Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

     
Physiologie des Herzens
 
Erregungsausbreitung im Herzen
© H. Hinghofer-Szalkay

Arrhythmie: ἄρρυϑμος = unrhythmisch (ῥυθμός = Rhythmus)
Aschoff-Tawara-Knoten: Ludwig Aschoff, Sunao Tawara
Bradykardie: βραδύς = langsam, καρδιά  = muskuläres Hohlorgan, Herz
His'sches Bündel: Wilhelm His
Keith-Flack-Knoten: Arthur Keith, Martin Flack
Myokard: μυς = Muskel
Purkinje-Fasern: Jan Purkinje
Stannius'sche Ligaturen: Hermann Stannius
Tachykardie: ταχυ
ς = schnell


Der Herzmuskel als "funktionelles Synzytium": Alle Myokardzellen sind mit ihren Nachbarn elektrisch (über gap junctions) verschaltet. Entsteht im Herzen eine Erregung (normalerweise im Sinusknoten), pflanzt sich diese über das ganze Organ fort (soferne die Nachbarzellen erregbar sind). Die dabei auftretenden Aktionspotentiale der einzelnen Zellen erzeugen zusammen elektrische Felder, die sich über das Gewebe ausbreiten und von der Körperoberfläche als EKG-Signal ableitbar sind.

Die Erregungswelle im Herzen löst über elektro-mechanische Kopplung eine Kontraktion (einen Herzschlag) aus. An der elektromechanischen Kopplung sind Ca++-Ionen beteiligt, die teils aus dem Extrazellulärraum, teils aus dem sarkoplasmatischen Retikulum der Kardiomyozyten stammen.

Aufbau und Eigenschaften des Herzmuskels ergeben einen physiologischen Erregungsablauf, der die Pumpfunktion des Herzens optimiert. Spezielle Zellen dienen der Erregungsbildung (Sinusknoten im Vorhof) und Reizleitung (AV-Knoten und His-sches Bündel an der Grenze zu den Ventrikeln, Kammerschenkel und Purkinje-Fasern in den Kammern). Der Sinusknoten gibt die Herzfrequenz vor (kardialer Schrittmacher); der AV-Knoten sitzt wie ein elektrophysiologischer Pförtner vor den Ventrikeln und bestimmt, wann und ob Aktionspotentiale von Vorhof- auf Kammergewebe weitergegeben werden; das His-Bündel leitet die Erregungswelle weiter und verteilt sie auf die Kammerschenkel, die zusammen mit den Purkinje-Fasern die Aktionspotentialwelle räumlich-zeitlich optimiert auf beide Ventrikel verteilen.

Verzögerte Repolarisierung (Plateauphase des Aktionspotentials) verlängert die Refraktärzeit, in der die Zellen unerregbar (weiterer Reizung nicht zugänglich) sind. Das schützt den Kontraktionsablauf - das Myokard ist untetanisierbar. Erregbarkeit und Aktionspotentialform der Zellen werden durch zahlreiche verschiedene Ionenkanäle in deren Membran reguliert. Diese sind auch Ansatzpunkt spezieller herzwirksamer Pharmaka.

Autonome (vegetative) Nervenfasern beeinflussen die Eigenschaften des Herzmuskelsystems: So bremst im Ruhezutand parasympathischer Einfluss die Spontanentladungsfrequenz des Sinusknotens (~100/min) auf etwa 60/min (Ruhefrequenz); sympathische Aktivität steigert Herzfrequenz und Schlagkraft (positiv chronotrope und inotrope Wirkung).


Ruhepotential   Aktionspotential Triggerung eines Herzschlags Reizleitungssystem Erregungsausbreitung  Einfluss des autonomen Nervensystems

Praktische Aspekte       Core messages
   
Das Herz schlägt autonom. Es wurde schon früh beobachtet, dass ein Herz auch dann noch weiterschlägt, wenn es aus dem Körper entfernt wird (z.B. Opferkult der Azteken, oder im Rahmen "klassischer" Physiologieübungen: Spontan schlagendes isoliertes Froschherz). Das bedeutet, dass es zur Auslösung eines Herzschlags keiner Anregung von außen bedarf (wie dies beim Skelettmuskel der Fall ist, der durch Aktionspotentiale von motorischen Vorderhornzellen aktiviert wird, also auf Steuerimpulse aus dem Zentralnervensystem angewiesen ist).
 
Die ruhende Myokardzelle
 

Die große Mehrheit der Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) gehört zum "Arbeitsmyokard", das so heißt, weil seine Aufgabe die Kontraktion ist (und nicht die Erregungsbildung). Solange Arbeitsmyokardzellen nicht gereizt werden oder pathologisch verändert sind, haben sie ein konstantes Ruhepotential. Dieses entsteht im Wesentlichen durch Diffusion von Kaliumionen aus der Zelle heraus.

Wie bei anderen Zellen auch, ist die Na/K-ATPase ("Pumpe") Grundlage des zugrunde liegenden Konzentrationsunterschieds ([Na+]: innen / außen ~1/14, [K
+]: innen / außen ~35/1):
 
 
Ruhende Arbeitsmyokardzelle: Ionenkonzentrationen, pH und Gleichgewichtspotentiale

Nach Herring / Paterson: Levick's Introduction to Cardiovascular Physiology, 6th ed. 2018

Intrazellulär
(mM)
Extrazellulär
(mM)
Gleichgewichts-
potential
(mV)
K+ 140
4
-94
Na+ 10
140
+70
Ca++
0,0001
1,2
+124
Cl-
30
120
-37
pH
7,0 - 7,1
7,4

 
Die Gleichgewichtspotentiale lassen erkennen, dass - bei einem Ruhemembranpotential der Herzmuskelzelle von -80 bis -90 mV - Na+ und (besonders intensiv) Ca++ in die Zelle diffundieren würde. Wie verhält es sich mit der Permeabilität der Zellmembran (des Sarkolemms) für diese Ionen?

Der rasche Natriumkanal (Nav1.5) im Herzmuskel ist einer von 8 Typen spannungsabhängiger Na+-Permeasen im Genom des Menschen. Eine einzige Aminosäurenkette (etwa 2000 Aminosäuren eines Proteinmoleküls) bildet hier 4 Domänen mit jeweils 6 membrandurchspannenden α-Helices (wie in Kv-Kanälen), und zwischen den Domänen 3 und 4 erstreckt sich eine intrazelluläre Schleife mit einem "Inaktivierungstor" (inactivation gate).
 

Natriumionen gelangen bei ungereizten Myokardzellen trotz des nach innen gerichteten elektrochemischen Gradienten kaum
durch die Membran, da die Natriumkanäle während des Ruhepotentials geschlossen sind. (Ein geringer Natrium-"Leckstrom" (backgroud leak, inward backgroud current ib) reduziert das Ruhepotential auf einen Betrag, der etwas unter dem des K+-Gleichgewichtspotentials von -94 mV liegt.)

Ähnlich verhält es sich für Calcium: Auch Ca++-Ionen prallen bei ruhenden Myozyten sozusagen an der Zellmembran ab und können in unerregte Zellen nicht eindringen. Der im Herzmiskel vorhandene L-Typ Calciumkanal öffnet bei Depolarisierung der Zelle (Aktionspotential). Der resultierende Anstieg intrazellulären [Ca++] befördert anschließend (Calmodulin-abhängig) die Schließung des Calciumkanals.
 

 
Abbildung: Transmembranale Gradienten und Ionenströme in einer unerregten Herzmuskelzelle
Modifiziert nach einer Vorlage in Herring / Paterson, Levick's Introduction to Cardiovascular Physiology, 6th ed. 2018

Oben: Na/K-ATPase (rosa) befördert aktiv 3 Na+ aus der, und 2 K+ in die Zelle; der Na/Ca-Antiporter (grün) tauscht sekundär-aktiv 3 Na+ gegen 1 Ca++. Kombiniert bringt dieser - insgesamt elektroneutrale - Vorgang Kalium in die, Calcium aus der Zelle.
 
Unten: Bei Vorliegen des Ruhepotentials (-80 bis -90 mV, nahe dem -94 mV Kalium- Gleichgewichtspotential) durchquert nur Kalium (via Kir-Kanäle, orange) die Membran; Na-Kanäle (dunkelblau) sind weitgehend geschlossen. Calciumkanäle (L-type calcium channels, grau) sind geschlossen und öffnen erst bei Erregung der Zelle. Anionen wie Phosphat oder geladene Aminosäuren können die Zelle (mangels geeigneter Permeasen) nicht verlassen

A = Anionen (Phosphat, Aminosäuren u.a.)


Für Kalium ist die Situation anders:

"Einwärts-gleichrichtende" Kaliumkanäle
(Kir: ir = inward rectifying) haben beim Betrag des Ruhepotentials eine relativ hohe "Offen"-Wahrscheinlichkeit ( Abbildung) und ermöglichen Kaliumionen, aus der Zelle zu diffundieren. Die Zahl verschiedener Kaliumkanäle im menschlichen Genom ist hoch (spannungsabhängige, calciumabhängige, Kir-Kanäle). Die Kaliumselektivität der zentralen Pore der Kir-Kanäle ist durch ein spezielles Aminosäuremotiv bedingt, das zwar nicht zu den spannungssensitiven Schleifen zählt, aber bei abnehmendem Membranpotential seine Kaliumleitfähigkeit reduziert (daher "inward rectifying") - intrazelluläre Magnesiumionen und Polyamine verengen den Kanal bei Auswärtsstrom. Das bedeutet, bei Depolarisierung der Herzmuskelzelle nimmt die Leitfähigkeit der Kir-Kanäle ab, die Zelle verliert weniger Kalium - wichtig vor allem während des langen Aktionspotentials mit dem Plateau nahe der Nulllinie.

Kir-Kanäle wurden so benannt, weil sie bei Hyperpolarisation (künstlich herbeigeführt: Voltage-clamp-Situation) Kalium in die Zelle lassen; die Bezeichnung "Einwärts-Gleichrichter" ist eigentlich irreführend, da diese Kanäle physiologischerweise Kalium aus der Zelle diffundieren lassen und damit das Ruhepotential stabilisieren.

Groß ist der Betrag des Kaliumaustritts nicht, da das Ruhepotential (
-80 bis -90 mV) nahe am Gleichgewichtspotential für Kalium liegt (-94 mV, s. Tabelle). Bereits ein einziges ausgetretenes Kaliumion pro ~1015 Ionenpaaren in der Zelle kreiert eine Membranpotential von -80 mV.

Steigt die extrazelluläre Kaliumkonzentration stark an (allgemein bei Nierenversagen, lokal bei kardialer Ischämie), nimmt das Ruhepotential ab, was Arrhythmien des Herzschlags zur Folge haben kann.

Zu den zahlreichen spannungsgesteuerten Kaliumkanälen (Kv) zählen "langsame" (delayed rectifyer (slow) channels Ks) und transient outward K+ channels Kto (s. weiter unten).
 
Na/K-ATPase
 
D
ie Na/K-ATPase stabilisiert währenddessen die Ionenkonzentrationen. Sie befördert Kaliumionen aktiv in die Zelle (im Austausch gegen Natriumionen im Verhältnis 2:3). Der Natrium-Leckstrom in die Zelle (background current) wird kompensiert ("pump-leak" model) und das Membranpotential auf -80 bis -90 mV gehalten.
 

Abbildung: Funktionszyklus einer Na/K-ATPase
Nach einer Vorlage in Butler / Brown / Stephenson / Speakman, Animal physiology - An environmental perspective. Oxford University Press 2021

Schematische Darstellung


Erhöht sich die extrazelluläre Kaliumkonzentration z.B. auf 10 mM - was bei Nierenversagen (systemisch) oder Ischämie des Herzmuskels (lokal) auftreten kann -, ergibt sich ein Kalium-Gleichgewichtspotential von -70 mV, und das Myokard würde um ~20 mV depolarisiert. Hyperkaliämie depolarisiert die Herzmuskelzelle; das kann Arrhythmien verursachen.

Im Zytosol vorhandenes Ca++ wird im Austausch gegen jeweils 3Na+ unter Ausnützung des transmembranalen Natriumgradienten stetig aus der Zelle entfernt - dieser Na/Ca-Austauscher übernimmt ca. 75% des Ca++-Auswärtstransportes des Kariomyozyten, den Rest übernehmen Ca++-Pumpen. Zusammen bewirken diese Transportsysteme die niedrige Ca++-Konzentration (10-7 M) im Zytosol der ruhenden Herzmuskelzelle.

In ähnlicher Weise entfernen
Na/H-Austauscher (NHE) H+-Ionen aus der Herzmuskelzelle durch Austausch gegen Natrium. Na+ wird dann über die Na/K-Pumpe aktiv wieder aus der Zelle gebracht.

Minderdurchblutung (Ischämie) bedingt Sauerstoffmangel, reduziert die Verfügbarkeit von ATP und damit die Aktivität der Na/K-ATPase, steigert die intrazelluläre Natriumkonzentration, senkt den Gradienten für den
Na/H-Austauscher, Wasserstoffionen reichern sich im Zytosol an, der intrazelluläre pH-Wert sinkt (Azidose).
 
Die erregte Myokardzelle
 
Die Depolarisierung einer Herzmuskelzelle bewirkt Änderungen in verschiedenen Membrankanälen: Einige Kanäle öffnen, andere schließen, und das mit unterschiedlicher Intensität und Zeitcharakteristik. Dieses Zusammenwirken verschiedener Ionenströme ergibt das charakteristische Aktionspotential einer Herzmuskelzelle.

Arbeitsmuskelzellen einerseits, Schrittmacherzellen andererseits sind unterschiedlich mit Ionenkanälen ausgestattet. Je nach der zellulären Expression / Ausstattung mit Kanalproteinen nimmt dieses unterschiedliche Form und Dauer an. Natrium-, Kalium- und Calciumströme divergieren in ihrer Beteiligung am Aktionspotential, das dementsprechend verschieden ausgestaltet ist:
Natriumkanäle ermöglichen Natriumeinstrom (INa) in der Phase-0-Depolarisation von Arbeitsmuskelzellen (nicht Schrittmacherzellen)
Calciumkanäle ermöglichen Calciumeinstrom (ICa) für die Depolarisation in Schrittmacherzellen (Sinusknoten, AV-Knoten)
Allen Herzmuskelzellen ist gemeinsam, dass verschiedene Kaliumkanäle den Kaliumausstrom (IK) und damit die Repolarisierung ermöglichen - angeregt durch das Membranpotential oder durch Signalstoffe wie ATP oder Acetylcholin.
Durch nichtselektive Kationenkanäle fließt Schrittmacherstrom (If), der sich an der Depolarisation von Schrittmacherzellen (Sinusknoten-, AV-Knoten-, Purkinjefasern) beteiligt.

Die Abläufe sind durch die Tatsache kompliziert, dass im Laufe des Aktionspotentials Änderungen des Membranspotentials die Leitfähigkeit für verschiedene Ionen (in spezifischer Weise) modifizieren und die resultierenden Veränderungen der Ionenströme ihrerseits das Membranpotential beeinflussen.

Elektrogen wirken die Na/K-Pumpe sowie Na/Ca-Austauscher.
 
Wichtigste Ionenströme in einer Arbeitsmuskelzelle

Nach  Herring / Paterson, Levick's Introduction to Cardiovascular Physiology, 6th ed. 2018

Strom
Ion
Richtung
Funktion
iK (gesamt)
Kalium
nach außen
1. Ruhepotential
2. Repolarisierung
ib (background)
Natrium (vorwiegend)
nach innen
Einstrom verringert Betrag des Ruhepotentials (<EK)
iNa
Natrium
nach innen
Rasche Depolarisierung unterstützt Erregungsausbreitung
iCa
Calcium
nach innen
1. Elektromechanische Kopplung
2. Erhaltung Plateau
iNa/Ca
3 Na+ gegen 1 Ca++
Na+ nach innen, Ca++ nach außen ("Vorwärts"-Modus)
Erhaltung der späten Plateauphase, Entfernung von Ca++
aus Sarkoplasma
 
Phylogenese: Vermutlich haben sich Kir-Kanäle (mit zwei transmembranalen Helices pro porenbildender α-Untereinheit) in spannungsabhängige Kaliumkanäle (mit 6 transmembranalen Helices) und diese in Na/Ca-Kanäle entwickelt. Alle haben 4 transmembranale α-Subeinheiten, die eine ringförmige Pore bilden - entweder von einem (Na+-, Ca++-Kanäle) oder von mehreren Proteinen gebildet (K+-Kanäle).
 

  Abbildung: Aktionspotential und Refrakterität
Nach einer Vorlage bei Silverthorn, Human Physiology - an integrated approach, 4th ed. 2007 (Pearson International)

Gezeigt sind die Phasen des Aktionspotentials sowie der Zustandswechsel der Ionenkanäle in der Zellmembran einer Arbeitsmuskelzelle. Zuerst öffnen die Natriumkanäle (Aufstrich, rasche Umpolung), dann sind die Natriumkanäle inaktiviert, anschließend geschlossen und lassen kein weiteres Aktionspotential zu. Erst mit "Erholung" der Kanäle zum geschlossenen Ruhezustand sind sie wieder aktivierbar.
 
0:  Natriumkanäle offen
 
1:  Natriumkanäle schließen
 
2:  Calciumkanäle offen, rasche Kaliumkanäle schließen
 
3:  Calciukanäle schließen, langsame Kaliumkanäle offen. In dieser Phase ist die Beteiligung der inward-rectifier potassium channels (IRK, Kir) besonders intensiv und gewährleistet die Repolarisation der Herzmuskelzelle
 
4:  Ruhepotential
 
In den Phasen 0 bis 3 ist die Herzmuskelzelle refraktär (nicht oder nur schwer erregbar): In den Phasen 0 bis 2 sind die Zellen absolut refraktär (effective refractory period ERP), in Phase 3 nur erschwert (relativ) refraktär (relative refractory period RRP)


Das Aktionspotential des Arbeitsmyokards ist einerseits geprägt durch ( Abbildung)
 
      blitzartigen Natriumeinstrom (wie bei Nervenzellen) - bei Zellen des Erregungsbildungs- und -leitungssystems stattdessen ein etwas langsameres Einströmen von Calciumionen -, was rasche Depolarisierung und Erregungsausbreitung ermöglicht;
 
      andererseits durch lange Refrakterität, was die sich kontrahierende Zelle vor irregulärer Erregung und Arrhythmien schützt. Diese Refraktärperiode - gekennzeichnet durch das "Plateau" im Aktionspotentialverlauf - verhindert vorzeitige Wiedererregung und gewährleistet ordnungsgemäße Synchronisation der pumpenden Muskelzellen.
 
Natriumkanäle
 
Spannunsgesteuerte (voltage gated) Natriumkanäle des kardialen Typs (Nav1.5, fast sodium channels) finden sich in Zellen des Arbeitsmyokards - vor allem in der Nähe von Glanzstreifen (interzelluläre Kontaktzonen mit gap junctions und Desmosomen). Sie durchlaufen einen Zyklus von aufeinander folgenden Zuständen, die Natriumionen durch sie hindurchtreten lassen - oder nicht ( Abbildung). Dabei reagieren sie auf den Betrag des aktuellen Membranpotentials, sie fungieren als Spannunssensoren.
   
 
Abbildung: Spannungssensitiver Natriumkanal
Nach einer Vorlage in Kandel / Koester / Mack / Siegelbaum (eds), Principles of Neural Sciences, 6th ed. 2021 (McGraw Hill)

Spannungsgesteuerte Natriumkanäle reagieren auf den Betrag des Membranpotentials. Sie sind aus jeweils 4 (fast identen) Domänen aufgebaut (I-IV), diese bestehen wiederum aus jeweils 6 transmembranalen Sequenzen; eine davon (S4, durch rote Zylinder symbolisiert) enthält Arginin und Lysin (positiv geladene Aminosäuren), die als Spannungssensor wirken  (gating charges). Ist die Membran aufgeladen bzw. hyperpolarisiert, sind die Natriumkanäle geschlossen und blockieren den Na+-Einstrom (unten links).

Depolarisierung führt zu einer Konformationsänderung, die S4-Regionen der Domänen I, II und III rücken nach außen, der Kanal nimmt den offenen Zustand an, und Natrium strömt in die Zelle (Mitte).

 
Sehr rasch (~1 ms) kommt es dann zu einer weiteren Konformationsänderung - die S4-Region der Domäne IV rückt verzögert nach außen -, und ein Teil des Porenkomplexes - das Inaktivierungsmotiv (inactivation gate) - verschließt darauf hin den Kanal, der dadurch in einen dritten, inaktivierten Zustand gerät und den Natriumeinstrom beendet (rechts).
 
Erst wenn die Zelle repolarisiert, stellt sich der "geschlossene" - und damit erregbare - Zustand (links) wieder her


      Im Ruhezustand (Ruhepotential) liegen sie in einem durch einen Teil des Porenkomplexes blockierten Zustand vor, sie sind "geschlossen".
 

      Depolarisiert die Zelle über den Betrag des Schwellenpotentials (-60 bis -65 mV) - weil sie im Zuge einer Erregungsausbreitung von Nachbarzellen gereizt wird -, kommt es zu einer sterischen Umlagerung im Proteinkomplex, und der Kanal ist "offen", die Permeabilität steigt auf das 100-fache, Natrium strömt ein (fast inward current iNa: ~104 Ionen pro Millisekunde). Der Natriumkanal funktioniert spannungsabhängig (er öffnet bei einem bestimmten Potential) und zeitabhängig (die Öffnungszeit ist limitiert).
 
Ein Kardiomyozyt enthält etwa 2.1011 Natriumionen, während der Depolarisierungsphase strömen ~4.107 in die Zelle ein - 0,02% des intrazellulären Bestandes. Der entsprechende Kaliumaustausch ist noch geringer, lediglich 0,001% des intrazellulären Bestandes. Diese Zahlen zeigen, mit welch geringem Ionenaustausch die Ladungsveränderungen während einer Erregung erfolgen. Sie belegen auch, dass die erforderlichen Na/K- und Na/Ca-Transporte durch die Zellmembran mit relativ geringem metabolischem Aufwand zu bewältigen sind.
 

      Nach etwa einer Millisekunde im depolarisierten Zustand verändert sich die Gestalt des Kanals wiederum: Ein anderer Teil des Porenkomplexes legt sich in die Öffnung und "inaktiviert" (verschließt) den Kanal (Verschluss der Pore durch das Inaktivierungsmotiv, Abbildung), der Natriumeinstrom versiegt. Das Natrium-Gleichgewichtspotential (+70 mV) wird nicht erreicht, die Spitze des Aktionspotentials liegt bei +30 bis +40 mV.

Erst wenn die Zelle repolarisiert (was auf Grund der langen Refraktärzeit einige Zehntelsekunden dauert), stellt sich die "geschlossene" Konformation wieder ein, die im Gegensatz zur "inaktivierten" jederzeit wieder durch Depolarisierung beendet werden kann.
 
  Lidocain und Procain können als Antiarrhythmika eingesetzt werden: Sie binden an spannungsabhängige Natriumkanäle und reduzieren so die rasche Depolarisierung u.a. an Herzmuskelzellen.
 
Weitere Ionenkanäle
 
Herzmuskelzellen exprimieren eine breite Palette an Ionenkanälen - diese sind z.T. nach bevorzugten Ionen benannt, z.T. nach ihrem Verhalten (z.B. Kir = inward rectifyer potassium channel, TO = transient outward potassium channel) und der Ionenstrom entsprechend mit dem Buchstaben "i" (z.B. iKir, iTO etc). Auffallend ist die hohe Anzahl an Kaliumkanälen (Kir, TO, Ks, Kr, Kur etc). Wie die Abbildung zeigt, lassen diese Kanäle im Laufe eines Aktionspotentials bestimmte Ionen zu unterschiedlichen Zeiten (und unterschiedlich stark) durch die Zellmembran strömen:
 
  
Abbildung: Aktionspotential und Ionenströme in Myokardzellen (Synposis)
Nach einer Vorlage bei Hilal-Dandan / Brunton, Goodman & Gilman's Manual of Pharmacology and Therapeutics, 2nd ed., McGraw Hill Education 2014

Phase 0:  Bei Überschreiten des Schwellenwertes strömt Na+ durch spannungssensitive Natriumkanäle ein. Zentrale Sinusknotenzellen exprimieren diesen Kanal nicht - im Sinusknoten strömt Ca++ durch L-Typ-Calciumkanäle ein, was langsamere Depolarisierung bewirkt.
 
Phase 1: Die Natriumkanäle schließen wieder, transienter Kalium-Ausstrom (ITO: transient outward current) wirkt leicht repolarisierend (early repolarization). Durch L-Typ Ca++-Kanäle strömt Ca++ ein.
 
In der Plateauphase (Phase 2) halten sich depolarisierende (L-Typ Ca++-Kanäle) und repolarisierende Ströme (IKr, IKs) für 200-400 ms etwa die Waage (zum Vergleich: Aktionspotentiale von Nerven- oder Skelettmuskelzellen dauern 1-4 ms). Das Membranpotential ist leicht negativ (0 bis -20 mV)
 
 In Phase 3 (Repolarisierungsphase) überwiegt der (repolarisierende) Kalium-Ausstrom; die Ca++-Kanäle sind inaktiviert. Mehrere Kaliumkanäle wirken zusammen, die als transient-outward (TO), ultra-rapid (ur), rapid (r) und slow (s) delayed-rectifier bezeichnet werden.
 
Während des Aktionspotentials eingeströmtes Natrium und Calcium wird durch Na+/K+-ATPase und Na+-Ca++-Austauscher aus der Zelle entfernt.
 
Phase 4: In Schrittmacherzellen bewirkt ein durch Hyperpolarisation aktivierter "Schrittmacherstrom" (If) Natrium- und Kaliumeinstrom und damit spontane Depolarisierung. Dieser Mechanismus fehlt im Arbeitsmyokard, dessen Ruhepotential stabil ist


Die folgende Tabelle vergleicht beispielhaft myokardiale Ionenkanäle und ihre funktionelle Bedeutung:
 
Kanal
Gating- Mechanismus
Strom
Funktion
K+ (inward rectifier)
Potential
IirK1
oder I
Erhält hohe Kaliumpermeabilität in Phase 4.
Abfall trägt zu diastolischer Depolarisierung bei.
In Phase 0 bis 2 unterdrückt (Beitrag zu Plateau)
Na+ (fast): Rascher Natriumkanal an Nicht-
Schrittmacherzellen
Potential
INa
Phase 0 des Aktionspotentials
K+ (transient outward) Nicht-
Schrittmacherzellen
Potential
Ito
Beitrag zu Phase 1 des Aktionspotentials
Ca++ (slow inward, L-Typ)
Langsamer, langanhaltender Einstrom
Beides
ICa-L
Beitrag zu Phase 2 des Aktionspotentials von Nicht-
Schrittmacherzellen.
Beitrag zu Phase 4 und 0 an Schrittmacherzellen.
Verstärkt durch Sympathikus / ß-adrenerge Substanzen
K+ (delayed rectifier)
Potential
IK
Bewirkt Phase 3 des Aktionspotentials.
Verstärkt durch erhöhtes intrazelluläres [Ca++]
K+ (ATP sensitiv)
Ligand
IKATP
Erhöht Kaliumpermeabilität bei niedrigem [ATP]
K+ (Acetylcholin-
aktiviert)
Ligand
IKACh
Vermittelt parasympathische
Reduziert diastolische Depolarisierung und Herzfrequenz.
Erhöht Ruhepotential.
Verkürzt Phase 2 des Aktionspotentials
Effekte (cholinerg).
Na+, Ca++, K+
(Langsamer Na+- bzw. HCN-Kanal: Schrittmacherwirkung)
Beides
If
(funny)
Aktiviert durch Hyperpolarisierung und zyklische Nukleotide.
Trägt zu diastolischer Depolarisierung bei.
Verstärkt durch Sympathikus / ß-adrenerge Substanzen.
Durch parasympathischen
Einfluss abgeschwächt

Modifiziert nach
Mohrman DE / Heller LJ, Cardiovascular Physiology, 8th ed. McGraw Hill 2014
 
Aktionspotential einer Arbeitsmuskelzelle
 
   Depolarisationsphase ("Aufstrich"): In der ersten Phase (Phase 0) des Aktionspotentials erfolgt - nach einer Depolariation auf ein kritisches Potential von -55 bis -65 mV (Schwellenpotential) - im Arbeitsmyokard rascher Natriumeinstrom (iNa) durch spannungsgesteuerte Na+-Kanäle (wie bei Nervenfasern) und explosionsartige Depolarisation ("Alles-oder-Nichts"). Dabei steigt die Leitfähigkeit der Membran für Natriumionen etwa 100-fach an, es kommt zu kurzzeitiger "Umpolung" der Zelle. Der Wert des Natrium-Gleichgewichtspotentials von +70 mV (Nernst-Gleichung!) wird nicht erreicht, weil auch ein Kalium-Gegenstrom besteht - der Höchstwert des Membranpotentials für ein Leifähigkeitsverhältnis Na/K von 10:1 wäre +55 mV -, inactivation gates der Natriumkanäle schließen und der Natriumeinstrom rasch wieder erlischt.
 

Rasche Depolarisation von Kardiomyozyten ("Aufstrich" des Aktionspotentials) beruht im Arbeitsmyokard auf einem Einstrom von Na+ durch spannungsabhängige Na+-Kanäle
    
Etwa 10 Millisekunden nach Auftreten der Phase 0 beginnt sich der Myozyt zu kontrahieren.
 

Die Zellen des Sinusknotens und AV-Knotens exprimieren keine Natriumkanäle; hier strömt  Ca++ durch spannungsgesteuerte Calciumkanäle (L-Typ-Ca++-Kanäle) ein, was langsamere Depolarisierung bewirkt (s. Phase 1); die Phase der raschen Na+-betriebenen Depolarisierung fehlt hier.
 

Abbildung: Aktionspotential einer Arbeitsmuskelzelle (fast-response)
Nach einer Vorlage in Herring / Paterson, Levick's Introduction to Cardiovascular Physiology, 6th ed. 2018

Typische Verläufe des Membranpotentials (rot) und der Leitfähigkeiten für Natrium-, Calcium- und Kaliumionen (blauviolett) in subepikardialen Myozyten und Purkinje-Fasern.
 
Explosiver Natriumeinstrom verursacht rasche Depolarisierung (Phase 0), protrahierter Eintrom von Calciumionen in das Sarkoplasma die Plateauphase (Phase 2), komplette "Erholung" des Kaliumausstroms die abschließende Repolarisation (Phase 3). Die Leitfähigkeitskurve für Kaliumionen entspricht der Summe der Öffnungswahrscheinlichkeiten der verschiedenen Kaliumkanäle in der Zellmembran (vgl. Abbildung oben).
 
Kaliumausstrom durch transient geöffnete Kaliumkanäle bewirkt eine frühe partielle Repolarisierung nach der Spitze des Aktionspotentials (Phase 1)


   Anschließend ("Spitze" des Aktionspotentials) werden die Natriumkanäle (und/oder Calciumkanäle) inaktiviert, der Einstrom von Na+ kommt zum Stillstand. Diese Inaktivierung ist der führende Beitrag zum Zustandekommen der Phase 1 und bewirkt (wenn vorhanden) eine erste kurze Repolarisation (Phase 1) ( Abbildung). Kalium- und Chloridionen können sich weiterhin durch die Membran bewegen - Kalium durch TO-Kanäle (transient outward) aus der Zelle, Chlorid durch Chloridkanäle in die Zelle; dies trägt zur Entstehung der Phase 1 bei. Subepikardiale und Purkinje-Zellen zeigen eine ausgeprägte Phase 1.
 
Subepikardiale Myozyten exprimieren mehr iTO-Kanäle als subendokardiale, was ihr Aktionspotential (im Vergleich zu subendokardialen) verkürzt; exprimieren Myozyten weniger
iTO-Kanäle, nimmt die Dauer ihrer Aktionspotentiale zu.

   Plateauphase (Phase 2): Verzögerte Repolarisation. Synchron mit dem explosiven Einstrom von Na+ (Phase 0) beginnt auch der Einstrom von Ca++ durch L-Typ-Ca++-Kanäle (DHPR: Dihydropyridinrezeptoren), die besonders dicht in transversalen Tubuli vertreten sind. Dieser Calciumstrom ICa erreicht schon in Phase 1 etwa 40% seines Maximums. Sein Betrag ist niedriger als derjenige durch rasche Natriumkanäle, aber gerade groß genug, um den Effekt des Kaliumausstroms aus der Zelle zu kompensieren; das Membranpotential bleibt nahe 0 mV stabilisiert (Plateau). Während Na+-Kanäle nach ihrer explosiven Öffnung innerhalb weniger Millisekunden wieder verschlossen sind, erreicht der Ca++-Einstrom sein Maximum nach 2-7 ms und bleibt dann lange erhalten, wenn auch mit sinkender Tendenz - die Kanäle inaktivieren nur langsam, das Plateau kann 200-400 ms dauern.

Die Länge des Herzmuskel-Aktionspotentials sowie die Kontraktion selbst
hängen wesentlich vom langsamen Calciumeinstrom (ICa) in die Zelle ab. Dieser stimuliert die Freisetzung von Ca++ aus dem sarkoplasmatischen Retikulum (durch Ryanodinrezeptor-Kanäle), dies unterhält die elektromechanische Kopplung und damit den Herzschlag. Katecholamine erhöhen den Ca++-Einstrom und intensivieren so den Herzschlag; das Aktionspotential einer Einzelzelle zeigt dabei eine Positivierung ("Buckel") der Plateauphase.
 
In der Plateauphase öffnen spannungsgesteuerte L-Typ- Ca++-Kanäle. Hemmung dieser Kanäle verkürzt die Plateauphase des Aktionspotentials
 
Zytoplasmatisches Ca++ wird durch eine Ca++-ATPase in das sarkoplasmatische Retikulum zurückgepumpt. Gleichzeitig fördert ein Na+/Ca++-Austauscher - angetrieben durch den Natriumgradienten - Ca++ aus der Zelle: 1 Ca++ wird gegen 3 Na+ getauscht (elektrogen). Gleichzeitige Aktivität der Na/K-ATPase wirkt in Richtung Neutralisation dieses elektrogenen Effekts (vgl. Abbildung oben).
 
Der - durch das erhöhte sarkoplasmatische [
Ca++] angetriebene - Natriumeinstrom in der späten Phase 2 hilft das "Plateau" des Aktionspotentials zu erhalten, während die Leitfähigkeit der L-Typ-Ca++-Kanäle stetig abnimmt.

    L-Typ-Ca++-Kanäle werden durch Ca++-Kanalblocker ("Calciumblocker", "Calciumantagonisten") wie Verapamil, Diltiazem oder Dihydropyridin teilweise inaktiviert. Diese Stoffgruppe wird zur Schonung des Myokards eingesetzt, z.B. bei Durchblutungsstörungen (Angina pectoris) oder Bluthochdruck.

Während der Phasen 1 und 2 ist die Herzmuskelzelle absolut refraktär (unerregbar). Die Dauer der Refraktärperiode hängt von der jeweiligen Ausstattung mit - und Interaktion von - Ionenkanälen ab. Sie reduziert sich mit steigender Herzfrequenz (Sympathikuswirkung: Beschleunigung des Kaliumausstroms, s. unten). Am Ende der Refraktärzeit ist der Myozyt dabei, zu relaxieren (der Herzmuskel ist "untetanisierbar", was für seine Funktion als Pumpe entscheidend ist).
 
    In der Plateauphase werden depolarisierende Ionenströme (Ca++-Einstrom, Na+/Ca++-Antiporter) durch K+-Ströme aus der Zelle ausbalanciert. Im depolarisierten Zustand ist der Kaliumstrom IKir durch die "delayed-rectifier"-Kaliumkanäle - durch Anlagerung von Magnesiumionen und Polyaminen an der Kanalinnenseite - ohnehin reduziert; auf diese Weise wird die Zahl der ausströmenden K+- und einströmenden Ca++-Ionen während der lange dauernden Phase 2 gering gehalten und damit Energie gespart.
 

  Die Bedeutung von Ca++-Ionen für die Herzfunktion wurde zufällig im Labor des britischen Physiologen und Pharmakologen Sidney Ringer (berühmt vor allem durch die nach ihm benannte Ringer-Lösung, die neben Natrium- und Kalium- auch Calciumchlorid enthält) entdeckt: Statt destilliertem Wasser verwendete sein Assistent bei der Zubereitung von NaCl- und KCl-Lösungen Leitungswasser, dessen  [Ca++] ähnlich hoch wie im Blut ist (die Beobachtung erfolgte in einem Labor in London). Der Effekt war, dass isolierte Herzpräparate viel länger schlugen als bei Verwendung einer calciumfreien Flüssigkeit. Erst später erkannte man die Bedeutung extrazellulären Calciums für die elektromechanische Kopplung im Herzen (transversales Tubulussystem).
 
Anmerkung: Damit beim Ansetzen der Ringer‐Lösung keine Eintrübung erfolgt (Calciumhydroxid‐Fällung), kommt es wesentlich auf die Reihenfolge zur Mischung der Komponenten an.
 
  Endgültige Repolarisation (Phase 3): Schließlich kommt es zu verstärktem Kaliumausstrom durch "untraschnelle" (Kur: ultra-rapid), "schnelle" (Krrapid) und "langsame" (Ks: slow) Kaliumkanäle bei gleichzeitig versiegendem Ca++-Einstrom. Später kommen noch weitere Kaliumkanäle dazu, wie KP (p für Plateau) oder K1. Auch ein Chloridkanal (KCl) mischt mit - Chlorideinstrom trägt zur Repolarisierung bei.
 
Die Repolarisierung erfolgt durch Ausstrom von K+, Hemmung des Ca++-Einstroms sowie Einstrom von Cl-

Die Membran repolarisiert sich zum Ruhepotential ("Abstrich") und die Zelle ist wieder erregbar: Ab -50 mV Membranpotential wechseln einige der "schnellen" Natriumkanäle vom "inaktivierten" zum "geschlossenen" (und damit aktivierbaren) Zustand zurück. (Da einige Kanäle noch nicht aktivierbar sind, bedarf es während der relativen Refraktärperiode eines verstärkten Reizes, um die Zelle zu erregen.)

   Phase 4  entspricht der "elektrischen Diastole" und wird auch als diastolisches Potential bezeichnet.

Im Arbeitsmyokard ist dies ein stabiles Ruhepotential, das erst durch die Ankunft einer Erregungswelle unterbrochen wird. In Schrittmacherzellen tritt zunächst ein maximales diastolisches Potential auf (am stärksten vom Nullpotential entfernt). Dieses ist der Startpunkt der darauf folgenden spontanen langsamen Depolarisierung, bewirkt durch einen "Schrittmacher-Kaliumeinstrom" (If). Einer der verantwortlichen Kanäle ist der durch zyklische Nukleotide angeregte HCN-Kanal, der sowohl für Na+ als auch für K+ durchgängig ist. Auch fehlen Schrittmacherzellen inward-rectifier-Kaliumkanäle, die im Arbeitsmyokard das Ruhepotential stabilisieren.

Am Ende der Repolarisationsphase sorgen Ca++-Pumpen (ATPasen) für den Rücktransport von Calciumionen in das sarkoplasmatische Retikulum sowie Na/Ca-Antiporter (Austauscher) NCX für die Entfernung von Ca++ aus der Zelle.
 
Ein Na+/Ca++-Antiporter befördert zum Schluss der Repolarisation Calcium aus der Zelle
 


  Abbildung: Aktionspotential, intrazelluläre Calciumkonzentration und Kontraktionskraft einer Arbeitsmyokardzelle
Nach Scoote Ml, Poole-Wilson PA, Williams AJ. The therapeutic potential of new insights into myocardial excitation-contraction coupling. Heart 2003; 89: 371-6

Die Verfügbarkeit freien Calciums (rot) nimmt während der Refraktärperiode laufend ab. Elektromechanische Kopplung und Kraftentwicklung erfolgen in der Frühphase der Systole am effizientesten.
 
Calciuminduzierte Calciumfreisetzung (CICR) durch die Wand des sarkoplasmatischen Retikulums erfolgt durch Calciumkanäle namens Ryanodinrezeptoren (RyR). Mehrere RyRs bilden jeweils Cluster in der Membran, vor allem in der Nähe von L-Typ Calciumkanälen in der Wand transversaler Tubuli. Diese werden durch Depolarisierung geöffnet und triggern an benachbarten RyR-Clustern sogenannte Calciumfunken ("Calcium sparks"). Die synchronisierte Freisetzung mehrerer Calcium sparks löst einen intrazellulären Anstieg des [Ca++] aus, der groß genug für eine Kontraktion ist



    Die während eines Aktionspotentials über die Membran ausgetauschte Menge an Natrium- und Kaliumionen ist sehr gering ([Na+] in der Zelle steigt um ~0,02%, [K+] sinkt um ~0,001% der in der Zelle enthaltenen Menge). Die Na/K-Pumpe läuft kontinuierlich und stabilisiert die zellulären Ionenkonzentrationen.

Dauer des Aktionspotentials: Insgesamt dauert das gesamte Aktionspotential bei niedriger Herzfrequenz (Ruhezustand) ~350 ms, bei hoher Frequenz (Aufregung, Muskelarbeit, Hitzeeinwirkung) weniger als 200 ms.
Erhöhter Sympathikustonus steigert den repolarisierenden Kaliumausstrom und verkürzt das Aktionspotential. Das ist notwendig, um Zeit für höhere Schlagfrequenzen einzusparen (positive Chronotropie / Tachykardie bei Belastung). Dies erfolgt durch Phosphorylierung der Kaliumkanäle, was den repolarisierenden Kaliumausstrom anregt und die Dauer des Plateaus verkürzt.
 
       Hypokaliämie reduziert den Kaliumausstrom durch Kr und stört so die Repolarisationsphase (EKG: ST-Senkung, T-Welle abgeflacht, evt. U-Welle).
 
       Ischämie / Hypoxie verkürzt die Dauer des Aktionspotentials ebenfalls durch Öffnung von KATP-Kanälen.
 
       Defekte Ionenkanäle (Natrium, Kalium) können eine Verlängerung der QT-Zeit (Long-QT-Syndrom) und Herzrhythmusstörungen bewirken.
 
Die Refrakterität (Unerregbarkeit) der Herzmuskelzellen gliedert sich in folgende Phasen:

      Im inaktiven Zustand (s. oben) sind Natriumkanäle auch bei stärksten Reizen nicht aktivierbar, die Zelle ist absolut refraktär (Phase 0 bis Beginn der Phase 3).

     In der Übergangsphase zwischen 100% inaktiven und 100% wieder "erholten" Natriumkanälen - also während des späten Aktionspotentials - ist die Zelle relativ refraktär (späte Phase 3). Aktionspotentiale sind in diesem Zustand zwar auslösbar, aber sie dauern kürzer und ihre Anstiegsflanke ist flacher also sonst.

Der Sinn der langen Refrakterität der Herzmuskelzellen besteht darin, dass dadurch ein Schutz des synchronisierten Kontraktionsablaufes (Vorhöfe, dann Ventrikel) gegeben und eine Störung der geordneten Pumpwirkung (durch allfällige zusätzliche Reizung während der Systole) möglichst ausgeschlossen ist.

 
Aktionspotential einer Schrittmacherzelle


  Abbildung: Aktionspotential einer Schrittmacherzelle
Modifiziert nach einer Vorlage bei Silverthorn, Human Physiology - an integrated approach, 4th ed. 2007 (Pearson International)

Die Abbildung zeigt den Ablauf der Phasen des Aktionspotentials einer autorhythmischen Herzmuskelzelle.
 
Langsame Depolarisierung: Während der spontanen Depolarisation (Schrittmacherpotential) stehen If-Kanäle offen, Natriumionen strömen in die Zelle ein und depolarisieren sie. Am Ende dieses Vorgangs schließen die If-Kanäle und öffnen einige Calciumkanäle.
 
Rasche Depolarisierung: Sobald die Reizschwelle erreicht ist, öffnen sich Calciumkanäle und lassen zusätzlich Calciumionen einströmen (Beginn des eigentlichen Aktionspotentials), was die Membran bis über die Nulllinie hinaus depolarisiert.
 
An der Spitze des Aktionspotentials schließen die Calcium- und öffnen Kaliumkanäle, es kommt zum Ausstrom von Kaliumionen und zur Repolarisierung.
 
Ist der höchste Spannungswert erreicht (Ende des Aktionspotentials), schließen die Kaliumkanäle. If-Kanäle öffnen wieder, das Spiel beginnt von neuem


Was löst einen Herzschlag aus?
 
Eingenschaften spontanaktiver Herzmuskelzellen    Sinusknoten    Nachgeschaltetes Erregungsleitungssystem
 
Das Tempo der Entladung einer Herzmuskelzelle bestimmt wesentlich die Geschwindigkeit der Erregungsausbreitung mit; so kann die natriumbedingte Umpolung an Purkinjezellen (die auch einen besonders großen Zelldurchmesser und damit geringen axialen elektrischen Widerstand aufweisen) etwa 500 V/s betragen, d.h. sie können in kaum mehr als einer Zehntel Millisekunde vollständig entladen sein (Leitungsfunktion). Zellen des Sinus- oder AV-Knotens haben hingengen langsame (calciumbetriebene) Aktionspotentiale und leiten die Erregung entsprechend verzögert weiter; sie haben aber die lebenswichtige Fähigkeit zur spontanen Depolarisierung (Schrittmacherfunktion).

Eigenschaften spontanaktiver Herzmuskelzellen: Die Zellen des Reizleitungs- bzw. "Erregungssystems" (Sinusknoten, AV-Knoten) haben calciumbetriebene Aktionspotentiale (
Abbildung). Sinusknotenzellen haben wesentlich weniger Kir-Kaliumkanäle als das umgebende Myokard, dafür verfügen sie über spannungsabhängige (delayed rectifier) Kaliumkanäle (Kv). Daher erreicht das Membranpotential lediglich -50 bis -70 mV (Arbeitsmyokard -80 bis -90 mV) und ist instabil ("Schrittmacherpotential", pacemaker potential).

Die Steilheit (slope) des Schrittmacherpotentials bestimmt den Zeitpunkt des Überschreitens der Reizschwelle (die bei -40 bis -55 mV liegt: threshold potential) und damit die Herzfrequenz (die mit zunehmender Steilheit der Depolarisation ansteigt). Die "Neigung" des Schrittmacherpotentials wird beeinflusst durch das Verhalten
verschiedener Ionenkanäle in der Zellmembran - resultierend in abnehmendem Kaliumausstrom sowie wachsendem Natrium- bzw. Calciumeinstrom.

Vergleicht man die Charakteristika von Arbeitsmyokardzellen mit denen von Schrittmacherzellen, dann zeigen sich Unterschiede sowohl im Mechanismus der Depolarisation, als auch in der Dauer der Aktionspotentiale ( Abbildung):

  
   "Fast-response" -Myozyten werden durch blitzartigen Natriumeinstrom depolarisiert, das erhöht die Depolarisationsgeschwindigkeit und ermöglicht rasches Weiterleiten von Erregungswellen.

Außerdem ist ihre Depolarisation verlängert (Phase 2, "Plateauphase"), was ihre Refrakterität verlängert und das Myokard vor Unordnung beim Ablauf der Kontraktion schützt ("Untetanisierbarkeit").


      "Slow-response" -Myozyten hingegen werden durch Calciumeinstrom und sinkenden Kaliumausstrom depolarisiert, und ihr Aktionspotential sieht insgesamt runder aus; diese Zellen sind auf Spontandepolarisation ausgerichtet (Schrittmachereigenschaft).
 

Abbildung: Aktionspotential in Arbeitsmyokard und Schrittmacherzellen
Nach Vorlagen bei Pappano / Wier, Cardiovascular Physiology, 11th ed, Mosby 2019 (oben)  und Mohrman DE / Heller LJ, Cardiovascular Physiology, 8th ed. McGraw Hill 2014 (unten)

Links: Fast-response- Zellen (Arbeitsmyocard, Purkinje-Fasern) zeigen einen überschießenden Natriumeinstrom zu Beginn des Aktionspotentials, ähnlich wie Nervenzellen. Zum Zeitpunkt b erfolgt das Einstechen einer intrazellulären Registrierelektrode (Mikropipette), zum Zeitpunkt c wird ein Aktionspotential ausgelöst, getriggert durch explosiven Natriumeinstrom, der zu kurzfristiger Umpolung der Zelle führt (1). Der anschließende Calciumeinstrom sowie der anhaltend niedrige Kaliumausstrom halten das Membranpotential für einige Zehntelsekunden in der Nähe der Nulllinie (2: Plateaubildung). Dadurch ist die Zelle während dieser Zeit unerregbar (refraktär). Am Ende der Phase 3 kann vorübergehend eine vulnerable ("supranormale") Phase auftreten, in welcher die Kaliumpermeabilität noch erhöht unf der Myozyt besonders erregbar ist. Das folgende Ruhepotential in Phase 4 ist stabil.
 
Rechts: Slow-response- Zellen (Sinusknoten, AV-Knoten) haben ein instabiles Membranpotential in Phase 4; die Kaliumpermeabilität sinkt, diejenige für Natrium steigt, bis das Membranpotential von selbst zusammenbricht. Der explosive Natriumeinstrom (wie bei Fast response-Zellen) fehlt; die Entladung (Phase 0) ist stattdessen im Wesentlichen durch den Calciumeinstrom getragen. Solche Permeabilitäts- bzw. Potentialverläufe sind für Schrittmacherzellen typisch.
 
ARP = absolute Refraktärperiode, RRP = relative Refraktärperiode

Spannungsabhängige Ionenkanäle (voltage gated ion channels) fungieren als Spannungssensoren. Ihre Öffnungswahrscheinlichkeit ist abhängig von

      dem aktuellen Membranpotential

      den intra / extrazellulären Ionenkonzentrationen

      der Anwesenheit zyklischer Nukleotide an Schrittmacherpermeasen

      dem Phosphorylierungsgrad von Calciumkanälen

Infolge der speziellen Ausstattung der Membran mit Ionenkanälen kommt es zu
spontaner Depolarisation: Die Leitfähigkeit für K+-Ionen nimmt ab, die für Na+- und Ca++-Ionen zu (Schrittmacherpotential), bis das Schwellenpotential erreicht ist und ein Aktionspotential auftritt - ohne äußere Reize (Autorhythmie).

Lage und Abfolge der Potentiale und Erregungsphasen unterscheiden sich im Schrittmachergewebe in mehreren Aspekten vom Arbeitsmyokard:

      Niedrigeres Ruhepotential (-50 bis -60 mV im Sinusknoten, -80 bis -90 mV im Arbeitsmyokard)
 


      Calcium- statt raschem Natriumeinstrom bei Aktionspotentialbeginn

      Spontane Depolarisation in Phase 4 (Schrittmacherstom If)

Im Detail:


Nach einem vorausgegangenen Aktionspotential wird ein maximaler Membranpotentialwert (bei Zellen des Erregungssystems -50 bis -70 mV) erreicht.
 
Spontane Depolarisierung: Anschließend kommt es zu Veränderung des Zustands mehrerer Ionenkanalsysteme:
 
      Allmähliche Inaktivierung des Kv-Kanals (delayed rectifier voltage-activated potassium channel) und Abnahme des K+-Ausstroms iK. Durch diesen Kanal erfolgt auch die Repolarisierung am Ende der Erregung
 
      Geringgradiger Na+-Einstrom ib (background current), in manchen Sinusknotenzellen außerdem via - durch Hyperpolarisierung aktivierbare - funny channels (if). Diese nukleotidregulierten (cAMP) unspezifischen Kationenkanäle ("schrittmacheraktive" HCN-Kanäle) lassen in dieser Phase wegen der Lage des Natrium-Gleichgewichtspotentials vor allem Natriumionen durch die Membran eintreten, was die Zelle depolarisiert. ib und if tragen zum frühen Anteil der spontanen Depolarisierung bei
 
      Na/Ca-Austauscher erzeugen einen Netto-Natriumeinstrom iNa-Ca (3Na+ gegen 1 Ca++), der zur zum späteren Anteil der spontanen Depolarisierung wesentlich beiträgt
 
      Ab einem Membranpotential von -55 mV beginnt ein Ca++-Einstrom iCa durch Typ T-Calciumkanäle und bei weiterer Depolarisierung auch durch Typ L-Calciumkanäle. Der Calciumeinstrom trägt zum letzten Drittel der spontanen Depolarisierung bei und geht dann in das Aktionspotential über
 
  Bei Überschreiten des Schwellenpotentials (-40 bis -55 mV) entsteht ein Aktionspotential, das Ca++-betrieben ist. Der rasche Natriumeinstrom fehlt, das Aktionspotential ist relativ klein und rund.
 
 Die Repolarisation erfolgt via Kaliumausstrom (iK) durch aktivierte spannungsgesteuerte Kaliumkanäle. Bei nunmehr geschlossenen Calciumkanälen wird das Ruhepotential wieder erreicht, das Spiel (spontane Depolarisation...) beginnt von neuem.
   
Autorhythmie


Abbildung: Reizleitungssystem im Herzen
Nach Robbins J, Dorn GW, Listening for hoof beats in heart beats. Nature Medicine 2000; 6: 968-70

Zahlen: Zeitpunkt der Ankunft der Erregungswelle (in Sekunden) nach Beginn der Entladung des Sinusknotens (Zeitpunkt 0)

Das System der Erregungsbildung und Reizleitung im Herzen besteht aus
  Sinusknoten (physiologischer Schrittmacher),
   Atrioventrikular (AV-) knoten,
  His'schem Bündel (elektrophysiologische Verbindungsbahn von Vorhof- zu Kammerbereich),
  Kammerschenkeln und
  Purkinje-Fasern (optimierte Aufteilung der Erregung im Kammerbereich).
  
Sinusknoten
 
Der Sinusknoten (Sinoatrialknoten, SA-node) ist ein ~20 mm langes und ~4 mm dickes spindelförmiges Gebilde aus kleinen, modifizierten Herzmuskelzellen (wenig Myofibrillen, kein stabiles Membranpotential) in der dorsalen Wand des rechten Vorhofs nahe am Ansatz der v. cava superior. Der Name leitet sich aus dem Umstand ab, dass sich der Sinusknoten aus dem sinus venosus entwickelt hat.
 

Abbildung: Vom Sinusknoten ausgehende Erregungsausbreitung
Nach einer Vorlage bei Silverthorn, Human Physiology - an integrated approach, 4th ed. 2007 (Pearson International)

Autorhythmische Zellen des Sinusknotens lösen Aktionspotentiale aus, die sich über benachbartes kontraktiles Myokard via gap junctions an Glanzstreifen ausbreiten
Ein "Schrittmacherstrom" (If , funny current) durch unspezifische Kationenkanäle (HCN-Kanäle) bewirkt die spontane Depolarisierung an Schrittmacherzellen (Sinusknoten, AV-Knoten, Purkinjefasern - s. oben: Phase 4). Das Umkehrpotential der HCN-Kanäle liegt bei etwa -20 mV - zwischen den Nernst-Potentialen für Kalium (-90 mV) und Natrium (+50 mV), die in der Phase 3 beide durch den Kanal strömen und die Zelle langsam depolarisieren.
 
   
Einstrom von Ca++-Ionen (funny current If ) durch HCN-Kanäle depolarisiert Schrittmacherzellen. Hemmung dieser Kanäle verlangsamt die Schlagfrequenz des Herzens (negativ chronotrope Wirkung)

Erhöhte Konzentration an Schilddrüsenhormonen steigert die Herzfrequenz. Auch die Körpertemperatur beeinflusst die Herzfrequenz: Pro °C Anstieg nimmt die Pulsfrequenz um ~8 Schläge pro Minute zu.
 
Beim Aufrichten des Körpers bzw. Aufstehen (orthostatische Reaktion) kommt es bereits zu einer merklichen  Zunahme der Herzfrequenz (um 10-20/min), bei intensiverem Stress - etwa im Rahmen von sportlicher Betätigung - kann der Puls bis zur Belastungsgrenze zunehmen (Maximalpuls-Faustregel: 200 minus Alter in Jahren).
 
Neugeborene haben einen wesentlich höheren Ruhepuls (etwa 140 bpm, Kinder mit 10 Jahren noch ~90 bpm) als erweachsene Personen.
 

Schon 1839 beschrieb der böhmische Physiologe Jan E. Purkinje Muskelfasern, die der Erregungsleitung im Ventrikel dienen und nach ihm benannt wurden. 1893 fand der Internist Wilhelm His das nach ihm benannte Muskelbündel, das eine Erregungsübertragung von den Vorhöfen auf die Ventrikel ermöglicht. 1907 beschrieben Arthur Keith und Martin Flack erstmals den Sinusknoten. Keith nannte die von ihm gefundene Gruppe spezialisierter Muskelfasern den sino-atrialen Knoten.
 
Wie wird die Erregung über das Myokard verteilt?
 
Erregungsbildungs- und -leitungssystem: Im Myokard breiten sich Aktionspotentiale über gap junctions (disci intercalares) aus, an denen der elektrische Membranwiderstand auf ein Tausendstel des üblichen Wertes reduziert ist. Auf diese Weise kann ein überschwelliger Reizstrom von Zelle zu Zelle fließen und sich die Erregung wie ein Lauffeuer über das Herzmuskelgewebe ausbreiten.
 

Abbildung: Spontanentladungsfrequenzen im Reizleitungssystem
Nach einer Vorlage in Textbook of Cardiology (CardioNetworks.org)

Das Bild stellt die spontanen Entladungsfrequenzen des Erregungsbildungs- / Leitungssystems dar. Die Zellpopulation mit der höchsten Entladungsfrequenz übernimmt die Schrittmacherfunktion (normalerweise der Sinusknoten).
 
Zwischen Sinusknoten und AV-Knoten gibt es drei Vorzugswege der Erregungsübertragung (internodal pathways):
 
-- der vordere Bachmann-Pfad (ein Zweig davon - das Bachmann-Bündel - leitet Aktionspoptentiale zum linken Vorhof)
 
-- der mittlere Wenckebach-Pfad
 
-- der posteriore Thorel-Pfad.


Die Geschwindigkeiten der Erregungsleitung sind sehr unterschiedlich - am geringsten in Sinus- und AV-Knoten, am höchsten im Bereich der Purkinje-Fasern (Tabelle):

Leitungsgeschwindigkeiten im Herzmuskel

Nach Boron / Boulpaep, Medical Physiology, Saunders 2003
Gewebe
Leitungsgeschwindigkeit
(m/s)
Sinusknoten
0,05
Vorhöfe
1
AV-Knoten
0,05
His-Bündel
1
Purkinje-Fasern
4
Ventrikel
1


   Im "klassischen" Physiologiepraktikum war die Durchführung der Stannius'schen Ligaturen obligat. Man legte am schlagenden Froschherzen zwischen Vorhof und Kammer mit einem Zwirnfaden eine Schlinge; zog man die Schlinge komplett zu, hörte der Ventrikel zu schlagen auf, da durch die Kompression des Myokards die Überleitung der Aktionspotentiale vom Sinusknoten auf das Reizleitungssystem der Kammern unterbrochen war.
 
Nachdem der Sinusknoten einen Impuls generiert hat, laufen Aktionspotentiale über das umliegende Herzmuskelgewebe wie eine Welle von Muskelfaser zu Muskelfaser. Folgende Zellen sind auf rasche Erregungsleitung ("Reizleitung") spezialisiert:
 

Abbildung: Abfolge der Depolasisierung des Herzmuskels
Modifiziert nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

  Vgl. unten
 
     Sinusknoten s. oben.

     AV- (Aschoff-Tawara)-Knoten : Aktionspotentiale laufen (vom Sinusknoten ausgehend) über die Vorhofmuskulatur und treffen am atrio-ventrikuläre Knoten ein. Dieser hat eine Eigenfrequenz von 40-50/min; die spontane Depolarisation (Phase 4, s. oben) erfolgt langsamer als in den Zellen des Sinusknotens. Normalerweise hat der AV-Knoten daher keine Schrittmacherfunktion, er wird jedesmal vom Sinusknoten "überholt", bevor er selbst eine Erregung generiert hat.

Der Grund für die langsame Überleitung (~0,05-0,1 m/s) im AV-Knoten ist die Tatsache, dass die Aufstrichphase des Aktionspotentials (Phase 0) nicht durch raschen Natrium-, sondern durch eher bedächtigen Calciumeinstrom erfolgt und daher das Schwellenpotential der jeweils noch unerregten Nachbarzellen nicht so schnell erreicht wird wie im Arbeitsmyokard. Außerdem sind die Zellen des AV-Knotens sehr klein (2-3 µm), der Vorgang wiederholt sich auf kurzen Strecken (vergleichbar einem Hürdenlauf, bei dem der Abstand zwischen den Balken verringert wurde).

Indem der AV-Knoten die Erregung langsam weiterleitet, verhindert er, dass sich die Kammern zu früh (vor Abschluss der Vorhofaktion) kontrahieten.

   
     His'sches Bündel : Es stellt die einzige elektrophysiologische Verbindung zwischen Vorhöfen und Kammern dar (die bindegewebigen Klappenansatzringe - das "Herzskelett" - ist nicht erregbar) und leitet die Erregungswelle zügig auf das Ventrikelmyokard weiter. Die Aktionspotentiale sind denen in der Arbeitsmuskulatur sehr ähnlich, sie weisen deutliche Plateaubildung mit einer Länge von 0,2-0,4 Sekunden auf.
   
     Tawara- bzw. Kammerschenkel: Der rechte und (zweibündelige: vorderer und hinterer Faszikel) linke Kammerschenkel leiten die Aktionspotentiale in der Kammerscheidewand rasch (bis 4 m/s) zur Herzspitze und von dort über die Seitenwände der Ventrikel. Bei Ausfall eines Kammerschenkels umgeht die Erregungswelle diesen "Schenkelblock" über normales Arbeitsmyokard, was länger dauert und im EKG als Deformation des QRS-Komplexes sichtbar wird. Die Eigenfrequenz des Kammer-Erregungsleitungssystems beträgt ≤45/Minute.
 
     Purkinje-Fasern schließen an die Kammerschenkel an und dienen der weiteren raschen, zeitlich-räumlich koordinierten Erregungsausbreitung in den Ventrikeln. Sie sind die Zellen mit dem größten Durchmesser (40-80 µm) im Herzmuskel, daher haben sie die höchste (3-5 m/s) Leitungsgeschwindigkeit (starker INa-Strom, geringer axialer elektrischer Widerstand).

Purkinje-Fasern versorgen die subendokardialen Schichten mit Aktionspotentialen, die sich dann mit ≤1 m/s quer durch das Myokard zu subepikardialen Schichten ausbreiten (
Abbildung). Der ganze Vorgang dauert weniger als eine Zehntelsekunde (EKG!).

Purkinje-Fasern verfügen über Kanäle für Na+-, K
+-, Ca++- und If- Ströme (s. folgende Tabelle). Sie sind spontaner Depolarisation fähig, ihre Eigenfrequenz beträgt etwa 20/min. Im Falle eines Ausfalls des übergeordneten Schrittmachersystems (Sinusknoten bis His-Bindel) können sie als "tertiärer Schrittmacher" die Rhythmusbildung der Ventrikel übernehmen - allerdings um den Preis extremer Bradykardie.
  
Purkinje-Fasern haben von allen Zellen des Reizleitungssystems das am längsten dauernde Aktionspotential, d.h. sie sind relativ lange refraktär (Schutz vor Wiedererregung)
    
Das Reizleitungssystem zwischen AV-Knoten und Ventrikelmyokard wird auch als His-Purkinje fiber system zusammengefasst.

Alle Anteile des Reizleitungssystems können Aktionspotentiale bilden, kommen normalerweise aber nicht dazu, weil sie eine niedrigere Entladungsfrequenz als der Sinusknoten haben. Bei einem Ausfall des Sinusknotens oder Unterbrechung der Erregungsleitung, z.B. im His´schen Bündel (Herzblock, sino-atrialer Block) schlagen die Kammern in ihrem langsameren Eigenrhythmus.

Die folgende Tabelle fasst elektrische Eigenschaften der verschiedenen spezialisierten Myozyten nochmals zusammen (bezogen auf Herzfrequenz: chronotrop; auf Erregungsleitungsgeschwindigkeit: dromotrop; auf Schlagkraft: inotorop).
 

Eigenschaften spezialisierter Myozyten

Modifiziert nach Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Gewebe
Funktion
Ionenströme
(hauptsächlich)
ß-adrenerge Effekte
Cholinerge Effekte
Sinusknoten
Schrittmacher
(primär)
ICa, IK, If
positiv dromotrop
positiv chronotrop
negativ chronotrop
negativ
dromotrop
Vorhofmuskulatur
Pumpfunktion
INa, ICa, IK positiv inotrop
(gering)
AV-Knoten
Schrittmacher (sekundär)
ICa, IK, If positiv dromotrop
positiv chronotrop
negativ chronotrop
negativ
dromotrop
Purkinjefasern
Rasche Erregungsleitung, tertiärer Schrittmacher
INa, ICa, IK, If positiv chronotrop negativ dromotrop
ventrikuläre Muskulatur
Pumpfunktion
INa, ICa, IK positiv inotrop
(gering)

 
Die Erregung breitet sich wie ein Lauffeuer über den gesamten Herzmuskel aus
 
Die Konzentration freier Calciumionen ist in der extrazellulären Flüssigkeit mit ~1 mM um 4 Zehnerpotenzen höher als im ruhenden Kardiomyozyt. Der niedrige Betrag des zytoplasmatischen freien [Ca++] (~10-4 mM) wird durch Ca++-ATPasen (PMCA, plasma membrane calcium ATPases, Calcium-Exportpumpen) sowie Na/Ca-Austauscher (NCX) aufrechterhalten - erstere nutzen ATP, letztere den Natriumgradienten (sekundär-aktiv) als Energiequelle für den Ca++-Export.

Die Auslösung der Herzaktion erfolgt im Moykard selbst: Das Reizleitungssystem hat kein stabiles Ruhepotential, sondern generiert und verteilt Erregungswellen über Milliarden Herzmuskelzellen in einem räumlich-zeitlich optimierten Ablaufplan. Dabei fließen
- durch gap junctions -  zwischen erregten ("Quelle") und unerregten Nachbarzellen exzitatorische intrazelluläre Ströme (positive Ladungen in die noch unerregte Zelle), balanciert durch entgegengesetzte extrazelluläre Ströme (an der Membran freiwerdende positive Ladungen zur erregten Zone). Letztere lassen in ihrer Summe das EKG-Signal entstehen.

Dieser Ablauf der Erregungswellen löst die Kontraktion des Herzmuskels (die Systole) aus. Vorgegeben wird der "Takt" der Erregungsbildung
im rechten Vorhof vom Sinusknoten, dieser wird als (physiologischer) Schrittmacher (pacemaker) des Herzens bezeichnet.


Abbildung: Erregungsübertragung von Herzmuskelzelle zu Herzmuskelzelle
Kombiniert nach Vorlagen in quizlet.com, courstudy.com

Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) sind 50-100 µm lang und 10-20 µm dick; einige sind verzweigt. Mechanisch sind sie über Desmosomen miteinander verknüpft; die Übertragung der Erregung erfolgt mittels gap junctions (Nexus), an denen sich die Membranen benachbarter Zellen auf 2-4 nm annähern und Erregungsströme durch Konnexone von einer auf die nächste Zelle übergreifen

Der "Sprung" der Aktionspotentiale von Muskelfaser zu Muskelfaser erfolgt im Herzen - wie in glatter Muskulatur - mittels gap junctions, deren - aus jeweils 12 Konnexinmolekülen (gap junction proteins) aufgebauten - Konnexone eine direkte Verbindung der benachbarten Interzellulärraume herstellt (Abbildungen). Gap junctions sind Stellen stark reduzierten elektrischen Widerstandes, Stromlinien suchen ihren Weg von Herzmuskelzelle zu Herzmuskelzelle. In diesem Bereich der Zellmembran konzentrieren sich auch spannungsgesteuerte Natriumkanäle, welche das Aktionspotential von Zelle zu Zelle rasch weiterleiten (Phase 0, s. oben).

Gap junctions und Desmosomen liegen in streifenförmigen Kontaktzonen (Glanzstreifen, intercalated discs), die sowohl der mechanischen (Desmosomen) als auch der elektrischen
Verbindung (Konnexone) dienen. An Desmosomen setzen intrazellulär Desminfilamente zur mechanischen Verankerung an; sie enthalten das transmembranale Glykoprotein Cadherin, das 25 nm weite Spalten zwischen benachbarten Herzmuskelzellen überbrückt.

Die Durchlässigkeit der gap junctions sinkt, wenn der intrazelluläre pH sinkt (die [H+] ansteigt) oder die
intrazelluläre Ca++-Konzentration zunimmt.

Steigt [Ca++] oder [H+] in der Zelle, sinkt die Durchlässigkeit der gap junctions

Unterdurchblutung (myokardiale Ischämie) erhöht [H+] und [Ca++] in der Herzmuskelzelle; das führt zum Verschluss eines Teils der Konnexone und erleichtert das Auftreten von Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien).

Da alle Herzmuskelzellen miteinander via gap junctions elektrisch verbunden sind, pflanzt sich normalerweise jede Erregungswelle über das gesamte Myokard fort (das Herz ist ein funktionelles Synzytium, seine Kontraktionen sind automatisch Maxima, d.h. alle Muskelfasern nehmen daran teil). Der bindegewebige Ansatzapparat für die Herzklappen - der
anulus fibrosus (cardiac skeleton) - leitet keine Erregung, das His-sche Bündel ist die (normalerweise einzige) Überbrückung zwischen Vorhof- und Kammermyokard.

Ein Herzblock liegt vor, wenn die Überleitung an dieser Stelle unterbrochen ist.

 

Abbildung: Konnexin, Konnexon, interzellulärer Kanal, gap junction
Nach Goodenough DA, Paul DL. Beyond the gap: functions of unpaired connexon channels. Nature Rev Molec Cell Biol 2003; 4: 285-95

Grundbaustein einer gap junction ist das Konnexin. 6 Konnexinmoleküle vereinigen sich in der Membran einer Zelle zu einem Konnexon, dieses lässt einen rührenförmigen Innenraum erkennen. Legen sich zwei Konnexone benachbarter Zellmembranen aneinander, bildet sich ein interzellulärer Kanal, durch den Stoffe (bis ~2 kD) zwischen den Zellen ausgetauscht werden und elektrische Ströme fließen können.
 
Der extrazelluläre Spaltraum (gap) zwischen den Zellmembranen ist 2-4 nm (0,002-0,004 µm) weit. Ein Areal mit zahlreichen Konnexon-Kanälen heißt gap junction


Je dichter Herzmuskelzellen mit gap junctions ausgestattet sind, desto rascher breitet sich in einer solchen Myokardzone die Erregung aus. Das erklärt die regional unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten

Im AV-Knoten breitet sich die Erregungswelle besonders langsam aus (Filterfunktion)
   
Der transmembranale Reizstrom führt in Bruchteilen von Millisekunden zu einem überschwelligen Effekt an der nächsten Zelle, und so setzt sich die Erregung wie ein Lauffeuer von Zelle zu Zelle fort. Im EKG entstehen dadurch als Summeneffekte

      die P-Welle als Zeichen der Erregungsausbreitung über das Vorhofmyokard und
 
      der QRS-Komplex als Resultat der Erregungsausbreitung über das Ventrikelmyokard.

Die Funktionsweise von "Arbeitsmyokardzellen" und "Schrittmacherzellen" (Erregungsleitungszellen) unterscheidet sich in mehreren Aspekten. Entscheidend ist dabei die Exprimierung von Ionenkanälen in der Zellmembran, die den Muskelfasern ein entsprechend charakteristisches elektrophysiologisches Verhalten verleiht.

Jeder Ionenkanal hat seine eigene Aktivierungs- und Inaktivierungscharakteristik: Beispielsweise schließen schnelle Natriumkanäle nach wenigen Millisekunden des Offenseins, auch wenn die Membran depolarisiert bleibt; langsame ("L" für long) Calciumkanäle hingegen erst nach ~200 ms.
 

Abbildung: Erregungsfortpflanzung von Herzmuskelzelle zu Herzmuskelzelle
Nach einer Vorlage bei Mohrman DE / Heller LJ, Cardiovascular Physiology, 8th ed. McGraw Hill 2014

Stromlinien konventionell von Orten positiver zu Orten negativer Ladung gezeichnet. Der transmembranale Widerstand ist an gap junctions (Nexus) stark reduziert, der Strom wandert durch sie hindurch


Die rasche Weiterleitung der Aktionspotentiale über gap junctions im Herzmuskelgewebe gewährleistet eine koordinierte Abfolge der Erregungswelle und damit eine weitgehend synchrone Aktivierung des Myokards. Das ist eine Grundvoraussetzung für die Tätigkeit des Herzmuskels als mechanische Pumpe: Das Herz kann als funktionelles Synzytium gesehen werden, weil alle Myokardzellen elektrisch leitend miteinander verbunden sind - Erregung einer (beliebigen) Stelle des Herzmuskels führt zu dessen vollständiger Erregung.
 
  
Abbildung: Struktur des Herzmuskelgewebes
Nach einer Vorlage bei Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 1st ed. Saunders 2003

Desmosomen dienen der mechanischen (Kraftübertragung - vgl. dort), gap junctions der elektrischen Verknüpfung (Übergreifen der Erregung im Herzmuskel - funktionelles Synzytium). Gap junctions und Desmosomen sind in streifenförmige Zonen zusammengefasst, die als Glanzstreifen bezeichnet werden.
 
Mutationen von Genen, die Komponenten der Desmosomen codieren (z.B. Plakoglobin, Plakophilin, Desmoplakin), können Kardiomyopathien verursachen



Der Ablauf der Erregung über das Herz ist durch die Morphologie sowie die Ausstattung der einzelnen Muskelzellen mit Ionenkanälen vorgegeben:

     Der größte Teil der Muskelmasse besteht aus Arbeitsmyokard, das ein stabiles Ruhepotential von -80 mV hat (es verfügt über inward-rectifier-Kaliumkanäle, die das Ruhepotential stabilisieren (K+-Ausstrom); HCN-Kanäle fehlen).

     Umgekehrt verfügen Zellen des Erregungsleitungssystems über HCN-Kanäle, die spontane Depolarisation (Na+- und Ca++-Einstrom) ermöglichen. Die Ionenkanalbesetzung ist unterschiedlich, sodass diese Zellen sich in ihrem Verhalten unterscheiden:

Die Zellen des Sinusknotens haben die intensivste Spontanentladung und erreichen daher am raschesten ihr Schwellenpotential, von dem aus ein Aktionspotential auftritt. Das macht den Sinusknoten zum "Schrittmacher" des gesamten Herzens: Nach Ablauf eines Herzschlags gibt er den Zeitpunkt der nächsten Erregungswelle vor. Der Sinusknoten liegt im rechetn Vorhof, der dadurch zum Sitz des kardialen "Uhrwerks" wird.

Die nächste spezielle Station ist der Aschoff-Tawara- (Atrioventrikular-, AV-) Knoten, der die aus dem Vorhof kommende Erregung besonders langsam weiterleitet - und zwar auf das His'sche Bündel, das normalerweise die einzige leitende Struktur zwischen Vorhof- und Kammermyokard ist. Diese Positionierung macht das AV-Knoten - His-Bündel - System zum "Pförtner" jeder Exzitation vom Vorhof- in den Ventrikelbereich. Der AV-Knoten leitet sehr langsam, und die nachfolgende Erregungsleitungsbahn ist sehr lange refraktär (
Abbildung).

Diese Anordnung hat eine wichtige Schutzfunktion: Auf diese Weise wird bei vorzeitigen Erregungsphänomenen im Bereich der Atrien (z.B. bei Vorhofflimmern) verhindert, dass die Herzkammern gefährliche Tachykardien bzw. Kammerflimmern entwickeln.

Für die Herzmechanik bedeutet die Verzögerung der Überleitung zwischen Vorhof- und Kammerbereich eine Erleichterung: Die Vorhöfe schlagen nicht gegen eine sich schon kontrahierende Kammer (und eine dadurch schließende AV-Klappe) - wie das bei unmittelbarem Übergreifen der Erregungswelle auf das Kammermyokard der Fall wäre -, sondern in einen (spätdiastolisch) noch dehnungsfähigen Ventrikelraum, was die ventrikuläre Füllung nicht unwesentlich komplettiert.



Abbildung: Erregungsausbreitung im Herzen
Modifiziert nach Nerbonne JM, Kass RS. Molecular physiology of cardiac repolarization. Physiol Rev 2005; 85:1205-53

Sinusknoten und AV-Knoten zeigen auffallend runde Aktionspotentialverläufe, bedingt durch relativ langsame Ca++-Ströme; Plateauphasen sind nicht zu erkennen.
 
Alle anderen Aktionspotentiale zeigen rasche Depolarisierung (Na+-Einstrom) und ausgeprägte Refrakterität (Plateaus) von unterschiedlicher Form und Dauer.
 
Die Ankunft der Erregung an den Purkinje-Fasern ist durch die langsame Leitung im AV-Knoten deutlich verzögert.

Subendokardiale Zellen werden früher und bleiben länger erregt als subepikardiale (lange Plateauphase: gestrichelte Linien)


Ist die Erregung einmal in den Kammerbereich vorgedrungen, läuft sie über das Reizleitungssystem der Ventrikel (His-Bündel, Kammerschenkel, Purkinje-Fasern) und das Arbeitsmyokard als charakteristische, funktionsoptimierte räumlich-zeitliche Abfolge über Septum und Ventrikelwände.

Die Erregungswelle ist zuerst zur Herzspitze (Apex) hin gerichtet und läuft dann nach links und rechts oben, die subendokardialen Schichten zuerst und die subepikardialen zuletzt erfassend (Abbildungen). Die besonders ausgeprägte Plateauphase der subendokardialen Zellen macht sie lange refraktär und schützt sie vor früher Wiedererregung.

Dieses komplexe Muster erzeugt im Körper elektrische Felder, deren räumlich-zeitliche Auswirkung von der Körperoberfläche abgegriffen werden kann und bei entsprechender Elektrodenanordnung in definierten Ableiteschemata Elektrokardiogramme erzeugt ( s. dort).

Die Kardiomyozyten der Ventrikelmuskulatur haben ein stabiles Ruhepotential (-80 mV, keine If-Kanäle). Sie verfügen über Natrium-, Calcium- (Depolarisation, elektromechanische Kopplung, lange Refrakterität) und Kaliumkanäle (Repolarisation) (s. Tabelle oben).

 
Das Herz schlägt autonom und unterliegt neurohumoraler Steuerung
 
Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Herzfrequenz zu verändern: Die spontane Entladung kann rascher oder langsamer erfolgen, das Schwellenpotential kann erhöht oder erniedrigt werden, und auch das maximale Membranpotential, von dem aus die Depolarisierung beginnt, kann seine Lage verändern.

s. auch dort
 

Abbildung: Steuerung der Herzaktivität
Nach einer Vorlage bei Pearson Education 2004

Der Sinusknoten erzeugt - auf sich alleine gestellt - Spontanentladungen mit einer Frequenz von 90-100/min. Einfluss des Parasympathikus (cholinerg) reduziert diese Frequenz (kardioinhibitorisches Zentrum), im Ruhezustand - liegend - auf ~60/min ("Ruhefrequenz").
 
Schon das Aufrichten des Körpers senkt den Vaguseinfluss wegen sinkenden arteriellen Drucks im Karotissinus, die Ruhefrequenz steigt im Stehen auf ca. 75/min (posturale Reaktion).
 
Physische / psychische Belastung steigert den Sympathikuseinfluss (adrenerg), die Herzfrequenz nimmt über Wirkung auf das kardioakzeleratorische Zentrum zu

Zum Kreislaufzentrum s. dort
 
Das Herz steht unter dem Einfluss unterschiedlicher Faktoren: Hormonell (z.B. Adrenalin), physikalisch (z.B. Temperatur), und vor allem steuernder Einflüsse des autonomen Nervensystems:

     Impulse aus dem Sympathikus beschleunigen und kräftigen (kardioakzeleratorisches Zentrum)
 
     solche aus dem Parasympathikus bremsen die Herztätigkeit (kardioinhibitorisches Zentrum in der medulla oblongata).
 
 Parasympathisches System Sympathisches System
 
Ein
frisch transplantiertes denerviertes Herz schlägt mit der Spontanfrequenz des Sinusknotens: 90-100  mal pro Minute. Normalerweise beträgt die Ruhefrequenz einer erwachsenen Person nur ~60/min (Normokardie); dies wegen der in Ruhe überwiegenden Vaguswirkung. Bei abnehmender Vaguswirkung und/oder zunehmendem Sympathikustonus steigt die Herzfrequenz, maximal bis zu ~200/min (fight or flight).
 
 
Abbildung: Autonom-nervöse Balance
Nach einer Vorlage in Praktische Physiologie

Der unbeeinflusste Sinusknoten einer erwachsenen Person entlädt sich mit einer "Eigenfrequenz" von ca. 100/min.
 
Überwiegt der Einfluss des Parasympathikus bzw. negativ chronotrop wirkender Mediatoren, liegt die Schlagfreqiuenz niedriger (z.B. Ruhefrequenz von ~60/min), überwiegt derjenige des Sympathikus bzw. positiv chronotrop wirkender Mediatoren, liegt sie darüber (z.B. bei körperlicher Belastung)


Die Herzfrequenz beträgt im Ruhezustand rund 60 (im Liegen) bis 80 (im Stehen) Schläge pro Minute (Normokardie).

  
   Liegt die Herzfrequenz über 100 / min, spricht man von Tachykardie. Bei Neugeborenen ist "Tachykardie" im Ruhezustand nach dieser Definition physiologisch ( s. dort). Die Eigenfrequenz des Sinusknotens liegt bei etwa 105 / min, im Ruhezustand wird er durch parasympathischen Einfluss auf 60-80 / min reduziert.

      Bradykardie ist eine Frequenz unter 60 / min; eine bradykarde Ruhefrequenz findet sich bei ausgeprägtem Trainingszustand, Hochtrainierte können eine Ruhefrequenz bis unter 40 zeigen (hoher Parasympathikustonus; dies kann mit einem Herzblock verwechselt werden, bei dem der Sinusknoten nicht wirksam wird: der AV-Knoten hat eine ähnlich niedrige Eigenfrequenz wie das gesunde Herz einer hochtrainierten Person im Ruhezustand). Auch im Schlaf (non-REM) sinkt die Herzfrequenz auf niedrigere Werte ab.
 
Parasympathischer Wirkungsmechanismus
 
s. auch dort

 
Parasympathische Reizung des Herzens bewirkt u.a.
    reduzierte Schlagfrequenz und Automatizität
    verlagnsamte AV-Erregungsüberleitung (bis zu Herzstillstand bei extremer cholinerger Reizung)

Cholinerge Effekte auf das Herz (negative Chronotropie - Bradykardie etc) werden über M2-Acetylcholinrezeptoren vermittelt. Sinkendes [cAMP] senkt die Öffnungswahrscheinlichkeit von L-Typ Calciumkanälen und erhöht die Öffnungswahrscheinlichkeit von Acetylcholin-aktivierten Kaliumkanälen (GIRKs). Das Ruhepotential wird verstärkt (geringer Calciumeinstrim, intensiverer Kaliumausstrom), die Spontanentladung verlangsamt, die Herzfrequenz verlangsamt.
     Die unbeeinflusste "intrinsische" Spontanentladungsfolge des Sinusknotens beträgt etwa 100/min. Im Ruhezustand senkt der Parasympathikus (cholinerg) die Frequenz durch Verstärkung des Ruhepotentials und Verflachung des Schrittmacherpotentials; starke Parasympathikuswirkung kann die Spontanentladungsfolge weiter senken (<60/min, Bradykardie ), extrem intensive reflektorisch bedingte Parasympathikuswirkung kann den Herzschlag sogar vollständig unterdrücken (Beispiel Bolustod).

Der parasympathische Einfluss ist im Ruhezustand hoch und senkt die Herzfrequenz vom Eigenrhythmus des Sinusknotens (um die 100/min) auf etwa 60/min ab. Die Wirkung erfolgt über M2-Rezeptoren. Nach Aktivierung des Gi-Proteins spaltet sich dieses in Gα1 und Gβγ, und beide Untereinheiten diffundieren an benachbarte Zielproteine in der Membran:

      Die Gα1-Komponente hemmt die Adenylylcyclase, dadurch sinkt der cAMP-Spiegel, was die Öffnungswahrscheinlichkeit von HCN-Kanälen reduziert. Diese lassen den depolarisierenden Schrittmacherstrom zu, also wird die Depolarisation der Sinusknotenzelle gebremst ( Abbildung: Flacherer Depolarisationsverlauf), die Herzfrequenz nimmt ab.

      Die Gβγ-Komponente aktiviert Kaliumkanäle, was die Zelle stärker aufladet und ebenfalls die Depolarisationszeit erhöht.
 


Abbildung: Wie die Herzfrequenz gesenkt werden kann
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Rote Kurven: Unbeeinflusster Aktionspotentialverlauf. Überlagert sind Möglichkeiten zu negativ chronotroper Wirkung.
  
Oben: Flacherer Spontanentladungsverlauf durch Reduktion des If.
  
Mitte: Stärker negatives Startpotential durch erhöhten Kaliumausstrom (Öffnung von GIRK-Kanälen).
  
Unten: Reduzierter ICa-Strom rückt das Schwellenpotential näher zur Nulllinie.
  
Cholinerge Aktivität nutzt die Kombination aller drei Mechanismen


Das Wirkungsspektrum ist ein mehrfaches:
 
 
   Negativ chronotroper Effekt: Muskarinerge Rezeptoren im Sinusknoten beeinflussen Kalium-(IKACh), Calcium-(ICa) und If-Ströme (s. oben): Kaliumkanäle (GIRK1) werden geöffnet, das maximale Phase-4-Membranpotential negativiert; ICa wird reduziert, die Depolarisierung langsamer, das Schwellenpotential angehoben; und der schwächere If verlangsamt die diastolische Depolarisierung. Ergebnis: Die Herzfrequenz sinkt.

      Negativ dromotroper Effekt: Am AV-Knoten wird die Überleitung verlangsamt (verzögerte Aufstrichphase "0").
 

      Negativ inotroper Effekt: Der Parasympathikus hat (entgegen der früheren Lehrmeinung) auch direkten Einfluss auf die Kontraktilität des menschlichen Herzens, die er verringert (negative Inotropie). Mögliche Mechanismen: Beschleunigte Repolarisation (IKACh) verringert Calciumeinstrom durch L-Typ Calciumkanäle; Hemmung der Adenylylcyclase senkt [cAMP] und wirkt adrenergen Einflüssen entgegen.

Hyperkaliämie, Azidose und Sauerstoffmangel (Hypoxie) gehören (neben parasympathischer Aktivität)  zu den Faktoren, welche die Kontraktilität des Herzmuskels senken. Sie können bei Schädigung bzw. ungenügender Perfusion des Herzmuskels auftreten (Herzinfarkt) und Arrhythmien auslösen. Insbesondere Azidose wirkt stark negativ inotrop.
 
Sympathischer Wirkungsmechanismus
 
s. auch dort
  
Sympathische Reizung des Herzens bewirkt u.a.
    verstärkte Kontraktion des Myokards (positiv inotroper Effekt)
    erhöhte Schlagfrequenz (positiv chronotroper Effekt)
    verringerte kardiale Effizienz (Sauerstoffverbrauch des Myokards steigt stärker an als seine Leistung)
    verstärkte Automatizität (Neigung zur Bildung ektopischer Herzschläge)
 
An Sinusknotenzellen regt die
ß1-Rezeptor-mediierte Aktivierung von GS-Proteinen die Adenylylcyclase an; [cAMP] steigt in der Zelle, dies erhöht die Öffnungswahrscheinlichkeit von HCN-Kanälen, und der depolarisierende Kationeneinstrom if nimmt zu. Dadurch steigt die Entladungsrate, da das Schwellenpotential früher erreicht wird als ohne adrenerge Wirkung. Der Sympathikus beschleunigt (adrenerg) die Entladung in Phase 4 und erhöht die Herzfrequenz (>100/min: Tachykardie ).
 
Aktivierung von β1-Adrenozeptoren führt über cAMP zur Aktivierung von Proteinkinase A, welche Ca++-Kanäle phosphoryliert und ihre Offenwahrscheinlichkeit steigert; dadurch wird auch vermehrt Ca++ aus dem sarkoplasmatischen Retikulum mobilisiert, die Zelle depolarisiert rascher (positiv chronotrope Wirkung von Katecholaminen).

Der Mechanismus der Wirkung von Adrenalin / Noradrenalin auf das Herz - insbesondere positiv chronotrop (Beschleunigung) und inotrop (Kräftigung) - ist eine Kombination mehrerer Faktoren:

      Am Sinusknoten erfolgt beschleunigte Depolarisation (positiv chronotroper Effekt durch Aktivierung von If-Kanälen). Der Wirkungsmechanismus: ß1-Rezeptoren → Gs-Protein → cAMP → Proteinkinase A → Phosphorylierung zahlreicher Zielproteine.

      Am AV-Knoten zeigt sich ein rascherer Aufstrich des Aktionspotentials (positiv dromotroper Effekt durch verbesserte Überleitung an gap junctions).

Sowohl im Sinus- als auch im AV-Knoten nimmt der ICa zu, was sowohl das Schwellenpotential näher zum Membranpotential rückt als auch die Phase-4-Depolarisation beschleunigt - beides steigert die Herzfrequenz. Der Betrag des maximalen diastolischen Potentials wird durch Katecholamine nicht verändert.

      Am Arbeitsmykoard verstärken Katecholamine den ICa-Strom (aus dem Extrazellulärraum) und erhöhen die Sensitivität der Calciumkanäle des sarkoplasmatischen Retikulums gegenüber steigendem sarkoplasmatischem [Ca++]. Auch die anschließende Rückführung von Calcium in das Retikulum mittels SERCA-Pumpe wird intensiviert und erhöht den sarkoplasmatischen Calciumvorrat. All dies intensiviert die Kontraktion (positiv inotroper Effekt).

      Die Aktionspotentiale verkürzen ihre Dauer durch Aktivierung des verzögerten IK-Stroms.

      Die Myozyten relaxieren rascher (positiv lusitroper Effekt durch erhöhte Ca++-Aufnahme in das sarkoplasmatische Retikulum).

   "Betablocker" (genauer: ß1-Rezeptor-Antagonisten) dämpfen die Noradrenalinwirkung auf das Herz und wirken herzschonend, vermindern aber auch unter Umständen die Anpassungsfähigkeit des Kreislaufs bei Belastung. Je nach Wirkungsspektrum auf adrenerge (nicht nur ausschließlich ß1-) Rezeptoren üben sie unterschiedliche Effekte auf Myokarddurchblutung, Erregungsbildung etc. aus.
 
Neben autonom-nervösen unterliegt das Herz auch endokrinen (z.B. Adrenalin) und metabolischen Einflüssen.
 
 

 
    Fieber, Hyperthyreose, Entzündungen von Herzbeutel bzw. Herzmuskel oder Lungenembolie sind Zustände, welche die Herzfrequenz steigern können (Sinustachykardie).

    Hypothermie, Hypothyreose, auch intensives körperliches Training (starke Aktivität des parasympathischen Systems im Ruhezustand), können Sinusbradykardie zur Folge haben.

    Ein plötzlicher Ausfall des Sinusknotens wird nicht immer durch sofortiges Einspringen niedrigerer Schrittmacher kompensiert. Vergehen mehrere Sekunden, sinkt der Blutdruck so stark ab, Bewusstlosigkeit tritt ein (Adams-Stokes-Anfall). Weiters reicht der auftretende Eigenrhythmus manchmal für eine ausreichende Durchblutung (vor allem des Gehirns) nicht aus. Es kann gelingen, den Ohnmachtsanfall durch Flachlagerung (Wegfall der Orthostasebelastung!) zu beenden.

    Als AV-Block bezeichnet man atrioventrikuläre Überleitungsstörungen. Man teilt sie ein in

      AV-Block I. Grades (PQ-Intervall regelmäßig auf ≤200 ms verlängert)

      AV-Block II. Grades: Nicht jede Erregung gelangt erfolgreich zum Ventrikel - entweder nimmt die PQ-Zeit von Systole zu Systole zu, bis die Überleitung ganz ausbleibt (Typ Wenckebach bzw. Mobitz I), oder das Schlagverhältnis ist fixiert - z.B. 2:1-Block (Typ Mobitz II)

      AV-Block III. Grades: Keine Überleitung, die Kammer bildet sich ihren eigenen Rhythmus (sekundärer Schrittmacher)

Kennzeichen eines AV-Blocks II. Grades: EKG zeigt mehr P-Wellen, als Herzschläge auftreten

AV-Block III. Grades: P-Wellen und QRS-Komplexe (seltener) treten unabhängig voneinander, jeweil in eigenem Rhythmus auf
 
    Vorhofflattern (Vorhof-Schlagfrequenz 230-350/min) kann vorübegehend (paroxysmal) auch bei herzgesunden Personen auftreten (z.B. Stress, exzessiver Kaffeegenuss), oder - organisch - bei koronarer Herzkrankheit, Kardiomyopathie, Mitralklappenstenose u.a. Da der AV-Überleitungsfilter funktioniert, werden nicht alle Erregungswellen auf den Kammerbereich übertragen (z.B. 2:1, 3:1), und die Hämodynamik ist im Allgemeinen so gut wie nicht beeinträchtigt.

    Unorganisierte Depolarisationsabläufe im Vorhof, die keine effektive Vorhofkontraktion ergeben, erzeugen Vorhofflimmern (Frequenz >300/min). Sie entstehen durch ektope Erregungsbildung bzw. multiple kreisende Erregungen (multiples re-entry). Im EKG ist keine P-Welle nachweisbar, AV-Überleitung und RR-Intervalle sind völlig unregelmäßig (absolute Arrhythmie).

Vorhofflimmern geht mit unregelmäßigem Puls einher
 
    Kammerflattern (250-350/min) bzw. -flimmern (>350/min) ist ein lebensbedrohlicher Zustand. Es tritt auf, wenn die Erregung im Ventrikelgebiet unkoordiniert zu kreisen beginnt (re-entry) und die Pumpfunktion des Herzens zum Erliegen kommt. Die Folge ist ein funktioneller Kreislaufstillstand (Bewusstlosigkeit innerhalb von 10-15 Sekunden). Im EKG ist keine klare Trennung zwischen Kammeranfangsschwankung (QRS) und Kammerendteil mehr möglich (Flattern) oder es sind überhaupt keine koordinierten Muster erkennbar (Flimmern). Sofortige Defibrillation / Reanimation ist durchzuführen.
 

Abbildung: Herzschrittmacher. Steuereinheit subkutan, Reizelektroden in Vorhof und Spitze des rechten Ventrikels
Nach einer Vorlage in caifl.com / cardiac devices

Die Elektroden diesen sowohl dem Monitoring (EKG) als auch zur Stimulation, wobei unterschiedliche EKG-Signale als Triggerkriterium genutzt werden können

  Künstliche Herzschrittmacher erzeugen elektrische Reize in der Kammermuskulatur ( Abbildung). Sie werden über einen Venenkatheter in die Herzräume (rechter Vorhof / Ventrikel) vorgeschoben und hier befestigt. Die Steuereinheit wird - nach lokaler Betäubung - subkutan implantiert. Die Impulse haben eine Spannung von ~3 V und dauern ~0,5 ms, Lithium-Jod-Batterien ermöglichen eine Betriebszeit von ~10 Jahren.

  Der Calciumeinstrom ist Angriffspunkt sowohl physiologischer (autonome Nervenfasern, Hormone) als auch pharmakologischer Beeinflussung der Herztätigkeit.
 
  Azidose und Calciumantagonisten hemmen den Calcium-Einstrom, Katecholamine verstärken ihn.

Calciumantagonisten verkürzen die Dauer des Aktionspotentials und haben einen blutdrucksenkenden Effekt - sowohl durch herabgesetzte Schlagkraft am Herzen (negative Inotropie) als auch durch vaskuläre Dilatation (Herabsetzung des peripheren Widerstands).

  Erhöhung der H+- und Ca++-Konzentration in Herzmuskelzellen tritt bei Sauerstoffmangel (Mangeldurchblutung: Ischämie) auf und führt zu einer Schließung von Konnexonen an gap junctions. Das behindert den Stromfluss zwischen den Zellen (erhöhter Innenwiderstand) und verlangsamt die Erregungsausbreitung. Dies wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Auftretens von kreisenden Erregungen (Re-entry) in Vorhöfen / Ventrikeln, was Flattern oder Flimmern zur Folge haben kann (Kammerflimmern ist lebensbedrohlich - Defibrillation erforderlich).
    
Je langsamer sich die Erregung ausbreitet und je kürzer die Refraktärzeit (Plateauphase) dauert, umso größer wird die Wahrscheinlichkeit eines Reentry
  
Rhythmusstörungen werden mit Antiarrhythmika behandelt (Klasse I - Natriumkanalblocker, Klasse II - Betablocker, Klasse III - Kaliumkanalblocker, Klasse IV - Calciumkanalblocker).

  "Channelopathien": Kommt es durch Genmutation zu Veränderung der Struktur oder Zahl von Ionenkanälen (z.B. Natrium-, Kaliumkanälen) oder ist deren Expression in der Membran von Kardiomyozyten herunterreguliert (z.B. bei Herzinsuffizienz), können Extrasystolen, Herzblock oder Arrhythmien auftreten, die u.U. einen plötzlichen Herztod bedingen (z.B. Brugada-Syndrom: Ionenkanalstörung, die meist asymptomatisch bleibt, aber zu prlötzlichem Herztod führen kann). Kaliumkanal-Defekte bewirken gestörte Repolarisation, Verlängerung des Aktionspotentials (Long-QT-Syndrom) und erhöhtes Risiko für Kammerflattern oder -flimmern.

  Die extrazelluläre Kaliumkonzentration beeinflusst die Herzfunktion:

     Hypokaliämie (<3,5 mM) kann in Folge von Kaliumverlust (Diuretikatherapie: Thiazide), intensivem Erbrechen, schwerer Diarrhoe oder Verbrennungen auftreten. Der niedrige extrazelluläre Kaliumspiegel reduziert die Aktivität der Na/K-ATPase und der Kaliumkanäle (Kir, Kv), was den repolarisierenden Kaliumstrom senkt. Die Plateauphase und Phase-3-Repolarisierung werden dadurch verlängert, das kann Arrhythmien (Herzrhythmusstörungen) bewirken (die Herzmuskelzelle versucht, die erhöhte Calciumlast des verlängerten Aktionspotentials durch verstärkten Natriumeinstrom loszuwerden); im EKG kann eine U-Welle auftreten.

     Hyperkaliämie kann bei Niereninsuffizienz, Crush-Syndrom, Transfusion abgelaufener Blutkonserven, Hämolyse (z.B. Süßwasser in der Lunge) auftreten. Sie reduziert den Betrag von Ruhe- und Aktionspotential (geringer transmembranaler Kaliumgradient), stört die Erregungsleitung und kann ebenfalls Arrhythmien hervorrufen. Ist der Kaliumspiegel stark erhöht (>7,5 mM), nehmen Sinusknotenfunktion, Leitungsgeschwindigkeit und Aktionspotentialdauer sowie Calciumeintritt in die Zelle ab, ventrikuläre Tachykardie kann auftreten, das Herz in Diastole stillstehen (Asystolie).

Ab ~10 mM extrazellulärer Kaliumkonzentration sind Herzmuskelzellen stark depolarisiert und können asystolisch werden
 
Kardiopleg(isch)e Lösungen mit hoher Kaliumkonzentration (>12 mM, typischerweise 20 mM) werden in der Herzchirurgie eingesetzt, um das Myokard vorübergehend unerregbar zu machen und den Herzschlag anzuhalten (Spenderherz). Kardioplegische Lösungen werden über die Koronararterien zugeführt, um die Herzmuskelzellen effizient zu erreichen.
 

 
      Ungereizte Arbeitsmyokardzellen haben ein konstantes Ruhepotential. Dieses entsteht durch Kaliumausstrom via "einwärts- gleichrichtende" Kaliumkanäle (Kir) und hält die Natriumkanäle geschlossen. Der Betrag des Kaliumaustritts ist gering, da das Ruhepotential (-80 bis -90 mV) nahe am Gleichgewichtspotential für Kalium liegt (-94 mV). Bei Depolarisierung verliert die Zelle weniger Kalium. Im Zytosol vorhandenes Ca++ wird gegen 3Na+ ausgetauscht (~75% des Ca++-Auswärtstransportes). Ähnlich nutzen Na/H-Austauscher des Natriumgradienten zur Entfernung von H-Ionen aus der Herzmuskelzelle (Na+ wird über die basolaterale Na/K-ATPase aus der Zelle gebracht). Restliches Ca++ wird durch eine Ca-ATPase in das sarkoplasmatische Retikulum gepumpt
 
      Ein komplexes Zusammenwirken verschiedener Ionenströme ergibt das charakteristische Aktionspotential einer Herzmuskelzelle. Je nach Ausstattung mit Kanalproteinen nimmt dieses unterschiedliche Form und Dauer an. Das Aktionspotential der Arbeitsmuskelzellen (<200 bis 350 ms) erfolgt durch raschen Natriumeinstrom via spannunsgesteuerte Natriumkanäle. Im Ruhezustand sind diese geschlossen; bei Überschreitung des Schwellenpotentials durch Erregung von Nachbarzellen öffnet der Kanal, Natrium strömt ein - für 1 ms, dann wird der Kanal inaktiviert, der Natriumeinstrom versiegt. Erst am Ende der Refraktärzeit (Plateauphase: depolarisierende Ca++- und repolarisierende K+-Ströme halten sich die Waage) stellt sich die "geschlossene" Konformation der Natriumkanäle wieder ein, die im Gegensatz zur "inaktivierten" durch Depolarisierung beendet werden kann. Im Sinusknoten erfolgt die (langsamere) Depolarisierung durch Ca++-Einstrom (L-Typ-Calciumkanäle). Die Repolarisierung erfolgt durch Kaliumausstrom; erhöhter Sympathikustonus steigert diesen und verkürzt das Aktionspotential (Zeit für höhere Schlagfrequenzen). Etwa 10 ms nach Auftreten des Aktionspotentials beginnt die Kontraktion
 
      Sinusknotenzellen verfügen über spannungsabhängige Kaliumkanäle, ihr Membranpotential erreicht lediglich -50 bis -70 mV (Arbeitsmyokard -80 bis -90 mV) und ist instabil. Die Steilheit dieses Schrittmacherpotentials wird von Na- und Ca-Einstrom durch verschiedene Ionenkanäle beeinflusst. Ein Schrittmacherstrom (If) durch unspezifische Kationenkanäle (HCN-Kanäle) bewirkt spontane Depolarisierung. Sympathikuseinfluss steigert über cAMP die Öffnungswahrscheinlichkeit der HCN-Kanäle, der depolarisierende Kationeneinstrom nimmt zu. Bei Erreichen des Schwellenpotentials (-40 bis -55 mV) entsteht ein Ca++-betriebenes Aktionspotential. In der Repolarisierungsphase schließen die Ca++-Kanäle, spannungsgesteuerte K-Kanäle öffnen, die Zelle repolarisiert. Die intrinsische Frequenz des Sinusknotens beträgt ~100/min, sie wird durch parasympathischen Einfluss gesenkt (Ruhefrequenz)
 
      Erregungsbildung und Reizleitung im Herzen erfolgt über Sinusknoten (physiologischer Schrittmacher), AV-Knoten (langsame Leitung), His-Bündel (Verbindung Vorhof-Kammer), Kammerschenkel, Purkinje-Fasern (optimale Erregungsverteilung, lange Refrakterität). Aktionspotentiale breiten sich über über gap junctions (disci intercalares: Stellen stark reduzierten elektrischen Widerstandes mit hoher Dichte spannungsgesteuerter Natriumkanäle) auf das gesamte Myokard aus (funktionelles Synzytium). Das erzeugt elektrische Felder, deren räumlich-zeitliche Auswirkung von der Körperoberfläche abgegriffen werden kann: Im EKG bedeutet die P-Welle die Erregungsausbreitung über die Vorhöfe und der QRS-Komplex die Erregungsausbreitung über die Ventrikel
 
      Das Herz steht unter dem Einfluss hormoneller, neuraler und physikalischer Faktoren. Sympathischer Einfluss aus dem kardioakzeleratorischen Zentrum der medulla oblongata beschleunigt und kräftigt, parasympathischer bremst die Herztätigkeit (kardioinhibitorisches Zentrum). Die Herzfrequenz beträgt im Ruhezustand rund 60 (im Liegen) bis 80 (im Stehen) Schläge pro Minute (Normokardie). Herzfrequenz über 100/min heisst Tachykardie (z.B. Stress), Bradykardie ist eine Frequenz unter 60 (z.B. non-REM-Schlaf)
 

 





  Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen: Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.