Physiologie lernen - den Organismus verstehen


 
Wie funktioniert der menschliche Körper?

XIII.       Funktion der Sinnesorgane       XV.

Prinzipien der Sensorik

Geruchs- und Geschmackssinn

Somatosensorik

Schmerz und viszerale Sensibilität

Dioptrischer Apparat, Augeninnendruck, Sehvermögen

Informationsverarbeitung in der Netzhaut

Visuelle Informationsverarbeitung im Gehirn

Physiologie des Hörorgans, Audiometrie

Innenohrschnecke bis Gehirn; Hörtests, ERA

Vestibuläres System

Afferenzen von Rückenmark bis Thalamus



Sinnesorgane sind das Fenster zur Welt. Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Berührung, Kraft, Körperlage, Schmerz ermöglichen Erkennen und Einordnen von Reizen aus Umwelt und Innenwelt (Sinnesreizung kann auch zur Untersuchung des Nervensystems genützt werden). Eine wichtige präventivmedizinische Aufgabe ist es, die Sinnesorgane vor Überforderung und Beschädigung zu schützen und ihr Leistungsspektrum zu erhalten.

Minimierte Sinnesreizung (sensorische Deprivation) hat unterschiedliche, teils positive (z.B. Entspannung, Bewusstseinserweiterung), teils negative Auswirkungen (z.B. Panikattacken, Halluzinationen) und wird zur Untersuchung psychologischer und physiologischer Fragestellungen sowie für klinische Applikationen (z.B. Schmerzmedizin, Stressmanagement) verwendet.

Die meisten Sinnesmeldungen erreichen das Gehirn über Hirnnerven: Geruch (I), Geschmack (VII, IX, X), Sehen (II), Gehör und Gleichgewicht (VIII). Somatische Sensibilität (Berührungs-, Kraft-, Temperatur-, Schmerzsinn u.a.) gelangt auf dem Weg des Rückenmarks sowie über den V. Hirnnerven zum Gehirn. Die primären Verarbeitungsgebiete der Sinnesmeldungen liegen im Hirnstamm und werden erst von dort zum Großhirn (Sitz den Bewusstseins) projiziert, worin sich die phylogenetische Entwicklung des ZNS widerspiegelt.

Nur ein kleiner Bruchteil der über die Sinne einströmenden Information wird bewusst wahrgenommen; der Hauptanteil wird für automatisierte Verarbeitung (Gleichgewicht, Fortbewegung..) und Reaktion (Reflexe) genutzt. An der "Pforte zum Bewusstwerden" wirkt der Thalamus; er kanalisiert die Informationsströme u.a. so, dass nur die wichtigsten sensorischen Impulse für bewusste kortikale Verarbeitung und Reflexion freigegeben werden.

Die höchste in das Bewusstsein vorgelassene Informationsdichte betrifft das Sehen; optische Eindrücke dominieren die bewusstwerdende Welt (bei blinden Personen kann die visuelle Rinde Verarbeitungsprozesse aus anderen Sinneskanälen übernehmen). Besonders präzise und rasch arbeitet das Gehör; es kann bei der neuronalen Aufarbeitung akustischer Reize bereits Unterschiede im Mikrosekundenbereich auflösen, was vor allem für das Richtungshören von Vorteil ist. Der Gleichgewichtssinn ermöglicht (im Zusammenwirken mit dem Kleinhirn) weitgehend unbewusst exekutierte Korrekturen bei der Stabilisierung der jeweiligen Körperposition sowie der Fortbewegung - unterstützt durch die Tiefensensibilität aus Muskeln, Sehnen und Gelenken.

Geruch und Geschmack sind nicht nur bei der Nahrungsaufnahme, sondern auch für weitere Zwecke der Umweltanalyse (Beispiel brenzliger Geruch) und sozialer / sexueller Kommunikation gefragt. Die Erkundung der nahen Umwelt erfolgt auch durch die somatische (Oberflächen-) Sensibilität: Wie fühlen sich Dinge an, welche Temperatur haben sie?

Der Schmerzsinn hat eine Warn- und Schutzfunktion: Von außen wirkende Noxen bewirken Ausweich- bzw. Abwehrbewegungen, von innen wirkende defensives Verhalten (Ruhigstellung, immunologische Auseinandersetzung).



© H. Hinghofer-Szalkay