Untersuchung des hypothalamisch- hypophysären Systems
© H. Hinghofer-Szalkay
Akromegalie: ἄκρος = spitz, hervorragend; μέγας = groß
Cushing-Syndrom: Harvey Cushing
Hypopituitarismus, pituitary gland: pituita = Schnupfen, Schleim (ursprüngliche Annahme, dass die Hirnanhangsdrüse Schleim in die Nase leitet)
Polydipsie: πολύ = viel, δίψα = Durst
Polyurie: πολύ = viel, οὖρον = Urin
Schwartz-Bartter-Syndrom: Frederic Bartter
Bei der Untersuchung des hypothalamisch-hypophysären Systems orientiert man sich zunächst an hormonellen Basalwerten: Sind reduzierte Blutspiegel von Hormonen der Schilddrüse, Nebennierenrinde oder Gonaden peripher bedingt (Hypothalamus / Hypophyse intakt), findet man erhöhte Glandotropinwerte (Effekt der negativen Rückkopplung). Sind die Tropinwerte ebenfalls reduziert, liegt eine zentrale Insuffizienz vor.
Einzelwerte sagen wenig über endokrine Funktion und Kapazität aus, denn Liberine und Tropine werden pulsatil freigesetzt, die Werte schwanken erheblich; hGH, Prolaktin und ACTH sind außerdem tageszeit- und stressabhängig.
Aussagekräftiger sind Funktionstests (Stimulations- und Suppressionstests):
-- Insulin-Hypoglykämietest:
Insulingabe provoziert hypoglykämischen Stoffwechselstress; das löst
folgende Sequenz aus: Sekretion von GHRH, CRH und Prolaktin
(Hypothalamus) → hGH- und ACTH-Anstieg (Hypophyse) → Cortisolerhöhung (Nebenniere)
-- ACTH-Stimulationstest: Synthetisches ACTH regt die gesunde Nebenniere zur Cortisolbildung an (Cortisolanstieg im Blut)
-- Releasinghormon-Tests
untersuchen die Hypophysenfunktion: Die hGH-Sekretion mit GHRH
(GHRH-Test), die TSH- und Prolaktinsekretion mit TRH (TRH-Test), die
ACTH-Sekretion mit CRH (CRH-Test), die LH / FSH-Sekretion mit GnRH
(GnRH-Test).
Störungen im hypothalamisch-hypophysären System können sich in allen
von ihm regulierten Bereichen äußern, z.B. dem Salz-Wasser-Haushalt,
dem Metabolismus oder den Sexualfunktionen.
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Abbildung: Hypothalamus, Hypophyse, Pfortadersystem
Nach einer Vorlage bei Waxman SG: Clinicasl Neuroanatomy, 27th ed. 2013,, MacGraw-Hill Inc
Axone
von Nervenzellen, deren Körper in hypothalamischen Kernen liegen,
setzen im Infundibulum Signalmoleküle frei. Hypothalamisch-hypophysäre
Pfortadergefäße bringen diese zur Hypophyse, wo sie die Blutbahn
teilweise wieder verlassen und über Rezeptoren von Vorderlappenzellen steuernd auf deren Hormonabgabe wirken
Referenzbereich ACTH s. dort
Die Untersuchung richtet sich gezielt nach dem betreffenden System
(Anteile des Hypothalamus, Hypophysenhinterlappens, Hypophysenvorderlappens?). Auf
diese Weise ist eine diagnostische Fokussierung auf den zentralen
Teil metabolisch-endokriner Rückkopplungskreise gegeben.
Ist ein Mangel
eines peripheren Hormons auf die Insuffizienz einer
peripheren Hormondrüse zurückzuführen, dann sollten - wegen des Prinzips der negativen Rückkopplung - die entsprechenden
glandotropen Hormone im Blut erhöht sein und eine zentral bedingte Insuffizienz (auf Ebene des Hypothalamus oder der Hypophyse) kann ausgeschlossen werden.
Basiswerte: Dabei ist zu
berücksichtigen, dass die Sekretion fast aller Hypophysenhormone
physiologischen Schwankungen unterliegt:
Abhängigkeit von
Tageszeit bzw.
Schlaf-Wach-Rhythmus (
zirkadiane Rhythmik, z.B. ACTH. Cortisol, TRH, GH)
endogen-
pulsatile Sekretion (FSH, LH)
Stress
(GH, ACTH, Prolaktin)
Daher sind Einzelmessungen oft nicht
ausreichend, um eine verlässliche Auskunft über die Funktion des
Systems zu erhalten.
Provokationstests: Ein einfacher Provokationstest ist die Zuckerbelastung (vgl. oraler Glucose-Toleranztest). Es wird überprüft, wie rasch der Körper oral zugeführte Glucose (~1 g/kg)
verwerten und den normalen Blutzuckerspiegel wiederherstellen kann.
<Animation: Insulin, Blutzucker, Glucocorticoidsystem
Quelle: med4you.at
Der Insulin-Hypoglykämietest
( Abbildung) überprüft drei hormonelle Achsen:
Gabe von ~0,1 IU Insulin/kg
Körpergewicht senkt normalerweise den Blutzuckerspiegel auf unter die
Hälfte (<40 mg/dl) des normalen Nüchternwerts.
Ein funktionierender Hypothalamus
reagiert auf diese Hypoglykämie mit Sekretion von GHRH, CRH und
Prolaktin.
Eine gesunde Hypophyse schüttet daraufhin GH und ACTH aus,
die Blutwerte dieser Hormone steigen an.
Die intakte Nebenniere reagiert auf den ACTH-Anstieg mit Cortisolausschüttung (Erhöhung des Cortisolspiegels).
Beim ACTH-Stimulationstest soll
eine Standardgabe synthetischen ACTH (Synacthen) - bei
funktionstüchtiger Nebenniere - eine Erhöhung des Cortisolspiegels
bewirken (Messung 30 und 60 min nach i.v.-Gabe)
Direkte Stimulation des Vorderlappens mittels Injektion synthetisch produzierter Releasinghormone ist ebenfalls möglich. So untersucht der
TRH-Stimulationstest, ob die untersuchte Person auf Injektion von TRH mit einer entsprechenden Steigerung des TSH-Spiegels reagiert.
Der Arginin-Test beruht auf der Tatsache, dass diese Aminosäure die Sekretion von Wachstumshormon, Insulin und Glukagon anregt. Gabe von GRH sollte den GH-Spiegel im Serum des Patienten steigern.
Generell untersuchen Releasinghormon-Tests gezielt die Hypophysenfunktion: Der GHRH-Test prüft die hGH-Sekretion, der TRH-Test die TSH- und Prolaktinsekretion, der CRH-Test die
ACTH-Sekretion, der GnRH-Test die LH / FSH-Sekretion.
Weitere Tests s. dort
Abbildung: Hypoglykämietest
Die erwähnten Bedingungen müssen erfüllt sein, um valide Resultate zu erzielen
Bei Vorliegen einer Polyurie (Harnproduktion wesentlich über 2 l / 24 h) richtet sich die Diagnostik auf mehrere Aspekte:
Abklärung der Symptome Polydipsie
(gesteigerter Durst) / Polyurie
Osmolalität: Bei Diabetes insipidus ist die Osmolalität im Serum hoch, im Harn ungewöhnlich niedrig
Durstversuch: Bei Diabetes insipidus steigt die Osmolalität im Urin kaum an
Bei einem zentralen Diabetes insipidus ist die Vasopressinproduktion gestört (Harnkonzentrierung nach
Vasopressingabe), bei einer renalen Form liegt das Problem bei den Vasopressinrezeptoren (Endorganresistenz: Wirkung einer Vasopressingabe bleibt aus).
Störungen der Hypophysenfunktion
Bei Vorliegen eines Syndroms der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH,
Schwartz-Bartter-Syndrom ) produziert der Hypothalamus überhöhte
Vasopressinmengen, die Wasserausscheidung ist erniedrigt und der Harn
wird nicht ausreichend verdünnt. Leitsymptome sind:
Hohe Vasopressinsekretion, verringerte Wasserausscheidung; dies führt zu hypotoner Hyperhydration und Hyponatriämie
Erhöhtes Blutvolumen bedingt Aldosteronsuppression, was in Natriumverlust resultiert
Hypopituitarismus (Hypophysenvorderlappeninsuffizienz):
Hormon-Basiswerte (aber: pulsatile Ausschüttung, zirkadiane Rhythmen)
Stimulationstests mit Releasing-Hormonen: GHRH, GnRH, TRH, CRH → Bestimmung von GH, LH/FSH, TSH, ACTH
Abbildung: Symptome bei Akromegalie
Nach einer Vorlage bei hormone.org
Allgemeine
Vergröberung der Gesichtszüge, vor allem an den Akren (Kinn etc);
Nasenansatz verbreitert, Lippen verdickt, Prognathie; aufgetrieben
erscheinende Hände und Füße. Weiters können vorkommen: Gelenksschmerzen
(Arthralgien) wegen dysproportionierten Wachstums im Gelenkbereich;
Colonpolypen; Kardiomegalie; Bluthochdruck; verringerte Glucosetoleranz, Diabetes mellitus
Akromegalie (ausgeprägte Vergrößerung der Akren durch appositionelles Knochenwachstum: Kinn, Unterkiefer, Hände, Füße; Organwachstum: Ohren, Nase, Herz u.a.): Überproduktion des Wachstumshormons
Somatotropinüberschuss führt zu Anregung des appositionellen Wachstums in Knochen und Organen (Akromegalie)
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GH im Serum: Wegen pulsatiler Ausschüttung Einzelmessung wenig sinnvoll (biologische Halbwertszeit 20-30 min) → Tagesprofil (aufwändig!)
IGF-I im Serum: Einzelmessung aussagekräftig (biologische Halbwertszeit 18 Stunden)
Abbildung: Symptome bei Cushing-Syndrom
Nach einer Vorlage bei hormone.org
Stammfettsucht
(mit striae) bei gleichzeitig schmalen Armen und Beinen,
Wassereinlagerungen in Gesicht und Körper (Ödeme).
Weitere Wirkungen
auf Stoffwechsel (Hyperglykämie, Gewichtszunahme), Kreislauf
(Bluthochdruck), Knochen (Osteoporose infolge Hemmung der
Osteoblasten), Muskelschwäche (verstärkter Proteinabbau). Ursache ist
entweder exzessive cortisonähnliche Medikation (z.B. Prednison) oder
übertriebene Cortisolsekretion der Nebennierenrinde (oder Cortisolproduzierender Zellen an anderem Ort). Bei einem
ACTH-produzierenden Tumor spricht man von Cushing's desease
Cushing-Syndrom: Überhöhte Cortisol-Serumwerte (HyperCortisolismus)
Cortisol-Tagesprofil: Zirkadianer Rhythmus gestört
24-h-Cortisolausscheidung im Urin: zirkadianer Einfluss "ausgemittelt" (Mischharn)
Dexamethason-Hemmtest: Normalerweise führt die Einnahme von 2mg (mitternachts) 8 Stunden später zu Senkung des Serum-Cortisols auf <80 nM.
Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen:
Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie
sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und
Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.