Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

   
Physiologie der Sinnesorgane

  Innenohrschnecke bis Gehirn; Hörtests, ERA
© H. Hinghofer-Szalkay

Audiogramm, Audiometrie: audire = hören, γραφή = Aufzeichnung, μέτρον = Maß
Held'sche Endkelche: Hans Held
Heschl'sche Querwindung: Richard Heschl
Mikrophonpotentiale: μικρός = klein, φωνή = Laut, Ton, potentia = Stärke, Macht, Kraft, Leistung
Rinne-Test: Heinrich Rinne
Schwabach-Test: Dagobert Schwabach
Tonotopie: τόνος = Saite, Spannung; τόπος = Stelle, Ort
Weber-Test: Ernst Weber


Wie auch in anderen Sinnesbahnen, gibt es in der Hörbahn neben aszendierenden (zuleitenden) auch deszendierende (modifizierende) Fasersysteme. Dadurch kann die afferente Information modifiziert werden. Hauptstationen der subkortikalen auditiven Informationsverarbeitung sind
 
 -- die Cochleariskerne,
 
 -- die obere Olive,
 
 -- die unteren Vierhügel und
 
 -- die medialen Kniehöcker.
 
Sie alle enthalten auf bestimmte Aufgaben spezialisierte Nervenzellen, z.B. Seitenvergleich (Richtungshören) in der Olive oder Mustererkennung und Reflexmanagement in darüberliegenden Kernen.

Die kortikale Projektion erfolgt in die Heschl'sche Querwindung des Temporalhirns, in der - mit Frequenzabbildung (Tonotopie) ähnlich wie im Corti-schen Organ - Schwellen-, Zeit- und Frequenzanalysen sowie Seitenvergleiche und Erkennung von Reizformen (Vergleich mit abgespeicherten Mustern) erfolgen.

Zur Untersuchung des auditiven Systems kommen z.B. Stimmgabeltests, Audiografie (Ton-, Sprach- etc) und objektivierbare Messungen physiologischer Funktionszeichen - Impedanzaudiometrie, kochleäre Mikrophonpotentiale, oto-akustische Emissionen (TEOAE), Hirnstammpotentiale (BERA), akustisch evozierte Potentiale - in Frage.


Lokalisierung einer Schallquelle
Leistungen  der Hörbahn Räumliches Ortungsvermögen

Audiometrie  Stimmgabeltestes, Luft- und Knochenleitung Weitere Tests zur Überprüfung des Gehörs

Core messages
   
Lokalisierung einer Schallquelle


Abbildung: Lokalisierung einer Schallquelle
Nach einer Vorlage in Carlson NR / Birkett MA, Physiology of Behavior, 12th ed. Pearson 2017

Die Quelle niedrig- bis mittelfrequenten Schalls kann über die Ermittlung von Phasendifferenzen geortet werden. In diesem Beispiel handelt es sich um einen reinen Ton von 1 kHz Frequenz (bei Luftleitung entspricht das einer Wellenlänge - der Entfernung der Druckmaxima - von etwa 33 cm). Die unterschiedliche Distanz der Luftmoleküle ist in dierser schematischen Darstellung (stark übertrieben) mit schwarzen Punkten angedeutet - liegen sie näher beieinander, ist der Schalldruck höher, liegen sie weiter voneinander entfernt, ist er niedriger als der durchschnittliche Luftdruck.
 
Links: Die Schallquelle befindet sich auf der Seite. Das linke und das rechte Trommelfell werden von der Druckphase unterschiedlich erfasst (asymmatrische Reizung).
 
Rechts:
Die Schallquelle befindet sich vor der Person. Das linke und das rechte Trommelfell werden von der Druckphase symmetrisch beeinflusst 

Wie lokalisiert das Gehirn den Ort einer Schallquelle? Wie im vorigen Kapitel beschrieben, kann das Gehirn schon Laufzeitdifferenzen zwischen direkt eintreffendem und an der Ohrmuschel reflektiertem Schall eines Ohres zur vertikalen Lokalisation einer Schallquelle heranziehen.

Die Schallortung in der Horizontalebene bedarf des Vergleichs der Signale von beiden Ohren (binaurales Hören).

Zunächst wird der Schall in den beiden Innenohrschnecken "abgebildet" und die entstandenen neuronalen Inputs dann im Hirnstamm verglichen.

Dabei spielt bei höheren Frequenzen - ab 2 kHz - der Intensitätsunterschied die Hauptrolle: Der Kopf schwächt den Schall auf der Seite, die der Schallquelle abgewandt ist, ausreichend stark ab ("Schallschatten"), dass das an das Gehirn gesendete Signal hier merklich schwächer ausfällt. Die Schallquelle liegt also auf derjenigen Seite, wo die Cochlea stärker gereizt wird. (Liegt die Schallquelle genau vor dem Kopf, ergibt sich keine Intensitätsdifferenz, die Seitengleichheit wird als "vorne" wahrgenommen.)

Bei tieferen Tönen hingegen - unter 2 kHz - ist die Wellenlänge größer als der Kopfdurchmesser. Hier analysiert das Gehirn statt einer Intensitätsdifferenz den zeitlichen Unterschied, mit dem die einzelnen Druckwellen an der linken und der rechten Cochlea eintreffen (Laufzeitdifferenz, interaural time difference ITD, interaural delay). Der Hirnstamm kann Unterschiede detektieren, die einen kleinen Bruchteil einer Millisekunde ausmachen.

 

  Abbildung: Schallortung in der Horizontalebene
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Das Signal der beiden Ohren wird im Gehirn abgeglichen.
 
Töne mit einer Schwingungsfrequenz ab zweitausend Hertz (2-20 kHz) werden über den Unterschied der Lautstärke detektiert (oben): Die Intensität ist auf der Seite, die der Schallquelle zugewandt ist, größer als auf der Gegenseite ("Schallschatten").
 
Bei Tönen unterhalb zweitausend Hertz ist der Abstand zwischen den Druckwellen groß genug, um den Seitenunterschied des Eintreffens der Wellen (Laufzeitdifferenz) als Kriterium für die Ortung der Schallquelle heranzuziehen (unten).
 
In diesem Beispiel (Ton mit 200 Hz) sind die einzelnen Druckwellen 172 cm voneinander entfernt. Der Kopf ist etwa 20 cm breit; die beiden Druckfronten treffen mit einem Zeitunterschied von 0,6 ms an den Ohren ein. Die Schallquelle liegt rechts vom Kopf (90°); bei einer Position von 45° würde die Laufzeitdifferenz etwa 0,3 ms betragen


Diese Analyse erfolgt im Bereich der Brücke (pons), also im Hirnstamm, in der Nähe des Trapezkörpers, im medialen Teil des oberen Olivenkerns (MSO, medial superior olive). Die in diesem Kern untergebrachten Neurone (A, B, C, D in der Abbildung unten) empfangen die Signale von der linken und der rechten Cochlea mit unterschiedlichen neuronalen Zeitverzögerungen. Sie sind so angeordnet, dass sie von den neuronalen Impulsen bei jeweils einer bestimmten Zeitdifferenz des Eintraffens des Schalls am linken vs. rechten Ohr gleichzeitig erreicht werden.

Diese Neuronen in der MSO sind also auf bestimmte Laufzeitdifferenzen des Schalls "getunt", wenn sie erregt werden, entspricht das einer bestimmten horizontalen Position der Schallquelle. Der MSO funktioniert als coincidence detector.

In beiden Fällen - Analyse von Intensitäts- oder Laufzeitunterschieden - kann eine Zuordnung in der Sagittalebene schwierig sein. Die Gestalt der (nach vorne orientierten) Ohrmuschel hilft, Schall von hinten etwas abzuschächen (im Vergleich zu Schall von vorne), vorne-hinten- Verwechslungen sind dennoch relativ häufig.
 

Abbildung: Koinzidenzdetektion zur Analyse der akustischen Laufzeitdifferenz durch die mediale obere Olive
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Die Neurone im medialen oberen Olivenkern (medial superior olive MSO) feuern nur, wenn die Aktionspotentiale von beiden Seiten gleichzeitig bei ihnen eintreffen (Koinzidenz).
 
Koinzidenz ergibt sich jeweils bei einer bestimmten Laufzeitdifferenz des Schalls zum linken vs. rechten Ohr.
 
Beispielsweise erhält Neuron A einen Reiz vom linken Ohr zuerst, das entsprechende Aktionspotential vom rechten Ohr braucht zu ihm am längsten. Bei Neuron D ist es umgekehrt


Die Funktionsweise des Hörbahnfasersystems ist komplex und erst zum Teil geklärt. Es beginnt mit dem Hörnerven (N. cochlearis - auch: acusticus -, Teil des VIII. Hirnnerven); dieser enthält 95% gut myelinisierte afferente Fasern von inneren Haarzellen und 5% schwach myelinisierte von äußeren Haarzellen. Jedes Neuron im Spiralganglion hat eine bestimmte charakteristische Frequenz, auf die es am stärksten anspricht.

Phase locking: Zusätzlich zur Position einer Nervenfaser in Bezug auf den innervierten Abschnitt des Corti'schen Organs bzw. der Schallfrequenz (Tonotopie) gibt es eine zusätzliche Möglichkeit, Information über die Frequenz eines abgebildeten Tons zu übertragen: Bei niedrigen Frequenzen (bis etwa 5 kHz) kommt es zu einer Synchronisierung der akustischen Schwingung und dem Zeitpunkt, zu dem Aktionspotentiale auftreten. Auch wenn nicht jede Schwingung überschwellig werden und ein Aktionspotential auslösen muss, erfolgt doch jeder Impuls an einer bestimmten, gleichbleibenden Stelle der akustischen Welle. Die beidseitige kollektive Synchronisierung der afferenten Impulse erleichtert dem Gehirn die Analyse von Seitendifferenzen. Hirnstammneurone der Hörbahn bilden sehr niedrige Frequenzen über phase locking, hohe (über 5 kHz) über Tonotopie, und Frequenzen dazwischen über eine Kombination aus beiden Mechanismen ab.
 
Hörbahn: Struktur und Funktion
 
Alle Stationen der durch mehrere Unterbrechungen gekennzeichneten Hörafferenz weisen frequenzspezifische Strukturierung auf (tonotope Karten). Ein Charakteristikum der Geräuschlokalisierung des Hirnstamms sind große Axone (gehören zu den größten im gesamten ZNS) und Synapsen, was hohe Geschwindigkeit und Verlässlichkeit bei der Signalübertragung gewährleistet (z.B. Held-sche Endkelche im nucl. cochlearis ventralis: große präsynaptische Endigungen, s. weiter unten).
 
Afferente Fasern aus dem Spiralganglion (ganglion spirale, Ansammlung bipolarer Nervenzellen im Modiolus, der zentralen Achse der  Innenohrschnecke) projizieren auf die Cochleariskerne im Hirnstamm. Schon hier wird akustische Information rasch und präzise aufgearbeitet.
 
Die Mehrzahl der Neurone aus den nuclei cochleares ventralis und dorsalis projizieren auf den oberen Olivenkomplex - aus den dorsalen Kernen (denen auch somatosensible und vestibuläre Information zufließen) direkt zu den kontralateralen colliculi inferiores des Mittelhirns (untere Vierhügel - hier werden Reize von beiden Ohren abgegleichen und integriert) oder über Interneurone des lemniscus lateralis, von den ventralen Kernen jeweils beidseitig auf die oberen Olivenkerne (diese senden u.a. Axone zurück zu den äußeren Haarzellen der Cochlea und beeinflussen so auditorische Verstärkung).
 
Diese Verschaltungen ermöglichen nicht nur eine präzise Schallortung, sondern auch prompte Reaktionen auf Schallreize, wie Orientierungsbewegungen (und damit Einstellen des Kopfes in Richtung zur Schallquelle, um das Gehörte auch sehen zu können) oder Fluchtbewegungen (auf unerwartete und bedrohliche Geräusche).
 
Von der Vierhügelplatte gelangt auditive Information weiter zu den medialen Kniehöckern (corpora geniculata mediales) des Thalamus, einiges auch zu Kleinhirn und formatio reticularis. Von hier geht es zum Hörzentrum des Großhirns (jeweils hauptsächlich von der Gegenseite).


Abbildung: Hörbahn
Nach einer Vorlage bei Liqun Luo, Principles of Neurobiology, 2nd ed. CRC Press 2021

Das Bild zeigt den Hauptweg aufsteigender (der Einfachheit halber nur von einer Innenohrschnecke ausgehender) Fasersysteme. Synaptische Verarbeitung der Information erfolgt auf mehreren Ebenen (Cochleariskerne, obere Olive, untere Vierhügel, medialer Kniehöcker des Thalamus, Hörrinde).
  
Axone von Nervenzellen im Spiralganglion schalten auf Neurone im nucl. cochlearis dorsalis und ventralis. Neuronen aus dem nucl. dorsalis projizieren direkt auf Zellen im kontralateralen colliculus inferior, oder über Zwischenneurone im lemnicsus lateralis. Fasern aus dem nucl. cochlearis ventralis kreuzen zum Teil die Seite und projizieren (über den kontralateralen Trapezkörper) auf die oberen Olivenkerne. Axone aus der Olive (und einige direkt aus den Cochleariskernen) bilden den Lemniscus lateralis und projizieren auf die unteren Vierhügel.
  
Fasern kreuzen auf mehreren Ebenen die Seite - dies ist für das Richtungshören entscheidend (Seitenvergleich). Deszendierende Fasern (nicht gezeigt) verstellen die Empfindlichkeit des Innenohrs

Im Detail:

Beim Eintritt in die medulla oblongata
teilen sich die afferenten Axone des Hörnerven auf und kontaktieren unterschiedliche spezialisierte Neuronen in den ipsilateralen Cochleariskernen (nucl. cochlearis dorsalis und ventralis). Einige dieser Neuronen antworten proportional entsprechend dem Aktionspotentialmuster ihrer Afferenzen ("primary like"), andere differentiell, d.h. nur auf Anfang und Ende ihres Reizes, wieder andere kontrastieren das Frequenzmuster durch laterale Inhibition. Von hier setzen mindestens vier verschiedene Projektionssysteme die Impulsleitung zu höheren Zentren fort.

Der nucl. cochlearis ventralis befasst sich mit Frequenzen und Zeiten. Dabei spielen drei Zelltypen - mit unterschiedlicher Architektur ihrer Dendritenbäume, was verschiedene Strategien der Informationsverarbeitung widerspiegelt - eine jeweils spezifische Rolle:
 
    Bushy cells projizieren beidseitig zur oberen Olive. Sie machen einerseits einen Lautheits-Seitenvergleich, andererseits vergleichen sie die Ankunftszeit der Aktionspotentiale von beiden Ohren.  Unterschiedliche Typen dieser Zellen kümmern sich dabei um unterschiedliche Tonhöhen.
 

    Stellate cells haben weit verzweigte Projektionen und codieren akustische Spektren, die für Schallmuster charakteristisch sind.
 
    Octopus cells projizieren auf  die kontralateralen Kerne des lemniscus lateralis und kümmern sich um Tonfolgen und akustische Unterbrechungen.

Diese Zellen sind untereinander verschaltet und extrahieren aus den Mustern der von den inneren Haarzellen des Corti'schen Organs kommenden Signale gemeinsam Kennzeichen der akustischen Umgebung.
 

Abbildung: Auf- und absteigende Systeme der Hörbahn
Modifiziert nach einer Vorlage in Kandel / Koester / Mack / Siegelbaum (eds), Principles of Neural Sciences, 6th ed. 2021 (McGraw Hill)

Die Mehrzahl der Projektionen ist exzitatorisch (farbige Linien), einige sind inhibitorisch (schwarz). Deszendierende Projektionen auf das Innenohr sind blau unterlegt


Der nucl. cochlearis dorsalis führt akustische und somatosensorische Informationen zusammen. Er enthält vor allem eine spezielle Neuronengruppe:

    Fusiform cells nehmen multisensorische Information auf und senden ihr Ergebnis an die unteren Vierhügel der Gegenseite.
 
Alle weiteren Kerne der Hörbahn erhalten Information von beiden Ohren. Die meisten ihrer Neuronen sind tonotop (nach Schallfrequenzen: Tonotopie = Frequenzabbildung) angeordnet; die Lautheit eines Tones wird sowohl über die Zahl reagierender Neurone als auch über deren Aktivität (Aktionspotentialfrequenz) abgebildet. Die Verarbeitung der auditiven Signale ist multipel und involviert unterschiedliche Zahlen an synaptischen Zwischenstationen.

Die obere Olive (superior olivary nuclei) wird von Neuronen der ventralen Cochleariskerne erreicht, wobei kreuzende Fasern den Trapezkörper bilden; in der Olive wurzelt der Lemniscus lateralis zur Vierhügelplatte ( Abbildung oben).
 
Die obere Olive ist der erste Kern in der Hörbahn, auf den beide Ohren projizieren
   
Die obere Olive vergleicht Eingänge von beiden Ohren (Laufzeit, Intensität - die maximale Zeitdifferenz zwischen beiden Ohren beträgt beim Menschen 0,6 ms, die Schwelle zur Erkennung eines Unterschieds liegt bei 10 µs, was einem Raumwinkel von 1° entspricht) und dient dem Richtungshören. So können Schallquellen in der Umgebung präzise geortet werden.

Der medial-superiore Olivenkern (MSO in der
Abbildung) nutzt dazu eine neuronale Karte von Zeitdifferenzen zwischen linkem und rechtem Hörorgan; diese Differenzen (interaural time delays) sind zu bestimmten Positionen von Schallquellen (in der Horizontalebene) korreliert.

Der lateral-superiore Olivenkern (LSO in der
Abbildung) orientiert sich an Lautheitsdifferenzen für die Ortung von Schallquellen in der Horizontalebene (Frequenzen >2 kHz). Der neuronale Schaltkreis für diese Ortsdetektion inkludiert den medialen Trapezkörper.

Der obere Olivenkernkomplex (
Abbildung) sendet absteigende Fasern zur Gehörschnecke (blau in der Abbildung). Diese cholinergen  olivo-cochleären Efferenzen dienen der Rückkopplung: Axone der Neuronen des medialen olivo-cochleären Bündels schalten vorwiegend auf kontralaterale äußere Haarzellen und hyperpolarisieren diese (das verringert die Empfindlichkeit des Hörorgans und wirkt schützend bei lauten Schallreizen), die des lateralen Bündels auf ipsilaterale Afferenzen von inneren Haarzellen (dieser Mechanismus unterstützt die Balance der Empfindlichkeit der beiden Hörorgane).

Die von den Cochlearis- und Olivenkernen zum Zwischenhirn aufsteigenden Fasern bilden den lemniscus lateralis. Dieser enthält eine weitere Zwischenstation der Hörbahn - Kerne des lemniscus lateralis (nuclei lemnisci lateralis ventralis & dorsalis). Auf Neurone des ventralen Kerns projizieren Fasern aus dem kontralateralen ventralen nucl. cochlearis ( Abbildung); Neurone im dorsalen Kern empfangen Impulse aus den Olivenkernen und sind bilateral verschaltet. Beide projizieren auf die unteren Vierhügel, teils inhibitorisch; die funktionelle Bedeutung dieser Verschaltungen ist noch unklar.

Mehrere inhibitorische Neuronen in der Hörbahn dienen der Modifizierung bzw. Kontrastierung akustischer Signale, die zum Gehirn geleitet werden. Beispielsweise können im Bereich der unteren Vierhügel ankommende Erregungsmuster (z.B. bei einem plötzlich auftretenden Geräusch) die Verarbeitung unmittelbar darauf folgender Signale unterdrücken. Dieser Präzedenzeffekt (Gesetz der ersten Wellenfront, precedence effect) ist ein sogenanntes psychoakustisches Phänomen. Er erleichtert u.a. die Unterscheidung des Schalls, der von der Originalquelle stammt (und als erster am Ohr ankommt), von Echoeffekten (die später eintreffen).
 

Abbildung: Lokalisation einer Schallquelle im Hirnstamm
Nach einer Vorlage bei Liqun Luo, Principles of Neurobiology, 2nd ed. CRC Press 2021
  Der mediale obere Olivenkern (MSO) erhält exzitatorische glutamaterge Impulse (grün) beidseitig (ipsi- und kontralateral) von den Cochleariskernen und glycinerge inhibitorische (rot) vom medialen Kern des Trapezkörpers (MNTB), er analysiert Zeitdifferenzen (ITD: interaural time differences).
 
Der laterale obere Olivenkern (LSO)
erhält exzitatorische Impulse vom ipsilateralen Cochleariskern und inhibitorische vom ipsilateralen medialen Kern des Trapezkörpers, er analysiert Unterschiede der Lautheit (ILD: interaural level differences). LSO-Neurone werden von ipsilateralen akustischen Reizen angeregt, von kontralateralen gehemmt.
  
Der mediale Trapezkörperkern wird vom kontralateralen Cochleariskern angeregt und inhibiert glycinerg die Olivenkerne.
  
Für die Gegenseite gilt das Verschaltungsmuster spiegelbildlich


Die Lokalisation von Schallquellen ist eine primäre Funktion der auditorischen Kerne des Hirnstamms. Dazu dienen Axone mit besonderen Eigenschaften: Sie zählen zu denen mit dem größten Durchmesser im ZNS, haben hohe Leitungsgeschwindigkeit, vergleichsweise enorme (bis >15 µm Durchmesser) synaptische Endigungen (Held'scher Endkelch, calyx of Held ) und garantieren damit besondere Verlässlichkeit der Datenübertragung.

Beim Menschen (und Säugetieren im Allgemeinen) wird Information über die Position einer Schallquelle in der Vertikalen eher von Signalen aus einem Ohr (monaural) gewonnen als durch Seitenvergeich (binaural). Dies hängt mit der Fubnktion der Ohrmuschel zusammen ( s. dort).
 
Information über die Position einer Schallquelle in der Horizontalen wird hingegen durch Seitenvergleich gewonnen (interaural, Abbildung), und zwar sowohl bezüglich des Unterschieds der Lautheit (ILD: interaural level difference, für höhere Schallfrequenzen, d.h. >2 kHz) als auch bezüglich der Ankunftszeit an beiden Ohren (ITD: interaural time difference, vor allem für niedrige Schallfrequenzen, d.h. <2 kHz - vgl oben).

Die Codierung bestimmter Reizeigenschaften ändert sich, je weiter man im Hörbahnsystem aufsteigt. Repräsentieren Neurone der Hörnerven bestimmte Frequenzen bzw. deren Intensität, können zentrale Neuronen multidimensionale Selektivität aufweisen, z.B. reagieren sie nicht nur auf bestimmte Frequenzen, sondern auch auf Lautstärke, spektrale Bandbreite, zeitliche Struktur, räumliche Zuordnung.
 
Vierhügelplatte (Tectum)
 
Alle aufsteigenden Hörbahnfasern konvergieren zu den unteren Vierhügeln (colliculi inferiores). Diese nehmen eine zentrale Position in der Analyse und Verwertung akustischer Muster ein. Sie entwerfen räumliche Konzepte, die sie an die oberen Vierhügel zum Zweck visueller Zuordnungen weiterleiten.

Die unteren Vierhügel empfangen eine Vielzahl exzitatorischer (aus nuclei cochleares, oberen Olivenkernen, Lemniskuskernen, kontralateralen colliculi, Hörrinde) und inhibitorischer Impulse (aus lateralen Lemniskuskernen, ipsilateraler oberer Olive, kontralateralem colliculus inferior). Organisiert sind sie in Zonen (zentraler Kern, dorsaler und externer Kortex). Diese sind tonotop angeordnet und haben unterschiedliche funktionelle Fähigkeiten, z.B. horizontale wie auch vertikale Ortung von Schallquellen.


Die Vierhügelplatte analysiert Zeitdifferenzen und ordnet Schallquellen räumlich zu, und beteiligt sich an der Kontrolle von Bewegungen, die den Blick und die Kopfhaltung zur jeweils interessierenden Schallquelle orientieren - rascher als neu aufgetauchte Reize in das Bewusstsein gelangen, also vor einer telenzephalen Analyse.
Vierhügelplatte und Thalamus (corpus geniculatum mediale - medial geniculate nucleus MGN -, projiziert auf die Hörrinde) übernehmen Mustererkennung, Auslösung akustischer Fluchtreflexe etc, bevor die aufgearbeitete Information dem primären Hörzentrum zufließt.

Neuronen der unteren Vierhügel projizieren
auch auf die oberen Vierhügel, wo akustische und optische Sinnesinformationen verglichen werden; und weiters zum Kleinhirn, das akustische Reize entsprechend motorisch beantworten kann.

    Zwischen der Innenohrschnecke und dem auditiven Kortex erfolgen mindestens vier Umschaltungen. Dabei bleibt der Frequenzbezug vom entsprechenden Ort der Innenohrschnecke bis zur entsprechenden kortikalen Abbildung erhalten. Das Ansprechverhalten der Neuronen in der Hörbahn wird mit ihrer Position z.T. zusehends komplexer; so reagieren bestimmte Zellen im corpus geniculatum auf spezifische Schallmuster (z.B. Vokalisierung) statt auf simple Tonfrequenzen.
 
Großhirnrinde
 
Das primäre Hörzentrum im Schläfenlappen ( Abbildung: auditory cortex A1, core region, auditiver Kortex, Brodmann-Areal 41, Heschl'sche Querwindung , gyri temporales transversi, planum temporale) liegt hinter dem sulcus lateralis verborgen. Es ist in der linken Hemisphäre stärker ausgeprägt als auf der Gegenseite ( s. dort) und besteht seinerseits aus drei Subregionen, von denen jede eine komplette tonotope Karte (Tonotopie: Zuordnung nach Schwingungsfrequenz) der Innenohrschnecke - die über den ventralen Teil des corpus geniculatum mediale vermittelt werden - enthält.
 

Abbildung: Auditiver (auditorischer) Kortex
Nach einer Vorlage in Carlson NR / Birkett MA, Physiology of Behavior, 12th ed. Pearson 2017

A1 = primäre Hörrinde (core auditory cortex), A2 = sekundäre Hörrinde (belt auditory cortex), A3 = tertiäre Hörrinde (parabelt auditory cortex).
 
Ähnlich wie im visuellen System sind die Informationsflüsse im auditiven System in Bahnen organisiert: Der vordere Pfad (anterior stream) beginnt in der vorderen Region des tertiären Hörzentrums (A3), nimmt Verbindung zum unteren frontalen Kortex auf und ist an der Analyse komplexer Geräuschmuster beteiligt. Der hintere Pfad (posterior stream) beginnt in der hinteren Region von A3, projiziert auf den Parietallappen und prämotorischen Kortex und beschäftigt sich mit der Ortung von Schallquellen


Auch hier erfolgt eine tonotope Projektion von der Innenohrschnecke, d.h. entsprechend den Frequenzanteilen der akustischen Reizmuster; in den Schichten III und IV der sechsschichtigen Hörrinde erfolgen - räumlich separiert - Analysen der Aktivierungsschwelle, der Wechselwirkung zwischen beiden Ohren, der Latenzzeit und der jeweiligen Frequenzanteile. Rindengebiete mit Empfindlichkeit für niedrige Frequenzen (helikotremanahe Cochleastrecken) liegen anterior, auf höhere Frequenzen reagierende posterior.

A1 ist tonotop organisiert. Ihre Neurone repräsentieren aber auch zahlreiche weitere auditive Eigenschaften: Einige werden durch Signale nur von einem Ohr, andere von beiden Ohren
angeregt. Einige sprechen auf zeitliche Abstände zwischen akustischen Ereignissen, andere vorwiegend auf Bandbreite, Lautheit oder Frequenz an. Wieder andere erkennen Tempo und Richtung von Frequenzmodulation (z.B. ansteigende oder sinkende Frequenzen). Solche Kennzeichen werden zur Erkennung komplexer Schallmuster genutzt (z.B. bei der Sprachanalyse).
 
Um die primäre Hörrinde liegen auditive Rindengebiete höherer Ordnung (A2: "sekundär", belt region; A3: "tertiär", parabelt region). A2 enthält mindestens sieben Abschnitte, die sowohl von A1 als auch von dorsomedialen Teilen des corpus geniculatum mediale Projektionen erhalten. Auf A3 schließlich pojizieren Axone aus A2 sowie ebenfalls aus dem corpus geniculatum mediale.
 

  Abbildung: Verarbeitungswege visueller und auditiver Information
Nach einer Vorlage in Carlson NR / Birkett MA, Physiology of Behavior, 12th ed. Pearson 2017

Primatengehirn. Die Verarbeitungswege für "WO"-Information konfluieren zum Parietallappen - es wird gleichzeitig geprüft, wo sich die Ursache optischer und akustischer Reizquellen befinden. Auch erfolgt parallel Projektion in das Frontalhirn (präfrontaler Kortex).
 
Die "WAS"-Information wird im Temporallappen bearbeitet


In den auditiven Zentren nefinden sich nicht nur Neurone mit hoher Reizselektivität, diese Areale sind auch Ausgangspunkt für Bahnen der Informationsverarbeitung, die sich mit dem "WAS" (anteriorer Pfad) und "WO" (posteriorer Pfad) beschäftigen, ähnlich wie bei der Analyse visueller Reize (s. dort). Parietale Nachbargebiete des auditiven Kortex beschäftigen sich mit der Lokalisation und Bewegung akustischer Reize, ventral-temporale mehr mit deren Identifikation.

Der auditive Kortex vermittelt einerseits Rückkopplung zu motorischen Rindengebieten, die für korrektes Sprechen notwendig (und bei sensorischer Aphasie gestört) ist; andererseits reduziert er die Wahrnehmung der eigenen Stimme beim Sprechen (beginnend einige Zehntelsekunden vor Beginn der Vokalisierung, ausgehend vom Broca-Areal), was vermutlich den Störeffekt der eigenen Stimme beim Hören reduziert.
 
Efferenzen (absteigende Systeme) modifizieren die Aktivität in Innenohr und Hörbahn: So projizieren Neuronen der Hörrinde auf corpus geniculatum und colliculi inferiores, obere Oliven und Cochleariskerne, äußere Haarzellen und Afferenzen von inneren Haarzellen. Der auditive Kortex moduliert so die Bearbeitung der Innenohrsignale in subkortikalen Stationen der Hörbahn.
  
Räumliche Ortung
 
Ausgeprägte Divergenz ermöglicht die parallele Verarbeitung der aufgenommenen Schallinformation auf mehrere Kerne des Hirnstamms. So wird auch ein intensiver Seitenvergleich des afferenten Informationsstroms vorgenommen, was dem Richtungshören zugute kommt:

      Bei einer Distanz der Ohren von ~20 cm ergibt sich bei einer seitlich gelegenen Schallquelle (in Luft) für die Ankunft einer Welle ein Unterschied von etwa 0,6 Millisekunden (liegt die Schallquelle direkt vor oder hinter dem Kopf, kommt die Welle auf beiden Seiten gleichzeitig an). Tatsächlich liegt das Auflösungsvermögen bei etwa 2 Bogengrad Winkelunterschied;
das heisst, das menschliche Ohr kann Laufzeitdifferenzen von ~0,01 Millisekunden detektieren. Dieses Prinzip lässt die Ortung von Frequenzquellen (≥2 kHz) zu. Die obere Olive enthält Neurone, die auf die Erkennung bestimmter Laufzeitdifferenzen (links <-> rechts) spezialisiert sind (s. oben).

      Bei kontinuierlichen Tönen funktioniert dieses Prinzip nicht; allerdings kann das Gehör auch Phasenunterschiede erkennen, die eintreten, wenn die Schallquelle nicht in der Sagittalachse liegt - insbesondere bei niedrigfrequenten Tönen. Für höhere Frequenzen sind die auftretenden Unterschiede zu kurz.

      Schließlich treten an den Ohren (sofern die Schallquelle nicht genau vor oder hinter dem Kopf liegt) auch Unterschiede in der Lautheit auf: Das der Schallquelle abgewandte Ohr liegt im akustischen "Schatten", der durch den Kopf gegeben ist - die resultierende Lautheitsdifferenz wird von speziellen Neuronen zur Ortung der Schallquelle interpretiert. Dieser Mechanismus ist bei höheren Frequenzen (ab 2 kHz) geeignet - bei niedrigen kommt es zu Diffraktion der Schallwellen um den Kopf, es tritt kein effektiver Schallschatten auf.

All diese Prinzipien gelten für Unterschiede in der Horizontalen (die Ohren liegen nebeneinander). Die Analyse der Lage einer Schallquelle in der Vertikalen kann so nicht erfolgen; hier hilft die Art, wie Schallwellen an der Ohrmuschel reflektiert werden ( s. dort). Bedingt durch deren Anatomie ist die Schallwellenreflexion je nachdem, wie hoch / wie tief die Schallquelle relativ zum Kopf liegt, unterschiedlich; die Laufzeitdifferenz wird einer bestimmten Lage der Schallquelle zugeordnet. Zusätzlich hilft, dass höherfrequenter Schall von oben leichter in das Ohr eindringt als von unten.
 
  
Testung des Hörvermögens
 
Schwerhörigkeit kann im Bereich des Trommelfells, der Gehörknöchelchen, des Innenohrs, des N. acusticus oder im Gehirn seine Ursache haben. Durch subjektive und objektive Untersuchungen versucht man, die Lokalisation der Störung zu finden.
 

Abbildung: Hörverlust-Diagramm (Ton-Audiometrie)

Reduktion der audiometrisch bestimmten Empfindlichkeit bis -40 dB gilt als geringer, bis -70 dB als moderater Hörverlust. Ab -70 dB ist der Hörverlust schwer, ab -90 dB sehr schwer


 
  Die Bestimmung des Hörvermögens für Geräuschmuster und Tonfrequenzen nennt man (Ton-, Sprach- etc.) Audiometrie, das Prüfergebnis ein Audiogramm . Bei der Audiometrie werden definierte Schallreize über Kopfhörer vorgespielt und Reizschwellenwerte und akustisches Verständnis überprüft.

Ton (schwellen) audiometrie
benützt reine Töne (definierte Frequenz), die entsprechend der Empfindlichkeit des Ohres (
s. dort) mit unterschiedlicher Schallintensität angeboten werden. Das Audiogramm stellt die Abweichung von der normalen Frequenzempfindlichkeit bei den jeweiligen Frequenzen dar, ist also im Idealfall eine Linie bei "Abweichung null" (weniger als 20 dB Hörverlust, Abbildung).

Besonders wichtig ist der Hauptfrequenzbereich der Stimme und Sprache (250-3000 Hz); sie wird insbesondere mit der
Sprachaudiometrie getestet.

Einfache Tests sind Flüsterproben sowie die klassischen
  
Stimmgabelversuche
 

Diese Tests erlauben auf einfache Weise eine Differentialdiagnostik zwischen Störungen der Schallleitung - insbesondere im Mittelohr - und der Schallempfindung (insbesondere das Innenohr betreffend). Dabei wird Luftleitung (über äußeres Ohr und Gehörknöchelchenkette) von Knochenleitung (bei Aufsetzen einer schwingenden Stimmgabel auf den Schädelknochen) unterschieden. Schallempfindungs-Schwerhörigkeit geht mit Verschlechterung sowohl der Luft- als auch der Knochenleitung einher.

    Beim Weber-Test
wird die schwingende Stimmgabel median auf den Scheitel gesetzt ( Abbildung) und auf Symmetrie geprüft (Ton “im Kopf” oder seitenverlagert?). Normalerweise hört man den Ton auf beiden Seiten gleich laut (symmetrische Reizverteilung).

Bei
Innenohrschaden verlagert man die Tonwahrnehmung auf die gesunde Seite, da hier die Übertragung auf neurale Erregung besser funktioniert. Bei einer einseitigen Störung der Schalleitung hingegen wird der Ton auf die geschädigte Seite lateralisiert, da einerseits weniger Schallenergie über das kranke Mittelohr abgestrahlt wird, andererseits hier die Sinneszellen empfindlicher geworden sind (adaptiert haben).

 
Menschen mit Schallleitungs-Schwerhörigkeit (Mittelohr) lateralisieren zur kranken Seite, solche mit Schallempfindungs-Schwerhörigkeit (Innenohr) zur gesunden Seite
 
 

Abbildung: Testung der Schalleitung mittels Stimmgabelversuchen
Kombiniert nach Vorlagen in nursingcrib.com

Der Weber-Versuch prüft auf Symmetrie, der Rinne-Versuch, ob die "Luftleitung länger ist als die Knochenleitung"


    Der Rinne-Test vergleicht die “Luft”- und “Knochenleitung”: Als Luftleitung bezeichnet man die Übertragung von Schallenergie über die Gehörknöchelchenkette, als Knochenleitung die Schalleitung direkt durch den Schädelknochen (Basis der Stimmgabel auf processus mastoideus).

Wird die Stimmgabel bei Anlegen an den Schädelknochen (
Abbildung) nicht mehr gehört, sollte sie über die Luftleitung des äußeren Gehörganges immer noch hörbar sein ("Luftleitung länger als Knochenleitung", "Rinne positiv") - auch bei Innenohrschädigung (Impedanzanpassung durch das Mittelohr).
 
Bei Schallempfindungs-Schwerhörigkeit (Ursache meist im Innenohr) ist der "Rinne-Test positiv"
   
Bei gestörter Schallleitung, z.B. einer Mittelohreiterung, ist das nicht der Fall ("Rinne negativ"): Hier wird umgekehrt die "Knochenleitung besser (länger) als die Luftleitung", man spricht von einer Schallleitungsstörung, z.B. bei eitriger Mittelohrentzündung.
 
Bei "negativem Rinne-Test" liegt meist eine Störung der Schallleitung vor (z.B. otitis media)
   
Eine Kombination beider Versuche (Weber + Rinne) kann sowohl die Seite einer Hörschädigung als auch deren Ursache eingrenzen. Eine vergleichende Tonschwellenaudiometrie (Luft- und Knochenleitung) kann dies noch genauer.
 

    Der Schwabach-Test vergleicht das Hörvermögen von Patient und Untersucher (unter der Annahme, dass die untersuchende Person über ein normales Hörvermögen verfügt).
   
Weitere Tests zur Überprüfung des Gehörs
 
    Bei Beschallung des Ohres wird der Großteil  der Energie von Trommelfell und Mittelohr absorbiert; der akustische Widerstand (die Impedanz) des Übertragungsapparates reflektiert einen kleinen Teil. Diesen misst die Impedanzaudiometrie (Tympanometrie): Sie ermittelt das "Schallecho". Dieses ist durch die mechanischen Eigenschaften des Schallleitungsapparats beeinflusst.

     Cochleäre Mikrophonpotenziale können in der Nähe des foramen rotundum abgeleitet werden und geben Aufschluss über die Intaktheit des Corti-Organs (vor allem der äußeren Haarzellen).

     Funktionstest der äußeren Haarzellen: Ein mit einem reinen Ton beschalltes Ohr antwortet kurzzeitig - aufgrund der Verstärkungsfunktion äußerer Haarzellen - mit oto-akustischen Emissionen (OAEs, transient evoked oto-acoustic emissions, TEOAEs). Diese können mit hochempfindlichen Mikrofonen registriert werden.

Die Ableitung solcher - z.B. auf einen Klick auftretenden - Signale (mittels in den äußeren Gehörgang eingeführten Mikrophons) dient als objektiver Hörtest (Mitarbeit der untersuchten Person nicht notwendig) und wird u.a. bei Neugeborenen verwendet (Screening auf Schwerhörigkeit).
 

Abbildung: Hirnstammaudiometrie
Nach einer Vorlage bei Waxman SG, Clinical Neuroanatomy, 28th ed. McGraw-Hill Lange 2017

Eine computergenerierte Serie zahlreicher Klicks wird über Kopfhörer angeboten und die EEG-Strecken für jeweils 10 folgende Millisekunden aufgezeichnet.
  
Die Mittlung dieser Strecken ergibt eine Serie von 7 Wellen, von denen die ersten fünf neuronalen Aktivitäten im Hirnstamm zugeordnet werden können (Innenohr, Cochleariskerne, oberer Olivenkomplex, lemniscus-lateralis-Kern, Vierhügelplatte).
  
 Die Wellen 6 und 7 werden durch Signalverarbeitung im Thalamus (medialer Kniehöcker) und Projektion auf die auditive Rinde hervorgerufen.
  
Diese 7 Wellen treten innerhalb der ersten Hundertstelsekunde nach Erklingen des akustischen Reizes auf


       Die Bestimmung akustisch evozierter Potenziale (AEP) aus Hirnstromableitungen (Elektroden am Mastoid) ermöglicht eine objektive Funktionstestung des auditiven Systems auf der Ebene des Zentralnervensystems. Wenn die zentralnervösen Signale der Norm entsprechen, liegt weder eine Störung des Hörorgans noch der Signalverarbeitung - zumindest bis auf kortikale Ebene - vor.

Akustisch evozierte Potentiale gehören in die Gruppe ereigniskorrelierter Potentiale. Das heißt, sie werden nach mehrfacher (hier ~103) Wiederholung eines definierten Sinnesreizes (hier: Klicklaut) aus der Aufzeichnung konsekutiver EEG-Strecken durch deren Mittelung (nicht mit dem Reiz korrelierte Zufallswellen werden eliminiert) dargestellt (averaging). Das ist notwendig, da die Wellen des Spontan-EEG viel intensiver sind als die relativ schwachen reizkorrelierten Potentialschwankungen, die dargestellt werden sollen.

Die frühen Anteile der EAPs (frühe akustisch evozierte Potentiale, FAEP) stammen von neuronaler Aktivität in der Hörbahn (cochlea, Hörnerv, nucl. olivaris superior, lemniscus lateralis, colliculus inferior) und sind diagnostisch besonders aufschlussreich. Ihre Messung wird auch als BERA (brainstem evoked response audiometry, Hirnstammaudiometrie) bezeichnet
( Abbildung), denn die Potentialverläufe spiegeln die akustische Informationsverarbeitung im Hirnstamm wider.
 
Hirnstammanteile akustisch evozierter Potentiale treten bereits wenige Millisekunden nach Reizbeginn auf
 
Man spricht von frühen akustisch evozierten Potentialen, weil sie noch vor Befassung des Großhirns auftreten. Sie lassen eine Differentialdiagnose zwischen kochleären und "retrokochleären" Hörstörungen zu (objektiver Hörtest - ERA: evoked response audiometry). 
 

Späte Anteile der AEPs können bis zu ~1 Sekunde nach Reizbeginn nachklingen. Sie stammen von nachgeschalteten Verarbeitungsprozessen auf Großhirnebene.
 
         
  Über akustisch evozierte Potentiale s auch. dort
  
 
Kontraktion der Mittelohrmuskeln (m. tensor tympani, m. stapedius) verringert die Schallübertragung and das Innenohr; reflektorisch schützt dies bei Lärm vor Überreizung. Lähmung dieser Muskeln (z.B. bei Fazialisparese → Inaktivierung des Stapedius) führt zu Hyperakusis, d.h. pathologischer Feinhörigkeit (Lärmempfindlichkeit).
 

 
      Präzise Verarbeitung auditiver Information auf mehreren Ebenen ermöglicht prompte Reaktion auf Schallreize (Orientierungs-, Fluchtbewegungen): Cochleariskerne - schon hier mit spezialisierten Zellpopulationen -, obere Olive - erhält nur (gekreuzte) Fasern aus dem nucl. cochlearis ventralis, vergleicht Eingänge von beiden Ohren und dient dem Richtungshören -, Lemniscus lateralis (von Olive), Vierhügelplatte - alle aufsteigenden Teile der Hörbahn konvergieren auf die unteren Vierhügel -, mediale Kniehöcker des Talamus, Heschl'sche Querwindung - tonotope Projektion. Zwischen der Innenohrschnecke und dem auditiven Kortex erfolgen mindestens vier Umschaltungen
 
      Absteigende Fasern modifizieren die Aktivität in Innenohr und Hörbahn: Die Hörrinde projiziert auf corpus geniculatum und colliculi inferiores, der Hirnstamm auf äußere Haarzellen
 
      Jedes Neuron im Spiralganglion reagiert auf eine bestimmte Frequenz. Das Ansprechverhalten der Neuronen in der Hörbahn wird mit ihrer Position zusehends komplexer - z.B. im corpus geniculatum auf Schallmuster, die beim Vokalisieren auftreten. Ausgeprägte Divergenz ermöglicht die parallele Verarbeitung der aufgenommenen Schallinformation auf mehrere Kerne des Hirnstamms. Seitenvergleich dient dem Richtungshören, Laufzeitdifferenzen von ~0,01 Millisekunden reichen dazu schon aus (obere Olive). Ortsunterschiede in der Vertikalen werden über Reflexionsmuster an der Ohrmuschel ermittelt; auch dringt höherfrequenter Schall von oben leichter in das Ohr ein als von unten
 
      Einfache Tests des Hörvermögens sind Flüsterproben sowie die klassischen Stimmgabelversuche: Weber-Test (schwingende Stimmgabel median auf dem Scheitel, Prüfung auf Seitenverlagerung), Rinne-Test (schwingende Stimmgabel abwechselnd auf processus mastoideus und vor äußerem Gehörgang, vergleich "Knochen-" und "Luftleitung"), Schwabach-Test (Vergleich Hörvermögen untersuchende / untersuchte Person). Diese Tests erkennen Störungen von Schallleitung und Schallempfindung: Beim Weber-Test lateralisieren Menschen mit Schallleitungs-Schwerhörigkeit (Mittelohr) zur kranken Seite, solche mit Schallempfindungs-Schwerhörigkeit (Innenohr) zur gesunden Seite. Bei Schallempfindungs-Schwerhörigkeit (Ursache meist im Innenohr) ist der "Rinne-Test positiv", bei "negativem Rinne-Test" ist die Schallleitung gestört (z.B. otitis media)
 
      Audiometrie ist die Bestimmung des Hörvermögens für Geräuschmuster (Sprachaudiometrie: Hauptfrequenzbereich 250-3000 Hz) und reine Töne. Definierte Schallreize werden über Kopfhörer eingespielt und Reizschwellenwerte / akustisches Verständnis überprüft. Das Resultat einer Tonaudiometrie nennt man Audiogramm: Dieses stellt die jeweilige Frequenzempfindlichkeit dar, Abweichungen werden - für Testfrequenzen getrennt - als Hörverlust in dB angegeben
 
      Impedanzaudiometrie (Tympanometrie) ermittelt den akustischen Widerstand, der bei Beschallung des Ohres auftritt ("Schallecho") und die mechanischen Eigenschaften des Schallleitungsapparats widerspiegelt

      Cochleäre Mikrophonpotentiale werden in der Nähe des foramen rotundum abgeleitet und geben Aufschluss über die Intaktheit vor allem der äußeren Haarzellen. Das Ohr wird mit einem reinen Ton oder Klick beschallt und sendet schwache Schallimpulse zurück (oto-akustische Emissionen OAEs, registrierbar mit hochempfindlichem Mikrophon), bedingt durch die Verstärkungsfunktion äußerer Haarzellen (objektiver Hörtest, z.B. als Neugeborenenscreening auf Schwerhörigkeit)
 
      Hirnstammaudiometrie (BERA, brainstem evoked response audiometry): Eine Serie von Klicks wird über Kopfhörer eingespielt, synchrone Mittelung der folgenden EEG-Strecken (Millisekunden) ergibt akustisch evozierte Potenziale (AEP), entsprechend Reaktionen in Innenohr, Cochleariskernen, oberer Olive, Vierhügelplatte, medialem Kniehöcker und Hörrinde (objektive Funktionstestung des auditiven Systems)
 

 




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