Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
Transport
im kardiovaskulären System (Kreislauf, Blut, Lymphe)
Dynamik der
Blutströmung, Blutviskosität
© H. Hinghofer-Szalkay
Fahraeus-Lindqvist-Effekt: Robin Fåhræus, Torsten Lindqvist
Hämatokrit: αιμα = Blut, κρινειν = urteilen
Hämorheologie: αιμα = Blut, ρεῖ = fließen, λόγος = Lehre
(nicht-) newtonische Flüssigkeit: Isaac Newton
Poise: Jean L.M. Poiseuille
Reynolds-Zahl: Osborne Reynolds
Thixotropie: θίξις = Berühren, τρέπω = wenden, ändern
Viskosität: viscidus = klebrig, viscositas = Zähigkeit (viscum = Mistel; aus Mistelbeeren wurde Vogelleim gewonnen)
Die
Fließfähigkeit des Blutes ist ein kritischer Faktor für die Blutversorgung der Gewebe. Einerseits steigt
mit dem Hämatokrit die O2-Transportkapazität des Blutes, andererseits sinkt seine Fließfähigkeit - die Viskosität nimmt zu, insbesondere bei Hämatokritwerten über 0,5 (50%).
Rote Blutkörperchen sind sehr flexibel. So bleibt das Blut
trotz hohen Volumenanteils an Erythrozyten flüssig: Ihre
Membran kann um den Zellinhalt "rollen", die Blutkörperchen können
ihre Form dem Strömungsprofil anpassen.
Blutkörperchen ordnen sich in der Mikrozirkulation vor allem im Zentrum
des Blutstroms an, das erleichtert die Passage und verringert den
Strömungswiderstand. Daher ist die effektive Viskosität bei Gefäßen von
etwa 10 µm Durchmesser am geringsten (Fahraeus-Lindqvist-Effekt).
Die an der Gefäßwand auftretenden Scherkräfte des vorüberströmenden
Blutes werden von den Endothelzellen aufgenommen und auf ihr
Zytoskelett übertragen; das löst die Freisetzung von Stoffen aus, die
ihrerseits den Gefäßzustand (Gefäßweite) beeinflussen. So nimmt die
Bildung von NO (Stickstoffmonoxid) mit steigender Schubspannung am
Endothel zu, sodass sich das Gefäß erweitert.
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Bei der Strömung durch das Gefäßsystem überwindet das Blut innere Widerstände (Reibung innerhalb des Blutes und an der Gefäßwand). Was bedeutet das für die Arbeit des Herzens
einerseits, die Versorgung der Gewebe
andererseits? Wie fließfähig muss Blut sein, wie bewegt es sich durch enge Kapillaren?

A:
Direkter Signalweg - mechanische Scherung (shear stress) an der Blutseite (luminale
Seite) ändert die Permebilität von deformationsempfindlichen
Kationenkanälen, teilweise unter Mitwirkung von G-Proteinen
B: Endothelzellverband - Verformungskräfte an interzellulären Verbindungen beteiligen sich an der Mechanotransmission
C: Basalmembran - das
Zytoskelett überträgt Kräfte u.a. auf Anhaftungsstellen am Untergrund
(extrazelluläre Matrix), an denen Integrine fixiert sind und als
Deformations-Ankerstellen wie auch als Ausgangspunkt mehrerer
molekularer Mechanismen (Kinasenaktivierungen, Aktinaufbau) dienen
D: Zellkern - vermutlich sind auch Deformationen des Zellkerns an der Aktivierung von Folgereaktionen beteiligt
Die Übertragung mechanischer Kräfte (Mechanotransmission) von extra- auf intrazellulär löst molekulare Reaktionen (Mechanotransduktion) in Endothelzellen aus, die sowohl (enzymatisch) im Zytoplasma als auch (über veränderte Genexpression) im Kern wirksam werden.
Cadherine sind Membranproteine, die interzelluläre Kontakte aufbauen
Catenine sind intrazelluläre Schaltstellen zwischen Cadherinen und Aktinfilamenten des Zytoskeletts
Integrine sind Membranproteine, die extrazelluläre Kontakte herstellen
MAP-Kinasen sind mitogenaktivierte Proteinkinasen
NFB (nuclear factor light-chain-enhancer of activated B cells) ist ein Transkriptionsfaktor
PECAM-1 (Platelet endothelial cell adhesion molecule) beteiligt sich u.a. an Aktivierungsvorgängen, z.B. an Integrinen
Ras (nach rat sarcoma) ist eine GTPase

Die
Fließeigenschaften des Blutes - Gegenstand der Hämorheologie
- sind bestimmt durch
Konzentration der Blutkörperchen (
Hämatokrit 
)
Verformbarkeit (
Flexibilität) der
Blutkörperchen
Art der
Strömung (laminar? turbulent?)
Fließeigenschaften
des
Blutplasmas.
Thixotropie:
Mit
zunehmender mechanischer Beanspruchung (Scherung in
der Strömung) nehmen innere Widerstände ab und die Fließfähigkeit des
Blutes zu (bei langsamer fließendem, insbesondere bei stehendem
Blut nimmt die Fließfähigkeit ab), ein Verhalten, das man als thixotrop
bezeichnet. (Blut soll im Kreislauf nicht aufhören zu fließen.)
Insgesamt ergibt sich ein komplexes Verhalten bei der Bewegung von Blut
durch die Gefäße. Eine Möglichkeit der Quantifizierung der dabei
auftretenden Widerstände besteht über die Maßzahl der Viskosität,
was etwa Fließzähigkeit heißt.
Schubspannung induziert Vasodilatation:
Endothelzellen reagieren auf die Belastung, die über die Schubspannung
beim Vorbeifließen des Blutes auf sie einwirkt, mit einer proportional
zunehmenden Synthese von Stickstoffmonoxid.
Schubspannung an den Endothelzellen regt die Aktivität endothelialer NO-Synthase an
NO diffundiert in benachbarte glatte Gefäßmuskelzellen
und stimuliert dort die Bildung von cGMP (aus GTP)
das regt die cGMP-abhängige Proteinkinase (PKG) an
die PKG öffnet kalziumabhängige Kaliumkanäle
die Muskelzelle hyperpolarisiert, dadurch weitet sich das Gefäß
die Schubspannung am Endothel nimmt ab (negative Rückkopplung).

<Abbildung: Viskosität ist definiert als Schubspannung (F/A) pro Scherrate (dV/dx)
Eine Kraft F bewegt Flüssigkeit schichtweise (Flächen A) aneinander vorbei.
dV = zurückgelegte Strecke, dx = Abstand zwischen den angenommenen Schichten

Viskosität (µ) ist ein Maß für
die innere Reibung in einer strömenden Flüssigkeit. Bei laminarer
Strömung gleiten (bei rundem Gefäßquerschnitt etwa röhrenförmige) Flüssigkeitsschichten geordnet aneinander vorbei - vom Rand zum Zentrum (axial) mit zunehmender Geschwindigkeit.
Im Blut herrscht laminare Strömung vor, nur ausnahmsweise wird die Strömung turbulent
(Wirbelbildung). Blutkörperchen ordnen sich in engen Gefäßen
automatisch in der axialen (raschesten) Schichte an (s. unten), sofern
sie nicht - bedingt durch molekulare Mechanismen (Bindung an Selektine,
Integrine) - an der Gefäßwand haften bleiben.
Viskosität ("Zähigkeit") definiert als
Quotient aus Schubspannung (F/A) und Scherrate (dV/dx):
Schubspannung
ist die Kraft F, die auf eine Flüssigkeitsschicht der Fläche A
ausgeübt wird, um sie über eine bestimmte Strecke dV zu bewegen, um innere Widerstände in der
Flüssigkeit zu überwinden. Die Dimension ist Kraft pro Fläche (Einheit im SI-System ist das Pascal: Pa = N/m2). In Gefäßen nimmt die Schubspannung bei laminarer Strömung von der Wand zum axialen Mittelstrom hin ab.
Als Scherrate bezeichnet
man die Relativbewegung dV einer gedachten Flüssigkeitsschicht pro
Schichtdicke dx (Geschwindigkeit pro Abstand, Dimension Zeit-1).
Viskosität hat die Dimension Kraft mal Zeit pro Fläche (1 (N.s)/m2 = 1 Pa.s). Die
Einheit für die Viskosität ist das Poise
(1 P = 0,1 Pa.s). Das Centi-Poise (cP) wird in der Physiologie verwendet, um die Viskosität
von Körperflüssigkeiten anzugeben (1 cP = 1 mPa.s. Wasser hat 1 cP, Plasma ≈2 cP, Blut ≈4 cP, abhängig vor allem vom Hämatokrit, >Abbildung).
Homogene Flüssigkeiten (z.B. Wasser) zeigen keine Abhängigkeit der Viskosität von der Scherrate; man nennt solche Flüssigkeiten newtonisch,
weil sie den Gesetzen der newtonschen Mechanik folgen. Komplexe
Flüssigkeiten wie das Blut haben hingegen eine scherratenabhängige
(variable) Viskosität; man nennt solche Flüssigkeiten nicht-newtonisch.
Flüssigkeiten können ganz verschiedene Formen variabler Viskosität
aufweisen; die Fließeigenschaften des Blutes hängen von Scherrate und
physikalisch-physiologischen Eigenschaften der Gefäße und
Blutkörperchen ab.
Die Viskosität ist auch temperaturabhängig, sie sinkt mit steigender Temperatur (bessere Fließfähigkeit).
Viskosimetrie: Mit üblichen Messgeräten
ermittelte Werte für die Blutviskosität erlauben nur eine eingeschränkte Aussage über das
tatsächliche Strömungsverhalten in der Mikrozirkulation.
(Halb)mikroskopische Methoden geben mehr Aufschluss über physiologisch
und medizinisch relevante Fließeigenschaften (s. weiter unten).

>Abbildung: Die Viskosität von Blutproben nimmt mit dem Hämatokrit nichtlinear zu
Mittels
Viskosimeter (Abbildung unten) ermittelte Werte. Physiologisch hängt
die Fließfähigkeit des Blutes stark von der Fließgeschwindigkeit, der
Verformbarkeit der Blutkörperchen, der Geometrie der Gefäße u.a. ab.
Bei niedriger Fließgeschwindigkeit kann es in der Mikrozirkulation zu
Aggregation ("Geldrollenbildung") und Stase kommen.
Das kann zu
Unterversorgung und nach längerer Zeit zu Nekrosen führen (z.B.
Dekubitus). Daher ist es wichtig, die Perfusion in den kleinen Gefäßen
aufrechtzuerhalten

Die Viskosität von Blutplasma beträgt ≤2 cP (Serum ist fibrinogenfrei und hat etwas geringere Werte).
Die Plasmaviskosität ist vor allem durch die Konzentration an
Plasmaproteinen (≈70 g/l) bestimmt, insbesondere die
Konzentration fädiger Moleküle wie Fibrinogen. Plasma trägt zur
Blutviskosität zu einem eher geringen Teil bei.
Die Blutviskosität hängt von Eigenschaften des Blutes und der Gefäßwände ab:
Hämatokrit
Größe und Verformbarkeit der Blutkörperchen (innere Viskosität)
Geometrie und
adhäsive Eigenschaften der Gefäßwand
Allfällige Aktivierung der Blutstillung (Thrombozytenaktivierung, Gerinnselbildung)
Bei normalen
Hämatokritwerten (30-50%) und physiologischen Erythrozyteneigenschaften
beträgt die
Blutviskosität ≈4 cP (etwa das Doppelte der Plasma-Viskosität). Nimmt
der Hämatokrit zu, dann nimmt die Fließfähigkeit des Blutes
überproportional ab, die Viskosität zu (>Abbildung). Das bedeutet,
dass hohe Hämatokritwerte die
Mikrozirkulation zusehends erschweren: Trotz hoher Hämoglobinmenge kann
immer weniger Sauerstoff an das Gewebe gelangen.
Optimierung des Sauerstofftransports
Die Sauerstoff-Transportkapazität (1 Gramm Hämoglobin kann 1,34 ml Sauerstoff transportieren) ist bei mittleren (physiologischen) Hämatokritwerten an höchsten.

Niedriger Hämatokrit (Werte ab ≈15% sind mit physiologischen
Körperfunktionen weitgehend vereinbar, die körperliche Belastbarkeit
ist eingeschränkt) hat den Nachteil geringer Hämoglobinmenge, lässt
Blut aber besonders leicht fließen und beschleunigt dadurch den
Atemgastransport


Hoher Hämatokrit (Werte >55%) bedeutet zwar viel Hämoglobin, das Blut gelangt
aber bei abnehmender
Fließfähigkeit nur schwer durch die Mikrozirkulation
(Beispiel Verkehrsüberlastung: Viele Transporter, dennoch geringe Transportquote)
Niedriger
Sauerstoffanteil in der Atemluft (z.B. Höhenanpassung, venös-arterielle Vermischung von Blut infolge Septumdefekt im Herzen)
kann Hämatokritwerte
bis zu ≈70% verursachen (≈8 Mio Erys pro µl Blut, normal ≈4-5 Mio), ein
Wert, der die Viskosität vervielfacht und das Blut dickflüssig macht.

<Abbildung: Erythrozyten und Thrombozyten strömen durch ein kleines Gefäß (≈15 µm Durchmesser)
Nach einer Abbildung in me.stanford.edu
Strömungsrichtung nach links; die Form der Erys entspricht dem Strömungsprofil im Gefäß
vgl. dort

Die Durchblutung der feinsten Gefäße
(Mikrozirkulation) dient der Ernährung und Versorgung der Gewebe. Wie aber gelangen Blutkörperchen durch
Kapillaren, die enger sind als ihr Ruhedurchmesser? Die Lösung:
Direkt am Endothel entlang strömt eine Plasmaschichte (geringe Viskosität)
Die Blutkörperchen verformen sich entsprechend dem Strömungsprofil
(größte Geschwindigkeit in der Mitte des Gefäßes - durch kleine
Kapillaren schlüpfen Erythrozyten "pfeilspitzenförmig"). Der Fahraeus-Lindqvist-Effekt sagt aus, dass Blut besonders leicht durch das Kapillargebiet strömt, also eine niedrige effektive Viskosität aufweist
Der 'Tunneleffekt'
schließlich sagt aus, dass die Blutkörperchen im
Axialstrom besonders rasch durch Kapillaren strömen, während Plasma
langsamer weiterkommt. So ist der
Hämatokrit in der Mikrozirkulation niedrig, meist weniger als die
Hälfte des Wertes in einer Blutprobe, die aus einem größeren Gefäß
stammt (daher beträgt der Ganzkörper-Hämatokrit nur ≈87% des aus einer Blutprobe ermittelten Wertes)
Beispiel: Gemessener Hämatokrit 0,4 (40%) → Ganzkörperhämatokrit ≈0,35 (35%)

>Abbildung: Effektive Viskosität als Funktion des Gefäßdurchmessers
Nach einer Vorlage bei Gekle / Taschenlehrbuch Physiologie, Thieme 2010
Achtung: Ordinate in relativen Einheiten (Plasma = 1, entsprechend ≤2 cP, blaue Linie). Die absolute Viskosität in cP hat etwa doppelte Zahlenwerte.
Rote Punkte: Einzelmessungen, Ausgleichskurve (dunkelgrün) errechnet.
Die Blutviskosität (effektiv) nimmt mit sinkendem Gefäßdurchmesser (im
Bild von rechts nach links, Abszisse logarithmisch skaliert) von einem
hohen Wert (hämatokritabhängig: z.B. 5 cP) laufend ab, bis ein
Minimalwert (nahe an der Plasma-Viskosität) bei 6-10 µm erreicht ist.
Bei noch geringerem Durchmesser des Gefäßlumens (enge Kapillare) steigt
die Viskosität wieder an

Insgesamt ergibt sich, dass die effektive Viskosität des Blutes
bei Gefäßdurchmessern von einigen Zehntel-Millimetern (Arteriolen) zu
sinken beginnt und bei 8-10 µm (Kapillaren) beinahe Plasmaviskosität
(≈2 cP) erreicht (>Abbildung). Dies ist vor allem durch den Fahraeus-Lindquist-Effekt
bedingt.
Erst bei weiterer Abnahme des Gefäßdurchmessers - wenn der
Durchmesser von Blutkörperchen, die allerdings noch "Pfeilform"
zugunsten der Passage annehmen, erreicht wird - steigt die
Viskosität wieder an ("Pfropfenströmung", >Abbildung links), bis die
Blutzellen die Kapillare nicht mehr
passieren können und es zu Stase (Stop der Bewegung des Blutes durch das Gefäß) kommt.
Stase tritt vornehmlich bei starker Reduktion der Strömungsgeschwindigkeit
auf, da sich dann die Blutbestandteile aneinanderzulagern beginnen und
die Haftungspunkte durch zunehmende Strömung erst gelöst werden müssen,
um wieder reguläre Strömungsverhältnisse herzustellen und die
Viskosität (die stasebedingt mehr als 20 cP betragen kann) in den
Normbereich von 3-5 cP zu senken.
Längerdauernde Stase behindert den Austausch von Atemgasen und
Nährstoffen mit dem Gewebe und führt zu pathologischen Abweichungen des
Stoffwechsels, die zu Funktionsbeeinträchtigungen führen und in Nekrose
des betroffenen Gewebeabschnittes münden kann, falls keine zur
Aufrechterhaltung des Zellstoffwechsels ausreichende kollaterale
Durchblutung möglich ist.

<Abbildung: Viskosimetrie: Formen des Messteils
Die
Kontaktfläche zum Blut kann die Form eines Zylindermantels, einer
Kegeloberfläche oder einer Scheibe haben. Gemessen wird der Widerstand
gegen eine Verformungskraft (Drehung). Auch andere Anordnungen sind
möglich, z.B. Kugeln definierter Größe und Masse, deren Fallzeit durch
die Probe gemessen wird

Das Verhalten der Gefäße wird nach Maßgabe des lokalen Bedarfs
gesteuert. Steigt im Gewebe der Sauerstoffverbrauch, dann erschlaffen
arterielle Widerstandsgefäße, und präkapilläre Sphinkteren (aus glatten
Muskelzellen aufgebaute Verschlussringe) werden geöffnet. Dadurch nimmt
das kapilläre Blutangebot zu.
Laminare und turbulente Strömung. In den meisten Fällen findet man in Blutgefäßen eine geschichtete (laminare)
Strömung: Die äußerste Schicht gleitet am Endothel vorbei und hat die
geringste Geschwindigkeit; je weiter man in die Mitte des Gefäßes
kommt, desto schneller strömt das Blut. Blutkörperchen passen ihre Form diesem laminaren Geschwindigkeitsprofil an.
Ändern sich bestimmte Parameter der Strömung, steigt die
Wahrscheinlichkeit, dass das laminare Bewegungsprofil "abreisst" und
Wirbel entstehen (turbulente
Strömung). Dabei spielen der Gefäßdurchmesser, die
Strömungsgeschwindigkeit, sowie die Massendichte und die Viskosität des
strömenden Mediums (hier: Plasma, Blut) eine Rolle. Gefäßweite
(Innendurchmesser D), mittlere Strömungsgeschwindigkeit (ν) und Dichte
(ρ) begünstigen das Auftreten von Turbulenzen - je größer ihr Betrag,
desto wahrscheinlicher ist ein turbulentes Profil -, während mit
zunehmender Viskosität (η) Turbulenzen weniger wahrscheinlich sind.
Diese Zusammenhänge können als Reynolds-Zahl (Re)
quantifiziert werden, die bei Rohrströmungen (Blutgefäße, Bronchien...) folgendermaßen errechnet wird:
Turbulenzen sind dadurch gekennzeichnet,
dass die Flüssigkeit teils quer zur Gefäßachse strömen, sich Wirbel
bilden, die Strömung insgesamt verlangsamt wird und akustische
Phänomene ("Rauschen") auftreten. Die Durchblutung ist dabei erschwert
und muss allenfalls durch erhöhte Druckgradienten aufrechterhalten
werden.
Es hat sich gezeigt, dass ab
Re-Werten
von ≈400 lokalisierte Wirbel auftreten (vor allem an
Gefäßaufzweigungen) - was z.B. in herznahen Abschnitten der Aorta und
Pulmonalarterie während der Austreibungszeit physiologisch ist - und ab
Werten von ≈2000 die laminare vollständig einer turbulenten Strömung
weicht.
Mangeldurchblutung
(Ischämie), wie sie bei Kreislaufschock, Unterkühlung, Vergiftung usw.
vorkommt, ist durch ein Stocken der Kapillardurchblutung (Stase),
Zusammenbruch der Gefäßregulation und Gewebeschädigung gekennzeichnet.
Stoffwechselprodukte reichern sich an werden in den Kreislauf
ausgeschwemmt, wenn die Durchblutung wieder zunimmt. Das kann zum
Reperfusionssyndrom führen, bei dem es zum Zusammenbruch der
Organfunktionen (Multiorganversagen) kommt.
Infusion geeigneter
Plasmaersatzstoffe hat zur Folge, dass
die Fließfähigkeit des Blutes zunimmt und einem Stillstand der Mikrozirkulation vorgebeugt werden kann.
Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen:
Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie
sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und
Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.