

Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
Integrative
Funktionen des Nervensystems, Physiologie des Verhaltens
Glia und Liquor
© H. Hinghofer-Szalkay

Arachnoidea: ἀράχνη = Spinne (Spinnwebenhaut)
Aquaeductus Sylvii: Franciscus Sylvius
Astrozyt: ἄστρον = Stern ("Sternzelle")
Davson-Gleichung: Hugh Davson
Ependym: επένδυμα = Oberkleid
Glia: γλία = Leim
Foramina Luschka: Hubert v. Luschka
Foramen Magendie: Francois Magendie
Foramen Monroi: Alexander Monro (2.)
Meningen: μῆνιγξ = Haut
Oligodendrozyt: ὀλίγος = wenig, δένδρον = Baum
Pacchioni-Granulationen: Antonio Pacchioni
plexus chorioideus: plexus = Netzwerk, χόριον = (den Fetus einschließende) Membran
Virchow-Robin-Raum: Rudolf Virchow, Charles-Philippe Robin
Gliazellen
helfen bei Signalvermittlung und Stoffwechselsteuerung und bilden
"Gliotransmitter" (Glutamat, GABA u.a.), die über längere Strecken
breite Wirkung entfalten können ("Volumentransmission"). Zu ihnen zählen Astrozyten, Oligodendrozyten und Mikrogliazellen.
Astrozyten schmiegen
sich eng an Nervenzellen, andere Astrozyten und Blutgefäße. Sie legen
einen zerebralen Glykogenvorrat an (Energiespeicher), den sie auch
metabolisieren (Laktatbildung) - Hypoglykämiephasen von mehreren
Minuten Dauer können so überbrückt werden. Sie nehmen synaptisch
freigesetzte Transmitter sowie freigesetztes Kalium auf
(Pufferfunktion), stabilisieren Entladungsfolgen zentraler
Rhythmusgeneratoren und sind Teil der Blut-Hirn-Schranke.
Oligodendrozyten bilden Myelinscheiden aus, manche regulieren auch die extrazelluläre Umgebung der Nervenzellen (Satelliten-Oligodendrozyten).
Mikroglia macht das
Immunsystem des Gehirns aus; diese Zellen reagieren auf entsprechende Signale (Chemokine),
reparieren beschädigte Nervenzellen und entsorgen - z.T. als
Makrophagen - Zellfragmente.
Der Liquor cerebrospinalis -
produziert vom plexus chorioideus - stützt (mechanisch) und schützt
(immunologisch) das Nervengewebe, erleichtert die Durchblutung und
liefert ein optimales neuronal microenvironment.
Der Liquordruck trägt zur Stabilisierung des Gehirns und seiner Durchblutung bei und ist lageabhängig (hydrostatische Druckgradienten); bei Lumbalpunktion in Seitenlage beträgt er normalerweise 1-2 kPa.
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Übersicht
Astrozyten
Blut-Hirn-Schranke
Oligodendrozyten
Mikroglia
Liquor cerebrospinalis
Liquor: Zusammensetzung
Intrakranieller Druck
Core messages
Die Hirnhäute (Meningen
) umgeben das gesamte ZNS und bestehen aus mehreren Lagen (<Abbildung):

<Abbildung: Hirnhäute
Nach einer Vorlage bei Pearson Education 2011
Die dura mater
(harte Hirnhaut) ist eine kompakte bindegewebige äußere Schutzschicht.
Sie liegt unter dem Schädelknochen, an das innere Periost angelagert.
Die Arachnoidea (Spinnwebenhaut) besteht aus dünnen Zelllagen, die mittels tight junctions miteinander verknüpft sind. Die Arachnoidea bildet auch eine Schichte zwischen Liquor und Blutgefäßen im Subarachnoidalraum (zwischen Arachnoidea und Pia mater) und kann hier Fremdmaterial phagozytieren.
Die pia mater liegt der Gehirnoberfläche (über eine Basalmembran einer fast kontinuierlichen Lage von Astrozyten, der glia limitans) als dünne Bindegewebsschicht direkt auf. Sie bedeckt auch Blutgefäße, die aus dem Subarachnoidalraum zum Gehirn ziehen.
Die Funktion der Hirnhäute besteht in mechanischem Schutz des
Nervengewebes (Flüssigkeitskissen), Stützfunktion ("Aufhängung" von
Blutgefäßen, die durch den Subarachnoidalraum ziehen),
Reinigungsfunktion (Phagozytose von Peptiden wie Amyloid, Abbau /
Entfernung diverser Stoffwechselprodukte), Weiterleitung geringer
Mengen Liquor in die Tiefe des Gehirns (über periarterielle Spalten,
die als spatium perivasculare bzw. Virchow-Robin-Raum
bezeichnet werden).
Man nimmt an, dass diese Flüssigkeit über die glia limitans
(Astrozyten) in die extrazelluläre Flüssigkeit des Gehirns übertritt
und dann über perivenöse Spalträume wieder in den Liquor übertritt.
Druckpulsationen der arteriellen Gefäße scheinen den Flüssigkeitsstrom
anzutreiben. Dieses glymphatische System ("Glia" / "lymphatisch") stellt vermutlich ein extrazelluläres Spülsystem dar, ähnlich dem Lymphkreislauf. So kann z.B. die Entfernung von Glutamat
aus perineuronalen Räumen einer Übererregung von Nervenzellen
vorbeugen. Aus dem Gehirn solchermaßen (letzlich über meningeale
lymphathische Gefäße) abtransportierte (auch potentiell schädliche)
Stoffe können dann von Leber und Nieren abgebaut und aus dem Körper
entfernt werden.
Gliazellen schützen, unterstützen, isolieren
Der
Spaltraum zwischen Zellen im Gehirn ist durchschnittlich nur etwa 20 nm
weit. Wegen der enormen Oberfläche der Zellen beträgt das Volumen der extrazellulären Flüssigkeit im Gehirngewebe (brain extracellular fluid) dennoch ca. 20% des gesamten Hirnvolumens (dieser Wert kann sich bei hoher Aktivität in kürzester Zeit auf ~17% des Hirnvolumens reduzieren, bei akuter Hypoxie sogar auf bis zu 5% - durch Anschwellen der Zellen). Stoffe diffundieren durch solch winzige Spalträumen nur schwer (tortuosity) - normalerweise um ~60% reduziert -, umso weniger, je enger sie sind. Die Regulation des extrazellulären Anteils des Gehirnvolumens ist daher entscheidend für Versorgung (Sauerstoff, Glucose, Aminosäuren, Vitamine, Spurenelemente) und Abtransport (Signalstoffe, Wachstumsfaktoren, CO2, metabolische Endprodukte).
Zellschwellung im Gehirngewebe behindert den Stoffaustausch.
Gliazellen
beteiligen sich in besonderer Weise an den notwendigen Transportprozessen. Sie sind im Gehirn zahlreicher als Neuronen
(man schätzt ihre Zahl ungefähr auf das Zehnfache derjeniger an
Neuronen) und machen insgesamt knapp die Hälfte der Gehirnmasse aus;
sie bleiben lebenslang teilungsfähig.
Es gibt zwei große Gruppen an Gliazellen: Makroglia
- hierher gehören Astrozyten (sie kommunizieren mit Neuronen und
ummanteln vor allem deren synaptischen Zonen) und myelinbildende Zellen
(Oligodendroglia im ZNS, Schwann-Zellen in peripheren Nerven) - und Mikroglia, die Immunpolizei des Gehirns.
Gliazellen spielen bei Signalvermittlung und Stoffwechselsteuerung im
Gehirn eine
wichtige Rolle und setzen Transmitterstoffe frei (>Abbildung).
>Abbildung: Kommunikation zwische Glia- und Nervenzelle
Nach Del Rio R, Quintanilla RA, Orellana JA, Retama MA, Neuron-Glia Crosstalk in the Autonomic Nervous System and Its Possible
Role in the Progression of Metabolic Syndrome: A New Hypothesis. Front Physiol 2015 Dec 1;6:35050
Auch Gliazellen setzen Transmitter wie z.B. Glutamat frei - teils durch Exozytose (1), teils wohl auch durch Connexin- / Pannexin- (P2X7-) Halbkanäle (HC, 2). Das sind gap-junction-Strukturproteine, deren längerfristige Aktivierung den Austausch von Gliotransmittern erlaubt (3), u.a. in Astrozyten (4), durch Anionenkanäle (VRAC: volume-regulated anion channels, 5) sowie andere Kanäle und Kotransporter (7).
Auch ein Transport von Makromolekülen, Viren oder Organellen über Vesikel ist möglich (6). Nerven- und Gliazellen können weiters Stoffe und Signale über Nanotubuli (8), Rezeptor-Liganden-Interaktion (9) und gap junctions (10) austauschen

Zu diesen "Gliotransmittern"
zählen Glutamat, GABA, D-Serin, ATP, Wachstumsfaktoren und Laktat. Diese wandern nach ihrer Freisetzung nicht
selten über relativ große Strecken und bedingen so eine breite Wirkung
in ihrer Umgebung ("Volumentransmission"). Für alle diese Stoffe existieren spezifische
(auch Laktat-) Rezeptoren.
Regeneration: Gliazellen können sich zeitlebens regenerieren, was vor
allem dann geschieht, wenn das Nervengewebe verletzt wurde. Zur Glia des Gehirns zählen Astrozyten, Oligodendrozyten und Mikrogliazellen; dazu kommen spezielle Zellen wie die Bergmann-Glia im Kleinhirn.

<Abbildung: Astrozyten, Oligodendrozyten, Mikroglia und Ependym unterstützen das neuronale Gewebe
Nach einer Abbildung der Rice University bei cnx.org
Astrozyten können mit bis zu 30.000 anderen Zellen Kontakt aufnehmen und sind die häufigsten Gliazellen im ZNS; Oligodendrozyten bilden Myelinscheiden und beeinflussen so die Leitungsgeschwindigkeit; Mikrogliazellen sind immunkompetent und können sich in Phagozyten verwandeln.
Das Ependym
ist eine einzellige Schicht von Gliazellen mit langen Zilienfortsätzen. Es kleidet die Ventrikelwände und plexus chorioidei
aus, wo Liquor wischen den Ependymzellen in das Interstitium des
Gehirns eintreten kann. Die Zilien helfen beim Transport des Liquor
durch Ventrikel und Verbindungsgänge.

In der Peripherie finden sich Satelliten- oder Mantelzellen, Schwann'sche Zellen, enterische Gliazellen und Müller-Zellen
in der Netzhaut. Daran erkennt man die vielfältigen Funktionen, die
Gliazellen sowohl im Gehirn als auch in peripheren Geweben erfüllen.
Gliazellen werden 1856 von Rudolf Virchow als "Nervenkitt" bezeichnet. Gheorghe Marinescu
erkennt 1896, dass Gliazellen Neuronen phagozytieren können. Die
Unterteilung von Gliazellen in vier Gruppen erfolgt 1920 durch Pio del Rio-Hortega. 1966 zeigen Stephen Kuffler und Mitarbeiter, dass Gliazellen auf neuronale Impulse reagieren. 1970 beschreibt Pasko Rakic, wie sich wachsende Neuronen an radiären Gliazellen orientieren.
Gliazellen
sind keine passiven, "stillen" Begleitzellen, sondern sehr aktiv und
anpassungsfähig. Sie exprimieren Rezeptoren und Transporter und setzen
Mediatoren frei. Das meiste
Glutamin, das die Neuronen im ZNS zur
Glutamatbildung verwenden, beziehen sie von Gliazellen (diese nehmen
bei neuronaler Aktivität den Transmitter auf und können ihn bei Bedarf
wieder bereitstellen).
Astrozyten
kennt man in mehreren Spielarten: Protoplasmatische Astrozyten in der grauen Substanz, eng mit Synapsen und Blutgefäßen verknüpft; fibrilläre Astrozyten in der weißen Substanz, in Kontakt mit Ranvier-Schnürringen der Axone; weiters radiäre Gliazellen, die als Leitstrukturen und Ersatzzellen dienen (Bergmann-Glia im Kleinhirn - diese verfügt über Glutamatrezeptoren -, Müller-Zellen in der Netzhaut).
Astrozyten sezernieren synaptogene Faktoren,
welche die Bildung neuer Synapsen fördern, können andererseits
überschüssige Synapsen durch Phagozytose eliminieren (beides
unterstützt vermutlich Lern- und Gedächtnisleistungen), wirken als Radikalfänger, beteiligen sich an der Blut-Hirn-Schranke und spielen eine zentrale Rolle bei der Verknüpfung von neuronaler Aktivität und lokaler Durchblutung (neurovascular coupling):
>Abbildung: Astrozyten als zentrale Mediatoren des neurovaskulären coupling
Nach Shih EK, Robinson MB. Role of Astrocytic Mitochondria in Limiting Ischemic Brain Injury? Physiology 2018; 33: 99-112
Links: Astrozyten
nehmen aus Nervenzellen freigesetztes
Glutamat
mittels
GLT (Glutamattransporter) /
GLAST (Glutamate aspartate transporter) auf.
Rechts (stärker vergrößert): Die Glutamataufnahme triggert die Freisetzung von
Calciumionen (
Ca++) und dieses die Aktivierung
vasoaktiver Faktoren -
Arachidonsäuremetabolite: über COX-1 (Zyklooxygenase) Prostaglandine (
PGE2, relaxierend), über Zytochrome (CYP450) 20-Hydroxyeikosatetraensäure (
20-HETE, konstringierend).
Der Gesamteffekt auf die Arteriolen kann durch den Betrag des Sauerstoffpartialdrucks (
pO2) und die Größe des
Calciumsignals beeinflusst sein.
Die Aufnahme von Glutamat in Astrozyten immobilisiert weiters Mitochondrien durch geänderte Bindung von Enzymen (
Miro,
Trak
- diese formen mit
Kinesin und Dynein einen mitochondrialen
Motorkomplex zum Transport an Mikrotubuli).
Auf diese Weise stoppt das
Calciumsignal die Mitochondrien - die vermutlich an der Steuerung der Durchblutung beteiligt sind - im erregten Gebiet

Außerdem
reagieren Gliazellen auf die Anwesenheit von Glutamat mit Freisetzung
von D-Serin; dieses ist ein Ko-Agonist zu Glutamat und setzt Calciumionen frei, was wiederum andere Astrozyten aktiviert.
Ein Teil des synaptisch freigesetzten Glutamats wird von Astrozyten
aufgenommen, zu
Glutamin umgebaut und wieder verwendet; dieser Prozess kann zu
Glutamatanreicherung führen, was toxisch wirkt -
z.B. bei Traumen, Ischämie oder Hypoglykämie (Exzitotoxizität).
Glutamattoxizität: In solchen Situationen nimmt der intrazelluläre ATP-Spiegel und die
Aktivität der Na-K-Pumpe ab, Natrium reichert sich in den Zellen und
Kalium extrazellulär an, die
Zellmembranen depolarisieren. Gliazellen können nur wenig oder kein
Glutamat mehr aufnehmen, es tritt sogar aus den Zellen aus, was das
ionale Ungleichgewicht weiter verschlimmert und die Erregbarkeit der Nervenzellen weiter steigert - ein circulus vitiosus.
Astrozyten-Neuronen-Quotient: Mit zunehmender Komplexität der
Hirnstruktur nimmt die Relation Astrozytenanzahl zu Neuronenanzahl zu (Mensch
1,4 - zum Vergleich: Katze 1,1, Ratte 0,4).

<Abbildung: Lokalisierung verschiedener Glucosetransporter im Gehirn
Nach Maher F, Vannucci SJ, Simpson IA: Glucose transporter proteins in brain. FASEB J 1994; 8: 1003-11
Die verschiedenen Glucosetransporter (GLUT) sind unterschiedlich stark glykosyliert

Astrozyten haben Kontakt
zu Nervenzellen, anderen Astrozyten (ein Astrozyt kann bis zu 3.105
andere Zellen erreichen) und Oligodendrozyten (mittels gap junctions) sowie
zu
Blutgefäßen (sie beteiligen sich an der Sauerstoff- und Glucoseversorgung des Hirngewebes).
Über gap junctions können zwischen zahlreichen Zellen Wasser und Ionen (u.a. Ca++-Wolken)
über Strecken von mehreren hundert µm ausgetauscht werden, was auch
Signalaustausch ermöglicht, der u.a. die lokale Durchblutung verändert.
Glucose ist die ultimative Energiequelle für Nervenzellen. Bezüglich
der Versorgung des Gehirns ist die unterschiedliche Ausstattung mit Glucosetransportern bemerkenswert (<Abbildung):
Glucose
würde über die Blut-Hirn-Schranke völlig unzureichend diffundieren,
wären da nicht GLUT 1 an den zerebralen Endothelzellen (Typ 55K, sehr
reichlich) und an der Astroglia (Typ 45K), GLUT 3 an den Nervenzellen
selbst.
Mikroglia verfügt hauptsächlich über GLUT 5-Transporter.
Kinder mit kongenitaler GLUT 1-Defizienz haben niedrige Glucosespiegel im Liquor (bei normalem Blutzuckerspiegel), was zu Krampfneigung und Entwicklunsstörungen führt.

>Abbildung: Astrozyten und Laktatversorgung der Nervenzellen
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016
Der direkte Transportweg ("para-astrozytär") führt an den Gliazellen vorbei, der "trans-satrozytäre" durch die Glia hindurch.
Sowohl
Endothelzellen als auch Astrozyten verfügen über GLUT1-Transporter, das
ermöglicht den Übertritt von Glucose aus dem Blut in das Interstitium
und Gliagewebe.
Neuronen
verfügen über zwei Energiequellen: Glucose aus dem Interstitium (Aufnahme über GLUT3) oder Laktat aus
den Astrozyten. Bei der Oxidation von zwei Molekülen Laktat zu CO2 entstehen insgesamt 36 Mol ATP.
GLUT 1 / 3, Glucosetransporter
MCT 1 / 2, Monocarboxylattransporter
Versorgung der Neuronen mit Laktat: Astrozyten speichern so gut wie den gesamten Glykogenvorrat
des Gehirns. Dieser kann genutzt werden, wenn die Glucosezufuhr über
das Blut unzureichend ist; fällt die Glucoseversorgung gänzlich aus,
kann der Energiebedarf des Gehirns für maximal 5 Minuten aus diesem
Vorrat gespeist werden (Astrozyten verfügen über die dazu notwendigen
Enzyme).
Glykogen wird bis auf die Stufe Pyruvat / Laktat abgebaut.
Dieses wird mittels Monocarboxylattransportern (MCT) an umliegende
Neuronen weitergereicht, wo es zu Pyruvat rückverwandelt und
anschließend im Zitratzyklus metabolisiert wird (>Abbildung). Dieser
Weg ist wahrscheinlich immer dann aktuell, wenn es zu intensiverer Neuronenaktivität kommt und kann stetig zur Verfügung gestellt werden, zum
Unterschied von möglicherweise stark schwankenden Werten des
Blutzuckerspiegels ("Substratpufferung").

Aquaporine erleichtern den Übertritt von Wasser durch die Blut-Hirn- und Blut-Liquor-Schranke

Astrozyten sind mit Aquaporin 4 ausgestattet, was den Wasserdurchtritt durch Grenzflächen des ZNS ermöglicht (>Abbildung). Aquaporine
sind ubiquitär (auch in Bakterien, Archeen) vorkommende
Zellmembranbestandteile mit ähnlicher Proteinstruktur. Sie erhöhen die
Wasserleitfähigkeit der Membran (bis zu mehreren 109
Wassermolekülen pro Sekunde).
Besonders dicht sind Aquaporine in Nierentubuli,
sezernierenden Drüsenzellen, Erythrozyten, Kapillarwänden,
Lungenalveolen und in der Wand der Gallenblase zu finden, also überall
dort, wo ein reger Wasseraustausch notwendig ist. Im Gehirn spielen sie
u.a. im Kontext der Blut-Hirn-Schranke eine Rolle (das hier verwendete
Aquaporin 4 findet sich auch in Nierengewebe).
Transmitteraufnahme:
Astrozyten
nehmen synaptisch freigesetzten Transmitter auf und bauen diesen ab
(Glutamat, Dopamin, Noradrernalin, Adrenalin, Serotonin). Dadurch
verhindern sie
eine Überreizung postsynaptischer Strukturen. Glutaminsynthetase
der Gliazelle macht aus dem aufgenommenen Glutamin Glutamat, das
wiederum als unmittelbare Glutamat-Vorstufe der Nervenzelle retourniert
wird.
Durch den geringen Abstand und die Ausstattung mit Rezeptoren sowie Ionenkanälen können Astrozyten eng mit Neuronen kommunizieren. Das inkludiert die vorübergehende Aufnahme von Kaliumionen aus dem perisynaptischen Raum ("Kalium-Pufferung").

>Abbildung: Tripartite Glutamatsynapse
Nach
Popoli M, Yan Z, McEwen BS, Sanacora G: The stressed s<napse: the
impact of stress and glucocorticoids on glutamate transmission. Nature
Rev Neurosci 2011; 13: 22-37
Neuronen bilden Glutamat neu aus Glucose, oder aus Glutamin, das von Gliazellen bereitgestellt wird. Die Glutaminaufnahme erfolgt über einen Natrium-gekoppelten Aminosäuretransporter, die Verpackung in Vesikel über einen vesikulären Glutamat-Transporter.
SNARE-Komplexe vermitteln Interaktion und Fusion
mit der präsynaptischen Membran.
Nach seiner Freisetzung in den
synaptischen Spalt bindet Glutamat an metabotrope sowie an ionotrope - NMDA- und AMPA- Rezeptoren (NMDAR, AMPAR)
- prä- und postsynaptisch sowie an Gliazellen.
Aminosäuretransporter
(EAAT: Excitatory amino acid transporter) nehmen Glutamat aus dem synaptischen Spalt auf.
Gliazellen wandeln in Glutamin um (Glutaminsynthetase, neue Bezeichnung Glutamat-Ammonium-Ligase) und
retournieren dieses an die Nervenzelle

Morphologisch wird dieses Zusammenwirken durch Beteiligung am Synapsenaufbau deutlich (tripartite Synapsen): An diesen werden Astrozyten durch Neurotransmitter (via Bindung an Rezeptoren) aktiviert, was intrazellulär Ca++ mobilisiert und zur Freisetzung von Gliotransmittern führt (>Abbildung).
Gliotransmitter sind von Gliazellen freigesetzte Signalstoffe, welche der Kommunikation zwischen Neuronen und Gliazellen dienen. Sie können
von jeder Art Gliazellen sezerniert werden, in erster Linie aber von
Astrozyten, die mit ihrer verzweigten Gestalt viele umliegende Zellen
kontaktieren - auch bidirektional. Wahrscheinlich kann ein Astrozyt mit
mehr als 105 Synapsen interagieren ("tripartite" Synapsen s.
>Abbildung). Astrozyten setzen vor allem Glutamat und ATP frei;
weitere Gliotransmitter sind Homozystein, Taurin, ANF und TNF-alpha).
Gliotransmitter haben spezifische Aufgaben, sie
regulieren die Entwicklung und Funktion von Synapsen und beeinflussen
die Freisetzung von Neurotransmittern und Hormonen. Gliotransmission
erfolgt sowohl zwischen Glia- und Nervenzellen als auch zwischen
verschiedenen Gliazellen (Astrozyten, Oligodendroglia, Mikroglia). In
angeregten Zellen entsteht ein Calciumsignal (Calcium wave) - Calciumionen können durch NMDA-Rezeptoren eintreten (>Abbildung) -, das u.a. die Freisetzung von Gliotransmittern anregt.
Astrozyten nehmen Glutamat über Transporter für exzitatorische Transmitter
(EAAT: Excitatory amino acid transporter) sowie das inhibitorische GABA auf; die Aufnahme sichert einen extrazellulären Glutamatspiegel,
der einen Spiegel von etwa 1 µM nicht wesentlich überschreitet. Das
stabilisiert die Neuronen, die durch starken Anstieg extrazellulären
Glutamats übererregbar würden.
Gliotransmission erfolgt nicht nur im ZNS, sondern auch im peripheren Nervensystem, z.B. zwischen Müller-Zellen und retinalen Nervenzellen.
<Abbildung: Kaliumaufnahme durch Astrozyten
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016
Jedes
Aktionspotential führt in seiner Repolarisationsphase zu einem Austritt
von Kalium aus der Nervenzelle, die Kaliumkonzentration im Interstitium
steigt. Astrozyten wirken puffernd auf das extrazelluläre [K+], indem sie Kalium zwischenspeichern (Kaliumkanäle, Na/K-Pumpe, Na/K/Cl-Kotransporter).
Die erhöhte Kaliummenge kann z.T. über gap junctions in benachbarte Astrozyten weitergegeben werden (nächste >Abbildung)

Astrozyten regulieren auch den extrazellulären Kaliumspiegel in der Umgebung der Nervenzellen unmittelbar ausgesetzt sind und der bei
intensiver neuronaler Aktivität merklich ansteigt (<Abbildung).
Astrozyten haben
ein höheres Ruhemembranpotential (-85 mV) als Nervenzellen (-65 mV).
Das deutet auf eine vergleichsweise höhere K+-Selektivität der Astrozytenmembran hin (Kalium-Gleichgewichtspotential
-90 mV). Astrozyten verfügen über
verschiedene
spannungsgesteuerte Kaliumkanäle und sind sehr abhängig vom
extrazellulären Kaliumwert. Steigt dieser z.B. (in vitro) von 4 auf 20
mM (in vitro - physiologischer "Plafond" ~ 12 mM), depolarisieren
Astrozyten fünffach stärker als Neuronen (um ~25 mV, Nervenzellen nur
um ~5 mV).
Diese Eigenschaft puffert den extrazellulären Kaliumspiegel für
Neuronen, die ja bei Aktivität Kalium freisetzen (K+ buffering) - lokale Anhäufung
extrazellulären Kaliums würde das Membranpotential reduzieren und die
physiologische Ansprechbarkeit der Nervenzelle verändern.
Über die Abhängigkeit von Gleichgewichtspotentialen für verschiedene Kationen und Anionen vom intra / extrazellulären Ionenmuster bei Astrozyten und Nervenzellen s. dort
Astrozyten haben einige Na+- und Ca++-Kanäle, aber kein schnelles Natriumsystem und bilden keine Aktionspotentiale. Aber sie können Nachbarzellen - Gliazellen, Nervenzellen, Endothelzellen - depolarieren und damit deren Erregbarkeit verändern.
Astrozyten sind über gap junctions mit Nachbarzellen verbunden, bilden aber keine Aktionspotentiale
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>Abbildung: "Gliakette": Kaliumtransport durch Astrozyten
Nach einer Voalge in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 1st ed. Saunders 2003
Kaliumionen
werden von aktiven
Nervenzellen im Zuge von Aktionspotentialsalven an den Extrazellulärraum abgegeben (oben: [K+] ~12 mM).
Gliazellen nehmen Kalium mittels aktiven Kaliumtransports durch die Zellmembran auf und befördern sie über gap junctions
durch mehrere
Astrozyten hindurch (funktionelles Synzytium,
intrazelluläre Kaliumkonzentration ~108 mM), bis sie in Zonen nomineller extrazellulärer
Kalium-Konzentration
(unten: ~4 mM) via Kaliumkanäle wieder in den Extrazellulärraum austreten.
Über
gap junctions können Astrozyten auch andere Ionen und organische
Moleküle (bis 1 kDa) austauschen, sowie elektrischen Strom fließen
lassen (funktionelles Synzytium)

Lokale Pufferung des Kaliumspiegels: "Gliaketten"
transportieren Kaliumnionen von Orten hoher extrazellulärer
Kaliumkonzentration (hoher Erregungspegel von Neuronen) auf
intrazellulärem Weg in Zonen niedriger ("normaler")
Kaliumkonzentration, wo Kalium dann wieder an die extrazelluläre
Flüssigkeit abgegeben wird (>Abbildung).
Das ergibt einen räumlichen Pufferungseffekt, der exzessive Anhäufung
extrazellulären Kaliums verhindert - der lokale extrazelluläre [K+] steigt höchstens auf 10-12 mM an (ceiling level).
Umgekehrt können Astrozyten bei niedriger neuronaler Aktivität K+ und Cl- in den lokalen Extrazellullärraum schleusen und so ebenfalls dessen Elektrolytmuster stabilisieren.
Die gesteigerte Aufnahme von Kalium im Falle hoher Aktivität
benachbarter Nervenzellen triggert in Astrozyten den Glucoseabbau und
führt zu intensiverem Laktatnachschub an die (aktiven) Nervenzellen. Gleichzeitig kommt es zu Verlagerung von Bicarbonat in
Astrozyten (elektrogener Na+/HCO3--Kotransport) und senkt den
extrazellulären pH - dies senkt wahrscheinlich die Erregbarkeit der
Nervenzelle (negative Rückkopplung).
Astrozyten beeinflussen also die ionale Zusammensetzung der
extrazellulären Umgebung der umliegenden Nervenzellen. Dadurch wirken
sie sich auch nicht nur auf deren Membranpotential, sondern auch (bei
Überschreitung des Schwellenpotentials)
auf das Triggern von Aktionspotentialen aus.
So ist z.B. anzunehmen, dass
Astrozyten entscheidend an der Auslösung und Stabilisierung rhythmisch
auftretender neuronaler Entladungs-Bursts und damit an der Funktion
zentraler Rhythmusgeneratoren (Central pattern generators, CPG's) beteiligt sind - wie bei Kau-, Atem- oder Gehbewegungen.
Neuronen
sind empfindlich: Blut ist für sie keine geeignete Umgebung, da hier
einige Stoffkonzentrationen deutlich schwanken - z.B. der Spiegel von
Aminosäuren (der nach proteinreichen Mahlzeiten stark ansteigt), von
denen einige als Neurotransmitter wirken und damit die
Informationsübertragung im Gehirn breitflächig stören könnten. Das
Gehirn muss vor solchen Faktoren durch spezifische Barrieren zwischen Blutbahn und Nervengewebe geschützt werden - die sogenannte Blut-Hirn-Schranke. Atemgase, Wasser (Anwesenheit von Aquaporin 4
in Astrozytenendfüßchen), fettlösliche Substanzen und zahlreiche
Wirkstoffe (Alkohol, Nikotin, Koffein, Psychopharmaka..) können die
Blut-Hirn-Schranke passieren.
Endothelzellen zerebraler Kapillaren sind auch enzymatisch aktiv: So
können sie bioaktive Moleküle um- und abbauen (auch Peptide). So wird
z.B. Dopamin durch kapilläre Monoaminooxidasen abgebaut wird, bevor es die Neuronen erreichen könnte.
In die Blutbahn appliziertes Dopamin ist zur Behandlung eines Mb.
Parkinson ungeeignet; L-DOPA wird hingegen von den zerebralen
Blutgefäßen nicht abgebaut, wird über kapilläre neutrale
Aminosäuretransporter (SLC-Transporter) über die Kapillarwand gebracht und ist therapeutisch wirksam.
Eine Passage von Ionen und anderen hydrophilen Substanzen ist durch rezeptorvermittelte Transzytose möglich (z.B. für Insulin). Zirkumventrikuläre Organe sind von der Blut-Hirn-Schranke ausgenommen. Spezielle Transportsysteme existieren ebenfalls, z.B. für Glucose (GLUT1).
Zwischen Zellen der Gefäßwand sowie
Nerven- und Gliazellen (neurovaskuläre Einheit) finden komplexe Interaktionen statt:
<Abbildung: Neurovaskuläre Einheit
Nach Sweeney MD, Zhao Z, Montagne A,
Nelson AR, Zlokovi BV. Blood-Brain Barrier: From Physiology to
Disease and Back. Physiol Rev. 2019;99:21-78
Oben:
Struktur der perivaskulären Räume im ZNS. Der blaue Pfeil deutet die
Strömung von liquor cerebrospinalis durch den Subarachnoidalraum an.
Die neurovaskuläre Einheit
ist ein komplexer Apparat: Sie umfasst außer einer Lage Endothelzellen
- diese bilden eine sehr dichte, selektive Membran, - Nerven- und
Gliazellen (Astrozyten, Mikroglia, Oligodendrozyten) sowie Perizyten
und glatte Muskelzellen (Arteriolen, Venolen).
Bei Arteriolen (links)
trennt die Basalmembran Endothel- und glatte Muskelzellen, die wiederum
von Piazellen umhüllt sind. Außen folgt der Virchow-Robin-Raum zwischen
Pia und der Glia limitans, die von Astrozytenfüßchen gebildet wird. Die
verschiedenen Zellen werden von Nervenfasern kontaktiert.
Bei Kapillaren (rechts)
teilen sich Endothelzellen und Perizyten die Basalmembran. Astrozyten-Endfüßchen sind
auch hier vorhanden.
Unten:
Zellen der neurovaskulären Einheit regulieren die Integrität der
Blut-Hirn-Schranke, die Durchblutung, Interaktionen in der
extrazellulären Matrix, die Entfernung von Transmittermolekülen,
Gefäßneubildung und Neurogenese

Astrozyten und Durchblutung: Steigende neuronale Aktivität führt in angrenzenden Astrozyten zu Calciumausschüttung (calcium waves),
insbesondere in deren Endfüßchen, die an Blutgefäße (auch Arteriolen)
grenzen. Dadurch kommt es zu Vasodilatation und Perfusionssteigerung,
das Gewebe erhält mehr Sauerstoff.

Über die indirekte Bestimmung der
Gehirndurchblutung über das
BOLD-Signal s.
dort
Das zerebrale Endothel bildet die Blut-Hirn-Schranke - an dieser beteiligen sich Astrozyten,
indem sie - mit gap junctions verbundene - Fortsätze dicht um die
Kapillaren aufbauen (tight junctions am apikalen Pol der Endothelzellen begrenzen die parazelluläre Durchtrittsmöglichkeit für Moleküle). An perivaskulären Fortsätzen findet sich Aquaporin 4, das den Austausch von Wasser und damit osmotischen Ausgleich ermöglicht. Zerebrale Endothelzellen sind durch zahlreiche Brückenmoleküle miteinander verbunden, was für die Eigenschaften der Blut-Hirn-Schranke wesentlich ist:
Direkt an der basolateralen Membran finden sich u.a. VE (vascular-endothelial) Cadherin sowie PECAM-1 (platelet endothelial cell adhesion
molecule-1). Gap junctions verbinden die Endothelzellen.
Nahe der apikalen Membran finden sich tight junctions,
sie dichten die Zelllage interzellulär ab (Claudin, Occludin u.a.). An
diesen Stellen finden sich mechanische Verstrebungen mit dem
Zytoskelett.
Zum Gehirn als "immunprivilegiertes Organ" bzw. seine
immunologische Sonderstellung s.
dort
Astrozyten haben im Bereich der Blut-Hirn-Schranke mehrere Aufgaben:
Sie versorgen Neurone mit Energie. Diese wird aus Glykogen,
das die Astrozyten als zellulärer Speicher anlegen (Astrozyten
enthalten so gut wie das gesamte Glykogen im Gehirn), mobilisiert und
als Laktat an die Neuronen
übertragen - falls die Glucoseversorgung aus dem Blut nicht ausreichend
ist (Hypoglykämie) oder für kurze Perioden extremer neuronaler
Aktivität. (Diese Notversorgung reicht nur für wenige Minuten.)
Aus einem Molekül Glucose entstehen 2 Moleküle Laktat, diese liefern
fast gleich viel Energie (28 Moleküle ATP) wie ein Molekül Glucose (30
Moleküle ATP). Dies ist ein fortlaufender Prozess, und der
Laktatspiegel wird so in der Mikroumgebung der Neuronen ziemlich
konstant gehalten (substrate buffering).
Bei steigendem extrazellulären Kaliumgehalt (durch neuronale Aktivität)
nimmt die Bereitstellung von Laktat zu, was die Aktivität der Neuronen
unterstützt.
Sie nehmen freigesetzte Transmittermoleküle (wie Glyzin, GABA) auf und beugen Übererregung vor (insbesondere dämpfen sie die potentiell neurotoxische
Wirkung von Glutamat), und schirmen Synapsen ab - die
Transmitterwirkung bleibt örtlich begrenzt.
Sie bilden
Wachstumsfaktoren, die in ihrer Umgebung funktionserhaltend wirken, sowie Zytokine. In Abwesenheit von Astrozyten nimmt die Synapsenbildung in der betroffenen Region auf ~20% des Normalwerts ab.
Sie bilden mindestens 20 verschiedene Neurotransmitter
(die sie auch aus dem Extrazellulärraum aufnehmen können - darunter
Glutamat und GABA) sowie Rezeptoren, die Neurotransmitter binden.
Sowohl für die Abgabe als auch die Aufnahme der Transmitter gibt es
spezielle Membrantransporter. Bindung von Transmittern beeinflusst (wie
bei Nervenzellen) Membrankanäle und damit Ionenflüsse und
Membranpotential.
Das Epithel der Arachnoidea
bildet die mittlere Schicht der Meningen.
Der plexus chorioideus
produziert den liquor cerebrospinalis (
s. unten).
Diese Zellen bilden zusammen die neurovaskuläre Einheit
(<Abbildung), bestehend aus Endothel-, Glia-, glatten Muskel- und
Nervenzellen. Ihre Interaktion sichert mehrere Funktionen, zu denen
außer der Dichtigkeit / Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke u.a.
Perfusion, Clearance von Transmittermolekülen, und Neubildung von
Gewebe zählen.
Über das GABA-recycling durch Gliazellen s. dort
Oligodendrozyten
bilden
um Neuriten des ZNS die Myelinscheide aus (<Abbildung oben); das
Myelin der Oligodendrozyten unterscheidet sich von dem, das
Schwann'sche Zellen in der Peripherie bilden. Im Gegensatz zur diesen übernehmen Oligodendrozyten die Isolierung von
Abschnitten nicht nur jeweils einer, sondern gleichzeitig mehrerer (bis zu ~30) Nervenfasern. Dabei werden jeweils nur kurze (~1 µm) Abschnitte eines Axons bedeckt, dazwischen liegen Internodien frei, was die Leitungsgeschwindigkeit erhöht (saltatorische Erregungsleitung). Je dicker die vom Oligodendrozyten gebildete Myelinscheide, desto höher ist die Leitungsgeschwindigkeit des Axons.
Es gibt auch Oligodendrozyten, die
nicht der Myelinisierung, sondern der Regulierung der extrazellulären
Umgebung der Nervenzellen dienen (Satelliten-Oligodendrozyten).
Erkrankungsbedingter Verlust der Myelinisierung von Neuriten im ZNS hat
entsprechende Leitungsstörungen zur Folge. Vorläuferzellen der
Oligodendroglia sind in der Lage, zum verletzten Gewebe zu migrieren
(gesteuert durch Wachstumsfaktoren), zu vollwertigen Oligodendrozyten
heranzureifen und neue Myelinscheiden auszubilden (Heilungsprozess).
Oligodendrozyten können die Myelinisierung von Leitungsbahnen in
Abhängigkeit von deren Beanspruchung ändern, wie sich z.B. im Rahmen
von Lernvorgängen im Gehirn zeigt.
Mikroglia
Die Mikroglia
macht etwa 10% des Gliagewebes im Gehirn aus und besteht aus mobilen immunkompetenten Zellen, welche das Abwehrsystem des
Gehirns regulieren. Mikrogliazellen überprüfen mit ihren zahlreichen, vielfach verzweigten Fortsätzen Neuronen auf
Intaktheit - Schäden werden behoben, Zellfragmente entsorgt -, bilden
neurotrophe
Substanzen und
verfügen über eine Reihe verschiedener Rezeptoren. Bleiben Signale von Nachbarzellen (z.B. Chemokine aus
Neuronen) aus, wird die Mikroglia aktiviert.
>Abbildung: Mikroglia verfügt über zahlreiche Rezeptoren für diverse Transmitterstoffe
Nach Gundersen V, Storm-Mathisen J, Bergersen LH. Neuroglial Transmission. Physiol Rev 2015; 95: 695-726
Mikrogliazellen verfügen über zahlreiche Rezeptoren, auf diese Weise
sind sie u.a. von Transmitterstoffen, die von benachbarten Neuriten
freigesetzt werden, unmittelbar beeinflussbar (>Abbildung).
Mikrogliazellen können sich rasch zu Makrophagen verwandeln. Bei
neurodegenerativen Erkrankungen (Parkinson, Alzheimer) kann die Aktivierung der Mikroglia unheilvolle Folgen haben.
Um jedes individuelle Neuron liegt dessen spezielle Umgebung (neuronal microenvironment), das aus extrazellulärer Flüssigkeit (brain extracellular fluid),
Kapillaren, Gliazellen und Nachbarneuronen besteht. Die Aktivität der
Nervenzelle beeinflusst die Zusammensetzung der extrazellulären
Flüssigkeit und vice versa. Zusätzlich wirkt sich der liquor
cerebrospinalis auf die zerebrale extrazelluläre Flüssigkeit aus. Dert
Liquor ist ein Ultrafiltrat des Blutplasmas, Transportvorgänge verändern die Zusammensetzung (
s. unten).
Der Liquor cerebrospinalis (die Hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit) wird von den zottenförmigen, gut durchbluteten, auf Taenien aufgehängten, epithelialen plexus chorioidei
in der Wand der Gehirnventrikel kontinuierlich gebildet (Seitenventrikel: an Fornix und Hippocampus;
III. Ventrikel: am Thalamus; und am Dach des IV. Ventrikels). Die
Seitenventrikel sind über foramina mit dem III., und dieser über den
aquaeductus cerebri (Sylvi'sche Wasserleitung) mit dem IV. Ventrikel
verbunden; er findet einerseits im Zentralkanal des Rückenmarks seine
Fortsetzung, andererseits strömt Liquor aus dem IV. Ventrikel durch
foramina in den Subarachnoidalraum. Eine erwachsene
Person hat etwa 150 ml Liquor (~30 ml in den Ventrikeln und ~120
ml in den subarachnoidalen Räumen des Gehirns und des Rückenmarks).
Die plexus chorioidei (Adergeflechte, "Zottenwulste") sind überzogen von Ependymzellen, speziellen
Gliazellen mit Kinozilien und Mikrovilli. Sie sind die Trennschicht
zwischen Liquor und Hirngewebe. Die spezifische Durchblutung
der plexus ist etwa 10-fach höher als die des Gehirns, sie sind mit
autonomen Nerven versorgt, sympathische scheinen die Liquorproduktion
zu drosseln.
Ultrafiltration: Die Kapillaren der Plexus sind relativ durchlässig, sie liegen außerhalb der Blut-Hirn-Schranke; sie filtrieren druckabhängig Ultrafiltrat in das Stroma.
Selektiver Transport: Die Epithelzellen des Ependyms bilden hingegen eine selektive Barriere (zwischen ihnen liegen tight junctions) und
lassen nur regulierte Passage (einschließlich aktivem Transport in
beide Richtungen) von Elektrolyten, Vitaminen, Spurenelementen, Nährstoffen (auch Peptiden und einigen Proteinen) in den
liquor cerebrospinalis zu (Zusammensetzung s. Tabellen unten).
Liquorproduktion: Die
Tägliche Neubildung von Liquor beträgt mehr als das Dreifache dieses
Volumens (~500
ml/d). Der Großteil entsteht in den plexus chorioidei, etwa 30% in der
Mikrozirkulation des Gehirngewebes (über Virchow-Robin-Räume und den
Abfluss von Filtrat in den Liquor s. oben).

<Abbildung: Liquorräume und Liquorfluss
Nach einer Vorlage bei boundless.com
Im
ZNS besteht ein reger Flüssigkeitsaustausch: Etwa 500 ml Liquor müssen
pro Tag erneuert bzw. aus dem Ventrikel- und Gangsystem abtransportiert
werden.
Mediane Apertur = foramen Magendie
Der Abfluss des liquor erfolgt (<Abbildung)
von
den Seitenventrikeln über die foramina interventriculares (Monroi
) zum 3. Ventrikel,
von hier über den
aqueductus cerebri (Sylvii
) zum 4. Ventrikel,
und aus diesem über das foramen Magendie
(mediane Apertur) und die beiden foramina
Luschka
(linke und rechte laterale Apertur) in den Subarachnoidalraum.
Anschließend wird der Liquor über Pacchioni-Granulationen
(granulationes arachnoidales) aus dem Gehirnbereich, und über
Wurzeltaschen der Hirn- und Rückenmarksnerven in das venöse Blut befördert (teilweise durch Transzytose).
Der Anteil der Resorption der zerebrospinalen Flüssigkeit durch villi arachnoidales im Rückenmarksbereich ist von den Umständen abhängig (knapp 40% im Ruhezustand, ~75% bei körperlicher Belastung).
Ventilfunktion: Liquor kann in den Granulationen und
Wurzeltaschen nur
in Richtung venöse Sinus wandern, nicht umgekehrt (Blut gelangt nicht in den Liquor).
Diese Bewegung ist druckabhängig (die Resorption nimmt mit dem Druck im Liquorraum zu), sodass sich der Liquordruck
normalerweise automatisch auf den Gleichgewichtswert (~1,1 kPa) einpendelt. Es besteht also eine Autoregulation des Hirndrucks
(>Abbildung):

>Abbildung: Bildung und Resorption des Liquor cerebrospinalis
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Die Produktion des Liquor ist so gut wie unabhängig vom Liquordruck (rote Linie). Die Resorption ist druckabhängig:
Sie beginnt mit einem intrakraniellen Druck von etwa 70 mm H
2O (0,7 kPa) und steigt von dort an linear mit dem Druck.
Bei einem Druck von etwa 112 mm H
2O (1,12 kPa) ist die
Resorption exakt gleich groß wie die Neubildung; bei diesem Druckwert
herrscht ein dynamisches Gleichgewicht.
Steigt der intrakranielle Druck weiter an, wird mehr Liquor resorbiert
als produziert, das Liquorvolumen nimmt ab (und damit der Druck)

Die Neubildung des Liquor ist weitgehend unempfindlich
gegenüber den herrschenden hydrostatischen Druckverhältnisseen im
Gehirn, nicht aber die Resorption: Diese steigt ab einem unteren
Schwellenwert (0,7 kPa) linear mit dem Druck an. Daraus ergibt sich,
dass bei geringem Druck die Liquormenge automatisch zu-, bei erhöhtem
abnimmt und sich Liquordruck und -volumen bei einem Sollwert - ~1,12 kPa und ~150 ml - einpendeln.
Der produzierte Liquor fließt von den Hirnventrikeln in den
subarachnoidalen Raum und von dort über villi arachnoidales und
Nervenwurzeltaschen zurück zum Blutkreislauf. Der Ausflusswiderstand
trägt zum Betrag des Liquordrucks bei - kurzfristig steigt dieser
außerdem durch Blutverlagerungen in den (starren) Schädel (mit
arteriellen
Pulsationen, s. >Animation unten), wie sie z.B. bei Lageänderungen (Wechsel von aufrechter zu liegender Position) auftreten.
Der Schädel einer erwachsenen
Person beinhaltet etwa 150 ml Blut, davon ~100 ml venöses (die
Durchblutungsrate des Schädels beträgt ~800 ml/min); Änderungen des
intrakraniellen Blutvolumens äußern sich unmittelbar in
Druckschwankungen im gesamten hydrostatischen System.
Steigt das
intrakranielle Volumen, kommt es zu einem exponentiellen Anstieg des
intrakraniellen Drucks (d.h. die intrakranielle Compliance
nimmt mit dem Volumen ab; zu dieser Compliance trägt vor allem der
spinale Anteil des Systems bei, der ja außerhalb der Schädelkapsel
liegt).
Die dem allgemeinen Strömungsgesetz analoge Formulierung wird als Davson-Gleichung
bezeichnet: Statt Strömung = Druckdifferenz / Widerstand heisst es hier
wobei ICP = intrakranieller Druck (Liquordruck), Pv=
(venöser) Druck im sinus sagittalis superior (das venöse Blut fließt
in erster Linie über die Jugularvenen ab), F = Liquorbildungsrate
(analog "Strömung") - mehr als 500 ml pro Tag -, und R =
Abflusswiderstand. Diese Relation ist eine
Vereinfachung; komplizierende Faktoren sind z.B. kollabierte venöse
Gefäße. Die Beziehung zwischen ICP und Volumen ist nichtlinear - mit
steigendem Hirndruck sinkt die Compliance (stärkeres Anwachsen des
Hirndrucks pro Einheit Volumenzunahme).
Der Liquor stabilisiert das chemische Muster der extrazellulären Flüssigkeit (neuronal microenvironment) und hat
mechanische Stütz- und Polsterungsfunktion. Die
Hirnmasse (~1400 Gramm) "schwebt" fast "schwerelos", sie verhält sich
in der Schädelkapsel mechanisch äquivalent einer frei aufgehängten Masse von <50 Gramm.
Aufgaben des Liquor: Der
mit den Druckpulsen im Gefäßsystem bewegte Liquor
stützt und schützt das Gehirngewebe mechanisch ("Stoßdämpferfunktion" -
die effektive Gehirnmasse ist durch die Einlagerung in Flüssigkeit mit
kaum geringerem (1,007) spezifischen Gewicht wie das Nervengewebe
(1,040) stark reduziert),
wirkt hämodynamisch (Blutdruck) und biochemisch (Zusammensetzung) stabilisierend,
entfernt
neuroendokrine Faktoren und metabolische Endprodukte aus dem
Gehirngewebe ("glymphatisches" System s. oben), weiters
verleiht er dem Nervensystem immunologischen Schutz.
Der Druck im Liquorraum hängt u.a. von Messstelle und Lagerung ab, bei
Lumbalpunktion in Seitenlage werden Werte zwischen 1 und 2 kPa gemessen. Der hydrostatische Indifferenzpunkt
im Liquorsystem liegt im Übergangsbereich von Hals- und
Brustwirbelsäule (die "Null-Ebene" befindet sich in sitzender Position
im Bereich des oberen Halsmarks, d.h. der Liquordruck gleicht hier dem
Außendruck - weiter oben herrscht "Unterdruck", weiter unten finden
sich "positive" Druckbeträge, mit 10 cm Höhenunterschied jeweils um 1
kPa).

<Abbildung: Ependymale Sekretion des liquor cerebrospinalis
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 1st ed. Saunders 2003
Die apikale Membran der Ependymzellen des plexus chorioideus verfügt über einen K+-Cl--Kotransporter, eine K+-Permease, eine Cl--Permease, und die Na+-K+-Pumpe. Die basolaterale Membran verfügt über einen HCO3--Cl--Austauscher, einen H+-Na+-Austauscher und einen Na+-K+-2Cl--Symporter.
CA = Carboanhydrase

Die Zellen der tela chorioidea
(Teil der pia mater) verfügen über Ionenkanal- und -transportsysteme (<Abbildung) und Aquaporine, welche
zur Produktion der (mit ~290 mOsm isotonen) Liquorflüssigkeit nötig
sind. Diese ist kein simples Filtrat des Blutes; ihre
Zusammensetzung (s. unten) weicht von der des Plasmas ab. Verantwortlich dafür ist das einschichtige Epithel des Ependyms, das (vergleichbar dem renalen Tubulusepithel) die kapillär filtrierte Flüssigkeit sekundär modifiziert.
So ist in der zerebrospinalen Flüssigkeit (s. Tabellen unten) die Konzentration
an Aminosäuren
nur etwa 1/4 derjeniger
des Blutplasmas. Die
Kaliumkonzentration ist ebenfalls niedriger, der Chloridwert
geringgradig (um ~3 mM) höher als im Blutplasma (kaum Proteine!). Der
pH der Liquorflüssigkeit ist mit 7,3 niedriger als im Blut (7,4), was
ebenfalls auf das weitgehende Fehlen von Protein (Puffer) zurückgeht.
Eine erwachsene Person verfügt über etwa 100-200 ml Liquor (~20% in den Ventrikeln, ~80% in den subarachnoidalen Räumen von Gehirn und Rückenmark). Die Neubildungbeträgt
0,3-0,4 ml/min (etwa 20 ml/h oder ein halber Liter pro Tag), d.h. die
gesamte Liquorflüssigkeit wird am Tag mehrfach (~3-mal) ausgetauscht.
Etwa 70% der Liquorbildung entfällt auf die plexus chorioidei der
Gehirnventrikel, ~30% auf extrachorioidale Quellen (Ependym,
Kapillar-Astrozyten-Komplexe der Blut-Hirn-Schranke).
Das aus Gliazellen aufgebaute und die inneren Flüssigkeitsräume des ZNS
auskleidende Ependym verfügt über Flimmerhaare, welche den Liquor
tangential fortbewegen.

Zum Mechanismus des
Zilienschlags in Flimmerepithelien s.
dort
Die Liquorbildung ist weitgehend unabhängig vom
zerebrospinalen Flüssigkeitsdruck und erfolgt zu ~60% durch
Ependymzellen (diese bilden die "Haut" der Hirnventrikel) in
den plexus chorioidei, der Rest stammt von Blutgefäßen in den
Ventrikelwänden.
Dieser Vorgang beinhaltet aktiven Transport (Blut-Liquor-Schranke),
sodass die ionale Zusammensetzung des Liquors reguliert werden
kann.
Der Proteingehalt
des Liquors ist sehr niedrig (0,2 g/l - im Blutplasma 70 g/l), daher ist kaum proteingebundenes Calcium vorhanden. Die Calciumkonzentration im Liquor entspricht der des freien Calciums im Blutplasma (1,2 mM/l).
Mit zunehmendem Druck im Liquorraum nimmt die Resorption der zerebrospinalen Flüssigkeit zu. Die Resorption beginnt bei einem Liquordruck von 0,7 kPa; ein Gleichgewichtszustand
(Sekretion = Absorption) besteht bei 1,1 kPa (normaler mittlerer
Liquordruck); die Resorption steigt linear mit dem Liquordruck, z.B. ~1
ml/min bei 2 kPa (Druckwerte sind allenfalls auf hydrostatische Höhenunterschiede zu korrigieren).
Zusammensetzung des Liquor
Die Zusammensetzung des liquor ist der des Blutserums ähnlich (Ultrafiltrat),
allerdings mit einer sehr geringen Proteinkonzentration (daher auch der
niedrigere pH-Wert), niedrigeren Werten an Aminosäuren und Kalium, und anderen eher geringfügigen Unterschieden.
Der größte Unterschied liegt in der Eiweißkonzentration: Der Liquor / Blutplasma-Quotient
beträgt 0,004. Werte unter 1 (geringere Werte im Liquor) finden sich
weiters für Aminosäuren (0,27), Kalium (0,62), Calcium (0,85),
Bicarbonat (0,92) und Natrium (0,96).
Werte über 1 zeigen sich für Chlorid (1,03), ionisiertes Phosphat (1,2), ionisiertes Magnesium (1,8).
Die folgenden Tabellen geben dazu typische Mittelwerte (Plasma = Blutplasma):
Liquor cerebrospinalis: Osmolalität, pH, Blutgaswerte |
Osmolalität |
290 mOsm
(wie Plasma) |
pO2 |
wie gemischt-venöses Blut (40 mmHg) |
pH |
7,33
(Blut 7,40) |
pCO2 |
wie gemischt-venöses Blut (46 mmHg) |
Bicarbonat |
22 mM (Plasma 24)
|
|
|
Liquor cerebrospinalis: Mineralstoffe |
Na+ |
147 mM
(Plasma 150) |
Ca++
(frei)
|
1,1 mM
(Plasma 1,3) |
K+ |
2,9 mM
(Plasma 4,6)
|
Mg++
(frei)
|
1,1 mM
(Plasma 0,6) |
Cl- |
113 mM
(Plasma 100) |
Phosphat
(primär + sekundär)
|
0,9 mM
(Plasma 0,75)
|
Liquor cerebrospinalis: Organische Substanzen |
Harnstoff |
4 mM
(wie Plasma) |
Glucose |
3 mM
(Plasma 4,5) |
Laktat |
1,7 mM
(wie Plasma)
|
Kreatinin |
80 µM
(wie Plasma) |
Aminosäuren |
0,7 mM
(Plasma 2,6) |
Cholesterin |
0,2 mg/dl (Plasma 175) |
Protein |
0,3 g/l (Plasma 70) |
|
|
Blutdruck, Respiration und Liquordruck: In den liquorgefüllten Räumen ist deutliche Pulsation um bis zu ±0,2 kPa zu beobachten (>Abbildung). Die pulssynchronen Volumenänderungen betragen ~0,1% des intrakraniellen Volumens, entsprechend ungefähr 1% der Liquormenge und reichen aus, Austauschvorgänge zwischen Liquor und Hirngewebe deutlich zu unterstützen. Die Oszillationen sind puls-, aber auch atemsynchron.

>Animation: Pulsationen des liquor cerebrospinalis
Quelle: Nevit Dilmen / Wikipedia
Die pulssynchronen Volumenänderungen betragen ~0,1% des intrakraniellen Volumens

Intrakranielle Druckverhältnisse
Der intrakranielle Druck
(Hirndruck, Liquordruck) ist der Druck der Gehirnflüssigkeit innerhalb der
Schädelkapsel; er beträgt um die 1,1 kPa (11 cm H2O) oder ~12 mmHg.
Er ergibt sich aus dem Gleichgewicht von Produktion und
Abfluss des liqour cerebrospinalis (
s. oben) und ist in einem engen Bereich von
1-2 kPa (7-15 mmHg) reguliert. Er ist auch lageabhängig (im Liegen höher als in aufrechter Körperposition), ähnlich dem Augeninnendruck.
Aufgrund der engen hydrostatischen
Kopplung besteht zwischen Gewebe-, interstitiellem, Liquor- und
Blutdruck im Cranium eine enge Beziehung.
Intrakranielle Druckwerte
über ~3 kPa gelten als pathologisch (Abflusshindernisse: Tumore,
Hämatome u.a.) und müssen therapeutisch reduziert werden, um
Perfusionsbehinderung und permanenten Schädigungen vorzubeugen.
Gliazellen - Astrozyten, Oligodendrozyten, Mikroglia - sind
regenerationsfähig, unterstützen den Stoffwechsel der Neuronen,
stabilisieren interstitielle Elektrolyt- und
Transmitterkonzentrationen, exprimieren Rezeptoren und
Transporter, und bilden selbst "Gliotransmitter" (Glutamat, GABA,
D-Serin, ATP, Wachstumsfaktoren), die breite Wirkung in der Umgebung
entfalten ("Volumentransmission")
Astrozyten verknüpfen neuronale Aktivität und lokale Durchblutung und
beteiligen sich an der Sauerstoff- und Glucoseversorgung des
Hirngewebes. Glucose kann die Blut-Hirn-Schranke wegen der Anwesenheit
von GLUT 1 an zerebralen Endothelzellen und Astroglia überwinden
Astrozyten speichern den zerebralen Glykogenvorrat. Bei unzureichender
Glucoseversorgung des Gehirns springen Astrozyten ein und bilden aus
Glykogen Laktat. Dieses gelangt mittels Transportern an umliegende
Neuronen, wird hier zu Pyruvat rückverwandelt und anschließend im
Zitratzyklus metabolisiert
Astrozyten verfügen in ihrer Membran über Aquaporin 4 und erleichtern
so den Wasserdurchtritt durch Grenzflächen des Gehirns
(Blut-Hirn-Schranke)
Gliotransmitter beeinflussen die Freisetzung von Neurotransmittern und
Hormonen sowie Entwicklung und Funktion von Synapsen. Sie wirken sowohl
zwischen Glia- und Nervenzellen als auch zwischen Astrozyten,
Oligodendroglia und Mikroglia
Astrozyten regulieren den extrazellulären Kaliumspiegel:
Spannungsgesteuerte Kaliumkanäle machen sie abhängig vom
extrazellulären Kaliumwert. Lokale Anhäufung extrazellulären Kaliums
wird weitgehend verhindert, was die Ansprechbarkeit der Nervenzellen
stabilisiert. Astrozyten sind über gap junctions mit Nachbarzellen
verbunden ("Gliaketten"), sie bilden selbst keine Aktionspotentiale
Oligodendrozyten bilden im ZNS Myelinscheiden (erhöhte
Leitungsgeschwindigkeit) an jeweils mehreren Nervenfasern. Einige
Oligodendrozyten beteiligen sich an der Stabilisierung der
extrazellulären Umgebung von Nervenzellen (Satelliten-Oligodendrozyten)
Mikroglia sind mobile Immunzellen. Sie überprüfen Neuronen auf
Intaktheit, beheben Schäden, entfernen Zellfragmente, bilden
neurotrophe Substanzen und verfügen über Rezeptoren für
Transmitterstoffe
Der Liquor cerebrospinalis (100-200 ml, 1/5 Ventrikel, 4/5
subarachnoidale Räume des ZNS) ist ein Produkt des plexus chorioideus.
Er fließt von den Hirnventrikeln in den subarachnoidalen Raum und von
dort zurück in den Blutkreislauf. Der Ausflusswiderstand trägt zum
Betrag des Liquordrucks bei. Die intrakranielle Compliance nimmt mit
dem Volumen ab
Der Liquor bewegt sich synchron zu Druckpulsen im Gefäßsystem. Er
stützt und schützt das Gehirn, wirkt hämodynamisch und biochemisch
stabilisierend und verleiht dem Nervensystem immunologischen Schutz
Der hydrostatische Druck der Gehirnflüssigkeit innerhalb der
Schädelkapsel (intrakranieller Druck, Hirndruck, Liquordruck) beträgt
1-2 kPa und ergibt sich aus dem Gleichgewicht von Produktion (~60%
Ependymzellen, ~40% Blutgefäße der Ventrikelwände) und Abfluss
(Pacchioni-Granulationen, Wurzeltaschen der Hirn- und
Rückenmarksnerven) des liqour cerebrospinalis |

Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen:
Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie
sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und
Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.