

Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert

Humoral-neuronale
Steuerung und Kontrolle von Organsystemen

Elektrophysiologische Grundlagen
© H. Hinghofer-Szalkay
Diffusion: diffundere = ausbreiten, verstreuen (fundere = gießen)
Goldman-Gleichung: David Eliot Goldman
Gradient: gradior = schreiten
Kardioplege Lösung: καρδία = Herz, πληγή = Lähmung, Schlag
Myelin: μυελός = Mark
Nernst-Gleichung, Nernst-Potential: Walther Nernst
Permease: permeare = durchwandern
Ranvier-Schnürringe: Louis-Antoine Ranvier
refraktär: re-fractus = abgebrochen
saltatorisch: saltare = springen, tanzen
Schwann-sche Zelle: Theodor Schwann
Ionen liegen in den Körperflüssigkeiten in unterschiedlicher Konzentration vor, je nach Aktivität von Transportmechanismen in Zellmembranen. So verursacht die allgegenwärtige Na+/K+-ATPase
(eine "Pumpe", die ATP verbraucht) eine ungleiche Verteilung von
Natrium- und Kaliumionen: In der Zelle überwiegt Kalium, außerhalb Natrium ([K+] innen ~140 mM, außen ~4 mM; [Na+] innen ~10 mM, außen ~140 mM).
Chemische Gradienten für Ionen verursachen deren Diffusion, und das erzeugt elektrische Gradienten. So beruht das Ruhe-Membranpotential im Wesentlichen auf Kaliumgradienten: Kaliumionen diffundieren durch
"Kaliumkanäle" der Zellmembran aus der
Zelle. Dabei
stellt sich (beinahe) ein Kalium-Gleichgewichtspotential
ein: Kalium tritt so lange aus der Zelle aus, bis der elektrische Gradient (außen positiv, innen negativ) den chemische Gradienten ausbalanciert.
Dieser
Mechanismus gilt für alle Ionen - für jedes gibt es ein (seiner
Verteilung entsprechendes) Gleichgewichtspotential. Konzentrationsmuster und Verfügbarkeit der jeweiligen Ionenkanäle sind entscheidend für die Aufladung (Polarisierung) der Membran..
Wird z.B. die Membran für Natrium durchlässig (Öffnung der Natriumkanäle durch einen Reiz),
strömt Na+ in die Zelle, diese wird dadurch entladen (depolarisiert) - bevor die Natriumkanäle wieder schließen und die Membran
sich durch veränderte Ionenströme repolarisiert. Der zeitliche Verlauf der Potentialschwankung wird als Aktionspotential bezeichnet. Während dieser Zeit ist die Zelle nicht nochmals erregbar - sie ist refraktär.
Ein
Aktionspotential breitet sich durch laufende Erregung noch unerregter Membran fort. Die Geschwindingkeit dieses "Lauffeuers" hängt von der Struktur des elektrischen Feldes ab: Bei
Nervenfasern, deren Myelinscheide nur schmale Schnürringe mit nackter
Membranfläche freilassen, konzentriert sich hier das elektrische Feld
des transmembranalen Reizstroms. Der Reizstrom wird rasch überschwellig
und der
Vorgang wiederholt sich von Schnürring zu Schnürring -
das Aktionspotential schreitet sprunghaft fort (saltatorische Erregungsleitung).
|
Übersicht
Gleichgewichtspotential
Ruhepotential
Na-K-ATPase
Reiz und Reizerfolg
Aktionspotential
Postinhibitorische Erregung
Spannungsgesteuerte Calciumkanäle
Elektrotonische Ausbreitung
Leitungsgeschwindigkeit
Refrakterität
Saltatorische Erregungsleitung
Chronaxie und Rheobase

Gleichgewichtspotential
Umkehrpotential
Elektrochemische Kraft
Reiz
Schwellenpotential
Schrittmacherpotential
Rheobase, Nutzzeit, Chronaxie
Praktische Aspekte
Core messages
Über Patch clamp und Ableitungen s. dort
Nervenzellen (Neurone)
sind die zellulären Bausteine für die Rechenvorgänge, welche die
Funktion des Gehirns als "Computer" ausmachen. Sie bringen Information
in Form von Aktionspotentialen von einem Ort zum anderen, und wo diese
ankommen (am Ende des Axons), befinden sich Synapsen
- Umschaltestellen von einer Zelle auf die nächste.
Je nach ihrer
Funktion unterscheidet man sensible, motorische, und Interneuronen; sie
nutzen bestimmte Transmitterstoffe (man bezeichnet sie dementsprechend
als glutamaterg, cholinerg etc.) und reagieren auf Signalstoffe je nach
ihrer Ausstattung mit Rezeptormolekülen.
Der Körper (das soma) einer Nervenzelle kann gut 20 µm Durchmesser
haben, ihr Axon eine Länge von bis zu ca. einem Meter (z.B. die Distanz
von einer motorischen Vorderhornzelle im
Rückenmark bis zur zugehörigen motorischen Einheit in der Wade). Um
einen Begriff von den Größenverhältnissen zu geben: Bei einer
2000-fachen Vergrößerung entspräche das dem Durchmesser eines Golfballs
(4,3 cm) einerseits, einer Strecke von 2 km andererseits.
Abbildung: Neuron
Nach einer Vorlage in Kandel / Koester / Mack / Siegelbaum (eds), Principles of Neural Sciences, 6th ed. 2021 (McGraw Hill)
Nervenzellen (Neurone) sind der Grundbaustein
der Rechenelemente im Nervensystem. Je nach Form und Funktion kann man
mehr als 1000 Typen unterscheiden (sensorische, motorische,
verschiedenste Interneuronen). Sie alle verfügen über mehrere Dendriten
und ein Axon; der Axonhügel hat die größte Dichte an spannungsgesteuerten Natriumkanälen und die erregbarste Membran, d.h. hier
entstehen Aktionspotentiale (Triggerzone).
Das Schwellenpotential ist hier nur etwa 10 mV vom Ruhepotential
entfernt, am Dendritenbaum und Soma beträgt dieser Abstand bis zu 30 mV.
Dendriten sammeln synaptische Information ein (hier nur für
postsynaptische Zellen gezeigt), zusammen mit dem Zellkörper (Soma) -
dem metabolischen Zentrum der Zelle - bilden sie das "Input-Element"
der Nervenzelle. Das Axon (Länge ~0,1 mm bis ~1 m) leitet
Aktionspotentiale in die Peripherie, wenn der Axonhügel auf einen
kritischen Wert depolarisiert wurde; es bildet mit seinen Synapsen das
"Output-Element" des Neurons

Die "Empfangstationen" der Neuronen sind im Allgemeinen deren
Dendriten. Eine einzige Nervenzelle kann auf ihrem Dendritenbaum bis zu
2.105
Synapsen haben. Jede dieser Synapsen hat - wenn
aktiviert - einen kleinen Effekt auf das Membranpotential des
betreffenden Dornenfortsatzes (=postsynaptischer Fortsatz einer
dendritischen Synapse) und damit des Neuriten.
Einzelne synaptische
Effekte sind zu schwach, um an der Zelle ein Aktionspotential
auszulösen. Dazu bedarf es des Zusammenwirkens mehrerer eintreffender
Aktionspotentiale, deren Effekte - postsynaptische Potentiale - integriert werden (zeitliche und räumliche Summation). Eine auf diese Weise verstärkte Depolarisation löst - wenn überschwellig
- am Axonhügel des Neurons Aktionspotentiale aus. Dieser
Mechanismus ist die Grundlage logischer Operationen an Nervenzellen.
Dendriten verfügen weiters über einen Verstärkermechanismus: Spannungsabhängige (voltage gated) Ionenkanäle für Natrium oder Calcium.
Das bedeutet: Wird der Dendrit durch eintreffende EPSPs depolarisiert,
nimmt die Depolarisierung durch zusätzlichen Kationeneinstrom weiter
zu. Dadurch verstärkt sich der postsynaptische Effekt, und am Axonhügel wird die Reizschwelle leichter überschritten (Generierung von Aktionspotentialen).
In diesem Abschnitt wird dargestellt, wie sich Zellen elektrisch
aufladen (Membranpotential) und wie sie diese Aufladung nutzen, um auf
(ausreichend starke, d.h. "überschwellige") Reizung in sehr kurzer Zeit
(Millisekunden) mit Aktionspotentialen zu reagieren, die dann als
Informationssignal an synaptische "Schalter" gesendet
werden.
Da die Frage, ob ein Aktionspotential auftritt oder nicht, eine
Ja-nein-Entscheidung ist ("Alles-oder-Nichts-Regel"), kann die Art der Informationsübertragung über Nervernfasern als binär ("digital") angesehen werden. Diese Art der Informationsverschlüsselung ist besonders robust und wenig fehleranfällig.
An Sinnesorganen oder Synapsen hingegen - also an Orten der Impulsentstehung und Impulsverwertung - laufen die Vorgänge proportional zur jeweiligen Größe des auslösenden Vorganges ab. Man kann sagen, hier erfolgt eine analoge Aufarbeitung der Information.
Wie erklären sich bioelektrische Phänomene?
Zellen weisen eine elektrische Spannung über ihre Außenmembran auf (Membranpotential):
Ist die elektrische potentielle Energie an der Außenseite der Membran (Ψa) nicht identisch mit der elektrischen potentiellen Energie an der Innenseite (Ψi),
ist die Membran "geladen". Ionen haben dann die Tendenz, sich in
Richtung Ladungsausgleich durch die Membran zu bewegen (und tun das
auch, soferne sie auf offene Ionenkanäle stoßen, die für sie
durchgängig sind).
Was ist die Ursache für die elektrische Ladung einer Zellmembran? Es ist eine unterschiedliche Ionenkonzentration
(außen vs. innen). Beispielsweise haben Kaliumionen (die von der Zelle angereichert werden, s. Na/K-Pumpe) mit ihrer hohen intrazellulären Konzentration die Tendenz, aus der Zelle zu diffundieren. Dabei laden sie allerdings die Membran auf (innen negativ, weil Anionen dabei in der Zelle zurückbleiben).
Das Ruhepotential einer Zelle ist im Wesentlichen durch Kalium-Ausstrom bedingt (
Abbildung).

Abbildung: Kaliumkanal
Aufgrund der 30-fach höheren intrazellulären Konzentration an Kaliumionen diffundiert K+ durch Kaliumpermeasen nach extrazellulär (hier: nach rechts). Dies lädt die Zellmembran auf (innen negativ, außen positiv)
Die elektrische Aufladung der Membran beeinflusst die Bewegung der Ionen: Diese diffundieren
einerseits entsprechend ihrer Konzentrationsdifferenz, andererseits
wirkt das Membranpotential auf ihre Membranpassage ein.
Beispielsweise
würden Natriumionen sowohl aus Gründen ihrer Konzentration (außen ~140
mM, innen wesentlich weniger) als auch der elektrischen Situation
(außen positiv, innen negativ geladen) in die Zelle eindringen.
Das
können sie allerdings nur, wenn die Zellmembran für Natrium durchlässig
wird (Lipid-Doppellamellen sind hydrophob), was im Ruhezustand kaum der Fall ist ("Leckstrom"), bei Reizung
der Zelle aber schon (Öffnung von Natriumkanälen, s. weiter unten).
Die Faktoren, welche die Bewegung eines Ions durch eine Zellmembran bestimmen, sind also die folgenden:
Seine Konzentrationsdifferenz ("chemischer Gradient")
Das Membranpotential ("elektrischer Gradient": Polung und Betrag)
Die Verfügbarkeit entsprechender - passierbarer und offener - Ionenkanäle
Konzentrationsdifferenz und Membranpotential sind die beiden treibenden Kräfte. Gleichen sich diese aus, ist die Netto-Strömung (net flux) des Ione durch die Membran Null, und es herrscht ein Gleichgewicht (equilibrium).
Das bedeutet nicht, dass keine Ionen durch die Membran gelangen,
sondern dass Einwärts- und Auswärtsbewegung einzelner Ionen gleich
intensiv stattfinden und sich ausgleichen - es liegt ein
Gleichgewichtszustand (steady state) vor. Dementsprechend spricht man von einem Gleichgewichtspotential (equilibrium potential).
Als Gleichgewichtspotential
(Umkehrpotential, equilibrium potential E, Nernst-Potential
) eines Ions wird dasjenige Membranpotential bezeichnet, bei dem für dieses ein Diffusionsgleichgewicht
herrscht (gleichbleibende intra- / extrazelluläre Konzentration), weil sich der Effekt des
elektrischen (Membranspannung) und des chemischen Gradienten
(Konzentrationsverteilung) die Waage halten.
Die Bezeichnung Umkehrpotential deutet an, dass sich die Richtung der Diffusion des
betreffenden Ions umkehrt, wenn das Membranpotential über seinen Betrag
hinaus ansteigt bzw. unter diesen absinkt.
Beispielsweise diffundiert K+ aus der Zelle, solange das Membranpotential unter dem Kalium-Gleichgewichtspotential (z.B. -98 mV,
Abbildung) liegt; wird die Zelle über -98 mV hinaus hyperpolarisiert, diffundiert K+ in die Zelle. (Das kann z.B. durch - unglücklich benannte - "inward rectifying" Kaliumkanäle geschehen).
vgl. dort
Der
Wert eines Gleichgewichtspotentials hängt von der aktuellen
intra-/ extrazellulären Konzentration des betreffenden Ions ab.
Hormonelle Regelung stabilisiert zwar die Elektrolytwerte im Körper in
engen Bereichen (Homöostase), lokal können diese aber doch ziemlich
schwanken, z.B. die
Kaliumkonzentration Gehirnabschnitten, die gerade besonders aktiv sind
(solche Konzentrationsschwankungen werden dann durch Astroyten abgepuffert).
Der Betrag der auftretenden Spannung läßt sich mittels der Nernstschen Gleichung (Nernst equation) errechnen: Das Potential ergibt sich aus der Konzentrationsdifferenz eines
Ions, für das die Membran selektiv permeabel ist und das durch die
Membran so lange diffundiert, bis die dadurch entstehende Spannung
(bei Kalium: ~Ruhemembranpotential) die weitere Diffusion blockiert
(Gleichgewichtspotential).
Das Membranpotential V (in Volt, wenn Werte für R und F in Joule
und Coulomb eingesetzt werden) ist dann proportional dem Quotienten Konzentration außen (o) / Konzentration innen (i) - also z.B. für Kalium [K+]o/[K+]i:
wobei
R = allgemeine Gaskonstante, T = Temperatur in Kelvin, z = Ladung
des Ions (bei einwertigen Ionen 1, bei zweiwertigen 2), F =
Faradaykonstante, ln = natürlicher Logarithmus. Der Terminus RT/F hat
(bei Körpertemperatur) einen Betrag von etwa 60.
Für das betreffende Ion gibt [V] den Betrag seines Ruhepotentials an.

Über das
SI-System (Präfixe und Einheiten)
s.
dort
Die Nernst'sche Gleichung kann auch so formuliert werden (EX = Gleichgewichtspotential, [Xi] = Innenkonzentration, [Xa] = Außenkonzentration):
Nernst'sche Gleichung
(für 37°C)
Für einwertige Ionen:
EX = 60 mV x log ([Xi] / [Xa])
Für zweiwertige Ionen:
EX = 30 mV x log ([Xi] / [Xa])
|
Ob der Potentialbetrag positiv ("+") oder negativ ist ("-"), der sich aus der (alleinigen) Diffusion eines Ions durch die Membran ergibt, hängt davon ab, welche Seite der Membran gemeint ist (nach gängiger Konvention die Zellinnenseite) und ob es sich um Kationen oder Anionen
handelt. Resultiert bei einer gegebenen Konstellation ein negatives
Potential, kommt vor die Zahl ein Minus - andernfalls ein Plus. Also
beispielsweise für Kaliumionen:
EK = -60 mV . log [K+i] / [K+a]
oder für Chlorid:
ECl = +60 mV . log [Cl-i] / [Cl-a]
Der dekadische Logarithmus von 10 beträgt 1 (z.B. wenn [Xi] = 10.[Xa]). Daher bedeutet z.B.:
Liegt
ein einwertiges Ion auf einer Seite der Membran 10-fach konzentrierter
vor als auf der anderen Seite (und ist sonst kein Ion im Spiel), stellt
sich ein Membranpotential von ca. 60 mV ein
Bei einem zweiwertigen Ion beträgt das Membranpotential unter diesen Bedingungen ca. 30 mV
|
So ergibt sich z.B. für Kalium (außen 4 mM, innen 150 mM) ein
Gleichgewichtspotential von -92 mV, für Natrium von +65 mV, für Calcium
von +150 mV (höchstes Gleichgewichtspotential aller physiologisch wesentlichen).
Das höchste Gleichgewichtspotential aller physiologisch relevanten Ionen hat Ca++
|
Das
bedeutet, der Einstrom von Calciumionen in die Zelle könnte erst bei
einem innen-positiven Potential von 150 mV aufgehalten werden - was
physiologisch nie vorkommt (selbst am Höhepunkt eines Aktionspotentials
verursacht der explosive Natriumeinstrom eine positive Aufladung der
Membran-Innenseite von höchstens ~ +40 mV).
Ähnliche
Gleichungen können für alle die Membran durchdringenden Ionen
aufgestellt werden, sofern man ihre Konzentration (Innen / außen)
kennt. Die wichtigsten Ionen sind Natrium, Kalium und Chlorid.
Goldman-Gleichung (GHK, Goldman - Hodgkin - Katz equation
): Das
Gleichgewichts-Membranpotential UM kann kombiniert aus Permeabilität (P) und
Konzentrationsdifferenz dieser drei Ionen (a = außen, i = innen) berechnet werden:
Das
Membranpotential ergibt sich als die Summe der
Gleichgewichtspotentiale, jeweils gewichtet mit der entsprechenden
Leitfähigkeit für das jeweilige Ion; der jeweilige Ionenstrom
entspricht der betreffenden elektromotorischen Kraft.
Die elektrochemische Kraft (EM) (electrochemical driving force) bzw. das elektrochemische Potential,
welche(s) die Bewegung von Ionen durch die Zellmembran antreibt, wird in
mV angegeben und ist definiert als die Differenz zwischen
Membranpotential Vm und Gleichgewichtspotential E. Ihr der Betrag ist [Vm] - [E].
Jedem Ion kann eine relative ("fraktionelle") Leitfähigkeit (fX) zugeschrieben
werden. Dies ist eine dimensionslose Zahl, sie gibt den Anteil eines
Ions an der gesamten Leitfähigkeit einer Membran an (fX/ftot).
Spielen z.B. nur drei Ionen - Kalium, Natrium und Chlorid - eine Rolle
für die Entstehung des Ruhepotentials, lautet die Gleichung zu dessen
Berechnung wie folgt:
EM = fK . EK + fNa . ENa + fCl . ECl
|
Solche Gleichungen (Nernst, Goldmann) gelten für Zustände, in denen sich das
Membranpotential stabil ist (Gleichgewicht) - nicht, wenn sich das Membranpotential ändert. Da sie neben den
Konzentrationswerten auch die jeweiligen Leitfähigkeiten (P)
berücksichtigen, wird der Effekt der einzelnen Ionen auf das
Membranpotential "gewichtet": Je größer die Leitfähigkeit, desto stärker der Einfluss auf das Membranpotential.
Komplizierend wirkt die Tatsache, dass sich die Permeabilität (also die
jeweiligen Beträge für P) für jedes Ion mit dem Membranpotential
ändert. Beispielsweise nimmt die Leitfähigkeit von Kaliumkanälen bei
Depolarisation der Membran ab. Die Gleichung gilt also nur für stationäre Bedingungen (daher auch die Bezeichnung Constant field equation).
Der Ablauf z.B. eines Aktionspotentials, wo sich alle P-Werte laufend ändern, lässt sich nur schwer modellieren.
Transmembranale Netto-Diffision eines Ions: Weicht das aktuelle Membranpotential (Vm)
vom Gleichgewichtspotential (E) eines Ions (x) ab, diffundiert dieses
Ion durch offene Ionenkanäle. Die Membran hat eine gegebene Permeabilität (Leitfähigkeit, conductance) für das Ion (Px). Der Ionenstrom (ix) ergibt sich dann analog zum Ohm-schen Gesetz (Strom = Permeabilität mal Spannung) als
Durch Umstellen der Gleichung kann man das Membranpotential (Vm)
bei Kenntnis der anderen Werte ausrechnen (gegebenenfalls mit dem
gesessenen Wert vergleichen) - für nur ein Ion, wenn dieses alleine
durch die Membran diffundiert (unwahrscheinlich) oder kombiniert für
mehrere Ionen (dann sieht die Gleichung - benannt als conductance equation - komplizierter aus, z.B. für die Na/K-Pumpe folgendermaßen: Vm = [EK + ENa (2PNa / 3PK)] / 1 + (2PNa / 3PK).
Spezialfall: Ist die
Konzentration eines Ions an beiden Seiten einer Membran gleich groß,
dann ist das Gleichgewichtspotential für dieses Ion an dieser Membran
Null (0 mV): Es gibt kein Konzentrationsgefälle, also (ohne
Membranladung) auch keine Diffusion.

Abbildung: Gleichgewichtspotentiale (in mV) und chemische Gradienten (Konzentrationsunterschiede) für Calcium, Natrium, Chlorid, Kalium
Nach Ackermann MJ, Clapham DE. Ion channels--basic science and clinical disease. N Engl J Med. 1997; 336:1575-86
Ionen diffundieren entsprechend ihrem Konzentrationsgefälle und dem bestehenden elektrischen Potential
mM = mmol/l

Unterschiedliche Konzentration: Je größer der Konzentrationsunterschied eines Ions, umso stärker muss die Membran
aufgeladen sein, um eine Netto-Bewegung des Ions durch die
Membran zu verhindern. Mit wachsender Konzentrationsdifferenz eines Ions nimmt der Betrag seines Gleichgewichtspotentials zu. Physiologisch bedeutsame Beispiele (
Abbildung):
Kalium: Das Konzentrationsverhältnis außen zu innen beträgt etwa 1:25 (5 vs. 120 mM), in Skelettmuskelzellen 1:35 (höhere intrazelluläre Konzentration). Für K+ liegt der Wert des Gleichgewichtspotentials etwa bei -90 mV (unter physiologischen Bedingungen der Maximalbetrag für das Ruhepotential). Bei
niedrigeren Potentialwerten diffundiert Kalium aus der Zelle (und ladet
sie dabei auf), bei hohen Werten ist es umgekehrt (Umkehrpotential).
Insulin begünstigt die Aufnahme von
Kalium in die Zellen; das hilft, postprandiale Kaliumerhöhung im Blut
(durch Aufnahme kaliumreicher Ernährung) zu minimieren.
Sowohl Hyperkaliämie als auch starke Hypokaliämie (<3 mM) senken das Ruhepotential von Herzmuskelzellen.
Erhöhung der extrazellulären bzw. Serum-Kaliumkonzentration (Hyperkaliämie) führt zu Depolarisierung der Zellen (geringeres Gleichgewichtspotential). Kardioplege
Lösungen sind kaliumreich und führen zu Depolarisierung und Herzstillstand (Herzchirurgie). Hypokaliämie
(z.B. bei Alkalosen) kann zu Extrasystolen führen (viele Kaliumkanäle
senken in diesem Fall ihre Leitfähigkeit, das Membranpotential nähert
sich dem Schwellenpotential der Muskelzellen, sie werden übererregbar).
Abbildung: Ionenverteilung und entsprechende Gleichgewichtspotentiale für diverse Ionen
Nach Verkhratsky A, Nedergaard M. Physiology of Astroglia. Physiol Rev 2018; 98: 239-389
Konkretes
Beispiel für die Abhängigkeit von Gleichgewichtspotentialen von intra-
(i) und extrazellulären (o) Ionenkonzentrationswerten. Nervenzelle links, Astrozyt
(Gliazelle) rechts.
Der niedrige Betrag des
Chlorid- Gleichgewichtspotentials der Gliazellen erklärt sich durch die
hohe intrazelluläre Chloridkonzentration

Chlorid: Das Konzentrationsverhältnis außen zu innen
beträgt etwa 6:1 (120 vs. 20 mM), in Muskelzellen 28:1 (geringere intrazelluläre Konzentration). Für Cl-
liegt der Wert des Gleichgewichtspotentials in den meisten Zellen um die -60 mV, bei Nervenzellen bei -70 bis -80 mV und im Skelettmuskel fast bei -90 mV. Auch
hier hängt die Diffusionsrichtung vom aktuellen Betrag des
Membranpotentials ab. Über inhibitorische Neurotransmitter und den Chlorideffekt s. dort.
Natrium: Das Konzentrationsverhältnis außen zu innen beträgt typischerweise etwa 10:1 (z.B. 145 vs. 15 mM, je nach Zellart deutlich unterschiedlich - in Skelettmuskelzellen 12:1), und der Wert des Gleichgewichtspotentials liegt bei +60 bis +70 mV.
Beide Gradienten begünstigen den Natriumeinstrom, der elektrochemische
Gradient liegt bei etwa 120 mV. Natrium strömt also sowohl elektrisch
als
auch chemisch angetrieben in die Zelle - soferne es das kann.

Abbildung: Natriumkanal
Nach einer Vorlage bei opentextbc.ca
Spannungsgesteuerte Natriumkanäle können in drei Zuständen vorliegen:
In Ruhe sind sie geschlossen, sie lassen Natrium nicht in die Zelle diffundieren (links): "Geschlossen / aktivierbar"
Bei Erregung der Zelle öffnen sie, Natrium dringt in die Zelle ein und erzeugt den "Aufstrich" des Aktionspotentials (Mitte).
Danach sind die Kanäle inaktiviert, d.h. trotz "offener" Formation
durch einen "Stöpsel" für weiteren Natriumeinstrom vorübergehend blockiert (rechts). Das ermöglicht die Wiederaufladung (Repolarisierung) der Zellmembran durch "ungestörten" Kaliumausstrom.
Der Zustand "nicht aktivierbar" dauert etwa 2 Millisekunden, dann stellt sich wieder der Zustand "geschlossen / aktivierbar" ein

In ruhenden Zellen sind Natriumkanäle allerdings weitgehend
verschlossen, daher bleibt - bis auf geringe "Leckströme" - der
"Natrium-Überfall" auf die Zelle aus. In erregbaren Zellen (Nerven-,
Muskel-, manche Sinnes- und Epithelzellen) führt ausreichende
Depolarisation zu plötzlichem starkem Natriumeinstrom ("Aufstrich" des Aktionspotentials); dieser Mechanismus dient der "binären" (ja / nein) Informationsübertragung.
Calcium: Das Konzentrationsverhältnis außen zu innen beträgt ungefähr 104:1 (2 vs. 0,0002 mM, stark abhängig vom Zustand der Zelle). Für Ca++ liegt der Wert des Gleichgewichtspotentials bei +100 bis +125 mV - der extrazelluläre [Ca++]-Wert (~1 mM) liegt um Zehnerpotenzen (!) über dem intrazellulären, Ca++ diffundiert auch gegen ein Potentialgefälle von bis zu 120 mV in die Zelle.
Regelbreite der Gleichgewichtspotentiale:
Die Nernst-Potentiale liegen in einem Bereich zwischen etwa -0,1
(Kalium, Chlorid) bis +0,1 Volt (Calcium etwas mehr, Natrium etwas
weniger). Die Konzentrationswerte der einzelnen Ionen werden sowohl
intrazellulär (hier gibt es typische Gewebeunterschiede) als auch
extrazellulär in relativ engen Rahmen reguliert, sodass die Spanne der
physiologisch zu erwartenden Umkehrpotentiale ziemlich schmal ist:
Gleichgewichtspotentiale

(bei physiologischen Konzentrationswerten, unterschiedlich nach Gewebe)
|
Natrium
|
+60 bis +70 mV
|
Chlorid
|
-50 bis -90 mV
|
Kalium
|
-88 bis -95 mV
|
Calcium
|
+100 bis +125 mV
|
Bicarbonat
|
-12 bis -19 mV
|
Beispiel: Beträgt das Membranpotential -70 mV, erfolgt ein
Kaliumausstrom mit einer elektrochemischen Kraft entsprechend 20
(90 minus 70) mV
Zu Ionenkanälen s. auch dort
Das Ruhepotential (resting potential - bei Nervenzellen zwischen -40 bis -80 mV, Muskelzellen bis -90 mV) ist
im Wesentlichen durch Kaliumausstrom bedingt, d.h. es liegt nahe am K+-Gleichgewichtspotential. Abweichungen beruhen auf der Diffusion anderer Ionen durch die Membran, die aber üblicherweise geringgradig ist.
So ist eine Ruheleitfähigkeit für Natrium durch spezielle Na+-Kanäle bedingt, die (im Gegensatz zu spannungsabhängigen Na+-Kanälen, die Aktionspotentiale
ermöglichen) auch im ungereizten Zustand einen - wenn auch
geringgradigen - Natriumeinstrom (inward backgroud current) zulassen und dadurch das
Membranpotential nicht den vollen Betrag des K+-Gleichgewichtspotentials erreichen lassen.
Die Anwesenheit solcher Na+-Kanäle erklärt auch das Phänomen des positiven Nachpotentials: In diesen Fällen lädt sich die Membran nach Ablauf eines Aktionspotentials etwa auf den Betrag des K+-Gleichgewichtspotentials auf, depolarisiert dann aber zum Betrag des eigentlichen Ruhepotentials, bei dem neben den für das Ruhepotential hauptverantwortlichen K+-Kanälen (K+-Ausstrom) Na+-Kanäle einen leichten gleichzeitigen Na+-Einstrom bewirken.
Kaliumionen sind in der Zelle ~30-mal stärker konzentriert als extrazellulär, K+
diffundiert daher (soferne es das Membranpotential zulässt, d.h.
geringer ist als das Gleichgewichtspotential) aus der Zelle und ladet
die Membran
auf. Erreicht eine Zellmembran das Gleichgewichtspotential für Kalium,
dann strömt kein weiteres Kalium aus. Solange also das Gleichgewichtspotential nicht erreicht ist, diffundieren Kaliumionen bei Öffnung von Kaliumkanälen
vermehrt durch die Membran - üblicherweise nach außen, damit steigt der Betrag des Membranpotentials (Hyperpolarisation).
Bei einer Aufladung der Zellmembran über den Betrag des Kalium-Gleichgewichtspotentials hinaus würde Kalium in die Zelle statt aus ihr hinaus
diffundieren (daher auch der Begriff "Umkehrpotential"). Zellen können sich in physiologischer Umgebung nicht stärker als bis zum Betrag des
Kalium-Gleichgewichtspotentials aufladen.
Na/K-ATPase
Ursache für die unterschiedliche Konzentration von Natrium- und Kalium-Ionen (extra- vs. intrazellulär) ist in erster Linie die Na+-K+-ATPase.
Die Na/K-Pumpe ist der einzige aktive
Transporteur für Natrium (aus der Zelle) und der wichtigste für Kalium
(in die Zelle). In Epithelzellen kommt sie so gut wie ausschließlich in
der basolateralen (nicht in der apikalen) Membran vor (z.B. Tubulusepithelzellen in der Niere, Darmschleimhautzellen, Drüsenepithelzellen).
Die Na/K-Pumpe ist aus zwei Teilen aufgebaut (
Abbildung): Die α-Untereinheit (4 Isoformen bekannt) besteht aus 10 transmembranalen Sequenzen und transportiert Natriumionen; die ß-Untereinheit
(1 transmembranale Sequenz, 2 Isoformen) ist für Aufbau und
Positionierung in der Membran essentiell - sie interagiert mit externen
Reizen und reguliert die Faltung der α-Untereinheit in der Membran. Die
verschiedenen Isoformen
werden gewebespezifisch exprimiert und weisen unterschiedliche Kinetik
auf.
Die Na/K-Pumpe kann zwei
Grundformationen annehmen:
E1, in der die Bindungsstellen zum Zellinneren hin geöffnet sind; und
E2, in der sie nach außen (zum Extrazellulärraum hin) offenstehen.

Abbildung: Aktionszyklus einer Na-K-Pumpe (Na+-K+-ATPase)
In Anlehnung an eine Vorlage in Boron W, Boulpaep E: Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016
Mitte: Der
Kanal oszilliert zwischen zwei Zuständen, wobei das System beim Wechsel
von "innen-offen" (E1) nach "außen-offen" (E2) energetisch durch ATP-Spaltung
aufgeladen wird.
Die Stadien 1 bis 8, welche die α-Untereinheit während eines Funktionszyklus durchläuft, sind im nachfolgenden Text beschrieben.
Das Ergebnis ist der Transport von Natrium nach außen und Kalium in die Zelle - jeweils gegen deren Konzentrationsgefälle ([Na+] ist extrazellulär, [K+]
intrazellulär hoch). Dabei wandern mehr Kationen nach außen als nach
innen (3:2), das trägt zur Aufladung der Membran (außen positiv) bei.
Hauptgrund für das Ruhepotential ist aber die Auswärtsdiffusion von K+ durch Kaliumkanäle

Die enzymatische α-Untereinheit durchläuft bei einem Aktionszyklus der Na/K-Pumpe acht Stadien (
Abbildung):
1. "E1-ATP"-Zustand: Nach dem Abdissoziieren von zwei K+-Ionen aus dem vorhergehenden Zyklus (8): E1-Formation (nach innen offen), ATP gebunden, Bindungsstellen für Na+ frei.
2. "E1-ATP-3Na+"-Zustand: 3 Na+-Ionen aus der Zelle werden gebunden.
3. Okkludierter "E1-P-3Na+"-Zustand:
ATP wird hydrolysiert, ADP dissoziiert in die Zelle ab, ein Phosphatrest bindet an
die α-Untereinheit der Pumpe. Das bewirkt eine Konformationsänderung,
die E1-Form ist nun gegen den Intrazellulärraum verschlossen. Die Na+-Bindungsstellen sind weder vom Intra- noch vom Extrazellulärraum her zugänglich.
4. Geöffneter "E2-P-3Na+"-Zustand:
Diese Konformationsänderung bringt einerseits eine Öffnung gegen den
Extrazellulärraum, andererseits sinkt die Affinität der Bindungsstellen
für Na+. Natriumionen diossoziieren in die extrazellulärre Flüssigkeit.
5. Leerer "E2-P"-Zustand:
Eine weitere Konformationsänderung steigert die Affinität der
Bindungsstellen für Kalium, während der Kanal gegen den
Extrazellulkärraum hin geöffnet bleibt.
6. Kaliumgebundener "E2-P"-Zustand: Zwei K+-Ionen werden aus dem Extrazellulärraum aufgenommen und binden im Kanal.

Herzglykoside (
Ouabain,
Digoxin) haben hohe Affinität zum E
2-P-Zustand der Na/K-Pumpe und können sie blockieren.
7. Okkludierter "E2-2K+"-Zustand:
Der an die α-Untereinheit gebundene Phosphatrest wird hydrolysiert und diffundiert in die
Zelle. Die Konformation der Pumpe ändert sich so, dass der Kanal -
mit den gebundenen Kaliumionen - nach beiden Seiten hin geschlossen ist.
8. Geöffneter "E1-ATP-2K+"-Zustand: Intrazelluläres ATP bindet an die α-Untereinheit, was das "Zurückschnappen" in die E1-Formation bewirkt. Der Kanal öffnet sich zum Zellinneren hin, die Affinität der K+-Bindungsstellen sinkt, und Kaliumionen diffundieren in die Zelle.
Das Ergebnis eines solchen Zyklus ist die Bewegung von 3 Na+ nach außen und 2 K+
nach innen.
Der Transport ist nicht
elektroneutral, sondern elektrogen; netto wird pro Funktionszyklus ein Kation (+) nach außen befördert, was das
Ruhepotential unterstützt. Der aktive Elektrolyttransport ist die Hauptursache für die
ungleiche Ionenverteilung an Zellmembranen (außen ~145 mM Natrium und 4-5 mM Kalium, innen ~15 mM Natrium und ~120 mM Kalium), die als Motor für zahlreiche
sekundäre Transportprozesse durch die Zellmembran dient.
Das Exportieren von jeweils 3 Na+ sowie das Importieren von jeweils 2 K+
erfolgt unter physiologischen Konzentrationsbedingungen jeweils
"bergauf", der Vorgang ist
durch Veränderung der Konzentrationsgradienten (experimentell)
reversibel (dann dreht sich der Vorgang um, der inverse Ionenstrom treibt die ATP-Synthese an, das Enzym wird zum ATP-Produzenten).
Reiz und Reizerfolg
Ein Reiz
ist ein Einfluss, welcher den Zustand und das elektrische Potential von Zellmembranen verändert.
Abbildung: EPSP und IPSP
Modifiziert nach einer Vorlage in: Lodish / Berk /
Zipursky / Matsudaira / Baltimore / Darnell, Molecular Cell Biology,
4th ed. New York: W. H. Freeman 2000
Reizung einer exzitatorischen Synapse bewirkt die
Ausschüttung eines Transmitters, der das postsynaptische
Membranpotential vorübergehend reduziert (exzitatorisches postsynaptisches
Potential EPSP) und so die Erregbarkeit der Zelle steigert (oben). Der Zeitverlauf liegt im Millisekundenbereich.
Die Aktivierung einer inhibitorischen Synapse bewirkt die Ausschüttung eines Transmitters, der das
postsynaptische Membranpotential vorübergehend erhöht
(inhibitorisches postsynaptisches Potential IPSP) und so die Erregbarkeit
der Zelle reduziert (unten). Der Zeitverlauf kann länger dauern als bei EPSPs
Ein Reiz kann das Membranpotential

erhöhen (
Hyperpolarisierung - der Reiz ist "gegenschwellig", die Erregbarkeit der Zelle nimmt ab. Beispiel: Inhibitorisches postsynaptisches Potential -
IPSP
- an Nervenzellen als Folge der Ausschüttung eines hyperpolarisierend
wirkenden Transmitterstoffs an einer hemmenden Synapse) - oder

verringern
(
Depolarisierung
der Membran) - in diesem Fall resultieren zwei mögliche Konsequenzen:

Entweder, der Reiz führt zu einer
lokalen
Membranantwort (local response), er bleibt "unterschwellig" und bleibt für sich alleine folgenlos (
EPSP's an Nervenzellen, Miniatur-
Endplattenpotentiale an Muskelzellen - mehrere solcher Effekte können durch
Summation aber überschwellig werden, s. weiter unten) ...

oder es wird ein
Aktionspotential
ausgelöst - dann war der Reiz "überschwellig" (
Alles-oder-Nichts-Regel (All-or-none law):
Entweder der Reiz führt zu einem Aktionspotential und führt zu
entsprechenden Synapsenaktivierungen am Neuritenende, oder er ist dazu
zu schwach und bleibt "unterschwellig").
Dabei ist die Erregbarkeit der Zelle vom Elektrolytmuster
innerhalb und außerhalb der Zellmembran abhängig: Nimmt beispielsweise
die Kaliumkonzentration in der Zelle ab, dann sinkt damit die treibende
Kraft für das Ruhepotential (das ja ein Kaliumpotential ist), und die
Zelle depolarisiert. Je nach Zeitverlauf (Adaptation) und Lage zum
Schwellenpotential kann das die Bereitschaft der Zelle, auf einen Reiz
hin ein Aktionspotential zu zünden, unterschiedlich beeinflussen.
Das Schwellenpotential (threshold potential)
ist das Membranpotential, von dem aus ein Aktionspotential "abheben"
kann. Sein Betrag liegt meist um 10-15 mV unter dem des
Ruhepotentials, d.h. es wird durch Depolarisierung der Membran erreicht.
Der Betrag des Schwellenpotentials ändert sich mit dem des
aktuellen Membranpotentials. Langsame Depolarisierung der Membran kann
zu Akkommodation führen: Das
Schwellenpotential gleitet sozusagen davon, ein Aktionspotential
unterbleibt dann, obwohl das Membranpotential unter den Betrag des
ursprünglichen Schwellenpotentials abgesunken ist. Die
Depolarisierung muss rasch genug erfolgen ("Steilheitsbedarf").
Senkt
man die Kaliumkonzentration im Extrazellulärraum (plötzliche
Hypokaliämie), steigen Kaliumgradient und Membranpotential, die Zelle
hyperpolarisiert und wird schwerer erregbar.

Abbildung: Mögliche Entstehung eines Aktionspotentials an einer Nervenzelle
Modifiziert nach einer Vorlage bei antranik.org
Gezeigt
sind drei exzitatorische (+) und eine inhibitorische (-) Afferenz(en) bzw.
Synapse(n), welche auf die Nervenzelle einwirken. Es entstehen - de- oder hyperpolarisierende - lokale Antworten (in den Boxen angedeutet).
Die Summation der
depolarisierenden (exzitatorischen) bzw. hyperpolarisierenden (inhibitorischen) Einflüsse werden am Körper der
Zelle integriert, das somatische Membranpotential entsprechend
verändert.
Nimmt dieses Potential ausreichend (über den Betrag des
Schwellenpotentials) ab, so kann am Axonhügel (der wegen seiner hohen Dichte an Natriumkanälen am erregbarsten ist)
ein Aktionspotential ausgelöst werden. Dieses läuft bis zu den
Neuronenverzweigungen weiter und beeinflusst seinerseits nachfolgende
Strukturen (Nervenzellen, Muskelzellen, Drüsenzellen) - depolarisierend
oder hyperpolarisierend, je nach Transmitter / Rezeptoren

Erreicht ein Aktionspotential den präsynaptischen Teil einer Synapse, aktiviert es hier keine Natrium- oder Kalium-, sondern spannungsgesteuerte Calciumkanäle, Ca++-Ionen
treten in die Zelle ein und aktivieren Enzyme, welche
transmittergefüllte Vesikel mit der präsynaptischen Membran
verschmelzen lassen (SNAREs). Das dauert
einige Zeit, dieser Vorgang ist der zeitlimitierende Schritt der
Synapsenaktivierung. Je höher die Aktionspotentialfrequenz an der
Synapse, desto intensiver ist der synaptische Effekt.
Rechenmaschine Nervensystem: Veränderungen
des Membranpotentials sind durch Reize bedingt und beeinflussen die Zelltätigkeit,
übertragen Information (lokale Potentiale,
Aktionspotentiale) und verändern den Durchtritt von Stoffen durch die
Membran (z.B. Absorptions-, Sekretionsprozesse). Sinkt das
Membranpotential an einer erregbaren Zelle über den Betrag des
betreffenden Schwellenpotentials (threshold potential), löst dies ein Aktionspotential aus.
Um ein Aktionspotential auszulösen, muss das Membranpotential auf den Betrag des Schwellenpotentials reduziert werden. Dieser Betrag ist nicht fix,
sondern hängt von Begleitumständen ab. Allmähliche Veränderung des
Membranpotentials kann das Schwellenpotential verändern (Akkommodation der Zelle).
Ein unterschwelliger
Reiz führt hingegen nur zu einer örtlich
begrenzten Ladungsänderung an der Membran, er ist zu schwach, um ein
Aktionspotential auszulösen. Unterschwellige Membranantworten können
aber an der Zelle zusammenwirken und ihre Empfindlichkeit beeinflussen
(Sinneszellen, Nervenzellen). Unterschwellige Reize können
durch
rasche Wiederholung der (einzeln unterschwelligen) Reize wirksam werden (zeitliche Summation) - z.B. repetitive Entladung einer erregenden Synapse,
oder
es wirken gleichzeitig mehrere unterschwellige Reize auf die stimulierte Zelle(n) ein (örtliche Summation) - z.B. mehrere depolarisierende Synapsen sind an einer Nervenzelle aktiv.

Abbildung: Verlauf eines Aktionspotentials (oben); synchroner Ionenstrom durch die Membran (unten)
Nach einer Vorlage bei New Human Physiology
Die
Membran ist im späten "Aufstrich" weitgehend selektiv für Natriumionen
durchgängig; dazu kommen "frühe" und "späte" Natriumkanäle zu Beginn
und gegen Ende des Aktionspotentials. Zu letzterem Zeitpunkt wird die
Membran weitgehend kaliumpermeabel, dies bewirkt eine eventuelle
transiente Hyperpolarisierung, wie in der Abbildung gezeigt.
Weder das Natrium-Gleichgewichtspotential (automatische Schließung der
Natriumkanäle) noch das Kalium-Gleichgewichtspotential ("Leckströme"
durch Nicht-Kalium-Kanäle) werden erreicht

Depolarisation kann mehrere Ursachen haben:
Depolarisation von Nachbarzellen, die über gap junctions übertragen werden - auf diese Weise pflanzt sich die Erregung über das Muskelgewebe fort, dies gilt für glatten Muskel vom Single-unit-Typ und Herzmuskel
Depolarisation benachbarter Membranabschnitte (EPSP, Generatorpotential, Aktionspotential). Exzitatorische postsynaptische Potentiale (EPSPs)
treten an Nervenzellen auf, die von einem Transmitterstoff zur
Depolarisierung gebracht werden, und können unterschwellig (bahnend)
oder überschwellig (eine Erregung auslösend) wirken
Schrittmacherströme, z.B. über HCN-Kanäle:
Diese haben eine Schlüsselrolle bei der Beeinflussung der Erregbarkeit
(Herzfrequenz, Neuronenaktivität).
Durch einen Reiz werden unterschiedliche Permeasen
beeinflusst, zum Beispiel:

Erhöhte Leitfähigkeit von
spannungsabhängigen
Natriumkanälen führt zu Einstrom von Na
+ und Depolarisation (eine geringfügig depolarisierte Zelle ist
leichter erregbar)

Erhöhte Leitfähigkeit von
spannungsabhängigen Kaliumkanälen verstärkt den Ausstrom von K
+ und hyperpolarisiert die Zelle, ladet sie also stärker auf (die Zelle ist typischerweise schwerer erregbar, da sie durch den K
+-Effekt stabil aufgeladen ist).
Abbildung: Aktionspotentialformen
Modifiziert nach einer Vorlage bei Berne / Levy / Koeppen et al, Physiology, 5th ed. Mosby St. Louis 2004
Wird das Schwellenpotential (orange) überschritten, kommt es zur Auslösung einer rapiden Depolarisation
(Einstrom von Natrium- und/oder Calc
iumionen), die meist in einer
Umpolung des Membranpotentials mündet (Na+-
Gleichgewichtspotential ca. +60 mV).
Die Öffnung der Kationenkanäle ist
selbstlimitiert, das Membranpotential erreicht einen Gipfelwert von ca. +40 mV; der Na+-Influx stoppt.
Verstärkter
Kalium-Ausstrom stellt anschließend das Ruhepotential wieder her (Repolarisation).
Die Repolarisation kann vorübergehend den Betrag des Ruhepotentials überschreiten (overshoot).
Spezielle Na+-Kanäle lassen nach Annäherung an das K+-Gleichgewichtspotential Na+ in die Zelle strömen ("Leckströme"); das Ruhepotential ist geringer als das K+-Potential

Erregbarkeit und Form der Aktionspotentiale hängen von der Ausstattung der Zellmembran mit Ionenkanälen ab. Aktionspotentiale an Motoneuronen und Skelettmuskelfasern dauern nur einige Millisekunden, an Herzmuskelzellen bis zu 0,3 Sekunden.
Öffnen
Ionenkanäle, dann strömen die entsprechenden Ionen entsprechend der
elektrischen Ladung und dem Konzentrationsgefälle durch die Membran
(herrscht ein Gleichgewichtspotential für ein bestimmtes Ion, dann strömt dieses überhaupt nicht durch die Membran).
Aktionspotentiale zeigen insbesondere Nerven-, Muskel- und Drüsenzellen.
Wie sich das Membranpotential verändert, hängt vom Netto-Stromfluss
durch die Membran ab: Überwiegt der Einstrom positiver Ladung
(Kationen), wird die
Zelle entladen (depolarisiert); überwiegt der Ausstrom, wird sie
aufgeladen. (Auch der Durchtritt von Anionen hat entsprechende Wirkung,
z.B. depolarisieren ausströmende Chloridionen die Zelle.)
Bei stabilem
Ruhepotential - oder für einen Augenblick an der "Spitze" eines
Aktionspotentials (Umkehrpunkt des Membranpotentials) - ist der
Netto-Ionenstrom null.
Depolarisation kann zu Aktionspotentialen führen: Kommt es bei einer erregbaren Zelle zu Depolarisation über einen bestimmten Wert (Schwellenpotential, threshold potential),
dann nimmt der Einstrom positiver Ladung (meist Natrium) durch
spannungsgesteuerte Permeasen immer mehr zu (Selbstverstärkung),
die Zelle wird elektrisch "entladen" - (2) in der
Abbildung. Während z.B. in der Zellmembran von Neuronen der Quotient Natriumpermeabilität / Kaliumpermeabilität (PNa:PK) im Ruhezustand 0,04 beträgt, steigt dieser Wert auf ~30 an - es kommt zu einem plötzlichen Einstrom von Natriumionen in die Zelle ("Aufstrich", upstroke):
Abbildung: Ionenkanäle und Aktionspotential
Nach einer Vorlage bei dundeemedstudentnotes.wordpress.com
Natrium- und Kaliumkanäle verfügen über äußere Aktivierungstore (activation gates), die bei geeigneter Reizung öffnen und den Ionenstrom zulassen. Natriumkanäle haben auch innere Inaktivierungstore (inactivation gates), deren mobiler "Stöpsel" den Ionenkanal verschließen kann wie ein an der Kette befestigter Ball ("ball and chain inactivation").
1: Ruhezustand - die Membran ist durch Kaliumaustritt aufgeladen, die Aktivierungstore der Ionenkanäle sind geschlossen
2: Ein Reiz erhöht die Öffnungswahrscheinlichkeit der Natriumtore, Einstrom von Na+ depolarisiert die Membran
3: Bei Überschreitung des Schwellenpotentials öffnen alle Natriumkanäle, die Membran bewegt sich in Richtung Na+-Gleichgewichtspotential (das nicht erreicht wird, wohl aber wird die Nulllinie überschritten - "overshoot")
4: Die inneren Tore der Natriumkanäle schließen, während die Kaliumtore öffnen, K+ ausströmt und die Zelle repolarisiert wird
5:
Spannunsabhängige Natriumkanäle sind vollständig verschlossen, Kaliumkanäle
offen, was durch exklusiven Kaliumaustritt eine vorübergehende
Aufladung über den Betrag des Ruhepotentials hinaus verursacht ("undershoot")
Während der Zeit relativer Refrakterität ist das
Schwellenpotential höher (weniger negativ) als im ungereizten Zustand,
sodass nur verstärkte Reize zur Auslösung eines Aktionspotentials
führen. Dazu kommt, dass während dieser Zeit das Membranpotential oft
stärker von der Nulllinie entfernt ist als im Ruhezustand
(hyperpolarisierendes Nachpotential).
Beides erhöht die Entfernung zwischen Membranpotential und
Schwellenpotential; die Zelle ist während dieser Phase insgesamt
schwerer erregbar (relativ refraktär).
Das Schwellenpotential liegt bei -50 bis -60 mV
In der relativen Refraktärzeit ist das Schwellenpotential weniger negativ
Bei allen Nervenfasern beginnt das Aktionspotential mit Natriumeinstrom durch spannungsabhängige Na+-Kanäle
|
Die Veränderung des Membranpotentials führt im Allgemeinen zu einer
kurzzeitigen Umladung der Membran (innen positiv, außen negativ,
Zustand 3). Obwohl dieser Vorgang durch vorübergehende Dominanz des
Natriumstroms bedingt ist, wird das Natrium-Gleichgewichtspotential
nicht erreicht - vorher greift die Selbstlimitierung des
Natrium-Influx, die Natriumkanäle schließen automatisch, die Zelle
repolarisiert (Zustand 4).
In dieser Phase nimmt die Kalium -Leitfähigkeit zu, was nicht nur zur
Wiederherstellung des Ruhepotentials führt, sondern oft auch zu einer
vorübergehenden Hyperpolarisierung der Zelle (Zustand 5).
Wie das Aktionspotential im Einzelfall genau aussieht (Steilheit und Höhe des "Aufstrichs", Dauer von
Aktionspotential und Refrakterität - eventuelle Plateaubildung -,
Hyperpolarisierung bei Aktionspotentialende), hängt vom Besatz der
Zellmembran mit unterschiedlichen Ionenkanälen und deren Interaktion
ab. Die Expression der Permeasen (Art, Anzahl) ist spezifisch für die
jeweilige Zellart (Nervenzelle, Muskelzelle, Drüsenzelle).
Abbildung: Details zum Mechanismus der "Tore" in einem Natriumkanal
Nach einer Vorlage bei wiki.bio.purdue.edu
Das Aktivierungstor
öffnet, wenn das Schwellenpotential überschritten wird - der explosive
Natriumeinstrom beginnt, angetrieben sowohl durch einen elektrischen
als auch chemischen Gradienten (2), die Innenseite der Membran wird positiv geladen (3).
Daraufhin schließt das Inaktivierungstor, der Natriumeinstrom stoppt (4).
Das erlaubt die Repolarisierung durch vermehrten Kaliumausstrom und
garantiert, dass der Vorgang in die korrekte Richtung abläuft.
Schließlich löst sich das Inaktivierungstor vom Kanal und das
Aktivierungstor schließt wieder (5)
Die Entladung einer Nervenzelle hält nur für kurze Zeit an, da die Natriumkanäle über jeweils zwei "Tore"
verfügen (gating), die den Ionendurchtritt mit unterschiedlicher Charakteristik
steuern (
Abbildung).

Im Ruhezustand ist nur das (langsam reagierende) innere
"Inaktivierungstor" geöffnet;

bei rascher Depolarisierung geht auch das
äußere (rasch reagierende) "
Aktivierungstor" auf, Natrium kann in die
Zelle strömen (Depolarisierung);

dann schließt automatisch das innere
Tor, der Natriumeinstrom versiegt (die Zelle ist
refraktär).
Gleichzeitig stellt der (verstärkte, weil membranpotential-abhängige)
Kalium-Ausstrom das Ruhepotential wieder her (Abbildung oben: Ionen-Leitfähigkeit);
vorübergehend kann die Membran sogar hyperpolarisiert sein.
Schließlich kehrt der Ruhezustand zurück und das Ruhepotential stellt
sich wieder ein (und die Natriumkanäle sind
wieder aktivierbar).
Diese Offen-zu-Beschreibung ist eine
Vereinfachung; genau genommen haben die "Tore" eine bestimmte Öffnungswahrscheinlichkeit, die von Membranpotential und Zeitverlauf abhängt.
An einer Nervenzelle wird das
Aktionspotential entweder vollständig oder gar nicht
ausgelöst (Alles-oder-Nichts-Prinzip; "binäre" Informationsverschlüsselung).
Ein Reiz, der ein Aktionspotential auslöst, ist überschwellig.
Eine Zelle ist während des Ablaufs eines Aktionspotentials erregt. |
Postinhibitorische Erregung
Eine
Reihe von Neuronen im ZNS kann auf die Beendigung eines
Hyperpolarisierunszustandes (d.h. das Verschwinden eines Einflusses,
der das Ruhepotential verstärkt - wie IPSPs hemmender Synapsen) mit
einem oder mehreren Aktionspotentialen reagieren (
Abbildung):

Abbildung: Postinhibitorische Erregung einer Nervenzelle
Nach einer Vorlage in Butler / Brown / Stephenson / Speakman, Animal Physiology - An Environmental Perspective, Oxford University Press 2021
Oben:
Schematische Darstellung der Vorgänge, die zur Auslösung eines
Aktionspotentials nach Verschwinden eines hyperpolarisierenden
Einflusses auf das Ruhepotential der Membran eines Neurons führen.
Unten: Registrierung des Zeitverlaufs des Membranpotentials
Postinhibitorische Erregung (post-inhibitory rebound excitation)
tritt in Nervenzellen auf, deren spannungssensitive Natriumkanäle im
hyperpolarisierten Zustand wesentlich häufiger geöffnet sind als im
"Ruhezustand" (d.h. beim Ruhepotehtial, das sich ohne
Hyperpolarisierung einstellt). Eine solche Aufladung der Membran kann
z.B. durch die Aktivität von Synapsen erfolgen, welche das Potential
der Membran erhöhen (inhibitorische Synapsen, die IPSPs
- also Beiträge zur Hyperpolarisierung - verursachen). Dadurch ist die
Membran stärker erregbar, wenn sie zum "Normalzustand" zurückkehrt -
das Schwellenpotential kann überschritten und eine Erregung ausgelöst
werden, ein singuläres oder repetitive Aktionspotential(e) tritt
(treten) auf.
Postinhibitorische Erregung ist von besonderer Bedeutung zur Erzeugung rhythmischer Entladungen in neuronalen Netzen, die auch ohne sensorische Anregung auftreten können (central pattern generators).
Sie sind zur Anregung motorischer Muster (rhythmische Bewegungen), die
kaum einer bewussten Kontrolle bedürfen, besonders geeignet, z.B.
zum Atmen, Kauen, Gehen / Laufen
u.a. Regionen, die solche Spontanaktivität aufweisen, behalten diese
auch dann bei, wenn sie aus dem ZNS isoliert werden - sie setzen ihre
Spontanaktivität (auch ohne sensorische Anregung) weiter fort, ähnlich
wie ein isoliertes Herzpräparat, das auch nach seiner Entfernung aus
dem Brustkorb weiter schlägt. Je nach Art der Verknüpfung der Neurone
eines pattern generator können
diese wechselseitig (verzögert) anregend oder antagonistisch
wirken.Wirkt ein Neuron in einer solchen Zellgruppe als Schrittmacher, bestimmt es die Rhythmik (Entladungsfrequenz) der Aktivität des Mustergenerators.
Als Schrittmacherpotential bezeichnet
man ein Membranpotential, das sich spontan reduziert, bis es die
Reizschwelle der Zellmembran überschreitet und so ein Aktionspotential
auslöst. Zellen mit Schrittmachereigenschaft sind "spontan aktiv" und
qualifizieren die Zelle als Schrittmacherzelle (pacemaker). Die
Geschwindigkeit, mit der die Zelle ihr Membranpotential verringert
("Steilheit" der Depolarisation), bestimmt die Entladungsfrequenz (und
damit z.B. beim Herzmuskel die Schlagfrequenz).
Spontane Entladungsmuster können außer durch Natriumkanäle auch von anderen
Kationenkanälen getragen sein, z.B. spannungsgesteuerten Calciumkanälen.
Spannungsgesteuerte Calciumkanäle
Es gibt unterschiedliche Permeasen für Calciumionen (Ca++-Kanäle),
die je nach Zelltyp verschieden stark exprimiert werden. Ihre
Klassifikation richtet sich nach physiologischen Eigenschaften; es gibt ligandengesteuerte (ligand gated) und spannungsgesteuerte Calciumkanäle (voltage-gated Ca++ channels VDCC) - Veränderungen
des Membranpotentials beeinflussen ihren Zustand: Depolarisation
aktiviert (üblicherweise geschlossene) spannungsabhängige Calciumkanäle (
Abbildung).
Abbildung: Spannungsgesteuerter Calc
iumkanal
Nach einer Vorlage bei med.nus.edu.sg
Spannunsabhängige Calciumkanäle
spielen bei zahlreichen physiologischen Vorgängen eine essentielle
Rolle (s. Text). Sie bestehen aus mehreren Komponenten:

Die α
1-Untereinheit bildet den Ca
++-selektiven
Ionenkanal mit seiner spannungsgesteuerten Maschinerie und
Bindungsstellen für Pharmaka. Beim Menschen gibt es 10 verschiedene α
1-Untereinheiten.

Ein gemeinsames Gen codiert für die α
2 -und δ-Untereinheiten. α
2 interagiert mit α
1 , δ dient zur Verankerung in der Zellmembran. β stabilisiert wahrscheinlich die α
1-Untereinheit; γ-Untereinheiten sind u.a. mit AMPA-Rezeptoren assoziiert

Wenn sie die Möglichkeit haben, strömen Calciumionen intensiv in die Zelle ein, denn
die Permeabilität der VDCC ist für Ca++ ~103-mal höher als für Na+
die Ca++-Konzentration extrazellulär ~103-mal höher als intrazellulär.
Man unterscheidet folgende Typen an spannungsgesteuerten Calciumkanälen:
N-Typ (neural: im Nervensystem). Diese Calciumkanäle
finden sich vor allem an Dendriten und Neuritenendigungen (wo sie an
der Freisetzung von Neurotransmittern beteiligt sind - sowohl im ZNS
als auch in peripheren Nervenfasern) sowie in neuroendokrinen Zellen.
P-Typ (Purkinje: Kleinhirnrinde) Calciumkanäle
werden von verschiedenen Nervenzelltypen exprimiert, auch außerhalb des
Kleinhirns (olfaktorische Hirnregionen, Hirnstamm) und spielen eine
wichtige Rolle für die synaptische Freisetzung von Neurohormonen und
Neurotransmittern.
L-Typ (long lasting activation:
Muskelzellen, Nervenzellen, Osteoblasten). Sie vermitteln
elektromechanische Kopplung in Herz-, Skelett- und glatten Muskeln, die
Freisetzung von Hormonen (Aldosteron aus der Nebennierenrinde, Neurohormonen) und
Neurotransmittern, und haben zahlreiche weitere Funktionen.
L-Typ-Calciumkanalblocker wirken u.a. antiarrhythmisch und
blutdrucksenkend.
R-Typ (residual) Calciumkanäle haben langsame Kinetik und weisen eine hohe Reizschwelle auf. Sie finden sich in Groß- und Kleinhirnrinde und in Neuronen des Zwischenhirns.
T-Typ (transient opening: Nerven-, Schrittmacherzellen). T-Typ-Calciumkanäle werden durch Hyperpolarisierung ihrer Zelle inaktiviert, sind aber dann für Depolarisierung zugänglich und lassen Ca++
in die Zelle einströmen - oft repetiviv. Man findet sie in Herz- (z.B.
Sinusknoten) und glatten Muskelzellen sowie in vielen Neuronen (z.B.
thalamokortikalen Zellen), weiters in endokrinen und Knochenzellen. T-Typ-Calciumkanäle stehen unter dem Einfluss von Neurotransmittern und können rasch spannungsabhängig inaktiviert werden.
Zur Aktivierung spannungsgesteuerter Calciumkanäle ist unterschiedlich starke Depolarisierung notwendig:
High voltage activated: hierzu zählen L-, N- und P-Typ-Kanäle. Sie benötigen zu ihrer Aktivierung starke Depolarisation
Intermediate-voltage-activated: R-Kanäle sind durch mäßige Depolarisation aktivierbar - z.B. in Körnerzellen des Kleinhirns
Low-voltage-activated: T-Kanäle reagieren schon auf schwache Membranpotentialschwankungen - z.B. in Osteozyten, Schrittmacherzellen (sie unterstützen die Schrittmachertätigkeit von Nerven- und Herzmuskelzellen).
Aktivierung spannungsabhängiger Calciumkanäle löst - je nach Zellart - verschiedene Effekte aus:

Kontraktion (
elektromechanische Kopplung,
excitation-contraction coupling) als
L-Typ-Calciumkanäle an Muskelzellen.
Ryanodinrezeptoren lassen Ca
++
aus dem endoplasmatischen ("sarkoplasmatischen") Retikulum in das
Sarkoplasma entweichen, wenn sie durch
Dihydropyridinrezeptoren des
transversalen Tubulus dazu veranlasst wurden

Auslösung von Sekretionsvorgängen
(excitation-secretion coupling), z.B. in Speicheldrüsen

Anregung von Nervenzellen - im
Nervensystem: N-Typ (
neural), im
Kleinhirn:
P-Typ (
Purkinje); Neuritensprossung

Freisetzung von Signalstoffen (
Neurotransmitter,
Hormone - L-Typ)

Genaktivierung
(excitation-transcription coupling)

Regulierung anderer Ionenkanäle (Aktivierung
calciumsensitiver Kaliumkanäle)

Aktivierung calciumabhängiger Enzyme

Beeinflussung des Membranpotentials
Befruchtung (intrazellulärer [Ca
++]-Anstieg
löst sowohl die akrosomale Reaktion der Spermien als auch den Abschluss
der 2. Reifeteilung und die kortikale Reaktion der Eizelle aus)
Elektrotonische Ausbreitung von Änderungen des Membranpotentials
Ausbreitung des elektrischen Potentials über die Nervenfaser:
Da eine frisch erregte Membranstelle anders geladen ist als die noch
unerregte Nachbarmembran, fließt zwischen diesen ein Strom, der die
benachbarten Stellen depolarisiert (wenn dies über das
Schwellenpotential führt, entsteht hier ebenfalls eine Erregung).
Diesen Vorgang nennt man eine passive oder elektrotonische Potentialausbreitung.
Auf ihr beruht die Erregungsausbreitung über Nervenfasern (und auch
andere erregbare Strukturen, z.B. Muskelfasern).
Abbildung: Auslösung eines Aktionspotentials
Oben: Ein Reiz öffnet Natriumkanäle, dies führt zum Einstrom von Na-I-Ionen in die Zelle, diese depolarisieren die Membran
Unten: Der Potentialunterschied zwischen der erregten Membran und ihrer
Umgebung führt zu elektrischem Strom, der innerhalb des Axons
(Längsrichtung, Innenwiderstand) sowie durch die Zellmembran fließt
(Membranwiderstand)

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit eines elektrischen Potentials über die Zellmembran hängt von folgenden Faktoren ab:
Innerer (intrazellulärer Längs-)Widerstand RI: Je geringer dieser ist, desto leichter fließt ein Erregungsstrom. Je dicker der Axonzylinder, desto leichter der Stromfluß in Längsrichtung.
Membranwiderstand RM:
Ein Strom, der durch die Membran fließt, geht der Längsausbreitung der
Erregung verloren. Je größer der Membranwiderstand, desto weniger
Verlust, und umso besser setzt sich die Erregungswelle fort. Je besser isoliert das Axon, desto effizienter die Potentialausbreitung.
Membrankapazität
C: Diese nimmt mit der "nackten" Membranfläche zu, da proportional dazu
Ladung verloren geht und die Leitungsgeschwindigkeit etwas abnimmt.
Eine Vergrößerung des Axondurchmessers steigert zwar den kapazitiven
Verlust, dies wird aber durch den geringeren inneren Längswiderstand
mehr als kompensiert. Gemessen wird die Kapazität in Farad (1 V = 1 Cb
/ 1 F); eine typische Nervenzellmembran hat eine Kapazität von etwa 1
µF pro cm2 Membranfläche.

Über das
SI-System (Präfixe und Einheiten)
s.
dort
Je besser isoliert und je dicker eine
Nervenfaser ist, desto rascher und effizienter (weiter) breitet sich
über sie ein (erregendes) Potential aus. (Für die saltatorische
Erregungsleitung gilt dabei, dass die jeweils nächste Stelle "nackter"
Membran im folgenden Schnürring auf ihre Depolarisierung wartet,
s. dort.)
Der Betrag der Depolarisierung nimmt mit der Entfernung von der erregten Stelle ab. Für die Reichweite der Potentialausbreitung gilt ein exponentieller Zusammenhang zwischen der Spannungsänderung an zwei definierten Membranstellen, ihrer Entfernung und einer Längskonstante.
Letztere ist definiert als die Entfernung, in der noch ein Betrag in
der Höhe von 1/e (37%) der ursprünglichen Potentialdifferenz besteht.
Diese Distanz ist der Reichweite eines (unverstärkten) elektrischen Signals proportional.
Die Längskonstante (λ) kann unterschiedlich definiert werden, sie ergibt
sich jedenfalls aus den Widerständen des Axons. Bei vernachlässigbarem
extrazellulärem Widerstand kann man sie berechnen aus:
wobei r den Radius des Axons, RM den Membranwiderstand und RI den intrazellulären Längswiderstand bedeutet. Die Dimension des Widerstands kürzt sich in der Formel heraus, die Dimension für λ ist eine Länge.
Eine einfachere Definition vernachlässigt den Beitrag des Durchmessers - dieser kann bei einem Dendriten ~1 µm betragen, bei einem Axon bis zu 20 µm - und macht aus der Längskonstante eine dimensionslose Zahl: λ = √ (RM / RI).
Der Betrag der Längskonstante steigt mit dem Faserdurchmesser (gute innere Leitung) und dem Membranwiderstand (geringe "Leckströme"):
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des elektrischen Potentials steigt proportional mit dem Betrag der Längskonstante.
Ohne Berücksichtigung des Durchmessers ergeben sich Werte zwischen 0,5 mm (unmyelinisierte Axone) und 1,5 mm (gut isolierte, dicke Axone); rechnet man den Beitrag des Durchmessers dazu, schwanken die Werte für λ zwischen 0,1 und 5 mm.
[λ] des Soma:
Die Längskonstante hat nicht nur für Axone, sondern auch für das Soma
einer Nervenzelle Bedeutung: Je höher der Membranwiderstand
(hauptsächlich geschlossene Ionenkanäle), desto weiter kann ein lokales
Potential (z.B. ein EPSP) elektrotonisch in die Umgebung wirken; die Summation mehrerer EPSPs
bis über das Schwellenpotential (und damit die Auslösung von
Aktionspotentialen am Axonhügel) erfolgt leichter, die Zelle ist
erregbarer.
Bei "marklosen" Nervenfasern mit ihrem hohen inneren Widerstand (dünner
Axoplasmazylinder) und ihrer geringen Längskonstante erfolgt die
Erregungsfortleitung kontinuierlich
und langsam (das Aktionspotential muss die gesamte Axonmembran
"mitreißen", alle Membranflächen machen bei der Generierung des
Aktionspotentials mit, was zeitaufwendig ist und die Erregungsleitung
verlangsamt), im Gegensatz zur viel rascheren saltatorischen Erregungsausbreitung gut isolierter Axone.
Dendriten haben eine sehr geringe
Längskonstante und zeigen "passive" elektrotonische
Potentialausbreitung. Das erleichtert im Gehirn unterschiedliche
elektrische Verrechnungsprozesse auf engem Raum, die sich gegenseitig
kaum beeinflussen. Zur Auslösung von Aktionspotentialen am Soma einer
Nervenzelle ist die Addition mehrerer dendritisch-somatischer
Exzitationselemente notwendig (räumliche / zeitliche Summation).
Wie Impulse geleitet werden und wovon die Leitung abhängt
Ein
Aktionspotential ist ein zeitlicher Ablauf, wirkt auf die noch
unerregte Membran als überschwelliger Reiz und breitet sich über die
gesamte Zelle aus - mit einer Geschwindigkeit von <1 bis >100 Meter
pro Sekunde, je nach Isolierung durch Scheidenzellen.

Abbildung: Klassifizierung und Aufgaben afferenter peripherer Neurone
Nach einer Vorlage in Bear / Connors / Paradiso, Neuroscience - Exploring the Brain, 3rd Ed 2007
Schema
nach Lloyd und Hunt - I (Ia von Muskelspindeln, Ib von Sehnenspindeln)
bis IV (Jucken, langsamer Schmerz, Temperatur) bzw. Erlanger und Gasser (Aα bis C) nach Durchmesser bzw Leitungsgeschwindigkeit.
A-Fasern verfügen über eine gut ausgebildete Markscheide,
mit steigender Myelindicke nehmen Isolierungsgüte und
Leitungsgeschwindigkeit zu (Aα-Fasern leiten mit bis zu 120 m/s,
entsprechend ca. 430 km/h - das ist das 6-fache der Geschwindigkeit,
mit der ein Korken die Sektflasche verlässt), C-Fasern sind
unmyelinisiert.
Motorische Fasern (Aα / Aγ) s. dort

Nervenleitgeschwindigkeit (NLG, nerve conduction velocity CV,
Abbildung): Eine Nervenfaser leitet Aktionspotentiale umso
rascher, je größer ihr Innendurchmesser ist (höhere Längskonstante) und (bei markhältigen Fasern) je besser isoliert die Internodien (zwischen Schwann-Zellhülsen
) sind.
Daraus ergeben sich je nach
Geschwindigkeit der Impulsleitung
"Klassen" von Nervenfasern, die generell (Erlanger / Gasser-Schema)
oder nur für
afferente Fasern gelten (Lloyd / Hunt-Schema). 120 m/s entspricht
immerhin mehr
als 430 km/h, das entspricht einem Drittel der Schallgeschwindigkeit in
der Luft oder etwa der doppelten Reisegeschwindigkeit einer Cessna 172
(~120 Knoten).
Zur Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit s. dort
Markhaltige Nervenfasern leiten umso schneller, je größer ihr Durchmesser ist
Aα-Fasern (motorisch) leiten Aktionspotentiale mit 80-120 m/s Geschwindigkeit
Aß-Fasern (mechanosensible Afferenzen von der Haut) mit 40-70 m/s
|
Die hohe Leitungsgeschwindigkeit dicker (>1 µm Durchmesser),
markhaltiger Fasern ist insoferne ein Luxus, als sie im Nerven relativ
viel Platz beansprucht und einen hohen Stoffwechselaufwand erfordert
(Bildung und Erhalt größerer Zellmasse). Solche Fasern (A) kommen nur
dort zum Einsatz, wo besonders rasche Informationsübertragung
unentbehrlich ist (sehr schnelle Vorgänge, lange Leitungsstrecken); wo
darauf verzichtet werden kann (kurze Strecken oder Meldungen z.B. über
Temperatur, Juckreiz, Tiefenschmerz), genügt die Verwendung kangsam
leitender C-Fasern.
Bei
manchen Erkrankungen ist der Verlust bestimmter Nervenfasern selektiv
und spezifisch, z.B. degenerieren bei Diabetes mellitus vor allem
dicke, rasch leitende sensorische Fasern, was zu Sensibilitätsverlust
und sinkender Repräsentation dieser Fasern im
ENG-Summenaktionspotential führt.
Bei afferenten Axonen sind Schmerzfasern umso stärker repräsentiert, je
geringer die Leitungsgeschwindigkeit ist (C-Fasern leiten vorwiegend
noxische Information).
Nozizeptive Afferenzen sind besonders dünne und langsam leitende Nervenfasern
|
Bei der Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit werden Summenaktionspotentiale abgeleitet. Dabei unterscheidet man
motorische (CMAPs: compound motor action potentials) und
sensorische Summenaktionspotentiale (SNAPs: sensory nerve action potentials).
Dabei
wird der Nerv an einer Stelle stimuliert und in einem bestimmten
Abstand das über den Nerv laufende (durch den Stimulus ausgelöste)
Summenaktionspotential abgeleitet (die Geschwindigkeit berechnet sich
aus Laufstrecke / Passagezeit). Der Ablauf des Aktionspotentials kann
in physiologischer Richtung (orthodrom) oder in umgekerter Richtung
(antidrom) erfolgen. Bei CMAPs kann auch der Nerv stimuliert und die ausgelöste Muskelkontraktion
registriert werden (vgl. dort).
Elektrische Reizung eines Nerven: Die unterschiedliche Isolierung der Fasertypen macht sich auch in deren Reizschwelle bemerkbar. Wird ein
(gemischter, d.h. sensomotorischer) Nerv elektrisch gereizt, dann hängt
die Antwort von der Intensität des Reizes ab. Bei niedriger Reizstärke (Rechteckreiz unter ~50 V) reagieren zunächst nur Ia-Fasern aus Muskelspindeln mit Aktionspotentialen (hier kommt es zur höchsten Stromliniendichte an den Schnürringen), gefolgt von α-motorischen Fasern. Je höher die Reizintensität, desto mehr Fasertypen (mit abnehmender Isolierung) sprechen in dem gemischten Nerven an.
Ähnliches gilt für die elektrische Nervenreizung im Rahmen elektromyographischer Untersuchungen.
Verschiedene Nervenfasertypen sind unterschiedlich empfindlich gegenüber der blockierenden Wirkung von Lokalanästhetika (Cocain, Procain, Lidocain, Mepivacain, Bupivacain
etc). Stoffe aus dieser Substanzgruppe blockieren die
spannungsabhängigen Natriumkanäle in der Membran der Nervenfasern,
indem sie den geschlossenen Zustand des Natriumkanals stabilisieren. Das blockiert den Natriumeinstrom und damit die Fortpflanzung der Aktionspotentiale.
Die dünnen C-Fasern fallen früher aus als stärker isolierte. Lokalanästhesie
eines gemischten sensiblen Nerven lässt die Empfindungen in folgender
Reihenfolge ausfallen: Schmerz, Temperaturempfinden,
Mechanosensibilität.
Postganglionäre Fasern des sympathischen Systems sind ebenfalls bald
"betäubt", ihre Blockade hat u.a. einen Ausfall des
Vasokonstriktorentonus und damit Vasodilatation und
Perfusionssteigerung zur Folge.
Risiko: Durch
Zusatz vasokonstriktiver Stoffe (wie Adrenalin, Noradrenalin) bleibt
das Lokalanästhetikum länger vor Ort (verzögerter Abtransport). Damit
ist es lokal wirksamer, und der Vasokonstriktor wird auch langsamer in
den systemischen Kreislauf entlassen - wo er Nebenwirkungen hat, wie
Tachykardie und Blutdruckanstieg.
Energieeffizienz: Um ein Aktionspotential zu erzeugen und im Gehirn zu verteilen, bedarf es einer Energie von nur ~10 fJ (10-14 Joule). Zum Vergleich: Pro Sekunde setzt das Gehirn mindestens ~20 Joule Energie um, das reicht demnach für mehr als 1015 Aktionspotentiale (bei einer Zahl von ~86 Milliarden Nervenzellen).
Das Aktionspotential läuft immer in voller Stärke ab; in dieser Zeit kann kein zweites
Aktionspotential entstehen, die Membran ist refraktär, d.h. gegenüber weiteren Reizen
unempfindlich. (Der Begriff Refrakterität
steht allgemein für Unempfindlichkeit nach einer Erregungsphase.) Um wieder erreegbar zu werden, müssen die Natriumkanäle (Typ: spannungsabhängig) in die "aktivierbare" Position ihrer Ionenporen zurückgekehrt sein.

Während der
absoluten
Refraktärzeit (dauert etwa so lange wie das Aktionspotential) ist die
Zelle unerregbar (bei Nervenfasern sind alle Natriumkanäle im Zustand
"unerregbar") - ARP,
absolute refractory period

In der
relativen Refraktärperiode
(Dauer 2-3 ms) ist die Reizschwelle zur Auslösung einer weiteren
Erregung erhöht (einige der spannungsgesteuerten Natriumkanäle sind im
Zustand "geschlossen / aktivierbar", andere noch im Zustand "nicht
aktivierbar") - RRP,
relative refractory period.
Erst wenn alle Natriumkanäle in den Ausgangszustand zurückgekehrt sind,
ist die Refraktärperiode beendet und die Membran normal erregbar.
Die Refrakterität ergibt sich aus der Inaktivierung von Natriumkanälen:
Das Membranpotential bestimmt die Öffnungswahrscheinlichkeit spannungsabhängiger Natriumkanäle. Trifft ein Reiz eine hyperpolarisierte Membran
(~-100 mV), ist die Öffnung der (spannungsabhängigen) Natriumkanäle und
damit der Natriumeinstrom maximal stark. Beträgt das
Ausgangs-Membranpotential -60 mV, ist der Natriumeinstrom nur noch etwa
60% des möglichen Maximalwertes. Je stärker die Zelle depolarisiert
ist, desto geringer wird der reizbedingte Einstrom von Natriumionen -
bis an der Membran schließlich der Natriumeinstrom ganz ausbleibt (die Zelle ist dann refraktär).
Diese Effekte
werden allerdings nur wirksam, wenn das Membranpotential bedächtig
reduziert wird, d.h. ohne dabei ein Aktionspotential auszulösen:
Zeitabhängigkeit des Effekts: Die Inaktivierung der Natriumkanäle durch Senkung des Membranpotentials tritt bei langsamer Vordepolarisierung auf (und kann dazu genützt werden, die Zelle unempfindlicher für depolarisierende Reize zu machen - "Einschleichen"). Die Zelle adaptiert sich an einen langsam aufgebauten Reizstrom (Akkommodation der Zellmembran). Depolarisiert man hingegen rasch, überschreitet man das Schwellenpotential, bevor die Senkung des Natriumeinstroms greifen kann, und es wird ein Aktionspotential ausgelöst. Umgekehrt heißt das: Für die Auslösung eines Aktionspotentials besteht ein "Steilheitsbedarf" für den (erfolgreichen) Reizaufbau.
Die Aktivierbarkeit der Natriumkanäle ist u.a. auch calciumabhängig: Steigt das extrazelluläre [Ca++] (Hypercalcämie), nimmt die Aktivierbarkeit der Natriumkanäle ab. Umgekehrt steigt die Erregbarkeit bei Erniedrigung des [Ca++] (Hypocalcämie), was die Auslösung von Entladungssalven und Muskelkrämpfe bedingen kann (z.B. Hyperventilationstetanie).

Die Dauer der absoluten Refrakterität bestimmt die maximale Aktionspotentialfrequenz der betreffenden Zelle.
Wie lange dauert ein Aktionspotential? Je nach
Art der Zelle unterschiedlich (Nervenfaser: ~1/1000 Sekunde;
Herzmuskelzelle: bis zu ~1/3 Sekunde). Das erklärt sich
durch die jeweilige Ausstattung mit Ionenkanälen (z.B. für Calcium in Herzmuskelzellen) in der
Zellmembran (Expressionsmuster je nach Spezifität der Zelle).
Repolarisation: Am Ende des Aktionspotentials ladet ein verstärkter
Ausstrom von Kalium die Zelle wieder auf. Ist die
Membran mit zusätzlichen spannungsgesteuerten Kalium-Kanälen ausgestattet (wie an Soma und Axonhügel von
Nervenzellen),
erfolgt eine leichte Hyperpolarisierung
(Nachpotential) (
Abbildung).

Ende des 18. Jahrhunderts untersucht Luigi Galvani die Bioelektrizität unter Verwendung von Froschschenkeln. Die Nervenimpuls-Leitung wird um 1848 von Emil du Bois-Reymond entdeckt. Hermann Helmholtz bestimmt 1850 die Geschwindigkeit von Nervenimpulsen an Froschnerven. 1871 beschreibt Louis-Antoine Ranvier
die später nach ihm benannten Schnürringe an myelinisierten
Nervenfasern.
"Für ihre Entdeckungen über die hochdifferenzierten
Funktionen der einzelnen Nervenfaser" erhalten die US-Amerikaner Joseph
Erlanger und Herbert S. Gasser
1944 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Erlanger konnte 1900
erstmals motorische Vorderhornzellen für einzelne Muskeln im Rückenmark
lokalisieren und arbeitete an verschiedenen physiologischen und
messtechnischen Problemstellungen.1922 begann seine Zusammenarbeit
mit Gasser. Sie erforschten Nervenimpulse und leiteten
Aktionspotentiale mittels Kathodenstrahlröhren ab - ein methodischer
Durchbruch.
1952 beschreiben Alan Hodgkin, John Eccles und Andrew Huxley
den Mechanismus der Aktionspotentialentstehung am
Riesen-Tintenfischaxon, wofür ihnen 1963 der Nobelpreis für Physiologie
oder Medizin verliehen wird. 1998 bestimmen Rod MacKinnon
und Mitarbeiter die Struktur des spannungsgesteuerten Kaliumkanals, der
Nobelpreis für Physiologie oder Medizin 2003 würdigt diese Leistung.
Verschiedene Zellen (z.B. Drüsen-, glatte
Muskelzellen) exprimieren spezifische Permease-Muster
(Ionenkanäle, ..) und zeigen
dementsprechend komplexes Erregungsverhalten. (Statt des Begriffs
"Permease" wird heute meist "Transporter" oder "Carrier" verwendet.)
Saltatorische Erregungsausbreitung
Die
elektrotonische Ausbreitung
eines Signals über eine Nervenfaser funktioniert nur über kurze
Strecken. Der Mechanismus der saltatorischen

("hüpfenden" - hic Rhodos,
hic salta

)
Ausbreitung
(saltatoty conduction) erlaubt hingegen unbegrenzte Weiterleitung, da die
Abschwächung des Signals durch Bildung vollwertiger Aktionspotentiale
in kurzen Abständen verhindert wird:

Abbildung: Stromfluss bei saltatorischer Erregungsleitung
Modifiziert nach einer Vorlage in ib.cnea.gov.ar
Der
elektrische Membranwiderstand ist am Schnürring gering (hier gibt es
keine Isolierung durch Schwann'sche Zellen der Myelinscheide), Strom
fließt hier mit hoher Dichte durch die Membran und wird
deshalb leicht überschwellig.
Strom fließt auch durch die Membran der
Internodien, aber nur mit geringer Dichte (hoher Membranwiderstand)

An Ranvier-schen Schnürringen
ist die Membranfläche für den Stromfluss klein, die Stromliniendichte
hoch und die einfachen Kaliumpermeasen sind für die Repolarisierung
ausreichend (kein positives Nachpotential). Während sich im Bereich des Schnürrings etwa 1000 bis 2000 Natriumkanäle pro µ2 Membran finden, ist die Zahl im Internodium minimal (~10 bis 25/µ2 - zum Vergleich: In der Membran unmyelinisirter Fasern 2-200/µ2). Der hohe Widerstand der
Myelinscheide isoliert das Axon (hohe
Längskonstante) und senkt vor allem die elektrische Kapazität (niedrige
Dielekrizitätskonstante). Das heißt, ein bestimmter Spannungswert kann
mit nur wenigen Ionen erreicht werden. All dies erhöht die
Leitungsgeschwindigkeit.

Abbildung: Myelinisierung von Axonen
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Bei der Myelinisierung wickelt sich ein
Glia-Zellfortsatz - beginnend mit einem führenden Ende - um ein oder
mehrere Axone. Das Zytoplasma wird dabei aus der entstehenden
blattförmigen Struktur herausgedrückt (Kompaktion); die biochemische
Zusammensetzung des entstandenen Myelins unterscheidet sich von
derjeniger der Zellmembran des Oligodendrozyten bzw. der Schwann'schen
Zelle.
Oben: Im ZNS sind es Oligodendrozyten, welche die Isolierung mehrerer
benachbarter Axone übernehmen; unten: Periphere markhaltige
Nervenfasern werden von Schwann'schen Zellen isoliert

Die
Markscheiden entstehen durch einen Prozess, bei dem sich Gliazellen um
das Axon bewegen und lamellenförmige Zytoplasmalagen bilden
(
Abbildung), aus denen aich das Zytoplasma zurückzieht und das
verbleibende Membranmaterial in mehreren Schichten als Myelin
verbleibt (mit veränderter biochemischer Zusammensetzung). Myelin
besteht zu einem hohen Anteil aus Lipiden (80% der Trockenmasse), 20%
der Trockenmasse machen Proteine aus. Die
Myelinschicht hat einen hohen elektrischen Widerstand und "zwingt" die
Stromlinien der Erregungsprozesse durch die nackt verbliebenen
Membranstücke der Ranvier'schen Schnürringe. Auf diese Weise können
hohe Leitungsgeschwindigkeiten erzielt werden, ohne dass der Radius der
Fasern (wie bei "Riesenaxonen" z.B. bei Tintenfischen - die
Leitungsgeschwindigkeit nimmt linear mit dem Radius zu) enorm groß sein
müsste.
Die saltatorische Erregungsleitung
an gut isolierten Neuronen bedeutet hohe Effizienz der überschwelligen
Depolarisierung und rasche Fortleitung des Aktionspotentials bei relativ geringem Faserdurchmesser. Die Membran des Schnürrings über eine hohe Dichte an spannungssensitiven Natriumkanälen - das unterstützt die Depolarisation (Na+-Einstrom!). Spannungssensitive
Kaliumkanäle finden sich hingegen fast nur in
der Membran entlang des
Internodiums, vor allem direkt neben den Rändern der Schnürringe. Ihre
Funktion ist die Unterdrückung des Auftretens von Aktionspotentialen im
Internodiumbereich.
Das Design der saltatorischen Übertragung schont auch den Energieaufwand,
den die Neuronen für den Betrieb der Erregungsleitung aufbringen
müssen: Wegen der geringen Membranfläche, die an der Schnürringen
"freiliegt" (direkter Kontakt zur extrazellulären Flüssigkeit), ist
auch die Menge an pro Aktionspotential ausgetauschten Kationen - und
damit der Energieaufwand für deren "Zurückpumpen" - minimiert (geringer ATP-Verbrauch).
Bei Demyelinisierung des Axons werden die Kaliumkanäle exponiert, was die Erregungsleitung behindert. Multiple Sklerose
beruht auf einem Zerfall der Markscheiden im ZNS; der Membranwiderstand
der Neuronen sinkt, die Kapazität steigt, die Längskonstante nimmt ab.
Damit nimmt einerseits die Leitungsgeschwindigkeit ab, andererseits
können Erregungen auf Nachbaraxone überspringen. Sehstörungen, Ataxien
und Spasmen sind die Folge.
Die folgende
Abbildung soll verdeutlichen, worauf es ankommt: Erfolgt an einem
Schnürring eine überschwellige Reizung (rotes Areal links), dann
entsteht hier ein Aktionspotential - umso schneller, je geringer die elektrische Kapazität der Membran ist. Das führt, wie oben beschrieben, zu elektrotonischer Reizausbreitung in die Nachbarschaft. Dieser findet am benachbarten Schnürring
den geringsten transmembranalen Widerstand, hier drängen sich die
Stromlinien am dichtesten, und diese Stelle wird folglich besonders
rasch erregt.
Abbildung: Stromfluss durch den "nächsten" und den "übernächsten" Schnürring
Modifiziert nach einer Vorlage bei Lovelace RE, Myers SJ, Nerve
Conduction and Neuromuscular Transmission (Chapter 10). In: The
Physiological Basis of Rehabilitation Medicine, 2nd ed. 1994,
Butterworth-Heinemann, Elsevier Ltd.
Rosa:
Ort eines Aktionspotentials. Dargestellt sind die Stromlinien durch
die Membran zweier Schnürringe - des unmittelbar benachbarten und des darauf folgenden.
Mit der Entfernung zur Stromquelle nimmt die Stromliniendichte (und
damit der depolarisierende Effekt auf das Membranpotential) ab.
Stromfluss durch die Membran von Internodien vernachlässigt

Einen Schnürring weiter
fließt auch Strom, aber der Längswiderstand des doppelt so langen
Axonabschnittes ist größer, und die Stromliniendichte entsprechend
niedriger (um wieviel, hängt von der Längskonstante der Faser ab - 37%
der ursprünglichen Potentialdifferenz findet sich in einer Entfernung
von <1 mm (schlecht isolierte Fasern) bis 5 mm (gut isolierte
Fasern). Und so kann die Erregung über mehrere Schnürringe
überschwellig wirken - bis der Reizstrom nur noch unterschwellige Größe
hat und am betreffenden Schnürring (in diesem Augenblick) kein
Aktionspotential mehr ausgelöst wird.
Je
geringer die Membrankapazität im Bereich des Internodiums, umso rascher
entsteht das Aktionspotential und umso höher ist die
Leitungsgeschwindigkeit
|
Das
Prinzip der saltatorischen Erregungsleitung: Depolarisierung der gesamten Membran (inklusive
Membranwiderstand und -kapazität) ist nicht notwendig; nur eine geringe
"nackte" Membranfläche jeweils zwischen zwei Schwann-Zellen muss durch
das Aktionspotential des "vorangehenden" Internodiums überschwellig
gereizt werden (man sagt, das Aktionspotential "springt" von Schnürring zu Schnürring).
Internodien sind 0,2-2,0 mm lang (Abstand von einem Schnürring zum nächsten) - typischerweise etwa 1 mm.

Abbildung: Myelinisierung peripherer Nerven über Zelladhäsionsmoleküle
(Junctional Adhesion Molecules, JAM)
Nach Ebnet K, Junctional Adhesion Molecules (JAMs):
Cell Adhesion Receptors With Pleiotropic Functions in Cell Physiology
and Development. Physiol Rev 2017; 97: 1529-54
Am Ranvier-Schnürring
ist das Axon nicht von Myelin bedeckt. Hier können Aktionspotentiale
entstehen, die Zone ist reich an spannungsabhängigen Natriumkanälen,
spezifischen Zelladhäsionsmolekülen und Komponenten der extrazellulären
Matrix. Im paranodalen Bereich (Paranodium) besteht das Myelin aus paranodalen Schleifen der Schwann-Zellen, deren zum Axon gerichteten Zellkontakte für Ionen undurchlässig sind (septate junctions, Diffusionsbarriere).
Unten links: Im Internodium (internode, Ranvier-Segment) wird kein Aktionspotential ausgelöst; in seinen Myelin-Inzisuren (Schmidt-Lantermann-Inzisuren)
verbinden Tunnelproteine (Connexin 32, Cx32) benachbarte Zellzonen und
erleichtern Diffusionsprozesse, Kontaktproteine sind
Zelladhäsionsprotein C (JAM-C), Claudin-19 (Cl19) und Connexin-32
(Cx32).
Unten Mitte: Das äußere Mesaxon ist der interzelluläre Spalt im Bereich der an die Basalmembran grenzenden äußersten Myelinschichten, das innere Mesaxon im Bereich der innersten Myelinzone.
Unten rechts:
Im Bereich der paranodalen Schleifen unterscheidet sich der Besatz an
Zelladhäsionsmolekülen zwischen Schichten der Schwann-Zelle
("intergliäre Brücken") einerseits von dem des Kontakts zwischen Myelin
und Axon ("axogliäre Brücken") andererseits
Caspr-1, contactin-associated protein-1, auch Paranodin, paranodales Membranprotein;
NF, neurofascin, Adhäsionsprotein aus der Immunglobulinfamilie, beteiligt sich am embryonalen Organisatiosvorgang von Synapsen
Die
Funktion von Strukturen, die an der saltatorischen Erregungsleitung
beteiligt sind, hängt wesentlich von Anordnung und Wirkung von Zelladhäsionsmolekülen
ab, die sowohl im Bereich der Schwann-Zellen (Myelinblätter
) als auch
zwischen diesen und dem Neuron (axo-gliär) interzelluläre Kontakte
bilden (
Abbildung). Die wie ein Germteig "ausgewalzten" Partien der
Glia (Schwann-Zellen) sind über weite Strecken praktisch frei von
Zytoplasma, nur im Bereich der Mesaxone, perinodalen Schleifen (paranodal loops) und Myelin- (Schmidt-Lanterman-) Inzisuren
bestehen schlauchförmige Zytoplasmabrücken. Hier finden sich auch
zahlreiche Adhäsionsproteine, welche spezifische Abdichtungs- bzw.
Brückenfunktionen übernehmen.
Die Myelinschichte kann bis zu 300 Membranlagen enthalten, ihre
elektrische Kapazität auf ein Dreihundertstel derjeniger einer
singulären Zellmembran sinken. Dadurch werden die Stromlinien auf die
Schnürringe konzentriert.
Abbildung: Erregungsleitung entlang einer markhaltigen Nervenfaser
Nach einer Vorlage bei Pearson Education 2004
Die
elektrotonische Erregungsausbreitung erfolgt an den Stellen des
geringsten Membranwiderstandes, d.h. an der "nackten" Membran zwischen
den Internodien, und dann von Schnürring zu Schnürring (saltatorisch).
Stromfluss durch das Intersitium in Rottönen, Stromfluss durch das
Axoplasma blau angedeutet.
Der elektrische Widerstand ist im
Extrazellulärraum gering (Ionenleiter), im Axoplasma abhängig von der
Distanz (Längswiderstand), transmembranal an den Schnürringen
wesentlich geringer als am Internodium

Bei multipler Sklerose
- einer Autoimmunkrankheit, bei der die Myelinscheiden im ZNS zunehmend
verloren gehen - nimmt der Widerstand ab und die Kapazität zu;
schließlich erreicht die Stromliniendichte nicht den zur Erregung des
nächstgelegenen Schnürrings notwendige Größe, sensorische und
motorische Informationsübertragung sind beeinträchtigt.
Veränderungen in der Verteilung und Funktion solcher Brückenmoleküle
haben medizinische Auswirkungen, z.B. haben die Paranodien von
Patienten mit chronisch entzündlicher demyelinisierender
Polyneuropathie eine verminderte Zahl von JAM-C-Molekülen. Im Fall der Charcot-Marie-Tooth-Neuropathie
liegt ein mutiertes Gen für Connexin-32 vor. Dadurch ist der
Stoffaustausch der Schwann-Zellen gestört, was zu
Markscheidendegeneration und axonaler Neuropathie führt.
Erregbarkeitsprüfung: Chronaxie und Rheobase
Mittels Reizelektroden kann die Erregbarkeit von Nerven (sensorisch, motorisch) oder Muskeln
ermittelt werden:
Unter Rheobase versteht man den minimalen Reizstrom, der (bei langem Andauern)
gerade noch (bei einigen Nervenfasern) Aktionspotentiale auslöst (überschwellig wirkt) . Als Nutzzeit bezeichnet man die Zeit, die zwischen
Reizbeginn und Auftreten des Aktionspotentials (an der Registrierposition) vergeht. Die Chronaxie ist die Nutzzeit, die sich
ergibt, wenn ein Reizstrom von doppelter Rheobasenstärke verabfolgt
wird (Jargon: "Nutzzeit der doppelten Rheobase").
Bei nichtinvasiver Reizung
(perkutan: Elektrode auf der Haut) hängt die Größe eines
überschwelligen Reizes (des Rheobasenstroms) vom Hautwiderstand und der
Menge an Unterhautgewerbe ab. Sie kann von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein und muss für jeden Patienten individuell bestimmt werden. Die Chronaxie hingegen ist von Person zu Person gut vergleichbar, da sie über den individuellen Rheobasenwert definiert ist - sie ist eine von
Widerstandswerten unabhängige Kenngröße
und entspricht ungefähr der Zeitkonstante, welche die betreffenden
Zellmembranen aufweisen.
Die Reizanordnung kann auch invasiv sein, d.h. die Elektrode wird in den Muskel eingestochen. Das macht die Messresultate besser reproduzierbar.
Bei dicken Nervenfasern liegt der Normalwert für die Chronaxie in der
Gegend von ~0,1 Sekunden. Demyelinisierungserkrankungen führen zu einer Erhöhung
der Chronaxie der betroffenen Nervenfasern. Die Chronaxie hängt von der
Dichte spannungsgesteuerter Natriumkanäle in der Zellmembran ab. Fast-twitch-Muskeln haben niedrigere Chronaxiewerte als Slow-twitch-Muskeln.
Erkrankungen von Nerven- oder Muskelfasern zeigen entsprechende
Veränderungen der Chronaxiewerte. So kann Parathyreoidismus die
Chronaxie erhöhen (Calciumabhängigkeit s. oben), Nervengifte verringern die Werte, Muskelerkrankungen (Degenerationen) ebenfalls.

So gut wie jeder Ionenkanal kann selektiv gehemmt werden ("Blocker"): z.B.
Blocker spannungsgesteuerter Na+-Kanäle ... Lokalanästhetika, s. oben

Blocker epithelialer Na
+-Kanäle (ENaC) ... kaliumsparende Diuretika (z.B.
Amilorid)

K
+-Kanalblocker ... Klasse-III-Antiarrhythmika

Blocker
spannungsgesteuerter Ca2+-Kanäle ... Vasodilatatoren (z.B.
Nifedipin), Klasse-IV-Antiarrhythmika
Dies gilt auch für ligandengesteuerte Ionenkanäle: So bewirkt Blockade des Glutamat-Rezeptors Bewußtlosigkeit (z.B. Ketamin als Narkotikum), Antagonisierung des
Glyzinrezeptors Enthemmung der Motoneuronenaktivität (Strychnin als
Krampfgift), oder Anregung von GABA-Rezeptoren eine stärkere
Hemmwirkung (z.B. Barbiturate).
Wenn
Permeasen ("Kanalproteine") mutiert sind, ist dies der Grund für
Funktionseinschränkungen und z.T. schwere Erkrankungen. Beispiele:

Kommt es zu Mutation von Natriumkanälen in der
Niere, kann das Elektrolytstörungen zur Folge haben

Veränderte Kalium- oder Calciumkanäle im
Gehirn bewirken Ataxie

In der
Skelettmuskulatur führen veränderte Natrium- oder Chloridkanäle zu Myotonie

Mutierte Chloridkanäle in der
Lunge bedingen zystische Fibrose

Wenn Kaliumkanäle in der
stria vascularis des Innenohres verändert sind, kann es zu Innenohrschwerhörigkeit kommen

Veränderte Natrium- oder Kaliumkanäle im
Herzmuskel führen zu Arrhythmien
Defekte in der Myelinscheide treten bei verschiedenen Erkrankungen
auf: Guillain-Barré-Syndrom, Diabetes mellitus, Alkoholmissbrauch u.a.
Die Nervenleitgeschwindigkeit ist in solchen Fällen reduziert - abgesehen von den z.T. dramatischen klinischen Symptomen.

Soferne entsprechende Kanäle (Permeasen) geöffnet sind, können Ionen durch Zellmembranen gelangen - entsprechend Konzentrationsdifferenz und Membranpotential. K+ ist in der Zelle 30-mal stärker konzentriert als extrazellulär, das Ruhepotential - außen positiv, innen negativ - ist im Wesentlichen ein Kaliumpotential
Je größer die Permeabilität
der Membran für ein Ion, desto besser kann es durch sie passieren. Das
Gleichgewichtspotential eines Ions ist dasjenige, bei dem sich der
Effekt des elektrischen (Membranpotential) und des chemischen Gradienten
(Konzentrationsunterschied) die Waage halten. Weicht das
Membranpotential vom Gleichgewichtspotential ab, gibt es eine Netto-Bewegung des Ions
durch die Membran. Die Richtung dieser Bewegung ändert sich, wenn das Membranpotential über
seinen Betrag hinaus ansteigt bzw. unter diesen absinkt
("Umkehrpotential")
Das Gleichgewichtspotential für K+ beträgt etwa -90 mV (Maximalbetrag für das Ruhepotential), für Na+ bei +60 bis +70 mV, für Cl- meist um die -60 mV (Nervenzellen -80, Skelettmuskel fast -90 mV), für Ca++ bei +100 bis +125 mV. Die Werte erklären sich durch die Konzentrationsverhältnisse (sehr niedrige [Ca++]-Werte intrazellulär; oder: Gliazellen haben hohe intrazelluläre Chloridkonzentration, der Betrag ihres Chlorid- Gleichgewichtspotentials ist gering)
Natriumionen
(außen ~140 mM) dringen sowohl aus Gründen ihrer Konzentration als auch
des Membranpotentials (innen negativ) in die Zelle ein - soferne
die Membran für Natrium durchlässig ist. Natriumkanäle
können in drei Zuständen vorliegen: In Ruhe geschlossen, sie lassen
Natrium bis auf einen "Leckstrom" nicht in die Zelle, aber sind aktivierbar; bei Erregung der Zelle öffnen sie, Natrium dringt in die Zelle ein ("Aufstrich" des Aktionspotentials); und für ~2 ms trotz "offener" Formation durch einen "Stöpsel" für weiteren Natriumeinstrom vorübergehend blockiert (nicht aktivierbar) - letzteres erleichtert die Repolarisation durch Kaliumausstrom. Dann tritt wieder der Zustand "geschlossen / aktivierbar" auf
Die
Nernst-Gleichung gibt das Membranpotential als Funktion der
Konzentrationsdifferenz eines Ions im Gleichgewichtszustand an. Für
einwertige Ionen gilt: Gleichgewichtspotential = 61 mV x log
(Außenkonzentration / Innenkonzentration); für zweiwertige Ionen ergibt
sich der Faktor 30,5 (61:2). Die Goldman-Gleichung berücksichtigt Konzentrationsverhältnis und Leitfähigkeit für K+, Na+ und Cl- (im Gleichgewichtszustand). Je größer die Leitfähigkeit für ein Ion, desto stärker sein Einfluss auf das Membranpotential
Die Na/K-Pumpe (in Epithelzellen fast nur in der basolateralen Membran) bringt unter ATP-Verbrauch Na+ aus der, und K+
in die Zelle (Verhältnis 3:2, also elektrogen: das Ruhepotential wird
unterstützt). Sie kann zwei Grundformationen annehmen: Nach innen (E1) oder nach außen offen (E2).
Dazwischen gibt es 6 weitere Zustände. Die Aktivität der Na/K-ATPase
ist die Hauptursache für die ungleiche Na/K-Vereilung
(außen ~145 mM Na+ / 4-5 mM K+, innen ~15 mM Na+ / ~120 mM K+), diese Ungleichheit (Na) treibt sekundäre Transportprozesse durch die Zellmembran an
Ein Reiz verändert den Zustand einer Zellmembran: Wird sie hyperpolarisiert, nimmt die Erregbarkeit der Zelle ab, wird sie depolarisiert, nimmt sie (zunächst) zu. Es kommt zu einer lokalen Membranantwort (unterschwelliger Reiz)
oder (überschwelliger Reiz) es entsteht ein Aktionspotential (Alles-oder-Nichts-Regel). Depolarisation
kann mehrere Ursachen haben: Über gap junctions übertragene Reize von
Nachbarzellen (z.B. Herzmuskel), Depolarisation benachbarter
Membranabschnitte (z.B. Neuron), Schrittmacherströme
Erregbarkeit
und Form der Aktionspotentiale hängen von der Ausstattung der
Zellmembran mit Ionenkanälen ab. Aktionspotentiale an Skelettmuskelfasern dauern einige Millisekunden, an
Herzmuskelzellen ~0,3
Sekunden. Bei den meisten erregbaren Zellen beginnt das
Aktionspotential mit Natriumeinstrom durch spannungsabhängige
Na+-Kanäle; das Schwellenpotential liegt bei -50 bis -60 mV. Für die
meiste Zeit des Aktionspotentials ist die Zelle nicht weiter erregbar
(absolut refraktär), für eine kurze Zeit nur durch verstärkte Reize (relativ refraktär)
Am präsynaptischen Teil einer Synapse wirken spannungsgesteuerte Ca++-Kanäle. Bei Erregung treten Ca++-Ionen in
die Zelle ein, SNARE-Proteine lassen transmittergefüllte Vesikel mit
der präsynaptischen Membran verschmelzen - das ist der zeitlimitierende
Schritt der Synapsenaktivierung. Je höher die Aktionspotentialfrequenz
an der Synapse, desto intensiver ist der synaptische Effekt
Exzitatorische postsynaptische Potentiale (EPSP) steigern, inhibitorische (IPSP)
reduzieren die Erregbarkeit eines nachgeschalteten Neurons. Unterschwellige Reize können durch zeitliche oder räumliche Summation überschwellig werden. Die
Summation der synaptischen Einflüsse am Soma des Neuriten bestimmt
darüber, ob und wann das Schwellenpotential (bei dessen Überschreitung
ein Aktionspotential entsteht) überschritten wird und Aktionspotentiale
vom (wegen seiner hohen Dichte an Natriumkanälen besonders erregbaren) Axonhügel aus über die Zelle laufen
Zwischen erregten und unerregten Membranstellen fließt Strom, der die unerregten Stellen depolarisiert (elektrotonische Erregungsausbreitung). Die Ausbreitungsgeschwindigkeit hängt ab vom Membranwiderstand, von der Membrankapazität (je geringer, desto erregbarer) und vom intrazellulären
Längswiderstand (je geringer - je größer der Zelldurchmesser - desto
höher der Stromfluss). Je besser isoliert und je dicker eine
Nervenfaser ist, desto rascher und effizienter die Erregungsleitung.
Die Längskonstante ist die Entfernung, in der die ursprüngliche Potentialdifferenz auf 37% abgenommen hat, sie ist proportional der Reichweite und Ausbreitungsgeschwindigkeit eines
elektrischen Signals; sie beträgt zwischen 0,1 mm (dünne Axone) und 5
mm (dicke Axone). Dendriten haben sehr geringe Längskonstanten (lokale
Signalverarbeitung)
Die Nervenleitgeschwindigkeit steigt mit der Isolationsgüte durch die
Schwann-Zellhülse (saltatorische Leitung zwischen
unisolierten Schnürringen): Aα-Fasern (motorisch) 80-120 m/s, Aß
(mechanosensibel) 35-75, Aδ 5-30, C 0,5-2 m/s (Schmerz,
Temperatur). Die Nervenfasertypen reagieren unterschiedlich empfindlich
auf Lokalanästhetika (Blockade spannungsabhängiger Natriumkanäle durch
Stabilisierung des geschlossenen Zustands): Zuerst Schmerz,
dann Temperaturempfinden, schließlich Mechanosensibilität
Der minimale Reizstrom, der gerade noch Aktionspotentiale auslöst,
heißt Rheobase. Die Zeit zwischen Reizbeginn und Auftreten des
Aktionspotentials heißt Nutzzeit. Verdoppelt man den
Rheobasen-Reizstrom, ergibt sich eine Nutzzeit, die man als Chronaxie
bezeichnet (Kennzahl für Nervenfasern)
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