Die Leber stabilisiert die Zuckerversorgung des Körpers
Über
die Pfortader
gelangen aus der Nahrung resorbierte Kohlenhydrate zur Leber (etwa 80%
Glucose, 10% Galaktose, 10% Fruktose). Bei deren Metabolisierung spielt
die Leber eine mehrfache Rolle:

>Abbildung: Hormonelle Regelung des Glucosemetabolismus in der Leber
Nach Le lay J, Kaestner KH. The Fox Genes in the Liver: From Organogenesis to Functional Integration. Physiol Rev 2010; 90: 1-22
Erhöhung des Blutzuckerspiegels regt in den ß-Zellen des Pankreas die Freisetzung von Insulin, Erniedrigung in Nebennierenrinde und pankreatischen α-Zellen die Sekretion von Kortisol bzw. Glucagon
an.
Über entsprechenden Einfluss auf die Enzyme von
Glykogenspeicherung, Glukoneogenese und Glykogenolyse wird Glucose
entweder aufgenommen und gespeichert, oder neu gebildet.
Das Resultat
ist eine Stabilisierung des Blutzuckerspiegels auf seinen
Normalwertbereich


Stabilisierung des
Blutzuckerspiegels (metabolische Pufferfunktion) durch Aufnahme oder Abgabe von Glucose

Energiespeicherung in Form von Glykogen (Kapazität Leberglykogen: ca 150 g)
Glukoneogenese (Bildung von Glucose aus Aminosäuren, Glyzerin, Laktat

,
Galaktose, Fruktose, Xylit)

Bildung verschiedener Verbindungen aus Intermediärstoffen des Kohlenhydratstoffwechsels (Pyruvat, Ribosen, NADPH)

<Abbildung: Glykogenkörnchen mit Glykogenin-Kern
Nach einer Vorlage bei Medical gallery of Mikael Häggström (2014)
Die Speicherung von Glucose in Form von Glykogenkörnchen senkt den osmotischen Druck,
den einzelne
Moleküle in der Zelle ausüben würden, auf einen verschwindend geringen
Betrag (Tausendstel). Glykogenkörnchen beinhalten etwa das Dreifache ihres Gewichts an Wasser.
Der Abbau (Glykogenolyse) durch Glykogen-Phosphorylase
erfolgt an mehreren Stellen des Glykogenmoleküls
gleichzeitig - an den α-1,4-glykosidischen Bindungen - und
liefert Glucose-1-Phosphat, das aufgrund der Phosphorylierung
nicht aus der Zelle entweicht; Phosphoglukomutase wandelt es in Glucose-6-Phosphat um. Der Phosphatrest kann dann von der Glucose-6-Phosphatase entfernt und Glucose aus der Leberzelle exportiert werden
Regulation: Die Aufrechterhaltung der Glucosekonzentration im Extrazellulärraum
("Blutzuckerspiegel", normaler Ruhewert 70-100 mg/dl oder 4,0-5,5 mM) ist für die
Energieversorgung vieler Gewebe (vor allem Nervengewebe)
ausschlaggebend und eine der Hauptaufgaben der Leber. Dazu ist vor
allem die Glykogenolyse wesentlich: Glykogen wird mobilisiert, Glucose gebildet (hohe Glucose-6-Phosphatase-Aktivität in den
Hepatozyten) und ins Blut abgegeben. Die Leber ist von sympathischen Nervenfasern durchzogen, und Glykogenolyse sowohl α1- als auch ß2-adrenerg angeregt - auch durch Adrenalin aus der Blutbahn.

>Abbildung: Glykogenin und Glykogen-Synthase starten die Glykogenbildung
Nach einer Vorlage bei bioinfo.org.cn/book/biochemistry/chapt19
Das an Glykogensynthase gekoppelte Enzym Glykogenin funktioniert als Protein-"primer" und ermöglicht eine schrittweise
molekulare Anlagerung (bis zu ~30,000 Glucosemoleküle) zu Glykogenkörnchen. Deren
Formierung beginnt mit Hilfe von Glykogen-Startermolekülen, an deren
Synthese Glykogenin, Glykogen-Synthase und ein
Glykogen-Verzweigungsenzym beteiligt sind.
Glykogenin bewirkt die Anlagerung von Glucose an sich selbst; es bleibt
an das fertige Glykogenkörnchen gebunden. UDP (Uridindiphosphat)
entsteht bei Einwirkung von Glykogenin auf UDP-Glucose. UDP ist das
wichtigste Uridinnukleotid
Die Glucosefreisetzung der Hepatozyten wird ferner durch Wachstumshormon (STH) stimuliert. STH, Glucagon, Glukokortikoide (Kortisol), Schilddrüsenhormone (T3 / T4)
und Katecholamine (Adrenalin / Noradrenalin) bewirken allesamt eine
Steigerung des Blutzuckerspiegels durch Mobilisierung von Glucose
("diabetogene" Wirkung).
Bei Bedarf wird gespeicherte Glucose über Glucosetransporter aus dem endoplasmatischen Retikulum
(GLUT 7) und dann über die Hepatozyten-Zellmembran (GLUT 2)
freigesetzt. Glucosetransporter werden abhängig von der Spezifität der
Zellen exprimiert, sie unterscheiden sich in ihrer Affinität für
Glucose (hoch bei GLUT1 und GLUT3, niedrig bei GLUT2), je nach ihrer
Funktion im Stoffwechsel; einige sind insulinunabhängig (GLUT2), andere insulinabhängig (GLUT4).
In der
Resorptionsphase speichert die Leberzelle Energie, vor allem in Form von Glykogenkörnchen; in der
Postresorptionsphase
stellt sie energiereiche Substrate für die Peripherie zur Verfügung.
Dazu dient Glukoneogenese - durch Enzyme wie Pyruvatcarboxylase
(Pyruvat aus Laktat und Alanin), PEP Carboxykinase (Expression durch
Adrenalin und Glucagon angeregt), Fruktose-1,6-Biphosphatase,
Glucose-6-Phosphatase (Glucose kann die Zelle verlassen,
Glucosephosphat nicht) unter Verwendung von Glyzerin, Laktat,
glukoplastischen Aminosäuren.
Glucosetransporter
Glucose dient der Energieversorgung der
Zellen, der Verwendung im anabolen
Stoffwechsel und als Baustein verschiedener Biomoleküle. Um die
Zellmembran überwinden zu können, bedarf die Zelle eines
Glucose-Transportsystems. Dazu gibt es zwei Arten / Familien von
Transportern:
GLUT-Famile (Glucose Transporter):
Diese wird im Anschluss besprochen; man kennt mehr als ein Dutzend
Vertreter, fünf davon haben gut definierte Eigenschaften und
Funktionen, nämlich GLUT1 bis GLUT5. Sie
erleichtern die Diffusion von Glucose durch die Zellmembran.
SGLT-Familie (Sodium-Glucose Transporter):
Diese bringen Glucose zusammen mit Natrium über Zellmembranen, d.h. sie
nützen den Konzentrationsunterschioed für Natrium (in die Zelle), um Glucose auch gegen ihren Gradienten "mitzuschleppen".
Diesen Kotransport (Symport) nennt man
sekundär aktiv, da ja das Natrium zunächst aus der Zelle gepumpt werden muss (Na/K-ATPase), um den physiologischen Gradienten herzustallen.
GLUT-Glucosetransporter sind aus
12 transmembranalen Helices und Verbindungsschleifen (extra- und
intrazellulär) aufgebaute Proteine.
Zellembranen enthalten unterschiedliche Glucosetransporter, die Glucose (nicht Glucosephosphat!) durch die
Membran schaffen können und sich u.a. in Affinität und
Insulinempfindlichkeit unterscheiden.
<Abbildung: Glucosestoffwechsel der Leber
Nach einer Vorlage in Frayn / Evans, Human Metabolism - A Regulatory Perspective, 4th ed. Wiley Blackwell 2019
Das
Schema zeigt metabolische Wege und ihre hormonelle Steuerung in einer
Leberzelle (gestrichelt: Mehrstufige enzymatische Wege; + bedeutet
Anregung, - Hemmung).
Leberzellen verfügen über GLUT2-Transporter; je höher der extrazelluläre Glucosespiegel (Resorptionsphase), desto mehr nimmt die Zelle auf (hoher kM-Wert des Transporters). In die Zelle gelangte Glucose wird mittels Glukokinase phosphoryliert (G-6-P) und kann so nicht "entkommen". G-6-P wird auch - angeregt durch Insulin
- laufend verbraucht (Glykolyse, Glykogensynthese, Pentosephosphatweg)
und reichert sich daher auch nicht in der Zelle an. Insulin regt auch
die Synthese von Fettsäuren und Cholesterin an.
In der Postresorptionsphase drehen sich die metabolischen Flüsse um, G-6-P entsteht aus Pyruvat und Glykogenabbau wieder neu (jetzt bestimmt Glucagon das Hormongleichgewicht), Glucose-6-Phosphatase (G-6-P-ase)
wird aktiviert, und Glucose verlässt die Zelle via GLUT2 in Richtung
periphere Verbraucher (Gehirn, Erythrozyten u.a.).
PDH = Pyruvat-Dehydrogenase
In
Hepatozyten ist vor allem GLUT2 von Bedeutung, hier werden alle
GLUT-Transporter aufgezählt:
GLUT1 und GLUT3 befördern Glucose unabhängig von Insulin durch die Zellmembran und übernehmen die Grundversorgung vieler Gewebe mit Glucose.
GLUT1 versorgt viele Gewebe, u.a. die Erythrozyten.
Es ist spielt auch an der Blut-Hirn-Schranke und im ZNS eine wichtige
Transportrolle. GLUT1 wird an der Zelloberfläche immer (konstitutiv)
exprimiert.
GLUT1-Defizienz führt zu neurologischen Störungen (u.a. Epilepsie).
GLUT 3 wird vor allem im Gehirn exprimiert.
Beide haben eine hohe Affinität für Glucose, sodass dieses System (zusammen mit der Hexokinase, >Abbildung) die Zellen auch bei niedrigem Bluzuckerspiegel
sicher mit Energie versorgen kann. Der begrenzende Faktor ist dabei nicht
der Blutzuckerwert, sondern die Hexokinaseaktivität (die wiederum vom
Energiebedarf der Zelle gesteuert wird - will die Zelle mehr Glucose,
muss sie mehr Hexokinase aktivieren).
Der
Km-Wert der GLUT1-Transporter beträgt ~1 mM und ist damit deutlich
niedriger als der Blutzuckerspiegel (4-5 mM); das sichert rasche
Glucoseaufnahme der Zellen. GLUT3 hat sowohl hohe Affinität als auch
große Transportkapazität für Glucose.
GLUT2 in Leber, Pankreas (ß-Zellen) und Darm ist ebenfalls insulinunabhängig. Es transportiert Glucose mit hoher Kapazität, hat aber niedrige Affinität - der KM-Wert beträgt 15-20 mM und ist damit wesentlich
höher als der Blutzuckerspiegel (~5 mM). Dadurch können Hepatozyten und ß-Zellen
auf Änderungen des Blutzuckerspiegels empfindlich reagieren - GLUT2 "übersetzt" den aktuellen Blutzuckerspiegel in eine sensible Antwort der ß-Zelle.
Dabei kooperiert GLUT2 mit der Glukokinase und funktioniert als Glucosesensor:
In der Leber wird überschüssige Glucose zu Glykogen umgewandelt,
die
ß-Zellen des Pankreas bilden mit steigendem Glucoseangebot mehr Insulin.
Weiters schleust GLUT2 Glucose aus dem Darmlumen über die basolaterale Membran des Enterozyten in Richtung Pfortaderblut.
Glukokinase
(Hexokinase IV) phosphoryliert am Anfang der
Glykolyse Glucose zu Glucose-6-phosphat (G6P). Dieses mündet einerseits in der Pentosephosphatweg (Anabolismus: Ribose-5-Phosphat, NADPH; Abwehr von oxidativem Stress), in die Glykogensynthese (Energiepeicher: Leber, Muskel) und die Glykolyse (Anabolie, ATP, Lipogenese). Phosphorylierte Glucose kann die Zelle nicht verlassen.
Die an das endoplasmatische Retikulum gekoppelte Glucose-6-phosphatase
wird von
Hepatozyten, Zellen der Nierenrinde und im Pankreas (ß-Zellen)
exprimiert und ermöglicht die Mobilisierung von Zucker insbesondere in
Situationen knapper Energieversogung.
>Abbildung: Hexokinase
Hexokinasen existieren als mehrere
gewebespezifische Isoformen mit unterschiedlichen Eigenschaften.
"Klassische" Hexokinase findet sich in allen Zellen, sie kann
verschiedene Hexosen verwerten (auch Galaktose, Mannose, Fruktose), zu
denen sie hohe Affinität hat (niedriger kM-Wert) und daher auch bei niedrigem Blutzuckerspiegel optimal funktioniert. Hexokinase IV heißt auch Glukokinase.
Glucose-6-Phosphat reduziert die Aktivität der Hexokinase (negative Rückopplung)
GLUT4 findet sich in Muskel- und Fettgewebe, wo es vor allem vesikulär (GLUT storage vesicles) gespeichert (postdigestive Phase) und bei Bedarf - in der digestiven Phase - auf Reizung durch Insulin in die Außenmembran eingebaut wird; GLUT4 ist also insulingesteuert (insulinabhängig).
Die Passage von Glucose in Myo- und Adipozyten bedeutet, dass der
Glucosespiegel im Extrazellulärraum abnimmt und der Blutzuckerspiegel
rasch absinkt.
Durch Glucoseeinbau zu Glykogen (Skelettmuskel) bzw. Neutralfett
(Fettzelle) reduziert sich so der Blutzuckerwert. GLUT4 kooperiert mit der Hexokinase, dient aber nicht der
Grundversorgung der Zelle, sondern der Regulation des
Blutzuckerspiegels durch Entfernung von Glucose aus dem
Extrazellulärraum.
Bei mangelnder Insulinwirkung infolge GLUT4-Defizienz kommt es zu Glucoseintoleranz (Insulinresistenz, Diabetes Typ II.)
GLUT5
ist der Fruktosetransporter; Diffusion von Fruchtzucker in die Zelle
wird durch ihn möglich. Er wird vor allem in der Dünndarmmukosa, aber
auch (in geringerem Maß) in Muskel- und Fettzellen sowie in der Niere
exprimiert.
Außer den GLUT-Systemen gibt es im Körper (Darmschleimhaut, Nierentubuli) weiters kombinierte Natrium-Glucose-Transporter (SGLT).