Autoregulation
Neuronale Mechanismen
Humorale Mechanismen
Praktische Aspekte
Core messages
Entsprechend ihrer Bedeutung für die Regulierung des extrazellulären Volumens und dessen
osmotischer Konzentration münden in den Nieren Efferenzen der
Kreislauf-, Volumen- und Osmoregulation (Salzausscheidung,
Wasserausscheidung). Die Nieren werden sowohl neuronal (Sympathikus)
als auch humoral gesteuert (natriuretische Peptide aus dem Herzen,
Vasopressin aus dem Hypothalamus, Aldosteron aus den Nebennieren), sind
andererseits selbst endokrin aktiv (Erythropoetin, Renin, Mediatoren)
und melden ihren Zustand über autonom-nervöse Afferenzen an das Gehirn.
Ihre Perfusion stabilisieren die Nieren durch Autoregulation in einem
weiten Blutdruckbereich.
Die Niere stabilisiert ihre Durchblutung durch Autoregulation selbst
Die Niere kann ihre
Durchblutung über einen großen Bereich arteriellen Drucks
konstant halten (Schlaf, Belastung..). Das stabilisiert die
- perfusionsabhängige - glomeruläre Filtration.
Abbildung: Renale Autoregulation
Nach einer Vorlage bei Cooper ES, Silverstein DC: Fluid therapy and the microcirculation in health and critical illness. Front Vet Sci 2021; 8
Bei entspannten (weiten) Nierengefäßen ergibt sich die hellblau, bei kontrahierten (verengten) die rot gezeichnete Druck-Strömungs-Kurve. Grün dargestellt
ist die Kurve für die renale Durchblutung - diese wechselt in diesem
Beispiel zwischen 60 und 160 mmHg kontinuierlich von der Dehnungskurve
relaxierter zu derjeniger kontrahierter Gefäße (Autoregulation). Der
Autoregulationsbereich (farblich unterlegt) endet bei 160 mmHg
(maximale Vasokonstriktion).
Als Resultat verflacht sich
das Verhältnis Strömung als Funktion des Perfusiondrucks, sodass die
renale Perfusion zwischen ~60 und ~160 mmHg fast unverändert bleibt

Abbildung: Autoregulation der renalen Perfusion und glomerulären Filtration (GFR) in Abhängigkeit vom Blutdruck
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Auch über eine
beträchtliche Spanne des arteriellen Perfusionsdrucks (zwischen etwa 80
und 170 mmHg Mitteldruck) kann die Niere ihre Durchblutung (Mitte) und
Filtrationsleistung (unten) in engen Grenzen stabilisieren. Vas
afferens und efferens reagieren gegensätzlich auf Blutdrucksteigerung
(oben).
Messungen an der Niere eines Versuchstieres
Autoregulation der glomerulären Filtration: Die Autoregulation beeinflusst nicht nur die
renale Perfusion, sondern auch die
glomeruläre Filtration (GFR). Diese bleibt im Autoregulationsbereich
zwischen rund 75 und 180 mmHg weitgehend unabhängig von der Höhe des aktuellen Blutdrucks (
Abbildung).
Erst bei höheren Druckbeträgen nimmt sie weiter zu.
(Bei arteriellen Druckwerten unter 75 mmHg nimmt die Filtration
druckproportional ab - unter ~25 mmHg hydrostatischem Kapillardruck
versiegt die glomeruläre Filtration vollständig.)
Die
Nieren werden noradrenerg vom Vegetativum gesteuert (Vasokonstriktion,
NaCl-Resorption, Reninbildung) und vermitteln peptiderg
Information von renalen Mechano- und Chemosensoren an das Gehirn
Calciumwirksame Hormone
Parathormon (PTH) aus den Epithelkörperchen der Schilddrüse (glandulae parathyreoideae) hemmt die Phosphatresorption aus dem proximalen Tubulus und regt die Ca++- und Mg++-Resorption aus Henle-Schleife und distalem Tubulus an. Dadurch wirkt es (kurzfristig) erhöhend auf [Ca++] und senkend auf [HPO4--] im Blut.
Calcitonin hemmt den Einbau
des Natrium / Phosphat- Cotransporters im proximalen Tubulus (luminal),
steigert den Einbau von TRPV5-Kanälen und erhöht die Ca
++-Resorption
im distalen Tubulus. Dadurch bewirkt es bei Hypocalcämie eine Senkung
der Rückresorption von Phosphat sowie eine Steigerung der
Rückresorption von Ca
++.
Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
Die renale Ausscheidung von Kochsalz wirkt sich über die Osmoregulation automatisch auf das Blutvolumen aus. Das effektive Blutvolumen unterliegt so - abgesehen vom Sympathikus - mehreren hormonellen Steuerungen. Kommt es zu einer Einengung einer Nierenarterie auf weniger als die
Hälfte des normalen Durchmessers, dann löst die mangelnde Perfusion
eine verstärkte Bildung von Renin und Aktivierung des Angiotensin-Aldosteron-Systems
aus, was zu vermehrter Kochsalzresorption, Gefäßverengung und
Steigerung des Blutdrucks führt (sogenannter Goldblatt-Mechanismus
oder renovaskuläre Hypertonie).
Man kann dies so interpretieren, dass die Niere die mangelnde
Durchblutung durch systemische Blutdrucksteigerung zu kompensieren
versucht. (Die Niere ist das einzige Organ, das enzymatisch aktives Renin freisetzen kann.)
Angiotensinrezeptoren
befinden sich in der apikalen und basolateralen Membran der
Epithelzellen im proximalen Tubulus. Werden sie gereizt, stimuliert das
(über Proteinkinase C) Natrium-Wasserstoffionen-Austauscher (NHE3). Im dicken aufsteigenden Schenkel der Henle-Schleife regt Angiotensin II die Expression von NHE3 und NKCC2
(Natrium-Kalium-Chlorid-Cotransporter) an. Im distalen Tubulus wiederum
reguliert es die Aktivität des Natrium-Chlorid-Cotransporters (NCC)
hinauf. Zusammengenommen hat das alles eine gesteigerte Resorption von
Natrium - und eine Erhöhung des extrazellulören Volumens - zur Folge.
Das letzte Glied in der Kette des Renin-Angiotensin-Systems ist Aldosteron.
Es agiert über Mineralkortikoidrezeptoren; diese regen die Expression
von Membrantransportern an (das dauert einige Stunden, daher der
verzögerte Wirkungseintritt). Dass Glukokortikoide mit ihrem wesentlich
höheren Blutspiegel kaum an Mineralkortikoidrezeptoren
wirken, liegt an dem Umstand, dass sie durch ein Enzym (11ß-HSD2,
Hydroxysteroid-Dehydrogenase) abgebaut und so kaum rezeptorwirksam
werden.
So regt Aldosteron die Natriumresorption der distalen Tubuli und der Sammelrohre über MCC und ENaC an. Dieser hormonbedingte Effekt kann bis knapp 10% der Natrium-Rückresorption aus dem glomerulären Filtrat (wo täglich etwa 25.000 mM Na anfallen) ausmachen - also bis etwa 2 M/d (entsprechend ~100 g Kochsalz!). Ausfall der Aldosteronwirkung (Mb. Addison) führt zu lebensbedrohlichem Natriumverlust und Kreislaufversagen.
Darüber
hinaus regt Aldosteron apikale Kaliumkanäle (Steigerung der
Kaliumausscheidung) sowie basolaterale Na/K-ATPasen an
(Aufrechterhaltung der Na- und K-Gradienten, welche die meisten
Austauschvorgänge sekundär antreiben).
Vasopressin
Vasopressin
(Arginin-Vasopressin AVP, antidiuretisches Hormon ADH) aus dem hypothalamisch-hypophysären System wirkt über V2-Rezeptoren an
der basolateralen Membran von Tubulusepithelzellen.

Abbildung: Vasopressinwirkung auf Tubulusepithelzelle eines Sammelrohrs
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Vasopressin (AVP) bindet an V2-Rezeptoren und bewirkt über Gs und Adenylatcyclase die Bildung des second messenger
cAMP aus ATP, Aktivierung von Proteinkinase A die Phosphorylierung von
Aquaporin 2, das daraufhin in die apikale Membran exozytotisch
eingelagert wird und diese für Wasser durchlässig macht.
Sinkt der Vasopressinspiegel im Blut, überwiegt die Endozytose von AQP2
und die Permeabilität der Zelle fürm Wasser nimmt wieder ab.
Phosphodiesterase baut cAMP ab und reduziert dadurch ebenfalls die
Wasserpermeabilität.
AC, Adenylatcyclase; AP, Aktivatorprotein; AQP, Aquaporin; AVP, Vasopressin; CRE, cAMP responsive element

Vasopressin wirkt als
"Wassersparhormon", indem es die Resorption von H2O durch Einlagerung von Aquaporin 2 in die apikale Membran der Hauptzellen des Sammelrohrepithels erhöht (in der basolateralen Membran sitzt das vasopressinunabhängige Aquaporin 3) sowie auch über CREB die Neusynthese im Zellkern anregt (
Abbildung).
Vasopressin regt aber auch die Resorption von Natrium an, indem
es im äußeren Markbereich Na/K/Cl-Cotransporter
in der apikalen Membran stimuliert - damit ist es ebenfalls
volumenaktiv (Natrium ist das Leitkation der extrazellulären
Flüssigkeit).
Vasopressin steigert die Permeabilität der Wand des inneren medullären
Sammelrohrs für Harnstoff
- durch cAMP-abhängige Phosphorylierung der Harnstofftranspoirter UT-A1
(apikal) und UT-A3 (basolateral) und erleichtert auch auf diesem Wege
die
Resorption von Wasser.
Natriuretische Peptide
Atriale natriuretische Peptide (ANP) regen - im Gegensatz zu den anderen hier erwähnten Aktoren - die Natriumausscheidung
an. Damit agieren sie volumenreduzierend (und, bezogen auf die kardiale
Vorlast, herzschonend). Die Wirkung erfolgt über renale Vasodilatation
und Steigerung der Durchblutung, sowohl in Rinde (erhöhte Natriumlast
an Tubulus und Henle-Schleife) als auch Mark ("Auswaschen" des
Interstitiums und Senkung der Osmolalität). So steigern sie die
Natriumausscheidung.
Erythropoetin
Erythropoetin
(EPO) ist ein Proteohormon, das zum Großteil (90%) von Fibroblasten im
Gewebe der Nierenrinde (beim Fetus vor allem von der Leber) gebildet
wird. Der Einfluss auf die EPO-Synthese ist vielfältig: Metabolisch
anregende Hormone wie Noradrenalin, androgene Steroide,
Schilddrüsenhormone, Adenosin u.a. regen sie an. Insbesondere ist es
aber ein Absinken der Verfügbarkeit von Sauerstoff, der die Nieren zu
einer Steigerung der EPO-Sekretion veranlasst: Arterielle Hypoxie kann
sie um drei Zehnerpotenzen (von etwa 10
1 auf bis zu 10
4
mU/ml) erhöhen. Hypoxie-induzierte EPO-Expression erfolgt über
Disinhibitionen: Aufhebung der (unter normoxischen Bedingungen
bestehenden) Eliminierung sogenannter hypoxieinduzierbarer
Transkriptionsfaktoren (HIF) sowie der hemmenden Wirkung eines Transkriptionsfaktors (GATA-2) auf den EPO-Promotor.
Vitamin D
Calcitriol ist die biologisch aktive Form der
Vitamin-D-Hormone. Es fördert die intestinale Resorption von Calcium- und Phosphationen aus der Nahrung. Dadurch wird der Ca
++-Spiegel
im Blut stabilisiert oder (von einem niedrigen Wert aus) erhöht.
Aufgabe der Niere ist es, die Vorstufe Calcidiol (25-OH-Form) durch
Wirkung einer
renalen 1α-Hydroxylase
zu Calcitriol zu machen. Niedriger Calcium- bzw. Phosphatspiegel im
Blut regt die Aktivität der 1α-Hydroxylase in der Niere an, erhöhter
Calcium- bzw. Phosphatspiegel - wie auch Calcitriol (Selbsthemmung) -
hemmt sie (negative Rückkopplung).
Kurzlebige Mediatoren