Veränderungen des mütterlichen Organismus
Feto-plazentare Einheit
Embryonale und fetale Entwicklung
Fetaler Kreislauf (prä- vs. postpartal)
Core messages
Östrogene (Östradiolanstieg im Blutplasma bis Schwangenschaftsende von <0,3 auf ~10 ng/ml) und
Progesteron (Anstieg bis Schwangenschaftsende von ~≤15 auf bis zu ~400 ng/ml) bewirken
zum Großteil die graviditätsabhängigen Umstellungen des mütterlichen
Organismus (>Abbildung).
>Abbildung: Somatische und hormonelle Veränderungen während der normalen Schwangerschaft
Oben: Nur etwa ein Drittel der gesamten Gewichtszunahme der schwangeren Frau entfällt auf den Feten
Mitte: Maximale HCG-Werte (rosa Feld) um 100 IE/ml (um die 10. SSW); HPL ~10 µg/ml (Schwangerschaftsende), Östradiol bis ~40 ng/ml (Schwangerschaftsende), Progesteron bis ~200 ng/ml (etwa 39. Woche). Die Konzentration von Östriol beginnt etwa ab der 23. SSW zu steigen und erreicht ihren Gipfel unmittelbar präpartal (~20 ng/ml, nicht gezeigt)
Unten: Der Ruhe-Sauerstoffverbrauch beträgt etwa 250-300 ml/min
Mit einigen Wochen Graviditätsdauer
übernimmt weitgehend der Synzytiotrophopblast die Synthese von
Progesteron und Östrogenen.
Die Plazenta übernimmt weitgehend die Synthese von Progesteron und Östrogenen
|
Am Ende der
Schwangerschaft hat das Körpergewicht im
Durchschnitt um 10-12 kg zugenommen. Als Faustregel kann gelten:
Kind ~3.5 kg

Plazenta ~0.5 kg
Fruchtwasser ~1 kg
Uterus ~1 kg
Brüste 0.5-1 kg
Blut ~1 kg
Interstitium 3-4 kg.

Der
Uterus
nimmt unter der Wirkung der hohen Östrogenwerte an Gewicht und Größe enorm zu (von 60-80 auf 1000-1500 g),
vor allem im Fundusbereich. Das Myometrium hypertrophiert, die
Durchblutung steigt bis
zum Ende der Schwangerschaft von ~1% auf bis zu 15% des
Herzminutenvolumens (450-650 ml/min) an. Der Mechanismus ist vor allem
zunehmende
Vasodilatation.
Die Gestalt des Uterus wandelt sich von
birnenförmig zu ovoid, die Wanddicke des Corpus steigt im ersten
Trimenon, nimmt dann aber mit der allgemeinen Volumenzunahme ab und
beträgt zum Termin nur noch ~1 cm, sodass der Fetus gut palpiert werden
kann.

Die
Zervix
(Gebärmutterhals; besteht zu 90% aus Bindegewebe) bildet
einen Schwellkörper aus Gefäßen, der den Brutraum gegen die
Vagina abschließt und beim Geburtsvorgang durch den
tiefertretenden Kopf des Kindes ausgepresst wird ("Öffnung des
Muttermundes"). Außerdem organisieren sich die Kollagenfasern in
aufgelockerter Weise um (
prostaglandinbedingte "Zervixreifung").
Gleich
nach der Konzeption entstehen große Mengen muköses Sekret, das reich an
Immunglobulinen und Zytokinen ist und den Zervikalkanal zur Vagina hin
schützt.
Bei Graviden nimmt die
Länge des Gebärmutterhalses
(Distanz zwischen innerem und äußerem Muttermund) bis zur Geburt auf >25
mm zu. Bei geringerer Länge (Verkürzung des Gebärmutterhalses) droht
eine Zervixinsuffizienz (Muttermundschwäche), was zu vorzeitiger
Weitung (Öffnung der Zervix ohne Wehen) und zu einer Frühgeburt führen
kann.

Die
Vagina wird weicher,
samtartig, zeigt Bindegewebs- und Muskelwachstum, der
zytologische Abstrich ändert seine Charakteristika, die Venen
weiten sich, die stark vaskularisierte und durchblutete Scheide färbt sich bläulich (
Chadwick-Zeichen 
),
es können Krampfadern entstehen. Das Sekret erscheint weißlich,
Glykogenabbau durch Lactobacillus acidophilus stellt den pH-Wert des
Scheidensekrets auf Werte zwischen 3,5 und 6,0 ein (Milchsäure).

Die
Brüste
proliferieren deutlich ab dem 2. Schwangerschaftsmonat, bedingt durch
die ansteigenden Blutspiegel an Östrogenen, Progesteron und
hPL
(plazentarem Laktogen) aus der Plazenta, sowie Prolaktin aus der
Hypophyse. Dabei nimmt das Drüsengewebe (das stark auf diese
hormonellen Reize anspricht) stärker zu als das Binde- und Fettgewebe.
Prolaktin
und hPL bewirken in der 2. Schwangerschaftshälfte, dass sich laktogene
Alveolarzellen zu präsekretorischem Epithel differenzieren; einige
Wochen vor dem Termin bilden sie bereits etwas
Kolostrum
(Vormilch). Solange die Progesteronwerte noch hoch sind, wird aber die
komplette Ausdifferenzierung hintangehalten; dies ändert sich erst,
wenn der Progesteronspiegel unmittelbar präpartal zu sinken beginnt
(>Abbildung oben). Jetzt ist die Brust bereit zum Stillen.
Plazenta und Brustdrüse, mittzyklisch auch das corpus luteum (sowie beim Mann die Prostata) produzieren
Relaxine 
.
Diese Proteohormone kommen in drei Molekülvarianten vor (2 über Disulfidbrücken
verbundene Peptidketten), die auf vier Rezeptortypen wirken.
<Abbildung: Angriffspunkte der Relaxine an Beckengelenken
Durch
Aufweichung der Ileosakralgelenke und der Symphyse vergrößert sich der
Spielraum für die Passage des Kindes durch den Geburtskanal

Bei der Schwangeren erreicht der Relaxinspiegel am Ende des
ersten Trimenons und dann um den Geburtstermin jeweils einen Höhepunkt. Relaxine weichen Ligamente
und wahrscheinlich auch den Knorpel im Becken- (Sakroiliakalgelenk) und
Symphysenbereich auf (<Abbildung) -
die Zervix und der Bandapparat im Beckenring, insbesondere im Bereich der Symphyse, werden dehnbarer. Der Symphasenspalt weitet sich
um ca. 1 cm - das
erleichtert den Geburtsvorgang. Wahrscheinlich beteiligen sich Relaxine auch an der
Dezidualisierung, d.h. der Umstellung der Uterusschleimhaut (Endometrium) auf die Implantation.
Relaxine beteiligen sich weiters an der Regulierung
hämodynamischer Umstellungen, wie erhöhtes Herzminutenvolumen, gesteigerte arterielle
Compliance und intensivierte Nierendurchblutung.
Sie wirken auch
auf die
Osmoregulation (Senkung der osmotischen Konzentration: Hypotonizität).

Der Relaxineffekt macht die Gelenke im Körper anfälliger für
mechanische Überlastung - das Einwirken großer Kräfte auf die Gelenke
(übermäßige Streckübungen) sollte während der Schwangerschaft vermieden
werden. Auch postpartal halten die Relaxinwirkungen an - für mehrere
Monate, bei längerer Stilldauer möglicherweise bis zu 2 Jahre.
Schon
früh in der Schwangerschaft nimmt unter der Wirkung von Progesteron der
Tonus der glatten Gefäßmuskulatur und damit der periphere
Gefäßwiderstand ab. (Die utero-plazentare Durchblutung steigt gegen Schwangerschaftsende auf ~600 ml/min an.) Systolischer und diastolischer Blutdruck
sinken bis zum Ende des zweiten Trimenon um bis zu ~2 kPa
(15 mmHg) ab (hormonbedingte Vasodilatation) und steigen
dann bis zum Geburtstermin wieder auf etwa prägestationelle Werte
an.

>Abbildung: Kompression der unteren Hohlvene durch das Gewicht des Feten, der auf die Wirbelsäule drückt (Frau in Rückenlage)
Nach einer Vorlage bei kindledspirit.com.au
Vena-cava-Kompressionssyndrom: In Rückenlage kann es durch das Gewicht von Kind und Uterus zur
Kompression der unteren Hohlvene (>Abbildung) und damit Reduktion des cardiac
preload des rechten Herzens kommen: Herzzeitvolumen und Blutdruck nehmen
ab.
Lageveränderung entlastet die cava inferior und gibt den Blutfluss zum Herzen wieder frei.
In den ersten ~27 Wochen nimmt die Ruhe-Herzfrequenz um
ca. 15 Schläge/Minute, das Ruhe-Schlagvolumen um ca.
10 ml, das Herzzeitvolumen
um 30-50% zu (positiv inotrope und chronotrope Wirkung, wahrscheinlich durch erhöhten Sympathikustonus und erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Katecholaminen), ohne weitere Änderung bis
zur Geburt. Kardiale Hypertrophie während der Schwangerschaft ist eine
physiologische Anpassung an den erhöhten Bedarf (ähnlich wie bei
Muskeltraining). Der Lagetyp
im EKG verändert sich gegen Ende der Schwangerschaft: Durch den
Zwerchfellhochstand stellt sich meist ein Linkstyp ein (Verlagerung der
Herzachse zur Horizontalen durch Zwerchfellhochstand).

<Abbildung: Plazentarkreislauf
Atemgase diffundieren frei über die Plazentarschranke, die meisten
Nahrungsstoffe gelangen durch aktiven Transport vom mütterlichen in den
embryonalen / fetalen Kreislauf. Antikörper werden auf die fetale Seite
transportiert (IgG).
Praktisch alle Pharmaka werden zu einem gewissen
Anteil ausgetauscht, dasselbe gilt für Toxine (Alkohol, Nikotin etc).
Das kann nachteilige Wirkung haben (Kinder von Müttern, die während der
Schwangerschaft rauchen, trinken, Medikamente oder Drogen konsumieren,
kommen z.T. untergewichtig, minderentwickelt oder missgebildet zur
Welt). Die Plazenta bildet weiters Hormone wie Östrogene, Progesteron,
HCG
Das "effektive Blutvolumen" sinkt durch hormonbedingte (Progesteron, Östrogene) Vasodilatation, kompensatorisch steigt das Plasmavolumen
(um ~50% oder ~1,5 l, aldosteron- und osmoregulatorisch bedingte Wasserretention). Das Blutvolumen der Mutter nimmt um die Hälfte zu (z.B. von 5 auf 7,5 l).
Bis Ende der Schwangerschaft werden etwa 8 Liter Flüssigkeit
retiniert (Kreislauf von Mutter und Fetus, Amnionflüssigkeit u.a.). Es
tritt Ödemneigung auf, die in moderatem Ausmaß als physiologisch
anzusehen ist.
Die Menge an roten Blutkörperchen steigt um ~25% oder ~0,5 l, bedingt durch gesteigerte Produktion von Erythropoetin. Das Erythrozytenvolumen nimmt dabei kontinuierlich ab, auf einen um ca. 15% reduzierten Wert. Die Leukozytenzahl steigt ebenfalls an - ab dem 2. Monat bis zur 30. Woche.
Hämatokrit- und Hämoglobinwerte sinken
aufgrund dieses Musters deutlich ab (Hämoglobin auf 12-13 g/dl, sonst ~15 g/dl), was einer paradoxen Anämie entspricht
('Schwangerschaftsanämie',
unterer Hämoglobin-Grenzwert in der Schwangerschaft 11
g/l - keine
wirkliche Blutarmut, denn das Blutvolumen steigt um ~40%).
Die Hämogobinkonzentration im mütterlichen Blut ist im 3. Trimenon niedriger als im Blut des Feten
Der Hämatokrit sinkt gegen Ende der Schwangerschaft
|
Der Anstieg des Blutvolumens kann auch
höhere Werte erreichen, insbesondere bei Mehrlingsschwangerschaften, wo
eine Erhöhung des Blutvolumens um bis zu 100% festgestellt wurde.
Über Blutgruppen und
Rhesus-Inkompatibilität s.
dort.
Durch den Anstieg des Flüssigkeitsvolumens im Blutplasma
nimmt die Albuminkonzentration ab - damit auch der kolloidosmotische
Druck und die (auf das Volumen bezogene) Proteinbindung z.B. von
Pharmaka. Die Albuminkonzentration nimmt bis zur 20. Woche um ~10 g/l ab (minus 10-15%) und bleibt dann bis zur Geburt stabil erniedrigt. Der Fibrinogenspiegel nimmt andererseits zu - kontinuierlich ab dem 3. Monat auf einen um etwa 2 g/l erhöhten Wert (≥+50%).
Das extrazelluläre Flüssigkeitsvolumen steigt um bis zu 10 Liter an; das Fettgewebe der Graviden nimmt um 4-8 kg zu. Der Rückgang zu prägraviden Werten nimmt nach der Geburt etwa ein halbes Jahr in Anspruch.
Das erhöhte
Blutvolumen geht mit einer Steigerung des Herzminutenvolumens Hand in
Hand (hohe kardiale Plastizität: Ruhe-HMV von ca. 5 l/min
prägestational auf >6 l/min in der 35. Woche bis ~9 l/min
unmittelbar postpartal!) und dient mehreren Funktionen:

Versorgung des Feten und des vergrößerten Uterus

Milderung orthostatischer Effekte (Wechsel der
Körperposition)

Reservevolumen gegenüber Blutverlust bei der Geburt
Durch den wachsenden Uterus können die Beckenvenen
komprimiert sein, so dass der Venendruck
in den Beinen
ansteigen kann (im Liegen bis 25 mmHg) und eine Neigung zu Varizen
(Krampfadern), Ödemen (Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe) und
Hämorrhoidalleiden auftritt. Bei Hochschwangeren ist die untere Hohlvene in Rückenlage komprimiert (Vena - cava - Kompressionssyndrom,
Abbildung oben links), wodurch bei der Mutter schockartige Symptome und bei
der fetoplazentaren Einheit Durchblutungsstörungen auftreten. Dazu passt die Beobachtung, dass das Herzzeitvolumen in
Seitenlage höher ist als in Rückenlage.

>Abbildung: Durchschnittliche prozentuelle Änderung der
Atmungskennwerte (als Funktion der
Gestationswoche)
Nach einer Vorlage in AnaesthesiaUK, bei frca.co.uk
Die
Atemfrequenz der graviden Frau steigt ungefähr bis zur 24. Woche
(10-20%) und bleibt auf diesem Niveau bis zur Geburt. Das
Atemzugvolumen nimmt ebenfalls zu, ab der ~24. Woche aber noch stärker
(bis auf +40%), wodurch die alveoläre Ventilation auf ~70% über den
prägraviden Wert klettert.
Das Herzminutenvolumen nimmt mit der Schwangerschaftsdauer stetig zu
und ist zum Geburtstermin auf ~150% des Kontrollwertes erhöht
Sauerstoffverbrauch
und CO2-Produktion steigen bis zum Ende
der Schwangerschaft um etwa 30% an, die Atmung
vertieft sich um 40% (der Atemwegwiderstand sinkt hormonbedingt). Die Folge ist eine leichte Zunahme des arteriellen pO2 und eine Abnahme des arteriellen
pCO2
auf ~4 kPa (~32 mmHg), was den Gasaustausch mit dem Fetus begünstigt.
Gegen Ende der Schwangerschaft wird die Atmung vor allem durch
den zunehmenden Zwerchfellhochstand erschwert, die
Vitalkapazität bleibt aber im
Wesentlichen unverändert (nur die funktionelle Residualkapazität nimmt
wegen der Abnahme des Residualvolumens um 20% deutlich ab). Zum Termin
hin kann auch die Vitalkapazität abnehmen; oft tritt Dyspnoe (Atemnot) auf.
Gastrointestinaltrakt und Ernährung
Im
Laufe der Schwangerschaft nimmt eine Frau im Durchschnitt etwa 13 kg
zu; davon rund 0,8 kg neu gebildetes Protein und etwa 4 kg Fettgewebe.
Im Verdauungssystem
zeigt sich durch Tonusverlust der Muskulatur eine Neigung zu Obstipation (Verstopfung). Die Speichelsekretion ist angeregt. Gastroösophagealer Reflux
tritt bei Schwangeren vermehrt auf, einerseits wegen des erhöhten
Drucks im Bauchraum, andererseits wegen des progesteronbedingt
erniedrigten Tonus des unteren Ösophagussphinkters.
Die Ernährung
soll den Bedarf an essentiellen Nahrungsbestandteilen decken und eine
Entwicklung des Körpergewichts im empfohlenen Bereich unterstützen. Im ersten Trimester nimmt
das Gewicht der Mutter um 0,5-2,0 kg zu (auf den Embryo entfallen
lediglich ~6 Gramm). Die Verteilung der einzelnen Kompartimente
auf die Zunahme des Körpergewichts zeigt die Abbildung ganz oben.
Zum
Abschluss der Schwangerschaft sind etwa 1000 Gramm Protein
zusätzlich
synthetisiert worden: Dabei entfallen ~500g auf Fetus und Plazenta,
~500 g wurden für den Aufbau von Uterus (Muskelfasern), Brüsten
(Drüsengewebe) und Blut (Hämoglobin und Plasmaeiweiss) benötigt. Die
Konzentration von Aminosäuren ist im fetalen System höher als im
mütterlichen, dieser Gradient wird von der Plazenta eingestellt, die
sich auch aktiv an der Synthese von Aminosäuren beteiligt.
Der Eiweißbedarf (+30 g/d) und Vitaminbedarf ist erhöht, ebenfalls der Bedarf an
Eisen (+700 mg - die Eisenspeicher der Mutter nehmen mit der
Schwangerschaft meist ab). Der Bedarf an Folsäure
verdoppelt sich in der Schwangerschaft. Folatmangel kann zu Neuralrohrdefekten des Feten (spina bifida)
führen.
Folsäurereich sind Leber und Gemüse (Bohnen, Spinat).
Folatsupplementierung von 0,4 mg/d während der Schwangerschaft ist
empfohlen worden.

<Abbildung: Physiologische Veränderungen im Blutplasma während und nach der Schwangerschaft
Schwangerschaft links, postpartale Periode rechts.
Der Parathormon-Spiegel sinkt bei normalem, nicht aber bei niedrigem Calciumangebot. Calcitriolspiegel (D3-Hormon) steigen an, Calcidiolspiegel bleiben üblicherweise unverändert (abgesehen von
saisonalen Schwankungen - Sonnenlicht, Nahrungsangebot).
PTHrP (Parathyroid hormone-related protein)
wird u.a. in der Mamma gebildet, fördert die Mobilisierung von Calcium
in Knochen und Nieren und damit die Calciumverfügbarkeit für die
Milchdrüsenepithelzellen - sein Spiegel nimmt mit der Schwangerschaftsdauer zu, Stillen provoziert seine Freisetzung.
Die Veränderungen des Östradiol- und Prolaktinspiegels sind ganz unten gezeigt. Pulsatile Ausschüttungen sind angedeutet (PTHrP, Prolaktin).
Blaue Flächen geben Normbereiche Nichtschwangerer an
Der Vitamin D3-Spiegel der Schwangeren bestimmt die Knochendichte des Kindes bis zum ~9. Lebensjahr mit; Vitamin
D-Mangel in der Schwangerschaft tritt bei jeder zweiten Schwangeren auf
und führt zu verminderter Knochendichte beim Kind. Physiologischerweise nimmt der Vitamin-D3- und auch der Calcitoninspiegel bei Schwangeren über den (nichtschwangeren) Referenzbereich zu, der Parathormonspiegel hingegen - bei normalem Calciumangebot - ab (<Abbildung).
Die Serumkonzentration des u.a. in der Brustdrüse gebildeten PTHrP (Parathyroid hormone-related protein)
nimmt laufend zu, PTHrP
fördert die Mobilisierung von Calcium
(Knochenresorption, Rückresorption in den Nieren), steigert damit das Calciumangebot an die Drüsenepithelzellen der Mamma. Beim Stillen
kommt es zu reflexiver Freisetzung (PTHrP-Bursts, s. <Abbildung).
Vermehrtes Einwirken
von Sonnenlicht in der Spätschwangerschaft (Geburtstermin in den
Sommermonaten!) und/oder Vit-D-Supplementation fördern die kindliche
Knochengesundheit. Der Calcidiolspiegel steigt bei Schwangeren (im Gegensatz zu Calcitriol) nicht an, abgesehen von
saisonalen Schwankungen, bedingt durch Änderungen im Nahrungsangebot sowie der UV-Exposition.
Der Bedarf an Mineralien und Spurenelementen ändert sich. Zinkmangel
kann Wachstumsstörungen beim Feten zur Folge haben, eine tägliche
Zufuhr von 15 mg/d während der Schwangerschaft ist empfohlen. Die
Zufuhr von Nahrungseisen sollte auf höchstens ~30 mg/d beschränkt
bleiben, weil hohe Eisenzufuhr die Resorption von Zink im Darm hemmen
kann.
Zum erhöhten Calcium- und Eisenbedarf in der Schwangerschaft
s. auch dort
Der Prolaktinspiegel
beginnt mit der 8. SSW zu steigen und erreicht beim Geburtstermin ~250
ng/ml; solange die Mutter stillt, bleiben die Werte hoch (Saugen an der
Brust stimuliert die Sekretion und steigert den Plasmaspiegel innerhalb
von 30 Minuten um das 10-100fache), nehmen aber bei längerem
Stillen ab. Beim bzw. nach dem Abstillen sinken die Prolaktinwerte
wieder auf prägravides Niveau (bis ~20 ng/ml) und schwanken
zyklussynchron.
Feten nehmen von der Mutter etwa 30 Gramm Calcium, ~20 Gramm Phosphor und 0,8 Gramm Magnesium
auf - 80% davon während des dritten Trimesters. Das entspricht
folgenden Aufnahmeraten gegen Schwangerschaftsende: Calcium ≥0,3 g/d,
Phosphor 0,2 g/d und Magnesium ≥5 mg/d. Anders ausgedrückt, konsumiert
der Fetus 5-10% des im Blutplasma vorhandenen Calciums und Phosphors pro Stunde - ein Bedarf, der leicht zu mütterlicher Hypocalcämie und Hypophosphatämie führen könnte.
Die Resorptionsquote für Calcium beträgt meist nur um die 25%, und ein
Netto-Verlust der mütterlichen Calciumspeicher wäre dann kaum zu
vermeiden. Tatsächlich verdoppelt sich bei Schwangeren die
Resorptionseffizienz für Calcium; während der Stillperiode allerdings
kommt es zu vermehrter Mobilisierung aus dem Knochen.
In den Nieren
macht sich die Abnahme des Hämatokrit (bessere Fließfähigkeit)
und der Konzentration der Plasmaproteine (niedrigerer
kolloidosmotischer Effekt) kombiniert mit dem erhöhten Herzzeitvolumen durch vermehrte
glomeruläre
Filtration bemerkbar: diese nimmt bis zur Schwangerschaftsmitte um 50-60%
zu, die Nierendurchblutung um ~75%. Die Filtrationsfraktion nimmt bis zur 20. Woche um ~10% ab, steigt dann wieder und liegt zum Geburtstermin etwas über den prägestationellen Werten.
Die Harnmenge steigt, es resultiert vermehrter
Harndrang und Pollakisurie (häufiges Wasserlassen in geringen Mengen). Die Ausscheidung harnpflichtiger
Substanzen (Harnstoff, Kreatinin, Harnsäure) nimmt zu, auch etwas Zucker und Aminosäuren können im Harn auftauchen (Glukosurie, Aminoazidurie).
>Abbildung: Osmotische Konzentration im Blut der Mutter als Funktion der Schwangertschaftsdauer
Nach einer Vorlage in Cunningham et al, in: Williams Obstetrics, 23rd ed., McGraw-Hill 2009
MP, Menstruationsperiode
LMP, Letzte Menstruationsperiode vor Gravidität
Die Natriumclearance
steigt in der Schwangerschaft, was
das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System anregt (Renin wird auch von
plazentären Zellen gebildet, der Aldosteronspiegel ist präpartal bis
5-fach gesteigert!), gegen Ende der
Schwangerschaft zu Salz-Wasser-Retention führt und das
Auftreten von Ödemen begünstigt. Bluthochdruck und
Krampfneigung können auftreten und akute Komplikationen ergeben
(Schwangerschaftsgestose). Nach der Geburt kommt es zu kräftiger Diurese.
In der Schwangerschaft werden vermehrt Glucose (0,1 g/24h oder
mehr), Aminosäuren und Proteine (bis zu 2 g/24h)
ausgeschieden. Die Anwesenheit dieser Stoffe im Urin erhöht die Infektionsgefahr
in den Harnwegen (Zystitis), dazu kommt der Tonusverlust der Muskelzellen im Harnleiter (Gefahr der Nierenbeckenentzündung: Pyelitis gravidarum).
In
der Schwangerschaft kommt es durch Senkung der osmotischen Schwelle für
Durst und Vasopressinsekretion im Hypothalamus zu Retention von
Flüssigkeit. Zum Geburtstermin beträgt die Gesamtmenge der
Flüssigkeitsvermehrung im Körper der Mutter etwa 6-7 Liter
(Ödemneigung!). Die Höhe dieser Zunahme korreliert mit dem
Geburtsgewicht.
Die Plasmaosmolalität nimmt etwa mit einem Monat Schwangerschaftsdauer um ~10 mOsm/kg ab (>Abbildung), wahrscheinlich über Wirkung des hCG und Relaxins auf die Sensibilität der Osmorezeptoren im Gehirn. Die osmotische Schwelle zur ADH-Aktivierung ist bei Schwangeren infolge hormoneller Effekte auf
Osmorezeptoren unter 280 mOsm/kg gesenkt.
Hormone und Metabolismus
Die Leber der schwangeren Frau produziert unter dem Einfluss von Östrogenen vermehrt
Plasmaproteine, darunter auch
Transporteiweiße,
wie TBG (thyroxinbindendes Globulin: gesteigerte Bindungskapazität für
T4 / T3) und CBG (Transcortin: Anstieg des Gesamt-Cortisolspiegels im
Blutplasma). Die Konzentrationswerte an
freiem Hormon sowie der
tropen Hormone ändern sich nur moderat (leichter
ACTH-Anstieg, Schwankungen im
TSH-Spiegel der Mutter).
Östrogeneinfluss unter der Schwangerschaft stimuliert auch die Synthese von
Angiotensinogen in der Leber und von Renin in den Nieren; dadurch erhöht sich die Bildung von
Angiotensin II und
Aldosteron. Das führt zu Retention von Natrium (bis zu 1000 mM) und entsprechender Flüssigkeitsvermehrung; die
Osmolalität im Blut sinkt gleichzeitig leicht ab, da sich der Vasopressinspiegel - bei gesenkter Durstschwelle - erhöht.
Östrogene (Östradiolanstieg im Blutplasma bis Schwangenschaftsende von <0,3 auf ~20 ng/ml) und
Progesteron (Anstieg bis Schwangenschaftsende von ~≤15 auf bis zu ~200 ng/ml und darüber) bewirken
zum Großteil die Umstellungen des mütterlichen
Organismus während der Schwangerschaft. Dazu zählt u.a. die gesteigerte
Produktion hormontransportierender Plasmaeiweiße. Östrogene erhöhen die
Empfindlichkeit des Myometriums gegenüber Oxytozin und steigern die
Produktion von Prostaglandinen (wehenfördernde Wirkung im Rahmen des
Geburtsvorgangs).

Zentrale
Stellung für die Erhaltung der Schwangerschaft sowie den Geburtsvorgang
hat die Balance zwischen Östrogen- und Progesteroneffekten. Weitere
wichtige hormonelle Faktoren modulieren und ergänzen dieses
Gleichgewicht
+ = anregende, - = hemmende Wirkung
CRH: Corticotropin-Releasinghormon
In der Gravidität existiert ein fein austariertes Gleichgewicht
zwischen Faktoren, welche den Uterus ruhigstellen und solchen, welche
die Wehentätigkeit anregen (<Abbildung).
Ähnliches gilt für Kräfte,
die den Muttermund abdichten und solchen, die ihn aufweichen und
erweitern.
Während der Schwangerschaft überwiegen Einflüsse, die den
Uterus stillstellen und den Geburtskanal verengen (Progesteron).
Um die Geburt
einzuleiten, bedarf es einer geburtsfördernden Veränderung dieses Gleichgewichts zugunsten der Östrogene; CRH, Prostaglandine, Oxytozin und Relaxine wirken mit (>nächstes Kapitel).

>Abbildung:
Antwort des Blutzucker- (oben) und Insulinspiegels (unten) auf
Nahrungsaufnahme bei Schwangeren und
Nichtschwangeren
Nach einer Vorlage in Cunningham et al, in: Williams Obstetrics, 23rd ed., McGraw-Hill 2009
Blutabnahme stündlich, Nahrungsaufnahme um 8, 13 und 18 Uhr (jeweils N=8)
Die Amplitude der täglichen Schwankungen des Blutzucker- und des Insulinspiegels sind während der Schwangerschaft wesentlich erhöht (>Abbildung). In
der zweiten Schwangerschaftshälfte verändert sich der Metabolismus von
anabol (Speicherung) auf katabol (Fettabbau); man spricht auch von "accelerated starvation".
Die Insulinsekretion nimmt auf Grund einer ß-Zell-Hyperplasie zu (hyperinsulinärer Zustand), die periphere Insulinempfindlichkeit ab.
Nach einer Nahrungsaufnahme wird die resorbierte Glucose von insulinempfindlichen Zellen weniger intensiv
aufgenommen, es kommt zu starker Steigerung des Blutzuckerspiegels (postprandiale Hyperglykämie), hohen Insulinantworten und gesteigerter Glukagonsuppression.
Erklärbar ist dieses Reaktionsmuster mit der Tatsache, dass die Insulinempfindlichkeit
der Gewebe um bis zu 70% herabgesetzt ist. Die Ursachen dafür sind
unklar (Progesteron? Östrogene? HPL?). Der hohe Blutzuckerspiegel erleichtert die Glucose-Aufnahme des Feten (höheres Konzentrationsgefälle in der Plazenta).
Die erhöhte
Insulinproduktion kann bei entsprechender diabetogener
Stoffwechsellage zu Gestationsdiabetes führen.
Nach der postprandialen Hyperglykämie fällt der Glucosespiegel (und der
einiger Amionosäuren) bei der Schwangeren rasch ab, Glucose wird gering
verfügbar und gleichzeitig werden vermehrt Fettsäuren für den
Energiestoffwechsel herangezogen - ein Phänomen, das als
"beschleunigter Hungerzustand" (accelerated fasting) bezeichnet wird und bei längerer Nahrungskarenz rasch zu Ketose führen kann.
Hypothalamische Sättigungszentren werden vermutlich durch Progesteron verstellt. Fettgewebe
wird von der Schwangeren während der Schwangerschaftsmitte vermehrt
angelegt, zentral stärker als peripher. Diese Speicher werden
vorwiegend im dritten Trimenon - das durch Hyperlipidämie
gekennzeichnet ist (Triglyzeride, HDL, LDL, VLDL erhöht) - für den
fetalen Bedarf benötigt.
Der Leptinspiegel
erhöht sich zur Schwangerschaftsmitte hin auf 2-4 fache Werte und
bleibt dann bis zur Geburt erhöht. Leptin wird (außer von
Fettgewebe) auch von der Plazenta sezerniert. Es wird vermutet, dass
Leptin die Verfügbarkeit von Energiespeichern (vor allem Fettgewebe) aus dem mütterlichen Organismus optimiert, dadurch das fetale Wachstum begünstigt und an der Steuerung des Fetalgewichts beteiligt ist.
Die
Hypophyse nimmt
während der Schwangerschaft an Volumen zu - bis mehr als das Doppelte
der Ausgangsmasse, verursacht durch Hypertrophie / Hyperplasie
laktotroper Zonen. Das kann zu Druck auf Nachbargewebe (chiasma
opticum) und mangelnder Perfusion der Hypophyse führen.
Dieser
Befund, oder auch Kreislaufversagen bei Hypovolämie unter der Geburt,
kann zu Unterdurchblutung und Atrophie der Hypophyse mit entsprechendem
Ausfall troper Hormone führen (Sheehan-Syndrom).
<Abbildung: Entwicklung der ACTH- und Cortisolwerte im Blut der Mutter als Funktion der Schwangerschaftsdauer
Nach einer Vorlage in Cunningham et al, in: Williams Obstetrics, 23rd ed., McGraw-Hill 2009
Der rote Pfeil deutet den anfänglichen Abfall des ACTH-Spiegels an
Die Plazenta produziert CRH
(identisch mit dem von der Hypophyse synthetisierten), vor allem in der
Spätschwangerschaft. Zu dieser Zeit, und vor allem zum Geburtstermin,
nimmt die Konzentration an CRH-bindendem Protein
ab, und die Konzentration an freiem (biologisch wirksamem) CRH steigt
an. Das stimuliert die ACTH-Freisetzung, auch in der fetalen
Nebenniere. CRH regt die die Wehentätigkeit an, indem es das Myometrium gegenüber Prostaglandinen und Oxytozin sensibilisiert.
Die Serumkonzentration von ACTH und Cortisol unterliegt starken Änderungen (<Abbildung):
Die ACTH-Werte
sinken zu Beginn der Schwangerschaft zunächst (vielleicht wegen der
veränderten Cortisol-, vielleicht auch Progesteronwerte) und steigen
dann leicht an, bis sie zum Ende der Schwangerschaft mehr als
verdoppelt sind (~50 pg/ml). ACTH stimuliert nicht nur die Cortisolbildung, sondern auch die fetoplazentare Östrogensynthese;
Östrogene steigern die Kontraktilität der Uterusmuskulatur (direkt und
indirekt).
Der Cortisolspiegel steigt durch reduzierte Clearance auf ~40 µg/dl (GesamtCortisol; der größte Teil
wird an Transcortin gebunden). Cortisol bewirkt eine Ausreifung fetaler Systeme (Lunge, Gastrointestinaltrakt) und regt die CRH-Produktion in der Plazenta an, was eine positive
Rückkopplung auf die CRH-ACTH-Cortisol-Achse bedeutet. Plazentare 11ß-Dehydrogenase (Typ 2) verwandelt Cortisol zu inaktivem Cortison, was Mutter und Fetus vor überhöhten Cortisolspiegeln bewahrt.
Da
der mütterliche Glucocorticoidspiegel hoch ist, beschützt ein
enzymatischer Mechanismus der Plazenta den Fetus durch Konversion (11β-Dehydrogenase Isozym 2, >Abbildung ganz oben).

>Abbildung:
Schilddrüsenrelevante Hormone im Blut der Mutter (oben) und des Feten
(unten) als Funktion der Schwangerschaftsdauer
Nach einer Vorlage in Cunningham et al, in: Williams Obstetrics, 23rd ed., McGraw-Hill 2009
Mutter:
Die Plasmakonzentration an thyroxinbindendem Gloulin (TBG,
violette Kurve) nimmt im 1. Trimenon auf etwa das Doppelte des
Ausgangswertes zu. Damit verdoppelt sich auch die Konzentration
(gesamt) an Thyroxin (T4, gelbe Kurve); freies T4 (braune Kurve) nimmt nur geringgradig zu, um anschließend sogar leicht abzusinken (braune Kurve). TSH (Thyreotropin, blaue Kurve) verläuft spiegelbildlich dazu.
Das Bild zeigt auch den hCG-Verlauf im Blutplasma der Mutter (rote Kurve)
Fetus:
Alle Konzentrationswerte steigen bis zum Geburtstermin in der gezeigten Weise an

Choriongonadotropin
(hCG) aus der Plazenta wirkt wie LH und unterstützt die luteale
Sekretion von Östrogenen und Progesteron bis zur 12.
Schwangerschaftswoche (SSW). Plazentares Laktogen (hPL), auch Chorionsomatomammotropin (hCS) genannt, wirkt ähnlich wie Somatotropin (hGH) und Prolaktin - es regt Wachstum und Milchproduktion an. Prolaktin fördert zusammen mit
Östrogenen und Progesteron das Brustdrüsenwachstum und die Ausbildung
der Milchgänge. Die Produktion von Prolaktin wird durch hohe
Östrogenspiegel - wie sie am Ende der Schwangerschaft voriegen -
einerseits gefördert; Östrogene und Progesteron hemmen andererseits
eine pränatale Milchsekretion.
Oxytozin
wird reflektorisch freigesetzt, wenn der Geburtskanal (unterer Uterus,
Zervix) durch den tiefertretenden Kopf des Babys gedehnt wird - das
unterstützt die Wehentätigkeit (Ferguson-Reflex).
Die Dehnung führt zu weiterer Steigerung der Oxytozinausschüttung
(positive Rückkopplung, Selbstverstärkung der Wehentätigkeit).
In der Stillperiode bewirkt das Saugen des Babys an der Brust ebenfalls
eine Oxytozinausschüttung - dies bewirkt das Einschießen der Milch (Stillreflex). Während der Schwangerschaft unterbleibt eine Reizung der Oxytozinachse.
Der Serumspiegel der Schilddrüsenhormone
folgt spezifischen Mustern (>Abbildung): Insbesondere nehmen
die TBG- und T4-Werte
im Blut der Mutter im ersten Trimenon bis auf das Doppelte zu (bei
gleichbleibender Konzentration an ungebundenem Hormon) und
bleiben erhöht, während alle einschlägigen Hormonwerte beim Feten im
Verlauf der Schwangerschaft bis zum Termin fortlaufend ansteigen. hCG
stimuliert die Produktion der Schilddrüsenhormone, und der Jodbedarf nimmt zu (über die Folgen eines Jodmangels
s. dort).
Prostaglandin F2α und Oxytozin
steigern die Öffnungswahrscheinlichkeit von Typ-L-Calciumkanälen bei
Depolarisation der Uterusmuskulatur und unterstützen so die
Wehentätigkeit. Umgekehrt fördert Dehnung der Uteruswand die Prostaglandinbildung. Die Prostaglandine E2 und F2 (und andere Zytokine) erhöhen die uterine Motilität und verstärken die Wehentätigkeit.
Bei Graviden kommt es zur Suppression mehrerer zellulärer und humoraler Abwehrsysteme,
u.a. durch Hemmung von Helfer- und zytotoxischen
T-Lymphozyten. Dies
senkt die Sekretion mehrerer Zytokine wie
Interleukin-2, Interferon-γ
oder TNF-β.
Autoimmunkrankheiten wie z.B. rheumatische Arthritis
verlaufen bein Schwangeren oft milder, andererseits ist eine erhöhte
Infektionsanfälligkeit möglich.
Manche Komponenten des Immunsystems
sind hingegen angeregt (erhöhte Spiegel an IL-4, IL-6, IL-13).
Zum Fetus als "
immunprivilegiertes Gewebe" und das Phänomen der Immunverträglichkeit s.
dort
Die Aktivität von Leukozyten ist bei Graviden reduziert, gegen Ende der Schwangerschaft bildet sich allerdings eine deutliche
Leukozytose aus
(bis 15.000, im Wochenbett
20.000 /µl und mehr). Der Mechanismus dieser Leukozytose ist nicht
klar, vielleicht ist er ähnlich wie nach intensiver Muskelarbeit
("Verteilungsleukozytose", Verlagerung von Leukozyten aus der Mikro- in die Makrozirkulation?).
Die
Blutwerte mehrerer Entzündungsmarker sind in der Schwangerschaft
verändert, z.B. ist der CRP-Wert
(
C-reaktives Protein) physiologischerweise erhöht (bis auf mindestens das Doppelte des
physiologischen Referenzbereichs bei Erwachsenen - dieser liegt
zwischen 0,07 und 10 mg/l).
Einige
Gerinnungskennzahlen bleiben unbeeinflusst (PTT, tPA, Antithrombin
III), die Mehrzahl ist allerdings graviditätsbedingt verändert:
Thrombinzeit ~19 → ~22 s

Fibrinogen ~ 2,6 → 4,7 g/l (+80%)
Faktor VII ~ +80%
Faktor X ~ +50%
Plasminogen ~ +40%
Protein C ~ -20%
Protein S -30% (verringerte antikoagulatorische Wirkung!)
Auch die Plättchenzahl ändert sich - sie sinkt von ~250 T auf ~213 T/µl
- teilweise mit der schwangerschaftsbedingten Hämodilution (s. oben)
erklärbar, teilweise mit erhöhter Aktivierung (Verbrauch).
Ob eine Steigerung mehrerer Gerinnungsfaktoren (Verdopplung des Fibrinogenwertes, Erhöhung der
Blutsenkung
bis 30 / 60 mm) zusammen mit verminderter
gerinnungshemmender / fibrinolytischer Aktivität und
verlangsamter
Mikrozirkulation (Stase) zu erhöhter Gerinnungsbereitschaft und
gesteigertem
Thromboserisiko
während der Schwangerschaft führt, erscheint nicht ganz geklärt.
Möglicherweise balancieren sich die zahlreich veränderten
Einzelfaktoren im Hämostase-Fibrinolyse-System im Wesentlichen
physiologischerweise aus.
Die feto-plazentare Einheit
Chorion-Gonadotropin (hCG, human Chorion-Gonadotropin) ist ein Glykoprotein, bestehend aus einem α-Glykoprotein (α-glykoprotein subunit, α-GSU)
und einer hormonspezifischen ß-Untereinheit (ß-hCG), die durch
Nachweisantikörper erkannt wird (Schwangerschaftstests). Das Hormon
bindet mit hoher Affinität an LH-Rezeptoren. hCG aus der frühen Plazenta verhindert aufgrund seiner LH-Wirkung die Abstoßung der eingenisteten Blastenzellen.
hCG wird vor allem während des ersten Trimenons gebildet (>Abbildung oben) und steigert die Progesteronsynthese im corpus luteum.
hCG (Choriongonadotropin aus der feto-plazentaren Einheit) fördert die Progesteronsynthese
|
Zur Wirkung der Gonadotropine s. dort
Weitere Wirkungen des Choriongonadotropins:
hCG gelangt zu 1-10% in den fetalen Kreislauf; dort regt es
Leydig-Zellen zur Produktion von Testosteron an, bevor die GnRH-Achse
des Feten voll funktionsfähig ist. Weiters kann es im 1. Trimenon die
fetale Nebennierenrinde anregen. hCG bindet auch an den TSH-Rezeptor
und kann so die Schilddrüse stimulieren - eine vorübergehende
Schwangerschafts-Hyperthyreose kann daraus resultieren.
Choriongonadotropin (hCG)
24 Stunden nach Beginn der Implantation im Blut
nachweisbar
In den nachfolgenden 6 Wochen verdoppelt sich der
Blutwert alle 2 Tage
In der 10. Woche nach der
Befruchtung Maximum um die 200.000 IU/L, nachher Abnahme
Gegen Ende der
Schwangerschaft leichter Anstieg auf 5.000 - 60.000
IU/L
Biologische Halbwertszeit (wegen der starken Glykosylierung) ~30 Stunden
hCG wird für die häufig auftretende morgendliche Übelkeit während der Frühschwangerschaft verantwortlich gemacht.
Zur Entwicklung des hCG-Spiegels im Verlauf der Schwangerschaft s. weiter oben

ACTH-Spiegel und ACTH-Ansprechbarkeit der Nebennierenrinde sind gesteigert. Die DHEAS-Produktion hängt vom fetalen ACTH ab.
Erhöhte Östrogenspiegel steigern die Produktion von corticosteroid-binding globulin (CBG)
in der Leber. Dadurch wird mehr Cortisol gebildet, denn es nimmt die
Transportkapazität und das Total-Cortisol im Blutplasma zu. Dennoch
entsteht kein HyperCortisolismus, denn der hohe Progesteronspiegel
wirkt anti-glucocorticoid.
Der Fetus hat niedrige Glucocorticoidspiegel - Grund ist eine hohe Aktivität des plazentaren 11β-Dehydrogenase Isozyms 2 (11β-HSD2),
dieses katalysiert die Verwandlung von Glucocorticoiden und beschützt
den Fetus vor dem hohen Glucocorticoidspiegel der Mutter.
16α-OH-A4, 16α-Hydroxyandrostenedion
CRH, Corticoliberin
DHEA, Dehydroepiandrosteron
DHEAS, Dehydroepiandrosteronsulfat
Hat
sich das plazentare Gewebe ausreichend entwickelt, bilden Mutter,
Embryo
/ Fetus
und Plazenta eine funktionelle Gesamtheit, die
feto-plazentare Einheit (<Abbildung).
Diese ist zum Teil komplementär organisiert, ihre Komponenten können sich bei metabolischen Aufgaben ergänzen.
Das Plazentargewebe wächst vorwiegend durch
Hypertrophie:
Die Zellen werden größer, RNS- und Proteingehalt nehmen mit dem Dauer
der Schwangerschaft annähernd linear zu. Auch die Zellzahl steigt bis
zum Ende des 2. Trimenons etwas an, dann bleibt sie konstant.
Beispielsweise fehlen der Plazenta die enzymatische Ausstattung zur
Bildung von Dehydroepiandrosteronsulfat (DHEAS), sie kann DHEAS nicht selbst
synthetisieren und bezieht sie von Fetus und Mutter. Andererseits
fehlt dem Fetus die enzymatische Ausstattung, um daraus Androstendion und Östrogene zu bilden.
Die Plazenta bildet zahlreiche Hormone, was für den Erhalt der
Gravidität wichtig ist.
Dazu gehören Peptidhormone wie hCG, glandotrope Hormone, Endorphine, Oxytozin, und (auch vom corpus luteum synthetisierte)
Relaxine, die - über Wirkung an
Relaxinrezeptoren
(beim Menschen 4 bekannt) - bei der Geburt den Uterushals durch
Nachgeben des Bandapparates entspannen und so den Geburtskanal
erweitern. Relaxine erhöhen auch das Herzminutenvolumen, die
Nierendurchblutung und die arterielle
Compliance.
Plazentares Laktogen (
hPL) - auch
human chorionic somatomammotropin
(HCS) genannt - wirkt ähnlich wie Wachstumshormon und Prolaktin, und fördert
Differenzierung und beginnende Milchbildung in der Brustdrüse. Die
hPL-Bildung beginnt erst, wenn die Schwangerschaft sicher ist.
Weiters bilden plazentare Zellen Geschlechtshormone, Monoamine
(Katecholamine, Serotonin u.a.) sowie zahlreiche Neuropeptide (Tabelle).
Von der Plazenta produzierte Neuropeptide und Hormone
Modifiziert nach: Wilkinson / Brown, An Introduction to Neuroendocrinology, 2nd ed. 2015. Cambridge University Press
|
Neuropeptide
|
Peptidhormone
|
Steroide
|
Monoamine
|
CRH
TRH
GnRH
Melatonin
Cholecystokinin
Metenkephalin
Dynorphin
Neurotensin
VIP
Galanin
Somatostatin
CGRP
Neuropeptid Y
Substanz P
Endothelin
ANP
Angiotensin
Urocortin
|
hCG
ACTH
TSH
SH
hPL
Inhibin
LH
FSH
ß-Endorphin
Prolaktin
Oxytozin
Leptin
Activin
Follistatin
Relaxin
|
Progesteron
Östradiol
Östron
Ostriol
Pregnenolon
u.a.
|
Adrenalin
Noradrenalin
Dopamin
Serotonin
Adrenomedullin
|
Im späteren Verlauf der Schwangerschaft
übernimmt die Plazenta die Bildung der immer weiter steigenden Mengen
an Östogenen und Progesteron:
Progesteron: Der Synzytiotrophoblast exprimiert CYP11A1 und eine plazentaspezifische Dehydrogenase (3ß-HSD1),
Enzyme, die zur Progesteronbildung benötigt werden. Auch verfügen diese Zellen über
LDL-Rezeptoren,
was für die Aufnahme von Cholesterin aus dem Blut der Mutter gebraucht
wird. Das hier synthetisierte Progesteron gelangt in den Kreislauf der
Mutter und stellt das Myometrium ruhig (wichtig für einen ungestörten
Schwangerschaftsverlauf). Auch wirkt es auf die Brust (Wachstum,
Differenzierung) und regt später die fetale Cortisolbildung an.
Die Progesteronbildung verläuft endokrin unreguliert, sie hängt
lediglich von den verfügbaren Enzymen (CYP11A1 / 3ß-HSD) ab. Sie ist
auch unabhängig vom Fetus, der Progesteronspiegel sagt nichts über den
Gesundheitszustand des Feten aus.
Östrogene:
Der Synzytiotrophoblast verfügt nicht über das Enzym CYP17 und benötigt
daher für die Östrogensynthese metabolische Zwischenschritte (über
DHEAS, <Abbildung oben) im Feten (androgenproduzierende Zellen in
den Nebennierenrinde). Aus diesem Grund spricht man von einer
feto-plazentaren Einheit. Die DHEAS-Produktion der fetalen Nebenniere
ist gegen Ende des ersten Trimenons völlig von fetalem
ACTH abhängig.
DHEAS (
Dehydroepiandrosteronsulfat) kann nach seiner Synthese zwei Wege gehen: Entweder direkt zum Synzytiotrophoblasten, wo es zu Östradiol und Östron
desulfatiert wird; oder zur fetalen Leber, wo es zu 16-OH-DHEAS
hydroxyliert und dieses dann durch den Synzytiotrophoblasten zu Östriol (das führende Östrogen der Schwangerschaft) verwandelt wird.
Östrogene
verstärken die Durchblutung von Uterus und Plazenta und induzieren die
Expression von LDL-Rezeptoren im Synzytiotrophoblasten. Sie sind für eine normale Schwangerschaft nicht unbedingt notwendig, wohl aber für Wehenauslösung, Geburt und Stillperiode: Sie sorgen für die Synthese von Oxytozinrezeptoren und Prostaglandinen, und unterstützen die Entwicklung der Brustdrüsen.
Plazenta: Transport- und Schrankenfunktion
Die Plazenta hat bei der Geburt eine Austauschoberfläche von ~11 m2.
Stoffe passieren die Chorionzotten über Diffusion (Atemgase, Wasser,
Elektrolyte), Transporter (Glucose, Aminosäuren etc) und Pinozytose
(Proteine). Die
Konzentration an Aminosäuren im Blutplasma der Mutter ist bis zu 20%
erniedrigt, was mit der intensiven Aufnahme über die Plazenta
korreliert (Wachstum der fetoplazentaren Einheit). Der wichtigste
Energieträger für den fetalen Metabolismus ist Glucose, die über GLUT1 und GLUT3
über die Plazentarschranke gelangt (Bedarf 4-8 mg/kg/min, etwa doppelt
so viel wie bei erwachsenen Personen). Glucose ist ein bevorzugter
Energieträger (vor Laktat und Aminosäuren), denn das Sauerstoffangebot
im fetalen Kreislauf ist eher niedrig und würde für die vollständige
Oxygenierung von Fettsäuren nicht ausreichen.
>Abbildung: Plazenta
Nach einer Vorlage bei macmillanhighered.com
Die Plazenta hat fetale (Chorion) und mütterliche Gewebeanteile. Nabelarterien (blau dargestellt) bringen
sauerstoffarmes Blut zu den Chorionzotten, wo der Stoffaustausch
stattfindet. Die Nabelschnurvene (rot dargestellt) bringt
sauerstoffreicheres Blut zum Feten

In
der entwickelten Plazenta tauchen Chorionzotten (Villi) in
einen offenen mütterlichen Blutsee. Die Oberfläche dieser Zotten ist
von einer dünnen Synzytiotrophoblasten-Schichte
bedeckt - bestehend aus multinukleären Zellen, welche die Uteruswand
aktiv durchdrungen und mütterliche Kapillaren aufgebrochen haben, um
schließlich den (von mütterlichem Blut durchströmten) intervillösen Raum zu bilden und den Stoffaustausch zwischen mütterlichem und embryonalem / fetalem Kreislauf zu ermöglichen (>Abbildung).
Unter der "Haut" aus Synzytiotrophoblasten liegen Zytotrophoblasten,
Mesenchymzellen und fetale Blutgefäße. Die in den intervillösen Raum
eintauchenden Chorionzotten bilden die "Chorionplatte". Der Synzytiotrophoblast der
voll entwickelten Chorionzotten (Tertiärzotten) bildet zahlreiche
Mikrovilli zum Zweck der Oberflächenvergrößerung (Stoffaustausch).
Das mütterliche Blut strömt aus ca. 120 Spiralarterien pulsatil in den
intervillösen Raum. Der Blutstrom durch die engen Spalten dieses Raumes
ist so organisiert (Lage der Gefäße, Druckgradient), dass
arterio-venöse Kurzschlüsse weitgehend vermieden werden. Auf der mütterlichen
Seite des Plazentarkreislaufs gibt es keine Kapillaren; der intervillöse Raum übernimmt hier sozusagen die Rolle der Mikrozirkulation.
Die O2-Sättigung des fetalen Blutes ist in der Umbilikalvene am höchsten
|
Die "Plazentarschranke" stellt
keine absolute Barriere gegenüber Wirkstoffen physiologischer,
pharmakologischer oder toxischer Natur dar; der Fetus ist z.B.
gegenüber Medikamenten, die der Mutter verabreicht wurden, mehr oder
weniger exponiert. Das Blut des Feten ist saurer (pH 7,0-7,2) als das
der Mutter, sodass basische Pharmaka auf der fetalen Seite angereichert
werden (Ionenfalle, ion trapping).
Plazentarer Stoffaustausch
Die reife Plazenta ist vom "hämochorialen" Typ und besteht aus drei hauptsächlichen Strukturen (>Abbildung oben):
Den verzweigten Chorionzotten
mit umbilikalen Blutgefäßen und einer Hülle aus Synzytiotrophoblasten,
die an den feinsten Aufzweigungen eine flache einzellige Schichte
bilden, durch die Stoffe zwischen dem Blut der Mutter und dem des Embry
bzw. Feten ausgetsucht werden (plazentare, "vaskulo-synzytiale" Membran)
Dem intervillösen Raum, in den mütterliches Blut durch Spiralarterien einströmt und aus dem es durch endometrielle Venen abfließt
Der Dezidua basalis.
Diese zytotrophoblastische "Schale" sitzt dem Myometrium auf und bildet
die Basis für plazentate Septen, welche die intervillösen Räume (in
dierse "tauchen" die Chorionzotten ein) begrenzen. Die decidua basalis
bildet die Matrix für die mütterlichen Gefäße: durch sie winden sich
Spiralarterien einerseits, endometriale Venen andererseits.
Im ersten Trimenon versperren extravillöse Zytotrophoblasten die
Durchblutung der Spiralarterien (sie ersetzen deren glatte Muskulatur
und Endothelien), sodass die Ernährung des Keims in der Embryonal- und
frühen Fetalperiode in einer hypoxischen Umgebung im Wesentlichen durch
histiotrophe Ernährung
(Phagozytose) erfolgt. Erst dann werden die Arterien "befreit", die
Durchblutung nimmt Fahrt auf und der Metabolismus stellt sich auf
vorwiegend hänatotrophe Ernährung des Feten um.
Das Blut der Mutter und des Feten kommen in der Plazenta nicht
unmittelbar in Berührung, zwischen ihnen liegt die mehrschichtige
Barriere aus Endothelzellen, Synzytio- und Zytotrophoblasten sowie
Mesenchymzellen (Plazentarschranke).
Durch sie hindurch erfolgt der Austausch von Atemgasen, Wasser,
Aminosäuren, Kohlenhydraten, Lipiden, Nukleinsäuren, Elektrolyten,
Vitaminen, Spurenelementen, Immunglobulinen, Hormonen,
Stoffwechselendprodukten, Medikamenten u.a. (eventuell auch Toxinen,
wie Alkohol usw).
Die involvierten Mechanismen dieses Austauschs gleichen den in der Mikrozirkulation sonst auch üblichen:
Diffusion (Gase, Harnstoff, Steroide, Kreatinin, Lipide)
Die Hämoglobinkonzentration ist bei der Mutter im letzten Schwangerschaftsdrittel niedriger als beim Feten
|
Für den Transport von Sauerstoff (und CO2) spielen die
Bindungseigenschaften des mütterlichen / fetalen Hämoglobins eine
entscheidende Rolle: Das HbA der Mutter hat geringere
Bindungsbereitschaft zu Sauerstoff als das HbF des Feten
(<Abbildung oben), d.h. bei ein und demselben Partialdruck wandert
Sauerstoff vom mütterlichen in das fetale Blut und steht dem Fetus (der
an relativ hypoxische Bedingungen angepasst ist) zur Verfügung. So ist
das mütterliche Blut bei einem pO2 von 30 mmHg (mit diesem Partialdruck verlässt das Blut den intervillösen Raum) nur zu 57% sauerstoffgesättigt, während das Blut des Feten bei diesem pO2 noch zu 85% gesättigt ist (Tabelle) und mit dieser "Ausbeute" via Nabelvene in den fetalen Kreislauf
einmündet. Dazu kommt noch ein Anstieg der fetalen
Hämoglobinkonzentration, die pränatal um ~50% über dem Normwert von
Erwachsenen liegt.
<Abbildung: Sauerstoffbindungskurve HbA und HbF
Modifiziert nach Storz JF, Gene Duplication and Evolutionary Innovations in Hemoglobin-Oxygen Transport. Physiology 2016; 31: 223-32
Großes Bild: Daten für pH 7,2 (intra-erythrozytärer physiologischer Wert), 20°C, ohne 2,3-DPG (Kurven links: sauerstoffaffinere R-Form) und mit äquimolarer Menge an 2,3-PDG (Kurven rechts: weniger sauerstoffaffin, O2-Abgabe bei höherem pO2).
A = HbA (adult, blau), F = HbF (fetal, rot)
Inset: Kurven für mütterliches und fetales Blut (37°C)
Durch
die unterschiedliche Lage der Bindungskurven tritt bei gegebenen pO2-Werten Sauerstoff vom
mütterlichen auf das fetale Hämoglobin über (höhere O2-Sättigung);
außerdem ist der Hämoglobingehalt des fetalen Blutes höher (Hämatokrit
≥50%), was eine gesteigerte Sauerstoffmenge pro Volumeneinheit Blut
ergibt (hohe O2-Transportkapazität des fetalen Blutes)

Der Sauerstoffpartialdruck ist im fetalem Blut niedriger als im Blut der Mutter
|
Um die Sauerstofftransportkapazität seines Blutes - angesichts ziemlich hypoxischer Bedingungen - zu erhöhen, hat der Fetus einen hohen Hämatokrit (um
die 50% oder darüber) - Erythrozytenzahl und Hämoglobinkonzentration
sind dementsprechend hoch; die Erythrozyten sind größer, aber
kurzlebiger als bei erwachsenen Personen.
Hämatokrit, Ery-Zahl und Hb-Konzentration sind bei Feten höher als bei Erwachsenen
|
Fetales Hämoglobin (HbF) enthält zwei α- und zwei γ-Globinketten (nicht wie adultes HbA aus zwei α- und zwei β-Ketten). γ-Untereinheiten haben eine geringe Affinität gegenüber 2,3-DPG; dies führt zu einer Stabilisierung der R-Form mit hoher Sauerstoffaffinität, O2
wird von HbF in der Plazenta noch bei Partialdruckwerten gut gebunden,
bei denen das HbA der Mutter Sauerstoff bereits abgibt (<Abbildung).
2,3-DPG beeinflusst die Sauerstoffbindung am fetalen Hämoglobin nur geringgradig
|
Diese erhöhte Sauerstoffaffinität des HbF entspricht einer Linksverschiebung der Bindungskurve um 4 mmHg und begünstigt die O2-Aufnahme
durch den Fetus (allerdings gibt das HbF den Sauerstoff erst bei
niedrigeren Partialdrucken an das fetale Gewebe ab, der Stoffwechsel
muss auf einen niedrigeren pO2 - also relativ hypoxische Bedingungen - eingestellt sein).
|
|
pO2
(mmHg)
|
Hämoglobin-
Sättigung
(%)
| pCO2
(mmHg) |
Mütterliche Seite
|
Uterine Arterien |
~100
|
97-98
| 32
|
Intervillöser Raum |
30-35
|
57-67
|
|
Uterine Venen
|
~30
|
~57
| 43
|
Fetale Seite
|
Nabelarterien
|
~20
|
~25
| 48
|
Nabelvene
|
~30
|
~85
| 43
|
Erleichterte Diffusion mittels Transportproteinen (z.B. Glucose)
Aktiver Transport mittels Transportproteinen (z.B. Elektrolyte)
Sekundär aktiver Transport mittels Transportproteinen (z.B. Aminosäuren)
Pinozytose
(rezeptor-mediierte Endozytose, z.B. IgG, Insulin, Transferrin, LDL). So verleiht die Mutter über ihre
Antikörper vom Typ IgG dem fetalen Organismus einen adaptiven
Immunschutz (der die aktuellen mikrobiellen Herausforderungen
widerspiegelt) - dieser Schutz hält dann noch einige Monate nach der
Geburt an, bis das Baby seine eigene spezifische Immunprotektion
aufgebaut hat. So können unter Umständen (Rhesus-Inkompatibilität) auch
Isoagglutinine des Typs Anti-D über die Plazentarschranke gelangen - solche der AB-Blutgruppen (Typ IgM) nicht.
Regulation der Plazentardurchblutung:
Die wesentlichen Faktoren, welche die Perfusion des intervillösen Raums
beeinflussen, sind der Blutdruck der Mutter, der intrauterine Druck
sowie das Muster allfälliger Uteruskontraktionen. Wehen
(sowohl während der Schwangerschaft als auch bei der Geburt) fördern
den arteriellen Einstrom, drosseln aber den venösen Ausstrom, was das
plazentare Blutvolumen vorübergehend erhöht. Blutstrom und
Stoffaustausch sind für die Dauer der Wehe reduziert, sistieren aber nicht vollständig.
Zum Fetus als "
immunprivilegiertes Gewebe" und das Phänomen der Immunverträglichkeit s.
dort
Embryonale und fetale Entwicklung
Die Schwangerschaftsdauer
(Tragzeit) wird klinisch vom Zeitpunkt des Auftretens der letzten
Mensenblutung gerechnet. Sie wird in Wochen (Schwangerschaftswoche SSW, Gestationswoche), Monaten oder Drei-Monats-Perioden angegeben (1.-3. Trimenon). Das Embryonalalter gibt das Alter des Embryos an und beträgt daher um ca. 2 Wochen weniger als die "Schwangerschaftsdauer".
Fetales Körpergewicht als Funktion des Gestationsalters
Nach Merz E, Sonographische Diagnostik in Gynäkologie und Geburtshilfe. Stuttgart: Georg Thieme Verlag 2002
Die
Zunahme des Körpergewichts erfolgt in etwa bis zum 7. Monat leicht
exponentiell, dann etwa linear. Im Schnitt erreichen Feten in der 28.
Schwangerschaftswoche ein Gewicht von 1 kg. In der 31. Woche sind es
zwischen 1,1 und 2, in der 33-34 Woche zwischen 1,8 und 2,8 kg. Das
Geburtsgewicht (40. Woche) liegt meist zwischen 3 und 4 kg

Die Entwicklung des
Embryos (so bezeichnet bis zur 9.-10. SSW; zu diesem Zeitpunkt sind alle Organsysteme angelegt) bzw.
Feten lässt eine Reihe von Wegmarken erkennen.
Das embryonale
Herz
beginnt mit der 3.-4. SSW zu schlagen.
Ab der 5. SSW treten reaktive Bewegungen auf Berührungsreize im Gesichtsbereich auf, d.h. der
Tastsinn ist bereits entwickelt.
Mit der 8. SSW bildet der Fetus
Leukozyten
(Thymus,
Milz - das rote Knochenmark wird erst später zur Hauptbildungsttätte
der weißen Blutkörperchen). Mit der 12. SSW beginnt der
Fetus mit der Produktion von
Insulin.
Ab der 15. SSW beginnt der Fetus, an seinem Daumen zu saugen (schon
vorher berührt er Gesicht und Kopf und übt dadurch die Haptik), was als
Training für die später lebensnotwendige Motorik der Nahrungsaufnahme
(Stillen!) von großer Bedeutung ist. Zu diesem Zeitpunkt arbeitet das
taktile System bereits, alle anderen Sinnessysteme funktionieren noch
nicht.
Die - in der 13.-16. SSW entstehende -
Lanugobehaarung
trägt sensible Rezeptoren, sodass der Fetus durch Bewegungen des
Fruchtwassers ständig neuronal stimuliert wird - und damit die
Entwicklung des Nervensystems.
Ab Woche 18 öffnet und schließt der Fetus seinen Mund und
verschluckt
Fruchtwasser, der Geschmackssinn beginnt zu funktionieren, das
Verdauungssystem entwickelt sich weiter.
Die neokortikalen Neuronen entwickeln sich vor allem zwischen der 5. und 20. SSW (vgl.
dort). Die Großhirnrinde kann ab
der 20. SSW Erfahrungen (unterbewusst) abspeichern.
<Abbildung: Körpergröße des Feten (Scheitel-Steiss-Länge, crown-rump length) als Funktion des Alters (Schwangerschaftswoche)
Nach Ohuma EO, Papageorghiou AT, Villar J, Altman DG.
Estimation of gestational age in early pregnancy from crown-rump length
when gestational age range is truncated: the case study of the
INTERGROWTH-21st Project. BMC Med Res Methodol 2013; 13: 151
Entwicklung bis Gestationswoche 17. Referenzbereich grün gezeigt
Belastungen während der Schwangerschaft durch Faktoren wie Rauchen,
falsche Ernährung, Medikamente etc. schädigen (mindestens) drei Generationen
gleichzeitig