Osmose, Osmolarität, Osmometrie Wasserbilanz und Kompartimente Volumenregulation Osmoregulation Veränderte Regulationsschwelle Dehydration Vasopressin
Osmolarität / Osmolalität Iso-, Hyper- / Hypotonizität Physiologische Kochsalzlösung
Praktische Aspekte
Core messages
Flüssigkeiten haben Charakteristika, die von der Konzentration (Anzahl pro Volumen) in ihr gelöster Teichen abhängen und nicht von deren Art: Gefrierpunkt, Siedepunkt, Schmelzpunkt, Dampfdruck und
osmotische Konzentration. Da sich diese Größen direkt
proportional zueinander verhalten, nennt man sie kolligative Eigenschaften. Steigt die Osmolalität einer
Flüssigkeit an, erniedrigen sich der Betrag ihres Gefrierpunkts bzw. Schmelzpunkts und Dampfdrucks und erhöht sich derjenige des Siedepunkts. Aus diesen Veränderungen kann die osmotische Konzentration ermittelt werden (Osmometrie).
Üblicherweise sind Zellen des Körpers einem isotonen Medium
(interstitielle Flüssigkeit) ausgesetzt. Es gibt aber Stellen, wo sie
mit einer stark hypotonen (z.B. Magenschleimhaut nach Trinken von
Wasser) oder hypertonen Umgebung ausgesetzt sind (z.B. im Nierenmark)
oder auch beides (z.B. Blasenschleimhaut). Dann ist es wichtig, dass
die betreffenden Zellen Gegenregulation ergreifen, um ihr Volumen zu
stabilisieren bzw. einer osmotisch herbeigeführten Zerstörung (Lyse) zu
entgehen.
Osmose ist die Passage von Wasser durch eine semipermeable Membran
Osmose ist
die konzentrationsabhängige Strömung eines Lösungsmittels (im
Organismus: Wasser) durch eine
semipermeable (nur für das Lösungsmittel durchgängige) Trennschicht.
Gelöste
(größere)
Moleküle / Ionen (z.B. Glucose, Elektrolyte) können die Trennschicht
(genauer: eine Doppellipid-Lamelle ohne Permeasen) nicht durchdringen.
Das Wasser bewegt sich also bei der Osmose dorthin, wo seine Konzentration geringer ist (die Konzentration gelöster Stoffe größer
ist).
Anmerkung: Die
oft geäußerte Formulierung "Osmose ist die Bewegung von Wasser auf die
Seite der höheren Konzentration" ist irreführend,
wenn nicht dazu gesagt wird, WESSEN Konzentration gemeint ist - nämlich
des gelösten Stoffes (der zurückbleibt) und nicht des
Lösungsmittels (das sich durch die Membran bewegt).
(Zellmembranen enthalten jede Menge von Ionenkanälen, Austauschern oder Pumpen, die
Da die Bewegung des Lösungsmittels durch die Trennschicht den Strömungsgesetzen folgt, sagt man, es "strömt" (nicht: es "diffundiert"),
obwohl der treibende Gradient nicht eine Druckdifferenz ist, sondern
der Konzentrationsunterschied in den Lösungen beiderseits der
Trennschicht. (Man kann sich vorstellen, dass die Lösungsmittelmoleküle
einen entsprechenden Druck im Sinne ihrer Molekularbewegung auf die
"Kanäle" ausüben, die sie für ihren Durchtritt durch die Trennschicht
vorfinden - Abbildung.)
Osmose betrifft im Organismus die transmembranale Strömung von Wasser (etwa wenn ein Blutkörperchen durch das hypertone
Nierenmark wandert - Wasser tritt aus, es schrumpft
vorübergehend, bis es in die Nierenrinde zurückgelangt und Wasser wieder durch die Zellmembran einströmt).
Abbildung: Osmose
Nach einer Vorlage bei arlenward.com
Unten:
Die rot dargestellte semipermeable Trennschicht separiert zwei
Kompartimente unterschiedlicher Konzentration gelöster Teilchen (und
damit auch an Lösungsmittel).
Lösungsmittel
(Wasser) strömt durch (Zell-) Membranen - nicht so gelöste Teilchen
(grün). Wird dieser Durchtritt behindert, baut sich ein osmotischer
Druck auf (oben) - Resultat der asymmetrisch auf die Membranporen einwirkenden Kollisionen durch Lösungsmittelmoleküle
Stehen sich zwei
unterschiedlich konzentrierte Lösungen gegenüber, so strömt das Lösungsmittel (Wasser)
dorthin, wo es weniger konzentriert ist (d.h. wo die in Wasser gelösten
Teilchen stärker konzentriert sind, Abbildung) - es entsteht ein Netto-Strom von Lösungsmittel, d.h. eine osmotische
Flüssigkeitsströmung.
Osmotische
Ausgleichsströme kommen im Körper vor, wenn die Osmolalität aneinander grenzender Kompartimente - z.B. Intra- versus Extrazellulärraum - sich unterscheidet.
Semipermeable Wände geben dabei nach, wenn sie Spielraum dazu haben;
eine Seite schrumpft, die andere schwillt an. Dabei müssen keine
wesentlichen Druckveränderungen auftreten. Nur wenn das nicht möglich
ist (z.B. wenn das Gehirn wegen seiner Umkapselung in der Schädelhöhle
nicht anschwellen kann), steigt der Druck auf der Seite mit niedrigerer
Osmolalität, und das kann z.B. Gefäße komprimieren und die Durchblutung
reduzieren (Beispiel Gehirnödem).
Abbildung: Wirkung von Lösungen verschiedener Tonizität auf die Gestalt von Erythrozyten
Nach einer Vorlage bei Thibodeau / Patton, Anatomy & Physiology (6th ed), Mosby Elsevier 2007
Links:
Werden rote Blutkörperchen in eine hypotone Lösung verbracht, nehmen
die Wasser auf und schwellen an - dabei können sie platzen (osmotische
Hämolyse).
Rechts: In hypertoner Lösung verlieren die Erythrozyten Wasser, sie schrumpfen und nehmen "Stechapfelform" an
Die bei osmotischem Konzentrationsunterschied auftretenden Kräfte sind
beachtlich: Wird der osmotische Strom verhindert (etwa wenn die
semipermeable Grenzfläche starr ist und nicht ausweicht, wie bei einer
Pfeffer-schen Zelle), bauen die auf diese "eintrommelnden" Moleküle -
statt zu strömen - beachtliche Druckwerte auf ("osmotischer Druck"), nämlich knapp 2,6 kPa (~19 mmHg) pro mosmol/l Osmolalitäts-Unterschied.
Die Konzentration gelöster (osmotisch wirksamer) Substanzen wird in osmol/l bzw. osmol/kg angegeben ( s. dort). Ein Tausendstel osmol ist ein milli-osmol
(mosmol).
Die Konzentration osmotisch wirksamer Teilchen in einer Lösung kann angegeben werden
als
Osmolarität (osmotische Konzentration) in osmol /
Liter Lösung
(z.B. Blutserum) - das Volumen nimmt mit der Temperatur zu, daher
müsste man zur Osmolarität streng genommen die Messtemperatur angeben
(meist ist Körpertemperatur gemeint); oder
als
Osmolalität in osmol /
Kilogramm Lösungsmittel
(Wasser) - vorteilhaft, wenn die entsprechende Lösung zubereitet werden
soll (z.B. Infusionslösung). Diese Größe ist unabhängig von der
Temperatur.
Blutplasma weist eine Osmolalität von etwa 290 mosmol/kg auf
(Referenzbereich etwa 280-300 mosmol/kg). Dies entspricht theoretisch -
im Vergleich zu reinem Wasser - einem osmotischen Druck von ~745 kPa
(eine 1-osmolale Lösung könnte einen osmotischen Druck von über 2000
kPa ausüben, d.h. mehr als das 20-fache des atmosphärischen
Luftdrucks).
Liegt der Wert der
Plasma-Osmolalität (effektiv) über 300 mosmol/l, spricht man von Hypertonizität, bei
unter 280 mosmol/l von Hypotonizität. Blutplasma hat etwa 290 mosmol/l, eine Lösung dieser osmotischen Konzentration (z.B. physiologische Kochsalzlösung) nennt man isoton (isos = gleich, gleich stark konzentriert wie Blutplasma).
Osmolalität und Tonizität muss nicht das Gleiche bedeuten: Die
Osmolalität bezieht sich auf die Konzentration osmotisch aktiver
gelöster Teilchen in einer Lösung, die Tonizität auf deren
physiologischen Effekt im Körper (effektive Osmolalität).
So wirkt sich Glucose normalerweise kaum auf die Tonizität aus
(intestinal resorbierte Glucose wird von den Zellen rasch aufgenommen
und verstoffwechselt und ist dann osmotisch nicht mehr wirksam).
Kann Glucose nicht adäquat
verarbeitet werden (Hyperglykämie bei Diabetes mellitus), spielt der
Plasma-Glucosespiegel eine zunehmende Rolle als Tonizitätsfaktor.
Gelöste Teilchen
(z.B. Natrium- und Chloridonen) können Zellmembranen schwerer durchdringen als das
Lösungsmittel Wasser - dieses tritt bevorzugt durch die Membran (
Aquaporine),
entsprechend seinem Konzentrationsgefälle (Osmose).
Die
Osmolalität des Blutplasmas hängt im Wesentlichen von der Konzentration folgender 5 Substanzen ab:
Natrium (~140 mM)
Chlorid (~105 mM)
Bikarbonat (~25 mM)
Glucose (~5 mM)
Harnstoff (~5 mM)
Harnstoff ist osmotisch wirksam und kann Zellmembranen durchdringen. Zellmembranen verfügen dazu über
Harnstofftransporter (
urea transporter,UT-A
findet man in der Niere (UT-A1 in der apikalen Membran von
Sammelrohrzellen wird durch Vasopressin aktiviert und resorbiert 2/3
der filtrierten Harnstoffmenge; UT-A2 transportiert Harnstoff über die
apikale Membran in das Luman der absteigenden Henle-Schleife; UT-A3
bringt Harnstoff aus inneren Sammelrohrabschnitten in das renale
Intertstitium),
UT-B in mehreren Geweben (Niere, Blut-Hirn-Schranke, Erythrozyten).
Osmotischer Effekt von Harnstoff:
Harnstoff diffundiert langsamer durch Zellmembranen als Wasser. Gelangt
eine Zelle in ein Medium mit erhöhter Harnstoffkonzentration
(Nierenmark!), strömt Wasser aus der Zelle (
osmotischer Effekt
des Harnstoffs, der zunächst noch extrazellulär angereichert bleibt)
und die Zelle schrumpft. Erst allmählich diffundiert der Harnstoff
durch UT-Transporter in die Zelle (
Konzentrationsausgleich:
Gleichmäßig erhöhte Osmolalität im Extra- und Intrazellulärraum). Damit
erlangt die Zelle auch wieder ihr ursprüngliches Volumen zurück.
Treten im Plasma weitere Stoffe in nennenswerter osmotischer
Konzentration auf, dann ist die gemessene Osmolalität größer als die
Summe der Anteile dieser fünf Komponenten ("osmotische Lücke").
Osmometrie ermittelt den Betrag der Osmolalität mittels Verfahren, die
den
Gefrierpunkt
(Gefrierpunktserniedrigung plasmaisotoner Körperflüssigkeiten: 0,56°C) oder
den
Dampfdruck der Lösung (Osmolalität proportional Dampfdruckerhöhung) - beide sind von der Osmolalität
abhängig, oder
direkt mit einer
Membran ermitteln (umständlich, im klinischen Labor nicht üblich).
Wassermangel äußert sich in einer Zunahme der
Natriumkonzentration und der Osmolalität im Blutplasma - und umgekehrt.
Da Flüssigkeitsvolumina (in und außerhalb von Zellen) über
Salzkonzentrationen reguliert werden, hilft die Osmometrie an Blut-
oder Harnproben bei der Diagnostik von Störungen des
Salz-Wasser-Haushalts.
Insbesondere
bei bewusstlosen oder verwirrten Patienten ist die Kontrolle des
Wassergehalts (des Hydrationszustandes) von Bedeutung, um im Falle
einer Entgleisung der Osmoregulation (in der Regel Dehydrierung)
Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Die Osmolalität der extrazellulären Flüssigkeit bestimmt die Wanderung von Wasser durch die Zellmembranen - unabhängig vom extrazellulären Volumen:
Abbildung: Tonizität und Zellvolumen
Nach einer Vorlage bei Roger TannerThies: Physiology - An Illustrated Review. Thieme 2012
Wasser dringt (dank der Anwesenheit von Aquaporinen) um Größenordnungen besser durch Zellmembranen als Ionen oder andere Moleküle.
Schrumpft eine Zelle ( Abbildung, links), steigt die Konzentration
der gelösten Inhaltsstoffe. So kommt es zu einem "Zusammenknäueln" von
Makromolekülen (Proteinen, Nukleinsäuren) und entsprechenden
Behinderungen der Zellfunktion. Umgekehrt droht die Zelle bei
Überdehnung ( Abbildung, rechts) zu zerreißen (osmotische Lyse).
Zur
Bestimmung des extrazellulären und intrazellulären Flüssigkeitsvolumens s.
dort
Maßnahmen der Gegenregulation beginnen sofort und können (wenn die
Zelle überlebt) über Stunden und Tage anhalten. Zur Normalisierung des
Volumens forciert die Zelle den Transport osmotisch wirksamer
Substanzen (Kationen, Anionen, organische Osmolyte) und damit von
Wasser (osmotischer Effekt):
Abbildung: Regulatorische Volumenzunahme von Zellen in Reaktion auf Schrumpfung
Nach einer Vorlage in Butler / Brown / Stephenson /
Speakman, Animal physiology - An environmental perspective. Oxford
University Press 2021
Das Schrumpfen der Zelle stimuliert
volumensensitive Proteine: Na/H-Austauscher werden hinaufreguliert
(durch Aufblähung der Zelle herunterreguliert), der
Na/K/Cl-Cotransporter aktiviert und der osmotische Wassereinstrom in
die Zelle dadurch angeregt. Zusätzlich nimmt der Einstrom (ebenfalls
osmotisch wirksamer) Osmolyte wie z.B. Taurin zu
Zelluläre Osmoregulation:
Einige Membrankanäle sind volumensensitiv, d.h. sie ändern ihre
Durchgängigkeit mit der Dehnung und damit auftretenden Lateralspannung
in der Zellmembran. Direkt oder indirekt kommt es so zu veränderten
Durchtrittswahrscheinlichkeiten osmotisch aktiver Substanzen und damit
auch der Osmolalität in der Zelle. Wie die Abbildungen zeigen, führt
das insgesamt bei geschrumpften Zellen zu einem Netto-Einstrom gelöster
Stoffe, Anstieg der Osmolalität und dadurch Wassereinstrom, der das
Zellvolumen wieder normalisieren kann. Umgekehrt führt ein Aufblähen
der Zelle zu einem Ausstrom von Osmolyten, dadurch verlässt Wasser die
Zelle und das Zellvolumen nimmt wieder ab.
Abbildung: Reduktion des Zellvolumens in Reaktion auf Zunahme des Zellvolumens
Modifiziert nach einer Vorlage in Butler / Brown / Stephenson /
Speakman, Animal physiology - An environmental perspective. Oxford
University Press 2021
Steigt das Zellvolumen, nimmt auch der
Ausstrom von Osmolyten zu. Die resultierende Abnahme der Osmolalität
regt auch den Ausstrom von Wasser an, das Zellvolumen normalisiert sich
Bezogen auf die
Verhältnisse im gesamten Organismus, stellt sich die Situation je nach
der Osmolalität der Körperflüssigkeiten unterschieldich dar: Bei isotonen
Veränderungen des extrazellulären Volumens (Hyper- oder Hypohydration)
liegt kein Unterschied zwischen intra- und extrazellulärer Osmolalität
vor, es kommt zu keiner Netto-Bewegung von Wasser durch die Zellmembranen, das Volumen der Zellen (Intrazellulärvolumen) bleibt unverändert.
Nimmt z.B. die extrazelluläre Natriumkonzentration ab (hypotone Störung: [Na+]
< 136 mM), dringt Wasser osmotisch in die Zelle ein
(die ja jetzt relativ hyperton ist), es kommt zu Zellschwellung
(Zellödem), was Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Übelkeit und Muskelkrämpfe
bedingen kann. Bei hypotoner Hyperhydration ("Wasservergiftung") nimmt sowohl das Extra- als auch das Intrazellulärvolumen zu.
Bei hypertoner
Störung passiert das Gegenteil: Wasser verlässt die Zellen, diese
schrumpfen ("zelluläre Exsikkose"), Unruhe, Fieber, Durst können die
Folge sein. Bei hypertoner Dehydration
("Durstexsikkose") kommt es durch Wasserdefizit (Ausscheidung >
Nachschub) zunächst zu Kontraktion des Extrazellulärraums, und die
Hyperosmolalität (erhöhte Salzkonzentration) zieht Wasser aus den
Zellen. Ein Beispiel dafür ist unkompensierter Schweißverlust:
Starkes Schwitzen → Verlust hypotoner Flüssigkeit → a) / b)
a) → extrazelluläres Volumen sinkt → Harnausscheidung nimmt ab
b) → Osmolalität steigt → Wasser strömt aus den Zellen → allgemeine Hypertonizität
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Abbildung: Osmotischer Ausgleich bei De- oder Hyperhydration
Nach einer Vorlage in Thews / Mutschler / Vaupel: Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen, WVG 1982
Dehydration : Abnahme, Hyperhydration: Zunahme des extrazellulären Volumens.
Die Verhältnisse können - je nach Osmolatität - iso-, hyper- oder hypoton sein. Beispiele:
Isotone Dehydration: Erbrechen - Durchfall - Brandverletzungen - Diuretikaabusus
Hypertone Dehydration: Durst und Schweißverlust - unbehandelter Diabetes mellitus
Hypotone Dehydration: Kochsalzmangel - Nebennierenrindeninsuffizienz (Mb. Addison)
Isotone Hyperhydration: Übermäßige Infusionen - Herzversagen - Leberzirrhose
Hypotone Hyperhydration: Glucoseinfusion - Herzversagen - Leberzirrhose
Hypertone Hyperhydration: Infusion hypertoner Lösungen (Kochsalz, Mannit,..)
Als physiologische Kochsalzlösung bezeichnet man eine dem Blutplasma isotone Lösung von 9 g NaCl pro Liter (0,9 %ige NaCl-Lösung). Diese
hat die gleiche osmotische Konzentration wie Blutplasma bzw.
interstitielle Flüssigkeit (290 mosmol/l) und wird als Grundlage für
die meisten medizinischen Infusionsflüssigkeiten verwendet.
Würde
man (in einem Gedankenexperiment, nicht real) den Extrazellulärraum
durch Zufuhr von reinem Wasser, isotoner Kochsalzlösung oder
unverdünntem Kochsalz erhöhen, wäre der Effekt auf das intrazelluläre
Volumen unterschiedlich:
Wasser würde den Intrazellulärraum erhöhen (osmotisch bedingter Einstrom von H2O in die Zellen), die Zellen schwellen an,
die Zufuhr isotoner Kochsalzlösung würde das intrazelluläre Volumen unverändert lassen,
löst man NaCl in extrazellulärer Flüssigkeit, wird diese hyperton, Wasser strömt osmotisch bedingt aus den Zellen, die Zellen schrumpfen.
Die Osmolalität des Blutplasmas entspricht der Osmolalität einer 0,9 %igen Kochsalzlösung
|
Da Natrium aus den Zellen weitgehend herausgehalten wird (Na/K-Pumpe),
ist Natrium das Leitkation des Extrazellulärraumes, und die gelöste Natriummenge bestimmt den Betrag des extrazellulären Volumens (die Osmolarität - etwa 290 mosmol/l - wird vom Körper präzise reguliert). Die renale Natriumausscheidung wird nicht durch die extrazelluläre Na+-Konzentration, sondern das effektive Blutvolumen - physiologischerweise ein Maß für das extrazelluläre Volumen - gesteuert.
Meerwasser hat eine 3-4mal höhere Kochsalzkonzentration (~30 g/l) als
extrazelluläre Flüssigkeit (~8 g/l). Trinkt man derart konzentrierte Salzlösung
ohne Zusatz von Wasser, ist die Konzentrationsfähigkeit der
menschlichen Niere überfordert (Harnstoff ist ein wichtiges
"Harnfixum", das renal ausgeschieden werden muss und einen wesentlichen
Teil der Osmolalität des Harns ausmacht).
Trinkt eine Person Meerwasser, ergibt sich zunächst (vorausgesetzt, man startet im euhydrierten Zustand) eine hypertone Hyperhydration. Das überschüssige Kochsalz kann von der Niere nur unter Verbrauch von Wasser ausgeschieden werden, sodass sich rasch eine hypertone Dehydration einstellt.
Bei Wassermangel in einer entsprechenden Notsituation (lost at sea)
nehmen daher extrazelluläres Volumen und Blutvolumen ab, lebensbedrohliches
Kreislaufversagen kann sich einstellen.
Nur bei spezieller
Langzeitadaptation (Wüstentiere) ist der Organismus in der Lage, mit
derart hypertonen Bedingungen zurechtzukommen (besonders stark
ausgeprägtes Nierenmark mit höher entwickelter Fähigkeit zu osmotischer
Gegenstrom-Multiplikation und Bildung hochkonzentrierten Harns).
Infusion hypertoner
Infusionslösungen (z.B. NaCl) steigert sowohl Osmolarität als auch
Volumen im Extrazellulärraum (hypertone Hyperhydration) → Wasser
diffundiert aus den Zellen (Osmose), die Zellen schrumpfen
Hyperhydration senkt die Plasma-Proteinkonzentration (Verdünnungseffekt)
|
Infusionslösungen:
Die osmotische Wirkung ist durch die Konzentration gelöster Teilchen
bestimmt. ~95% der Osmolarität in Körperflüssigkeiten stammt von Salzen
(Elektrolyten).
Isotone Glucoselösung wirkt stark hypoton, da Glucose
rasch von den Zellen aufgenommen wird und so aus dem Extrazellulärraum
verschwindet.
Die
Osmolalität der Körperflüssigkeiten beträgt um die 290 mosmol/kg und
schwankt normalerweise nicht mehr als 2-3%; bei Abweichungen um 1% (3
mosmol/kg) setzt die Osmoregulation ein und gleicht die Störung durch
Ausscheidung verdünnten oder konzentrierten Harns, und evt.
Wasserzufuhr, aus.
Alkohol hemmt
den Vasopressinmechanismus, führt zu Wasserverlust und zu starker (bis
20%) Zunahme der Osmolalität in den Körperflüssigkeiten ("Kater"). Erst mit
vollständigem Abbau des Alkohols kehrt die Osmolalität in den
Normalbereich zurück.
Schweiß besteht
zu 99% aus Wasser, enthält ~50 mM/l Natrium und Chlorid, 5 mM/l Kalium,
geringe Mengen Harnstoff, Laktat, Magnesium u.a., und ist hypoton
(35% der Osmolalität von Blutplasma). Beim Schwitzen geht vorwiegend
Wasser, aber auch Salz verloren. Die Körperflüssigkeiten werden
hyperton, die Zellen verlieren infolge Osmose Wasser, Osmorezeptoren
lösen Durst und Vasopressinfreisetzung aus.
Kompartimente und Flüssigkeitsbilanz
Der Mensch besteht mindestens zur Hälfte aus Wasser - Frauen zu ~50%, Männer zu ~60%. Neugeborene bestehen zu ~75% aus Wasser; der Flüssigkeitsanteil an der
Körpermasse nimmt mit zunehmendem Alter ab.
Die Partitionierung des Körperwassers in definierte Flüssigkeitsräume
hat erhebliche praktische Bedeutung, denn die Distribution von
Wirkstoffen (z.B. Hormonen, Medikamenten) richtet sich nach
physiologischen interkompartimentellen Grenzen und
Verteilungsgeschwindigkeiten.
Prozentuell kann man von folgenden mittleren Masseanteilen ausgehen (KG = Körpergewicht, alle Zahlen gerundet):
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Männer
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Frauen
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Körperwasser
(total body water TBW) |
60% KG
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50% KG
|
Intrazelluläre Flüssigkeit
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60% TBW
|
Extrazelluläre Flüssigkeit (EZF)
|
40% TBW
|
Interstitielle Flüssigkeit
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75% EZF
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Blutplasma
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20% EZF
|
Blut
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8% KG
|
7% KG
|
Transzelluläre Flüssigkeit
|
5% EZF
|
Für eine Referenzperson (70 kg) würden sich daraus etwa die folgenden Masseanteile ergeben (Zahlen gerundet):
Gesamtkörperwasser, Mann 42 kg, Frau 35 kg
Intrazelluläre Flüssigkeit, Mann 25 l, Frau 21 l
Extrazelluläre Flüssigkeit, Mann 17 kg, Frau 15 kg
Interstitielle Flüssigkeit, Mann 13 kg, Frau 10 kg
Blutplasma, 3 kg
Blut, Mann 5,5 kg, Frau 5 kg
Transzelluläre Flüssigkeit, 1 kg
Die Geschlechtsunterschiede ergeben sich aus der für Männer und Frauen
typischen Körperzusammensetzung (höherer Fettanteil am Körpergewicht
bei Frauen, s. dort).
Bringt man z.B.
eine Substanz in den Kreislauf ein (i.v. Injektion), verteilt sie sich
zuerst im Blut (~5 l, mittlere Kreislaufzeit ~1 Minute oder weniger),
gelangt dann allmählich über die Kapillarschranke (Endothelien) in das
Interstitium und von dort z.T. zurück zum Kreislauf (Lymphwege), z.T.
zu Zellen, an (oder in) denen es seine Wirkung entfaltet (soferne es
dafür Rezeptoren / Transporter gibt).
Soferne es diese erlauben, kann die Substanz auch über Zellmembranen aus dem Extrazellulär- in den Intrazellulärraum übertreten.
Flüssigkeit und in ihr gelöste Stoffe unterliegen ständigem Austausch; Substanzen werden um- und abgebaut (z.B. in der Leber) und ausgeschieden (z.B. über Nieren / Harn, Galle / Darm, Schweiß u.a.). Über Kinetik und Dynamik von Substanzen im Körper s. dort.
Das extrazelluläre Volumen spielt eine direkte Rolle für die
Kreislauffunktion: Durch Flüssigkeitsaustausch über die Kapillarwände
sind extrazelluläres (interstitielles) und Plasmavolumen und damit auch
Blutvolumen direkt voneinander abhängig.
So führt z.B. Salzverlust
(Beispiel Versagen der Nebennierenrinde → Aldosteronmangel →
Kochsalzverlust → Hypovolämie → geringer venöser Rückstrom →
reduzierte kardiale Vorlast → herabgesetztes Herzzeitvolumen) zu
Problemen, den arteriellen Blutdruck aufrechtzuerhalten, damit zu
Kreislauflabilität und schließlich Kreislaufversagen, das unbehandelt
zum Tode führt (Mb. Addison).
Veränderungen der Blut- bzw. extrazellulären Osmolalität beeinflussen u.a. die Aktivität in der lamina terminalis
(einer über der Sehnervenkreurung gelegenen, zum vorderen Hypothalamus
gezählten dünnen Gewebeplatte an der Vorderwand des 3. Ventrikels, die
das organum vasculosum laminae terminalis und das subfornikale Organ - zirkumventrikuläre Organe - enthält und eine Schlüsselrolle für die Steuerung des Trinkverhaltens spielt) und im vorderen gyrus cinguli. Dies lässt sich mittels Registrierung von BOLD-Signalen nachweisen ( Abbildung):