Halbseitenläsion (Brown-Séquard-Syndrom)
Bei - in
Reinform selten auftretender - halbseitiger Blockade des Rückenmarks
(traumatische Durchtrennung der Leitungsbahnen, druckbedingte Ischämie
durch Herniation einer Bandscheibe, Tumor) treten motorische, sensible
und vegetative Ausfälle auf:
Abbildung: Symptomatik bei Halbseitenläsion
Modifiziert nach einer Vorlage bei thieme.de/viamedici/ klinik-faecher-neurologie
In
diesem Fall ist eine halbseitige spinale Leitungsblockade links
angenommen. Im betroffenen Segment (Th10) tritt auf der Seite der
Läsion eine schlaffe Lähmung auf, alle sensiblen Fähigkeiten sind
blockiert.
Unterhalb des Blocks findet sich ipsilateral (hier links) eine
spastische Lähmung und ein Ausfall der bewussten Propriozeption
(Vibration, Tiefensensibilität), weil die Hinterstrangbahn
unterbrochen ist.
Auf der Gegenseite (hier rechts) ist das Temperatur- und Schmerzempfinden aufgehoben (unterbrochene Vorderseitenstrangbahn)
Motorisch kommt es ipsilateral zu einer Halbseitenlähmung, da die absteigenden Fasern zu den motorischen Vorderhornzellen zum Großteil (70-90%) die Seite (in der decussatio pyramidum) schon gekreuzt haben. Auf der Ebene des betroffenen Segments tritt auf der betreffenden Seite eine schlaffe Parese auf, die Eigenreflexe sind nicht auslösbar (Areflexie); unterhalb (kaudal davon)
findet sich eine spastische Parese mit Hyperreflexie und
Pyramidenbahnzeichen (Kloni), z.B. Babinski-Reflex (Großzehe hebt sich,
Kleinzehen bewegen sich nach unten / außen bei Bestreichen des
Außenrandes der Fußsohle von Ferse zu Kleinzehe).
Sensibel tritt eine dissoziierte Empfindungsstörung auf: Unterbrechung der aufsteigenden Neuriten der Hinterstrangbahn unterbricht den Tastsinn ipsilateral (Ausfall der bewussten Propriozeption: Störung der Tiefensensibilität, Verlust der Vibrationsempfindung), Unterbrechung des Vorderseitenstranges blockiert kontralateral das Schmerz- und Temperaturempfinden (Analgesie, Thermanästhesie) und führt zu
Minderung der Berührungsempfindlichkeit (Hypästhesie) infolge Läsion
der spinothalamischen Fasern nach der Kreuzung in der vorderen
Kommissur.
Vegetativ: Vasomotorische
Fasern der Seitenstränge - im betroffenen Segment auch Nervenzellkörper
- sind mitbetroffen. Das bedingt zunächst Überwärmung und Rötung der
Haut, die später in Unterdurchblutung und Zyanose münden kann; manchmal
tritt fehlende Schweißsekretion auf.

Hinter- und Vorderseitensäule sind mehrschichtige (lamina I bis X)
graue Substanz mit zahlreichen synaptischen Verschaltungen und
unterschiedlichen Aufgaben
Das Hinterhorn (lamina I bis VII) enthält Endigungen zerebraler
Efferenzen und primär-afferenter Axone aus der Peripherie, Interneurone
(exzitatorisch und inhibitorisch) sowie Projektionsneurone (lemniskal,
spinozerebellär). Lamina I und II (substantia gelatinosa) enthalten
Schmerz- (Aδ- und C-), Lamina-V-Neurone multirezeptive Afferenzen
(WDR-Neurone: wide dynamic range). Laminae V und VI vermitteln Tiefensensibilität und projizieren über den tractus spinocerebellaris
auf das Kleinhirn
Das Seitenhorn ist viszeromotorisch (von C8 bis L3 sympathisch, im
Sakralmark parasympathisch); viszerosensible Gebiete befinden sich
hauptsächlich im Hinterhorn
Das Vorderhorn (laminae VIII und IX) vermittelt Motorik; stammnahe
Muskeln sind von medialen, periphere von lateralen Neuronen innerviert.
Die lamina X verbindet die Vorderseitenhörner beider Seiten miteinander
und enthält das zentrale Höhlengrau
Somatische Sensibilität wird dem Gehirn über zwei Systeme zugeleitet:
Das Hinterstrangsystem (tractus spinobulbaris) leitet epikritische
Sensibilität (Tast-, Stellungs-, Bewegungssinn) zu den
Hinterstrangkernen (nucl. gracilis von unterer, nucl. cuneatus von
oberer Körperhälfte); der Vorderseitenstrang (anterolaterales System)
Schmerz und Temperaturempfinden
Spinothalamische Fasern ziehen aus der lamina I (z.T.
modalitätsspezifisch) als tractus spinothalamicus lateralis, aus der
lamina V (nicht modalitätsspezifisch) als tractus spinothalamicus
ventralis zu ihren Zielkernen. Der nucl. ventralis anterior
(verlangsamt Willkürbewegungen) und lateralis (beschleunigt
Willkürbewegungen); das Pulvinar dient sensorischer Integration
Halbseitenläsionen (Brown-Séquard) treten in Reinform selten auf.
Motorisch kommt es zu ipsilateraler Hemiplegie, sensibel zu
dissoziierter Empfindungsstörung, vegetativ zu Rötung (früh) bis
Zyanose (spät) und evt. fehlender Schweißsekretion
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