vor allem vom aktuellen Membranpotential und der
intrazellulären Calciumkonzentration.
Laminierung: Die Schichten des Isokortex und deren wichtigsten Charakteristika sind
die folgenden (Lamina I ist die äußerste - der pia mater anliegende -,
Lamina VI die innerste, direkt an die weiße Substanz angrenzende
Schicht):
Lamina I = Molekularschicht (lamina molecularis) (molecular layer)
Diese Schicht enthält Axone afferenter Neurone, die hindurchziehen und andere Kortexgebiete erreichen (Assoziationsfasern) sowie Dendriten von Neuronen aus tieferen Schichten, kaum Zellkörper
Lamina II = Äußere Körnerschicht (lamina granularis externa) (external granular cell layer)
Enthält Sternzellen (Interneurone zwischen Pyramidenzellen), einige Pyramidenzellen
Lamina III = Äußere Pyramidenschicht (lamina pyramidalis externa) (external pyramidal cell layer)
Hauptsächlich Pyramidenzellen,
die über Assoziationsfasern mit anderen Rindengebieten verknüpft sind;
einige Sternzellen. Mit der Tiefe nimmt die Größe der motorischen
Neurone zu
Lamina IV = Innere Körnerschicht (lamina granularis interna) (internal granular cell layer)
Erhält zahlreiche thalamische Eingänge, die hier enden, und kleine runde Neuronen ("granulärer Kortex"); Sternzellen
stellen Verbindungen mit anderen Schichten her. Diese Schicht ist der
wichtigste Addressat sensorischer Eingänge aus dem Thalamus, und ist in
sensorischen Kortexarealen am stärksten ausgeprägt. Sie ist so komplex
gestaltet, dass sie meist in drei Zonen unterteilt wird. Im motorischen
Kortex ist die innere Körnerschicht so gut wie nicht vorhanden (daher
"agranulärer" frontaler Kortex)
Lamina V = Innere Pyramidenschicht (lamina pyramidalis interna) (internal pyramidal cell layer)
Ursprung zahlreicher Assoziations- und Projektionsfasern; Pyramidenellen projizieren auf Basalganglien, Hirnstamm, Rückenmark. Die Neurone sind größer als in der Lamina III
Lamina VI = Multiforme Schicht (lamina multiformis) (multiform / polymorphic layer)
Neuronen projizieren auf den Thalamus, dieser projiziert zurück in die innere Körnerschicht (lamina IV)
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Abbildung: Gehirnabschnitte und Funktionen (schematisch)
Das Bild zeigt exemplarisch Funktionsbereiche des Gehirns, bezogen auf seine anatomische Gliederung
Die Zusammenarbeit verschiedener Regionen der Großhirnrinde erlaubt komplexe kognitive Funktionen und die Ausbildung von Verhaltensmustern.
Die anatomische und funktionelle Organisation des Gehirns überlappen sich; auf bestimmte Funktionen spezialisierte Zentren übernehmen
jeweils Führungs- und Koordinationsrolle, wobei verschiedene
Gehirnabschnitte (
Abbildung) involviert sein können und oft eng
zusammenarbeiten.
Funktionelle Studien offenbaren die erstaunliche Dynamik (und
Individualität) bei der Aktivierung bestimmter Gehirnareale, wenn es um
die Bewältigung spezifischer Aufgaben geht.
Der Ausfall eines Rindengebietes kann zumindest teilweise durch
Umlernen kompensiert werden, indem intakte Kortexareale seine Funktion
übernehmen.
Abbildung: Brodmann-Areale (BA)
Nach einer Vorlage in Purves DL, et al., eds. Neuroscience, 4th ed. Sunderland, MA: Sinauer; 2008
Oben:
Laterale, unten: Mediale Ansicht. Einteilung nach zytoarchitektonischen
Kriterien. Nicht für alle Brodmann-Areale ist die funktionelle
Bedeutung bekannt
BA3, 1, 2: Primärer somatosensorischer Kortex - Störung: Verlust Propriozeption, Astereognosie, Agraphaesthesie
BA4: Primärer motorischer Kortex - Störung: Paralyse
BA5: Oberer Parietallappen - Störung: Astereognosie, Hemineglekt
BA6: Prämotorischer und supplementärmotorischer Kortex
BA7: Visuell-motorische Koordination
BA8: Enthält das frontale Augenfeld
BA9: Dorsales präfrontales Areal (Arbeitsgedächtnis, Entscheidungsfindung, soziales Erkennen)
BA10: Anteriorer Präfrontalkortex
BA11/12: Orbitofrontalkortex (Sensorische Integration, Entscheidungsfindung)
BA13/14/16: Inselkortex (Geschmack, Hören, Interozeption, Schmerz, Motorik, multimodale Verarbeitung)
BA15: Vorderer Temporalkortex
BA17: Primärer visueller Kortex
BA18/19: Assoziativer visueller Kortex
BA20: Unterer Temporalkortex (Objekterkennung)
BA21: Mittlerer Temporalkortex (Gesichtserkennung)
BA22: Teil des oberen Temporalkortex
BA23: Ventraler posteriorer Kortex des gyrus cinguli (Teil des limbischen Systems - Emotion, Gedächtnis, default mode network, Meditation)
BA24: Ventraler anteriorer Kortex des gyrus cinguli
BA25: Teil des ventromedialen Präfrontalkortex
BA26: Teil des retrosplenischen Kortex
BA27: Präsubiculum
BA28: Ventraler entorhinaler Kortex
BA29/30: Retrosplenischer Kortex (Episodisches Gedächtnis, Orientierung, Körpernavigation, Umweltbezug)
BA31/32/33: Teile des Kortex des gyrus cinguli (Teil des limbischen Systems - Emotion, Gedächtnis, default mode network, Meditation)
BA34: Dorsaler entorhinaler Kortex (auf gyrus parahippocampalis)
BA35/36: Teile des perirhinalen Kortex (Visuelles Erkennen, Kategorisieren, Gedächtnis)
BA37: Kortex des gyrus fusiformis (Farberkennung, Gesichts- und Körpererkennung, Spracherkennung)
BA38: Temporopolarer Kortex
- Störung: Klüver-Bucy-Syndrom
BA39: Kortex des gyrus angularis (Teil des Wernicke-Zentrums?)
BA40: Kortex des gyrus marginalis (Teil des Wernicke-Zentrums?)
BA41/42: Auditiver Kortex
BA43: Primärer Geschmackskortex
BA44/45: Motorischer Sprachkortex (Broca-Zentrum)
BA46: Dorsolateraler Präfrontalkortex
BA47: Orbitaler Teil des unteren Frontalkortex
BA48: Retrosubicularer Kortex (medialer Temporalkortex)
BA52: Parainsulärer Kortex
Die Ausprägung dieser Schichten differiert je nach Hirnregion / Funktion; so sind die Pyramidenschichten in motorischen Gebieten stark, in sensorischen schwach ausgeprägt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stellte Korbinian Brodmann
eine auf zytoarchitektonischen Charakteristika beruhende Karte der Hirnrinde auf (Brodmann-Areale,
Abbildung).
Dementsprechend wurden insgesamt etwa 50 Regionen definiert (je nach Zählweise); manche Gebiete werden weiter unterteilt, z.B. in 23a und 23b, area 52 liegt parainsulär.
Diese Einteilung hat nichts von ihrer Gültigkeit verloren, ist aber
erweitert worden: So kennt man heute mehr als 30 funktionell
(elektrophysiologisch, konnektorisch) unterschiedliche visuelle
Kortexareale (Brodmann identifizierte die visuellen areae 17 bis 21).
Transmitter: Etwa 80% der kortikalen Neuronen sind
glutamaterg (und damit
exzitatorisch): Pyramidenzellen (kleine in Schicht II und III, große in
Schicht V) und Sternzellen (Schicht III und IV). Pyramidenzellen
integrieren sehr zahlreiche synaptische Inputs und reagieren nur auf
entsprechend "eindeutige" Exzitationsmuster (ausreichende Summation
erregender Impulse führt zu Depolarisation über das
Schwellenpotential
hinaus) mit Aktionspotentialen.
Rund 20% der Neurone sind GABAerge (hemmende) Interneurone (Martinotti-Zellen, Korbzellen).
Assoziationsfasern verbinden Kortexareale miteinander,
Projektionsfasern den Kortex mit subkortikalen Teilen des ZNS (z.B. Thalamus, Brücke).
Kommissurenfasern verbinden die beiden Hälften des Gehirns miteinander (über das corpus callosum).