Die Otolithenorgane - die etwa senkrecht zueinander positionierten macula sacculi und
utriculi - sprechen auf geradlinige Beschleunigung an. Die in einer Schleimschicht befindlichen Otolithen
(Statolithen) haben aufgrund ihres Kalkgehaltes eine größere
Massendichte, und widerstehen einer Beschleunigung stärker, als ihre
Umgebung.
Sie sind an Zilien (Härchen) der Haarzellen fixiert und ermöglichen ihnen die Detektion von Kräften, die Zilien seitlich abwinkeln. So zeigen sie der
Sensomotorik an, wo oben und unten ist oder welche zusätzlichen Beschleunigungskräfte einwirken (das Gehirn verfügt über eine präzise "Karte" der Orientierung der Zilien in den Maculae). Das dient der Orientierung des
Körpers im Raum (statisch - Schwerkraft, dynamisch - auf den Kopf wirkende geradlinige Beschleunigung). Motorische Programme werden durch Proprio- und Exterozeption (optisch, akustisch, mechanisch) kontrolliert und modifiziert. Insbesondere Kleinhirn und Hirnstammkerne benötigen Information aus den Otolithenorganen, um aufrechte Haltung und Bewegung zu koordinieren und zu stabilisieren. Jeder der sechs Bogengänge steht im Kopf in einer anderen Ebene. Die Endolymphe in ihnen wird durch Drehbewegungen des Kopfes beschleunigt (Coriolis-Effekt), und die Erregungsgröße der Haarzellen in den Ampullen wird dadurch verändert (je nach Richtung abgeschwächt oder verstärkt - wie in den Otolithenorganen). So erhält das Gehirn präzise Information über Drehbewegungen bzw. Veränderungen der Kopfposition. Insbesondere die Augenmuskelkerne werden angesteuert, sodass Kopfdrehungen automatisch Gegendrehungen der Augen bewirken (Folgebewegungen) und das Abbild der Umgebung auf der Netzhaut stabil bleibt. Registrierungen der Augenbewegungen nennt man Okulogramme. Diese können unterschiedlich erfolgen, z.B. mittels optischer Systeme. Der Augapfel hat ein elektrisches Potential (~1 mV), und okulomotorische Bewegungen führen in der Umgebung des Auges zu Potentialschwankungen, die mit Elektroden von der Haut abgegriffen werden können (Elektro-Okulographie, EOG). Die elektrische Ableitung von Nystagmen (Hin- und Herbewegungen der Augen) heißt Elektronystagmographie (ENG). |
Neigt man den Kopf, nimmt die Erregung von Haarzellen teils zu, teils ab - je nach ihrer Position |
Kopfdrehung führt zu Depolarisation einiger Haarzellen und erhöhter Aktionspotentialfrequenz der Afferenzen, an anderen Haarzellen zu Hyperpolarisierung und Frequenzabfall - je nach Position |
Sakkaden sind ruckartige Augenbewegungen, wie sie bei Neueinstellung des Fixationspunktes (z.B. beim Lesen) auftreten |
Zu Beginn einer Rotation tritt ein vestibulärer Nystagmus in Rotationsrichtung auf Bei Abstoppen der Rotation kommt es zu Nystagmus zur Gegenseite (postrotatorisch) |
Das Makulasystem des Innenohres (Otolithenorgane: macula sacculi,
macula utriculi) misst Richtung und Größe von geradlinigen (Längs-,
Linear-) Beschleunigungen, die auf den Kopf einwirken und meldet, wo
oben und unten ist (Gravitationsrezeptoren). Einwirkende
Kräfte werden nach Koordinaten benannt: +Gx bedeutet
Beschleunigung des Körpers nach ventral, -Gx nach dorsal, +Gy nach
rechts, -Gy nach links, +Gz nach kranial, -Gz nach kaudal. Die
Eingeweide bewegen sich in die Gegenrichtung (Trägheit beschleunigter
Masse). Ein +Gz-Effekt tritt bei aufrechtem Stehen auf, ein +Gx-Effekt
in Rückenlage Maculae sind ungefähr im rechten Winkel zueinander positioniert und tragen ~20.0000-30.000 Haarzellen. Scherbewegung einer gelartigen Matrix erregt Zilien, die in sie eintauchen; jede Kopfposition erzeugt ein bestimmtes Erregungsmuster der Zellen im Otolithenorgan. Neigt man den Kopf, nimmt die Erregung von Haarzellen teils zu, teils ab - je nach Position Die Dichte der Gelmatrix beträgt durch eingelagerte Calciumcarbonatkristalle (Ohrensteine, Otolithen, Otokonien, Statolithen) 1,3-1,4 g/ml, die der Endolymphe ~1,0 g/ml. Daher werden schräg oder senkrecht zur Beschleunigungsrichtung positionierte Maculae angeregt. Das wirkt sich auf Membranpotential und Glutamatfreisetzung der Sinneszellen sowie die Aktionspotentialfrequenz afferenter Nervenfasern aus: Neigung des Kopfes ändert das Erregungsmuster der Makulaorgane und löst reflektorisch Gegenrollen der Augen sowie somatische Korrekturbewegungen aus Haarzellen reagieren auf Bewegungen in einer Richtung, die durch die Fläche Stereozilien - Kinozilium definiert ist. Jede Haarzelle verfügt über 50-150 Stereozilien, deren Spitzen über tip links verbunden sind, und ein Kinozilium. Endolymphe und Perilymphe sind über tight-junction-Abdichtungen zwischen Stütz- und Haarzellen voneinander getrennt. Der hohe Kaliumgehalt der Endolymphe (stria vascularis) bewirkt bei entsprechender Biegung der Stereozilien Kaliumeinstrom und Depolarisierung der Haarzellen. Als sekundäre Sinneszellen bilden sie Rezeptorpotentiale und Glutamat, das die Aktionspotentialfrequenz postsynaptisch-afferenter Nervenzellen des VIII. Hirnnerven steuert Das Bogengangsystem - links und rechts jeweils drei aufeinander etwa senkrecht stehende Bogengänge - detektiert Drehbeschleunigungen. Aufgrund der unterschiedlichen Achsenlagen werden meist alle 6 Cupulae (paddelförmige Schleimfahnen) durch Bewegung der Endolymphe gereizt. Je nach Position führt Kopfdrehung an einigen Haarzellen zu Depolarisation, an anderen zu Hyperpolarisation. Das Gehirn rekonstruiert aus dem neuronalen Erregungsmuster Stärke und Richtung der Drehbeschleunigung und exekutiert Korrektur- und Gegenstellbewegungen von Hals-, Rumpf- und Extremitätenmuskulatur (Haltungs- und Stellreflexe) Funktionsüberprüfungen des Vestibularsystems erfolgen mittels Drehstuhl und testen reflektorische Verbindungen zwischen Innenohr, Hirnstamm und Augenmuskeln. Kopfdrehungen bewirken kompensatorische Drehung auch geschlossener Augen, unterbrochen von gegenläufigen ruckartigen Augenbewegungen (Sakkaden) - gesteuert von pontinen Hirnstammzentren. Nystagmus ist ein Hin- und Herbewegen der Augen, vestibulärer Nystagmus wird durch Drehung ausgelöst. Die verantwortlichen Zentren liegen im oberen Hirnstammbereich, Klein- und Großhirn. Versionen sind gleichsinnige (z.B. nach rechts), Vergenzen gegensinnige (Konvergenz, Divergenz) seitliche Bewegungen der Augäpfel (mm. recti medialis und lateralis) Vestibulookuläre Reflexe (VOR) sind von den Bogengängen ausgehende Reflexe, sie steuern Kompensationsbewegungen der Augen bei Kopfdrehungen und halten das Netzhautbild stabil. Die Drehachse kann vertikal (Kopfschütteln), horizontal (Nicken) oder sagittal (seitliches Kippen des Kopfes) liegen, dementsprechend unterscheidet man translatorische und Rotations-VOR. Bewegten Gegenständen folgt das Auge mit glatten Folgebewegungen (willkürlich lassen sich solche nicht auslösen), um den Fixationspunkt auf der Netzhaut nicht zu verlieren. Durch Serien von Nachfolgebewegungen und Sakkaden tritt optokinetischer Nystagmus auf Der Gleichgewichtssinn ist zusammen mit Sehen, Hören, somatischer und Tiefensensibilität Teil des Orientierungssystems. ~19.000 Neurone im ganglion vestibulare projizieren auf Vestibulariskerne, den flocculonodulären Teil des Kleinhirns, Thalamus und Großhirn (Lagewahrnehmung), Hypothalamus (vegetative Reaktionen) und motorische Vorderhornzellen. Sie steuern Okulo- (vestibulo-okuläre Reflexe) und spinale Motorik (Gleichgewichtsreflexe) und erhalten somatosensible, visuelle und Kleinhirnafferenzen Okulogramme (EOG = Elektrookulographie) sind Aufzeichnungen der Augenbewegungen (Auge als elektrischer Dipol - vorne positiv, ~1 mV korneo-retinales Potenzial, Ableitung von Schläfe und Nasenrücken). Eine spezielle Form ist die Nystagmographie (ENG = Elektronystagmogramm). Nystagmen können horizontal (rechts <--> links) oder vertikal auftreten. Zu Beginn einer Rotation tritt ein vestibulärer Nystagmus in Rotationsrichtung auf (perrotatorisch), bei Abbremsen zur Gegenseite (postrotatorisch) Aufrichten des Kopfes um 60° bringt den lateralen Bogengang in aufrechte Lage. Erwärmen oder Abkühlen seines lateralen Schenkels führt dann zu Auf- oder Absteigen der Endolymphe, entsprechender Auslenkung der Cupula und Auslösung des vestibulo-okulären Reflexes (”kalorischer Nystagmus“). Die Sakkaden erfolgen auf die Seite der Erwärmung oder die Gegenseite der Abkühlung. So kann eine getrennte Funktionsprüfung des linken und rechten Vestibularorgans durchgeführt werden |