Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

     
Humoral-neuronale Steuerung und Kontrolle von Organsystemen

Kinetik und Regulation

© H. Hinghofer-Szalkay
 
(Ant)Agonist: αντι = gegen, άγω = ich handle, bewege
Biophase:
βίος = Leben, φασισ = Erscheinung
Dosis: δόσις = Gabe
Effizienz: efficere = hervorbringen, erzeugen
Organ(ismus): ὄργανον = Werkzeug



Der Effekt eines Hormons / Wirkstoffs hängt u.a. von seiner Konzentration am Wirkort ("Dosis") ab. Das läßt sich mittels einer Dosis-Wirkungs-Kurve quantifizieren; sie kennzeichnet auch die Bindungskinetik zwischen Hormon und Rezeptor. Man erkennt eine maximale Wirkung (Emax) und die Hormondosis, welche 50% von Emax (halbmaximale Wirksamkeit) hervorruft.

Die Affinität sagt aus, wie gut ein Stoff an einen bestimmten Rezeptor bindet (das kann für ein Hormon, aber auch seinen Antagonisten gelten); die Effizienz quantifiziert den biologischen Effekt (z.B. Signaltransduktion → zelluläre Antwort).

Hormonrezeptoren in der Zellmembran werden oft nach ihrer Bindung internalisiert (endozytiert) und gehen dadurch der Signalwirkung ihres Hormons verloren: Die Zelle adaptiert, sie verliert ihre Empfindlichkeit (receptor downregulation): Die Zelle wird dem Hormon gegenüber (vorübergehend) refraktär - ganz oder teilweise.

Hormone haben sehr unterschiedliche biologische Halbwertszeiten: Einige werden innerhalb weniger Minuten weitgehend aus dem Kreislauf entfernt (z.B. Angiotensin, Adrenalin); bei einigen braucht es bis zu einer halben Stunde, bis eine sezernierte Menge im Blut halbiert ist (z.B. Aldosteron, Prolaktin); wieder andere verbleiben für mehrere Stunden (einige Vorderlappenhormone); Schilddrüsenhormone sind so stark proteingebunden, dass ihre Halbwertszeit 1-7 Tage beträgt.



Dosis-Wirkungs-Beziehung Regulierung und Modulation Biologische Verfügbarkeit Neuronale und endokrine Kontrolle
 
   Biologische Halbwertszeit

Core messages
 
Dosis, Wirkung, Verweildauer biowirksamer Stoffe
 
Betritt ein Wirkstoff (Hormon, Medikament etc) den Kreislauf, dann verteilt er sich mit einem bestimmten zeitlichen Verlauf, gelangt an sein Ziel (in der sogenannten Biophase, in der sich spezifische Bindungsstellen befinden) und wird schließlich um- oder abgebaut (Hormon-Kinetik).
 

Abbildung: Agonist und Antagonist
  Nach Vorlagen in Wikipedia / Wikimedia

Links: Ein Antagonist konkurriert mit dem Agonisten um eine Bindungsstelle (hier: µ-Opioidrezeptor). Zur Wirkung des Agonisten ist eine Konformationsänderung des Rezeptors erforderlich. Bindung des Agonisten löst diese aus, die des Antagonisten nicht

Rechts: Dosis-Wirkungs-Kurven in Abhängigkeit von verschiedenen Antagonist-Konzentrationen (kompetitive Hemmung). Je höher die Konzentration des Antagonisten (Symbole), desto höher ist die Konzentration des zur Wirkung erforderlichen Agonisten (Abszisse: nach rechts zunehmend)



Das Spiel um Bindungsstellen an Rezeptoren bestimmt, welcher Effekt auf die Zielzellen resultiert. Stoffe, die zwar auf den Rezeptor "passen", jedoch keine Aktion (Enzymaktivierung, second-messenger-Freisetzung in der Zelle) an ihm auslösen, blockieren die Wirkung des "eigentlichen" Botenstoffs (Hormon, Transmitter, Mediator).

Agonisten  sind Substanzen, die durch Bindung an Rezeptoren die zelluläre Signaltransduktion aktivieren.
Antagonisten
   hemmen den betreffenden Agonisten in seiner Wirkung am Rezeptor.

Der Effekt auf den Organismus ist die entscheidende Größe (z.B. welche Änderung des Blutdrucks löst eine bestimmte Dosis Adrenalin aus) und erklärt sich im Allgemeinen nicht nur aus einer einfachen Rezeptorkinetik, sondern es interagieren dabei mehrere physiologische Faktoren (Herzminutenvolumen, Gefäßkontraktion, blutdruckwirksame Reflexe u.a.).
 
Dosis-Wirkungs-Kurve
 
Die Beziehung zwischen Dosis und Gesamteffekt (in vivo) kann als Dosis-Wirkungs-Kurve (dose-response relationship) beschrieben werden:
 


Abbildung: Beispiel einer Dosis-Wirkungs-Kurve
Nach Labelle C, Marinier A, Lemieux S. Enhancing the drug discovery process: Bayesian inference for the analysis and comparison of dose-response experiments. Bioinformatics 2019; 35: i464-73

Antwort (response) in % aller Beobachtungen bei gegebener Dosis als Funktion der Dosis (log10).
 
Bei einer Response-Fraktion von 0 (LDL: low dose response) ist die Dosis unterschwellig bzw. wirkungslos; bei einer Fraktion von 1 (HDR: high dose response) ist der Effekt in 100% der Beobachtungen gegeben. Der Effekt kann eine biologische Anregung oder eine Inhibition (einer Zelle, eines Enzyms u.a.) in vitro sein. IC50 (bzw. EC50, ED50 - I = inhibitory, E = effect, C = concentration, D = dose) ist ein Effizienzmaß: Die Dosis, welche 50% des Maximaleffekts erzielt bzw. bei der in 50% der Beobachtungen eine Wirkung zu beobachten ist (für binäre Phänomene, z.B. Ionenkanal offen oder geschlossen).
 
Die gelbe Linie deutet die maximale Steilheit der Antwortkurve an (IC50 liegt in diesem Bereich)


Dosis-Wirkungs-Kurven können zur Quantifizierung einer Bindungskinetik (Wirkstoff - Rezeptor) herangezogen werden. Die maximale Wirkung (HDR, Emax) und die Dosis des Wirkstoffs, welche genau die Hälfte davon (50%) hervorruft, können in vitro bestimmt werden. So kann z.B. die Wirksamkeit unterschiedlicher Stoffe quantitativ verglichen werden.

Die Bindung eines Wirkstoffs an einen Rezeptor bedeutet noch nicht, dass diese auch eine Wirkung an der Zelle auslöst. Man unterscheidet Affinität, mit der die Bindung an den Rezeptor stattfindet, von Effizienz , mit der der biologische Effekt (Signaltransduktion → zelluläre Antwort) ausgelöst wird.

So kann ein Antagonist zwar Affinität aufweisen (er bindet an den Rezeptor), aber keine Effizienz, und er "verdrängt" so kompetitiv andere, effiziente Wirkstoffe (Rezeptorblocker).

Einige ("konstitutiv aktive") Rezeptoren weisen auch ohne Bindung eines Liganden Wirkung auf (Rezeptoren für Cannabinoide, Serotonin, einige andere Mediatoren), sie sind sozusagen spontanaktiv.

Rezeptorauslastung und Wirkungsstärke: An manchen Zellen genügt es bereits, wenn der Ligand (Agonist) nur wenige (z.B. ~1-10%) der vorhandenen Rezeptoren bindet, um bereits eine volle biologische Wirkung hervorzurufen (die nicht an der Kopplung beteiligten Rezeptoren werden als Rezeptorreserve bezeichnet). Dies bedeutet hohe Empfindlichkeit und ermöglicht einen Effekt schon bei vergleichsweise geringer Konzentration des Wirkstoffes (Beispiel: G-Protein-gekoppelte Neurotransmitter und Hormone).
 
     Variation der Rezeptorreserve verändert die Empfindlichkeit der Zelle gegenüber dem betreffenden Signalstoff.

Ein Antagonist bindet an den Hormonrezeptor, ohne eine biologische Wirkung auszulösen (z.B. Spironolacton als Antagonist des Aldosterons).
 
Regulierung und Modulation
 
Die Herunterregulation von Rezeptoren der Zellmembran durch Endozytose senkt die Hormonbindungskapazität und damit -wirkung. Zellen werden auf diese Weise gegenüber Hormonen für einige Zeit unempfindlich (refraktär). Welche Bedeutung hat dieses Phänomen? Tatsächlich werden viele Hormone (z.B. der Hypophyse) nicht kontinuierlich, sondern diskontinuierlich (pulsatil) freigesetzt. Dies korrespondiert mit der Tatsache, dass die Zielzellen bei kontinuierlicher Anwesenheit des Hormons die Hormonrezeptoren internalisieren und dadurch unempfindlich (refraktär) werden.

So wird die Informationsachse zwischen Drüse und Wirkungsort spezifiziert - man kann das als "Frequenzmodulation" der hormonellen Übertragung bezeichnen: Die Frequenz des "Senders" (Hormondrüse) ist auf die des "Empfängers" (Dauer der Refrakterität hormonempfindlicher Zellen) abgestimmt. Wären diese Frequenzen nicht aufeinander abgestimmt, könnten Hormon-"Sender" und "-Empfänger" nur schwer kommunizieren, die hormonelle Signalübertragung wäre blockiert.

 


Abbildung: Wiederverwertung von GABA (transmitter uptake & release)
Nach Hyland NP & Cryan JF, A gut feeling about GABA: Focus on GABAB receptors. Front Pharmacol 2010; 1: 124

GABA wirkt postsynaptisch inhibierend. Gliazellen (Astrozyten) nehmen es auf und stellen dem präsynaptischen Neuron Glutamin für die Transmittersynthese zur Verfügung.

  AC, Adenytatzyklase     cAMP, zyklisches Adenosinmonophosphat     G, G-Protein     GABA, gamma-Aminobuttersäure


Wiederaufnahme von Signalmolekülen durch die "Senderzelle" entfernt diese aus dem synaptischen Extrazellulärraum (das verhindert eine Blockade der Informationsübertragung) und macht sie andererseits für neue Signalvorgänge wiederverwertbar. Das kann direkt durch die präsynaptische Neuronenendigung erfolgen, es können aber auch Hilfszellen beteiligt sein, wie z.B. bei der Aufnahme von GABA durch Gliazellen:

Gliazellen verfügen über einen GABA-Transporter und wandeln GABA mitochondrial zu Glutamat um; daraus entsteht Glutamin, dieses wird exozytiert und vom Neuron wieder aufgenommen, zu GABA umgewandelt (Glutamat-Decarboxylase - besonders reichlich im Kleinhirn vorhanden, wo hemmende Synapsen überwiegen) und als Transmitter wieder verwendet ( Abbildung).
 
Verweildauer und biologische Verfügbarkeit
 
Die Bioverfügbarkeit einer Substanz gibt an, wie groß der Anteil der (im Körper vorhandenen) Menge ist, der auch tatsächlich wirksam wird. In der Pharmakologie sagt man, die Bioverfügbarkeit eines i.v. gegebenen Medikaments beträgt unmittelbar nach seiner Gabe 100% (der applizierten Dosis). Die Bioverfügbarkeit kann von zahlreichen Faktoren abhängen, wie tageszeitlichen Einflüssen, Verteilungsmechanismus, Interaktion mit anderen Substanzen, Biotransformation, Abbau und Ausscheidung, etc.

Die Definition des Begriffs "Bioverfügbarkeit" hängt vom jeweiligen Anwendungszusammenhang ab.


    Eine wichtige Kenngröße ist die biologische Halbwertszeit der Signalmoleküle (Hormone, Mediatoren, Transmitter), das ist die Zeit, die vergeht, bis ein zu einem Startzeitpunkt gegebener Molekülpool (z.B. radioaktiv markiert) zur Hälfte aus dem betreffenden Kompartment - üblicherweise dem Blutplasma bzw. Extrazellulärraum - verschwunden ist. Diese Dynamik hängt ganz wesentlich von der chemischen Beschaffenheit des Signalstoffs ab:

     Hydrophile Signalstoffe (der weitaus größere Teil - Peptide, Aminosäurenabkömmlinge, Prostaglandine) sind gut im Blutplasma löslich und benötigen typischerweise kein Transportvehikel (Ausnahmen bestätigen die Regel - z.B. dienen IGF-Bindungsproteine der Beeinflussung der IGF-Bioverfügbarkeit). Ihre Konzentration im Blutplasma ist niedrig (10-12 bis 10-10 M/l).

Sie gelangen leicht an die Zellen im Gewebe, können jedoch die Zellmembran (Phospholipide!) nicht durchdringen. Sie binden an Membranrezeptoren und lösen rasche intrazelluläre Folgereaktionen (Minuten bis Stunden) aus ( s. dort). Teils werden sie rezeptorgebunden von der Zelle aufgenommen, teils im Blut, der Leber oder nach Filtration und Rückresorption in den Nierentubuli abgebaut (Proteasen). Das erklärt die kurze Halbwertszeit der meisten Signalstoffe (typischerweise einige Minuten).

      Lipophile (hydrophobe) Hormone benötigen Transportmoleküle, an die sie binden (Löslichkeit) und die den Abbau durch Proteasen und renale Filtration weitgehend verhindern. Das erhöht ihre Halbwertszeit (Stunden bis Tage). Beispiele: Steroide, Schilddrüsenhormone.

Diese Hormone diffundieren - soferne sie bis ins Gewebe vorgedrungen sind - durch die Zellmembran (da lipophil) und binden an intrazelluläre Rezeptoren. Typischerweise beeinflussen sie dadurch die Proteinsynthese (Transkription → Translation). Ihr Effekt setzt im Rahmen dieses zeitaufwendigen Mechanismus zeitverzögert (1-2 Stunden) ein.
 
Rasche Wirkung und kurze Wirkungsdauer sind also typisch für hydrophile Signalstoffe, während sich lipophile durch verzögerten Wirkungseintritt, aber lange Dauer auszeichnen. Beispiel: Akuter Stress → Adrenalin, chronischer Stress → Cortisol (
s. dort).
 
Die biologische Halbwertszeit kann Minuten bis Tage betragen (Richtwerte - die Angaben in der Literatur schwanken z.T. beträchtlich):


 

Biologische Halbwertszeiten im Kreislauf

Richtwerte nach verschiedenen Quellen kompiliert
< 10 min
< 1 h
Stunden / Tage
Adrenalin
 
<3 min
Calcitonin
 
Renin
 
Testosteron
 
~10-20 min
Cortisol
 
Östrogene
 
~60-90 min
Glucagon
 
Insulin
 
Liberine
 
Oxytozin
 
Parathormon
 
Statine
 
Vasopressin
 
~5 min
Aldosteron
 
Angiotensin II
 
Progesteron
 
Prolaktin
 
Wachstumshormon
 
~20 (10-60) min
hCG
 
~500 min

ACTH
 
FSH
 
LH
 
~3-10 min

Thyreotropin
 
~50 min
T3 ~1 Tag
 
T4 ~7 Tage


Die Messung einer Halbwertszeit (half life) ist nicht trivial: Beginnt man z.B. mit einem Bolus (Injektion) radioaktiv markierten Hormons (Messbarkeit!), das während der Beobachtungszeit abgebaut wird, stören molekulare Bruchstücke die Messung, wenn diese radio-, aber nicht bioaktiv sind. Weiters verläuft die Verteilung im Organismus meist in komplexer Weise - Kinetik -, und die Bindung an verschiedenen Stellen des Körpers (Dynamik) erfolgt je nach Ausstattung der Zellen mit entsprechenden Rezeptoren. Weiters muss klar sein, in welchem Kompartiment die Messung erfolgt ist und unter welchen Begleitumständen.
 
 
Abbildung: Komponenten der Bioverfügbarkeit

Substanzen können auf verschiedene Weise in den Körper gelangen, z.B. werden sie von Zellen direkt in das Blut abgegeben (Hormone etc) oder sie betreten den Körper über das Verdauungssystem (Ingestion). Die Leber verändert zahlreiche Stoffe (Biotransformation), was z.T. deren biologische Wirksamkeit verändert.
 
Wie gut eine Substanz an einem Zielgewebe verfügbar ist (Bioverfügbarkeit), hängt von mehreren Faktoren ab, u.a. wie sie durch den Extrazellulärraum transportiert (Fettlöslichkeit?), wie stark sie in Verteilungsräumen (Kreislauf, Knochen, ...) festgehalten, oder wie rasch sie (von der Leber) inaktiviert und/oder (von den Nieren) ausgeschieden wird



Die Verweildauer einer Wirkstoffs - und damit seine biologische Verfügbarkeit (bioavailability) - ist umgekehrt proportional zur biologischen Halbwertszeit; beide sind von Faktoren der Hormonkinetik anhängig. Die Bioverfügbarkeit ist eine Kennzahl für den Anteil eines Hormons oder anderen Wirkstoffes, der (für den praktischen Zweck der Messbarkeit) im Blut, aber insbesondere (physiologisch entscheidend) an den Rezeptoren der Zielzellen zur Verfügung steht.

Die Kennzeichnung der Bioverfügbarkeit erfolgt über entsprechende mathematische Hilfsmodelle, da ja die Bindung von Hormonen an den verschiedenen Zielzellen des Körpers nicht direkt messbar ist. Dabei spielen Größen eine Rolle wie
 
     Struktur und Eigenschaften des Verteilungsraums (Organismus)
 
     in den Kreislauf (aus z.B. einer Drüse) abgegebene / (von außen) eingebrachte Dosis oder Infusionsrate
 
     (maximale) Konzentration im Blut, Zeitpunkt des Erreichens der maximalen Konzentration
 
     Verteilungsvolumen / Verteilungsvolumina
 
     Clearance
 
     Bioverfügbarkeit der betrachteten Substanz
 
Neuronale und endokrine Kontrolle
 
Zellen, Gewebe und Organe tauschen im Organismus Informationen aus - eine Grundlage für jegliche Kommunikation und Voraussetzung für geordnete Funktionen. Dieser Informationsaustausch kann mechanisch, elektrisch oder chemisch erfolgen - letzteres über Signalsubstanzen, z.B. an Synapsen (dann spricht man von Neurotransmittern), über den Kreislauf (dann spricht man von Hormonen) etc.

Im Rahmen regulativer Strukturen im Körper sind meist neuronale Informationsübertragungen (über sensorische, "afferente" sowie exekutive, "efferente" Nerven) in das System integriert; nur bei einfachen hormonellen Systemen kann die Steuerung ohne Nervenzellen erfolgen (Beispiel #6 in der 
Abbildung). Allen Regelsystemen ist gemeinsam, dass sie über ein Zentrum verfügen, dass Zustandsvariablen misst und mit Sollwerten vergleicht ("integrierendes Zentrum"). Das können einzelne Zellen oder mehr oder weniger komplexe Zellverbände sein, die dann meistens im Zentralnervensystem zu finden sind.

Neuronale, endokrine (hormonelle) und neuroendokrine Regelkreise können so unterschiedlich komplexe Strukturen annehmen
:
  Sie können einfach gestaltet sein, wie bei einfachen neuronalen (1, links) oder endokrinen Reflexen (6, rechts);
  oder es handelt sich um zusammengesetzte Funktionsmuster, bei denen einmal oder öfter ein Transportweg über die Blutbahn integriert ist.
 

Abbildung: Strukturen neuronaler und endokriner Regulation
Nach einer Vorlage bei Silverthorn, Human Physiology, an integrated approach, 4th Int'l ed. 2007, Pearson / Benjamin Cummings

Diesen verschiedenen Mustern ist gemeinsam, dass sie von der Reizung an Rezeptoren ausgehen (und damit auf spezifische Signale reagieren) und zu einer bestimmten Reaktion führen, die dann auf die Reizgröße zurückwirken kann (Rückkopplung).

1: Einfacher neuronaler Reflex
 
2: Neurohormoneller Weg
 
3-5: Neuroendokrine Reflexe
 
6: Einfacher endokriner Reflex


Bei komplexeren Mustern liegt im Gehirn ein integrierendes Zwischenglied (insbesondere im Hypothalamus), wodurch neurophysiologische Aspekte in die Steuerung miteinbezogen werden können.

Einfache neuronale Reflexe (Beispiel 1) können die Veränderung eines Zustandes (z.B. Muskellänge) mit einer entsprechenden Korrektur beantworten (Muskelspindelreflex). Der Zustand wird über afferente Nerven an Zellen in Rückenmark oder Hirnstamm geleitet, wo "integrierende" Zellen sitzen (welche auch andere Zustandsgrößen berücksichtigen); die Efferenz aktiviert motorische Vorderhornzellen als Zielzellen, die Reaktion ist eine Muskelkontraktion.

Beim neurohormonellen Weg (Beispiel 2) sezerniert das efferente Neuron nicht einen Neurotransmitter, sondern ein Hormon, das in die Blutbahn abgegeben wird und so alle Organe und Gewebe im Körper erreicht (z.B. Oxytocinausschüttung bei Laktation - Stillreflex).

Neuroendokrine Reflexe haben eine, zwei oder sogar drei hormonelle Zwischenstufen in die Efferenz eingebaut. Dementsprechend nimmt auch die Zahl der möglichen regulativenm Einflussnahmen auf die Zwischenglieder zu. Beispiele: 3, Insulinausschüttung bei parasympathischer Anregung; 4 und 5: hypothalamisch-hypophysär vermittelte Reflexmuster.
 
Zu komplexen neuroendokrinen Regulationen s. dort

Einem einfachen endokrinen Reflex (Beispiel 6) fehlen neuronale Elemente (z.B. Insulinausschüttung bei Anstieg des Blutzuckerspiegels)
 

 
      Antagonisten konkurrieren mit Agonisten um spezifische Bindungsstellen an Rezeptoren, an denen letztere eine Konformationsänderung bewirken. Je höher die Konzentration des Antagonisten, desto schwerer ist eine Wirkung durch den Agonisten zu erzielen (kompetitive Hemmung). Stoffe, die an den Rezeptor binden, ohne wirksam zu werden, hemmen den betreffenden Agonisten in seiner Wirkung am Rezeptor. Die Dosis-Wirkungs-Kurve beschreibt die Beziehung zwischen Dosis und Effekt. Bei einer Responder-Fraktion von 0 ist die Dosis unterschwellig / wirkungslos; bei einer Fraktion von 1 reagieren alle Probenden (100%)
 
      Dosis-Wirkungs-Kurven quantifizieren die Bindungskinetik (Wirkstoff - Rezeptor). Man bestimmt die maximale Wirkung (Emax) und die Dosis  des Wirkstoffs, welche genau die Hälfte davon hervorruft (EC50, ED50 - C = concentration, D = dose). Das ermöglicht den Vergleich der Wirksamkeit unterschiedlicher Agenzien. Affinität gibt das Maß der Bindung an den Rezeptor an, Effizienz den biologischen Effekt (Signaltransduktion → zelluläre Antwort). Ein Antagonist kann gute Affinität aufweisen, ohne Effizienz zu haben (z.B. Rezeptorblocker). Einige Rezeptoren weisen auch ohne Bindung eines Liganden Wirkung auf (Rezeptoren für Cannabinoide, Serotonin, einige andere Mediatoren), sie sind sozusagen spontanaktiv ("konstitutiv aktiv")
 
      Bindet der Agonist nur wenige (z.B. ~1-10%) der vorhandenen Rezeptoren, kann das manchmal bereits eine volle biologische Wirkung erzielen, wie z.B. bei G-Protein-gekoppelten Neurotransmittern und Hormonen (die nicht an der Kopplung beteiligten Rezeptoren werden als Rezeptorreserve bezeichnet). Variationen der Rezeptorreserve verändern die Empfindlichkeit der Zelle gegenüber dem betreffenden Signalstoff. Wird die Zahl der Rezeptoren reduziert (herunterreguliert), sinkt die Hormonbindungskapazität und damit -wirkung. Zellen können auf diese Weise gegenüber Hormonen für einige Zeit refraktär werden. Das kann durch rasche Aufnahme des Transmitters durch angrenzende Zellen verhindert werden, wie z.B. bei der Aufnahme von GABA durch Gliazellen im Kleinhirn
 
      Bioverfügbarkeit quantifiziert den Anteil eines Stoffes, der tatsächlich wirksam ist. Sie hängt von zahlreichen Faktoren ab (zirkadiane Einflüsse, Verteilung, Interaktion mit anderen Substanzen, Biotransformation, Abbau und Ausscheidung). Eine Kenngröße ist die biologische Halbwertszeit. Hydrophile Signalstoffe (Peptide, Aminosäurenderivate, Prostaglandine) sind gut im Blutplasma löslich und benötigen kaum Transportproteine, ihre Konzentration im Blutplasma ist niedrig, sie gelangen leicht an die Zellen im Gewebe, binden an Membranrezeptoren und lösen rasche intrazelluläre Folgereaktionen aus. Teils werden sie rezeptorgebunden wiederaufgenommen, teils systemisch abgebaut: kurze Halbwertszeit. Lipophile Signalstoffe benötigen Transportmoleküle, haben längere Halbwertszeiten, diffundieren durch die Zellmembran, binden an intrazelluläre Rezeptoren und beinflussen die Expression von Zielgenen; ihr Effekt setzt zeitverzögert ein
 

 




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