Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

    
Physiologie der Nierenfunktion und der ableitenden Harnwege

Nierenmark und Gegenstrommechanismus
© H. Hinghofer-Szalkay

Bartter-Syndrom: Frederic Bartter
Henle-Schleife: Jakob Henle
hyperton: ὑπέρ = über (hinaus), τόνος = (An)spannung
juxtamedullär:
iuxta = benachbart, medulla = Mark
Osmose: ὠσμός = Antrieb, Eindringen, Schub
Tamm-Horsfall-Protein: Zuerst von Igor Tamm und Frank Horsfall dargestellt
Vasopressin: vas = Gefäß, premere = drücken, pressen



Etwa jedes neunte Nephron liegt so nahe am Nierenmark (juxtamedullär), dass die Mittelzone seines Tubulus schleifenförmig (Henle'sche Schleife) in diese "osmotische Sonderzone" eintaucht. Die Osmolalität im tiefen Nierenmark ist um ein Mehrfaches höher (bis 1,5 osmol/l) als im Körper sonst üblich (~0,3 osmol/l).

Der absteigende Schenkel dieser Schleife verhält sich eher passiv; er ist wasser-, nicht aber harnstoffdurchlässig (Wasser tritt osmotisch bedingt aus). Beim (dünnwandigen) Anfangsteil des aufsteigenden Schenkels ist es umgekehrt (harnstoffdurchlässig, wasserundurchlässig; Harnstoff tritt ein). Der dickwandige Endteil des aufsteigenden Schenkels schließlich ist sowohl wasser- als auch harnstoffdicht, und er pumpt - unter ATP-Verbrauch - Kochsalz aus dem Tubulus in das Interstitium des Nierenmarks. Dadurch entsteht dessen hohe osmotische Konzentration, während der Tubulusinhalt schließlich hypoton (bis ~0,1 osmol/l) wird.

Der Zweck dieses Gegenstromaustausch-Mechanismus besteht darin, die Flüssigkeit im absteigenden Schleifenschenkel "vorzukonzentrieren" (Wasser wandert wegen der hohen Osmolarität des Interstitiums aus dem Tubulus). Dann kann der dickwandige Teil des aufsteigenden Schenkels aus einem bereits hypertonen Reservoir schöpfen und die Kochsalzkonzentration im Interstitium weiter steigern, ohne ein hohes Konzentrationsgefälle überwinden zu müssen. Dieser Multiplikationseffekt spart Stoffwechselenergie.

Harnstoff beteiligt sich an diesem osmotischen Konzept, indem seine Konzentration in der inneren Markzone bis auf 0,6 osmol/l ansteigt - bedingt durch seine Rezirkulation im Nierenmark (Transportsysteme in den Sammelrohren, harnstoffundurchlässige absteigende Schenkel) und - energetisch abhängig von der Kochsalzpumpe - im aufsteigenden Schenkel.

Vasopressin fördert einerseits die Rückresorption von Wasser (Aquaporine), andererseits die von Harnstoff (Harnstofftransporter). Dadurch minimiert es den Wasserverlust in der Niere (Vasopressin wirkt als "Wassersparhormon") und fördert den osmotischen Konzentrierungsmechanismus.



Gegenstromaustausch Osmotischer Gradient; Schleifendiuretika Osmotischer Multiplikator Harnstoffmechanismus Energiemetabolismus Druckdiurese

Praktische Aspekte       Core messages
 
Die Nieren müssen in der Lage sein, die osmotische Konzentration des Harns an die jeweilige Situation anzupassen: Vermehrt Wasser aus dem Körper zu entfernen, wenn dieser zu viel davon abbekommen hat (übertriebenes Trinken, Infusionen) einerseits, Wasser zu sparen, wenn zu wenig davon vorhanden ist, andererseits. Die Osmolalität kann im ersten Fall bis auf 40 mosmol/l sinken, im zweiten bis auf 1200 mosmol/l steigen (Blut und interstitielle Flüssigkeit - und "isotone" Flüssigkeiten - haben ungefähr 290 mosmol/l (0,29 osmol/l).
 
Das Nierenmark baut einen hohen osmotischen Gradienten auf
 
Die Nieren sind in der Lage, die Konzentration gelöster Stoffe (=Osmolarität ) in Teilen ihres Gewebes und in Harn - verglichen zu anderen Körperflüssigkeiten - bis auf ein Siebentel zu senken (→ Wasserausscheidung) oder bis zum Vierfachen zu steigern (→ Ausscheidung konzentrierten Harns). Die Fähigkeit zu diesem Grad an Verdünnung oder Konzentrierung ermöglicht die rasche Anpassung an wechselnde Salz-Wasser-Bilanzen (Trinken vs. Durst, unterschiedliche Salzzufuhr) und basiert im Wesentlichen auf der Struktur des Nierenmarks, in dem der Inhalt der Tubuli teils aktiv (Ionenpumpen), teils passiv (osmotisch) aufbereitet wird.


Abbildung: Juxtamedulläres Nephron
Nach einer Vorlage bei The McGraw-Hill Companies, Inc.

Juxtamedulläre Nephronen liegen in der Tiefe der Nierenrinde. Sie grenzen an das Mark, in das sie tiefreichende Tubulusschlingen - Henle'sche Schleifen - entsenden


Die meisten Nephrone sind (samt ihrem Tubulus) in der Rinde der Niere untergebracht, die plasmaisoton ist und an der Osmoregulation nicht direkt teilnimmt (kortikale Nephrone). Diese tragen die Hauptlast exkretorischer und regulatorischer Funktionen. Ihre Henle-Schleifen sind kurz.

Nur ~12% sind juxtamedulläre Nephrone , ihre Glomeruli liegen nahe dem Mark, in das ihre vergleichsweise langen Tubuli tief eintauchen. Sie ziehen durch die stark hypertonen Zonen des tieferen Nierenmarks, was für Wasserresorption und Osmoregulation bedeutsam ist: Die Henle-Schleifen der juxtamedullären Nephrone ermöglichen einen Gegenstrom- Austauschmechanismus (countercurrent exchange). Dieser baut in energiesparender Weise Zonen hoher Osmolarität im Nierenmark auf.

Die tiefen Regionen des Marks - die Zonen um die Papillenspitzen - empfangen nur ~1% der renalen Durchblutung (das hilft bei der Erhaltung der hohen Osmolalität) und haben einen sehr niedrigen Sauerstoffpartialdruck (um 10 mmHg) - sie sind auf anaeroben Stoffwechsel eingestellt.

Die dünnwandigen Schleifen haben nur flache, keine zylindrige tubuläre Zellen, was als Ausdruck des niedrigen Sauerstoffpartialdrucks in der Zone der Papillenspitze zu deuten ist - hier sind keine energieintensiven Transportprozesse mehr möglich.

  Der "horizontale" Osmolaritätsunterschied, den die tubulären Salzpumpen der dickwandigen Schleifenzellen überwinden müssen, ist gering, gleichzeitig werden aber "stockwerkartig" vertikale Osmolaritätszonen im Nierenmark aufgebaut:

     Der absteigende Teil der Henle-Schleife ist für Wasser durchgängig - nicht für Harnstoff (urea); die Tubulusflüssigkeit wird durch die zunehmende Osmolarität im Mark hyperton. Die Wasserdurchlässigkeit erklärt sich durch das Fehlen von tight junctions ("loose junctions"), so kann Wasser parazellulär in das Interstitium eindringen.
 
Der absteigende Schenkel der Henle-Schleife ist für Wasser sehr gut permeabel
 
Die Tubuluszellen enthalten
 
    in der luminalen (apikalen) Membran einen Na+-H+-Austauscher
 
    in der basolateralen Membran Na+-K+-ATPase, K+/Cl--Cotransporter und eine Chlorid-Permease ("Chloridkanal").

Zur apikalen / basolateralen Membran vgl. dort
 
     Der dünnwandige aufsteigende Teil der Henle-Schleife ist umgekehrt wasserundurchlässig, lässt aber Harnstoff passieren (Abbildungen). Diese Partien der Schleife liegen in Zonen niedrigen pO2 (s. oben). Die fehlende Durchlässigkeit für Wasser erklärt sich einerseits durch die Abwesenheit von Aquaporinen in der Membran der Epithelzellen, andererseits stark ausgebildete tight junctions - sowohl der transzelluläre als auch der parazelluläre Weg ist für Wasser versperrt.
  
Der (wasserundurchlässige) dünne Teil der aufsteigenden Henle-Schleife nimmt aus dem Interstitium große Mengen Harnstoff auf
  
Osmotischer Gradient; Schleifendiuretika
 
Im dickwandigen aufsteigenden Teil der Schleife können weder Wasser noch Harnstoff durchtreten, aber er transportiert aktiv Salze, und zwar bei immer noch relativ niedrigem pO2.
 
Das erklärt, warum diese Tubulusabschnitte bei renaler Unterdurchblutung besonders leiden (akute Tubulusnekrose).

 
Der dicke aufsteigende Teil der Henle-Schleife ist für Wasser undurchlässig
 
        s. auch  dort


Abbildung: Resorption im dicken aufsteigenden Schenkel der Henle-Schleife
Nach einer Vorlage in Danzinger / Zeidel / Parker: Renal Physiology - A Clinical Approach. Wolters Kluwer / Lippincott Williams & Wilkins 2012

Basolaterale Membran links, apikale rechts.
 
1: Das glomeruläre Filtrat ist reich an Kochsalz (und enthält relativ wenig Kalium)
 
2: Die Na/K-ATPase erzeugt einen einwärtsgerichteten Natriumgradienten und ist elektrogen
 
3: Der basale Kationentransport wird apikal über den Na+/K+/2Cl--Cotransporter angetrieben; dieser arbeitet elektroneutral. Dazu kommt ein Na/H-Austauscher, der Wasserstoffionen in das Lumen transportiert
 
4: Kalium gelangt durch Kaliumkanäle (ROMK: Renal Outer Medullary Potassium (K) channel) in das Lumen
 
5: Der Kalium-Rückfluss in das Lumen baut ein lumen-positives Potential auf, dieses treibt die Resorption von Calcium und Magnesium (parazellulär, gelber Pfeil) sowie Kalium an
 
6: Chlorid verlässt die Zelle basolateral via Chloridkanäle. Zusätzlich existiert ein K/Cl-Kotransport aus der Zelle in das Interstitium (nicht gezeigt)


Der Stoffaustausch erfolgt über apikale (luminale), basolaterale (blutseitige) Membran sowie parazellulär:

   Über die apikale Membran
 
     werden 20-30% der filtrierten Kochsalzmenge elektroneutral mittels Na+/K+/2Cl--Cotransport in der luminalen Membran resorbiert ( Abbildung). Dieser Carrier funktioniert über den in die Zelle gerichteten Natrium-Konzentrationsgradienten (angetrieben durch die Na/K-ATPase in der basolateralen Membran); Kalium und Chlorid werden sekundär-aktiv "mitgeschleppt". Vasopressin regt die Expression dieses Transporters an - dadurch wird der Aufbau des osmotischen Gradienten gefördert, der für die Rückresorption von Wasser essentiell ist (Vasopressin: "Wassersparhormon").

Limitierend für die Aktivität des Na/K/2Cl-Cotransporters ist die luminale Verfügbarkeit von Chloridionen; der Cotransport funktioniert hingegen auch noch bei sehr niedrigen Natrium- und Kaliumkonzentrationen im Tubuluslumen.
 
Der Na/K/2Cl-Symporter im aufsteigenden Schenkel der Henle-Schleife (apikale Membran) nutzt den Na+-Gradienten zur Resorption von K+ und Cl-, die intrazelluläre Osmolarität steigt an
 
In der basolateralen Membran wird Na
+ aus der Zelle gepumpt (Na/K-ATPase), K+ verlässt die Zelle über Kaliumkanäle. Cl- wird im Austausch gegen HCO3- aufgenommen
 
Die basolaterale Membran enthält einen Calciumsensor, dessen Aktivierung durch hohes extrazelluläres [Ca++] den Na/K/2Cl-Cotransporter hemmt. Das lumen-positive Potential und der parazelluläre Ca++-Transport Richtung Interstitium - also die Ca++-Resorption - nimmt dadurch ab.
 
Magnesium wird zu 40-70% parazellulär aufgenommen, angetrieben durch das lumen-positive Potential (das infolge Kaliumrückstroms in das Lumen auftritt). Die basolaterale Na-K-ATPase erzeugt einen Natriumgradienten zur Blutseite. Der Calciumsensor kann auch den Magnesiumtransport reduzieren.

  Schleifendiuretika. Der Na+/K+/2Cl--Cotransport ist der Motor der renalen Konzentrierungsleistung und des osmotischen Gradienten im Nierenmark. Blockade dieses Systems - durch "Schleifendiuretika" wie Furosemid - verhindert die Wiederaufnahme von Natrium, Kalium und Chlorid und damit die Harnkonzentration im Mark - die Konzentrierungsfähigkeit der Niere sinkt. Dadurch werden diese Elektrolyte vermehrt ausgeschieden und das extrazelluläre Flüssigkeitsvolumen nimmt ab (was z.B. für das Ausschwemmen von Ödemen der gewünschte therapeutische Effekt sein kann).

Gleichzeitig nimmt die
Ca++-Resorption ab ( Abbildung oben), deshalb können Schleifendiuretika zur Behalndlung von Hypercalcämie eingesetzt werden.

Der konzentrierungshemmende Effekt der Schleifendiuretika senkt die Osmolarität im Nierenmark. Damit sinkt nicht nur die Rückresorption von Wasser in das Interstitium (und steigt die Menge in den Sammelrohren), sondern auch die von Kalium (mit der Folge einer Hypokaliämie). Wegen des reduzierten luminalen Plus-Potentials (das Kationen Richtung Interstitium treibt) nimmt auch die parazelluläre Rückresorption von Calcium und Magnesium ab (
Abbildung) - deren fraktionelle Ausscheidung steigt an.
  
Blockade des Na+/K+/2Cl--Cotransporters steigert die Magnesiumausscheidung
  
     In die Zelle gelangtes Kalium wird über eine (funktionell gekoppelte) K-Permease (ROMK: Renal Outer Medullary Potassium (K) channel) in den Tubulus zurückbefördert und steht für weiteren Cotransport zur Verfügung ("Kalium-Recycling"). Durch diesen Mechanismus wird das Lumen im aufsteigenden Schenkel positiv geladen (5-10 mV gegen das Interstitium). Da sich nur wenig Kalium im glomerulären Filtrat befindet, ist das Kalium-Recycling für die Aufrechterhaltung des Na/K/2Cl-Cotransports notwendig.
 
     Außerdem können Protonen mittels Na+/H+-Austauscher (NHE3, E für exchanger) gegen Natriumionen ausgewechselt werden.

 
   ÜberÜber die basolaterale Membran

     wird (mittels Na/K-ATPase) Natrium in Richtung Blut und Kalium in die Zelle gebracht, sowie

     Cl- über eine Chlorid-Permease Richtung Blut transportiert.

     Zusätzlich stehen eine Kaliumpermease (K+-Ausstrom aus der Zelle) sowie ein Cl-/HCO3--Austauscher zur Verfügung (Bicarbonat in das Interstitium, Chlorid in die Zelle).
  

Aktiver Elektrolyttransport im dicken aufsteigenden Teil der Henle-Schleife baut eine hohe interstitielle Osmolarität im Nierenmark auf
 
   Parazellulär: Das Lumen ist positiv aufgeladen (+3 bis maximal +15 mV). Das unterstützt die parazelluläre Auswärtsbewegung von Natrium- (~25%, konzentrationsabhängig), Calcium- (25% des insgesamt resorbierten Ca++) und Magnesiumionen (~70% des insgesamt resorbierten Mg++ - Abbildung oben, vgl. dort). Dabei wird die Durchlässigkeit der Schlussleisten (tight junctions) für Magnesium durch Paracellin-1 (ein Claudin) gewährleistet (Mutationen dieses Proteins führen zu Hypomagnesiämie, weil weniger Magnesium aus dem Tubulus rückresorbiert wird).

Das lumenpositive Potential - an dessen Entstehung der
Na/K/2Cl-Cotransporter, der basolaterale Chloridkanal, das Kalium-Recycling und die Na/K-ATPase beteiligt sind - ist für die parazelluläre Ca++- und Mg++- Resorption notwendig.
 

Der Hauptanteil des glomerulär filtrierten Magnesiums wird im dicken aufsteigenden Schenkel der Henle-Schleife parazellulär resorbiert
 
     Die Henle-Schleifen der juxtamedullären (tief ins Mark eintauchenden) Nephrone bilden ein spezielles Protein (Uromodulin, Tamm-Horsfall-Protein ), das für diese Nephrone spezifisch und im Harn nachweisbar ist (mit ~50 mg/d das am stärksten renal ausgeschiedene Eiweiß). Vermutlich hat es eine protektive Wirkung gegenüber Ca++-Harnsteinbildung (zusammen mit den Kristallisationsinhibitoren Uropontin und Nephrocalcin) und bakteriellen Infektionsvorgängen.
  
Zu den Kalium-Austauschmengen in den Nierenabschnitten s. dort
 
Osmotischer Multiplikator
 
Die Aufnahme von Kochsalz aus der Tubulusflüssigkeit wird vor allem durch die Na-K-Pumpe in den basolateralen Membranen angetrieben. Dabei entsteht ein (transversaler) osmotischer Gradient; zahlreiche Mitochondrien und basolaterale Membrantaschen spiegeln die aktive Transportfunktion der Tubuluszellen wider.

 
Abbildung: Gegenstrom- Multiplikationsprinzip
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Oben: Antidiurese, unten: Wasserdiurese. Bedingt durch die Rückresorption von Flüssigkeit aus dem Sammelrohrsystem (H2O) fließt über die vasa recta mehr Blut ab als in die Markzone einfließt.
 
Werte für die Osmolarität (grüne Felder rechts, Werte in mosmol/l) beispielhaft. Rote Pfeile: Aktiver Transport (Na/Cl-Symporter im aufsteigenden Schenkel der Henle-Schleife). Blaue und grüne Pfeile: Passsiver Transport von Wasser bzw. gelösten Stoffen.

     Der absteigende Schenkel der Henle-Schleife ist für Wasser durchlässig,
 
 
  die Schleife selbst sowohl für Wasser als auch für Harnstoff,
 
    der dickwandige aufsteigende Schenkel weder für Wasser noch für Harnstoff (hier erfolgt die Verdünnung des Tubulusinhalts auf ~120 mM).
 
Muss Wasser gespart werden (Antidiurese), kann der Harn bis 4-fach hyperton werden (hier 1200
mosmol/l); leistet die Niere Verdünnungsarbeit (Wasserdiurese), ist der Endharn hypoton (hier 60 mosmol/l, etwa 1/5 der Plasma-Osmolarität)

AQP, Aquaporin
NKCC2, Na/K/Cl-Cotransporter UT, Harnstofftransporter

     Die Kochsalzkonzentration sinkt schließlich unter diejenige im Blutplasma (bis auf ~50-100 mosmol/l) - die tubuläre Flüssigkeit, die in den distalen Tubulus der Rinde gelangt, ist also hypoton.

Der dicke aufsteigende Teil der Henle'schen Schleife und der frühdistale Tubulus
werden als Verdünnungssegment bezeichnet (beide sind wasserundurchlässig; der frühdistale Tubulus verfügt über einen Na+-Cl--Symporter).

  Durch die Strömung der Tubulusflüssigkeit ergibt sich im Mark ein vertikaler Osmolaritätsgradient, der Inhalt langer Henle-Schleifen kann so 5-fach hyperton werden (d.h. bis zu maximal ~1500 mosmol/l). Kochsalz- und Harnstoffkonzentration und damit Osmolarität nehmen mit dem Abstand zur Rinden-Mark-Grenze zu. (Wüstentiere mit besonders "schlanken" Markpyramiden können im Mark Hypertonie bis zu 5000 mosmol/l - etwa das 17-fache der Osmolarität des Blutes - und einen entsprechend konzentrierten Harn aufbauen, und dadurch extrem wassersparend bilanzieren.)
 
Der Harn kann bei maximaler Konzentrierung 4-5fach hyperton werden (1200-1500 mosmol/l)
 
Die Sammelrohre der Niere passieren auf ihrem Weg zum Nierenbecken das hypertone Mark. Aus der Rinde (≤ 290 mosmol/l) kommend, strömt Harn durch diese hypertone Zone, und Wasser kann je nach Durchlässigkeit der Sammelrohrwand (Vasopressin, Aquaporine!) osmotisch (=ohne zusätzlichen Stoffwechselaufwand) zurückgewonnen werden.
 
Gesteigerte Wasserdurchlässigkeit der Sammelrohre konzentriert den Harn
 
Das Sammelrohr ist durchlässig für NaCl (~3% des filtrierten Natriums wird aus dem medullären Sammelrohrsystem resorbiert) und bei Vasopressinwirkung für Wasser und Harnstoff.
 
Blutgefäße im Nierenmark: Während vasa recta, die nahe der Nierenoberfläche liegen, im Rindenbereich verbleiben (~90% der renalen Durchblutung), ziehen vasa recta juxtamedullärer Tubuli - deren Glomeruli in der Nähe des Nierenmarks liegen - parallel zum Tubulus Richtung Nierenbecken und tauchen in die Markzone ein ( Abbildung oben); nur etwa 2% der Perfusion erreichen die tiefsten Markgebiete (die auch die höchste Osmolarität aufweisen).

Dieser relativ niedrige Perfusionswert hilft, ein "osmotisches Auswaschen" des Nierenmarks zu minimieren, beträgt aber immer noch ~30 ml/min (oder 40-50 l/d) - ohne einen zusätzlichen "Verdünnungsschutz" könnte die hohe osmotische Konzentration des inneren Marks (1200 mosmol/l und mehr) nicht aufrechterhalten werden. Wie wird dieses Problem gelöst?

Auch in den Blutgefäßen des Nierenmarks wirkt ein Gegenstrom-Austauschmechanismus: Die Endothelien sind frei für Wasser und Natrium permeabel, und der Gefäßinhalt stellt sich automatisch auf die im Interstitium herrschenden Konzentrationswerte ein. Das abwärts strömende Blut wird osmotisch eingedickt (Wasser wandert durch die Gefäßwand in das Interstitium), während das rindenwärts zurückfließende Blut umgekehrt wieder die "normale" Osmolarität zurückerhält (Wasser wandert in das Blut zurück). So bleibt ein osmotischer Auswascheffekt aus, der die Konzentrationsfähigkeit der Niere beeinträchtigen würde.
 
Die Rolle des Harnstoffs
 
Die Tubulusflüssigkeit unterliegt einem "osmotischen Slalom": Im proximalen Tubulus isoton, wird sie in der Henle-Schleife zuerst konzentriert (Wasserverlust), anschließend verdünnt (Entfernung von Kochsalz) und im weiteren distalen Nephronverlauf weiter verdünnt, wieder isoton, oder weiter konzentriert ( Abbildung). Harnstoff spielt dabei eine wichtige unterstützende Rolle.
 

Abbildung: Relative Osmolalität (Plasma: ~290 mosmol/l) der Tubulusflüssigkeit entlang eines Nephrons
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Auf der  y-Achse ist die relative Osmolalität (Tubulusflüssigkeit / Blutplasma) entlang eines Nephrons angegeben - für zwei Beispiele: Antidiurese und Wasserdiurese. In beiden Fällen wird die Tubulusflüssigkeit am Ende der Henle-Schleife (diluting segment, Beginn des distalen Tubulus) - nach unterschiedlich starker Konzentrierung entlang der Schleife - hypoton.
 
Im ersten Beispiel (Antidiurese - rote Kurve) wird die Tubulusflüssigkeit anschließend im distalen Tubulus wieder isoton, bleibt es im kortikalen Sammelrohr und wird im medullären Sammelrohr - durch Vasopressinwirkung - 3-fach hyperton (etwa wie Morgenharn:
800-900 mosmol/l).
 
Im zweiten Beispiel (hohe Wasseraufnahme, positive Wasserclearance - blaue Kurve) nimmt die Osmolalität entlang des peripheren Nephrons immer weiter ab; der Harn ist schließlich stark hypoton.


Unter Bedingungen ungenügender Wasserzufuhr (Hydropenie) erhöht Vasopressin die Wasserdurchlässigkeit der Sammelrohre. Damit kann viel Wasser aus dem medullären Sammelrohr rückresorbiert werden - das Interstitium ist in dieser Situation stark hyperton (bis 1200 mosmol/l). Daran beteiligt sich neben Kochsalz auch Harnstoff:

Harnstoff-Recycling
: Im inneren Mark liegt eine hohe Harnstoffkonzentration vor (bis ~600 mosmol/l), dies trägt etwa zur Hälfte zum osmotischen Konzentrierungsmechanismus der Niere bei (Konzentration im unteren Markbereich ~1200 mosmol/l).

Bedingt durch die hohe Konzentration im inneren Mark, diffundiert Harnstoff zu ≥50% der glomerulär filtrierten Menge in den
dünnen Schenkel des aufsteigenden Teils der Henle-Schleife (juxtamedullärer Nephrone).

Die folgende Abbildung verdeutlicht den Mechanismus der Harnstoffrückgewinnung im Nierenmark, welche die vasa recta mit einbezieht:
 

Abbildung: Recycling des Harnstoffs im Nierenmark
Nach einer Vorlage in Danzinger / Zeidel / Parker: Renal Physiology - A Clinical Approach. Wolters Kluwer / Lippincott Williams & Wilkins 2012

1: Durch den osmotisch bedingten Ausstrom von Wasser (via Aquaporine) steigt die Konzentration von Harnstoff, der das obere Sammelrohr nicht verlassen kann
 
2: Das untere Sammelrohr enthält Harnstofftransporter. Durch diese diffundiert Harnstoff - seinem Konzentrationsgradienten folgend - in das Interstitium und hilft dessen hohe Osmolarität (~1200 mosmol/l) aufzubauen
 
3: Harnstoff diffundiert in die absteigenden Schenkel der vasa recta und strömt zum aufsteigenden Schenkel weiter
 
4: Der größte Teil dieser Menge rezirkuliert in absteigende vasa recta zurück (Rezirkulation)
 
5: Aus weiter oben liegenden Teilen der vasa recta diffundiert Harnstoff in absteigende Schenkel der Henle-Schleife (diese verfügen über Harnstofftransporter). Von dort gelangt er via distalen Tubulus zum Sammelrohrsystem zurück


Da Harnstoff ein Produkt des Eiweißabbaus ist, nimmt das Angebot an die Niere mit der Proteinaufnahme zu - eiweißreiche Kost erhöht damit auch das Konzentriervermögen der Niere.

Die Permeabilitätsverteilung entlang der Tubuli ( s. dort) - kombiniert mit dem Harnstoffrecycling - ergibt einen steilen Anstieg der interstitiellen Harnstoffkonzentration in Richtung Papillenspitze, bei etwa gleichbleibender Kochsalzkonzentration (
Abbildung); demgemäß hängt die Beteiligung des Harnstoffs an der interstitiellen Osmolalität von der Position im Nierenmark ab, sie steigt mit der Nähe zu Papillenspitze bzw. Nierenbecken.
 

Abbildung: Konzentrationsprofile von Kochsalz und Harnstoff
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Die Konzentrationswerte sind im äußeren Kortex (links) am niedrigsten (zum Vergleich: Im Blutplasma Na+ ~140 mM, Cl- ~100 mM, urea ~5 mM) und nehmen im Nierenmark (rechts) zu.
 
Die Kochsalzkonzentration steigt in diesem Beispiel (Hydropenie, also Antidiurese) etwa auf das Dreifache und ändert sich mit weiterer Entfernung von der Rinde (Abszisse: Distanz) nur geringfügig, während die Harnstoffkonzentration papillenwärts immer mehr ansteigt (hier bis über
600 mM)


Im dickwandigen Teil des aufsteigenden Schenkels der Henle-Schleife ist die Harnstoffkonzentration um ein Mehrfaches höher als im Plasma (Harnstoff ist im Tubulus verblieben, während Wasser resorbiert wurde), und dies gilt auch für die inneren Marksegmente der Sammelrohre. Hier erhöht Aquaporin nicht nur die Durchlässigkeit für Wasser, sondern auch für Harnstoff. Dazu kommen Harnstofftransporter (apikal UT-1, basolateral UT-3).

So reichert sich der Harnstoff im Interstitium des inneren Nierenmarks an und trägt in den innersten (papillennahen) Zonen etwa zur Hälfte zur hier herrschenden Osmolalität bei. Dazu kommt noch ein apikaler Cotransport mit Natrium.

Der Harnstoffgradient innerhalb des Nierenmarks erklärt auch, dass die interstitielle Konzentration höher ist als im Lumen der Henle-Schleife juxtamedullärer Nephrone (die ja tief in die Markzone eintauchen). Der Gradient erlaubt die Wanderung von Harnstoff in die Tubuli dieser Nephrone - im absteigenden Schenkel via UT-A2, im dünnen aufsteigenden über einen noch unbekannten Mechanismus.
 

Abbildung: Harnstoff-Recycling in der Niere unter Antidiuresebedingungen
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

In diesem Beispiel scheidet die Niere ~15% der filtrierten Harnstoffmenge aus, ~5% werden über die vasa recta entfernt (und gelangen zurück zu oberflächlichen Neuronen oder in den Kreislauf).
 
Die Hälfte der Harnstoffmenge, die glomerulär filtriert wird, gelangt in diesem Beispiel zur Sekretion (rosa Box). Ergebnis ist eine hohe Harnstoffkonzentration im Nierenmark bei geringer Rückgewinnung in den Kreislauf


Die
Abbildung zeigt die Situation im Status einer Antidiurese, d.h. wenn der Harn auf hohe Osmolalität konzentriert wird (negative Wasserclearance).

Unter Bedingungen der Wasserdiurese kehrt sich das Vorzeichen um, die Sammelrohre werden für Wasser weitgehend undurchlässig (fehlender Vasopressineffekt), Wasser wird kaum resorbiert und gelangt - bei niedriger Osmolalität - in den Harn (positive Wasserclearance). Auch wird bei Wasserdiurese
vermehrt Harnstoff ausgeschieden, die interstitielle Harnstoffkonzentration ist niedriger als bei Antidiurese.
 
Bei den medullären Teilen der Sammelrohre wirken also folgende Eigenschaften zusammen:
Ohne Vasopressinwirkung sind sie ziemlich undurchlässig für Wasser, Kochsalz und Harnstoff
Vasopressin steigert die Permeabilität für Wasser entlang der gesamten Strecke
Vasopressin steigert auch die Permeabilität für Harnstoff, aber nur im inneren Mark, also im terminalen Abschnitt der Sammelrohre, bevor diese in einen Nierenkelch bzw. das Nierenbecken münden.

Die hohe interstitielle Kochsalzkonzentration begünstigt die Resorption von Wasser aus dem Sammelrohr; beim Harnstoff ist es genau umgekehrt: Eine hohe Konzentration im Lumen begünstigt (ebenfalls aus osmotischen Gründen) die Bewegung von Wasser in das (nicht aus dem) Sammelrohr. Der hohe Kochsalzgradient hat aber in einer Situation, in der Wasser gespart werden muss, den stärkeren Effekt, und Wasser wird Richtung Blut resorbiert
(<Abbildung).
 

Abbildung: Osmotische Wirkungen von Kochsalz und Harnstoff während Antidiurese
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Die Zahlen geben die Osmolalität des Interstitiums an. In Antidiurese muss mit Wasser sparsam umgegangen werden: Der osmotische Effekt des Kochsalzes überwiegt in dieser Situation denjenigen des Harnstoffs, und Wasser wird (aus dem Sammelrohrsystem und Richtung Blut) resorbiert (das "Wassersparhormon" Vasopressin macht die Sammelrohrwand permeabel), der ausgeschiedene Harn ist hyperton, der Wasserverlust ist gering (negative Wasserclearance).
 
Im Falle von Wasserdiurese wandert das Wasser durch das Sammelrohr und wird in hypotonem Harn ausgeschieden (positive Wasserclearance)


Kochsalz wirkt voll osmotisch (Reflexionskoeffizient 1,0), der Reflexionskoeffizient für Harnmstoff ist geringer (0,74), was die Tendenz zur harnstoffbedingten Aufnahme von Wasser in das Sammelrohr (und damit Wasserverlust mit dem Harn) verringert ( Abbildung). Außerdem erhöht Vasopressin (hoher Blutspiegel bei Antidiurese) die Harnstoffpermeabilität der Sammelrohre, dadurch wird der osmotische Hemmeffekt des Harnstoffs auf die Rückgewinnung von Wasser weiter reduziert.

    Harnstoff  (Plasma / Serum)
3-8 mM (20-50 mg/dl)
Kinder: Von 2-4 mM in den ersten Lebensjahren ansteigend bis zum 10. LJ (Erwachsenenwerte)
Frauen über 50 a: 3,5-7,2 mM
Männer über 50 a: 3,0-9,2 mM
 
Biologische Halbwertszeit im Blutkreislauf 2-3 Minuten

Ausscheidung mit dem Harn: 18-33 g/24 h

   zur Harnstoffausscheidung s. auch dort
 
   zur Ausscheidung saurer Valenzen und Ammonium s. dort
  
Insgesamt: Während Kochsalz zum Großteil aus dem Interstitium zurückgewonnen werden muss (dicker aufsteigender Schenkel der Henle-Schleife), ist Harnstoff ein Ausscheidungsprodukt, das im Nierenmark als osmotischer Verstärkungsfaktor genutzt wird und zwischen Tubulussystem und Intertstitium zirkuliert.
 
Renale Energiebilanz
 

Woher bezieht dieser "Harnstoff-Motor" seine Energie? Er wird letztlich durch die Kochsalz-Pumpe des dicken Teils des aufsteigenden Henle-Schleifen-Schenkels angetrieben - dieser führt zu osmotischen Effekten (abhängig von Vasopressin, das die Rückresorption von Wasser steuert), von denen die Harnstoffanreicherung abhängt (Resorption von Wasser aus Tubulus / Sammelrohr erhöht hier die Konzentration gelöster Stoffe).

Im medullären Sammelrohr erhöht Vasopressin auch die Permeabilität für Harnstoff, sodass dieser ins Mark übertreten kann. Letztlich erfolgt das 'Pooling' von Harnstoff im Nierenmark mit vergleichsweise geringer Stoffwechselenergie.


Das Nierenmark ist gering durchblutet (90% der renalen Perfusion gehen an die Rinde); nur 1-2% erreichen papillennahe Gebiete des Marks (hoher Widerstand der langen vasa recta).

Atemgase und Energiestoffwechsel
: Auch der Sauerstoff- und CO2-Partialdruck im Nierengewebe zeigt starke regionale Unterschiede, was durch Gegenstromaustausch der Atemgase erklärbar ist. In der (stark durchbluteten) Rinde findet sich ein beinahe arterieller pO2-Wert (um 80 mmHg), im (gering durchbluteten) Mark nimmt er bis auf ~10 mmHg pO2 ab (Papillenregion). Umgekehrt verhält es sich mit dem pCO2, der in tiefen Markzonen besonders hoch ist. Dementsprechend läuft der Energiestoffwechsel in der Rinde aerob, im Mark weitgehend anaerob ab (das Nierenmark ist für seinen Energiestoffwechsel - wie Gehirn, Eryrthrozyten und Fibroblasten - auf Glucose angewiesen).
 
Die Niere hat eine besonders hohe spezifische Durchblutung
   
Dadurch, und durch die U-förmige Anordnung der Kapillaren (Gegenstromaustausch wie im Tubulussystem), wird der "Auswascheffekt" der Perfusion des hypertonen Nierenmarks gering gehalten. Andererseits transportieren die vasa recta Harnstoff und Salze in der notwendigen Menge ab (Vermeidung eines Überschreitens des Löslichkeitsprodukts).

     Die maximale Harnstoffkonzentration im Harn entspricht ~600 mosmol/l. Bei Antidiurese kann eine Harn-Osmolarität von 1200 mosmol/l (oder etwas mehr) erreicht werden. Das bedeutet, dass alle anderen im Harn gelösten Stoffe (vor allem Salze) einen Anteil von nicht viel mehr als ~600 mosmol/l bestreiten können, dann ist das Konzentrationsvermögen der Niere ausgeschöpft. (Meerwasser hat eine Salzkonzentration von ~1200 mosmol/l, nimmt man es zu sich, kommt es unweigerlich zu Salzanreicherung und hypertoner Dehydrierung).
 
   Man könnte z.B. fragen, wieviel Harn für die Ausscheidung von 600 mosmol im Harn gelöster (osmotisch wirksamer) Bestandteile mindestens notwendig ist. Da die maximale Konzentrierfähigkeit der gesunden menschlichen Niere einen Harn mit 1200 mosmol/l produzieren kann, wären das 600 / 1200 (0,5) Liter.
 
Erhöhter Blutdruck fördert die Harnausscheidung (Druckdiurese)
  

Druckdiurese / Drucknatriurese bedeutet eine erhöhte Ausscheidung von Salz und Wasser als Folge erhöhten Drucks in der Nierenarterie. Die glomeruläre Filtration ist sehr gut autoreguliert und daher weitgehend unabhängig von Druckänderungen. Auch die Durchblutung des Nierenmarks unterliegt einer Autoregulation, allerdings einer weniger präzisen:

Vermutlich nimmt der Druck in den Kapillaren des Nierenmarks mit arterieller Drucksteigerung zu, Flüssigkeit wird filtriert, der interstitielle Druck nimmt zu, die Rückresorption wird erschwert, und es wird mehr Salz und Wasser ausgeschieden.

Blutdruckanstieg reduziert außerdem die osmotischen Gradienten ("Auswaschen" des Marks), der osmotische Rückresorptionsmechanismus ist dadurch geschwächt, es wird weniger Wasser zurückgewonnen, die Diurese nimmt zu.

Zusätzlich zu diesen physikalischen Mechanismen kommen hormonelle Regelungen: Kreislaufreflexe steuern die Sekretion nierenwirksamer Hormonsysteme, und diese fördern ebenfalls die Ausscheidung von Kochsalz, wenn die Systemdruckwerte ansteigen (weniger Angiotensin und Aldosteron, evt. vermehrt natriuretische Peptide).




   Schleifendiuretika (loop diuretics) - Furosemid, Bumetanid, Torasemid - fördern die Wasserausscheidung, indem sie die Wirkung des Na+/K+/2Cl-- Cotransportsystems hemmen. Sie können die Natriumausscheidung bis auf 25% der filtrierten Kochsalzmenge steigern (d.h. um etwa eine Zehnerpotenz). Gleichzeitig verringern sie die Aufladung des Tubuluslumens (ROMK, s. oben) und damit auch die Resorption von Kationen (Calcium, Magnesium - Schleifendiuretika können gegen Hypercalcämie angewendet werden). 

Der Verlust von Kalium, der bei der Anwendung von Schleifendiuretika unvermeidlich ist, kann durch Nutzung kaliumsparender Diuretika (wie Amilorid) vermieden werden. Diese erniedrigen die Öffnungswahrscheinlichkeit der ENaC-Natriumpermeasen an der luminalen Membran spätdistaler Tubulusepithelzellen - es tritt weniger Natrium in die Zelle ein (geringerer elektrogener Natrium-Influx, das Membranpotential der apikalen Membran nimmt zu), und es wird mehr Natrium ausgeschieden. Gleichzeitig nimmt die positive Ladung der peritubulären (interstitiellen) Seite des Tubulus ab, und es wandert weniger Kalium aus der Zelle in das Interstitium (kaliumsparender Effekt).
 
ENaC-Natriumkanäle in spätdistalen Tubuli werden durch kaliumsparende Diuretika gehemmt
 
Das Bartter-Syndrom ist eine seltene genetische Erkrankung aufgrund eines Defekts im dicken aufsteigenden Schenkel der Henle-Schleife. Diese Krankheit bedingt Verlust an Natrium-, Kalium- und Chloridionen und führt zu Hypokaliämie, Alkalose und eventuell erniedrigtem Blutdruck.
 
Je nach den betroffenen Ionenkanälen
treten entsprechende Typen der Erkrankung auf:
 
Typ 1: Der Na/K/2Cl-Symporter ist betroffen.
 
Typ 2: Der mit NKCC2 gekoppelte Kaliumkanal (ROMK) der apikalen Membran der Tubulusepithelzellen ist defekt, das Kalium-"Recycling" in den Tubulus funktioniert nicht mehr, Kalium geht verloren, und es ist auch die Natrium-Rückresorption behindert.
 
Bartter-Syndrom Typ 2 beruht auf einem Defekt der apikalen K+-Kanäle im dicken aufsteigenden Schenkel der Henle-Schleife und führt zu verringerter Na+-Rückresorption
   
Typ 3: Chloridkanäle sind betroffen.
 
Typ 4: Der tubuläre Salzverlust ist kombiniert mit Mutationen einer Untereinheit ("Barttin") von Chloridkanälen in der basolateralen Membran marginaler Zellen der stria vascularis im Corti-Organ, was mangelnde Chlorid-Leitfähigkeit und Innenohrtaubheit zur Folge hat.
 
Gelingt die Wasserrückresorption wegen zu hoher Konzentration osmotisch aktiver Stoffe im Sammelrohrsystem nicht ausreichend, geht ein Teil des Wassers verloren (osmotische Diurese). Beispiel: Glucose kann bei starker Hyperglykämie (unbehandelter diabetes mellitus) nicht vollständig rückresorbiert werden (tubuläres Transportmaximum überschritten) und "nimmt Wasser in den Harn mit".
 

 
      Die Nieren des Menschen können die Osmolalität des Harns 4-5fach senken (Wasserausscheidung) oder steigern (Konzentrierung). ~12% der Nephrone liegen juxtamedullär, ihre Henle-Schleifen bauen über einen Gegenstrom- Austauschmechanismus Zonen hoher Osmolarität im Nierenmark auf, dessen tiefe Regionen (~1-2% der renalen Durchblutung) anaerob (pO2 ~10 mmHg) und energiesparend hohe Osmolalität aufbauen. Der absteigende Teil der Henle-Schleife ist parazellulär für Wasser durchgängig (Fehlen von tight junctions), Wasser tritt aus, die Tubulusflüssigkeit wird hyperton. Der dünnwandige aufsteigende Teil der Henle-Schleife ist für Harnstoff (dieser diffundiert in den Tubulus), nicht für Wasser durchgängig (tight junctions, keine Aquaporine)
 
      Der dickwandige aufsteigende Teil der Schleife ist für Wasser und Harnstoff unpassierbar, resorbiert aber 20-30% der filtrierten Kochsalzmenge (apikaler elektroneutraler Na/K/2Cl-Cotransporter; Schleifendiuretika hemmen diesen und senken Rückresorption, interstitielle Osmolalität und Konzentrierungsleistung). Kalium gelangt über ROMK in das Tubuluslumen zurück, das es dabei positiv auflädt. Das glomeruläre Filtrat enthält nur wenig Kalium, daher ist das Kalium-Recycling für die Aufrechterhaltung des Na/K/2Cl-Cotransports notwendig. Das lumen-positive Potential treibt die Ca++- und Mg++-Resorption in das Blut an. Ein Calciumsensor in der basolateralen Membran hemmt bei Erhöhung des extrazellulären [Ca++] den Na/K/2Cl-Cotransporter und damit die Ca++- und Mg++-Aufnahme (und erhöht deren Ausscheidung). Der Na+-Gradient (basolaterale Na/K-ATPase) ermöglicht die Resorption von K+ und Cl- (Chlorid im Austausch gegen Bicarbonat)
 
      Kochsalz- und Harnstoffkonzentration sowie Osmolarität nehmen mit der Tiefe des Nierenmarks zu. Durch die Strömung der Tubulusflüssigkeit baut sich ein vertikaler Osmolaritätsgradient auf, der Inhalt langer Henle-Schleifen wird hyperton (bis maximal ~1500 mosmol/l). Aus der Rinde (≤ 290 mosmol/l) kommend, strömt Harn durch diese hypertone Zone und kann bei starker Vasopressinwirkung 4-5fach hyperton werden (1200-1500 mosmol/l). Auch in den Blutgefäßen des Nierenmarks wirkt ein Gegenstrom-Austauschmechanismus: Endothelien sind für Wasser und Natrium permeabel, ein osmotischer Auswascheffekt durch die Perfusion (der die Konzentrationsfähigkeit der Niere beeinträchtigen würde) bleibt aus. Der dicke aufsteigende Teil der Henle'schen Schleife und der frühdistale Tubulus werden zusammen als Verdünnungssegment bezeichnet: Sie entfernen Kochsalz und sind wasserundurchlässig, die Osmolalität ihres Inhalts sinkt auf 50-100 mosmol/l
 

 




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