Physiologie lernen - den Organismus verstehen
Wie funktioniert der menschliche Körper?
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I.
Humoral-neuronale Steuerung und Kontrolle
III.
Zellen kommunizieren untereinander und organisieren ihre Umgebung. Die
meisten Zellen sind ortsständig und nicht einfach in den
Extrazellulärraum eingebettet, sondern bilden und organisieren ihre Umgebung (extrazelluläre Matrix);
andererseits lassen sie sich bei Gelegenheit von diesen Strukturen
leiten (z.B. wenn Nervenfasern vorwachsen, oder im Rahmen von
Heilungsprozessen). Diese Kommunikation erfolgt z.T. sehr spezifisch. Signalstoffe (Hormone, Zytokine, Mediatoren,
Transmitterstoffe)
koordinieren Zellen auf kurzem Weg (parakrin) oder über längere Distanzen (endokrin) - umstands- und zeitabhängig. Dabei kann auf die Erbinformation der beeinflussten Zellen zugegriffen (Transkriptionsfaktoren) und so deren Proteinsynthese gesteuert werden.
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Die verwendeten Informationsstoffe können ganz verschiedener Art sein:
Amine,
Acetylcholin, Peptide, Purine, Steroide, Prostaglandine und andere
Eikosanoide, auch Gase (Stickstoffmonoxid); fast alle wirken über
Rezeptorproteine. Sie verschwinden meist sehr schnell wieder vom
Wirkort, weil sie abgebaut, von den sezernierenden Zellen
wiederaufgenommen oder in die Umgebung abtransportiert (und dann z.B.
von Niere oder Leber ausgeschieden) werden. Wie ein Stoff sich im Körper verteilt und wieder verschwindet,
untersucht die Kinetik, wie er auf die Gewebe wirkt, seine Dynamik.
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Der Blutspiegel einer solchen
Substanz und ihre Wirksamkeit im Körper korrelieren nur bedingt: Beispielsweise kann die Zahl passender Rezeptoren
vermindert sein - damit ist auch die biologische Wirksamkeit gesenkt (Refrakterität),
ohne dass sich das in den Blutwerten widerspiegeln muss. Andererseits kann der
Blutspiegel ein brauchbarer Anhaltspunkt für die Bildungsrate eines
Signalstoffs sein - etwa sagt der Noradrenalinspiegel etwas über die Aktivität des
Sympathikus aus.
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Sympathikus, Parasympathikus und Darmnervensystem werden als autonomes Nervensystem
zusammengefasst: Sie funktionieren recht selbständig, sind aber doch
über Verbindungen mit dem Zentralnervensystem in einen übergeordneten
Funktionsrahmen eingebunden. Der Hypothalamus steuert die meisten Hormonsysteme (neuro-humorale Koordination) in Abhängigkeit von der
Gesamtsituation des Körpers. Man spricht
von ergotropen (sich aktiv mit der Umwelt auseinandersetzenden: Angriff, Flucht..) und trophotropen Funktionszuständen (Verdauung, Erholung..).
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Wie wirken Signalstoffe auf ihre Zielzellen? Die Reaktion mit dem
"zuständigen" Rezeptor - in der Zellmembran (hydrophiler
Signalstoff) oder in der Zelle (lipophiler
Signalstoff) - löst sekundäre Reaktionen aus, die "zweite Botenstoffe" (second messenger)
und Enzyme betreffen. Diese aktivieren Zielproteine, die
den Stoffwechsel beeinflussen, oder solche, die
Transkriptionsvorgänge steuern. Im ersteren Fall kann man ziemlich
rasche Effekte erwarten, im letzteren dauert es wesentlich länger bis zur Wirkung
(z.B. Differenzierung und Wachstum der Zelle).
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Interzelluläre Kommunikation kann auch auf elektrischem Weg erfolgen:
Alle Zellen bauen an ihrer Membran eine elektrische Ladung auf (Membranpotential),
die auf unterschiedlicher Konzentration von Ionen beruht. Die elektrische Ladung
der Zelle im Ruhezustand (Ruhepotential) erfolgt im Wesentlichen durch die Auswärtsdiffusion von Kaliumionen (diese werden durch die Aktivität
von Natrium-Kalium-Pumpen in der Zelle angereichert). Die
Auswärtsdiffusion von Kaliumionen wird bei ausreichender Aufladung elektrisch ausbalanciert, ein Gleichgewicht erreicht (Gleichgewichtspotential).
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Reize stören das Ruhepotential - sie können das Membranpotential verstärken (hyperpolarisieren) oder abschwächen (depolarisieren). Treibt
man die Depolarisation über ein "Schwellenpotential" hinaus, reagieren
erregbare Zellen mit einer plötzlichen Entladung -
bedingt durch den Einstrom von
Kationen (Natrium, Calcium). Dieses Phänomen heißt Aktionspotential, wird über die Zelle weitergeleitet und
dient der Übertragung von Information - in codierter Form (zeitliches und räumliches
Muster an mehreren Nervenfasern).
© H. Hinghofer-Szalkay