Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

      
Spezielle Endokrinologie
 
Wasseraufnahme und Wasserverlust
© H. Hinghofer-Szalkay

Dehydrierung: ὕδωρ = Wasser ("Entwässerung")
hyperton: ὑπέρ = über (hinaus), τόνος = (An)spannung
Hypovolämie: ὑπό = unter, volumen = Krümmung, αἷμα = Blut
Osmoregulation: ὠσμός = Antrieb, Eindringen; regula = Maßstab, Regel
subfornikales Organ: sub = unter, fornix = Bogen, Wölbung
Vasopressin: vas = Gefäß, premere = drücken, pressen


Der Hypothalamus stellt die Osmolalität der extrazellulären Flüssigkeiten auf  280-290 mOsm/l ein. Steigt die osmotische Konzentration - etwa infolge Dehydration -, nimmt die Produktion von Vasopressin zu; dieses "Wassersparhormon" fördert in der Niere die Rückgewinnung von (glomerulär filtriertem) Wasser, was die Osmolalität im Körper wieder senkt.

Die Schwelle, ab der osmotisch bedingte Vasopressinsekretion anspricht, liegt bei etwa 280 mOsm. Erst bei höheren Werten (~290 mOsm) wird zusätzlich der Durstmechanismus ausgelöst, was den Trinkmechanismus aktiviert (zusätzlich zur verringerten Wasserausscheidung).

Kardiopulmonäre Rezeptoren beeinflussen die osmotische Regulationsschwelle: Vasopressin beginnt bereits bei niedrigeren Osmolalitätswerten anzusteigen, wenn das zentrale Blutvolumen abnimmt; umgekehrt ist die Schwelle bei Hypervolämie zu höherer Osmolalität verschoben. Zweck dieses Einflusses ist die integrierte Kontrolle von Herz-Kreislauf-System und Salz-Wasser-Haushalt: Der Salzgehalt des extrazellulären Volumens steuert über die - präzise geregelte - Osmolalität das Volumen des Extrazellulärraums sowie das Plasmavolumen.

Weitere Player sind das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (Volumen- und drucksteigernd, salzsparend) und die natriuretischen Peptide (volumen- und drucksenkend, natriuretisch).


Flüssigkeitsbilanz Durst Osmoregulation

Core messages
 
Die osmotische Konzentration von Körperflüssigkeiten bestimmt die Passage von Wasser durch semipermeable Membranen (Zellmembranen), also zwischen Intra- und Extrazellulärraum. Veränderte Osmolalität wirkt sich daher auf Flüssigkeitsvolumina im Körper aus. Steigt die Osmolalität einer Flüssigkeit an, erniedrigen sich der Betrag ihres Gefrierpunkts bzw. Schmelzpunkts und Dampfdrucks und erhöht sich derjenige des Siedepunkts. Diese miteinander verknüpften Zustandsgrößen nennt man kolligative Eigenschaften, aus ihrem jeweiligen Betrag kann auf die entsprechende osmotische Konzentration rückgeschlossen werden (Osmometrie).
 
Der Flüssigkeitshaushalt wird durch den Hypothalamus koordiniert
 
Die zentrale Instanz der Volumen- und Elektrolytregulation ist der Hypothalamus, der laufend Messgrößen von Volumenrezeptoren (Kreislauf) und Osmorezeptoren (ZNS) ermittelt. Zentrum der Steuerung von Durst und Wasseraufnahme ist die lamina terminalis mit dem organum vasculosum laminae terminalis (OVLT) und das subfornikale Organ (SFO) - s. unten. Diese Gewebe liegen außerhalb der Blut-Hirn-Schranke, haben also direkten Zugang zur Zusammensetzung des zirkulierenden Blutes.
 
  Abbildung: Vasopressin (=Adiuretin) und Regulierung der Flüssigkeitsbilanz
Nach
einer Vorlage bei pharmacy180.com

Neurone in den nuclei supraopticus und paraventricularis produzieren Vasopressin, transportieren und speichern es anschließend im Hinterlappen der Hypophyse.
 
Bei Erhöhung der extrazellulären Osmolalität (Ansteigen des Natriumspiegels) werden diese Neuronen angeregt und geben gespeichertes Vasopressin an den Kreislauf ab. In den Nieren bewirkt es verminderte Wasserausscheidung (Antidiurese - Wasser verbleibt im Körper, die Tonizität nimmt ab) und stabilisiert so die Osmolalität der Körperflüssigkeiten.
 
Dies ist ein klassisches Beispiel für eine negative Rückkopplung unter Einbeziehung eines neuroendokrinen Regulationsechanismus


Osmolarität und Angiotensinkonzentration sind bei Dehydrierung erhöht, was spezifische Neurone in OVLT und SFO anregt. Diese Neurone projizieren auf eine dritte Region der lamina terminalis: Den medianen nucleus praeopticus (MnPO, s. unten). Dieser wiederum projiziert auf "klassiche" hypothalamische Kerne: Den nucl. supraopticus und nucl. paraventricularis ( Abbildung). Diese sind ihrerseits neurosekretorisch aktiv: Sie bilden Vasopressin (Aduiretin) und sind damit direkt in die Steuerung des renalen Wasserhaushalts involviert (Adiuretin als "Wassersparhormon").

Die Regulation der Flüssigkeitsräume und die Funktion des Kreislaufs sind eng miteinander verknüpft und Voraussetzung für den normalen Stoffaustausch zwischen Geweben und Organen sowie mit der Umwelt.

  Über Hunger und Sättigung: s. dort
 
  Über Durst und Osmoregulation s. auch dort
  
Der Bestand an Natrium beträgt etwa 60 mmol/kg Körpermasse (für eine durchschnittliche erwachsene Person ~10 Gramm) und ist ziemlich konstant, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Davon sind etwa 2/3 frei und rasch mobilisierbar (exchangeable sodium), 1/3 im Knochen fixiert und nur über längere Zeiträume zugänglich.

Die Konzentration in den extrazellulären Flüssigkeiten beträgt etwa 140 mM; dieser Wert (und damit das extrazelluläre Flüssigkeitsvolumen) wird von der Osmoregulation in engen Grenzen stabil gehalten.

Der tägliche Flüssigkeitsbedarf beträgt beim Erwachsenen ~15%, beim Neugeborenen mindestens 50% seines extrazellulären Flüssigkeitsvolumens.


Zur Bestimmung des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens s. dort
 
Die tägliche Wasserbilanz einer erwachsenen Person (≥2 Liter pro Tag) sieht etwa so aus:
 

Abbildung: Wasserbilanz
Modifiziert nach einer Vorlage bei pharmacy180.com

Gerundete Zahlenwerte für eine gesunde erwachsene Person (keine erhöhte Arbeits- oder Hitzebelastung, normales Trinkverhalten) bei ausgeglichener Flüssigkeitsbilanz (Zufuhr / 24h = Verlust / 24h).

Tägliche Zufuhr:

      Trinken: ~1,5 Liter (bei Schweißverlust entsprechend mehr, bis >10 Liter pro Tag)
      Wasser aus fester Nahrung (~0,7 l/d)
      Oxidationswasser (Stoffwechsel; ~0,2-0,5 Liter / Tag)
      Anderes (z.B. Infusionen)
 
Täglicher Verlust:
      Harn (~1,5 Liter, je nach Flüssigkeitsbelastung, Osmoregulation )
      Atmung (abhängig u.a. von Luftfeuchtigkeit, ~0,5 Liter/Tag)
      Haut (ohne Schwitzen: perspiratio insensibilis; als Schweiß: perspiratio sensibilis - äußerst unterschiedlich, kann von Null bis mehrere Liter pro Tag betragen)
      Stuhl (≥0,1 Liter/Tag)


Die supraoptische Region des Hypothalamus beinhaltet die Kerne, welche die Hinterlappenhormone Oxytozin und Vasopressin produzieren (magnozelluläre Neurone im nucl. supraopticus und paraventricularis) und die u.a. auf Stressfaktoren reagieren. So kann hoher Sympathikustonus die Mechanismen der Wasserausscheidung hemmen und vorübergehend zu einer Erhöhung des Körpergewichts führen.
 
Stehen Aufnahme und Abgabe von Flüssigkeit nicht im Gleichgewicht, verändert sich kurzfristig das Körpergewicht. Rasche Gewichtsänderungen sind also ein Zeichen für Speicherung (Zunahme) oder Verlust von Körperwasser (Abnahme).
 
Durst
  
Die Regelung des Durstempfindens erfolgt über das organum vasculosum laminae terminalis sowie das subfornikale Organ - osmosensitive Zellgruppen in der Wand des III. Hirnventrikels, für die das Abdichtungsprinzip der Blut-Hirn-Schranke nicht gilt. Ausgelöst wird Durstempfinden und "primäres Trinken" durch
 
       Erhöhung der Blut-Osmolarität (Dehydrierung)
       Blutdruckabfall / Hypovolämie
 
       Sekretion von Vasopressin
 
sowie weitere komplexe Einflüsse, wie Reize aus dem Mund-Rachen- sowie gastrointestinalen Bereich, soziale Faktoren u.a.

     Die Blut-Osmolalität wird in Teilen des Gehirns gemessen, die nicht von der Blut-Hirn-Schranke betroffen sind: Dem organum vasculosum laminae terminalis und dem subfornikalen Organ


Zu zirkumventrikulären Organen s. dort



Osmolalitätsanstieg der extrazellulären Flüssigkeit stimuliert mechanosensitive Kationenkanäle in der Membran osmorezeptiver Nervenzellen, depolarisiert diese und erhöht ihre Aktionspotentialfrequenz. Das aktiviert z.B. Neuronen, die in den Hypothalamus projizieren.

  Über den Mechanismus der Osmorezeption s. dort
 
Osmoregulation
 
Außer der Osmolalität wirken sich auch endokrine Signale auf die Aktivität osmorezeptiver Zellen aus:

Das organum vasculosum laminae terminalis (OVLT) - anterior und ventral zum 3. Ventrikel gelegen - und das subfornikale Organ (organum subfornicale) am Dach des dritten Ventrikels (unter der Fornix) sind zirkumventrikuläre Organe mit fenestriertem Endothel (mikrovilli- bzw. auch zilienhältige Tanycyten), die sich an der Elektrolyt- und Flüssigkeitsregulation beteiligen.

Zellen des Subfornikalorgans werden durch Anstieg des Angiotensinspiegels angeregt,
im Hypothalamus die Bildung von Vasopressin zu stimulieren. Seine Neuronen steuern direkt das Trinkverhalten.

Dadurch ergibt sich ein (weiterer) Rückkopplungskreis zwischen Gehirn und Niere:

       Einerseits regt der Hypothalamus über Vasopressin (=Adiuretin) die Rückresorption von Wasser an, was das Blutvolumen steigert und den Blutdruck stabilisiert;
 
       andererseits reagiert die Niere auf Volumenmangel / Blutdruckabfall mit Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Mechanismus, und Angiotensin II regt über das subfornikale Organ wiederum den Hypothalamus an.
 
Es gibt zwei Gruppen osmosensitiver Zellen:

     Eine löst Durstempfinden (und wahrscheinlich Salzappetit) und damit orale Wasseraufnahme aus,

     die andere projiziert auf das magnozelluläre System im vorderen Hypothalamus (Vasopressinbildung).
  

Abbildung: Osmoregulation
Modifiziert nach Brunton PJ, Arunachalam S,  Russel SJA. Control of neurohypophysial hormone secretion, blood osmolality and volme in pregnancy.  J Physiol Pharmacol 2008; 59: s8

Erhöhte extrazelluläre Natriumkonzentration (>145 mM - osmotische Hypertonie ) regt die Elemente des Systems an und fördert über Vasopressin den "Wassersparmechanismus" (Rückresorption in der Niere).
 
Das organum vasculosum laminae terminalis (OVLT) und der nucl. praeopticus (MnPO) sind in die Regelung von Körpertemperatur, Hunger und Durst involviert, das subfornikale Organ am Boden des 3. Ventrikels reagiert dazu besonders empfindlich auf Angiotensin II (niedriger Blutdruck!).
 
Das organum vasculosum und das organum subfornicale unterliegen nicht der Blut-Hirn-Schranke.
 
Glutamat, GABA , AII und ANP wirken als Transmitter
 
Weitere Erklärungen s. Text


Das magnozelluläre System (nucl. paraventricularis und nucl. supraopticus im Hypothalamus) bildet Adiuretin. Dieses wird bei Dehydration oder funktioneller Hypovolämie in den Blutkreislauf abgegeben.

Ab einer Schwelle von 280 mOsm/kg
lösen weniger als 1% Änderung der Plasmaosmolalität messbare Adiuretineffekte im Blut aus.

 Diese osmotische Regulationsschwelle ist erniedrigt

     bei Volumenmangel (geringere Reizung kardiopulmonaler Rezeptoren)
 
     in der 2. Zyklusphase der Frau
 
     in der Schwangerschaft (hormonelle Effekte auf Osmorezeptoren).

Die osmotische Regulationsschwelle ist erhöht

    bei Hypervolämie (Rückkopplung über kardiopulmonäre und arterielle Barorezeptoren).
 
In der Niere fördern V2-Rezeptoren die Rückresorption von Wasser im Sammelrohrsystem (hormonabhängige Einlagerung von Aquaporin-2 in die apikale Membran der Tubuluszellen). Je höher die Adiuretinkonzentration, desto mehr
mit Aquaporinmolekülen besetzte intrazelluläre Vesikel fusionieren mit der apikalen Membran und umso mehr Wasser wird rückresorbiert.
 
 
   Fast 20 Liter Wasser täglich werden hormonabhängig rückresorbiert; Adiuretin ist das "Wassersparhormon" des Körpers.
Mehr als 10% Abweichungen der Plasmaosmolalität vom Normalbereich sind lebensbedrohlich.

Vasopressin wird in Leber und Niere abgebaut; seine Halbwertszeit beträgt 2-5 Minuten.

Bei Leber- und Nierenerkrankungen kann die ADH-Konzentration wegen mangelhaften Abbaus‚ ansteigen, was zu Wasseransammlung im Körper führt.

 

 
      Der Körper eines erwachsenen Menschen beinhaltet etwa 10 Gramm Natrium (~60 mmol/kg) - davon 65% frei in den extrazellulären Flüssigkeiten gelöst (~140 mM), 35% im Knochen fixiert (und nur verzögert zugänglich). Natrium ist das Leitkation extrazellulärer Flüssigkeit und lebensnotwendig für die Erhaltung des Plasmavolumens
 
      Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Kreislaufregulation sind eng miteinander verknüpft. Der Hypothalamus reguliert Blutvolumen und Salzkonzentration basierend auf Informationen von Volumenrezeptoren (Kreislauf) und Osmorezeptoren (ZNS).  Rasche Gewichtsänderungen resultieren aus Imbalancen des Flüssigkeitshaushaltes
 
      Der mediale Hypothalamus enthält die supraoptische Region (magnozelluläre Neurone im nucl. supraopticus und paraventricularis: Vasopressin, Oxytozin); die tuberale Region (CRH, GnRH, Endorphine; Kontrolle von Nahrungsaufnahme, Körpergewicht, Verhalten); und die mamilläre Region (limbische Rückkopplungen). Der laterale Hypothalamus enthält das Hungerzentrum
 
      Durst entsteht durch Erhöhung der Blutosmolarität (Dehydrierung), Hypovolämie, Vasopressinwirkung, Mundtrockenheit. Das organum vasculosum laminae terminalis und das Subfornikalorgan enthalten Osmolaritätsrezeptoren. Steigende Osmolarität regt hier mechanosensitive Kationenkanäle an und erhöht die Aktionspotentialfrequenz osmorezeptiver Neurone. Das Subfornikalorgan reagiert auch auf steigende Angiotensinspiegel (niedriger Blutdruck); es regt die Bildung von Vasopressin an (Wassersparmechanismus) und steuert das Trinkverhalten
 
      Die osmotische Regulationsschwelle liegt bei 280 mOsm/kg, ab hier löst schon geringe Erhöhung der Plasmaosmolarität deutliches Ansteigen der Vasopressinsekretion aus. Volumenmangel (geringere Reizung kardiopulmonärer Rezeptoren) reduziert diese Schwelle, Hypervolämie erhöht sie (Rückkopplung über kardiopulmonäre und arterielle Barorezeptoren). >10% Abweichungen der Plasmaosmolarität vom Normalbereich sind lebensbedrohlich
 
      Renale V2-Vasopressinrezeptoren steigern die Rückresorption von Wasser durch Einlagerung von Aquaporin in Tubuluszellen. An die 20 Liter Wasser täglich werden hormonabhängig rückresorbiert; Vasopressin ist das "Wassersparhormon" des Körpers
 

 




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