



Verteilungsräume, Flüssigkeitshaushalt und Blutdruckregulation
Angiotensin: ανγειον = (Blut)Gefäß, tendere = (an)spannen| Verteilungsräume (Compartments)
sind Volumina, in denen sich ein bestimmter Stoff verteilt, nachdem er in den Körper (meist die Blutbahn) eingebracht wurde. Aus
der Konzentration des Stoffes in diesem (Flüssigkeits- oder Gas-)
Volumen kann dann das Verteilungsvolumen errechnet werden (Indikatorverdünnungsprinzip)
- vorausgesetzt, die Verteilung erfolgt vollständig und gleichmäßig,
sodass die entnommenen Proben repräsentative Konzentrationswerte
aufweisen. Verbleibt die Substanz innerhalb anatomisch definierter Räume, dann eignet sich dieses Verfahren z.B. zur
Abschätzung von Gesamtkörperwasser, intra- und extrazellulärem, intra- (Gefäße) und
extravaskulärem Raum (Volumen = Menge / Konzentration). -- Verteilt sich ein Indikator im Blutplasma, ohne aus dem Kreislauf zu entweichen (z.B. eiweißgebunden), kann man aus der applizierten Menge und seiner Konzentration (nach vollständiger Durchmischung) auf das Plasmavolumen zurückrechnen. -- Wird der Indikator während des Beobachtungszeitraums abgebaut, in einem anderen Kompartiment (z.B. Fettgewebe) zwischengespeichert, oder ausgeschieden (z.B. Inulin), sinkt seine Konzentration im Blut in einer Weise, die Volumenberechnungen erschwert. -- Mathematische Verfahren erlauben auch - trotz sich ändernder Konzentration nach single-shot-Injektion des Indikators - die Berechnung von Kompartimentvolumina. Geht ein Indikator während des Messvorgangs kontinuierlich verloren (z.B. durch renale Ausscheidung), kann man seine Blutkonzentration durch dosierte Infusion stabil halten (Fließgleichgewicht, vereinfachte Berechnung). Verteilungsräume werden nach dem Indikator benannt, der für ihre Ermittlung verwendet wurde, z.B. "Natriumraum", "Inulinraum" (diese beiden entsprechen in etwa dem extrazellulären Raum). Ein Indikator muss zahlreiche Bedingungen erfüllen, wie unschädlich, abbaubar, eindeutig und spezifisch detektierbar (Radioaktivität, Färbung). |
Natrium, extrazelluläres Volumen, Kreislauf
Verteilung infundierter / injizierter Substanzen
Transzelluläre Flüssigkeit
(compartments)
sind - morphologisch definierbare oder virtuelle - Volumina, in denen
sich körpereigene oder körperfremde Stoffe verteilen,
nachdem sie in
den Extrazellulärraum (in die Blutbahn) eingebracht wurden - durch
körpereigene Produktion (z.B. Kreatinin in der Muskulatur) oder von
außen (z.B. Injektion eines Pharmakons oder einer Indikatorsubstanz
).

Teils decken sie sich mit dem Volumen von Zellorganellen
(z.B. Zellkern, Mitochondrien, Inhalt von Golgi-Apparat, Vesikeln,
endoplasmatischem Retikulum u.a.), die durch Membranen sichtbar von
ihrer Umgebung separiert sind, welche für viele Moleküle eine
Diffusionsbarriere darstellen,
teils ergeben sie sich mittels molekularer Interaktionen und Strukturen durch "Gerüstmoleküle" (scaffold proteins), z.B. die Abgrenzung von zytoplasmatischen "Calciumwolken", die im Rahmen von Erregungsvorgängen vorübergehend frei- und wirksam werden.
Abbildung: Zusammensetzung von Körperflüssigkeiten im Vergleich
| Zusammensetzung von Körperflüssigkeiten (gerundete Werte) Modifiziert nach Boron / Boulpaep, Concise Medical Physiology. Elsevier 2021 |
||||
| Blutplasma |
proteinfrei |
Interstitium |
Zelle |
|
| Na+ (mM) |
142 |
153 |
145 |
~15 |
| K+ (mM) | 4,4 |
4,7 |
4,5 |
120 |
| Ca++ (mM) | 1,2 (ionisiert) 2,4 (gesamt) |
1,3 (ionisiert) | 1,2 (ionisiert) | 0,0001 (ionisiert) |
| Mg++ (mM) | 0,6 (ionisiert) 0,9 (gesamt) |
0,6 (ionisiert) | 0,55 (ionisiert) | 1 (ionisiert) |
| Cl- (mM) | 102 |
110 |
116 |
20 |
| HCO3- (mM) | 22 (arteriell) 24 (venös) |
24 |
25 |
16 |
| H2PO4- / HPO4-- (mM) | 0,7 (ionisiert) 1,4 (gesamt) |
0,75 (ionisiert) | 0,8 (ionisiert) | 0,7 (frei gelöst) |
| Proteine |
70 g/l 1 mM |
- |
~10 g/l |
~300 g/l |
| Glucose (mM) |
5,5 |
5,9 |
5,9 |
sehr gering |
| pH |
7,4 |
7,4 |
7,4 |
~7,2 |
| Osmolalität (mOsm / kg H2O) |
291 |
290 |
290 |
290 |

Die Bestimmung des Gesamtkörperwassers (TBW, total body water) erfolgt mit Tritiumoxid (T2O, 3H2O,
schwerem Wasser). Dieser Indikator verhält sich wie normales Wasser und
verteilt sich in der gesamten Körperflüssigkeit. Tritium (1 Proton, 2 Neutronen) ist
ein relativ stabiles Isotop des Wasserstoffs; es zerfällt mit einer
Halbwertszeit von ca. 12,3 Jahren zu Helium und emittiert dabei
Elektronen, ist also ein Betastrahler (radiometrische Bestimmung).
Abbildung: Vergleich der wichtigsten Konzentrationswerte in Blutplasma, interstitieller und intrazellulärer Flüssigkeit

Die Bestimmung des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens (ECF, extracellular fluid volume) erfolgt mit einem Indikator, der nicht in andere Kompartimente übertritt, z.B. Inulin.
Inulin kann in Serumproben photometrisch bestimmt werden. Das
Indikatorverdünnungspronzip gilt hier sinngemäß in gleicher Weise.
Rechenbeispiel: Es soll das intrazelluläre Flüssigkeitsvolumen einer Probandin ermittelt werden - aus folgenden Werten:
| Verteilung des Körperwassers (gerundete Werte) Nach Boron / Boulpaep, Concise Medical Physiology. Elsevier 2021 |
||||
| Männer |
Volumen (l) |
Frauen |
Volumen (l) |
|
| Körperwasser (TBW) gesamt |
60% KG |
42 |
50% KG |
35 |
| Intrazelluläre Flüssigkeit |
60% TBW |
25 |
60% TBW | 21 |
| Extrazelluläre Flüssigkeit (ECF) |
40% TBW | 17 |
40% TBW | 14 |
| Interstitielle Flüssigkeit |
75% ECF |
13 |
75% ECF | 10 |
| Blutplasma |
20% ECF | 3 |
20% ECF | 3 |
| Transzelluläre Flüssigkeit |
5% ECF | 1 |
5% ECF | 1 |
| Blutvolumen |
PV/(1-Ht) |
6 |
PV/(1-Ht) | 5 |
Abbildung: Verteilung des Körperwassers bei einer 70kg schweren männlichen Referenzperson
Transzelluläre Flüssigkeiten sind extrazelluläre Flüssigkeiten, die sich in komplett von Epithel umkleideten Räumen (transzellulären Räumen) befinden.
Sie werden von unterschiedlichen Epithelien sezerniert, ihre
Zusammensatzung unterscheidet sich untereinander und auch von der des
Blutplasmas. Ihr Gesamtvolumen im Körper eines erwachsenen Menschen beträgt etwa 1 Liter.
Synovialflüssigkeit in
den Gelenksräumen (einige ml pro größerem Gelenk)
Hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (liquor cerebrospinalis, rund 150 ml, davon ca. 30 ml intraventrikulär)
Intraokuläre Flüssigkeit (0,25 ml Kammerwasser pro Auge)
Pleuraflüssigkeit (10-20 ml, Proteinkonzentraion <15 g/l)
Perikardialflüssigkeit (~20 ml)
Peritonealflüssigkeit (10-20 ml, Ovulationsperiode bis 50 ml)Flüssigkeitskompartimente einer erwachsenen Person (70 kg)![]() Zahlen nach Lin / Smith / Pinnock, Fundamentals of Anaesthesia, 4th ed., Cambridge University Press 2016 |
||
| Flüssigkeit |
% des Körper- gewichts |
Volumen (l) |
| Interstitiell |
15 |
10,5 |
| Blutplasma |
5 |
3,5 |
| Transzellulär |
1 |
0,7 |
| Summe: Extrazellulär (gesamt) |
21 |
14, |
über verfügbares Blutvolumen und Kochsalzaufnahme; über den Hirnstamm
werden Blutgefäße (peripherer Widerstand) und Nieren (Salzausscheidung)
entsprechend gesteuert.
Abbildung:
Regelkreis für Natriumhaushalt und Blutdruckregulation

dieser Substanz bezeichnet. Diese hängt von Fettlöslichkeit,
Größe und Ladung des Moleküls, sowie dem Zustand der
Kapillarwände, des Interstitiums, der Zellmembranen, des Stoffwechsels
und der Ausscheidungswege ab. 

| V = M / c |
Wie viel Plasmaeiweiß befindet sich bei einer Eiweißkonzentration von 70
g/l in der Blutbahn, wenn das Plasmavolumen 3 Liter beträgt? (Antwort: 210 g)
Abbildung: Kompartimente - Zellen, Kapillaren, Interstitium
Transport auf dem Blut- oder Lymphweg
Filtration durch Kapillarwände (druckabhängig)
Diffusion (konzentrationsabhängig; kann durch Permeasen unterstützt sein)
aktivem Transport (gegen ein Konzentrationsgefälle; energieverbrauchend)
Osmose (Wasser durchdringt semipermeable Grenzflächen, seinem Konzentrationsgradienten folgend)
anderen Mechanismen, z.B. Mitwandern gelöster Stoffe (solvent drag, “Lösungsmittel-Sog”)
Kompartimente sind funktionell definierte Verteilungsräume (z.B. Na+-Raum), sie können mit anatomisch definierten Räumen (z.B. Extrazellulärraum) mehr oder weniger exakt korrelieren. Extrazelluläre
Flüssigkeit ist reich an Kochsalz, intrazelluläre an Kalium.
Die extrazelluläre Flüssigkeit ist primärer Verteilungsraum für Substrate, Hormone, Stoffwechselprodukte, Medikamente. Von ~13 l
interstitieller Flüssigkeit sind ~8 l frei (direkt austauschbar), 2 l
im Knochen und 3 l in festem Bindegewebe "geparkt" und nur langsam austauschbar. Transzelluläre Flüssigkeiten befinden sich in epithelial umkleideten
Räumen, wie Liquor, Synovialflüssigkeit, Pleura-, Perikardial-, Peritonealflüssigkeit. Regelmechanismen stabilisieren die Volumina
von Blut (wichtig für Blutdruck, Perfusion u.a.), Liquor und anderen Flüssigkeiten, einschließlich die Aufnahme
(Darm) und Ausscheidung (Nieren) von Wasser und Elektrolyten (Volumenregulation) Kompartimente gibt es auch in der Zelle: Teils decken sie sich mit dem Volumen von Zellorganellen, die durch Membranen umschlossen sind
(z.B. Zellkern, Mitochondrien), sie können sich auch vorübergehend
mittels molekularer Interaktionen und Strukturen ("Gerüstmoleküle")
ergeben, wie bei umschriebenen zytoplasmatischen Calciumwolken Kinetik
betrifft Verteilung, Anreicherung, Umbau und Ausscheidung von Stoffen
im Körper. Sie hängt ab von Fettlöslichkeit, Größe und Ladung, Zustand
der Kapillarwände, des Interstitiums, der Zellmembranen, des
Stoffwechsels und der Ausscheidungswege. Verteilungsvolumina haben
definierte Aufgaben, z.B. ist das Blutvolumen eine basale Zustandsgröße
für die Kreislauffunktion (Vorlast für das Herz). Sie werden mittels Indikatorverdünnungsprinzip
bestimmt (Volumen = Menge / Konzentration). Meist werden nach Injektion
des Indikators mehrfach Blutproben genommen und aus dem Zeitverlauf des
Konzentrationsabfalls der Verteilungsraum extrapoliert (Zeitpunkt der
Injektion): Kleine Moleküle gelangen aus der Blutbahn rasch in das
Interstitium. Große Moleküle verbleiben zunächst im Blutplasma (Albuminverlust durch endotheliale Transzytose
~5%/h) Stoffe
übertreten Kompartimentgrenzen mittels Transport auf dem Blut- oder
Lymphweg, Filtration durch Kapillarwände, Diffusion, aktivem Transport,
Osmose oder andere Mechanismen (solvent drag). In der
Blutbahn verteilen sich infundierte Stoffe innerhalb von Minuten
(Kreislauf als Mischorgan; durchschnittliche Rezirkulationszeit ≤1
Minute) mittels konvektivem Transport. Die Aufnahme in das Interstitium (vorwiegend diffusiv) und von hier in die Zellen dauert Stunden bis Tage |
