Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

    
  Humoral-neuronale Steuerung und Kontrolle von Organsystemen
     
Kommunikation zwischen Zellen

© H. Hinghofer-Szalkay
Angiogenese: ἄγγεiον = Gefäß, γένεσις = Entstehung
autokrin: αὐτό = selbst,
κρίνειν = abscheiden
bradytroph: βραδύϛ = träge, langsam; τροφή = Ernährung
Hormon: ὁρμᾶν = antreiben, erregen
endokrin: ἔνδον = innen, κρίνειν = abscheiden
Fibronektin: fibra = Faser,  nexus = Verknüpfung
Glykokalyx: γλυκύς = süß, κάλυξ = Hülse, Schale
juxtakrin: iuxta (lat) = dicht daneben,
κρίνειν = abscheiden
parakrin: παρά = (da)neben, κρίνειν = abscheiden
Tenaszin: tenax = klebrig
Transmitter: trans-mittere = (hin)über-tragen
Zelle: cella = Behältnis
Zytokin: κύτος = Zelle, κίνησις = Bewegung


Zellen reagieren auf verschiedenste Reize aus ihrer Umgebung. Sie kommunizieren über lokale Molekülbrücken, oder über längere Distanzen mittels Signalmolekülen (z.B. Hormone). Rezeptoren befinden sich in der Zellmembran (eine Barriere für viele Signalstoffe) oder im Zellinneren. Signalsubstanzen können auf die Zelle selbst rückwirken (Autokrinie), bzw. lokal (Parakrinie) oder über die Blutbahn (endokrin) andere Zellen beeinflussen.

Mechanischer Zellkontakt erfolgt über Adhäsionsmoleküle (CAMs, cell adhesion molecules): Cadherine stabilisieren Kontakte zwischen Zellen desselben Typs, Integrine binden an Moleküle der extrazellulären Matrix, Selektine vermitteln die Anhaftung von Blutkörperchen an die Gefäßwand. Sie binden an gleiche oder unterschiedliche Partnermoleküle, an gleiche (homotypische) oder verschiedene Zellen (heterotypische Interaktion).

Adhäsionsmoleküle beteiligen sich an unterschiedlichen Vorgängen - z.B. Osteonectin an Gewebsneubildung; Osteopontin an Leukozytenmigration; Tenaszine an der Zelladhäsion.

Die extrazelluläre Matrix enthält spezielle Moleküle wie

   -- Hyaluronsäure mit ihrer enormen Wasserbindungskapazität, sie bestimmt die viskösen Eigenschaften des Interstitiums

   -- Glykosaminoglykane, sie verknüpfen die extrazelluläre Situation (Kräftemuster) mit der Funktion eingebetteter Zellen (Verankerung, interzelluläre Adhäsion u.a.)

Die Aussprossung neuer Gefäße (Angiogenese) erfolgt nicht nur während Wachstum und Differenzierung, sondern auch in Situationen, wo Gewebe reorganisiert wird - wie in Muskel (Muskeltraining), Ovar und Endometrium, Plazenta und Brustdrüsen (Reproduktion), Wunden, Knochenbrüchen (Heilung).

Zellen: Übersicht
Reize, Signale, Hormonantworten, Hormonarten Gap junctions Mediatoren  JAK-STAT-Weg, Ras-MAP-Kinase-Weg: Zugriff auf die Transkription cAMP und cGMP Adhäsionsmoleküle Extrazelluläre Matrix Angiogenese  Crosstalk


CREB    Selektine    Extrazelluläre Matrix    Glykosaminoglykane    Crosstalk

Core messages

Zellen müssen kommunizieren, sie sind aufeinander angewiesen
 
Rund die Hälfte der Körpermasse besteht aus Zellen. Diese sind auf gegenseitigen Informationsaustausch angewiesen, um funktionsfähig zu bleiben und ihre Aktivitäten sinnvoll auf die jeweiligen Anforderungen abstimmen zu können. Sie brauchen weiters mechanische Kontakte für das wechselseitige Aneinanderhaften im Gewebeverband (z.B. zusammen mit einer   Glykokalyx , die u.a. Zelladhäsionsmoleküle enthält, s. Abbildung).
 

  Abbildung: Beispiel einer Glykokalyx
Nach einer Vorlage in Herring / Paterson, Levick's Introduction to Cardiovascular Physiology, 6th ed. 2018

In diesem Beispiel liegt die Glykokalyx den Endothelzellen einer Kapillarwand blutseitig auf.
 
Die Glykokalyx ist eine perizelluläre Matrix, bestehend aus Glykoproteinen und Glykolipiden. Sie wird von bestimmten (meiste epithelialen) Zellen produziert, hat u.a. Schutzfunktion und bestimmt die Durchlässigkeit der betreffenden Zellschichte wesentlich mit


    Die Kohlenhydrat-"Schale" der Glykokalyx schützt vor mechanischen und enzymatischen Schäden

 
  Die Glykokalyx fördert stabile Kontakte mit anderen Zellen (Gewebeaufbau, Fertilisation)

 
  Die Glykokalyx hilft bei der Identifikation von Zellen (z.B. unterscheiden sich die Kohlenhydratmuster der Blutgruppenfaktoren A, B, 0)
 
Zellen beeinflussen sich selbst und andere über vier verschiedene Signalwege, man nennt diese autokrin
, juxtakrin, parakrin und endokrin ( Abbildung):
 

Abbildung: Signalwege auf / zwischen Zellen
Nach einer Vorlage in Panini SR, Medical Biochemistry, 2nd ed. 2021 (Thieme)
Senderzellen geben einen Signalstoff an den extrazellulären Raum ab, Zielzellen verfügen über Rezeptoren für den Signalstoff (S)

Endokrine
Signalvermittlung erfolgt über den Blutkreislauf und kann alle Zellen im Körper erreichen (z.B. Hormone, Zytokine)
 
Parakrine Informationsübertragung erfolgt auf benachbarte Zellen
 
Autokrine Wirkung erfolgt auf die Senderzelle selbst (positive oder negative Rückkopplung)
 
Juxtakrin wirken Signalstoffe auf unmittelbar an die Senderzelle angedockte Zielzellen

 
     Zellen können sich selbst stimulieren, indem sie Signalstoffe in den Extrazellulärraum sezernieren, die dann über Rezeptoren auf die Senderzelle zurückwirken (autokrine Wirkung). Voraussetzung für diesen Mechanismus ist, dass die Zelle gleichzeitig die betreffenden Signalmoleküle synthetisiert / exozytiert, die passenden Rezeptormoleküle exprimiert und in die Zellmembran eingelagert hat. Chemokine nutzen autokrinen Signalaustausch, z.B. sezernieren T-Lymphozyten Interleukin-1 und regen damit ihre eigene Vermehrung an.

Gegenseitiger (interzellulärer) Informationsaustausch kann erfolgen
 
     über direkte Zellverbindungen via gap junctions mit offenen Konnexonen, die den Austausch elektrischer und chemischer Signale ermöglichen (funktionelles Synzytium, z.B. im Herzmuskel);
 
     über Signalstoffe, die
    juxtakrin (der Stoff verbleibt auf der Zelle und tritt mit einer benachbarten Zelle in unmittelbaren Kontakt - z.B. heparinbindendes EGF bei der Wundheilung) bzw.
 
    parakrin wirken (der Signalstoff diffundiert zu benachbarten Zellen unterschiedlichen Typs - z.B. Effekt von Testosteron aus Leydig-Zellen auf Sertoli-Zellen im Hoden).
 
In diesen Fällen ist kein Transport über den Kreislauf erforderlich, die Signalstoffe wirken im mikroskopischen Umkreis der "Senderzelle" und sind in der Regel kurzlebig (geringe biologische Halbwertszeit);
 
     über Signalstoffe, die über den Kreislauf (endokrin) auf den gesamten Körper (d.h. alle Zellen, die entsprechende Rezeptoren exprimieren) wirken können.
 
  
Abbildung: Interaktionen zwischen Zellen
Nach: Bosco D, Haefliger J-A, Meda P. Connexins: Key Mediators of Endocrine Function. Physiol Rev 2011; 91: 1393-445

Direkte Interaktion bedeutet, dass Zellen molekulare Brücken ausbilden. Sie erfolgt über Ligand-Rezeptor-Brücken - z.B. im Immunsystem (rechts oben) - oder über Zelladhäsions / Junktionsmoleküle (rechts unten), z.B. im Herzmuskel.
 
Indirekte Mechanismen betreffen extrazelluläre Informationsmoleküle, die von Rezeptoren erkannt werden - z.B. Hormone (links oben) - oder Wechselwirkungen zwischen Integrinen und Molekülen der extrazellulären Matrix, was der mechanischen Anheftung dient (links unten)

Der transmembranale Informationsaustausch kann unterschiedliche Mechanismen nutzen:

     Direkte Interaktion kann über Ligand-Rezeptor-Brücken oder über Kontakte zwischen Zelladhäsions- bzw. Junktionsmolekülen erfolgen ( Abbildung).

     Indirekte Kommunikation betrifft in den Extrazellulärraum sezernierte Informationsmoleküle, die über kurze Distanz wirken (z.B. Neurotransmitter) oder gegebenenfalls zwischen Organen ausgetauscht und von mit entsprechenden Rezeptoren bestückten Zellen erkannt werden ( Abbildung links oben). Auch Wechselwirkungen zwischen Integrinen und Molekülen der extrazellulären Matrix (links unten) werden zu dieser Kategorie gezählt.

Im Wesentlichen  unterscheidet man folgende Kontaktformen:

    Gap junctions (Nexus) - Kommunikationskontakte zum Austausch von Information (Stromfluss) und Molekülen. In diese scheibenförmigen Membranareale sind Tunnelproteine (Connexone) eingelagert, durch die Ionen (elektrische Ladungen Aufbau von Membranpotentialen) und Moleküle gelangen können

    Tight junctions - Kontakte zum Abdichten des Zwischenzellraums, z.B. zwischen Enterozyten (Darmmukosazellen) oder Endothelzellen (z.B. Blut-Hirn-Schranke)

    (Hemi)-Desmosomen - Haftkontakte für den Zusammenhalt, entweder zwischen zwei Zellen (Desmosomen, Abbildung) oder zwischen Zellen und extrazellulärer Matrix (Hemidesmosomen, s. auch dort). Beteiligte Adhäsionsmoleküle sind u.a. Cadherine (zwischen Zellen) oder Integrine (zwischen Zelle und Matrix)
 


Abbildung: Komponenten eines Desmosoms
Nach Ohno S, The genetic background of arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy. J Arrhythmia 2016; 32: 398-403

Desmosomen (maculae adhaerentes) verbinden Zellen (in Epidermis, Myokard, Blasenwand, Darmmukosa) mechanisch untereinander.
 
Extrazelluläre Adhäsionsproteine sind die Cadherine Desmocollin und Desmoglein. Die intrazellulären Proteine Plakoglobin und Plakophilin fixieren die extrazuellulären Proteine an Desmoplakin. Desmoplakin bindet seinerseits an Intermediärfilamente der Zelle (in Herzmuskelzellen ist Desmin, in epithelialen Zellen sind Zytokeratine Bestandteile der Intermediärfilamente des Zytoskeletts)


Praktisch alle Zellen des Körpers verfügen über Rezeptormoleküle, über die sie Signale aus dem Körper empfangen können -  Hormone und andere Wirksubstanzen (Mediatoren, Transmitter , Pharmaka u.a.), die aufgrund mangelnder Fettlöslichkeit nicht direkt in die Zelle gelangen können. Das Aussenden solcher Informationsmoleküle betrifft nicht nur "klassische" hormonbildende Zellen (z.B. in Hypothalamus und Hypophyse, Schilddrüse, Nebennieren, Geschlechtsorganen), sondern so gut wie alle Gewebe, z.B. Fettzellen, Muskelzellen, Leberzellen, Immunzellen.
 
Reize, Signale, hormonelle Effekte
 
Hormone werden auf verschiedenste Reize hin ausgeschüttet. Diese können nichthormonell (physikalisch, chemisch, s. Tabelle) oder ihrerseits endokriner Natur sein (insbesondere trope Hormone des hypophysär-hypothalamischen Systems).
 


Nichthormonelle hormonregulierende Reize

Nach Wilkinson / Brown, An introduction to neuroendocrinology, 2nd ed. Camcridge University Press 2015
Reiz
Hormon
Ursprungsort

Reiz Hormon Ursprungsort
UV-Strahlung
(Vit.-) D-Hormon
Haut

Hoher Blutzucker-
spiegel
Insulin Pankreas (β-Zellen)
Licht
Melatonin
Epiphyse

Niedriger Blutzucker-
spiehel
Glucagon Pankreas (α-Zellen)
Dehnung / Nahrung
Gastrin
Magen

[Ca++] hoch (Blut) Calcitonin Schilddrüse
Proteine, Fette
Cholezystokinin
Duodenum

[Ca++] niedrig (Blut) Parathormon Neben-
schilddrüsen
Proteinreiche Nahrung
PYY Darm

[Na+] hoch (Blut) Vasopressin Hypophysen-
hinterlappen
Hunger
Ghrelin Magen

[Na+] niedrig (Blut) Aldosteron Nebennieren-
rinde
 
Hormone lassen sich nach verschiedenen Eigenschaften gruppieren, z.B. nach ihrer Herkunft (Hormondrüse, Gewebe), ihrer Verweildauer im Kreislauf (Kinetik, biologische Halbwertszeit / Bioverfügbarkeit), ihrer Kapillardurchgängigkeit, der Art ihrer Wirkung und ihres Verschwindens (Dynamik), der Dosisabhängigkeit ihrer Wirkung, oder ihrer chemischen Beschaffenheit.

Nach letzterem Kriterium unterscheidet man

     Peptid- bzw. Proteohormone: Dies ist eine sehr große Gruppe mit Überschneidungen zu Zytokinen, Co-Transmittern u.a. Sie wirken auf membranständige Rezeptoren. Beispiele: Insulin und Glukagon, Somatomedine und Somatostatin, Parathormon und Calcitonin, Angiotensin und ANF, einige Hypophysenvorderlappenhormone (Prolaktin, STH, ACTH, MSH).

     Glykoproteine: FSH und LH sowie TSH aus dem Hypophysenvorderlappen, sowie Erythropoetin wirken ebenfalls an membranständigen Rezeptoren.

     Steroide: Mineral- und Glukokortikoide aus der Nebennierenrinde, Geschlechtshormone, und das Vitamin-D-Hormon. Diese lipidlöslichen Stoffe wirken typischerweise über Rezeptoren in der Zelle (Wirkung auf die Transkription im Zellkern).

     Tyrosinderivate sind Thyroxin / Trijodthyronin (Wirkung am Zellkern) sowie Katecholamine (Wirkung an der Zellmembran).

     Gewebshormone - hierher zählt man u.a. Prostaglandine und Leukotriene, die aus Arachidonsäure gebildet werden und auf membranständige Rezeptoren wirken.


 
Reizverbreitung und gap junctions
 
Gap junctions sind Kontakt- und Austauschstellen zwischen Zellen, an denen - mittels Konnexonen - eine direkte Verbindung erfolgt (jeweils 6 Konnexin-Moleküle bilden ein Konnexon, 2 Konnexone bilden einen Gap-Junction-Kanal, einige hundert Gap-Junction-Kanäle bilden eine Gap junction <Abbildung).
   

Abbildung: Gap junction, bestehend aus Konnexonen
Nach einer Vorlage in Kandel / Koester / Mack / Siegelbaum (eds), Principles of Neural Sciences, 6th ed. 2021 (McGraw Hill)

Konnexone benachbarter Zellen lagern sich aneinander und bilden transzelluläre Kanäle für elektrische Ladungsträger (Kationen, Anionen) und den Austausch von Molekülen. Konnexone gegenüberliegender Membranen schließen sich zu interzellulären Kanälen zusammen.
 
Konnexone bestehen aus jeweils sechs 7,5 nm langen Konnexinen, deren zytoplasmatische Loops regulatorische Aufgaben haben; extrazelluläre Loops festigen den Kontakt mit der Nachbarzelle (homophile Interaktion.
 
Unten: Rotieren die Untereinheiten eines Konnexins um 0,9 nm, wechseln sie zwischen einem geschlossenen und einem offenen Zustand (Kanaldurchmesser 1,5-2 nm - zum Vergleich: Na/K-Ionenkanäle haben 0,3-0,5 nm Innendurchmesser)


An gap junctions können Membranpotentialschwankungen auf die Nachbarzelle übergreifen sowie Stoffe bis ~1 kDa Masse - Wasser, Ionen (Ca++), Glucose, Aminosäuren, Nukleotide (cAMP) u.a. - zwischen den Zellräumen (Zytoplasmen) ausgetauscht werden.

Solche Verschaltungen findet man zwischen Herzmuskelzellen, glatten Muskelzellen, Gliazellen, Drüsenzellen (Funktion: Signalübermittlung), sowie in bradytrophem Gewebe wie Knochen und Augenlinse (Funktion: Austausch von Stoffen), in Gallenkapillaren u.a.
 
Konnexone leiten Erregung über Herz- und glatte Muskulatur (single-unit-Typ)
   
Gap junctions werden in fast allen Geweben exprimiert, mit Ausnahme voll entwickelter Skelettmuskulatur und mobilen Zellen wie Erythrozyten oder Spermatozyten. Es gibt über 20 Konnexingene, und die Gewebe exprimieren unterschiedliche Konnexine, was mit funktioneller Spezialisierung zusammenhängt. Daher reagieren sie auch auf modifizierende Faktoren auf gewebespezifische Weise. Die meisten gap junctions schließen, wenn im Zytoplasma der pH-Wert absinkt oder [Ca++] ansteigt (das kann zur Separierung erkrankter von gesunden Zellen beitragen.

Einige genetische Erkrankungen -
insbesondere Haut und Schleimhäute betreffende - gehen mit Mutationen von Gap-junction-Genen einher.

Veränderung der Durchlässigkeit: Zunahme der intrazellulären H+-Konzentrationn (sinkender pH-Wert) oder Ca++-Konzentration senken die Durchlässigkeit von gap junctions. Azidose oder Erregung der Zelle reduzieren damit die Verschaltungsstärke benachbarter Zellen, z.B. im Herzmuskel oder in glattem Muskel vom single-unit-Typ.
 
 
Sinkt der intrazelluläre pH-Wert oder steigt hier [Ca++], nimmt die Konduktivität von angrenzenden gap junctions ab
   
Signalvermittlung: Zellen stabilisieren ihre Funktionen durch gegenseitige Kontrolle: Signalstoffe (Zytokine , Wachstumsfaktoren, Hormone) steuern das Zellwachstum, Mitogene (Zellteilung anregende Proteine) lösen Zellteilungen aus. Einige Signalstoffe wirken auf kurze Distanz (Transmitter, Mediatoren), andere auf weite Strecken (Hormone).
 
Trophische Effekte: Chemische Signale und Kontakte mit umgebenden Strukturen dienen u.a. dazu, Zellen über Interaktion mit Rezeptoren am Leben zu erhalten (ohne ihre Wirkung kann es zu Apoptose kommen).

 
Mediatoren
 
Mediatorstoffe werden von einzeln stehenden Zellen, Hormone von endokrinen Drüsen gebildet. Sie können
 
       auf die Zelle selbst zurückwirken (Autokrinie); Funktion (z.B. Wundheilung) und Differenzierung (z.B. während der Embryogenese) vieler Gewebe ist davon abhängig, insbesondere betrifft dies Wachstumsfaktoren
 
       auf Nachbarzellen wirken (Parakrinie); ebenfalls meist Wachstumsfaktoren, steuern diese Funktion und Differenzierung von Zielzellen in der Umgebung, welche über entsprechende Rezeptoren verfügen. Transmitter können in diese Gruppe eingereiht werden
 
       von epithelialen (endokrinen) Zellen oder (neuroendokrinen) Nervenzellen an die Blutbahn abgegeben werden und so Zellen überall im Organismus beeinflussen.
 
Nach ihrer Stellung in der Hierarchie von Regelsystemen unterscheidet man
 
     direkte Wirkung ausübende (effektorische - z.B. Schilddrüsenhormone) und
 
     endokrine Drüsen beeinflussende (regulatorische) Hormone, z.B. TSH.
  

Abbildung: Kommunikation zwischen Zellen: Beispiel Adipozyt als Empfänger
Nach: Harms M, Seale P. Brown and beige fat: development, function and therapeutic potential. Nature Med 2013; 19: 1252-63

Nicht nur Zellen in "klassischen" Hormondrüsen, sondern auch unterschiedlichste andere (z.B. >Fettzellen) können hormonelle / hormonähnliche Wirksubstanzen bilden (in der Abbildung: Nervenzellen, Immunzellen, Herz- und Skelettmuskelzellen, Leberzellen..).
 
Umgekehrt empfangen praktisch alle Zellen chemische Signale - vorausgesetzt, sie exprimieren passende Rezeptormoleküle (bunte Symbole). Diese sind meist an die Zellmembran gebunden und "sehen" in den Extrazellulärraum, da "ihre" Signalstoffe hydrophil sind und nicht ohne weiteres in die Zelle eindringen können. Andere Rezeptoren, z.B. für Schilddrüsenhormon (T3), befinden sich intrazellulär - ihre Signalstoffe sind lipophil und diffundieren durch die Zellmembran.
 
  Bmp7, Bmp8b, Bone morphogenetic proteins - Zytokine, die über den TGF-β-Signalweg (transforming growth factor) auf Nachbarzellen steuernd einwirken

   Fgf21, Fibroblast growth factor 21    Irisin    Natriuretische Peptide    Noradrenalin    Orexin     T3, T4     Vegf, Vascular endothelial growth factor

Die Signalübertragung via membranständige Rezeptormoleküle erfolgt in einer Sequenz mehrerer Schritte:
 
Erkennung des externen Signalstoffs (z.B. Hormon) am Rezeptor - mittels Ionenbindung, van-derWaals- Kräften oder hydrophober Interaktion
 
Signaltransduktion: Bildung eines intrazellulären second messenger
 
Übersetzung und Verstärkung dieses Signals über Effektoren
 
Modulation der Expression / Aktivität der Effektoren (Ionenkanälen, Enzymen, Transkriptionsfaktoren)
 
Integration des Einflusses mehrerer gleichzeitig wirkender Signalwege
 
Beendigung (Termination) durch Rückkopplung auf potenziell allen Ebenen der Signalübertragung
  
Zugriff auf die Transkription
 
Im Extrazellulärraum schwirren verschiedene Informationsstoffe umher, welche die Ablesung der Erbinformation in den Zellen beeinflussen können. Das tun sie entweder, indem sie an Rezeptoren in der Zellmembran binden, deren Aktivierung sekundäre Vorgänge in der Zelle auslöst, die sich schließlich auf die Transkription im Zellkern auswirken; oder, indem sie in die Zelle gelangen und hier passende Rezeptoren vorfinden, an sie binden und aktivieren, was ebenfalls die Ablesung entsprechender DNA-Abschnitte beeinflusst.
 
JAK-STAT-Weg
 
Zahlreiche extrazellulären Signale aktivieren den JAK- (Januskinase) STAT- (signal transducers and activators of transcription) Mechanismus. Dabei dimerisiert das Rezeptor-Polypeptid und bindet intrazellulär aktivierende Faktoren:
 

Abbildung: JAK-STAT-Mechanismus
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Mehrere wachstumsfördernde Informationsmoleküle nutzen rezeptorgekoppelte Januskinasen (JAK). Diese aktivieren STAT-Proteine (signal transducers and activators of transcription) und diese wiederum die Transkription bestimmter Genabschnitte.

Links: Aktivierung z.B. durch Interferon α. Bei dieser Variante kommt es zur Phosphorylierung von JAK1 und Tyrosinkinase 2 (Tyk2) des Rezeptors, und zweier verschiedener STAT-Monomere. Diese bilden ein Heterodimer, das in den Zellkern wandert und hier an ein ISRE (interferon-α stimulated response element) andockt, was die Genablesung startet.

Rechts: Aktivierung z.B. durch Interferon γ. Hier kommt es zur Phosphorylierung von JAK1 und JAK 2, des Rezeptors, und zweier gleicher STAT-Monomere. Diese bilden ein Homodimer (STAT-Dimer), das im Zellkern an ein GAS (γ-interferon activation site) andockt und die Transkription anregt (roter Pfeil: Transkriptionsanfang)
Membranrezeptoren z.B. für Zytokine, Wachstumshormon, Prolaktin, Erythropoetin sind auf ihrer intrazellulären Seite mit Tyrosinkinasen - sogenannten Janus-Kinasen - assoziiert.

Ist kein extrazellulärer Signalstoff gebunden, liegen die Rezeptoren als Monomere vor. Bei Anlagerung des Signalstoffs an den Rezeptor rücken zwei Rezeptor-Kinase-Komplexe zusammen (Dimerisierung; Janus: zweigesichtige Gottheit), und die Rezeptormoleküle werden phosphoryliert. Die bei Annäherung der beiden JAKs erfolgende Aktivierung durch Phosphatübertragung wird als Transphosphorylierung bezeichnet.

Dies führt zur Bindung und Aktivierung (Phosphorylierung) von STAT-Protein ("Signaltransduktoren und Aktivatoren der Transkription"). Phosphorylierte STAT-Dimere werden in den Zellkern transportiert und induzieren die Ablesung bestimmter Gene.

Es gibt nicht nur verschiedene Rezeptoren (für Zytokine, Prolaktin, Somatotropin, Erythropoetin..), sondern auch unterschiedliche JAK's und STAT's - und auch deren Wirkungen sind ungleich.
 
Ras-MAP Kinase-Weg
s. dort
 
Second messenger: cAMP und cGMP
  vgl. dort

Zahlreiche G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, z.B. für Wachstumsfaktoren oder Neurotransmitter, wirken über Zwischenfaktoren auf Proteinkinase A und CREB:

    CREB
(cAMP response element binding protein)  ist ein Transkriptionsfaktor, der CRE (cAMP response element) - ein DNA-regulatorisches Element in der Promotorregion von Zielgenen - bindet. CREB ist ein Substrat verschiedener Kinasen, wie der cAMP-abhängigen Proteinkinase.
 

Abbildung: Steuerung der Gentranskription durch cAMP
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Bindet ein Ligand an einen G-Protein- assoziierten Rezeptor, spaltet sich die α-Untereinheit des G-Proteins ab, diffundiert zu Adenylylcyclase und aktiviert diese. Es entsteht cAMP, dieses bindet an Proteinkinase A, dessen katalytische Untereinheiten (C) frei werden und durch die Kernmembran in den Zellkern gelangen.
 
Diese Untereinheiten phosphorylieren im Kern mehrere Proteine, u.a. einen Transkriptionsfaktor, der an das
cAMP-responsive Element (CRE) - eine die Ablesung entsprechender Zielproteine steuernde DNA-Sequenz - bindet und als CREB (cAMP-responsives Element-Bindeprotein) bezeichnet wird. Die Aktivierung des CREB erfolgt innerhalb von etwa 30 Minuten und hält ca. 24 Stunden an.
 
Die Phosphorylierung von CREB erhöht dessen Affinität für den Co-Aktivator CBP (CREB binding protein), der die Transkription aktiviert (beginnend an der durch den roten Pfeil markierten Stelle) - bei Anregung durch CREB bis zu 20-fach verstärkt. Eine Transaktivierungsdomäne hilft bei der Aktivierung der RNA-Polymerase II und damit der mRNA-Synthese.
 
PKA phosphoryliert auch Phosphoproteinphosphatase 1, welche die Aktivierung dieses Mechanismus hemmt. Dadurch wird das Transkriptionssignal wieder beendet (Selbstbegrenzung)

Als Folgereaktion der Aktivierung eines Rezeptors (durch extrazelluläre Bindung eines Signalstoffes) wird z.B. die Adenylylcyclase in der Zellmembran aktiviert. Dadurch entsteht (intrazellulär) aus ATP zyklisches Adenosin-Monophosphat (cAMP). Dieser Vorgang wird über stimulierende G-Proteine (Gs) angeregt, über inhibitorische (Gi) gehemmt.

G-Protein-gekoppelte Rezeptoren
beeinflussen den Stoffwechsel im Zytoplasma über cAMP - den "klassischen" second messenger. cAMP wirkt nicht direkt, sondern bindet an Proteinkinase A (PKA), die aus je zwei regulatorischen (R) und katalytischen (C) Untereinheiten besteht und in der Zelle normalerweise inaktiv vorliegt (vgl. dort).

Durch die Aktivierung der PKA phosphoryliert diese andere Proteine. Die Phosphorylierung ist ein "molekularer Schalter", mit dessen Hilfe Enzyme "ein- und ausgeschaltet" werden können (Interkonversion).

Das kann auch im Zellkern erfolgen: Dort befindet sich das CREB (cAMP-responsives Element-Bindeprotein), das an bestimmte DNA-Abschnitte - CRE's, cAMP-responsive elements - bindet und so die Transkription (Expression) bestimmter Gene beeinflusst (
Abbildung). Die Proteinkinase A wandert also eigens in den Zellkern, um dort CREB zu phosphorylieren ( Abbildung).
 
G-Proteine können auch Guanylatzyklase aktivieren, diese wandelt GTP
in  zyklisches Guanosin-Monophosphat (cGMP) um. Guanylatzyklasen (=Guanylylzyklasen) gibt es in zwei Formen:
 
     Membranständig - dies ist ein Hormonrezeptor, und zwar für natriuretische Peptide;
 
     Löslich - aktivierbar durch Stickstoffmonoxid (NO).

cGMP hat in der Zelle verschiedene Wirkungen, zum Beispiel kann es Proteinkinase G (PKG) aktivieren, welche dann Zielproteine in der Zelle phosphoryliert; oder es aktiviert Phosphodiesterase (die cAMP abbaut); oder CNG-Kanäle (diese ermöglichen den retinalen Sehvorgang).
 
cAMP und cGMP können über Phosphodiesterasen ihre Wirkungen gegenseitig beeinflussen (cross-talk). Beispielsweise stellen - über Wirkung auf eigene Rezeptoren (GPR3, G-protein-coupled receptor) und Adenylylcyclase - hohe cAMP-Werte die Eizellen im Ovar ruhig (Arrest in Prophase I). Das wird unterstützt durch cGMP, das von benachbarten Granulosa- und Cumuluszellen über gap junctions in die Eizelle "injiziert" wird und hier eine spezielle Phosphodiesterase (PDE3A) inhibiert; dadurch ist der Abbau von cAMP gehemmt. Steigt nun zur Mitte des Zyklus der LH-Spiegel, hemmt LH diese Zellen und hebt so die Inhibition des cAMP-Abbaus auf. [cAMP] nimmt in der Eizelle ab, und sie durchläuft kurz vor der Ovulation die erste Reifeteilung.
 
  cAMP wird durch Phosphodiesterase abgebaut.
 
  
  HSP 90 und HRE: Fettlösliche Signalstoffe - Steroidhormone, Retinsäure - finden an der Zellmembran keine Barriere, sondern durchdringen die Phospholipidlamelle ohne Schwierigkeiten und finden sich dann im Zellinneren wieder. Hier binden sie an entsprechende (intrazelluläre) Rezeptoren und lösen sie dabei von ihrer Bindung an das "Hitzeschockprotein 90" (HSP 90) - sozusagen der "Ruhezustand" der Steroidrezeptor-Moleküle.

Der Hormon-Rezeptor-Komplex gelangt anschließend in den Zellkern, bindet an DNA-Abschnitte, die als hormone response elements (HRE) bezeichnet werden und verändern so die Expression entsprechender Genabschnitte, die meist mehrere hundert Basenpaare "stromabwärts" liegen (vgl. auch dort).
 
Adhäsionsmoleküle
vgl. dort
 
Immunglobuline Cadherine, Desmosomen Integrine Selektine

Glykoproteine verbinden Bestandteile des Extrazellulärraums und auch Zellen miteinander (und werden deshalb auch als "Klebeproteine" oder Zelladhäsionsproteine bezeichnet). Zelladhäsionsproteine sind allesamt transmembranal - sie haben extrazelluläre (Bindung von Liganden), transmembranale (hydrophobe α-Helices) und intrazelluläre Anteile (Verankerung im Zytoskelett). Zu ihnen gehören z.B. Laminin, das in Basalmembranen vorkommt, und Fibronektin, das sowohl in der extrazellulären Matrix als auch in der Blutbahn zu finden ist (und dort an der Blutgstillung mitwirken kann).

    Laminin ist neben Typ-IV-Kollagen ein Hauptbestandteil der 40-120 nm dicken Basalmembranen. Diese umhüllen Muskel-, Fett- und Gliazellen und bilden eine Schicht unterhalb aller Epithelzellen (was zu deren Polarität beiträgt). Sie beteiligen sich auch an kapillärer Filterfunktion, z.B. in den Glomeruli der Niere (dort sind sie zwischen Endo- und Epithelzellen eingelagert). Laminin vermittelt die gewebespezifische schichtartige Anordnung von Zellen der Basalmembran.

Basalmembranen sind selektive Barrieren und unterliegen ständigem Auf-, Um- und Abbau; nach Verletzungen können sie nachwachsenden Zellen als Leitstruktur dienen. Sie enthalten zahlreiche weitere Proteine, wie das netzbildende Perlecan (ein vor allem in Knorpel und Gefäßen wirksames Proteoglykan), Nidogene (
für die Organbildung wichtige embryonale Glykoproteine), Typ-XVIII-Kollagen (Proteinkern eines Proteoglykans) oder Fibronektin.

    Fibronektinmoleküle sind sehr große  (~500 kDa) Glykoproteine, bestehend aus sich teils wiederholenden Einheiten (repeats), die andere Moleküle wie Fibrin, Kollagen, Integrine oder Heparin binden können. Fibronektin findet sich in löslicher Form auch im Blut, in unlöslicher Form als Fibronektinfibrillen in der extrazellulären Martrix - und zwar auf der Oberfläche von Zellen (Fibronektinmoleküle benötigen Integrine für ihre Polymerisierung), was eine mechanische Verbindung der Zellen mit ihrer Umgebung ergibt.
 

Abbildung: Molekulare Brückenbildung zwischen Zellen
Nach einer Vorlage bei Pearson Education 2012 (mun.ca/biology)
Oben: Homotypische, unten: hererotypische Interaktion (z.B. ICAM und Selektin an Endothelzelle, Integrin und Glykoprotein an Leukozyt).

    ICAM, Intercellular Adhesion Molecule    IgSF, Immunglobulin-Superfamilie    N-CAM, neural cell adhesion molecule

     Die Immunglobulin-Superfamilie ist eine umfangreiche Gruppe von Proteinen, die eine Immunglobulin-Domäne enthalten. Zu ihr gehören Antikörper, T-Zell-Rezeptoren, MHC-Moleküle, CD4, CD8.

  Zur Immunglobulin-Superfamilie (IgSF) s. dort
 
  Über Rezeptor-Tyrosinkinasen und Ephrine s. dort
 
Mechanische Kontakte und extrazelluläre Matrix: Zellen nehmen untereinander und mit der sie umgebenden Matrix nicht nur chemisch, sondern auch mechanisch Kontakt auf. Dazu dienen (Zell-) Adhäsionsmoleküle (CAMs, cell adhesion molecules). Die neisten von ihnen - nicht aber Immunglobuline - benötigen für diese Funktion Ca++-Ionen.

CAMs vermitteln die zelluläre Interaktion in vielzelligen Lebewesen sowohl während der Entwicklung (Embryogenese, Organausbildung, Morphogenese) als auch in der späteren Lebensphase (Zellgestalt, -Teilung, -Migration, Aufbau von Barrieren, Wundheilung, Blutbildung, Nervenleitung u.a.).

Zelladhäsionsmoleküle funktionieren als Transmembranproteine, gelegentlich liegen sie im Zytoplasma gespeichert vor. Als Rezeptoren binden sie an (gleiche oder unterschiedliche) Moleküle an Nachbarzellen, die
 
 
  zur gleichen (homotypische / homophile Interaktion) oder
 
    zu einer anderen Zellgruppe gehören (heterotypische / heterophile Interaktion) (<Abbildung).
 
Es gibt verschiedene Familien an Adhäsionsmolekülen:

  
Immunglobulin-Zelladhäsionsproteine
 
Immunglobulin-CAMs heißen so, weil sie strukturelle Charakteristika von Immunglobulinen aufweisen (sie werden der Immunglobulin-Superfamilie zugeordnet - Immunglobuline s. dort). Sie binden weniger stark als andere Adhäsionsproteine; sie dienen der "Feinabstimmung" im Rahmen von Entwicklungs- und Regenerationsprozessen:
 
    Junctional adhesion molecules (JAM) auf Leukozyten, Plättchen, Endothelzellen, Epithelzellen verknüpfen intra- und extrazelluläre Abläufe und übernehmen spezielle Aufgaben in Bereichen wie Zellmigration, Zellteilung, Angiogenese, Hämostase, Hämatopoese, Epithelbarrieren, Keimzellentwicklung oder Nervenfunktionen ( s. dort). Sie beteiligen sich an der Regelung von Motilität, Polarität, Proliferation von Zellen, Ausbildung von tight junctions;
 
    ICAMs ( Abbildung - Intercellular cell adhesion molecules 1 - 5) spielen im Rahmen von Entzündungsvorgängen eine Rolle;
 
    VCAM-1 (Vascular cell adhesion molecule 1) des Endothels bindet an Integrine;
 
    NCAMs (Neural cell adhesion molecules,  Abbildung) werden nicht nur von Nervenzellen exprimiert und sind reich an Sialinsäure (und daher stark negativ geladen - dadurch können sie die Adhäsion auch abschwächen statt verstärken).
  
Immunglobulin-Superfamilie

Nach Doan / Lievano / Swanson-Mungerson / Viselli, Immunology (3rd ed). Lippincott Illustrated Reviews, Wolters Kluwer 2022
Bezeichnung
Synonym
Exprimiert von
Ligand(en)
CD2
LFA-2
T-Zellen
LFA-3
ICAM-1
CD54
Aktiviertem Endothel, Lymphozyten, dendritischen Zellen
LFA-1
Mac-1
ICAM-2
CD102
Dendritischen Zellen
LFA-1
ICAM-3
CD50
Lymphozyten
LFA-1
LFA-3
CD58
Antigenpräsentierenden Zellen
Lymphozyten
CD2
VCAM-1
CD106
Aktiviertem Endothel
VLA-4

  CD = Cluster of differentiation. Zum CD-System s. dort
 
ICAM = Intercellular adhesion molecule, LFA = Lymphocyte function-associated antigen, VCAM = Vascular cell adhesion molecule, Mac-1 = Macrophage-1 antigen, VLA-4 = Very late antigen-4
 
Immunglobulin-CAMs
werden von verschiedenen Geweben exprimiert, sowohl während als auch nach der Entwicklungsperiode. Einige von ihnen werden auch als Adressine bezeichnet. Sie haben eine Doppelfunktion: Über ihre extrazellulären  Domänen interagieren sie mit Adhäsionsproteinen benachbarter Zellen, und über die zytoplasmatischen Domänen mit Struktur- bzw. Signalmolekülen.
  
Cadherine, Desmosomen
 

Cadherine (calcium-dependent adherens proteins - weil sie für ihre Funktion Calciumionen benötigen) sind (etwa 90 verschiedene) Ca++- abhängige transmembranale Glykoproteine in Desmosomen, die Kontakte zwischen Zellen desselben Typs stabilisieren - dadurch die Gewebearchitektur erhalten - und an Signaltransduktionsvorgängen mitwirken: E-Cadherine in Epithelien, N-Cadherine in Nervenzellen, vaskulär-endotheliales VE-Cadherin.
 

Abbildung: Komponenten interzellulärer Verbindungsmoleküle
Nach Cadwell CM, Su W, Kowalczyk AP. Cadherin tales: Regulation of cadherin function by endocytic membrane trafficking. Traffic 2016; 17: 1262-71

Adhäsionsverbindungen (adherens junctions, oben) stellen mechanische Verbindungen zwischen Zellen her. Der zytoplasmatische Abschnitt von Cadherinen bindet hier an p-120- und ß-Catenine und letztere direkt an aktinbindende α-Catenine.
 
In Desmosomen (unten) binden die zytoplasmatischen Enden von desmosomalen Cadherinen - Desmocollin und Desmoglein - an Plaktoglobin. Desmoplaktin bindet seinerseits an diesen Komplex via Plaktoglobin, andererseits an Intermediärfilamente. Plaktophilin verstärkt diese Interaktion und gruppiert Desmoplaktinkomplexe


An Cadherine können sich verschiedene Adapterproteine anlagern, wie Catenine an Schaltstellen zwischen Cadherinen und Aktinfilamenten.

Die Familie der Cadherin-Adhäsionsmoleküle umfasst Cadherine, Desmogleine und Desmocolline. Sie bilden stabile Zellverbindungen; für vorübergehende (leicht wieder lösbare) Verbindungen (z.B. im Rahmen der Leukozytenmigration, s. Abbildung weiter unten) exprimieren Zellen andere Typen von Zelladhäsionsmolekülen.

Über Desmosomen s. auch dort

Cadherine binden an Cadherine desselben Typs:
 
Cadherine

Nach Doan / Lievano / Swanson-Mungerson / Viselli, Immunology (3rd ed). Lippincott Illustrated Reviews, Wolters Kluwer 2022
Bezeichnung
Synonym
Exprimiert von
Ligand(en)
E-Cadherin
CDH1
Epithelien
E-cadherin
N-Cadherin
CDH2
Neuronen
N-Cadherin
P-Cadherin
CDH3
Plazenta
P-Cadherin
Desmocolline
DSC1,2,3
Epithelien
Desmocolline
Desmogleine
DSG1,2,3
Epithelien
Desmogleine

Desmosomale Verbindungen sind z.B. erforderlich für die Re-Epithelialisierung der Haut im Rahmen der Wundheilung. Das Cadherin-Catenin-System vermittelt u.a. Kontaktinhibition beim Aufeinandertreffen gleichartiger Zellen, z.B. in der Zellkultur. Veränderte Funktion von Cadherinen kann an bestimmten Formen von Krebswachstum beteiligt sein.
  
Integrine
 
Integrine sind transmembranale, kinasegekoppelte Rezeptoren. Sie sind heterodimer, d.h. sie bestehen aus (unterschiedlichen) α- und β-Untereinheiten ( Abbildung oben). Sie binden an Moleküle der extrazellulären Matrix (z.B. Fibronektin), was zelluläre Reaktionen auslöst (z.B. Beteiligung an Effekten von Wachstumsfaktoren oder Umlagerung des Zytoskeletts). Unter besonderen Umständen dienen sie auch der Adhäsion zwischen Zellen.
  

Abbildung: Einfluss von Integrinen auf die Wirkung von Wachstumsfaktoren
Nach einer Vorlage in Ritter / Flower / Henderson / Loke / MacEwan / Rang, Rang & Dale's Pharmacology, 9th ed. Elsevier 2020

Die Zelle befindet sich in der G0-Phase und tritt in die G1-Phase ein. Wachstumsfaktoren bewirken die Synthese von Faktoren, die zur Steuerung im Zellzyklus benötigt werden (cell cycle transducers).
 
Die intrazellulären Enden der meisten Rezeptoren für Wachstumsfaktoren haben Tyrosinkinase-Aktivität. Die Rezeptoren dimerisieren bei Bindung ihres Ligenden und phosphorylieren ihre Tyrosinreste gegenseitig. Von hier starten intrazelluläre Signalkaskaden.
 
Interaktion von Integrinen und der extrazellulären Matrix verstärkt diese Signalkette (über Adapterproteine, AP) und kann auch Kontakte zum Zytoskelett vermitteln.
 
Die Effekte auf positive zyklussteuernde Faktoren wie Cycline und cdk's einerseits, Inhibitoren andererseits erfolgen über die Ablesung rasch (early response) und verzögert kopierter Gene (delayed genes)

     Zum Ras-Mechanismus s. dort

FA-Kinase, focal adhesion kinase, ist in die Anhaftung von Zellen involviert


Je nach Aminosäuresequenz der α- und β-Untereinheiten haben Integrine unterschiedliche Bindungseigenschaft und Funktion. Insgesamt sind zwei Dutzend Integrine bekannt; sie alle bestehen aus einer von 18 α- und einer von 8 ß-Ketten.
  
    Fibronektin bindet an zahlreiche andere Moleküle;
 
    Laminine sind stabilisierende Proteine in Basalmembranen, die an spezifische Rezeptoren (z.B. Integrine) binden und die Kommunikation zwischen Zelle und extrazellulärer Matrix unterstützen;
 
    Osteopontin bindet insbesondere im Knochen (Hydroxylapatit), verknüpft Zellen untereinander und beteiligt sich u.a. an Signalübermittlung, Abdichtung (z.B. am Dichtungsrand von Osteoklasten) und Blutgerinnung.
 
Integrine

Nach Doan / Lievano / Swanson-Mungerson / Viselli, Immunology (3rd ed). Lippincott Illustrated Reviews, Wolters Kluwer 2022
Bezeichnung
Synonym
Exprimiert von
Ligand(en)
LFA-1
CD11a:CD18
Phagozyten Neutrophilen T-Zellen
ICAM-1/2/3
Mac-1
CD11b:CD18
Neutrophilen Makrophagen Monozyten
ICAM-1
CR4
CD11c:CD18
Dendritischen Zellen Neutrophilen Makrophagen
iC3b
(Complement-
fragment)
VLA-4
CD49d:CD29
Lymphozyten Makrophagen Monozyten
VCAM-1

LFA = Lymphocyte function-associated antigen, Mac-1 = Macrophage-1 antigen, CR4 = Complement receptor 4, VLA-4 = Very large antigen-4, ICAM = Intercellular adhesion molecule, VCAM = Vascular cell adhesion molecule
 
CDx:CDy bedeutet: Besteht aus CDx und CDy.
 
Integrine vermitteln die Anhaftung von Zellen untereinander und an Komponenten der extrazellulären Matrix, also dem interzellulären Raum (Fasern und Grundsubstanz) und können auf chemische Signale (Chemokine) hin ihre Konformation und damit die Bindungsstärke an Endothelzellen verändern. Dadurch können Immunzellen an der Gefäßinnenwand anhaften und durch sie hindurchtreten (
Diapedese), und zwar je nachdem, welche Moleküle jeweils von den Zellen exprimiert werden.
 

Abbildung: Rekrutierung von T- und NK- Lymphozytenvorstufen beim Neugeborenen
Nach Lee BJ, Mace EM: From stem cell to immune effector: How adhesion, migration, and polarity shape T-cell and natural killer cell lymphocyte development in vitro and in vivo. Mol Biol Cell 31, 2020: 981-91
Zellen des frühen Immunsystems wandern unablässig durch Kreislauf und Gewebe. Adhäsionsmoleküle spielen dabei eine steuernde Rolle, u.a. beim Durchtritt durch Endothelien.
  
Oben: Homing von T-Zell-Vorläufern. Postnatale Lymphoblasten aus dem Knochenmark gelangen in die Blutbahn und werden zur Diapedese in den Thymus veranlasst. Bindungen zwischen Chemokinliganden (CCL) und Rezeptoren (CCR) verstärken die Anhaftung an Integrine. Rekrutierung erfolgt zunächst über Bindung von PSGL1 (P-Selektin- Glykoprotein-Ligand) sowie CD44 an P-Selektin an Thymusendothel, gefolgt von Signalübertragung über Bindung von Chemokinrezeptoren CCR7 und CCR9 an ihre Liganden CCL19, CCL21 und CCL25. Dies Erhöht die Affinität des Integrins für seine Bindungspartner. Endgültige Anhaftung ermöglicht die Bindung von Integrinen an VCAM und ICAM.
  
Unten: Recruitment in sekundäres lymphatisches Gewebe. NK-Zell-Vorläufer exprimieren Integrine, die wahrscheinlich eine tragende Rolle für die Arrestierung am Endothel spielen, wahrscheinlich über Bindung an VCAM

CD = Cluster of differentiation; GlyCAM = Glycosylation-dependent cell adhesion molecule; LFA = Lymphocyte function-associated antigen, ein Leukozten-Integrin


Integrine, die interzelluläre Anhaftung bewirken, binden an Mitglieder der Immunglobulin-Superfamilie; solche, die an die extrazelluläre Matrix binden, bauen meist Brücken zu Fibronectin auf, und das hat Wirkungen innerhalb der Zelle. Solche zellulären Signale können sowohl nach innen als auch nach außen wirken ("inside-out / ontside-in signaling").
 
Selektine 
 
Die kohlenhydratreichen Selektine haben extrazellulär eine Lektindomäne zur Bindung an spezifische Oligosaccharide an anderen Zellen, intrazellulär befestigen sie über Ankerproteine Aktinfilamente. Als Bindungspartner kommen z.B. der (in Milch vorkommende) Proteoglycanligand GlyCAM1 (glycosylation-dependent cell adhesion molecule-1) hochendothelialer Venolen in lymphatischen Geweben in Frage, oder das Tetrasaccharid Sialyl-Lewis-X (CD15s), das bei Zellerkennungsprozessen - einschließlich dem Homing von Leukozyten ( Abbildung) und der Identifikation einer Eizelle durch Spermien - eine bedeutende Rolle spielt.
 
     Selektine sind kohlenhydratbindende Glykoproteine, welche die Adhäsion von Leukozyten an Endothelien
vermitteln.
 
  Selektine vermitteln kurzfristige Fixierung von Leukozyten an das Endothel, Austritt (Homing) in entzündetes Gewebe, und Diapedese in lymphatischen Organen (Endothelien in Lymphknoten und Milz bilden "passende" Oligosaccharide). Ihre Expression ist zytokingesteuert. Leukozyten bilden L-Selektin (CD62L), Endothelien E-Selektin (CD62E), Blutplättchen (und Endothelzellen in entzündetem Gewebe) P-Selektin (CD62P).
 
Selektine

Nach Doan / Lievano / Swanson-Mungerson / Viselli, Immunology (3rd ed). Lippincott Illustrated Reviews, Wolters Kluwer 2022
Bezeichnung
Synonym
Exprimiert von
Ligand(en)
E-Selektin
CD62E
Aktiviertem Endothel
Sialyl-Lewis-X
(Tetrasaccharid)
L-Selektin
CD62L
Leukozyten
CB34, GlyCAM-1, MadCAM-1, sulfatiertes Sialyl-Lewis-X
P-Selektin
CD62P
Thrombozyten aktiviertem Endothel
Sialyl-Lewis-X
PSGL-1

CAM = cell adhesion molecule, PSGL-1 = P-selectin glycoprotein ligand-1
 
In entzündetem Gewebe exprimieren Endothelzellen Selektine, und passende Oligosaccharide befinden sich auf Leuko- und Thrombozyten ("Rollenwechsel"), sodass diese gestoppt werden (schwache Bindung, "Rollen" der Leukozyten entlang der Gefäßwand) und sich an der Abwehr beteiligen. Diese Fixierung wird durch Integrine verstärkt, die an Proteine der Immunglobulinfamilie (ICAMs, VCAMs) binden, dadurch eine starke Anheftung und Diapedese der Leukozyten ermöglichen.
 
  Über Struktur- und Transportproteine in der Zelle s. dort
 
Extrazelluläre Matrix
 
Matrix Glykosaminoglykane Matrix-Metalloproteinasen
 

    Als extrazelluläre Matrix (ECM) bezeichnet man ein dreidimensionales, in ein Gel aus komplexen Kohlenhydraten eingebettetes, interstitielles Maschenwerk aus Proteinfasern, die von umliegenden Zellen produziert werden. Ihre molekulare Zusammensetzung ist variabel und bestimmt die Eigenschaften der ECM (transparent in der Hornhaut des Auges, calcifiziert in Knochen und Zähnen, dehnungsresistent in Sehnen usw).

Die extrazelluläre Matrix kann Zellen Orientierung bieten und beeinflusst zelluläre Funktionsabläufe. Das beginnt schon mit der Embryogenese, wo sie von entscheidender Bedeutung für die Bewegung der sich organisierenden Zellen ist:
Das extrazelluläre Faserwerk informiert umliegende Zellen über topographische Charakteristika, welche die Morphogenese leiten.
   So steuert die extrazelluläre Matrix die Wanderung von Nerven- und Muskelzellen.
 
  Sie veranlasst Kardiomyozyten zur mechanischen und elektrophysiologischen Kontaktaufnahme, dadurch bildet sich ein funktionelles Synzytium aus.
   Hepatozyten sind polar organisiert, sie bilden drei Arten von Kontaktflächen aus: Extrazelluläre Matrix, andere Zellen und luminale Oberfläche (Gallenkapillare).
  
Über Kontaktmechanismen im Knochen s. dort.

Die Matrix besteht aus zwei organischen Hauptkomponenten: Faserbildenden (Kollagen, Elastin) und nicht-faserbildenden Elementen (Proteoglykane / Glykoproteine, adhäsive Proteine, Thrombospondin, Osteopontin).

Auf fadenförmigen Strukturen vorliegende Adhäsionsproteine wie Fibronektin und Laminin interagieren mit Zellen mittels transmembranaler
Integrinrezeptoren. Das aktiviert Signalketten in der Zelle und steuert das Zellverhalten. Polysaccharide wie Hyaluronsäure und Heparansulfat bilden ein Depot für Wachstumsfaktoren und wirken als mechanischer "Stoßdämpfer".


Die Matrix dient auch als "Auffangbecken" für Moleküle, die im Rahmen von Signalisierungsvorgängen in den Extrazellulärraum gelangt sind. So können sie freigesetzte Transmitter / Mediatoren / Hormone immobilisieren, bevor sie abgebaut oder wieder aufgenommen werden; dadurch limitieren sie parakrine Wirkungen von Informationsträgern (z.B. an der motorischen Endplatte).
  
 
Abbildung: Interstitielle Matrix
Nach Yazdani M, Shahdadfar A, Jackson CJ, Utheim P. Hyaluronan-based hydrogel scaffolds for limbal stem cell transplantation: A review. Cells 2019; 8: 245

Hyaluronsäurefäden (rot) können bis zu 5000 nm lang werden (2-3 MDa). An sie haften sich meist Proteoglykane, bestehend aus einem relativ kurzen Protein (core protein) mit Glykosaminoglykan- Seitenketten (GAG, bis 40 nm lang), die bürstenförmige Gestalt haben und zahlreiche negative Ladungen (Carboxyl- und Sulfatgruppen) aufweisen. Diese attrahieren Na+ und lassen das Interstitium osmotisch anschwellen. Die Abbildung zeigt, wie zahlreiche spezialisierte Moleküle an der Fixierung des extrazellulären Maschenwerks beteiligt sind.
 
In den Spalten dieses Maschenwerks bewegt sich interstitielle Flüssigkeit, inklusive mobile Proteine. Glykosaminoglykane attrahieren Ultrafiltrat (Hydrierung des Interstitiums) und reduzieren die Permeabilität des Interstitiums (der effektive hydraulische Radius beträgt im GAG-reichen Knorpel ~3 nm, im GAG-armen Glaskörper des Auges ~300 nm; interstitielle Flüssigkeit ist im Glaskörper wesentlich mobiler als im Knorpel).
 
Ohne den kontinuierlichen Abtransport von Lymphflüssigkeit aus dem Interstitium (das dadurch in Haut und Subcutis einen leichten Unterdruck aufweisen kann) würde die Matrix noch mehr Flüssigkeit festhalten.
 
Spaltung der Hyaluronsäureketten mittels Hyaluronidase erhöht die hydraulische Leitfähigkeit des Interstitiums etwa 5-fach

 
    Glykosaminoglykane sind extrem lange, unverzweigte, stark negativ geladene, sehr hydrophile Kohlenhydratketten (Heteropolysaccharide), bestehend aus sich vielfach wiederholenden Disacchariden, die jeweils aus einem Aminozucker und einem sauren Monosaccharid (Zuckersäure; die Uronsäure der Glucose heißt Glucuronsäure) aufgebaut sind. Sie nehmen den größten Raumanteil in der Grundsubstanz ein und bauen druckresistente Gele auf, z.B. in Knorpelsubstanz. Zu den Glykosaminoglykanen zählen Heparin, Heparansulfat, Dermatansulfat, Keratansulfat, Chondroitinsulfat und Hyaluronsäure. Hyaluronsäure besteht aus bis zu 2,5.104 Disaccharid-Einheiten (N-Acetyl- D-Glucosamin- D-Glucuronat). An Hyaluronsäureketten können sich seitlich Proteoglykankomplexe anlagern (Abbildungen).
 
Proteoglykane sind Glykoproteine (5% Protein-, 95% Kohlenhydratanteil). Sie sind komplex aufgebaut:
Eine zentrale, lineare Hyaluronsäurekette mit flaschenbürstenähnlichen Seitenästen, jeweils bestehend aus einem Proteinstamm mit mehreren - oft über Xylose-Galaktose-Triosen befestigten - Kohlenhydrat-Seitenketten (davon mindestens ein Glykosaminoglykan).
Proteoglykane sie sind die mengenmäßig führende Komponente der extrazellulären Matrix und erfüllen folgende Aufgaben: Bindung großer Mengen Wasser und Kationen, Beeinflussung der Bewegung mobiler Moleküle durch die Matrix, Anlagerung anderer Komponenten der extrazellulären Matrix (z.B. Elastin, Fibronektin).

Die Moleküle, welche die extrazelluläre Matrix aufbauen, fallen - abgesehen von zahlreichen Enzymen und matrix-assoziierten Proteinen - in drei Kategorien:
Kollagene und andere faserförmige Proteine, die der Matrix Zugfestigkeit verleihen (s. Tabelle; Kollagenfibrillen haben 10 bis 300 nm Durchmesser, sie können sich zu Kollagenfasern zusammenlagern, die mehrere µm dick sind). Fibroblasten können die Anordnung fibrillärer Elemente je nach den spezifischen Anforderungen des entsprechenden Gewebes steuern (parallel in Sehnen, gegeneinander gewinkelt in der Haut, etc);
Glykosaminoglykane, stark negativ geladene Polysaccharide, die meist an Proteine gebunden sind, volumenbildend wirken und Druckfestigkeit verleihen (z.B. kann der Knorpel im Kniegelenk mehreren hundert Atmosphären Druck standhalten);
über 200 verschiedene oligosaccharid-tragende Glykoproteine, welche Strukturen der Matrix untereinander verbinden können.

Diese Bestandteile sind je nach Gewebe unterschiedlich vertreten. Die Matrix ist druckfest, lässt aber die Diffusion verschiedenster Stoffe zu und unterstützt dadurch Ernährung und Funktion. Auch Zellen können sich durch die Matrix bewegen und so Umstrukturierungen vornehmen.

Kollagen ist das im Körper am weitesten verbreitete Protein (Sehnen, Bänder, Knorpel, Knochen, Haut, interstitielle Matrix). Sie werden in Typen gruppiert (bislang 28 definiert); einige gruppieren sich zu Fasern (Typen I, II, III, V, XI), andere sind nicht-fibrillär und bilden Netzwerke.
 

Kollagenarten (Auswahl)

Modifiziert nach Alberts et al, Molekularbiologie der Zelle, 6. Aufl. 2015

Art
Polymerisierte Form
Gewebeverteilung
Fibrillen bildend
I
(höchste Belastbarkeit)
Fibrille
~90% des Kollagens: Haut, Knochen, Sehnen, Bänder, Hornhaut, innere Organe
II
Knorpel, Bandscheiben, Glaskörper im Auge
III
retikuläre Fasern
Haut (Fetus), Gefäße, innere Organe
V
Zelloberflächen, Haare, Placenta
XI
Wie Typ II
Mit Fibrillen assoziiert
IX
Laterale Verbindung mit Fibrillen
Knorpel
Netzwerke bildend
IV
Großflächige Netzwerke
vom Epithel gebildeter Teil der Basalmembran, Linse (Auge), Kapillaren
VII
Ankerfibrillen
unter mehrschichtigem Plattenepithel
Transmembran-
ständig

XVII
Nichtfibrillär
Hemidesmosomen
Proteoglykan-
Proteinkern

XVIII
Basalmembran
 
Hyaluronsäure
(Hyaluronan,
Abbildung oben) ist das einfachste Glykosaminoglykan. Sie wird von Enzymkomplexen der Zellmembran direkt im Extrazellulärraum synthetisiert (nicht wie andere Glykosaminoglykane exozytiert). Hyaluronsäure ist ein langes Polysaccharid, besteht aus Glukorunsäure und N-Acetyl-Glukosamin; als sulfatfreies Molekül ist es meist nicht an ein Proteingerüst gebunden. Mit bis zu 25.000 Disaccharideinheiten beträgt das Molekulargewicht an die 8000 kDa (zum Vergleich: Kollagenfibrille 290 kDa, Glykogenkörnchen 400 kDa, Spektrinfibrille 460 kDa, Aggrecan 3000 kDa); ein einziges Molekül Hyaluronan füllt einen Raumkubus von ca. 300 nm Kantenlänge aus (300 nm ist ungefähr der Durchmesser einer dicken Kollagenfibrille).

Je nach den spezifischen Anforderungen an ihre Funktion liegt die Hyaluronsäure in unterschiedlicher Moleküllänge vor (hochmolekulares Hyaluronan - HMW HA - kann durch Hyaluronidasen in niedrigmolekulares - LMW HA - verwandelt werden (MW = molecular weight, HA = hyaloronic acid).
  Hyaluronsäure wird von membranassoziierten Hyaluronsynthasen in das Interstitium sezerniert. Alle anderen Glykosaminoglykane werden im Golgi-Apparat synthetisiert.
  Hyaluronsäure wird durch
Hyaluronidase wieder aufgelöst.
 
Manche Bakterien (z.B. Streptokokken) breiten sich mittels Hyaluronidase im Gewebe aus.


Hyaluronsäure
und andere Glykosaminoglykane (GAG) findet man im Interstitium - besonders konzentriert in Nabelschnur, Glaskörper, Synovialflüssigkeit, Knorpeln, Haut und Herzklappen. Je nach Zucker- und Sulfatstruktur unterscheidet man vier GAG-Klassen:

     Hyaluronane (beteiligt an Zellmigration und Wundheilung - Zellen haben Hyaluronsäurerezeptoren),

     Dermatan- und Chondroitinsulfate (Wundheilung, Blutgerinnung, Druckfestigkeit),

     Keratansulfate (Strukturelemente in Auge (Cornea), Knorpel, Knochen; Entwicklung ZNS),

     Heparansulfate (Organentwicklung, Angiogenese, Blutgerinnung).

Glykosaminoglykane sind relativ immobil und länglich strukturiert; so eignen sie sich besonders gut, Geweberäume stabil auszufüllen. Ihre negative Ladung zieht Kationen (vor allem Na+) an, was sich osmotisch bemerkbar macht:

Dieses hydrophile Maschenwerk hat enorme Wasserbindungskapazität (bis zum 1000-fachen des Eigengewichts) und verleiht dem Gewebe spezielle visköse Eigenschaften ("Schmierung") und Druckfestigkeit; es erschwert auch die Ausbreitung von Bakterien.
Hyaluronsäure befindet sich auch an der Unterseite von Epithelzellschichten als Hyaluronsäurefilm, in den allenfalls Zellen einwandern können (wichtig z.B. bei der Bildung klappenartiger Strukturen oder bei der Wundheilung).

Proteoglykane beteiligen sich an der Steuerung des Zellwachstums, zum Teil indem sie Wachstumsfaktoren in ihrem Maschenwerk speichern und bei Gelegenheit (bei Proteolysewirkung) freisetzen. Sie haben einen Proteinkern und seitlich gebundene Glykosaminoglykane (die ganz verschieden zusammengesetzt sein können). Der Mensch verfügt über an die 40 Proteoglykane, die eine gelartige "Grundsubstanz" bilden und bis zu 95 Gewichts-% Kohlenhydrate enthalten. Zu den Proteoglykanen zählen so unterschiedlich große Moleküle wie Decorin der Fibroblasten (eine Seitenkette) oder Aggrecan des Knorpels (>100 Glykosaminoglykan-Seítenketten). Einige Proteoglykane sind in der Zellmembran verankert, wie die Syndekane (s. weiter unten).
 

Abbildung: Zelle und extrazelluläre Matrix
Nach einer Vorlage bei Nach einer Vorlage in Strachan / Read, Human Molecular Genetics, 5th ed. 2020 (CRC Press)

Die extrazelluläre Martix schützt die Zelle vor mechanischen Stressfaktoren und vermittelt Signale aus dem Extrazellulärraum an das Zellinnere. Die langen "Supermoleküle" (blau) sind Proteoglycan-Aggregate, sie haben ein "Rückgrat" aus Hyaluronsäure, an dem Proteoglycan-"Zweige" über Verbindungsproteine angeheftet sind.
 
Glykoproteine / Proteoglykane werden von Zellen exozytiert und bilden die Hauptkomponenten der extrazellulären Matrix. Kollagenfasern geben Zugfestigkeit, Fibronektine befestigen die Matrix via Integrinrezeptoren an der Zellmembran und sind intrazellulär mit Mikrofilamenten verknüpft (dadurch ergibt sich eine mechanische Kontinuität zwischen Zellinnerem und Extrazellulärraum). Proteoglycane sind an lange Polysaccharidketten befestigt, sie regulieren die Perkolation von Molekülen durch die extrazelluläre Matrix sowie die Bindung von Wasser und Kationen an sie


    Anhaftung von Zellen untereinander erfolgt vorwiegend durch Cadherine und CAMs - Glykoproteine auf Neuronen, Glia-, Muskel- und NK-Zellen, die benötigt werden für die Fixierung gleichartiger Zellen aneinander sowie für synaptische Plastizität und Lernvorgänge und Erinnerung)

    Diejenige zur extrazellulären Matrix über Integrine ( Abbildung). Diese Glykoproteine bestehen aus jeweils zwei in die Membran "gesteckten" Untereinheiten, mit einer kurzen intrazellulären (Verbindung zum Zytoskelett) und einer langen extrazellulären Domäne (Fixierung an die Martrix). Der Mensch verfügt über 24 Integrin-Isoformen.
 
Integrine vermitteln mechanische Kraftübertragung zwischen Zelle und Extrazellulärraum über fokale Adhäsionskomplexe an der Innenseite der Zellmembran, sowie Signalübertragungen in der Zelle als Reaktion auf mechanische Reize. Auf diese Weise wirken sie als Matrixrezeptoren, die Signale über die Zellmembran in beide Richtungen übertragen können. Dabei können sie - situationsbedingt - zwischen aktivem (bindet Liganden) und inaktivem Zustand wechseln.
 
Molekülkomplexe, welche mit Integrin die Verbindung zwischen Matrix und Zytoskelett herstellen, beinhalten Dutzende Gerüst-, Adapter- und Signalproteine, wie Talin, Paxilin, Vinculin, Kindlin etc auf der intrazellulären Kontaktstelle mit Aktinfilamenten ( Abbildung).
  
 
Abbildung:  Extrazelluläre Matrixmoleküle und Zelle
Nach einer Vorlage in Carlson BM, Human Embryology and Developmental Biology, 7th ed. 2024 (Elsevier)
Moleküle der extrazellulären Matrix, wie sie in Basalmembranen vorkommen - z.B. die Glycoproteine Fibronectin, Typ IV-Kollagen (links unten), Laminin (rechts oben) oder Tenaszine (rechts unten) - befördern die Anlagerung bzw. das Fortbewegen von Zellen an bzw. über extrazelluläre Strukturen.
 
Das Glycoprotein Fibronektin tritt in dimerer Form auf (Disulfidbrücken) und bindet einerseits an Integrine in der Zellmembran, andererseits an extrazelluläre Matrixproteine wie Fibrin, Heparin (Heparansulfate, z.B. Syndecane), Kollagen.
 
Laminine sind ebenfalls extrazelluläre Glycoproteine und die führende Komponente von Basalmembranen. Sie treten in heterotrimerer Form auf (mehr als ein Dutzend verschiedene Kombinationen, z.B. wie hier eine A- und zwei B-Ketten). Veränderter Aufbau kann Schäden an der Haut (Epidermolysis bullosa), Muskeln (Dystrophie) oder Nieren (nephrotisches Syndrom) verursachen.
 
Auch Tenaszine sind Bestandteile der extrazellulären Matrix; man teilt sie in mehrere Gruppen ein (Tenaszin-C, -R, -W-, -X). Sie spielen vor allem in der Frühentwicklung (Nervensystem, Bewegungsapparat) eine Rolle und können die Interaktion von Fibronektinen mit Syndecanen blockieren


Dabei wirken die Integrinkomplexe auf intrazelluläre Signalketten ein. Wachstum - und oft auch das Überleben - mancher Zellen kann an die Verknüpfung mit der extrazellulären Matrix angewiesen sein (Kontaktabhängigkeit). Die Anwesenheit von Wachstumsfaktoren und Nährstoffen alleine reicht bei Myozyten, Epithel- und Endothelzellen nicht aus, diese am Leben zu erhalten; bei Verlust des Kontakts zur Umgebung kommt es zur Apoptose betreffender Zellen.

    Bei Aktivierung des Immunsystems spielen insbesondere Selektine eine wichtige Rolle für die Bindung zwischen Zellen, z.B. Leukozyten und Endothelzellen.
 
Es gibt zahlreiche weitere Adhäsionsmoleküle, insbesondere

      Osteonectin, das sich an der Gewebsneubildung nach Verletzungen beteiligt ( s. auch dort)

      Thrombospondine, die neben ihrer Gerinnungsaktivität auch gefäßwachstumshemmend wirken ( s. auch dort)

      Osteopontin, ein u.a. im Knochen vorkommendes Brückenprotein (daher der Name), das Leukozytenmigration und Entzündungsvorgänge mediiert
 
      Tenaszine, große extrazelluläre Matrixproteine ( Abbildung), die Zelladhäsion und -gestaltung beeinflussen.

      Syndekane sind in der Zellmembran verankerte Proteoglykane. Sie haben Corezeptor-Wirkung vor allem für G-Protein-gekoppelte Rezeptoren. So beeinflussen sie die Wirkung des Fibroblasten-Wachstumsfaktors FGF: Dessen Bindung an seinen Rezeptor ist verstärkt, wenn es an Heparansulfatketten (wie solche an Syndekan) gekoppelt ist. Freigewordenes FGF bindet dann leichter an FGF-Rezeptoren und löst Wachstums- bzw. Heilungsprozesse aus.

Gleichzeitig schützt die Anlagerung von FGF an Heparansulfat diesen im Extrazellulärraum und bildet hier ein FGF-Depot, dessen fallweise Freisetzung wiederum Wachstumsprozesse triggert. Intrazellulär sind Syndekane über Aktinfilamente fest mit dem Zytoskelett verknüpft, was der intrazellulären Signalübermittlung dient.

Glykosaminoglykane stellen eine mechanisch-funktionelle Verbindung der extrazellulären Situation mit der Funktion eingebetteter Zellen her: Dies betrifft z.B. durch Wachstumsfaktor-Beeinflussung, Verankerung im interstitiellen Maschenwerk, Zell-Zell-Adhäsion, oder Gefäßwachstum (Angiogenese).
 
Glykosaminoglykane
 

Glykosaminoglykane (Mucopolysaccharide) nehmen das größte Volumen in der extrazellulären Substanz in Anspruch. Sie binden an Eiweiße und bilden so Proteoglykane. Glykosaminoglykane sind lange Ketten aus Disacchariden, wobei das erste Zuckermolekül ein Aminozucker ist (N-Acetyl-Glucosamin oder N-Acetyl-Galactosamin) und eine Sulfatgruppe gebunden hat (außer in der Hyaluronsäure), das zweite eine carboxylierte Uronsäure (Glucuronsäure oder Iduronsäure).

Da sowohl die Carboxylgruppe der Uronsäure als auch die Sulfatgruppe des Aminozuckers negative Ladungen aufweist, sind Glykosaminoglykane stark negativ geladen und halten eine "Wolke" von Kationen (Na+) um sich herum. Die Dipolstruktur bindet zahlreiche Wassermoleküle; auf diese Weise bilden Glykosaminoglykane im Extrazellulärraum (Interstitium) Gele, die u.a. mechanische Stütz- und Stoßdämpferfunktion übernehmen (z.B. im Knorpel).

Glykosaminoglykane sind neben fadenförmigen Struktureiweissen (wie Kollagen) und Zelladhäsionsproteinen die dritte konstitutive Komponente des Extrazellulärraums. Man unterscheidet

       Heparansulfat, das vor allem in der Leber vorkommt (Heparin gehört zu dieser Stoffgruppe),

       Chondroitinsulfat (Knorpel, Knochen,..),

       Dermatansulfat (Haut),

       Keratansulfat (Hornhaut, Knochen, Knorpel) und

       Hyaluronsäure (sie wird von membranassoziierten Hyaluronsynthasen in das Interstitium sezerniert).
 
  

Abbildung: Mechanische Stimulation von Zellen
Nach Tsimbouri PM, Adult Stem Cell Responses to Nanostimuli. J Funct Biomater 2015; 6: 598-622

Mechanische Kräfte beeinflussen Zellen über Mechanosensoren, einschließlich Rezeptoren, die Liganden binden.
 
Man unterscheidet

   extrazelluläre (Zug / Druck via extrazelluläre Matrix oder Scherkräfte strömender Flüssigkeit),

   interzelluläre (Kontakt zu Nachbarzellen) und

   intrazelluläre Krafteinflüsse (Zytoskelett: Aktomyosinkontraktion, mikrotubuläre (De)Polymerisierung, Osmose).
 
Aktivierung von Sensoren löst Signalkaskaden und Veränderungen der Genexpression aus. Folge sind Auswirkungen auf Proliferation, Differenzierung und Überleben oder Apoptose

Glykosaminoglykane - außer Hyaluronsäure - sind an ein Eiweiß (core protein) gebunden, wie Äste an einen Stamm (Proteoglykan); und mittels dieses Proteins können sie wiederum sprossenartig an Hyaluronsäure binden. (Verschiedene core proteins binden verschiedene Glykosaminoglykane.) Die so entstandenen Riesenmoleküle können sich an freien Enden der Hyaluronsäurekette wiederum an Zellmembranen festsetzen - mittels Verankerungsproteinen der Membran (z.B. CD44 in Leukozyten). Proteoglykane können aber auch integrale Bestandteile von Zellmembranen sein. Auf diese Weise können Glykosaminoglykane an interzellulären sowie Zell-Matrix-Wechselwirkungen beteiligt sein, Wachstumsfaktoren binden und die Zelle auf regulative Signale "aufmerksam machen".

Matrix-Metalloproteinasen
  
Matrix-Metalloproteinasen (MMP) können extrazelluläre Matrix abbauen. Sie spielen eine Rolle im Rahmen von Differenzierung, Wachstum und Migration von Zellen, Angiogenese, Gewebeumformung und Wundheilung. Es handelt sich um calciumabhängige, Zink enthaltende (daher "Metallo-") Endopeptidasen. Beim Menschen kennt man über zwei Dutzend verschiedene MMPs, z.B. Kollagenasen (MMP1, 8, 13), Gelatinasen (MMP2, 9), Membran-MMPs (14-17, 24, 25). Diese Proteine verfügen über mehrere phylogenetisch konservierte Domänen - eine davon die katalytische Domäne, die in der inaktiven Form durch eine Prodomäne abgedeckt ist und dadurch keine enzymatische Wirkung ausübt.

MMPs werden in inaktiver Form (als Zymogene) synthetisiert - z.B. von Zellen, die sich zur Teilung anschicken - und können durch Prohormonkonvertasen aktiviert werden. Der Abbau der Matrix erfolgt dann über mehrere Mechanismen. Auf diese Weise wird Platz geschaffen für zelluläre "Neuankömmlinge" (die sich in der Matrix ausbreiten) und gleichzeitig werden in der Matrix "gefangene" Wachstumsfaktoren freigesetzt, was wiederum die Zellproliferation fördert.

Gleichzeitig sezernieren benachbarte Zellen MMP-Inhibitoren (TIMPS: tissue inhibitors of metalloproteinases), wodurch die Abbauprozesse gebremst werden und sich ein funktionelles Gleichgewicht einstellen kann.
  
Gefäßneubildung (Angiogenese)
 

Angiogen wirken Wachstumsfaktoren wie z.B. VEGF, Angiopoetine (1 bis 4: Vaskuläre Wachstumsfaktoren, die in der Embryonal- und postnatalen Zeit exprimiert werden) und verwandte Peptide, sowie ber basale Fibroblasten-Wachstumsfaktor. Die Bildung neuer Blutgefäße ist in der Embryonal- und Fetalperiode für Organogenese, Entwicklung und Wachstum unverzichtbar. Aber auch im erwachsenen Organismus wird sie immer dann benötigt, wenn Zellen proliferieren, wie in den folgenden Situationen:

    Gefäßbildung bei (trainingsbedingtem) Muskelaufbau
 
    Wachstum und Funktion weiblicher Fortpflanzungsorgane (zyklische Veränderungen von Ovar und Endometrium, Plazenta und Brustdrüsen in der Gravidität)
 
    Heilung von Wunden und Knochenbrüchen
 
Ansonsten ist die Angiogenese streng restringiert und lebt nur in Situationen wieder auf, die hauptsächlich in das Gebiet der Pathophysiologie fallen (z.B. Tumorwachstum, Psoriasis, Arthritiden, Retinopathie, Fettsucht, Asthma, Atherosklerose).

Die Angiogenese beruht auf der Abfolge mehrerer Vorgänge:

    Lokaler Abbau der vaskulären Basalmembran durch Proteinasen

    Migration von Endothelzellen, Bildung einer "Knospe" (Leitstruktur)

    Nachfolgende Endothelzellen proliferieren unter dem Einfluss von VEGF

    Um den frisch gebildeten kapillären Gefäßast wird extrazelluläre Matrix abgelegt

Endothelzellen haben eine Lebensdauer von Monaten bis mehreren Jahren, benötigen also normalerweise kaum mitogene Aktivität. Im Falle der Angiogenese aber bilden sie den Ausgangspunkt für neue Gefäße und teilen sich häufig; Gefäßröhren können so innerhalb weniger Tage entstehen.

Vorläuferzellen (EPCs, endothelial precursor cells) für die frischen Gefäßäste kommen zum Teil aus dem Knochenmark; die Regulation der vorwachsenden tip cells (tip = Spitze) an der Gefäßsprossenspitze und der daran anschließenden stalk cells (stalk = Stiel) ist komplex durch mehrere, sich z.T. abwechselnde parakrine Faktoren dynamisch gesteuert.

Hypoxie: Ein Schlüsselfaktor zur Auslösung der Angiogenese ist Sauerstoffmangel im Gewebe (niedrige lokale pO2-Werte); dieser führt zur Bildung des hypoxie-induzierten Faktors HIF (hypoxia-inducible factor). Dies ist ein aus mehreren Komponenten aufgebauter Transkriptionsfaktor; Hypoxie stabilisiert diesen Komplex, und es werden mehrere Gene abgelesen, u.a. der für Erythropoetin und VEGF (Gefäßwachstumsfaktor). Durch die Bildung neuer Gefäße steigt der Sauerstoffpartialdruck, HIF1 wird wieder inaktiv und die Angioneogenese sistiert.

Unterbleibt das "switch-off" des HIF1 bei steigendem pO2, bilden sich an der betreffenden Stelle immer neue Gefäße, es entsteht ein Hämangioblastom.

Frisch gesprosste Gefäßäste sind zunächst sehr permeabel und lassen Fibrinogen aus der Blubahn treten; das führt zur Entstehung von Granulationsgewebe, einer für die Weiterbildung von Gefäßmaterial geeigneten Matrix. Mit zunehmender Gefäßreifung normalisiert sich die Permeabilität (vermutlich durch ein entsprechendes cAMP / cGMP-Verhältnis).

Ungenügende Angiogenese sowie abnorme Rückbildung von Gefäßen kann zu Komplikationen führen wie Ischämie, Bluthochdruck, Osteoporose, Atemstörungen, Präeklampsie, Endometriose oder postpartale Kardiomyopathie.

Die Angiogenese wird meist durch antiangiogene Proteine in Schach gehalten, dazu zählen Angiostatin und Thrombospondin. Sollen neue Gefäße aussprossen, muss die Konzentration dieser Faktoren zurückgefahren werden.
 

Abbildung: Gefäßneubildung und ihre Steuerung
Nach Clapp C, Thebault S, Jeziorski MC, De La Escalera GM. Peptide Hormone Regulation of Angiogenesis. Physiol Rev 2009; 89: 1177-215

Hypoxie induziert die Bildung von
 

    Stickstoffmonoxid (NO),
 
    gefäß-endothelialem Wachstumsfaktor (VEGF) und
 
    Angiopoetinen 1 und 2,
 
welche mit extrazellulären Matrixproteinen interagieren und die Gefäßpermeabilität steigern. Die folgende "Destabilisierung" veranlasst Endothelzellen zum Verlassen des Gefäßwandverbands (Migration) und zur Ausbildung neuer Gefäßröhren.
 
Dabei werden sie unterstützt von VEGF, Angiopoetinen, Leitsubstanzen, Wachstumsfaktoren, Zytokinen sowie dem Abbau extrazellulärer Matrixteile. Neugebildete Gefäße reifen unter der Einwirkung von antiangiogenen Faktoren, die z.T. durch den Abbau der Matrix entstehen

    PDGF, platelet-derived growth factor     TGF-β, transforming growth factor-β

Der Gesamtvorgang beruht auf dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren, einschließlich solcher aus der extrazellulären Matrix ( Abbildung). Beispielsweise wird an den Stellen, wo neue Gefäße einwachsen, Platz gemacht und die interstitielle Martrix abgebaut. Aber auch die Gefäßwand selbst (z.B. die Basalmembran) muss den neuen Sprossungen weichen.

Kurzlebige
Matrixproteine (matricellular proteins) wie Thrombospondine, Osteopontin oder Tenaszine destabilisieren Zell-Matrix-Verbindungen und erleichtern so die Gefäßneubildung. Matrix-Metalloprote(in)asen spalten in der extrazellulären Matrix Peptidbindungen, was für den Gewebeumbau erforderlich ist, und setzen dabei auch gebundene Regulierungsfaktoren (VEGF, FGF) frei, was die Angiogenese unterstützt. Plasminogenaktivator hilft beim Abbau allfällig vorhandener Thromben.

Wenn Zellen eingewachsen und die neuen Gefäße ausgebildet sind, muss schließlich deren Proliferation gestoppt werden ("Reifung") - beispielsweise durch Endostatin, ein Angiogenese-hemmendes Kollagenbruchstück.
Bildung und Erhalt der neugebildeten Gefäße werden entscheidend von Integrinen beeinflusst.

Auch verschiedenste Hormone können - jeweils an bestimmten Stellen - eine Rolle bei der Unterstützung oder Bremsung der Angiogenese spielen:

     Zu angiogenen Hormonen zählen ACTH, Adrenomedullin, Angiotensin II, Bradykinin, Calcitonin, Endothelin, Erythropoetin, Gastrin, Gonadotropine, GHRH, Wachstumshormon, Insulin, IGF-1, Leptin, Neuropeptid Y, Oxytozin, Parathormon, Relaxin, Thrombopoetin, TSH, Vasopressin

     Zu antiangiogenen Hormonen zählen Ghrelin, GRH, natriuretische Peptide, Somatostatin

     Sowohl angiogene als auch antiangiogene Wirkung können Adiponektin und CRH entfalten.

Entsprechende Rezeptoren sind an Zellen der Gefäßwände nachgewiesen worden.

  
 
Abbildung: Zelladhäsion
Nach einer Vorlage in bioweb.wku.edu

Glykosaminoglykane sind repetitiv aufgebaute saure Polysaccharide und können an Protein gebunden sein; sie haben die Fähigkeit, Wasser zu speichern und kommen im Bindegewebe, Nervengewebe, in Gelenken, Knorpeln, im Glaskörper des Auges und in der Nabelschnur vor. Beispiele: Hyaluronsäure, Heparin
 
  Proteoglykane sind zuckerreiche (Masseanteil ~95%) Glykoproteine, die strukturbildend wirken
 
  Das Zytoskelett ist ein Geflecht fadenförmiger Proteinstrukturen (Filamenten), welche Form, Bewegung und Transport in der Zelle gewährleisten
 
  Kollagenfasern dienen extrazellulär der mechanischen Verfestigung in Haut und Bindegewebe (z.B. Knorpel und Knochen)


Fibronektin ist ein Glykoprotein, das in Zelladhäsion und -Migration, Embryogenese, Antigenbindung, Wundheilung und Hämostase involviert ist und dem Kollagengefüge im Gewebe Festigkeit verleiht.
 

Rezeptoren an Zielzellen ermöglichen die spezifische Wirkung des Signalstoffs; Zellen ohne betreffende Rezeptoren reagieren auf den Signalstoff nicht.

Zu den Aufgaben und Angriffspunkten von Signalstoffen gehören

 
    Umstellung des Stoffwechsels (Wirkungseintritt nach Minuten): Insulin, Glukagon, Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin)
 
    Wachstum und Differenzierung: Schilddrüsen-, Geschlechts-, Glukokortikoid-, Hypophysenvorderlappenhormone
 
    Calcium- und Phosphatstoffwechsel: ParathormonCalcitonin  und Vitamin-D3-Hormon
 
    Wasser- und Mineralstoffwechsel: Mineralkortikoide (Aldosteron), Vasopressin (=Adiuretin, ADH), Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, atriales natriuretisches Peptid (ANP)
 
    Verdauung und Resorption: Hormone, die in den Hunger-Sättigungs-Mechanismus eingreifen - s. dort.
  
  Über glatte Muskulatur s. dort
 
Crosstalk
  
     Unter Crosstalk versteht man die wechselseitige Wirkung von Signalsubstanzen an unteschiedlichen Rezeptoren sowie die Wechselwirkung zwischen intrazellulären, transzellulären oder interzellulären funktionalen Elementen. Es kann auftreten
 
  auf der Ebene von Rezeptoren, z.B. wenn Hormone Rezeptoren beeinflussen, die primär Angriffspunkt anderer Hormone sind (z.B. bei Steroidhormonen);
 
  zwischen  Signaltransduktionswegen - meist zwischen Proteinen solcher Signalwege, insbesondere wenn sie von mehreren second-messenger-Wegen gemeinsam genutzt werden. Ein Beispiel ist der cAMP- und MAP-Kinase-Mechanismus;
 
  zwischen Zytoskelett und extrazellulärer Matrix. Beispielsweise ordnet sich das Zytoskelett entsprechend extrazellulären Signalen und Strukturen an. Stoffe wie Integrine oder Fibronektin in der extrazellulären Matrix spielen dabei eine Mittlerrolle;
 
  zwischen Zellen in einem Gewebe, z.B. im Knochen, oder zwischen Zellen verschiedener Organe / Gewebe, z.B. Hepato-, Myo- und Adipozyten.
 

 
      Gap junctions (Nexus) bauen Tunnelproteine (Connexone) auf, dienen dem Austausch von Stoffen und Information und erleichtern interzellulären Stromfluss. Tight junctions dichten Zwischenzellräume ab, z.B. zwischen Endothelzellen. (Hemi)-Desmosomen sind Haftkontakte mit z.B. Cadherinen (zwischen Zellen) oder Integrinen (zwischen Zellen und Matrix). Der Informationsaustausch nutzt direkte Interaktion (z.B. Ligand-Rezeptor) oder indirekte Kommunikation (z.B. Neurotransmitter). Praktisch alle Zellen haben Rezeptormoleküle für Hormone, Mediatoren, Transmitter u.a.
 
      Gap junctions verbinden Zellen mittels Konnexonen; sie übertragen Membranpotentialschwankungen und Stoffe bis ~1 kDa. Fast alle Gewebe exprimieren sie, mit Ausnahme voll entwickelter Skelettmuskulatur, Erythrozyten oder Spermatozyten. Sinkender pH und zunehmende [Ca++] dichten gap junctions ab und senken ihre Konduktivität
 
      Zellen kontrollieren einander gegenseitig: Zytokine, Wachstumsfaktoren, Hormone steuern das Zellwachstum, Mitogene die Zellteilung; Transmitter und Mediatoren wirken auf kurze Distanz, Hormone auf weite Strecken. Senderzellen wirken autokrin auf die eigene Aktivität, parakrin auf Nachbarzellen, (neuro) endokrin über die Blutbahn. Fast alle Zellen bilden Signalstoffe und Rezeptoren. Rezeptoraktivierung löst Sekundärwirkungen aus: Bildung von "second messengers" (z.B. cAMP), Enzymaktivierungen, Zugriff auf Transkription / Translation. Die meisten Signalstoffe sind wasserlöslich und binden an Rezeptoren der Zellmembran; fettlösliche Signalstoffe gelangen unmittelbar in die Zelle und wirken über intrazelluläre Rezeptoren (hormone response elements)
 
      Adhäsionsmoleküle verbinden zelluläre und extrazelluläre Faktoren miteinander, z.B. Cadherine, CAMs - cell adhesion molecules, Integrine, Selektine, Laminin, Fibronektin, Osteopontin; sie bauen Barrieren auf und beteiligen sich an Wundheilung, Blutbildung, Nervenleitung u.a. Adhäsionsproteine interagieren mit Zellen über transmembranale Integrinrezeptoren, aktivieren Signalketten und steuern das Zellverhalten. Hyaluronsäure, Glykosaminoglykane, Proteoglykane fangen einwirkende Kräfte ab, beteiligen sich an interzellulären sowie Zell-Matrix-Wechselwirkungen und bilden ein Depot für Wachstumsfaktoren; das Zytoskelett überträgt intrazelluläre Kräfte
 
      Angiogenese erfolgt u.a. bei Wachstum und Entwicklung, Muskeltraining, Heilungsvorgängen. Ein auslösender Schlüsselfaktor ist Sauerstoffmangel im Gewebe, der die Expression des Transkriptionsfaktors HIF und u.a. die Bildung von Erythropoetin und VEGF anregt. Matrixproteine werden aufgespalten, Integrine beteiligen sich an Aufbau und Erhalt neugebildeter Gefäße. Es gibt angiogene (ACTH, Adrenomedullin, Angiotensin II, Bradykinin, Calcitonin, Endothelin, Erythropoetin, Gastrin, Gonadotropine, GHRH, Wachstumshormon, Insulin, IGF-1, Leptin, Neuropeptid Y, Oxytozin, Parathormon, Relaxin, Thrombopoetin, TSH, Vasopressin) und antiangiogene Hormone (Ghrelin, GRH, natriuretische Peptide, Somatostatin)
 

 


  Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen: Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.