Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

   
Physiologie der Sinnesorgane

Prinzipien der Sensorik
© H. Hinghofer-Szalkay

(in)adäquat: aequus = gleich
Dermatom:
δέρμα = Haut, τομή = Schnitt
Phototransduktion: φῶς, φωτός = Licht, transducere = überführen
Somatotopie: σῶμα = Körper, τόπος = Ort
Stevens'sche Potenzfunktion: Stanley Stevens
Synästhesie: συναισϑάνομαι = zugleich wahrnehmen
Transduktion: trans-ducere = (hin)über-führen
Weber-Fechner'sches Gesetz: Ernst Weber, Gustav Fechner



Sinnesreize werden von Rezeptoren in elektrische Signale umgesetzt (Transduktion), was sekundäre Vorgänge hervorruft (Transformation). Der Reiz wird codiert: Bei ausreichender Reizstärke am Sinnesorgan verändern afferente Nervenfasern ihre Erregungsgröße (Aktionspotentialfrequenz, Zahl involvierter Fasern), und die Sinnesinformation wird im Zentralnervensystem abgebildet (Projektion).

Sinnesrezeptoren können peripher im Gewebe verteilt (z.B. Schmerzrezeptoren) oder in Sinnesorganen organisiert sein (z.B. Photorezeptoren in der Netzhaut). Die afferente Erregung kann anhaltend proportional zur Reizstärke sein oder bei konstanter Reizstärke mit der Zeit abnehmen (Differentialempfindlichkeit). Der wahrnehmbare Unterschied der Reizstärke ist relativ: Das Weber'sche Gesetz sagt aus, dass die Wahrnehmbarkeitsschwelle mit der Reizgröße zunimmt (die Unterscheidungempfindlichkeit abnimmt). Das vergrößert den Bereich des Empfindlichkeitsspektrums.

Sinnesmodalitäten sind z.B. Sehen und Hören, Sinnesqualitäten z.B. gelb und grün. Welchem "Sinn" man afferente Information zuordnet, hängt davon ab, in welche Hirnregion projiziert wird - einerlei, welcher Art der Reiz ist. Das Gebiet in der Peripherie (z.B. der Netzhaut), das die Aktivität einer afferenten Nervenzelle beeinflusst, nennt man deren rezeptives Feld.

Reize können "für das Sinnesorgan geschaffen" sein (Licht für das Auge, Schall für das Ohr) - dann nennt man sie adäquat, sie wirken schon bei geringer Reizintensität überschwellig auf das Sinnesorgan. Auch inadäquate
Reize können wahrgenommen werden, wenn sie stark genug sind (z.B. Druck auf das Auge). Ob ein Reiz eine sinnesphysiologische Auswirkung hat, hängt von seiner Intensität ab: Löst er eine Erregungsänderung aus, ist er überschwellig; schafft er das nicht, bleibt er unterschwellig.


Transduktion von Sinnesreizen Transformation, Codierung, Proportional- vs. Differentialempfindlichkeit
Rezeptive Felder, laterale Hemmung

    Modalität  
   Rezeptives Feld

Core messages
  
Nur ein Teil der potenziell verfügbaren Information aus der Umgebung und dem Organismus selbst ist den Sinnesorganen zugänglich - abhängig von ihrem jeweiligen Empfindlichkeitsspektrum. Die registrierbaren Reize kommen in verschiedener Intensität, Beschaffenheit (physikalisch, chemisch) und in unterschiedlicher Energieform daher wie Temperatur, mechanische Verformung (Schall-, Dehnungsrezeption etc), elektromagnetische Schwingung (Licht), Partialdruck, Konzentration gelöster Stoffe (Chemo-, endokrine, Geschmacks-, Geruchs-, Nozizeption). Im Rahmen der Evolution haben dabei Informationsflüsse besondere Berücksichtigung gefunden, die für Überleben und Fortpflanzung in hohem Maße bedeutsam sind.

All diese Information dient dazu, die Funktionen des Körpers auf die aktuellen Bedingungen abzustimmen und in einen sinnvollen Rahmen zu stellen. Die Mehrzahl der eintreffenden Sinnesmeldungen wird ohne Einschaltung des Bewusstseins zur Auslösung bzw. Präzisierung reflektorischer Steuermechanismen genutzt - insbesondere für die Motorik. Nur ein sehr kleiner Teil davon wird dem Bewusstsein zugänglich gemacht - gewichtet vor allem nach der Notwendigkeit, über unwillkürliche Automatismen hinaus hohe und höchste Hirnfunktionen in entsprechende neurobiologische Entscheidungsmechanismen einzubeziehen.
 
Sinnesreize werden in codierter Form an das Zentralnervensystem zur Verarbeitung übermittelt
 
Sinneszellen sind außerordentlich empfindlich: Riechnerven sprechen auf einzelne Moleküle an, Zellen in der Netzhaut reagieren schon auf ein einziges Photon, Haarzellen im Innenohr auf Auslenkungen im atomaren Größenbereich. Über spezialisierte Ionenkanäle in der Membran der Rezeptorzellen erfolgt die Übersetzung des Reizes in eine Veränderung des Membranpotentials; pro Millisekunde können durch eine einzige Permease bis zu ~105 Ionen hindurchtreten.
 

  Abbildung: Sensorische Afferenzen zum Gehirn
Nach einer Vorlage in Silverthorn, Human Physiology, an integrated approach, 4th Int'l ed. 2007, Pearson / Benjamin Cummings

Sinnesorgane und Projektionsgebiete ins Gehirn. Die meisten Wege führen über den Thalamus - mit Ausnahme des Geruchssinns. Einige für die Erhaltung des Gleichgewichts benötigte Wege laufen direkt über das Kleinhirn

Zellen reagieren auf Reize. Druck, Temperatur, Schwingungen, Stoffkonzentrationen oder Licht werden von spezialisierten Sinneszellen in Veränderungen des Membranpotentials "übersetzt". Aktionspotentialmuster informieren über afferente (zum Zentrum führende) Nervenfasern das Zentralnervensystem (ZNS) über peripher gemessene Sinnesreize.

Sinnesphysiologische Forschung stützt sich auf subjektive (Psychophysik) und objektive Beobachtungen (Ableitung elektrischer / magnetischer Vorgänge / Darstellung neurophysiologischer Vorgänge). Empfindungen und Wahrnehmungen können nur erlebt und beschrieben, nicht direkt gemessen werden
(Empfindung: bewusster Sinneseindruck, Kombination von Information aus mehreren Sinnesorganen; Wahrnehmung: Vergleich der Empfindung mit Erfahrungen, Integration des Gesamtmusters äußerer und innerer Zustände).
 
Klassifikation sensorischer Rezeptoren

Modifiziert nach Kandel / Koester / Mack / Siegelbaum (eds), Principles of Neural Sciences, 6th ed. 2021

System
Modalität
Reiz
Klasse
wo?
Visuell
Sehen
Photonen
Photo-
rezeptor
(Zapfen,
Stäbchen)
Netzhaut
Auditiv
Hören
Schall-
wellen
Mechano-
rezeptor
(Haarzellen)
Cochlea
(Innenohr)
Vestibulär
Kopf-
bewegung
Schwerkraft
Beschleunigung
Kopfbewegung
Mechano-
rezeptor
(Haarzellen)
Bogengänge
(Innenohr)
Somato-
sensorisch



Hinterhornzellen mit Rezeptoren in:

Berührung
Verformung / Bewegung
Mechano-
rezeptor
Haut

Proprio-
zeption
Muskellänge
Muskelkraft
Gelenkswinkel
Mechano-
rezeptor
Muskelspindeln
Sehnenspindeln
Gelenkskapseln

Schmerz
schädigende Einwirkung mechanisch / thermisch / chemisch
Thermo-, Mechano-, Chemo-
rezeptor
alle Gewebe außer ZNS

Jucken
Histamin
Pruritogene
Chemo-
rezeptor
Haut

viszeral
Einwirkung mechanisch / thermisch / chemisch Thermo-, Mechano-, Chemo-
rezeptor
Kardiovaskuläres, gastrointestinales System, Harnblase, Lunge
Gustatorisch
Geschmack
Substanzen
Chemo-
rezeptor
Geschmacks-
knospen, intraorale Thermorezeptoren, Chemorezeptoren
Olfaktorisch
Geruch
Substanzen
Chemo-
rezeptor
Olfaktorische sensorische Neurone

 
Transduktion von Sinnesreizen
  
Transduktion (z.B. Phototransduktion ) nennt man die Umwandlung eines Sinnesreizes in eine Änderung des Membranpotentials einer Sinneszelle (Bezeichnungen: Sensorpotential, Rezeptorpotential, Generatorpotential). Dies erfolgt mittels spezialisierter (mechano-, chemo-, photosensibler) Membranproteine.

Beispiele: Mechanosensoren: Druck
Depolarisation; Netzhaut: Licht Hyperpolarisation.

Sinnesrezeptoren dienen als Filter, die auf eine schmale Bandbreite von (Reiz-) Energie stark ansprechen, d.h. sie reagieren auf dieses schmale Spektrum (adäquater Reize, s. unten) mit maximaler Empfindlichkeit. Sie verändern ihr Membranpotential (das die Eigenschaften eines Rezeptorpotentials hat) proportional zur Reizstärke bzw. Frequenz. Überschreitet die Depolarisation das Schwellenpotential des afferenten Neurons, entstehen Aktionspotentiale, die an das ZNS weitergeleitet werden. Muster, Stärke und Qualität der Reize werden als Muster und Aktionspotentialfrequenzen an betreffenden afferenten Neuronen abgebildet.
 

Mit zunehmender Veränderung des Rezeptorpotentials steigt die Aktionspotentialfrequenz
   
Sinnesreize können passend (adäquat ) für das entsprechende Sinnesorgan sein, d.h. das Organ reagiert auf diese besonders empfindlich. Ein Reiz kann zu schwach sein, um eine elektrophysiologische Antwort hervorzurufen ("unterschwellig"), oder er ist stark genug, dies zu tun ("überschwellig"). Strukturen, welche Sinnesreize in elektrische Signale umwandeln (transduzieren), heißen Sinnesrezeptoren.
  

Abbildung: Sensorische Rezeptoren
Nach einer Vorlage in Silverthorn, Human Physiology, an integrated approach, 4th Int'l ed. 2007, Pearson / Benjamin Cummings

Links: Simpler Rezeptor - freie Nervenendigungen (Beispiel Nozizeptor)
 
Mitte: Komplexer Rezeptor - bindegewebige Zusatzelemente (Beispiel Vater-Pacini-Körperchen)
 
Rechts: Spezialisierter Rezeptor setzt Neurotransmitter frei, der Nervenzelle synaptisch beeinflusst (Beispiel Haarzelle)


  Afferente Nervenfasern können einen Reiz entweder

     direkt
zu Erregungsgrößen (Aktionspotentialsequenzen) umsetzen, entweder über freie Nervenendigungen (Geruch, Schmerz-, Temperatursinn - 
Abbildung links) oder zusammen mit Zusatzelementen (somatische und viszerale Mechanorezeptoren -  Abbildung Mitte): Primäre Sinneszellen. Diese Zellen sind zugleich Sensorzellen und Neuronen. Oder

     indirekt, indem Sinneszellen auf (typischerweise adäquate) Reize mit einer Änderung ihrer Transmitterfreisetzung reagieren, was über Rezeptoren an angeschalteten Nervenzellen eine entsprechende Änderung ihrer Erregungsgröße (Aktionspotentialgenerierung) auslöst ( Abbildung rechts): Sekundäre Sinneszellen. Hierher gehören Gesichts-, Geschmacks-, Gehör-, Gleichgewichtssinn.

Quantifizierbar ist eine Reizstärke, die gerade eine Empfindung auslöst, und man kann deren Intensität als Absolutschwelle definieren. Weiters ist die Unterschiedsschwelle diejenige Änderung der Reizstärke, welche gerade als Änderung der Intensität empfunden werden kann.

Um diese Schwelle zu überschreiten, ist bei den meisten Sinnesorganen (außer Temperatur- und Schmerzsinn) nicht eine konstante Reizstärkenzunahme, sondern ein bestimmter Bruchteil des Betrags des Bezugsreizes notwendig; dieser Quotient bleibt dann unabhängig von der absoluten Reizstärke gleich. Dies kann man unterschiedlich mathematisch beschreiben; eine erstmals 1834 vorgeschlagene Formulierung ist die nach Ernst Weber:

  
  Das Weber-sche Gesetz sagt aus, dass die Wahrnehmbarkeitsschwelle mit der Reizgröße zunimmt. Die mathematische Formulierung lautet
  
ΔR / R = [k]
  
R ist die Reizstärke, ΔR die Wahrnehmbarkeitsschwelle, d.h. derjenige Reizzuwachs, der erforderlich ist, um einen Unterschied wahrzunehmen (just noticeable difference), und k ein konstanter Betrag: der detektierbare Reizgrößenunterschied hängt von der Reizintensität ab.

Der Betrag von k hängt vom jeweiligen Sinnessystem ab: Beim photopischen Sehen 1-2 % der Lichtstärke, beim Tastsinn ~3 % des Hautdrucks, beim Geschmackssinn 10-20% der Konzentration.

Weitere Darstellungen sind das Fechner'sche bzw. Weber-Fechner'sche Gesetz
(Logarithmierung) und die Stevens'sche Potenzfunktion (Reaktionsstärke als Funktion der Reizstärke, konstanter Logarithmus).

Sinneserlebnisse können unterschieden werden nach

      Intensität,
 
      Ort des Auftretens (Lokalisation, Ausdehnung, Richtung),
 
      Zeitverlauf,
 
      Qualität bzw. Submodalität (z.B. sauer - bitter).

     Als Modalität bezeichnet man einen sinnesphysiologischen "Qualitätskreis", der (subjektiv) nicht direkt mit einem anderen vergleichbar ist (z.B. Hören - Sehen). Als Submodalität (Sinnesqualität) bezeichnet man einen Erlebniskreis innerhalb der Modalität (z.B. salzig, süß).

Die Gesamtzahl der Modalitäten ist nicht eindeutig definierbar (Vibrationssinn? Durst?..). Modalitäten werden durch den Sinneskanal bestimmt, über den die Information vermittelt wird (z.B. Sehnerv - Hörnerv) sowie die Verknüpfung mit entsprechenden Hirnregionen (z.B. Sehrinde - Hörrinde).

Bei Vorliegen einer Synästhesie
(Kopplung physisch getrennter Bereiche der Wahrnehmung) werden Modalitäten "vermischt" wahrgenommen, z.B. lösen Geräusche auch das Sehen von Farben aus usw.

Führt ein Reiz zu einer Veränderung der Erregungsmuster der afferenten Fasern, ist er überschwellig. Ein unterschwelliger Reiz tut dies nicht.

Adäquat nennt man Reize, auf die Rezeptorzellen besonders empfindlich reagieren. Reize, für deren Aufnahme das Sinnesorgan nicht geschaffen ist, heißen inadäquat (Beispiel: Empfindung von Licht bei Druck auf den Augapfel)
 
Transformation, Codierung, Proportional- vs. Differentialempfindlichkeit
  
Reizung einer Sensorstruktur (z.B. mechanosensitive Zelle) führt zu Veränderung ihres Membranpotentials. Diese reizproportionale Potentialveränderung nennt man Rezeptorpotential oder Generatorpotential.

 
Abbildung: Codierung von Reizstärke und Reizdauer
Nach einer Vorlage in Silverthorn, Human Physiology, an integrated approach, 4th Int'l ed. 2007, Pearson / Benjamin Cummings

Der Rezeptor (in diesem Beispiel eine freie Nervenendigung) generiert eine lokale reizproportionale Potentialänderung (Generatorpotential). Dies ist ein lokales Analogsignal, das zu fortgeleiteten Aktionspotentialen umgesetzt wird ("digitale" Codierung)


Transformation bedeutet die "Übersetzung" in entsprechende Erregungsgrößen (Aktionspotentiale; geringere Freisetzung von Glutamat in der Netzhaut; etc).

Generatorpotentiale wirken sich elektrotonisch auf die (zentral gelegene) Nachbarmembran aus, kann an der Triggerzone (am Übergang zum myelinisierten Teil des Neurons) überschwellig werden und Aktionspotentiale auslösen ( Abbildung), die sich dann über die ganze Zelle durch saltatorische Erregungsleitung fortpflanzt. Am zentralen Ende des Neurons (am Axon-Terminal) wird darauf hin der entsprechende Neurotransmitter (z.B. Glutamat) ausgeschüttet, was zur Erregung nachgeschalteter Neurone führt. Dauer und Intensität des Reizes wird in Form von Zahl und Frequenz afferenter Aktionspotentiale an zentrale Verrechnungsstellen in codierter Form übermittelt ("Digitalisierung" der Sinnesinformation).

Adaptation kann sowohl auf der Ebene der Transduktion als auch der Transformation (z.B. veränderte Kaliumleitfähigkeit - Frequenzadaptation) erfolgen.

  

Abbildung: "Tonische" und "phasische" Rezeptoren
Nach einer Vorlage in Silverthorn, Human Physiology, an integrated approach, 4th Int'l ed. 2007, Pearson / Benjamin Cummings

Ein konstanter Reiz (oben) wirkt für eine definierte Dauer auf einen Rezeptor (hier Endigung einer sensiblen Nervenfaser). Abgeleitet wird das Membranpotential von der sensiblen Endigung (Rezeptorpotential) sowie Aktionspotentiale von der afferenten Faser.
 
Tonischer Rezeptor mit PD-Verhalten (Registrierung links): Die Antwort des Rezeptorpotentials auf einen Konstanten Reiz (z.B. Längenänderung eines Muskels durch Dehnung von außen) ist anfänglich stark und nimmt dann rasch ab (Differentialverhalten), die Höhe der Gesamtantwort entspricht der Reizstärke (Proportionalität). Die Aktionspotentialfrequenz ändert sich entsprechend dem (zeitabhängigen) Effekt auf das Rezeptorpotential.
 
Phasischer Rezeptor mit D-Verhalten (Registrierung rechts): Rezeptorpotential und Aktionspotentiale reagieren nur auf Änderungen der Reizgröße


Differentialempfindlichkeit ("D-Verhalten") eines Rezeptors erfolgt über Akkommodation (in diesem Zusammenhang auch als Adaptation bezeichnet) des Membranpotentials (wahrscheinlich über Effekte an Natriumkanälen).
 
Während eines steten Reizes kann die Aktionspotentialfrequenz abnehmen (Differentialverhalten, Adaptation)
   
Beispiel Mechanosensibilität: Vibrationsrezeptoren adaptieren besonders schnell (Sekundenbruchteile). Dadurch werden nicht die einzelnen Schwingungsphasen, sondern das Gefühl eines "Kribbelns" oder "Brummens" vermittelt.

Geruchsrezeptoren adaptieren innerhalb weniger Minuten: Man "gewöhnt" sich weitgehend an eine olfaktorische Umgebung, deren Eigenheiten werden dann kaum noch wahrgenommen (z.B. Geruch nach Speisen etc).

"Tonische" Rezeptoren adaptieren hingegen langsam (Stunden bis Tage) oder gar nicht: Proportionalempfindlichkeit - "P-Verhalten". Schmerzrezeptoren, maculae im Innenohr, Barorezeptoren, Chemorezeptoren der Atmungssteuerung, Positionszellen zeigen weitgehend bzw. für lange Dauer Proportionalantworten; rasche Adaptation würde in diesen Fällen einen Informationsverlust bedeuten und sinnvoller Regulation entgegenstehen.

Kombiniertes Ansprechverhalten: Die meisten Rezeptoren zeigen in ihrem Ansprechverhalten eine Mischung aus Proportional- und Differential-Anteil (PD-Sensoren). Dabei sind die P- und D-Anteile verschieden stark ausgeprägt, z.B. bei den Mechanosensoren der Haut (Oberflächensensibilität).
  

Abbildung: Rezeptoren in der Haut (schematisch)
Nach einer Vorlage in Silverthorn, Human Physiology, an integrated approach, 4th Int'l ed. 2007, Pearson / Benjamin Cummings

Links: Freie Nervenendigungen, die sich um Haarwurzeln in der behaarten Haut winden, sprechen auf Veränderungen der Haarposition an und beteiligen sich am Berührungssinn.
 
Mitte
: Vater-Pacini-Körperchen zeigen ausgeprägte Differentialempfindlichkeit (rasche Adaptation; Vibrationssinn), Merkel-Körperchen eher Proportionalempfindlichkeit (geringe Adaptation; Berührungssinn), Meissner-Tastkörperchen finden sich in der Leistenhaut (Finger, Handinnenseite, Fußsohle) und sind Druckrezeptoren (Berührungssinn), Ruffini-Körperchen adaptieren ebenfalls langsam und reagieren auf horizontal einwirkende Dehnungskräfte.
 
Rechts: Nozizeptoren sitzen an freien Nervenendigungen, sie reagieren auf Schmerzreize


So sind z.B. Meißner'sche Tastkörperchen der unbehaarten Haut oder Haarfollikelrezeptoren ( Abbildung) ausgeprägt differentialempfindlch: Bei konstantem Reiz nimmt ihre Entladungsfrequenz rasch ab.

Umgekehrt reagieren Ruffini-Körperchen oder Merkel-sche Tastscheiben auch längere Zeit recht gleichbleibend auf die Stärke des mechanischen Reizes - sie sind stark proportionalempfindlich.

Zur Oberflächensensibilität (kutane Mechanosensibilität) s. dort

Primäre Sinneszellen generieren auf Reizung hin selbst Aktionspotentiale (z.B. Geruchszellen); sekundäre Sinneszellen (der Regelfall) beeinflussen nachgeschaltete Neuronen, welche Aktionspotentiale generieren. Sekundäre Sinneszellen sind also nur der Transduktion fähig; primäre auch der Transformation.
 
Rezeptive Felder, laterale Hemmung
 
Die Codierung der Intensität und Art eines Sinnesreizes erfolgt über Zahl und Muster der Aktionspotentiale und der beteiligten afferenten Nervenfasern. Ein Prinzip lautet: Je stärker der Reiz, desto intensiver die Antwort (stärkere Veränderung des Membrtanpotentials, höhere Aktionspotentialfrequenz usw.). Ein zweites: Je stärker der Reiz, desto größer die Anzahl beeinflusster Rezeptoren. Die Funktionsweise rezeptiver Felder ist ein Schlüssel zum Verständnis der funktionellen Codierung von Sinnesreizen:
 
  
   Als rezeptives Feld bezeichnet man ein Gebiet in einem (peripheren) sensorischen Areal (z.B. in Haut, Netzhaut), von dem aus Aktionspotentiale zu einer (zentralen) Nervenzelle konvergieren. Je kleiner rezeptive Felder sind, desto besser (höher) ist das Auflösungsvermögen in dem betreffenden sensorischen Gebiet (z.B. s. dort). Auf der Ebene der Nervenzellen können durch kollaterale Verschaltungen Informationen aus dem sensiblen Feld mit solchen aus benachbarten Feldern abgeglichen werden. Dabei ergeben sich Veränderungen des Erregungsmusters, z.B. in Form der lateralen Hemmung, die der Kontrastbildung dient und damit verhindert, dass bei der Überschneidung der Information aus mehreren rezeptiven Feldern ein unscharfes, statistisch gemitteltes Informations-Mischmasch resultiert.
  

  Abbildung: Kontrastverstärkung durch laterale Hemmung
Nach einer Vorlage in Silverthorn, Human Physiology, an integrated approach, 4th Int'l ed. 2007, Pearson / Benjamin Cummings

Das mittlere rezeptive Feld (rot, "Reizort") wird gereizt.
 
In der Projektion zum ZNS ist die Erregungsgröße (Aktionspotentialfrequenz) bei den afferenten Neuronen am höchsten. Inhibitorische Interneurone in der Verarbeitungsebene der sekundären Neurone bewirken, dass in den weniger erregten Bahnen (A und C) die Erregungsstärke reduziert wird. Die zentralen Neuronen werden am schnellsten erregt, und sie bauen als erste einen Hemmungshof in ihrer Nachbarschaft auf. Bei diesem "Wettlauf" gewinnen also die Fasern, die jeweils im Zentrum des Reizes stehen; ihre Nachbarn übermitteln ebenfalls eine Reizantwort, kommen aber für eine dominierende Übermittlung nicht nur zu spät, sondern werden zusätzlich vom "Sieger" inhibiert. Wer "gewinnt" und wer "verliert", hängt jeweils von der Lage des Reizes auf den rezeptiven Feldern ab.
 
Der entstandene Hemmungshof vermittelt dem Gehirn ein kontrastiertes Sinnesbild


Aneinandergrenzende rezeptive Felder sind oft durch laterale Hemmung gekennzeichnet: Kollateralen afferenter ("aufsteigender") sensorischer Fasern regen inhibitorische Zwischenneurone auf der Ebene einer afferenten "Umschaltung" an. Diese erschweren die Erregungsübertragung an Nachbarneuronen, deren Membranpotential stabilisiert wird (Aufbau von IPSPs). Dadurch wird die Zone direkt neben der am stärksten erregten Faser (rot in der Abbildung) von einem "Hemmungshof" unringt, hier ist die Entstehung von Aktionspotentialen behindert. Dies dient dem Aufbau bzw. der Verstärkung von Kontrasten.

Rezeptive Felder sind so organisiert, dass die Reizung im Zentrum des Feldes die höchste Entladungsfrequenz generiert; bewegt sich der Reizpunkt zur Peripherie des rezeptiven Feldes, nimmt die Frequenz der Aktionspotentiale ab. Daraus bezieht das Gehirn Information über den Reizort - jeweils konzentrisch relativ zur Mitte des rezeptiven Feldes.

Rezeptive Felder überschneiden sich (overlap), wenn Rezeptorzellen mehreren (benachbarten) rezeptiven Feldern gleichzeitig zugeordnet sind. Dieses Muster hat Vorteile ( Abbildung):
 

Abbildung: Vorteile der Überschneidung rezeptiver Felder
Nach einer Vorlage bei Massey / Cunniffe / Noorani, Carpenter's Neurophysiology - A Conceptual Approach, 6th ed. CRC Press Taylor & Francis Group 2022
Oben: Der Reizort (roter Pfeil) liegt an unterschiedlichen Stellen der Überlappungszone der rezeptiven Felder 1 und 2. Bei Verschiebung des Reizortes ändert sich die Entladungsfrequenz beider afferenter Fasern (sie steigt bei 1 und sinkt bei 2).

Unten: Auch bei Ausfall eines rezeptiven Feldes (hier c) ist die gesamte Fläche des Sinnesrasens mit Afferenzen abgedeckt. Werden afferente Fasern beschädigt, sinkt zwar die Präzision der zentralnervösen Repräsentation, die entsprechenden Stellen
müssen aber nicht notwendigerweise gefühllos werden


  Erstens nimmt die Präzision der Ortung eines Reizpunktes am Sinnesrasen zu: Denn nun erhält das Gehirn über mehr als nur eine Nervenfaser Information über den exakten Reizpunkt. Die Veränderung der Entladungsmuster aus den betreffenden Feldern korrespondiert mit der Veränderung der Reizstelle, und das Gehirn bezieht redundante Information, was die Genauigkeit der Identifikation der Reizstelle erhöht.
  Zweitens erlaubt diese Redundanz der zentralen Repräsentation des Sinnesrasens eine - zumindest teilweise - Kompensation des Ausfalls von Afferenzen. Kommt es z.B. zu einer begrenzten Ischämie in einem sensiblen Nerv, fallen zwar einige afferente Nervenfasern aus und die Qualität der Informationsübertragung leidet, die betroffene Stelle (z.B. Haut) wird aber noch nicht gefühllos, soferne der Defekt durch funktionierende Überlappungszonen kompensiert werden kann.

Im ZNS gelangen einerseits Impulse von mehreren Rezeptoren zu gleichen Nervenzellen (Konvergenz), andererseits beeinflusst jede einzelne Rezeptorzelle mehrere zentral gelegene Nervenzellen (Divergenz).


s. auch dort
  

Abbildung: Rezeptive Felder für unterschiedliche Sinnesqualitäten differieren in ihrer Größe
Nach einer Vorlage bei indiana.edu

Das rezeptive Feld für Schmerz ist in diesem Beispiel am größten, gefolgt von Wärme und Vibration. "Berührung" hat ein besonders kleines rezeptives Feld, hier ist das Auflösungsvermögen am größten


Die  Abbildung zeigt an einem Beispiel, dass sich die Größe rezeptiver Felder für verschiedene Sinnesqualitäten auf ein und derselben Sinnesprojektionsfläche (hier die Haut einer Hand) deutlich unterscheiden kann: Die kolorierten Flächen zeigen die Größe der (hier angenommenen) rezeptiven Felder eines Neurons für Berührungssensitivität (blau), eines anderen für Vibration (grün), wieder eines anderen Neurons für Wärme (gelb) und schließlich eines für Schmerz (rot). Es ist ersichtlich, dass die Projektionsflächen (rezeptiven Felder) für Mechanosensibilität relativ klein, für Wärme- und Schmerzsensibilität hingegen groß sind.

Daraus ist verständlich, dass Berührungs- und Vibrationsreize gut lokalisierbar sind, wohingegen die Ortung von Wärme- oder Schmerzreizen (oder auch Juckreizen) schwerer fällt (geringe räumliche Auflösung).

Konvergenz- und Divergenzschaltungen zusammen mit entsprechender Anordnung exzitatorischer und inhibitorischer Schaltungen werden in neuronalen Netzwerken benützt, die sowohl zum Erkennen als auch zum Generieren bestimmter Muster dienen.

  

Abbildung: Retinotopie
Nach einer Vorlage in Wikimedia

Zuordnung von Netzhautquadranten der Retina (oben) zu entsprechenden Zonen der primären Sehrinde (unten). Der Bereich der fovea centralis (Stelle größten Auflösungsvermögens bzw. maximaler Sehschärfe) ist in der Hirnrinde im Verhältnis zur Netzhautperipherie überrepräsentiert (Felder 1 bis 4), weil diesem Gebiet die relativ höchste kortikale Rechenleistung entspricht


Die Repräsentation der Peripherie im Gehirn ist je nach Bedeutung der Orte und Funktionen für den Kortex verzerrt (Homunculus), aber doch geordnet, sodass man von Somatotopie (Körper), Retinotopie (Netzhaut - Abbildung) und Tonotopie (Tonhöhe) spricht.

Parallele Übermittlung der Sinnesinformation (Redundanz) bietet Sicherheit bei teilweisem Ausfall der Afferenz: So überlappen sich die Dermatome
im Brustbereich jeweils zur Hälfte, Ausfall eines Interkostalnerven kann sensorisch weitgehend kompensiert werden.

Sinnesinformationen beeinflussen Körperfunktionen und Handlungsabläufe. Nur ein kleiner Bruchteil der Information, die unser Zentralnervensystem erreicht, wird bewusst wahrgenommen. Die Wahrnehmung wird von der Aufmerksamkeit gesteuert und kann so bestimmte Sinnesmeldungen unter den vielen anderen zur Bewusstwerdung auswählen.

Sinnesafferenzen werden auf ihren verschiedenen Stufen der Aufarbeitung ("Umschaltung") bearbeitet und auch gehemmt. Diese synaptischen Hemmungen erfolgen meist GABAerg oder glyzinerg. Direkte Hemmung erfolgt mit inhibierenden (hyperpolarisierenden) Transmitter-Rezeptor-Effekten, indirekte über Vordepolarisation präsynaptischer Neuronenendigungen (Reduktion der Transmitterfreisetzung).

Solche Verschaltungen ermöglichen

      Vorwärts- und Rückwärtshemmung,

      Dämpfung, und

      Kontrastierung (laterale Hemmung, Umfeldhemmung), je nach Verschaltungsmuster und Funktion.
 

 
      Sinnesreize können inadäquat oder adäquat (Reizart), unter- oder überschwellig sein (Reizintensität). Sie bewirken an Sinneszellen eine Änderung des Membranpotentials (Transduktion). Diese Änderung nennt man Sensorpotential, Rezeptorpotential oder Generatorpotential, sie erfolgt mittels spezialisierter (mechano-, chemo-, photosensibler) Membranproteine
 
      Besteht das Rezeptorpotential in einer ausreichend starken (überschwelligen) Depolarisierung, entsteht ein Aktionspotential. Mit zunehmender Reduktion des Membranpotentials am Rezeptor steigt die Aktionspotentialfrequenz, mit zunehmender Hyperpolarisierung nimmt sie ab
 
     Afferente Nervenfasern können auf einen Reiz direkt mit veränderter Erregungsgröße (Aktionspotentialfrequenz) reagieren (Druck, Schmerz, Temperatur, Geruch). Ändern sekundäre Sinneszellen ihre Transmitterfreisetzung, ändert sich die Erregungsgröße afferenter Nervenfasern (Gesichts-, Geschmacks-, Gehör-, Gleichgewichtssinn)
 
      Absolutschwelle ist die Reizstärke, die gerade noch eine Empfindung auslöst, Unterschiedsschwelle eine Änderung der Reizstärke, die gerade noch eine Empfindungsänderung hervorruft. Die Unterschiedsschwelle ist ein meist konstanter Bruchteil (Weber-Gesetz: ΔR / R) des Betrags des Bezugsreizes (ein vom Absolutbetrag des Reizes unabhängiger Quotient)
 
      Sinneserlebnisse unterscheiden sich nach Lokalisation, Ausdehnung, Richtung, Intensität, Zeitverlauf und Qualität. Modalität ist ein "Qualitätskreis", der subjektiv "besonders" und nicht mit einem anderen vergleichbar ist (z.B. Hören - Sehen). Modalitäten sind durch ihren Sinneskanal (z.B. Sehnerv - Hörnerv) und ihre Hirnregion (z.B. Sehrinde - Hörrinde) bestimmt
 
      Überschwellige Reize verändern das Erregungsmuster der afferenten Fasern, unterschwellige nicht. Auf adäquate Reize reagieren entsprechende Rezeptorzellen sehr empfindlich (sie sind auf die Verarbeitung solcher Reize spezialisiert), auf inadäquate nur bei sehr hoher Reizstärke (z.B. Schlag aufs Auge)
 
      Proportionalverhalten bedeutet 1:1-Abbildung des Reizes in der Erregungsgröße (ohne Adaptation, z.B. Schmerzrezeptoren), bei Differentialverhalten adaptatiert sie während der Reizeinwirkung (z.B. Vibrationssensoren). Die meisten Sinnessysteme zeigen kombiniertes (PD-) Verhalten, mit verschieden stark ausgeprägtem Proportional- und Differentialanteil
 
      Ein rezeptives Gebiet, dessen Sinnesinformation jeweils zu einer afferenten Nervenzelle konvergiert, nennt man deren rezeptives Feld. Die Größe rezeptiver Felder in einem bestimmten Sinnesorgan verhält sich umgekehrt proportional zum räumlichen Auflösungsvermögen. Aneinandergrenzende rezeptive Felder zeigen meist laterale Hemmung (Kontrastverstärkung). Rezeptive Felder überschneiden sich, wenn Rezeptorzellen mehreren rezeptiven Feldern zugeordnet sind (Divergenz). Wenn Nervenzellen im ZNS Impulse von mehreren Rezeptoren erhalten, spricht man von Konvergenz
 
      Im Gehirn erfolgt die Abbildung geordnet nach Modalitäten und Orten (Körper: Somatotopie, Netzhaut: Retinotopie, Tonhöhe: Tonotopie). Bewusste Wahrnehmung wird von der Aufmerksamkeit gesteuert. Inhibitorische Verschaltungen sind die Grundlage von Dämpfung, Kontrastierung, Vorwärts- und Rückwärtshemmung
 

 



  Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen: Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.